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04.01.14 / Wenn Löcher zählen / Vor 125 Jahren begann das Zeitalter der maschinellen Datenverarbeitung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Wenn Löcher zählen
Vor 125 Jahren begann das Zeitalter der maschinellen Datenverarbeitung

Eigentlich war es eine scheinbar langweilige Erfindung, gedacht für langweilige Arbeiten. Und auch ihr Erfinder war wahrscheinlich nicht gerade ein Ausbund an Unterhaltsamkeit. Und doch sollte seine Erfindung die Welt verändern. Vor 125 Jahren, am 8. Januar 1889, wurde Herman Hollerith das Patent für seine Lochkarten erteilt, das Zeitalter der Computer begann.

Seit 1790 findet in den USA alle zehn Jahre eine Volkszählung statt. Dabei wuchs die Zahl der Fragen, die der Staat an den Bürger hatte, immer weiter an. Deren Auswertung dauerte immer länger. Schließlich war sie gerade abgeschlossen, wenn die nächste Volkszählung begann. 1880 mussten bereits 235 Fragen beantwortet werden. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen nach einer technischen Lösung suchten.

Damit beschäftigt war als „special agent“ auch der Ingenieur Herman Hollerith. Seine Aufgabe war es, eine Statistik über Energiequellen der Schwerindustrie auszuarbeiten, ein Thema, das ihm als Bergwerksingenieur nicht fremd war. Die Eltern Holleriths waren aus Großfischlingen, einer kleinen Ortschaft bei Neustadt an der Hardt, in die USA eingewandert.

Gemeinsam mit dem ebenfalls beim Zensus beschäftigten Arzt John Shaw Billings machte sich Hollerith Gedanken darüber, wie immer wiederkehrende Abläufe mechanisiert werden können. Die Idee, dafür Lochkarten zu nutzen, war nicht neu. Ähnliche Systeme waren bereits Mitte des 18. Jahrhunderts für Webstühle entwickelt worden. Dabei wurden die Webstühle mittels gelochter Karten aus Karton gesteuert. Zuvor bereits war das gleiche Prinzip bei Spieldosen und automatischen Figuren angewendet worden.

Auf diesen Kenntnissen aufbauend, entwickelte Hollerith ein Lochstreifensystem, das über Rasse, Geschlecht und Alter Auskunft gab, und eine Maschine, die diese Daten lesen konnte. Korrekturen waren mit diesem System jedoch nicht möglich, so dass die ersten Ergebnisse wenig befriedigend ausfielen.

Bei einer Zugfahrt beobachtete Hollerith, wie ein Schaffner eine sogenannte „punch photograph“-Fahrkarte ausstellte. Informationen über charakteristische Merkmale (Geschlecht, Hautfarbe) des Reisenden, auf den die Fahrkarte ausgestellt war, presste er mit einer Lochzange auf einer Pappkarte in dafür markierte Felder. Auf diese Weise wurde verhindert, dass die Fahrkarte von einer zweiten Person ein zweites Mal benutzt würde. Diese Beobachtung brachte die entscheidende Idee. Hollerith entwickelte Lochkarten für die Volkszählung. Seine Maschine, die diese Informationen lesen konnte, überzeugte den Zensus. Holleriths Maschine sortierte die eingelochten Testdaten in fünf Stunden und 28 Minuten, während ein Konkurrenzsystem dafür 44 Stunden benötigte.

Die Anfänge waren einfach. Ähnlich wie er es bei dem Schaffner beobachtet hatte, lochte Hollerith mehrere 1000 Karten mit einer einfachen Lochzange. Doch als der begnadete Tüftler, der er war, entwickelte er neue Verfahren, um präziser und schneller lochen zu können.

Hollerith verkaufte die von ihm entwickelten Maschinen nicht, er vermietete sie. Weil das Büro des Zensus an einer möglichst kurzen Mietdauer interessiert war, wurde zeitweise im 24-Stunden-Betrieb gearbeitet. Die Idee erwies sich allerdings nicht als erfolgreich, weil die Mitarbeiter die Maschinen sabotierten, um ab und zu eine Pause machen zu können.

Anders als die Idee ihrer Vermarktung erwiesen sich die Maschinen selber im praktischen Einsatz als durchschlagender Erfolg. Die Volkszählung 1890 war zwei Jahre früher ausgewertet als geplant. Und sie hatte fünf Millionen Dollar weniger gekostet als kalkuliert. Der „Electric Engineer“ jubelte 1891: „Der Apparat arbeitet unfehlbar wie die Mühlen Gottes, aber er schlägt sie glatt in Bezug auf die Geschwindigkeit.“

Der enorme Erfolg von 1890 gab Hollerith Auftrieb. Er gründete 1896 die „Tabulating Maschine Companie“. Im selben Jahr fand in Russland eine Volkszählung statt – mit Maschinen Holleriths. Auch im Deutschen Reich war in jenem Jahr eine Volkszählung angesetzt. Dazu hatte Hollerith ebenfalls seine Maschinen angeboten. Sie wurden abgelehnt mit der Begründung, eine Mechanisierung mache es unmöglich, viele Arbeitslose im Rahmen der Volkszählung zu beschäftigen. Darum musste Hollerith bis 1910 warten, ehe er seinen deutschen Ableger gründen konnte, die „Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft“. Ein Jahr später allerdings verkaufte Hollerith sämtliche Unternehmungen für etwas mehr als eine Million Dollar und einen über zehn Jahre laufenden Beratervertrag, der ihm jährlich 20000 Dollar einbrachte.

Seine Patente waren da bereits ausgelaufen. Schon 1910 hatte Hollerith nicht mehr den Zuschlag bei der Volkszählung in den USA erhalten, ein Konkurrent war günstiger. Mit dem Verkauf wurde die Firma umfirmiert, sie hieß nun „Computing Tabulating Recording-Company“ (C-T-R). Aus der wurde 1924 die „international business machines“ (IBM) ausgegliedert.

Herman Hollerith, der Vater der Computertechnologie, starb am 15. November 1929. Sein Speichersystem für Daten hat ihn lange überdauert. Erst in den 60er Jahren lösten elektronische Speichermedien die Lochkarten ab. Die grundlegende Idee aber blieb wie zu Zeiten Herman Holleriths. Klaus J. Groth


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