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04.01.14 / Moskau trotzt der Krise mit Säuberung / Schließung maroder Banken läutet Reformkurs ein − Kürzungen und Rentenreform auf Putins Agenda

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Moskau trotzt der Krise mit Säuberung
Schließung maroder Banken läutet Reformkurs ein − Kürzungen und Rentenreform auf Putins Agenda

Russland steckt in einer wirtschaftlichen Rezession. Die Wachstumsprognosen mussten 2013 viermal nach unten korrigiert werden, die Inflationsrate blieb hoch, die anhaltende Kapitalflucht macht der Regierung zusätzlich zu schaffen. Mit der Schließung maroder Privatbanken läutet Präsident Wladimir Putin einen lange vermiedenen Reformkurs ein.

Besser hätte der Zeitpunkt nicht gewählt sein können: Während Präsident Putin, der derzeit außenpolitisch auf einer Erfolgswelle schwimmt, bei seiner jährlichen Ansprache ans Volk mit altbewährten Parolen den Ernst der wirtschaftlichen Lage herunterspielte und scheinbar beiläufig die bevorstehende Freilassung des Ex-Oligarchen Michail Chodorkowskij bekanntgab, sorgte Zentralbankchefin Elvira Nabiullina, die langjährige Mitarbeiterin im Wirtschaftsministerium und in der Verwaltung des Präsidenten, für vollendete Tatsachen, als sie mehreren großen regionalen Privatbanken die Lizenz entzog, darunter auch der Königsberger „Investbank“ (siehe Seite 13). Befürchteten vor allem Kleinsparer den Verlust ihrer Einlagen und eine Bankenkrise wie 2004, konnte Nabiullina die Menschen schnell beruhigen. Im Unterschied zu damals greift jetzt der Bankensicherungsfonds. Zwar sind nur Guthaben bis zu einer Höhe von umgerechnet 15400 Euro versichert, allerdings hat die Regierung bereits angekündigt, dass die großen Staatsbanken Sberbank und VTB die bei den betroffenen Privatbanken bestehenden Konten übernehmen werden und somit auch größere Guthaben gesichert seien.

Seit Nabiullinas Amtsantritt im Juni 2013 wurden bereits über 25 Privatbanken liquidiert, weitere werden 2014 folgen. Ihnen wird Bilanzbetrug und Geldwäsche vorgeworfen. Die durch die Schließungen ausgelöste Vertrauenskrise in das russische Bankensystem hat dazu geführt, dass auch Kunden gesunder Banken nun vermehrt zu den staatlichen Großbanken wechseln. Diese profitieren, denn auch sie litten in der Vergangenheit unter der ständigen Kapitalflucht. Kritiker glauben, dass die Bankensäuberung ein politischer Auftrag sei, den die Zentralbankchefin nun ausführe. Beobachter sprechen aber auch von einer notwendigen Reaktion der Regierung auf die sich verschlechternde Wirtschaftslage im Land.

Die Industrieproduktion stagniert bei null Prozent. Im vergangenen Monat reduzierte das Wirtschaftsministerium seine Prognose für das durchschnittliche Wirtschaftswachstum bis 2030 von vier auf 2,5 Prozent. Der Kapitalrückzug ist eines der größten Probleme Russlands. Seit Mitte 2008 wurden insgesamt 300 Milliarden Euro abgezogen. Dabei sind es nicht nur ausländische Investoren, die sich wegen Rechtsunsicherheit, Korruption und der Behinderung eines freien Wettbewerbs aus Russland zurückziehen. Rund ein Viertel soll auf Abhebungen des privaten Anlagekapitals und auf Firmen, die ihr Kapital ins Ausland transferieren, zurückgehen.

Jüngstes Beispiel für Kapitalabfluss ist ausgerechnet die von Putin forcierte Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan. Durch die Zollfreiheit mit Russland sind bereits über 34 Milliarden Euro nach Kasachstan abgeflossen, weil russische Firmen dort investieren. Der Transfer erfolgte über Banken, denen nun Geldwäsche vorgeworfen wird. Während Kasachstan von dem Bau neuer Industriebetriebe profitiert, gehen in Russland Arbeitsplätze und Steuereinnahmen verloren.

Das Jahr 2014 wird Putin vor große Herausforderungen stellen. Der Präsident hat im Dezember eingestanden, dass die Wirtschaftsprobleme des Landes nicht nur mit der globalen Finanzkrise zu erklären seien, sondern innere Ursachen haben. Neben der Säuberung des Bankensektors stehen Ausgabenkürzungen bei den Staatsbetrieben Gazprom und der Staatseisenbahn auf der Agenda. Zudem soll das Rentenalter, das in Russland bei 60 Jahren für Männer und 55 für Frauen liegt, erhöht werden. Bislang hatte Putin diese unpopulären Maßnahmen stets verschoben, auch deshalb, weil vor allem die Eisenbahn zu den größten Arbeitgebern des Landes zählt. Kürzungen werden zu Stellenstreichungen führen. Die Arbeitslosenquote lag 2013 bei 5,8 Prozent, Tendenz steigend. Da die Einnahmen aus der Energiebranche nicht mehr so üppig fließen, sind Reformen unumgänglich. Die Förderung Erneuerbarer Energien in Europa sowie die Erschließung von Schiefergasfeldern wird Russland weiter unter Druck setzen.

In Russland gibt es immer noch zu viele Banken. Von den etwa 900 lizensierten Geldhäusern kontrollieren die 50 größten 80 Prozent des Geldflusses. Viele der übrigen dienen im korrupten System als sogenannte „Taschenbanken“ für Geschäftsverbände oder Einzelpersonen. Banken, die sich an die staatlich vorgegebenen Regeln und Gesetze halten, sollen laut Nabiullina auch künftig nichts zu befürchten haben. Im Grunde folgt die russische Regierung mit den nun angekündigten Maßnahmen den seit Jahren von westlichen Beratern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Reformen in der Hoffnung, ausländsiche Investoren anzuzlocken,

Russland verfügt über ungenutztes Potenzial. Die arbeitsfähige Bevölkerung ist gut ausgebildet, rund die  Hälfte hat einen Hochschulabschluss, die Staatsfinanzen gelten als solide und die Steuern sind niedrig, die Staatsverschuldung ist im internationalen Vergleich gering. Auch die Infrastruktur verbessert sich allmählich. Bislang hat Russland es jedoch versäumt, eine breite industrielle Basis für Investoren zu schaffen.

Vize-Ministerpräsident Igor Schuwalow hat kürzlich eine Reise in die USA unternommen, um das Vertrauen potenzieller amerikanischer Investoren zurückzugewinnen. Putins Amnestie für Häftlinge, insbesondere für seinen Erzfeind Chodorkowskij, könnte hier gute Dienste leisten.

Manuela Rosenthal-Kappi (siehe auch Kommentar Seite 8)


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