19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.01.14 / Das Böse im Blick / Roman über gute Täuschung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-14 vom 04. Januar 2014

Das Böse im Blick
Roman über gute Täuschung

In ihrem Romandebüt spielt die Radio- und Fernsehautorin Liz Nugent aus Dublin mit dem weit verbreiteten Unvermögen, einem raffinierten Hochstapler auf die Schliche zu kommen, noch dazu, wenn dieser attraktiv und erfolgreich ist. Ihr spannender Psychokrimi mit dem Titel „Die Sünden meiner Väter“ ist aus den Einlassungen mehrerer Erzählpersonen zusammengesetzt, die abwechselnd zu Wort kommen. Die Geschichte um Liebe und Verrat beginnt, nachdem in Dublin ein Gewaltverbrechen geschehen ist, das viele Menschen in Irland und darüber hinaus erschüttert hat. Ein berühmter Schriftsteller namens Oliver Ryan, der mit seinen Kinderbüchern unter dem Pseudonym Vincent Dax ein Vermögen verdiente, hat seine langjährige Ehefrau Alice ins Koma geprügelt. Wie konnte das nur geschehen, zumal die Ehe als glücklich galt?

Das fragen sich nicht nur alle diejenigen, die mit dem Ehepaar befreundet waren und sich nun entsetzt von Oliver Ryan abgewandt haben. Dem Leser präsentiert sich der Protagonist als Ich-Erzähler von Anfang an mit ungeschminkter Offenheit. Er braucht sich nicht mehr zu verstellen, für ihn ist der Vorhang gefallen. Mit seiner offenkundigen Gefühlskälte und Kaltschnäuzigkeit gibt der vom Sockel gestürzte Star der Literaturszene denn auch keine Identifikationsfigur ab, sondern einen Anti-Helden. Was als Kunstgriff in Kriminalromanen und verwandten Genres immer wieder zur Anwendung kommt, stellt auch bei diesem atmosphärisch dichten Schmöker die tragende Säule des Handlungsgerüstes dar, nämlich ein streng gehütetes Geheimnis. Hier sind es die Umstände der eigenen Herkunft, die der 1953 in Dublin geborene Autor jahrzehntelang, bis zum Zeitpunkt der grausigen Tat, verschleiert hat, und darüber hinaus noch einiges mehr.

Oliver Ryans Erzählung über den Tathergang und über seine Ehe mit der Illustratorin Alice bildet den Auftakt zu einer Serie mit Bekundungen von Personen, die offenbar als Zeugen vor Beginn des Gerichtsprozesses aussagen. Ihre lebhaften und scheinbar spontanen Äußerungen belegen die Kunst der Autorin, authentische Persönlichkeiten zu kreieren. So kommt allmählich Licht in die Vergangenheit des noch vor Kurzem gefeierten Erfolgsautors, der sich zudem als Frauenheld entpuppt, und es werden soziale Milieus umrissen. Auch wird die Entwicklung der irischen Gesellschaft seit den 1970er Jahren erkennbar.

Raffiniert hat Liz Nugent Spuren ausgelegt, um den Leser über die Frage ins Grübeln zu bringen, wie es eigentlich dazu kam, dass der in seiner Jugend extrem vernachlässigte Oliver Ryan, welcher zu einem hochgradigen Egoisten mutierte, später mit herzergreifenden Kinderbüchern einen Welterfolg nach dem anderen erzielen konnte. Als vermeintliche Halbwaise in einem Dubliner Internat aufgewachsen, gelang ihm nach einer abgebrochenen beruflichen Laufbahn als Finanzbeamter ab 1983 mit seinen Büchern ein Bestseller nach dem anderen. Was war eigentlich die Quelle seiner Inspiration?

Doch: Das Internet wird in dem ansonsten um Realitätsnähe bemühten Roman nicht erwähnt. Durch dieses Medium ist es aber für prominente Personen in der Realität schon längst nicht mehr möglich, erlogene Behauptungen über längere Zeit aufrecht zu erhalten. Insofern stellt sich die Frage, warum der Autorin keiner ihrer namentlich genannten Berater einen Hinweis gegeben hat. Man hätte den Ausgangs- und Endpunkt der Handlung um 20 Jahre zurückverlegen können. Damals gab es immerhin noch keine effektiven Suchmaschinen im Internet. Dagmar Jestrzemski

Liz Nugent: „Die Sünden meiner Väter“, Lübbe, Köln 2013, geb., 239 Seiten, 16 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren