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21.12.13 / Die ostpreußische Familie / Leser Helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Die ostpreußische Familie
Leser Helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

einen Bunten Teller hatte ich versprochen. Er gehört nun einmal zum Weihnachtsfest und wenn unser Familien-Teller auch nicht mit Marzipan und Pfefferkuchen gefüllt ist wie der unserer Kindheit, so soll er doch so bunt wie möglich sein, um die breite Palette unserer Familienarbeit aufzuzeigen. Es können ja nur Kostproben sein, aber ich hoffe, sie werden schmecken und ein wenig Weihnachtsfreude bringen, denn das Mitdenken, Mithoffen und damit auch das Mitfreuen gehört ja zu unserer Familie und macht sie deshalb so beliebt.

Ja, der Bunte Teller! Da lagen neben den kleinen runden Pfeffernüssen auch die Kathrinchen mit ihren runden Ecken. Eine Westpreußin hatte bei uns angefragt, wo man die echten Förmchen bekommen könnte, sie habe bisher vergeblich danach gesucht. Wir konnten ihren Wunsch erfüllen, denn wir besaßen noch zwei, die uns einmal von einer Leserin überlassen worden waren, und stellten sie ihr zur Verfügung. Der Erfolg war, dass sie nun die ganze Familie und Nachbarschaft beliefern muss, denn die Kathrinchen versetzten alle, die sie probierten, in helle Begeisterung. Vor allem die Bäckerin selber, die behauptete, noch nie so etwas Köstliches gegessen zu haben.

Die Geschichte kann ich noch mit einer kleinen Anekdote würzen. Als wir das Thema vor einigen Jahrzehnten behandelten, teilte uns eine Leserin mit, dass sie bei einer Besichtigung des Frauenburger Doms von der Führerin eine seltsame Erklärung für die Herkunft der Thorner Kathrinchen erhielt. Die teilte ihr mit, dass der Vater von Nicolaus Copernicus als Bäcker in Thorn der „Erfinder“ der Kathrinchen gewesen sei. Einwendungen der deutschen Besucher ließen die Erklärerin kalt.

Da müssen wir die Geschichte richtig stellen. Natürlich tragen diese Honigkuchen in der achteckigen Form den Namen „Thorn“ mit Recht, er bezieht sich aber auf das dortige Kloster der Heiligen Katharina. Die Lebkuchen wurden im frühen Mittelalter von den Nonnen am 25. November, dem Gedenktag an die Heilige Katharina von Alexandria, gebacken und in Hungerzeiten an die Bevölkerung verteilt. Schon im 15. Jahrhundert wurde dem Gebäck bereits ein landesherrliches Privilegium zugeteilt.

Wenn es nach unseren Lesern ginge, müsste ich diese ganze Seite mit ihren selbstverfassten Gedichten füllen. Diese sind aber zumeist für den eigenen Familienkreis bestimmt und auch viel zu lang – da muss ich leider passen. So auch bei Frau Gretel Perkuhn Liedke aus Erfurt, deren Erinnerung an die Heuernte in der Memelniederung regen Anklang in unserer Leserschaft gefunden hat, wie uns die Verfasserin mitteilt:

„Ich habe viele Anrufe erhalten und mich riesig gefreut, etwas geschrieben zu haben, das auch andere berührt und die mit mir darüber sprechen. Es war schön zu erfahren, wie viele Menschen das Bedürfnis hatten, es mir auch zu sagen. Für die meisten tat sich die ostpreußische Heimat wieder auf. Am Heiligend Abend, wenn ich mit meinen Kindern in festlicher Runde zusammen bin, lese ich vor der Bescherung eine Erzählung, die von dem sich wandelnden Licht in der letzten Woche des Jahres handelt. Also auf der einen Seite das heilige Licht am Weihnachtsabend, auf der anderen das knatternde, sprühende Licht zu Sylvester. Den Schluss bildet dabei dieses Gedicht, das Sie bitte unserer beliebten Familie auf den Bunten Teller legen.“

Würde ich gerne tun, aber dann wäre unser Teller fast voll, und so will ich nur einen Vers – sozusagen als Pfeffernuss – bringen: „Mit jedem Licht ein Dankessegen, aus jedem Licht strömt Kraft entgegen, und auch ein Wort wird niemals müd’: Ich hab Euch ewig, ewig lieb!“

Ein Gedicht hat auch Frau Herta Manfraß aus Köln geschrieben. Aber das hat nichts mit Weihnachten zu tun, sondern handelt von einem Wiedersehen, zu dem sie die Weichen stellte. Und von dem berichtet sie zuerst in Prosa:

„Jahrelang habe ich versucht, zwei Schulkameradinnen von mir dazu zu bewegen, sich gegenseitig anzurufen, zumal sie in Königsberg im selben Haus gewohnt und zusammen gespielt hatten. Seit dem Krieg hatten sie sich nicht mehr gesehen, aber es kam nie ein Wiedersehen zustande, denn die eine wohnt in Hamburg, die andere in Freiburg. Nun ist es mir endlich gelungen, ein Treffen bei mir in Köln zu arrangieren. Natürlich hatten die Beiden sich viel zu erzählen und es wurde ein gelungenes Treffen.“

Zumal Frau Manfraß sie noch mit einer Einladung zu einem nostalgischen Konzertabend überraschte! Und im Nachhinein mit einem Gedicht, das in den Endzeilen das Fazit aus diesem Wiedersehen nach 70 Jahren zieht: „Es waren ohne Frage zwei ganz wundervolle Tage!“

Weihnachten bedeutet Orgelklang, und in der Patronatskirche von Coadjuthen im Memelland wird die neue Orgel erklingen, die zwar noch nicht eingeweiht, aber schon bespielbar ist. Die Freude ist groß bei der dortigen Evangelischen Gemeinde wie auch bei der deutschen Coadjuthen-Gruppe, die schon mit den von ihr gespendeten historischen Gedenktafeln für die Patronatskirche bewies, wie sich deutsche Vergangenheit auch in den Oder-Neiße-Gebieten dokumentieren lässt. Die Orgel ist kein Neubau, sie wurde vor 100 Jahren vom Orgelbauer Faust aus Barmen gebaut und ist eine Spende aus Hagen/Westfalen. Aber es scheint fast, als sei sie für das Coadjuther Gotteshaus bestimmt, denn sie fügt sich hervorragend in die vorhandene Holzkonstruktion des Kir­chen­inneren ein. Auch die Orgel-Akustik soll nach Angaben des Orgelbauers Jörg Naß gut zum Raumvolumen des Kirchenschiffes passen. Bereits im Oktober hatte er im Auftrag der Evangelischen Kirchengemeinde Coadjuthen [Katyciai] und des Litauischen Musikverbandes die Orgel installiert und bespielbar gemacht. Zur Deckung der Kosten von 4500 Euro trug auch die Nordelbische Kirche bei.

Ihre erste Orgel hatte die Coadjuther da schon erheblich mehr gekostet. Sie wurde anno 1756 errichtet, hatte zwei Blasebälge, 457 klingende Pfeifen und kostete die enorme Summe von 800 Preußischen Talern, von denen die damals wohlhabende Kirchengemeinde 200 Taler selber aufbringen musste. Das war seinerzeit viel Geld. Dafür wurde sie auch von dem berühmten Hof-Orgelbauer Adam Gottlied Casparini gebaut, nachdem die Regierung in Königsberg dazu ihre Genehmigung gegeben hatte.

Ein Foto von der neuen Orgel haben wir schon von Herrn Günter Uschtrin bekommen, der bei der geplanten Einweihung im Frühjahr in Coadjuthen dabei sein wird. Die Aufnahme zeigt, dass die Orgel dem gesamten Kirchenraum ein stilvolles Gepräge gibt. Wenn man an die verkommenen, verfallenen Gotteshäuser denkt, denen man in unserer geteilten Heimat vor allem im russischen Teil begegnet, mutet die Patronatskirche von Coadjuthen schon wie ein Wunder an.

Süßer die Glocken nie klingen – so beginnt eines unserer schönen alten Weihnachtslieder. Und um Glocken geht es auch bei der Suchfrage von Herrn Dr. Manfred Hellmud aus Leipzig. Dass er sich an uns wendet, hat seinen Grund: Als Mitglied des KV des BdV Leipzig arbeitet er mit einer Reihe junger Kulturbegeisterter an einem Programm ostpreußischer Musikschaffender. Zu denen gehörte auch der Komponist Erich Börschel, der zwar kein gebürtiger Ostpreuße war, aber das ostpreußische Musikleben vor allem durch seine Tätigkeit als Pianist und Arrangeur am Reichssender Königsberg mitbestimmte, seit 1934 mit einem eigenen Tanz- und Unterhaltungsorchester. Bekannt als Komponist wurde er vor allem durch sein „Spatzenkonzert“, das sogar in ganz Deutschland sozusagen zum „Hit des Jahres“ wurde. Auch seine „Glockenserenade“ wurde zu einer der am meisten gespielten Börschel-Kompositionen – und um diese geht es nun Herrn Dr. Hellmud bei seinem an uns gerichteten Suchwunsch. Bisher hat er sich vergeblich bemüht, die Noten ausfindig zu machen, und bei seiner ersten Anfrage konnten wir ihm auch keine befriedigende Auskunft geben, denn sie befinden sich auch nicht in unserem Fundus. Nun war ich vor einigen Jahren oft im Gespräch mit Ruth Börschel, der Witwe des Komponisten – einer echten ostpreußischen Marjell! –, denn es wurde oft nach dem „Spatzenkonzert“ gefragt und Ruth besaß noch die Noten, übergab dann aber den musikalischen Nachlass ihres 1988 in Plön verstorbenen Mannes dem Hesssischen Rundfunk. Dort hatte ihr Mann nach einer abenteuerlichen Flucht aus Königsberg bis 1962 als Leiter der „Hessenmusikanten“, einem Ensemble des HR, gewirkt und viele Unterhaltungssendungen geprägt, auch mit seinen eigenen Kompositionen. Wir rieten also Herrn Dr. Hellmund, sich an den HR zu wenden, leider hatte seine Anfrage bisher keinen Erfolg. Ergo bleibt nur noch unsere Ostpreußische Familie, der wir nun seinen Wunsch übermitteln: Wer besitzt die Noten der von Erich Börschel komponierten „Glockenserenade“ oder kann einen Hinweis geben, wo sich diese befinden könnten? (E-Mail: manfred.hellmund@drz-sachsen.org)

Die letzten Tage des alten Jahres zwingen zum Nachdenken, lassen noch einmal den Blick zurück gleiten über die 51 Familienseiten in den PAZ-Ausgaben 2013 – nie hat die Ostpreußische Familie gefehlt. „Sie ist so verlässlich“, hat ein Leser unsere stete Präsenz honoriert. Wir sind ja eine Zeitung, die den Namen „Preußen“ im Titel trägt, und das verpflichtet. Und trägt Früchte, wenn ich noch einmal Nachlese halte. Die dürfen auf unserem Bunten Teller nicht fehlen, und da sie haltbar sind, werden sie uns noch lange erfreuen. Aber auch beschäftigen, denn manche Probleme sind nur halb gelöst oder weisen weitere Suchwege auf, neue Fragen kommen hinzu, und so nehmen wir einen ganzen Packen Wünsche hinüber in das Neue Jahr. Ein Jahreswechsel bedeutet ja keine Zäsur, sondern ist eine Kerbe in dem Stamm unseres Familienbaumes, eine Markierung, die beweist, dass unsere Arbeit auch 70 Jahre nach der Vertreibung nicht weniger wird. Dafür aber schwieriger, sehr viel schwieriger, weil die Zeit ihren Tribut fordert und viele Kenntnisse und Erkenntnisse bei Zeitzeugen nicht mehr abrufbar sind. Umso erfreulicher ist die Bereitwilligkeit aus den Reihen der nachfolgenden Generationen, Erhaltenswertes zu hinterfragen und so zur glaubwürdigen Dokumentation unserer Heimat beizutragen. Ein Leser, Alfred Warschat aus Köln, baut mir mit seinem Vorwort zu seinem langen Suchschreiben, auf das wir heute und hier noch nicht eingehen können, dazu die Brücke: „Bei Ihnen haben auch jüngere Menschen die Chance, gehört zu werden, wenn Ihnen etwas im Sinn ihrer ostpreußischen Vorfahren am Herzen liegt.“ Ich hoffe, dass wir noch vielen Suchenden, gleich welcher Generation sie angehören, Hilfestellung geben können dank unserer so aktiven Leserinnen und Leser. Sie tragen zu dem guten Ruf unserer immer größere Kreise ziehenden Ostpreußischen Familie bei. Und so möchte ich mit diesen kurzen Sätzen, die doch so viel besagen, aus dem Weihnachtsbrief unserer Anne Rekkaro aus Estland, die als Kleinkind ihre Heimatstadt Königsberg verlassen musste, schließen:

„Die PAZ hat mein Leben geändert, wo war ich früher? Jetzt vergeht kein Tag, an dem ich nicht an unsere Heimat Ostpreußen und besonders an mein Königsberg denke. Vielen Dank, dass es Sie gibt!“

Eure Ruth Geede


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