18.04.2024

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04.01.14 / Jägerstraße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Jägerstraße
von Vera Lengsfeld

Die erste Berlinkolumne im neuen Jahr soll von den schönen Seiten der Hauptstadt handeln. Also gibt es eine Geschichte über die Jägerstraße, eine der traditionsreichsten der Stadt.

Sie geht vom wie Phönix aus der Asche gestiegenen Gendarmenmarkt ab. Wenn man die Straße aus der Richtung Alexanderplatz kommend entlanggeht, sieht man im Hintergrund die prächtige Kulisse des Schauspielhauses. Das stimmt auf ein besonderes Erlebnis ein. Die wenigen Bauten, die den Krieg und den DDR-Abriss überstanden haben, sind wieder aufs Feinste heraus­geputzt. Manche strahlen in einem Glanz, den man schon verloren glaubte.

Nehmen wir die Mendelssohn-Remise: Gebaut wurde sie als Bankhaus der Familie Mendelssohn, als diese zu Reichtum gekommen war. Schon bei der Eröffnung erwies sich die prächtige Halle als zu klein. Man baute kurzerhand eine größere daneben und funktionierte das Prachtstück zum Pferdestall um – eine Remise eben.

Heute wird die Remise als Kulturstätte genutzt. Es finden Klassikkonzerte zur Mittagszeit statt, Lesungen zum Fünf-Uhr-Tee. Alles sehr stilvoll, aber leider überwiegend von der Generation 50 plus besucht. Dabei ist das Programm keineswegs altbacken, sondern klassisch zeitlos. Nicht nur das Gebäude ist eine Augenweide, auch der Hof, der zu DDR-Zeiten ein trostloser Ort war, ist wirkungsvoll bepflanzt. Eine wahre Oase mitten in der Großstadt.

Die Bank der Mendelssohns war im Rahmen von Lenins Expropriationsprogramm für einen Überfall vorgesehen, nachdem der Bolschewik Dschugaschwili, später Stalin, einen überaus erfolgreichen Bankraub in Tiflis unternommen hatte. Es kam nicht dazu, weil die Möchtegern-Bankräuber vorher ausgewiesen wurden.

Nur ein paar Schritte weiter hat Rahel Varnhagen unter dem Dach ihren ersten Salon betrieben. Hier traf sich alles, was in der Berliner Intellektuellenwelt Rang und Namen hatte. Selbst Prinz Louis Ferdinand kam mit seiner Geliebten Pauline. Da man sich Rahel vor ihrer Verheiratung immer als arme Kirchenmaus vorstellt, überrascht das prächtige Portal des Hauses.

Im Erdgeschoss befindet sich das Restaurant Vau, in dem der Sternekoch Kolja Kleeberg den Löffel schwingt. Hier gibt es die beste Rote Linsensuppe der Stadt. Wem eine Einkehr zu teuer ist, der kann sich das Rezept im Internet runterladen und nachkochen.

Man kann aber auch eines der anderen Lokale der Straße aufsuchen und bei einem Kaffee über die wechselvolle Geschichte nachdenken. Geschichtsbewusste Berliner haben durch das Aufstellen von Tafeln, auf denen jede Menge geschichtliche Fakten verzeichnet sind, für viel Stoff dafür gesorgt.

Berlin kann so schön sein!


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