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21.12.13 / Fast wie aus Tausendundeiner Nacht / Biografie der muslimischen Prinzessin Salme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Fast wie aus Tausendundeiner Nacht
Biografie der muslimischen Prinzessin Salme von Sansibar, welche die Liebe zu einem Kaufmann nach Hamburg führte

Es klingt wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Die muslimische Prinzessin Salme von Sansibar verliebt sich in den Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete, flieht 1866 schwanger von der Insel, um mit ihm als getaufte Christin Emily Ruete in Hamburg zu leben. Das Glück währt jedoch nur kurz, Heinrich Ruete stirbt 1870 durch einen Unfall und lässt Emily mit drei kleinen Kindern in schwierigen Verhältnissen zurück.

Der Schweizer Autor Lukas Hartmann hat sich auf eine spannende Spurensuche begeben. Emily Ruete hat zwar selbst die „Memoiren einer arabischen Prinzessin“ geschrieben, bleibt dabei jedoch in vielen Zeitabschnitten vage. Hartmann schildert das Leben der Prinzessin und ihrer Familie in vielen Episoden, er beleuchtet es von allen Seiten aus der Retrospektive durch ihre Kinder. Es ist keine historische Nacherzählung, sondern der Versuch einer Annäherung an das vielschichtige Leben einer Frau, die als Prinzessin sehr wohlhabend und relativ frei aufwächst und vom Tode bedroht fliehen muss, nachdem sie von einem Ungläubigen ein Kind bekommt.

Das erhoffte Glück in Hamburg platzt schon nach kurzer Zeit, und sie muss sich mit drei kleinen Kindern allein durchs Leben schlagen. Es ist ein buntes Leben, das sie an verschiedenen Orten Deutschlands und im Orient verbringt. Dabei muss sie, die in Sansibar eigene Plantagen besaß und verwaltete, sich mit den Nachlassverwaltern ihres Mannes auseinandersetzen, die sie, wie es damals üblich war, unter Vormundschaft stellten, ihr Gelder vorenthielten und veruntreuten.

Emily versucht die Annäherung an ihren Bruder, dem regierenden Sultan von Sansibar, reist zweimal dorthin, hofft durch deutsche koloniale Interessen auf Unterstützung des Deutschen Reiches, scheitert jedoch beide Male. In ihrer Lebenstragödie fühlt sie sich vom Deutschen Reich fallengelassen, und eine Rückkehr nach Sansibar ist ausgeschlossen. 1914 kehrt sie endgültig aus Beirut nach Deutschland zurück und verbringt ihre letzten Jahre bei ihrer Tochter Rosalie.

Auch das Leben ihrer drei Kinder verläuft nicht gradlinig, der Sohn Rudolph Said, der sich später Rudolph Said-Ruete nennt, wendet sich vom erlernten Soldatenberuf ab, wird Pazifist, heiratet eine Jüdin, die durch die Heirat auch von einem Teil ihrer Familie verstoßen wird. 1928 wird er dann doch noch offiziell bei einem Besuch in London vom Sultan von Sansibar anerkannt und in den Familienstammbaum aufgenommen, vier Jahre nach Emilys Tod. 1934 wird er britischer Staatsbürger, kann kaum verkraften, dass seine Schwester Antonie kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges durch einen britischen Bombenangriff in Bad Oldesloe stirbt.

Emily stirbt 1924 in Jena und wird auf dem Hamburger Familiengrab ihres Mannes mit einem Säckchen Erde aus Sansibar begraben. Die Wege ihrer Kinder, die in engster Gemeinschaft aufwuchsen, haben sich lange getrennt, zwischen ihnen herrscht nur noch Sprachlosigkeit.

Lukas Hartmann schafft ein großartiges vielschichtiges Stimmungsbild der westlich-östlichen Welt, zeichnet detailliert Charaktere und Örtlichkeiten nach. Der Leser taucht ein in eine Gefühlswelt, die immer wieder beherrscht wird vom erneuten Aufbruch ins Ungewisse und auch dem Scheitern, aus dem neue Kräfte erwachsen.

In seinem Nachwort weist er ausdrücklich darauf hin, dass er die biografischen Lücken mit seiner Vorstellungskraft gefüllt hat. Die Faszination besteht darin, dass der Leser das Gefühl hat, genau so und nicht anders muss es gewesen sein, so authentisch scheint zum Beispiel das Gespräch zwischen Rudolph Said-Ruete und Bismarck, von dem historisch belegt ist, dass es stattgefunden hat. Der Dialog klingt so glaubwürdig, als hätte Hartmann in der Ecke gestanden und zugehört.

Das Buch zeigt das Leben von Salme von Sansibar/Emily Ruete von der arabischen Welt zum bürgerlichen Deutschland, ein Zeitbild vom Kolonialismus im deutschen Kaiserreich, weitergehend bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, historisch gut recherchiert, spannend und auch poetisch geschrieben. Ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen mag. Britta Heitmann

Lukas Hartmann: „Abschied von Sansibar“, Diogenes, Zürich 2013, geb., 336 Seiten, 22,90 Euro


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