23.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 23/14 vom 07.06.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Das falsche Europa
EU-Wahl: Obwohl Protest der Bürger deutlich wurde, macht Brüssel weiter wie bisher

Obwohl Jean-Claude Juncker mit seinen Aussagen oft seine Verachtung gegenüber den Wählern artikuliert hat, soll ausgerechnet er EU-Präsident werden.

Beim Ringen um den nächsten Kommissionspräsidenten schießen die politisch Mächtigen in der EU ein Eigentor nach dem nächsten. Eigentlich sollte es den Bürgern der EU als Symbol der „Demokratisierung“ verkauft werden, dass man ihnen erstmals mit Jean-Claude Juncker und Martin Schulz zwei „Spitzenkandidaten“ präsentierte.

Taktisch viel zu schnell aber hat sich Schulz nach kurzem Geplänkel hinter Juncker gestellt. Wessen Parteien mehr Stimmen bekämen, der solle auch Präsident werden, das sei vorher so abgemacht gewesen, hieß es dazu von Schulz. Damit hat er das alte Bild der geheimen Zirkel, die in Brüssel hinter verschlossener Tür alles auskungeln, ebenso bestätigt wie den Verdacht, dass sich die Oberen dort sowieso in allem einig sind und den Völkern nur Vielfalt und „Demokratie“ vorspielen.

In dieses Bild passt schon die Person Junckers selbst. Der Luxemburger gilt Millionen von Europäern als Inbegriff des Euro- kraten, des Apparatschiks. Eigene Aussagen („Wenn es ernst wird, muss man eben lügen.“) haben ihn zur Galionsfigur eines falschen Europabegriffs werden lassen, der nun so viele EU-kritische Parteien hat aufblühen lassen.

Junckers Europa ist eines, das man hinter dem Rücken und notfalls auch gegen den Willen der Völker herbeimogelt. Er will den europäischen Superstaat, den er über eine Art schleichenden Staatsstreich zu erreichen trachtet, auf dass die Völker jeden neuen Stand der „Integration“ immer erst bemerken, wenn sie ihn nicht mehr rückgängig machen können. Wer so vorgeht, der vernichtet die Idee der europäischen Einheit, die nur gedeihen kann, wenn sie dem freien Willensakt der Völker entspringt, nicht ihrer Überlistung.

Was folgt, wenn diese Überlistung auffliegt, konnte am Wahlabend von Frankreich bis Grie- chenland, von England bis Italien besichtigt werden. Statt aber die Warnrufe zu hören, halten sich die Mächtigen die Ohren zu und machen, wie das Geschacher um den Kommissionschef-Posten zeigt, einfach weiter.

Wollten sie ein Signal aussenden, dass sie die Protestwahl verstanden haben, dann hätten sie wenigstens ein neues, frisches Gesicht auf den Schild gehoben und nicht ausgerechnet Juncker. Dieser sorgt durch die schroffe Ablehnung, die er insbesondere in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Ungarn erfährt, nun für eine handfeste Spaltung in der EU. Was ihn selbst offenkundig wenig kümmert, er will den Posten, um jeden Preis.

Dass man einen Menschen von diesem Schlag auf diese Weise in den wichtigsten Posten in der EU hieven will, ist nur mit Ignoranz, Überheblichkeit und (im Falle Junckers selbst) atemberaubender Selbstsucht zu erklären. Wer weiß, wie lange die EU ein solches Treiben aushält. Hans Heckel


Ganz nach Pariser Geschmack
Risiken sollen bei Bankenabgabe laut EU kaum eine Rolle spielen

Derzeit steht es 1:0 für Frankreich. Auch wenn die Fußball-Weltmeisterschaft noch einige Tage hin ist, haben die Franzosen auf einem anderen Spielfeld zumindest die erste Runde für sich entschieden. Hierbei mag es nicht ganz unwesentlich sein, dass der für die Berechnung der Beiträge zur Bankenabgabe zuständige EU-Kommissar der Franzose Michel Barnier ist. Dieser hat bei seinem ersten Entwurf für die Ermittlungen der Beitragszahlungen voll und ganz die Interessen der französischen Bankenlandschaft berücksichtigt und alle geäußerten Wünsche des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble unter den Tisch fallen lassen. Zwar verkündet die EU-Kommission erst Ende September die offiziellen Vorschläge, doch das bisher publizierte Papier zeigt an, in welche Richtung es gehen wird.

Während Berlin mit Rücksicht auf die vielen kleinen, regional tätigen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland geplant hatte, diese weitestgehend von der Bankenabgabe zur Abwicklung europäischer Krisenbanken zu befreien, da diese selbst sowieso nicht davon profitieren würden, meint Barnier, Finanzstabilität sei ein öffentliches Gut von dem indirekt alle profitieren würden, also müssten auch alle dafür zahlen. Zudem hatte Schäuble gefordert, dass bei der Ermittlung des Jahresbeitrages auch das jeweilige Risiko der einzahlenden Banken eine Rolle spiele, denn wer an den weltweiten Börsen agiere und somit höhere Risiken eingehe, laufe auch eher Gefahr, Abwicklungsfall zu werden und den Bankenfonds in Anspruch zu nehmen. Doch der jetzige Entwurf will individuelle Risiken nur marginal einpreisen. All dies kommt der französischen Bankenlandschaft sehr entgegen, die überwiegend von international tätigen Großbanken dominiert ist. Bel


Rom droht Brüssel
Lampedusa: Sollte EU Italien nicht helfen, will es EU-Beiträge senken

Zumindest aus Brüsseler Sicht kann die Ankündigung von Italiens Innenminister Angelino Alfano nur als böses Omen für die am 1. Juli beginnende italienische EU-Ratspräsidentschaft gelten. „Italien zahlt jährlich 100 Millionen Euro für die südliche EU-Grenze. Wenn uns Brüssel nicht hilft, kürzen wir diese Summe von unseren EU-Beiträgen“, so Alfano mit Blick auf den Ansturm illegaler Zuwanderer.

Tatsache ist, dass seit dem „Arabischen Frühling“ immer mehr Nordafrikaner versuchen, über das Mittelmeer illegal nach Europa zu gelangen. Allerdings ist Italien dabei immer öfter nur Zwischenstation.

Faktisch ist die sogenannte Dublin-II-Vereinbarung, nach der das jeweilige Land für einen Asylantrag zuständig ist, über das die Einreise der Zuwanderer erfolgt ist, längst Makulatur. Wie eine parlamentarische Anfrage ergeben hat, geht die Bundesregierung davon aus, dass im Jahr 2013 für jedes dritte hierzulande bearbeitete Asylgesuch eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig gewesen wäre. Im vierten Quartal 2013 soll der Anteil sogar auf mehr als 50 Prozent aller Verfahren angestiegen sein.

Mit gutem Grund hat die italienische Drohung in Brüssel hektische Reaktionen ausgelöst. Roms Ankündigung, bei einem Versagen der EU einfach seine Beiträge zu kürzen, kann in anderen Hauptstädten schnell Nachahmer finden und das Konstrukt „EU“ rasch zu Fall bringen. Nach dem Wahlsieg des Front National (FN) und der United Kingdom Independence Party (Ukip) stehen die in Frankreich und Großbritannien amtierenden Regierungen zudem unter sehr starkem Zugzwang, etwas gegen den steigenden Zuwanderungsdruck zu unternehmen, was für zusätzliches Konfliktpotenzial sorgt. N.H.


Jan Heitmann:
Glaubhaft sein

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen will, dass die Mitgliedstaaten der Allianz angesichts einer „neuen Sicherheitslage in Europa“ infolge der Ukraine-Krise ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Das klingt zunächst nach einer Wiederbelebung der vor über 20 Jahren beendeten Rüstungsspirale, obwohl derzeit nichts darauf hindeutet, dass sich die Ukraine-Krise zu einem europäischen Krieg ausweiten könnte. Derzeit beschränkt sich die Nato auf zusätzliche militärische Übungen und eine verstärkte Absicherung des Luftraumes der baltischen Staaten. Diese Staaten sehen sich aus historisch nachvollziehbaren Gründen schnell von Russland bedroht – eine Bedrohung, die indes bislang eine rein subjektive ist.

Dennoch hat das Bündnis die Pflicht, Planungen für eine kurzfristige Intensivierung solcher Aktivitäten voranzutreiben, die bis hin zu einer dauerhaften Truppenpräsenz auf dem Territorium der osteuropäischen Nato-Mitgliedsländer reichen können, sollte deren berechtigtes Sicherheitsbedürfnis das erforderlich machen. Das aber setzt sehr ernst zu nehmende Drohgebärden Russlands voraus und darf nur das letzte Mittel zur Abschreckung sein. Allerdings müssen solche Maßnahmen auch glaubhaft sein. Wenn dazu eine Erhöhung des Militärbudgets notwendig ist, müssen die Bündnispartner diesen Schritt wohl oder übel gehen. Alles andere wäre inkonsequent.

Doch neben allen berechtigten Aktivitäten der Nato muss als wichtigster Grundsatz gelten, dass die Ukraine-Krise nicht als militärische Konfrontation wahrgenommen wird, sondern unter allen Umständen diplomatisch gelöst werden muss.


S. 2 Aktuell

Kampf der Oligarchen
Ukrainische Clans schwenken um auf Westkurs – Separatisten stören Übergang zur Tagesordnung

Die Ukraine hat einen neuen Präsidenten gewählt, die Gefahr im Osten ist aber immer noch nicht gebannt. Aufständische in Donezk und Lugansk kämpfen weiter für ihre Unabhängigkeit, während sich der reichste Oligarch, Rinat Achmetow, gegen den Separatismus stellt. Der Kampf um die Macht hält auch nach der Wahl an.

Kaum war Pjotr Poroschenko zum neuen Präsidenten der Ukraine gewählt, eskalierte die Lage im Osten des Landes erneut. Vor allem in der selbsternannten Donezker Volksrepublik und Lugansk gab es zahlreiche Tote. Poroschenko kündigte Gespräche an, befahl aber gleichzeitig „Säuberungen“ im Krisengebiet. Wie er die Probleme des Landes angehen wird, entscheidet auch über seine eigene politische Zukunft, denn Kritiker gehen davon aus, dass er nicht gewählt wurde, weil man ihn für den besten, sondern für den aussichtsreichsten, weil westlich orientierten, Kandidaten hielt.

Bei der Betrachtung der Ereignisse fällt eine Parallele zu denen bei Janukowitschs Ende auf. Unmittelbar nach der mit Hilfe des Weimarer Dreiecks, vertreten durch Frank-Walter Steinmeier, François Hollande und Radoslaw Sikorski, getroffenen Vereinbarung, in der Janukowitsch fast alle Forderungen der Opposition erfüllt hatte, führte die Eskalation der Proteste auf dem Majdan schließlich zu Janukowitschs Fall und seiner überstürzten Flucht nach Russland. Janukowitsch begründete seine Flucht damit, dass er um sein Leben und das seiner Familie fürchte. Er beschuldigte die EU und die USA, ihn betrogen zu haben.

Vor wem er Angst hatte, sagte Janukowitsch nicht. Er musste damit rechnen, vor Gericht gestellt und zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt zu werden. Das erklärt aber nicht die Todesangst. Vieles deutet indes darauf hin, dass mit ihm konkurrierende Familienclans, die wie er selbst im Zuge der Privatisierung von Staatsbetrieben zu Geld und Macht gekommen waren, ihm gefährlich werden konnten. Nach dem Zerfall der Sowjetunion blühte Anfang der 90er Jahre in der Ukraine die organisierte Kriminalität. Auch Janukowitschs Aufstieg erfolgte vor diesem Hintergrund.

Seit seinem Machtantritt 2010 wurde das Land vom seinem „Donezker Clan“ regiert. In der Ukraine herrschten fünf Clans, die das Land unter sich aufgeteilt hatten. Janukowitsch ließ die Verfassung zu seinen Gunsten ändern, manipulierte Kommunal- und Parlamentswahlen und brachte Oppositionelle hinter Gitter. Ab 2012 hatte Janukowitsch sein Kabinett ausschließlich mit ihm persönlich nahestehenden Ministern besetzt. Das konnte den übrigen Clans nicht gleichgültig bleiben. Ein tatkräftiger Partner der „Familie“ bei der Privatisierung von Staatsbetrieben war Rinat Achmetow, heute reichster Mann der Ukraine, der die Janukowitsch nahestehende „Partei der Regionen“ finanzierte und ihm zur Macht verhalf. Und Achmetow war es auch, der Janukowitsch fallen ließ, als diesem die Macht entglitt.

Vor der Präsidentenwahl überraschte Achmetow mit dem Aufruf, sich gegen die Separatisten zu stellen. Was hat Achmetow zu dieser Kehrtwende bewegt? Anders Aslund, Ukraine-Experte in Washington, empfahl in einem Interview in der „Ukrainischen Prawda“ vom Februar, die Opposition müsse sich das Einverständnis der Oligarchen Achmetow und Firtasch einholen, um siegen zu können. Damit sie mitspielten, müssten ihnen Straffreiheit für die in der Janukowitsch-Ära begangenen Verbrechen sowie die Unversehrtheit ihres Eigentums garantiert werden. Oligarchen fühlen sich ihrem Kapital mehr verpflichtet als alten Seilschaften. Offenbar hat sich der Westen auf einen entsprechenden Handel mit den Oligarchen eingelassen.

Dass Poroschenko, selbst ein Oligarch, die Wahl so deutlich gewinnen konnte, sei ein medial gemachter Sieg, sagen Kritiker. Poroschenkos „5. Kanal“ hetzt gegen Russland und den Süd-Osten der Ukraine, weitere Sender werden von westukrainischen Oligarchen finanziert. Es scheint, als hätten viele Oligarchen, die bislang jede Änderung des Systems zu verhindern wussten, auf Westkurs umgeschwenkt in der Erkenntnis, dass die nachwachsende jüngere Elite westlich orientiert ist und sie nur verlieren können, wenn sie am Bisherigen festhalten. Dafür haben nicht zuletzt in der Ukraine tätige US-amerikanische Kaderschmieden gesorgt, die als Nichtregierungsorganisationen die demokratische Entwicklung fördern.

Jedoch verhindern die Separatisten im Südosten, dass man einfach wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Sie wollen mit Russland über einen Anschluss verhandeln. Sie drohen den Oli-garchen gar mit Enteignung. Offensichtlich haben Achmetow und Firtasch zu lange gezögert, ihren Einfluss geltend zu machen. Die Situation in Donezk und Slawjansk ist ihnen entglitten. Gelingt es nicht, die Menschen in der Region davon abzuhalten, die Aufständischen weiter zu unterstützen, droht die Abspaltung, an der weder die Ukraine noch Russland ein Interesse haben.

Putin, der schon auf Distanz zu Janukowitsch gegangen war, hält sich auch hier bedeckt. Er zog seine Truppen an der Grenze zur Ukraine zurück und erkennt die Wahl Poroschenkos an. An einer weiteren Eskalation mit neuen Sanktionen kann Russland allein aus Selbsterhaltungstrieb nicht gelegen sein.

Poroschenko steht vor der schier unlösbaren Aufgabe, das im Kampf der Oligarchen-Clans aufgebaute korrupte System des ukrainischen Staates zu erneuern, ohne die konkurrierenden Oligarchen gegen sich aufzubringen und die Forderungen des Volkes zu ignorieren. Dies wird ihm nur gelingen, wenn er nicht der Versuchung erliegt, einen eigenen Poroschenko-Clan zu bilden, der die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes verhindert.

Die nötige Rückendeckung wird er von US-Präsident Obama erwarten können, der ein Treffen mit ihm während seiner Europareise im Juni angekündigt hat. Obama unterstrich die Rolle seines Landes als Schutzmacht Osteuropas und wertet es bereits als Erfolg der USA, die Krise in der Ukraine beigelegt zu haben. M. Rosenthal-Kappi

(Siehe Kommentar Seite 8.)


Waffenbrüder auf zwei Rädern
Erstes Veteranentreffen mit großer Resonanz – Motorradkorso und Gefallenengedenken in Berlin

Ein Veteran, das ist ein uralter Mann, der mit leuchtenden Augen von den Schlachten des Zweiten Weltkrieges erzählt. Das ist zumindest das in der deutschen Gesellschaft gängige Bild. Seit gut 20 Jahren aber gibt es noch eine andere Kategorie von Veteranen. Es sind die mittlerweile über 300000 Männer und Frauen, die als Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz waren. Unter ihnen sind der 20-jährige Nachbar, die 30-jährige Nichte, der 40-jährige Vereinskamerad, der 50-jährige Hausarzt. Sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft und werden doch weitgehend von ihr ignoriert.

Das zu ändern ist das Ziel des Recondo Vets Military Biker Clubs, eines Zusammenschlusses ehemaliger Soldaten, die das Hobby Motorradfahren verbindet. Am vergangenen Wochenende veranstaltete der Club bereits zum sechsten Mal den „Memorial Run“, einen Motorradkorso quer durch die Hauptstadt zum Ehrenmal der Bundeswehr am Bendlerblock, dem Berliner Sitz des Bundesverteidigungsministeriums. Mit dieser Gedenkfahrt soll an die gefallenen, verwundeten und traumatisierten Soldaten erinnert und allgemein für die gesellschaftliche Anerkennung der Veteranen geworben werden. Erstmals fand der „Memorial Run“ im Rahmen eines gemeinsam mit dem Bund Deutscher Veteranen (BDV) durchgeführten Veteranentreffens statt. Das an den Leitspruch der Bundeswehr angelehnte Motto der Veranstaltung: „Wir.Handeln.Gemeinsam“. Die ehemaligen Soldaten handeln selbst, denn die Politik handelt nicht, so dass sie auf die Einführung eines offiziellen Veteranentages seit Jahren vergeblich warten.

Die Luft ist von einem Dröhnen erfüllt, als sei eine Staffel Hubschrauber im Anflug. Was den Bendlerblock zum Vibrieren bringt, sind über 200 Motorräder. Sie sind, von der Motorradstaffel der Berliner Polizei begleitet, vom ehemaligen Flughafen Tempelhof gekommen und im Konvoi durch die westliche Innenstadt gefahren. In ihrer szenetypischen Aufmachung wirken die Fahrer alles andere als bürgerlich. Und doch sind gerade sie Bürger im besten Sinne des Wortes, denn sie haben die schwerste aller staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt, den Einsatz des eigenen Lebens als Soldaten. Abordnungen gleichgesinnter Motorradclubs aus dem ganzen Bundesgebiet sowie aus Schweden, Dänemark Belgien, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden haben eine weite Anreise auf sich genommen, um dabei zu sein. Auch Angehörige von Gefallenen und einige Zaungäste haben sich am Ehrenmal versammelt. Es herrscht eine gemessene Stimmung, der Würde des Augenblicks und des Ortes entsprechend. Niemand macht große Worte. Der Chef der Recondo Vets betont in seiner kurzen Ansprache, dass dies eine private Veranstaltung sei, bei der es nicht um Politik, sondern um die längst überfällige gesellschaftliche Anerkennung der Veteranen und ihrer Anliegen gehe. Sein Kamerad aus den Niederlanden beschwört die zwischen den Angehörigen der verbündeten Streitkräfte geschmiedete Waffenbrüderschaft. Und er macht keinen Hehl daraus, dass mancher durch schreck­liche Kriegserlebnisse für den Rest seines Lebens gezeichnet ist. Der Afghanistan-Veteran und Buchautor Robert Sedlatzek-Müller vom BDV schließlich fordert einen offenen Umgang mit den Auslandseinsätzen und deren Folgen.

Die anschließende Kranzniederlegung, die Worte eines Militärgeistlichen, der unter dem Eindruck des Gedenkens losbrechende Sturm der Erinnerung und dazwischen ergreifende Gesangs- und Musikstücke stellen nicht wenige der Anwesenden auf eine harte Probe. Schon als der Dudel­sackspieler von der Royal British Legion, der britischen Veteranenorganisation, „Amazing Grace“ anstimmt, geht ein Zucken durch viele Gesichter. Nach der bewegenden Kranzniederlegung, einem Moment stiller Einkehr und der Ehrenbezeugung verlassen viele das Ehrenmal mit Tränen in den Augen. Es folgt eine kurze Zeit der inneren Sammlung, bevor es im Motorradkonvoi zurück nach Tempelhof geht, diesmal durch das östliche Stadtzentrum. Am Abend klingt das Veteranentreffen mit einer Erinnerungs-Party mit rund 400 Teilnehmern aus. Ganz nach Biker-Art mit Bier und Gegrilltem, aber mit einem Gefallenengedenken zu jeder vollen Stunde.

Ein Wunsch der Veranstalter ist ein offizieller Veteranentag. Doch auch wenn Politiker oder hohe Militärs am Ehrenmal sprechen würden, könnte das Gedenken nicht würdiger sein. Aber es wäre wenigstens von öffentlicher Aufmerksamkeit begleitet. Und das wäre für diejenigen, die für ihr Land im Einsatz waren, schon ein großer Erfolg.

Jan Heitmann(siehe Seite 8)


MELDUNGEN

Bilderberger: Gut für Spekulationen

Kopenhagen – Gern auch als „heimliche Weltregierung“ bezeichnet, trafen sich zum Monatswechsel rund 140 internationale Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Medien und dem Finanzsektor zur jährlichen Bilderbergerkonferenz in der dänischen Hauptstadt. Da über die Veranstaltung wenig nach außen dringt, haftet ihr etwas Geheimnisvolles an. Zwar hat die Bilderbergerkonferenz seit einigen Jahren eine offizielle Internetseite, auf der Austragungsort und Gästeliste veröffentlicht werden, doch die spärlichen Informationen erhöhen die Skepsis eher. In diesem Jahr waren EU-Kommissarin Viviane Reding, Google-Aufsichtsratschef Eric Schmidt, der schwedische Außenminister Carl Bildt, der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, IWF-Chefin Christine Lagarde, Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner, Staatssekretär und Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, Airbus-Chef Thomas Enders und der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, unter den Geladenen. Auch zählte Ex-Umweltminister Norbert Röttgen zu den Gästen, was allerdings der Theorie, bei Bilderbergerkonferenzen würden zukünftige Staatenlenker gekrönt, abträglich ist, denn ein politischer Wiederaufstieg des CDU-Politikers scheint zumindest derzeit unwahrscheinlich. Allerdings ist momentan der Posten des EU-Kommissionspräsidenten vakant, auf dem einige gern die Französin Lagarde sähen. Bel

 

Neue Mitglieder stürmen zur AfD

Berlin – Bei der „Alternative für Deutschland“ (AfD) sind in der ersten Woche nach dem Erfolg bei der EU-Wahl 911 Beitrittsgesuche eingegangen, von denen 200 bereits stattgegeben worden, meldet der „Focus“. Für die Partei mit derzeit 18200 Mitgliedern bedeutete es einen Anstieg um gut fünf Prozent, falls alle Aufnahmeanträge erfolgreich sind. H.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Gesetze spielen keine Rolle mehr
Unkontrollierte Zuwanderung: Berlins Politik weitet das Problem immer massiver aus

Berlins rot-schwarzer Senat wird von zunehmend fordernd auftretenden Zuwanderern und ihren deutschen Lobbyisten vor sich hergetrieben. Das Recht wird mit Sonder-Zugeständnissen durchlöchert, immer mehr Menschen aus fernen Ländern sehen ihre Chance und stoßen dazu.

Berlins Senat will nach der jüngsten Übereinkunft mit Zuwanderern und einstigen Besetzern des Oranienplatzes auch diejenigen in den bereitgestellten Unterkünften belassen, die an der Übereinkunft gar nicht teilhatten und nicht auf der entsprechenden Liste eingetragen sind. Immer mehr Zuwanderer bedrängen Senat und Sozialeinrichtungen, ihnen Wohnraum zu verschaffen. Das Land Berlin kommt somit für mehr auf als vereinbart, die Ausweitung auf immer größere Gruppen ist im Gange und politisch gewollt – ein brisantes Signal.

Am letzten Maiwochenende verzeichneten Italiens Behörden den bisher größten Ansturm von „Bootsflüchtlingen“ an einem Tag. Rund 3000 Menschen erreichten allein am letzten Sonnabend im Mai die Küste Italiens. Die Küstenwache des Mittelmeerlandes brachte an jenem Wochen-ende insgesamt über 3300 Zuwanderer in Sicherheit – ein Rekord in diesem Jahr. Während sich dort die Aufnahmelager füllen, blicken mehr und mehr Zuwanderer auf das Zielland Deutschland und dessen Hauptstadt Berlin. Die aus Italien an die Spree Strömenden halten Berlins Politik in Atem.

So berät der Senat gerade die Unterbringung weiterer Personen. Dabei stehen vordergründig die Menschen vom Oranienplatz und die Besetzer der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg auf der Tagesordnung. Galt die von Senatorin Dilek Kolat (SPD) ausgehandelte freiwillige Räumung des Platzes jüngst noch als „Lösung“, zeichnet sich ab, dass stattdessen immer mehr Zuwanderer die Besetzung als erfolgreiches Druckmittel gegen den Senat erwägen. So gewährt die Berliner Caritas einer Gruppe von 80 ehemals auf dem Oranienplatz campierenden Zuwanderern nun zwei Wochen länger Obdach als geplant. Ihre Unterbringung war ursprünglich bis Ende Mai begrenzt.

Die Senatsverwaltung für Soziales hatte für sie zwar eine neue Unterkunft in zwei Gebäuden bereitgestellt, die Gruppe will aber nicht getrennt werden und greift zu einem Mittel, das seit dem Oranienplatz Erfolg verspricht: „Sie haben gedroht, das Haus zu besetzen“, sagte Caritas-Sprecherin Barbara Schwemmer am 30. Mai.

Und dann gibt es noch die Roma in der weiterhin besetzten Schule in Kreuzberg. Auch für sie bedarf es einer Lösung. So weitet sich die Gruppe der mit politischen Sonderlösungen über geltendes Asylrecht hinweg Bedachten immer weiter aus. Die von Innensenator Frank Henkel (CDU) veranlasste jüngste Räumung des Breitscheidplatzes von campierwilligen Zuwanderern stellt sich als eher vereinzeltes Gegensignal der Politik heraus, denn der Senat wird die Geister, die er rief, nicht mehr los. Ganze 61 Zuwanderer, die aktuell vom Oranienplatzkompromiss profitieren, stehen nicht auf der Liste der entsprechenden Sonderübereinkunft. Sie trugen sich nicht ein oder kamen später hinzu. Trotzdem fühlte sich der Senat verpflichtet, auch für sie eine gesonderte Prüfung vorzunehmen.

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) wurde vom Senat auserkoren, eine Vorlage mit Vorschlägen zu erarbeiten, wie Berlin mit jenen Flüchtlingen umgehen soll. Nun hat der Senat zwar inzwischen klar gemacht, dass die Liste nicht mehr erweitert werden solle und es somit für Nachzügler keine Sonderlösung gebe. Ob die Rathauskoalition aus SPD und CDU diese Position aber durchhält, ist fraglich. Das Land Berlin wird so oder so noch eine Weile für ihre Unterbringung aufkommen. Das gilt auch für die 160 nicht gelisteten Zuwanderer aus der besetzten Schule. Sie erhalten nun neue Duschen, bezahlt vom grün regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Solange es für diese Menschen wie auch für die in der Schule lebenden Roma-Familien keine Lösung gibt, wird die Schule nicht geräumt werden können, heißt es.

Eine faktische Ausweitung der „Liste“, sprich Übereinkünfte zwischen Politik und Zuwanderern unter Umgehung des rechtlichen Verfahrens, ist schon deshalb absehbar, weil Berlins Politik sich längst angewöhnt hat, Zuwanderung allein als „humanitäre Herausforderung“ zu sehen. Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte nach der freiwilligen Räumung des Lagers am Oranienplatz Fehler eingeräumt. Das Wegsehen von Politik und Verwaltung sei „kein Ruhmesblatt“ gewesen.

Tatsächlich war es die grüne Bezirkspolitik gewesen, welche die Zustände durch Dauerduldung bewusst herbeigeführt hatte. Die Herausforderung durch unkontrollierte Zuwanderung nimmt derweil an Umfang zu. Der stärkste Druck kommt aber von der Politik selbst. Linke Landespolitiker, wie es sie in Berlin zahlreich gibt, fordern weiter einen Radikalumbau des Asylrechts auf Bundesebene. Nun haben sie sich in die Position manövriert, die Folgen ihrer Politik ausbaden zu müssen, noch bevor der angestrebte Radikalumbau für ganz Deutschland beschlossen ist. Und schließlich wird Berlins Politik von den Medien in der Zuwandererfrage getrieben. Dass der Senat nun die Liste schließe, löse die Probleme nicht, ätzt der „Tagesspiegel“: „Da muss schon noch mehr kommen.“ Soll wohl heißen: neue und weitergehende Zugeständnisse an die Zuwanderer. Sverre Gutschmidt


Armer Wowi
von Vera Lengsfeld

Dem Regierenden Bürgermeister Wowereit bleibt auch nichts erspart. Die Ohrfeige, die er beim Tempelhof-Referendum hinnehmen musste, bedeutet, dass sein letzter Versuch, sich in Berlin noch ein architektonisches Denkmal zu setzen, gescheitert ist.

Teil des unausgegorenen Bebauungsplans für das Tempelhofer Feld war der Neubau einer „Landesbibliothek“, für die Berlin keinen Bedarf hat. Es besitzt die Amerika- Gedenkbibliothek im Westen und die Stadt­bibliothek im Osten, beide mit erheblichem Sanierungsbedarf. Bevor er am Tag nach seiner Niederlage nach China abdüste, wo er sich mit Politikern traf, die Widerspruch vom Volk noch nicht zu befürchten haben, schob er die Schuld am Wahldesaster noch schnell dem Koalitionspartner zu. Die CDU habe die Senatspläne nicht ausreichend unterstützt. Tatsächlich war es vielen CDU-Anhängern nicht zu vermitteln gewesen, warum sie für ein ewiges Andenken an Wowereit in der Stadt stimmen sollten.

Kaum war Wowereit in China, wo er studieren könnte, wie man Flughäfen innerhalb kürzester Zeit erfolgreich baut, wurde öffentlich, dass er als Aufsichtsratsvorsitzender des BER schon wieder versagt hat. Nun steht der kürzlich angeheuerte „Brandschutzexperte“ Großmann unter Korruptionsverdacht. Eine halbe Million Bestechungsgelder soll geflossen sein. Möglicherweise ist die Affäre mehr als peinlich.

Der alerte Prof. Dr. Großmann, Zweiter bei der Kür von Sachsens Unternehmern des Jahres 2014, ist ein echter Wendegewinnler. Er gründete bald nach dem Mauerfall die Firma GICON, die er in 20 Jahren zu einem international tätigen Ingenieur-Großbüro ausbaute.

Auffällig ist, dass die Firma hauptsächlich dort tätig ist, wo staatliche Subventionen reichlich fließen. Biogasanlagen, Mikroalgenplattformen, schwimmende Offshorefundamente für Windkraftanlagen und eben die Entrauchungsanlage für den BER. Schließlich wurde Großmann für die Gesamtplanung des Pannenflughafens zuständig. Wer ist dieser „Pionier“, wie er euphorisch genannt wird?

Ist er jener Großmann, der von der TU Dresden als „Auslandskader“ geführt wurde? Dieser Großmann studierte neben Dresden auch in Moskau Maschinenbau.

Im Findbuch zum Bestand „Direktorat Kader und Qualifizierung“ unter 4537/06 „Arbeitsgruppe Auslandskader: Auslands­kader“ taucht ein Jochen Großmann auf. Interessant ist in diesem Zusammenhang folgendes Zitat von Großmann: „Ich wurde gefordert und gefördert. Ich wurde zu Tagungen ins In- und Ausland mitgenommen.“

Ein solcher Student hatte eine besondere Bindung an die DDR. Spätestens nach der neuen Pleite sollte man genauer hinschauen.


Volk gegen Wohnungen
Berlin: Abstimmung verhindert Bebauung des Tempelhofer Feldes

Der erfolgreiche Volksentscheid am 25. Mai gegen die vom Senat geplante Randbebauung des Tempelhofer Felds bereitet der Landesregierung und der SPD Berlins Kopfschmerzen. Mit Berlins erstem Gesetz per Volksentscheid wird Bauen an der Spree grundsätzlich schwerer. Schwer wiegt auch, dass die SPD ihr neues Bau- und Wohnkonzept vom Bürgervotum zertrümmert sieht – die Randbebauung des einstigen Flughafens galt als das Wohnbauprojekt schlechthin. Das Querfeuer gilt SPD-Aufsteiger Jan Stöß und dem wohnungspolitischen Kurs der SPD-Linken.

Nun bleibt das Gebiet unbebaut, denn beim Volksentscheid stimmten 64,3 Prozent für die Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ und somit nur 35,7 Prozent der Abstimmenden gegen den Erhalt der Freifläche. Sowohl das nötige Quorum wie auch die notwendige Stimmenanzahl wurden erreicht. Das bedeutet, der Entscheid, der sich als „Entwurf eines Gesetzes für den Erhalt des Tempelhofer Feldes“ versteht, hat bindenden Charakter für die Politik. Sie muss sich daran orientieren. Die Politik kennt offensichtlich ihr Wahlvolk nicht mehr.

Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnte einen Rücktritt ab, hatte aber zugesagt, im Fall des Erfolges einige Jahre auf eine Bebauung zu verzichten. Für Berlins SPD-Chef Stöß bricht nach seinem massiven Einsatz für eine Randbebauung eine Welt zusammen, er steht vor den Trümmern der Berliner Wohnungsbau-Politik: „Berlin kann sich keinen Stillstand leisten“, warb er. Man müsse Wohnraum schaffen und werde trotzdem die Freifläche in der Mitte sichern, so sein Tenor.

Doch er überzeugte nicht, vor allem nicht bei seiner linken Klientel. Das Argument, Tausende Wohnungen schaffen zu wollen, und der im Fall der Nichtnutzung eintretende volkswirtschaftliche Schaden in dreistelliger Millionenhöhe zogen einfach nicht. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU, Stefan Evers, regt nun ein „Berlin-Forum“ zur „Weiterentwicklung“ der Fläche an, damit jetzt „Politik und Stadtgesellschaft auf Augenhöhe dis-kutieren“.

Auswärtige Beobachter der Hauptstadt schütteln den Kopf: Was sollen Investoren von einer Metropole halten, die Kleingärten und struppigen Wiesen den Vorrang gibt vor dringend benötigten Wohnungen? Es entsteht der Eindruck, dass kleingeistige Egoisten der Stadt eine gemütliche Stagnation auferlegen wollen. SV


Potsdam: Wacklige Mehrheit
Kommunalwahl: SPD und Linke verlieren, Sieger CDU, Grüne, AfD

Die brandenburgischen Kommunalwahlen vom 25. Mai haben für Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) das Regieren nicht einfacher gemacht. Linkspartei und SPD bleiben zwar stark, für eine rot-rote Koalition, mit der Jakobs geliebäugelt hatte, reicht das Wahlergebnis aber nicht aus.

Die SPD konnte nur noch 13 der insgesamt 56 Mandate erringen – zwei weniger als bisher. Die Linke ist zwar immer noch die stärkste politische Kraft Potsdams, aber auch sie musste Verluste hinnehmen. 25 Jahre nach dem Mauerfall ist unübersehbar, dass die Strahlkraft der Linken abnimmt.

Zuwächse konnten die CDU und die Grünen verbuchen, zum Teil satte Stimmengewinne hatten einige kleinere Wählergruppen. Auch der „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist es auf Anhieb gelungen, ins Stadtparlament einzuziehen. Einen gehörigen Anteil daran, dass das Stadtparlament bunter und kleinteiliger geworden ist, hat der anhaltende Zuzug nach Potsdam. Diesmal waren rund 5000 Bürger mehr wahlberechtigt als bei den Kommunalwahlen 2008. Davon, dass viele der Neu-Potsdamer ihre Wurzeln in der alten Bundesrepublik haben, profitieren vor allem CDU und Grüne, aber kaum die bisher dominierenden Sozialdemokraten und „Linken“.

Nicht ohne Probleme dürfte der Versuch ablaufen, als Alternative zur bisherigen rot-roten Koalition die sogenannte Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und FDP nochmals aufleben zu lassen. Im Streit um die Finanzierung von neuen Schulen, die durch den anhaltenden Zuzug nach Potsdam dringend benötigt werden, war das Vierer-Bündnis erst Anfang dieses Jahres zerbrochen. Eine Neuauflage des Modells „Rathauskooperation“ könnte sich zudem nur noch auf eine hauchdünne Mehrheit im Stadtparlament stützen. Einig sind sich die vier Parteien trotzdem darin, dass sie eine Zusammenarbeit mit den drei neuen Stadtverordneten der AfD ablehnen.

Kommt die fragile Koalition zustande, wird sie vor erheblichen Herausforderungen stehen. Die Frage der weiteren Umgestaltung der historischen Stadtmitte Potsdams bietet noch immer reichlich Zündstoff. Dazu kommen Probleme wie Wohnungsmangel, Mietenexplosion und Verkehrsinfarkt, die mit der steigenden Einwohnerzahl der alten preußischen Residenzstadt einhergehen.

Norman Hanert


S. 4 Hintergrund

Ende einer Identitätskrise
Niedersachsen entdeckt seine Geschichte und feiert 300 Jahre Personalunion

Vor 300 Jahren begann die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover. 123 Jahre lang waren danach beide Länder durch einen Herrscher verbunden. Mit aufwendigen Feiern erinnert das Land Niedersachsen an seine historischen Wurzeln.

Vor wenigen Tagen ließ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil für Englands Prinzen Andrew den roten Teppich ausrollen, damit er in Hannover und nicht − wie üblich − in der britischen Botschaft in Berlin das alljährliche Gartenfest mitfeiert. So viel Ehre haben die Niedersachsen für den Adel selten übrig, haben doch die Bürgerlichen des Landes zumindest zu den Nachfahren der einstigen Herrscher von Hannover ein notorisch schlechtes Verhältnis. So kam es 1999 zu einem Eklat, als Margot Käßmann in Hannovers Marktkirche zur Bischöfin geweiht wurde: Welfenprinz Ernst August verließ wutentbrannt die Kirche, weil für ihn nur ein − wie er fand − nicht standesgemäßer Platz in der zweiten Reihe reserviert war.

Inzwischen findet sich die Aristokratie in der ersten Reihe wieder. Prinz Andrews Anlass zum Besuch war die Personalunion zwischen dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, das auch Kurhannover genannt wird und auf dem Wiener Kongress 1814 zum Königreich aufstieg, sowie dem Königreich Großbritannien. Von Georg I. bis Wilhelm IV. regierten von 1714 bis 1837 fünf Herrscher des hannoverschen Welfenhauses von England aus beide Länder.

Dass am englischen Hof lange Zeit Deutsch beziehungsweise Englisch mit starkem deutschen Akzent gesprochen wurde, wurde in beiden Ländern geflissentlich ausgeblendet. Da man sich in beiden Weltkriegen als Feinde gegenüberstand, haben auch die Hannoveraner die einstige historische Verbundenheit verdrängt. Hinzu kam, dass 1946 mit dem Land Niedersachsen das nach Bayern zwar flächenmäßig größte Bundesland, dafür aber ein von seinen Grenzen her gesichtsloses Kunstgebilde ohne eine eigene identitätsstiftende Geschichte entstand.

Da mittlerweile Gras über die einstigen Feindesgräben gewachsen ist, besinnt man sich auf die historischen Wurzeln, die in früheren Zeiten denen der preußischen Glorie in nichts nachstanden, ja sie vielleicht sogar übertrafen. Denn als sich der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm im 17. Jahrhundert aufmachte, von ein paar ärmlichen Brandenburger Äckern aus den Weg Preußens zur Großmacht zu ebnen, stand Hannover bereits in voller kultureller Blüte. Noch ehe sich in Berlin das Geistesleben entfaltete, staunte die Welt über die barocke Pracht der Herrenhäuser Gärten bei Hannover oder das Bibliothekswunder von Wolfenbüttel.

Dass Preußen die Hannoveraner später in allen Belangen überflügelte, lag auch daran, dass der Thron von Hannover verwaist war. Durch die Personalunion wurde das Land von London aus stiefmütterlich „regiert“. Die englischen Könige kümmerten sich wenig um ihr Herkunftsland. Georg I. besuchte Hannover nur noch sporadisch, seine Thronfolger – von zwei Ausnahmen abgesehen – gar nicht mehr. Das Schicksal des Landes lag in der Hand von Statthaltern, die allerdings durch Verschwendungssucht glänzten. Als Preußen das Königreich Hannover 1866 annektierte, war endgültig Schluss mit der Herrlichkeit.

Inzwischen ist die Identitätskrise des Landes wohl überwunden. Die Niedersachsen feiern ihre alten Herrscher und jubeln über den jüngsten Spross des eng­lischen Königshauses, der den Namen ihres alten Welfengeschlechts trägt. Dass aber „Baby George“, der vor einem Jahr geborene Urenkel von Königin Elisabeth II., eher nach seinem Ururgroßvater, dem aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha stammenden königlichen Stotterer Georg VI. benannt sein dürfte, empfinden die Hannoveraner nur als kleinen Schönheitsfehler. Harald Tews


Goldene Zeiten
Hannover protzt mit üppiger Landesausstellung zur Personalunion

Der Aufwand ist enorm. Nach dem Motto „Fünf Herrscher, fünf Ausstellungen“ wird in vier hannoverschen Museen, im Celler Schloss sowie einer Zugabe im Schloss Marienburg, der Sommerresidenz der Welfen südlich von Hannover, die ganze Pracht der früheren Herrscher von Hannover präsentiert. Mit der bis zum 5. Oktober währenden Landesausstellung über 300 Jahre Personalunion hat man sich kräftig ins Zeug gelegt. Sechs Millionen Euro hat das Land ins ehrgeizige Projekt gesteckt, und nach fünfjähriger Vorbereitungszeit hat man über 900 Ausstellungsobjekte aus zehn Ländern zusammengetragen.

Besonders stolz sind die Nieder­sachsen, dass die Royal Collection des britischen Königshauses der Windsors die größte Leihgabe des Jahres den Hannoveranern anvertraute. Diese Wertschätzung ist umso bemerkenswerter, als London seine deutschen „Georgians“ selbst mit zwei umfangreichen Ausstellungen in der Queen’s Gallery des Buckingham Palastes sowie im Victoria & Albert Museum feiert.

Dass aber die Krönungskrone eines britischen Monarchen außerhalb des Landes gezeigt wird, ist auch für englische Verhältnisse ungewöhnlich. Mit der Staatskrone Georgs I. hat das Landesmuseum Hannover ein hochkarätiges Prunkstück zu bieten. Dabei handelt es sich bei der Krone, die Hannovers Kurfürst Georg bei seiner Erhebung zum König von Großbritannien und Irland trug, nur um eine Karkasse ohne Juwelenbesatz. Die Edelsteine wurden 1838 in die leichtere „Imperial State“-Krone eingearbeitet, die Queen Victoria fortan trug. Auch nicht alle Tage bekommt man einen Brief aus purem Gold zu sehen, den ein birmanischer König an Georg II. sandte, oder Herschels Spiegelteleskop, mit dem 1781 der aus Hannover stammende Hof-Astronom Georgs III. den Planeten Uranus entdeckte.

Die goldene Staatskarosse der „Georgians“, die man im Historischen Museum Hannovers bestaunen kann, ist allerdings keine Leihgabe. Sie ist schon seit 1814 im Landesbesitz. Georg IV. brachte sie aus London mit und fuhr mit ihr demonstrativ durch Hannover, um den Untertanen zu sagen: „Wir, die Adeligen, sind noch da!“ Nach den napoleonischen Wirren sollte sich im Land gar nicht erst ein republikanischer Geist bilden. Damit Georg IV. fest im Sattel blieb, ließ der Wiener Kongress das Kurfürstentum zum Königreich erheben. Es war auch Dank dafür, dass mit der „King’s German Legion“ Elitesoldaten aus Hannover unter britischem Banner in der Schlacht von Waterloo gegen Napoleon kämpften.

Dass unter den „Georgians“ in England die Pressefreiheit aufblühte, zeigt das Wilhelm-Busch-Museum in Herrenhausen, wo Karikaturen über britische Monarchen zu sehen sind. Schon im 18. Jahrhundert durften englische Satirezeichner das tun, was noch heute in vielen Ländern verboten ist: offen Kritik an ihren Herrschern üben. Zu behaupten, die Demokratie wurde in Hannover erfunden, wäre übertrieben. Aber Hannovers Herrscher auf Englands Thron konnten ziemlich gut mit ihr leben. H. Tews


Wie Hannover preußisch wurde

Unter dem Einfluss Napoleons, der Zwietracht zwischen der britischen und der preußischen Großmacht säen wollte, hatte Preußen bereits in der napoleonischen Ära Hannover zeitweise besetzt gehalten. Auf dem Wiener Kongress steigerte Österreichs Staatskanzler Clemens von Metternich das preußische Interesse an Hannover, indem er dafür Sorge trug, dass Preußen die Rheinprovinz und Westfalen erhielt. Seine Rechnung war die, dass Preußen versuchen würde, eine Landbrücke zwischen seinen ost- und seinen westdeutschen Gebieten zu schlagen, und dass die dazwischen liegenden Staaten davor Schutz bei der anderen deutschen Großmacht suchen würden. Zum Leidwesen vieler dieser Staaten ging Metternichs Rechnung auf.

Zusätzlich geschwächt wurde Hannovers Position dadurch, dass 1837 mit dem Tode Wilhelms IV. die Personalunion mit Großbritannien endete. Wer nun den König von Hannover entmachtete, traf nicht mehr den König von England.

Als 1866 der Deutsche Krieg ausbrach, stand Hannover entsprechend Metternichs Planung auf der Seite Österreichs. Der Kaiserstaat verlor den Krieg und Preußen stellte seine Forderungen. Klassisch wäre es gewesen, von jedem der Verlierer eine Provinz als „Strafe“ zu verlangen. Aber der „weiße Revolutionär“, wie Lothar Gall Otto von Bismarck genannt hat, zog es vor, seine Gegner entweder zu vernichten oder zu schonen. Während die süddeutschen Staaten weitgehend geschont wurden, wurden Österreichs Verbündete zwischen Preußens West- und Ostteil überwiegend annektiert. Die Landbrücke war geschlagen, Rheinprovinz und Westfalen waren ans „Mutterland“ angebunden. Und Hannover war nach 800 Jahren Welfenherrschaft preußische Provinz. M. Ruoff


Zeitzeugen

Georg I. (1660−1727) – Als nächster protestantischer Verwandter des britischen Königshauses wurde der Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg Nachfolger von Queen Anne, deren leibliche Thronerben alle früh starben. Eigentlich stand Georg noch hinter der Nummer 50 in der Thronfolge. Aber durch den 1701 vom britischen Parlament verabschiedeten „Act of Settle­ment“, das Katholiken von der Thronfolge ausschloss, wurde der Lutheraner am 1. August 1714 König von England. Damit herrschten er und seine Nachfolger in Personalunion über Hannover und England.

Georg II. (1683−1760) – Der in Herrenhausen bei Hannover geborene Sohn Georgs I. folgte seinem Vater 1727 auf den Thron. Im Siebenjährigen Krieg verbündete er sich mit den Preußen, um Kurhannover gegen die Österreicher zu verteidigen.

Georg III. (1738−1820) – Der Enkel Georgs II. ging als „verrückter König“ in die Geschichte ein, da er in seinen späten Lebensjahren an einer Geisteskrankheit litt. In seiner Regierungszeit stieg England zur Weltmacht auf.

Georg IV. (1762−1830) – Seit 1811 übte der fettleibige Prinz das Amt seines regierungsunfähigen Vaters aus, ehe er nach dessen Tod König wurde. Als erster britischer Mo­narch nach 66 Jahren besuchte er 1821 erstmals Hannover.

Wilhelm IV. (1765−1837) – Der Bruder Georgs IV. war nur sieben Jahre lang König von England. Da seine als Thronfolger infrage kommenden Kinder vor ihm starben, folgte ihm seine Nichte Victoria auf den Thron. Da sich aber anders als in England im Königreich Hannover die Thronfolge am Salischen Gesetz orientierte, das nur männliche Thronerben erlaubte, war die Personalunion mit dem Antritt Victorias beendet.

Ernst August von Hannover – Das von der Boulevardpresse als Prügel- und Pinkelprinz − Paparazzi fotografierten ihn, als er bei der Weltausstellung 2000 in Hannover vorm türkischen Pavillon urinierte − verspottete gegenwärtige Oberhaupt des Hauses Hannover ist mit Prinzessin Caroline von Monaco verheiratet. Er übertrug 2004 die Leitung der Besitztümer an seinen 1983 in erster Ehe geborenen Sohn Ernst August.


S. 5 Deutschland

Ratlos in den Trümmern
Dachte die FDP nach der Bundestagswahl, sie läge bereits am Boden, stürzte sie bei der EU-Wahl noch tiefer

Es ist nicht lange her, da hat Christian Lindner ausgewählte Redaktionen besucht. Es war ein Versuch, die außerparlamentarische FDP wieder ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Nimmt man das Ergebnis der Europawahl zum Maßstab, dann ist der Parteichef gnadenlos gescheitert.

Gegenüber der vorausgegangenen EU-Wahl von 2009 hat die FDP mehr als zwei Millionen Stimmen verloren. Galten die 4,8 Prozent der Bundestagswahl im vergangenen Herbst schon als Gau, so läuten spätestens seit dem 25. Mai die Totenglöck-chen. 3,4 Prozent bei der Europawahl sind verheerend, doch noch schlimmer traf es die FDP bei den Kommunalwahlen. Bundesweit hat sie rund zwei Drittel ihrer Mandate verloren. Selbst in den traditionellen Hochburgen wie in Sachsen, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg verlor sie nahezu flächendeckend mindestens die Hälfte aller Stimmen.

Umso erstaunlicher ist die Analyse von Christian Lindner, der „die Verteidigung der Regierungsbeteiligung in Sachsen in greifbarer Nähe“ sieht. Im Freistaat stellt die FDP bis heute zwei Landesminister, am 31. August steht die Wiederwahl an. 14 Tagen später wird dann in Brandenburg und Thüringen gewählt, in beiden Parlamenten ist die FDP noch vertreten. Lindner übte sich in den letzten Tagen fast schon in Fußballer-Rhetorik: „Von Wahl zu Wahl denken“, gab er seinen Mitstreitern mit auf den Weg und erzählte stolz, dass die Partei seit dem Debakel bei der Bundestagswahl 3500 neue Mitglieder gewonnen habe. Doch es war wie so oft in diesen Tagen nur die halbe Wahrheit. Denn den Neueintritten steht eine massive Austrittswelle seit dem Höhenflug des Jahres 2009 gegenüber. 68000 Mitstreiter zählten die Liberalen damals, heute sind es ziemlich genau 10000 weniger.

Lindner hat alle Hände voll zu tun, um die Partei bei der Stange zu halten. Denn vor allem das „Weiter so“ der Parteispitze in Sachen Euro-Rettung hat viele Mitglieder vergrätzt. 40 Prozent hatten sich für den Antrag zur Mitgliederbefragung des „Euro-Rebellen“ Frank Schäffler ausgesprochen, der so nur knapp scheiterte. Doch die selbsternannten Parteierneuerer um Lindner versäumten es in der Folge, den eher rechten Parteiflügel einzubinden. Schäffler fiel bei der Wahl zum Bundespräsidium ebenso durch wie Holger Krahmer, ein weiterer Euro-Kritiker, beim Versuch, einen vorderen Listenplatz für die Europawahl zu erreichen.

Das gute Abschneiden der „Alternative für Deutschland“ (AfD) bei den Europa- und Kommunalwahlen beunruhigt die Liberalen. Der eine oder andere Funktionär könnte, so die Befürchtung, bei Bernd Luckes Truppe eine neue Heimat finden. Kein Wunder, dass Parteichef Lindner die Konkurrenz schlechtredet und nur „liberale Bruchstücke bei der AfD“ sehen will. Schäffler hat Kontakte zur AfD kürzlich noch einmal dementiert. Er bleibe in der FDP und wer ihn unterstützen wolle, könne ja dort eintreten.

Dabei ist auch gut ein halbes Jahr nach dem Rauswurf aus dem Bundestag unklar, wofür die neue FDP steht. 2009, auf ihrem Zenit, galt sie als Anwalt des Bürgertums, als Interessenvertreter des Mittelstands. Programmatisch setzte sie dann in vier Jahren Schwarz-Gelb nichts um, leistete sich eine Peinlichkeit nach der anderen und kippte schließlich alle ihre Prinzipien über Bord. Sie trug jeden Winkelzug in Sachen Euro-Rettung mit, verriet ihre Klientel bei der völlig übereilten Energiewende und verteilte Steuergeschenke für Hoteliers, statt den Mittelstand zu entlasten. Dieser Ruf haftet ihr bis heute an.

„Der Trend läuft nicht in unsere Richtung. Die FDP muss sich rundum erneuern, von Innen heraus“, erklärte der gescheiterte EU-Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff. Er forderte Konzepte statt Klamauk. Die FDP bräuchte belastbare Antworten aus liberaler Perspektive. Welche Inhalte das sein sollen, ließ er allerdings offen.

Konkreter wurde da der bayerische Landesvorsitzende Albert Duin. „Wir haben alles verloren, weil wir, als wir in der Lage waren, nahezu nichts von unseren Ideen umgesetzt haben. Gewinnen wir unsere Stammwähler zurück, die uns als Wirtschaftspartei gesehen haben, bis wir angefangen haben, beliebig zu werden. Welche Wähler können wir denn noch vergraulen?“, teilte er auf seiner Facebook-Seite mit. Doch die Partei leidet unter einem Glaubwürdigkeitsdefizit. Einen Schwenk in Sachen Europapolitik? Würde ihr niemand abnehmen. Opposition gegen die Energiewende? Kaum vermittelbar.

So bleibt am Ende wohl wieder einmal nur die Reduzierung als Funktionspartei. „In Hamburg im Frühjahr könnte was gehen“, glaubt der Partei-Vize Wolfgang Kubicki, durch und durch ein Vertreter der alten FDP. Die Hamburger CDU befindet sich in einem schlechten Zustand. Und die bisher allein regierende SPD könnte auf einen Juniorpartner angewiesen sein, denn bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen verloren die Sozialdemokraten unlängst rund zehn Prozentpunkte. „Die SPD ist immer noch sauer, weil die Grünen 2010 mit der CDU ins Bett gegangen sind“, sagt Kubicki, „wir können für bürgerliche Wähler eine echte Alternative sein.“ Dass der Hamburger Landesverband bei den Kommunalwahlen sogar den Einzug in zwei von sieben Bezirksversammlungen verpasste, verschwieg Kubicki freilich. Peter Entinger


Eins mit den Machteliten
»Zeit«-Redakteure in vielen Denkfabriken und Zirkeln vertreten

Wenn es um die Aufdeck-ung der Verbindungen ihrer leitenden Redakteure zu einflussreichen Elitezirkeln und Denkfabriken geht, versteht die Wochenzeitung „Die Zeit“ keinen Spaß. Nachdem die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ eine derartige Vernetzung der großen deutschen Medien anschaulich dargestellt hatte, flatterte ihr sofort eine Unterlassungserklärung von „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe ins Haus. Dabei hat die Wochenzeitung im vergangenen Jahr sowohl für die Print- wie für die Onlineausgabe einen Ethik-Code erstellt, in dem auf die journalistische Unabhängigkeit besonderer Wert gelegt wird. Darin heißt es: „Ein möglicher Interessenkonflikt liegt vor, wenn durch Mitgliedschaft, Bekleiden eines Amtes oder durch ein Mandat in Vereinen, Parteien, Verbänden und sonstigen Institutionen einschließlich Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften … oder durch Beziehungen zu Personen und Institutionen der Anschein entstehen kann, dass dadurch die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit/Objektivität der Berichterstattung … beeinträchtigt werden könnten.“ Gegebenenfalls hat eine Veröffentlichung zu unterbleiben beziehungsweise ist auf den möglichen Interessenkonflikt hinzuweisen.

Dessen ungeachtet ist Joffe unter anderem beim Aspen-Institut, der American Academy Berlin und dem American Institute for Contemporary German Studies aktiv, von Washington zum Teil mitfinanzierte Vereinigungen, in denen er mit Entscheidungsträgern aus den USA zusammenarbeitet. Marc Brost, Leiter des Hauptstadtbüros der „Zeit“, engagiert sich bei der Atlantik-Brücke und Matthias Naß, internationaler Korrespondent und bis 2010 stellvertretender Chefre-dakteur, war bis 2012 sogar Mitglied des Lenkungsausschusses der Bilderberg-Konferenz. Besonders dreist ging der „Zeit“-Redakteur Jochen Bittner vor. In einem Artikel beschrieb er wohlwollend die von den Bundesministern Ursula von der Leyen und Frank-Walter Steinmeier sowie Bundespräsident Jo-achim Gauck propagierte Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik. Was er den Lesern verschwieg: Er selbst hatte an dem unter anderem vom German Marshall Fund of the United States in Auftrag gegebenen Strategiepapier mitgearbeitet, aus dem von der Leyen, Steinmeier und Gauck teilweise wörtlich zitiert hatten. Hinweise auf einen möglichen Interessenkonflikt sucht man unter den Artikeln der genannten „Zeit“-Redakteure vergeblich.

Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn Mitarbeiter die politische Linie des Blattes verlassen. Dann gibt es unter Berufung auf den Ethik-Code sofort Sanktionen. Wie die meisten deutschen Medien hat auch die „Zeit“ in der Ukraine-Frage eindeutig Position gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin bezogen. Unter den Beiträgen des freien Journalisten Moritz Garthmann für „Zeit Online“ findet sich daher folgender Hinweis: „Offenlegung: Der Autor arbeitet für die vom russischen Staat mitfinanzierte Zeitungsbeilage ‚Russland heute‘. Dies entspricht nicht unseren Grundsätzen. Wir entschuldigen uns dafür.“ Garthmann hat für „Russland heute“ vor allem Artikel redigiert und über unverfängliche Themen geschrieben. Obwohl die „Zeit“-Redaktion an seinen Texten nichts auszusetzen hatte, hat sie die Zusammenarbeit mit Garthmann beendet. So erging es auch der freien Journalistin Alisa Buchina, weil sie früher für den russischen Auslandssender „Stimme Russlands“ gearbeitet hatte. J.H.


Bunt und teuer
1,6 Millionen Euro für den Hansetag in Lübeck – lohnt das?

Die mit 1,4 Milliarden Euro hoch verschuldete Hansestadt Lübeck hat sich für 1,6 Millionen Euro ein Stadtfest der Sonderklasse gegönnt – und wurde dafür in höchsten Tönen gelobt. Vier Tage lang zelebrierte man an der Trave den 34. Internationalen Hansetag. Als vormalige „Königin der Hanse“ konnte man sich nicht lumpen lassen. „Die anderen Hansestädte hatten hohe Erwartungen an uns“, begründete Lübecks Bürgermeister und Hansevormann Bernd Saxe den tiefen Griff in die Kasse.

Aus Sicht der Veranstalter hat sich das gelohnt. Wenn Kosten nicht unmittelbar erwirtschaftet werden, dann werden sie gerne als Zukunftsinvestitionen deklariert. So auch in Lübeck. Bürgermeister Saxe begann damit schon während des Hansetages, indem er auf die touristische Bedeutung des Ereignisses verwies. Viele der Besucher kämen zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal. Wer, wie Lübeck, im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Übernachtungen zählte, der darf so argumentieren. Immerhin beträgt der jährliche Umsatz der Hansestadt aus dem Tourismus 595 Millionen Euro.

Die Besucher des Hansetages am vorvergangenen Wochenende werden ihren Teil dazu beigetragen haben, wieder zu solch einem Ergebnis zu kommen. Die Hotels waren nahezu ausgebucht, die Gastronomie machte bei Bilderbuchwetter hervorragende Umsätze, der Einzelhandel öffnete auch am Sonntag die Geschäfte und sogar zwei große Einkaufs-zentren auf der grünen Wiese luden ganz hanseatisch zum Sonntags-Einkauf.

Nahezu 500000 Gäste, Einheimische und Fremde, besuchten das Fest. Sie erlebten eine Stadt voller Lebensfreude und zahlreicher Kostümierter. 1600 Delegierte und Folkloregruppen aus 122 anderen Hansestädten trugen ebenso dazu bei wie die vielen Vereine und Verbände der Stadt selbst. Zwei Jahre lang hatten diese an dem Programm gearbeitet, 370 Einzelveranstaltungen auf die Beine gestellt. Der Einsatz hat sich gelohnt – für die Mitwirkenden und für die Gäste.

Die offiziellen Delegierten der Hansestädte werden sicherlich auch festgestellt haben, dass die Reise nach Lübeck wichtig und lohnend gewesen ist. So wie einer, der regelmäßig dabei ist, nicht zögerte, von den „vielleicht wichtigsten Hansetagen aller Zeiten“ zu sprechen. Er verwies „auf die Krise in der Ukraine“, auf das „angespannten Verhältnis zu unseren griechischen und spanischen Freunden“. Überhaupt habe sich der Hansetag zu einem Podium entwickelt, um über soziale Gerechtigkeit und Freiheit in Europa zu diskutieren. Viel wird man sich trotz dieser umfassenden Themenpalette vermutlich aber nicht zu sagen gehabt haben, denn die offizielle Sitzung der Abgesandten der 122 Hansestädte dauerte gerade einmal zweieinhalb Stunden. Dann waren Ukraine, Finanzkrise und soziale Gerechtigkeit abgehakt und es zog die Delegierten wieder hinaus auf die bunten, sonnigen Straßen. Klaus J. Groth


MELDUNGEN

Zuwanderer leben im Westen

Wiesbaden – 96,7 Prozent der insgesamt 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland leben in den alten Bundesländern und Berlin, wie das Statistische Bundesamt auf Basis der Zensusdaten aus dem Jahr 2011 mitteilte. Von einem Migrationshintergrund spricht man, wenn die Person selber im Ausland geboren wurde oder von dieser mindestens ein Elternteil außerhalb Deutschlands das Licht der Welt erblickte und nach 1955 eingewandert ist. Auffallend ist, dass der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund ohne Schulabschluss bei 15,5 Prozent liegt, während er bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bei nur 2,3 Prozent liegt. Auch sind 40,2 Prozent der Frauen mit Migrationshintergrund nicht erwerbstätig, der Anteil bei der Restbevölkerung liegt hingegen nur bei 27,9 Prozent (siehe Seite 5). Bel

 

Mehr Rücksicht auf Christen

Köln – In einem offenen Brief hat sich der Vorsitzende des katholischen Kolpingwerkes, Thomas Dörflinger, an die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD und des ZDF-Fernsehrates gewandt. Er kritisiert, dass die evangelische wie katholische Kirche zu oft in satirischen Beiträgen der Lächerlichkeit preisgegeben würden. Vor allem in öffentlich-rechtlichen Medien würden sich die Beiträge häufen, in denen es zur Verächtlichmachung komme. Er merkt an, dass „Satire dort ihre Grenzen finden muss, wo die religiösen Gefühle gläubiger Menschen verletzt werden“. Da auch Vertreter anderer Religionsgemeinschaften aus diesem Grund um zurückhaltende Berichterstattung bitten würden, melde Dörflinger sich nun auch zu Wort, wobei es ihm gar nicht um Zurückhaltung, sondern lediglich um Fairness gehe. Bel


S. 6 Ausland

Schuss ging nach hinten los
Eigentlich sollte der Euro Deutschland schwächen, doch nun lähmt er auch Frankreich

Erst die Schwäche der sozialistischen Regierung und der konservativen Opposition ermöglichte den Sieg des „Front National“ bei der EU-Wahl. Reform-Unwilligkeit der Franzosen macht jedoch jedem Regierenden das Leben schwer. Was bis 2001 über Währungsabwertung abgefangen werden konnte, kommt in Zeiten des Euro unbarmherzig zum Tragen.

Kommentatoren vergleichen ihn mittlerweile mit Louis de Funès, wohlgemerkt: nicht mit dem Menschen. Sie meinen die Figur des grotesken kleinen Mannes, den der Schauspieler so meisterhaft auf die Leinwand brachte, wenn sie in Frankreichs chaotischem Präsidenten François Hollande die Wiedergeburt des 1983 verstorbenen Komikers entdecken.

Die EU-Wahl war schon ein De-saster epochalen Ausmaßes. Nicht einmal 14 Prozent bekamen die Sozialisten. So schlecht hatte noch keine Präsidentenpartei bei landesweiten Wahlen abgeschnitten. Endgültig zur Witzfigur machte sich Hollande jedoch erst nach der Wahl.

Angetreten war er 2012 mit einem lupenrein roten Programm: gigantische Steuererhöhungen, staatliche Eingriffe und soziale Wohltaten. Das absehbare Resultat war der Einbruch der Wirtschaft, steigende Arbeitslosigkeit und eine Massenflucht von Gutverdienern. Dann steuerte Hollande panisch um, besetzte sein Kabinett mit dem als relativ marktwirtschaftlich geltenden Manuel Valls als neuen Premier neu. Darauf hagelte es Protest vom linken Parteiflügel.

Jetzt, nach der EU-Wahl, verspricht er beides gleichzeitig: Am Reformkurs (mit Steuerentlastungen und Sparmaßnahmen) solle festgehalten werden. Zugleich müsse die Politik aber wieder mehr auf „Wachstum, Beschäftigung und Investitionen“ setzen, was nach sozialistischer Diktion noch stets das genaue Gegenteil von Haushaltskonsolidierung bedeutet hat.

Doch nicht bloß Frankreichs regierende Sozialisten stecken tief in der Klemme. Die bürgerliche UMP des Hollande-Vorgängers Nicolas Sarkozy steckt kaum weniger tief im Morast. Eine Affäre um illegale Finanzierung des Wahlkampfes 2012 hat deren Chef Jean-François Copé gerade den Posten gekostet. Was aber noch schlimmer ist: Auch Ex-Präsident Sarkozy soll von den Manipulationen zumindest gewusst haben. Der eigene Parteischatzmeister hat ihn öffentlich schwer belastet. Damit haben sich Sarkozys Träume von einer Rückkehr in die große Politik als neuer Hoffnungsträger der UMP über Nacht zerschlagen, und die Partei steht ohne vorzeigbaren Führer da.

Für die siegreiche Marine Le Pen könnte die Ausgangslage kaum besser sein. Die Hoffnung ihrer Gegner, dass die Franzosen nach den 25 Prozent für Le Pens „Front National“ (FN) vor sich selbst erschrecken würden, zerschlug sich sehr schnell. Nach einer Umfrage des Instituts Ipsos begrüßen 51 Prozent der Franzosen das gute Abschneiden des „Front“.

Um die Frustration des westlichen Nachbarn nachvollziehen zu können, hilft ein Blick nicht nur auf die schlechte Wirtschaftslage mit hoher Arbeitslosigkeit, sondern vor allem in die jüngere Geschichte, die des Euro zumal. Ziel der bekanntlich vom damaligen Präsidenten François Mitterand vorangetriebenen Euro-Einführung war es, die Überlegenheit Deutschlands zu brechen. Als Kern jener Überlegenheit machte Paris die D-Mark aus. Seit dem spektakulären Einbruch des Franc 1983 (eine Folge der dunkelroten Politik des frühen Mitterand, dem der junge Hollande damals als Berater zur Seite stand) nannte man die Mark an der Seine neidvoll die „Atombombe der Deutschen“, die ihnen per Gemeinschaftswährung aus der Hand geschlagen werden sollte, damit Frankreich Führungsmacht Europas sein könne.

Der Euro kam, doch seine Folgen gerieten völlig anders als gedacht: Zum Zeitpunkt der Euro-Einführung 1999 wies Frankreich bei der Arbeitslosigkeit, dem Wachstum und dem Zustand der öffentlichen Finanzen in etwa die gleichen Werte auf wie die Bundesrepublik. Damals sprachen die Medien gar von Deutschland als dem „kranken Mann Europas“ und gaben für Frankreich die weitaus besseren Prognosen ab.

Heute, 15 Jahre später, haben sich die Gewichte dramatisch verschoben: Frankreichs Arbeitslosigkeit ist doppelt, sein Wachstum halb so hoch wie beim deutschen Nachbarn. Und die öffentlichen Finanzen sind in einem jämmerlich Zustand, selbst im Vergleich zum ebenfalls hoch verschuldeten Deutschland.

Die Ursache dafür sehen Experten vor allem in der Reform-Unwilligkeit der Franzosen, an der sich auch nach den EU-Wahlen wenig geändert zu haben scheint. Es kommt aber noch ein weiterer Faktor hinzu: der Euro selbst. In der Vergangenheit hat Frankreich, wie andere „Weichwährungsländer“ auch, schmerzhafte Reformen vermieden, indem es seine Wettbewerbsfähigkeit durch Abwertung seiner Währung stärkte. So kostete 1981 ein Franc 42 Pfennig. 1999, als die Wechselkurse eingefroren wurden, lag er bei nur noch 29 Pfennig. Verlängert man diese Entwick­lung linear bis 2014, so dürfte der Franc heute bei nur noch etwa 20 Pfennig stehen. Doch diese weitere Abwertung war durch die Einheitswährung verbaut.

Die Behauptung, dass Deutschland von dieser Entwicklung profitiere (wie es deutsche Euro-Befürworter und französische Deutschland-Kritiker sagen), hält einer Prüfung dennoch nicht stand. Eine Währung, die zu hart ist – wie der Euro für Frankreich –, zerstört Wettbewerbsfähigkeit und damit Jobs. Eine Währung, die zu weich ist – wie der Euro für Deutschland –, zerstört dagegen die Ersparnisse der Bürger. Verlieren tun auf lange Sicht also beide.

Schon rufen französische Politiker von links bis rechts nach einem noch weicheren Euro, hergestellt über noch uferlosere Geldproduktion der Zentralbank EZB und noch geringere Zinsen. Infolgedessen verlören die Deutschen wegen der Niedrigstzinsen ihr Erspartes noch schneller an die Inflation. Hans Heckel


Keine Lust auf Brüssel
Zehn Jahre nach ihrem EU-Beitritt glänzen Tschechen mit Desinteresse

Rund 70 Sendestunden hat das tschechische Fernsehen für die EU-Wahlen aufgewendet, in Umfragen bekundeten 59 Prozent der Menschen vorab ihre Wahlwilligkeit. Am Wahltag galt das nicht mehr. Die Wahlbeteiligung betrug 18,2 Prozent, elf Prozentpunkte weniger als 2009. Hier siegten nicht „Euroskeptiker“, so die Analyse des Ökonomen Pavel Kohout. Es war ein Boykott seitens einer desorientierten Nation, die von einer unfähigen politischen Klasse nicht aufgeklärt wurde und nun ihr Wahlvotum gegen die EU konkretisieren will. Sie „sollte beseitigt werden“, meinen 32 Prozent der Tschechen, man muss „ihre Vollmachten rundum kürzen“, sagen 59 Prozent.

Für den Gewerkschaftschef Josef Stredula ist das alles Heuchelei. Politiker stellten die EU als „schlecht und unnötig“ hin. Auch klagt er die Tschechen an: „Ihr seid gegen die EU, aber EU-Gelder stinken euch nicht. Dabei verteidigt die EU eure Rechte.“ Ähnlich äußerte sich Staatspräsident Milos Zeman: „Die Leute nehmen die EU-Problematik einfach nicht ernst und meinen zu Unrecht, das beträfe sie nicht. Dabei kommen 80 Prozent der bei uns gültigen Gesetze aus Brüsseler Werkstätten.“

Zeman gilt als „Proeuropäer“, was er bei diesen Wahlen, die mit dem zehnten Jahrestag des tschechischen EU-Beitritts zusammenfielen, erneut bestätigte: „Unser EU-Beitritt war mehr als die Anbindung an den gemeinsamen Markt. Die EU ist für mich eine Kultureinheit, in die wir vor zehn Jahren zurückgekehrt sind, denn wir sind seit jeher Teil von Europas Kultur, die man nicht auf Ökonomie reduzieren kann.“ Konträrer Meinung ist Zemans Vorgänger Vaclav Klaus, der die Wahlen als „unnötig und künstlich“ empfand: „Sieben Parteien mit je rund zwei Prozent Stimmenanteil teilen sich 21 Mandate – da sieht man, dass die EU nichts mit Demokratie zu tun hat.“ „Wir wurden in der EU ein unfreies, gegängeltes Land“, abhängig vom Willen Deutschlands, denn „dieses ist der größte EU-Profiteur der letzten zehn Jahre“, so Klaus.

Er übt über seine Denkfabrik „Institut Vaclav Klaus“ immer noch großen Einfluss aus, zumal dieser Anlaufpunkt von Putin-Emissären ist, zu denen Klaus gute Beziehungen mit spürbaren Folgen pflegt. Bei Umfragen sahen Anfang Mai 74 Prozent der Tschechen Putin als „weisen Staatsmann, den man ruhig wählen könnte“, und 16 Prozent als „Präsidenten einer Großmacht, die wie die USA agiert“. Da ist selbst Zeman machtlos, der immer häufiger vor möglichen Öl-Erpressungen durch die Russen warnt.

Die Tschechen, lästerte der Politologe Jiri Pehe, würden immer nur fragen, was die EU für sie tue, aber nie, was sie für die EU tun können. Das stimmt nicht ganz. Laut Umfragen stiegen ihre „Zufriedenheit“ mit der EU und ihr Sinn für den Wert der EU für Ökonomie und Ökologie deutlich an. Sollte Brüssel es noch schaffen, die in Tschechien grassierende Korruption und Bürokratie zu dämpfen, wären ihr 98 Prozent der Menschen dankbar.

Die Slowaken wiesen mit 13 Prozent eine noch geringere Wahlbeteiligung als die Tschechen auf, was beide einlenken lässt. Zeman beneidet die Slowaken um ihre Mitgliedschaft in der Euro-Zone, und Prag strebt eine immer engere Kooperation mit Pressburg an, bis hin zu gemeinsamen Armeeeinheiten und Kabinettssitzungen. So haben es Zeman und sein scheidender slowakischer Amtskollege Ivan Gasparovic verabredet. Sollte die Gemeinsamkeit in Nato und EU gar zur tschechoslowakischen Renaissance führen? W. Oschlies


Leichen im Keller?
Im britischen Außenamt lagern hunderttausende historische Akten

Während die Akten anderer britischer Regierungsbehörden aus den Jahren 1983 und 1984 gerade für die Öffentlichkeit freigegeben werden, liegen im Archiv des britischen Außenministeriums sogar noch Papiere aus dem 17. Jahrhundert unter Verschluss.

Nach dem britischen Archivgesetz, dessen Urfassung aus dem Jahre 1838 stammt, sind Akten öffentlicher Stellen an das Nationalarchiv abzugeben, das die Archivalien zu sichern und nutzbar zu machen hat. Die Regelsperrfrist beträgt 30 Jahre, die allerdings auf Antrag beispielsweise zu Forschungszwecken verkürzt werden kann. Die generierende Stelle wiederum kann beim Lordkanzler, dessen Stellung im weiteren Sinne mit der des Kanzleramtsministers in Deutschland verglichen werden kann, eine Verlängerung der Abgabe- und der Sperrfrist beantragen, wenn dies aus dienstlichen Gründen wie beispielsweise der Geheimhaltung oder zur Wahrung der schutzwürdigen Belange Betroffener – hierzu gehören beispielsweise personenbezogene Daten – geboten erscheint. Dieser Antrag kann nach Ablauf von fünf Jahren erneut gestellt werden. Von dieser Regelung macht insbesondere das Außenministerium regen Gebrauch. Es handelt sich bei dessen Aktenbeständen also nicht um ein Geheimarchiv, auch wenn sie nicht ohne Weiteres für die Öffentlichkeit nutzbar sind.

In den Blick der Öffentlichkeit gerückt sind diese Archivbestände im Jahre 2011, als eine Gruppe von Kenianern mit Foltervorwürfen während des Mau-Mau-Aufstands vor ein britisches Gericht zog, weil das Außenministerium die Existenz von sachdienlichem Archivmaterial rundweg geleugnet hatte. Unter dem Druck des Gerichts musste das Außenministerium schließlich zugegeben, dass es in seinem Besitz 1500 Akten zur kolonialen Vergangenheit in Kenia habe. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde dann die Existenz von 8000 Akten eingeräumt. Vage war dann die Rede davon, dass es möglicherweise 20000 Akten geben würde, die 37 ehemalige britische Kolonien betreffen. Wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ im Oktober letzten Jahres berichtete, soll das Außenamtsarchiv in Hanslope Park tatsächlich sogar 1,2 Millionen Akten umfassen, die in Regalen von insgesamt 15 Meilen Länge „vom Boden bis zur Decke“ verstaut seien.

Erstmals hat nun eine kleine Gruppe handverlesener Journalisten Zutritt zu dem Spezialarchiv erhalten. Das, was die Besucher zu sehen bekamen, lässt erahnen, warum sich das Außenministerium in dieser Sache bisher so bedeckt gehalten hat. Weggeschlossen waren offenbar nicht nur Akten zur britischen Kolonialvergangenheit, sondern zu allen möglichen sensiblen Themen. In den Regalen wurden sowohl uralte Akten zum Sklavenhandel als auch zu NS-Größen und zur britischen Propaganda im Kalten Krieg gesichtet. Vorhanden ist ebenso Material zum Falklandkrieg wie zum Nordirlandkonflikt. Nicht zuletzt, um bereits angedrohten Klagen auf Aktenfreigabe nach dem Informationsfreiheitsgesetz zuvorzukommen, hat das Ministerium Pläne vorgelegt, nach denen die Öffentlichkeit Zugang zum Archiv erhalten soll. 60000 Akten von „hoher Priorität“ sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre zur Freigabe vorbereitet werden. Was nach ministerieller Definition „mittlere und geringe Priorität“ hat, soll erst im Jahr 2027 der Forschung zur Verfügung stehen. N.H./J.H.


MELDUNGEN

Nimmt FBI bald Kiffer?

Washington – Während Bewerber mit einer Drogenvergangenheit bei der US-Bundespolizei FBI bisher chancenlos waren, hat FBI-Chef James B. Comey laut der US-amerikanischen Tageszeitung „The Wall Street Journal“ nun ein Aufweichen der bisher verfolgten Null-Toleranz-Politik bei Neueinstellungen signalisiert. „Ich muss mein Personal gewaltig aufstocken, um mit den Cyber-Kriminellen Schritt zu halten“, so Comey, „aber einige der Jungs, die wir da im Blick haben, rauchen sogar auf dem Weg zum Einstellungsgespräch Gras.“ Da das FBI in diesem Jahr 2000 neue Mitarbeiter einstellen darf, die meisten von ihnen Computerexperten, muss Comey eine Änderung der Einstellungsstatuten bewirken. N.H.

 

Entweder USA oder Polen

New York – Polens ehemaliger Präsident Lech Walesa hat den Vereinigten Staaten mangelnden Führungswillen vorgeworfen. Im Vorfeld des Warschau-Besuchs von US-Präsident Barack Obama machte der Gründer der Gewerkschaft „Solidarnosc“ in einem Gespräch mit der US-amerikanischen Nachrichten- und Presse-agentur „The Associated Press“ seine Unzufriedenheit deutlich. Die Welt sei desorganisiert, die Supermacht USA würde aber keine Führung übernehmen. „Ich sage: Entweder Sie möchten eine Supermacht sein und uns führen, oder Sie sollten die Supermacht nach Polen geben, wir werden wissen, was damit zu tun ist. Amen“, so der polnische Friedensnobelpreisträger, der in der Vergangenheit immer wieder mit polarisierenden Äußerungen für Schlagzeilen gesorgt hat. Anlass des kurzen Obama-Besuchs ist das 25. Jubiläum der ersten freien Wahlen in Nachkriegspolen am 4. Juni. N.H.


S. 7 Wirtschaft

Unternehmen drohen mit Weggang
Österreichs Wirtschaft kritisiert schwindende Attraktivität des Standorts – EU-Auflagen als Manko angeführt

Anfang des Jahrtausends galt Österreich aufgrund seiner gut laufenden Wirtschaft als das bessere Deutschland. Doch inzwischen hakt es im Getriebe. Kann Wien nun von seinem großen Nachbarn lernen?

Während Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal dieses Jahres um vergleichsweise erfreuliche 0,8 Prozent wuchs, war man in Österreich schon zufrieden mit den erreichten 0,3 Prozent. Angesichts der Debatte, die die Alpenrepublik in den letzten Wochen erschüttert hat, sind die Mitte Mai veröffentlichten Daten auch besser, als man angesichts der massiven Kritik am Standort Österreich hätte annehmen dürfen.

Die vom Vorstandschef des österreichischen Stahlriesen Voestal-pine, Wolfgang Eder, losgetretene Debatte ließ den Eindruck entstehen, dass es um den Wirtschaftsstandort Austria im internationalen Vergleich mies bestellt sein müsse. Eder hatte angesichts des Spatenstichs für eine Direktreduktionsanlage in den USA, die mit 550 Millionen Euro die größte Auslandsinvestition in der Geschichte des österreichischen Konzerns darstellt, angemerkt, dass das Unternehmen sich grundsätzlich die Frage stelle, ob Österreich langfristig noch der richtige Standort sei.

Da in den nächsten Jahren einige Hochöfen in Linz, dem Hauptsitz des weltweit 46400 Mitarbeiter beschäftigenden Unternehmens, das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben würden, prüfe man, wo man die Ersatzinvestition tätige. Hier böte sich zum Beispiel Asien mit seinen Wachstumsmärkten an oder eben erneut die USA, so Eder, der die dort dank Fracking niedrigen Energiepreise, die um 30 Prozent niedrigeren Personalkosten und die traumhaft günstigen Grundstücke lobt. In Österreich hingegen sei die Steuerbelastung höher, die Politik weniger dialogbereit und zudem änderten sich die Rahmenbedingungen permanent. Vor allem die Umwelt- und Klimapolitik der EU ärgere ihn massiv, da sie eine langfristige Planung von Industrieparks stark erschwere.

„Die Standortpolitik in Österreich hat vom Vertrauenskonto maximal abgebucht“, schloss sich der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayr, den Klagen des Voestalpine-Chefs an. Investitionen müssten sich langfristig rechnen, doch ob sie das täten, sei nicht vorhersehbar, wenn die Politik ständig neue Verschärfungen beschließe, so der Verbandschef. Er wies darauf hin, dass deswegen nur 17 Prozent der Investitionen in Österreich zusätzliche Kapazitäten schaffen. Und Gerhard Roiss, Chef des österreichischen Energiekonzerns OMV, sieht derzeit den Standort Österreich zusätzlich durch die EU-Sanktionen gegen Russland gefährdet.

Andere Firmen wie der österreichische Schneeketten-Hersteller Pewag hingegen klagen nicht, sie handeln, und so wurde ein neuer Standort in Colorado eröffnet. Der US-Bundesstaat lockt ausländische Industrieunternehmen nicht nur mit steuerlichen Anreizen, sondern bietet Pewag auch Nähe zum Kunden, hier vor allem dem US-Militär und den Logistikunternehmen UPS und Fed-Ex, sowie Zulieferern aus der Stahlbranche.

In der österreichischen Papierbranche hingegen wird derzeit noch mit dem eigenen Schicksal gehadert. Die von der Politik geförderte Verbrennung von Holz als Wärmeträger und Verwendung des Rohstoffes zur Stromerzeugung durch Biomasse habe die Preise stark erhöht, so dass man bestenfalls noch in bestehende Anlage investiere.

Und auch bei internationalen Standortvergleichen schneidet die Alpenrepublik in den letzten Jahren äußerst mittelmäßig ab. Doch dies veranlasst die nun seit 2007 regierende Große Koalition nicht zu entsprechenden Reformen, obwohl beispielsweise der „World Competitiveness Scoreboard 2013“ des Schweizer Instituts IMD konkret die Effizienz der Regierung kritisiert hatte. Während Österreich insgesamt nur auf Rang 36 von 60 Ländern landete, fand sich Deutschland auf Platz 6 wieder.

Doch der Unterschied ist nicht Deutschlands politischen Führung der letzten Jahre zu verdanken. Neben den bald zehn Jahre zurück-liegenden Hartz-IV-Reformen profitiert Deutschland vor allem von seinem breit aufgestellten Mittelstand und den somit effizienten Zuliefererketten. Unter EU-Vorgaben leidet der Standort ansonsten genauso wie Österreich. Und angesichts der deutlich höheren Strompreise hierzulande aufgrund der überstürzten Energiewende erscheint die Klage des österreichischen Mischkonzerns Lenzing AG über die sehr hohen Energiepreise schon fast banal. Und wenn die Industriellenvereinigung moniert, dass fast 60 Prozent der Gehaltserhöhungen in den Kassen des Staates landen, dann zucken die Deutschen resigniert mit den Schultern, weil die Kalte Progression schon seit Jahren zusammen mit der Inflation jegliche Träume von realen Lohnerhöhungen platzen lässt.

Auch das Manko, dass die Politik in Sonntagsreden von Bildung als Rohstoff der Wirtschaft schwärmt, gleichzeitig aber den Hochschulen angesichts steigender Studentenzahlen nicht die Mittel erhöht und bei der Integration von Ausländerkindern versagt, teilen Deutschland und Österreich. Zudem ist in beiden Ländern offen, wie angesichts der demografischen Entwicklung zukünftig Renten und Pensionen nachhaltig finanziert werden sollen, wobei Berlin mit der Rente mit 63 jetzt auch noch die Lage verschlimmert hat.

Und so stagnieren trotz aktuell toller Standortvergleichsergebnisse für Deutschland die Investitionen der Wirtschaft bereits seit Jahren. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht bereits erste Vorboten dafür, dass der Standort D an Attraktivität verliert. Derzeit spricht also einiges dafür, dass Deutschland seinem alpinen Nachbarn folgen dürfte, falls die Politik nicht gegensteuert.

Rebecca Bellano


Misstrauen vergrößert
Prüfung österreichischer Goldbestände in London lässt Fragen offen

Nachdem immer wieder Zweifel an den Goldreserven der Österreichischen Nationalbank laut geworden wa-ren, hat nun eine teilweise Überprüfung der Bestände stattgefunden. Insgesamt verfügt Österreich über 280 Tonnen Gold, dessen Wert aktuell rund 8,5 Milliarden Euro beträgt. Nach Angaben der Wiener Tageszeitung „Die Presse“ befindet sich nur ein kleiner Teil der Goldreserven – rund 50 Tonnen – auf österreichischem Boden. Knapp sieben Tonnen lagern in der Schweiz, der Großteil liegt bei der Bank of England. Nicht zuletzt durch Druck der FPÖ, die schon seit längerer Zeit die Überprüfung und Rückführung der Goldreserven fordert, hat vor Kurzem eine Überprüfung der in London gelagerten Goldbestände durch Österreichs Rechnungshof stattgefunden. „Wir haben den Goldbestand, die Seriennummern der Barren und die Qualität überprüft. Und wie in den letzten Jahren festgestellt, dass alles in Ordnung ist“, so ein Sprecher der Österreichischen Nationalbank (ÖNB).

Sollte mit der Überprüfung tatsächlich die Hoffnung verbunden gewesen sein, Kritiker den Wind aus den Segeln zu nehmen, so dürfte sich diese als Fehlschlag erwiesen haben. Die Umstände der Inventur sind Nahrung für neue Skepsis. „Stichhaltige und detaillierte Beweise, etwa Listen und Bilder der Barren, wurden allerdings nicht geliefert“, so die deutsche „Wirtschaftswoche“. Gemessen an Grundsätzen ordnungsgemäßer kaufmännischer Inventur sei der gesamte Überprüfungsvorgang bei der Bank of England ein schlechter Scherz, so das Fazit des Münchener Edelmetallfachmanns Peter Boehringer. Nur durch Offenlegung der Barrennummern und deren Abgleich mit anderen Beständen bei anderen Zentralbanken könnten mögliche Entleihungen oder Doppeleigentümerschaften der angeblich in Augenschein genommenen Barren ausgeschlossen werden, so Boehringer.

Dass der Verdacht von Manipulationen am internationalen Goldmarkt nicht von vornherein als Verschwörungstheorie abgetan werden kann, wie dies über Jahrzehnte gang und gäbe war, beweisen jüngste Ermittlungen der britischen Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA). Wie die FCA nachweisen konnte, hatte ein Händler des international agierenden britischen Finanzunternehmen Barclays das Londoner Goldfixing zulasten eines Kunden so manipuliert, dass die Bank eine eigentlich fällige Auszahlung von 3,9 Millionen US-Dollar vermeiden konnte. Mit der verhängten Geldstrafe in Höhe von rund 32 Millionen Euro ging die Angelegenheit für Barclays sogar noch relativ glimpflich aus. Geahndet wurde nur ein konkreter Fall im Jahr 2012. Insgesamt hatte die Aufsichtsbehörde festgestellt, dass Barclays sogar über einen Gesamtzeitraum von 2004 bis 2013 bei der „adäquaten Handhabung von Interessenskonflikten versagt“ hat.

Die Tatsache, dass die FCA nun quasi amtlich gemacht hat, dass es möglich war, das Londoner Goldfixing in betrügerischer Absicht zu manipulieren, ist hochbrisant. Der zweimal täglich von mehreren Großbanken in London festgesetzte Goldpreis gilt als Referenzwert für den weltweiten Goldmarkt. N.H.


Etikettenschwindel
Skandal bei »Neuland«-Siegel – Bio-Branche gerät in Verruf

Nachdem bereits Italien Schauplatz mehrerer Skandale war, bei denen in großem Stil herkömmlich erzeugte Lebensmittel in teure Ökoprodukte umdeklariert wurden, hat nun auch Deutschlands Bio-Branche seinen großen Betrugsfall. Im niedersächsischen Kreis Nienburg hat ein Landwirt jahrelang Geflügel unter dem „Neuland“-Siegel verkauft, obwohl die Tiere aus konventioneller Aufzucht gestammt haben sollen. Während der Fleisch-erzeugerverband „Neuland“ für sein Bio-Geflügel einen ganzjähriger Auslauf im Freien, Haltung auf Stroh und Futter aus der Region vorschreibt, soll der beschuldigte Landwirt jahrelang Hähnchen aus gewöhnlicher Massentierhaltung verkauft haben. Die Falschdeklaration soll dem Geflügelbetrieb einen Profit von mehreren 100000 Euro ermöglicht haben. Wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges hat inzwischen die Staatsanwaltschaft Oldenburg Ermittlungen gegen den Landwirt aufgenommen. In diesem Fall sieht sich auch der Erzeugerverband „Neuland“ Kritik ausgesetzt. Wenn es möglich war, Hähnchen über Jahre in großem Umfang umzuetikettieren, scheint es mit den bisherigen Kontrollen des Verbandes nicht weit her gewesen zu sein.

Auch wenn Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) von einem ärgerlichen Einzelfall spricht, wachsen nach Jahren stetigen Wachstums die Zweifel an der Bio-Branche. Der Flopp um den „Bio“-Treibstoff E10, ausufernde Kosten der Energiewende oder Fälle, bei denen Eier aus Käfighaltung als Freiland-Ware vermarktet wurden, haben dem guten Ruf „ökologischen“ Wirtschaftens auch hierzulande erste Kratzer zugefügt.

Eine vor Kurzem von der Verbraucherzentrale Hamburg vorgelegte Untersuchung veganer Lebensmittel könnte zu weiterem Vertrauensverlust führen. Demnach konnten die Verbraucherschützer das Attribut „nachhaltig“ bei vielen der untersuchten Produkte keinesfalls bestätigen. Einige Hersteller scheuten sich offenzulegen, woher ihre verwendeten Rohstoffe stammen. Passenderweise wurde in mehreren getesteten Produkten auch herkömmliche Industrienahrung gefunden. Ebenso fraglich war oftmals auch der gesundheitliche Nutzen. Von den 20 untersuchten Produkte fielen fünf wegen ihres hohen Salzgehalts durch den Test, vier wiesen zu viel Fett auf. Eine untersuchte vegane Frikadelle brachte es sogar auf 35 Prozent mehr Fett als eine vergleichbare Bulette aus Fleisch.

Eigentlich kann der Befund kaum überraschen. Beim Bemühen, ein größeres Publikum anzusprechen, hat die Bio-Branche von der Tiefkühlpizza bis zur Dosensuppe inzwischen fast jedes herkömmliche Produkt nachgeahmt. Vieles ist aber rein „Bio“ gar nicht machbar, so dass auf herkömmliche Rohstoffe, Zusätze und Fertigungsverfahren zurückgegriffen werden muss. Einen gehörigen Anteil Verantwortung an der Entwicklung tragen zudem auch die Verbraucher, die sich mit Öko-Siegeln auf Produkten häufig ein gutes Gewissen erkaufen wollen. Statt „Bio“-Ware aus Übersee einzufliegen, wäre in vielen Fällen ein Konsumverzicht die ehrliche Lösung, wenn es tatsächlich „nachhaltig“ und „öko“ sein soll. N.H.


MELDUNGEN

Bund: Weniger Geldgeber

Frankfurt am Main – Der Deutschen Finanzagentur ist es Ende Mai zum neunten Mal in diesem Jahr nicht gelungen, eine Staatsanleihe des Bundes im vollen Umfang an Investoren zu verkaufen. Dies lag einerseits an der niedrigen Verzinsung, andererseits hat die Euro-Rettungspolitik der EZB und den Euro-Staaten dafür gesorgt, dass Investoren südeuropäischen Staats-anleihen wieder vertrauen und weil sie dort mehr Zinsen erhalten, ihr Geld darin investieren. Bel

 

Schlussstrich unter Staatspleite

Paris – Argentinien hat sich mit Deutschland, Frankreich, den USA und Japan darauf geeinigt, seine Schulden von vor der Staatspleite 2001 zurückzuzahlen. Buenos Aires hofft, so wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten zu erhalten. Bel

 

USA fordern Gefolgschaft

Paris – Bezüglich einer drohenden Strafe in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar für die französische Großbank BNP Paribas hat sich nun der französische Zentralbankchef Christian Noyer eingeschaltet. „Es lieg nach unserer Prüfung kein Rechtsbruch vor“, so Noyer und kritisiert damit die US-Justizbehörden, die seit Jahren gegen BNP Paribas, aber auch gegen Deutsche Bank und Commerzbank wegen angeblicher Verletzung des US-Embargos gegen Kuba, den Iran und den Sudan ermitteln. Zwar haben die europäischen Banken nach nationalem sowie europäischem Recht und den Bestimmungen der UN keinen Rechtsbruch begangen, doch da die von europäischen Boden aus durchgeführten Geldtransfers in US-Dollar abgewickelt wurden, meinen die USA, dies käme einer Verletzung der US-Embargos gleich. Bel


S. 8 Forum

Viele Köche
von Manuela Rosenthal-Kappi

Viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Je mehr Einmischung von außen da war, desto angeheizter wurde die Lage in Kiew. Mit der Wahl des Schokoladenzars Poroschenko soll Ruhe im Land einkehren, eine echte Demokratie entstehen. Doch wie soll das funktionieren? Poroschenko ist zwar einerseits prowestlicher Politiker, erfüllt also die Forderungen der Mehrheit der Ukrainer und des Westens, andererseits ist er aber auch ein Oligarch, der unter gleichen Bedingungen zu Reichtum gelangt ist wie Janukowitsch. Er wird keine eigene ukrainische Politik machen können, da er zum einen nicht ohne das Wohlwollen der verbliebenen Oligarchenfamilien um Gaskönig Firtasch und den Stahlmagnaten Achmetow regieren kann und zum anderen die neuen Geldgeber im Westen ein Wörtchen mitzureden haben. IWF und EU diktieren die Bedingungen für die für das Land überlebensnotwendigen Kredite.

Neben all dem muss Poroschenko mit Russland verhandeln, um die zahlreichen Geschäfte ukrainischer Oligarchen nicht zu gefährden. Wenn das Volk durchschaut, dass ihr Präsident nach bekanntem Muster agiert, steht der nächste Majdan bevor.


Wenn starke Männer weinen
von Jan Heitmann

Wenn starken Männern die Tränen kommen, muss sich etwas Überwältigendes ihrer bemächtigt haben. Etwas wie die Erinnerung an Lebensgefahr, Angst, Tod und Verwundung. Bei dem Veteranentreffen mit Gefallenengedenken am vergangenen Wochenende in Berlin konnte man manche Träne fließen sehen. Emotionen sind eigentlich Privatsache, aber in diesem Fall sind sie ein Signal an die Gesellschaft, endlich die Leistungen und Opfer der Soldaten, die in ihrem Auftrag im Einsatz waren, anzuerkennen.

Im Umgang mit den Veteranen spiegelt sich die Entfremdung zwischen Gesellschaft und Militär in Deutschland wider. Für die Schöpfer der Bundeswehr war die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft noch unabdingbar. Die Bundeswehr, in deren Reihen Millionen Männer und Frauen die Freiheit unseres Vaterlandes und jedes einzelnen seiner Bürger gewährleistet haben, hat einen staatstragenden Stellenwert, der ihr heute jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung kaum mehr zugebilligt wird. Hinzu kommt, dass das Ideal vom Bürger des Staates als dem geborenen Verteidiger desselben spätestens seit der Aussetzung der Wehrpflicht der Vergangenheit angehört. Die Bundeswehr von heute, des klassischen Auftrags der Landesverteidigung beraubt und in entfernten Ecken der Welt mit nicht immer für jeden nachvollziehbaren Aufgaben eingesetzt, ist auf dem besten Wege, sich – isoliert von der Gesellschaft – zu einer rein technischen, von Effizienzdenken beherrschten Sicherheitseinrichtung zu entwickeln. Und das ist politisch so gewollt.

Kein Wunder, dass die Streitkräfte, deren fachliche Leistung und friedensstiftendes Engagement nur selten öffentliche Würdigung finden. Davon sind gerade die Veteranen betroffen. Denn das von ihnen in besonderem Maße verkörperte soldatische Ethos, sowohl für Recht und Freiheit des deutschen Volkes als auch für sicherheitspolitische Interessen und die Menschenrechte mit dem Leben einzutreten, verlangt ein auf gegenseitigem Vertrauen begründetes Verhältnis zwischen Politik, Gesellschaft und Bundeswehr. Diesem Anspruch werden Politik und Gesellschaft jedoch nicht gerecht.

Es ist beschämend, dass seit Jahren ergebnislos über einen Veteranentag gestritten wird. Nicht minder beschämend ist, dass weder das Verteidigungsministerium noch die Bundeswehr, der Deutsche Bundeswehrverband oder der Reservistenverband trotz Einladung beim Veteranentreffen vertreten waren. Dabei wäre das das Mindestmaß an Anerkennung, das die Veteranen erwarten dürfen. Die Tränen der Veteranen – sie mahnen nicht die Politik allein. Sie erinnern jeden von uns an die Verantwortung, die wir als Wähler tragen, wenn wir der Politik den Auftrag geben, unsere Soldaten ins Gefecht zu schicken.


Ein Teil werden
von Rebecca Bellano

Süß sieht die kleine Runde aus. Sechs kleine Mädchen, fünf von ihnen blond, eine brünett, sitzen um den Geburtstagtisch und essen ihre Küchlein. Für Beobachter sind die Kleinen die Personifizierung der deutschen Mittelschicht, und sie sind es auch.

Nur durch Zufall ergibt sich aus dem Gespräch der Mütter, dass nur bei einem der Mädels alle vier Großelternteile auch in Deutschland geboren sind, alle anderen Kinder haben mindestens ein Großelternteil, bei dem die Wiege im Ausland stand. Frankreich, Polen, Portugal und Italien sind die eher klassischen Herkunftsländer, doch auch ein im Irak geborener christlicher Kurde, eine christliche Aramäerin und ein Inder finden sich unter den Großeltern. Alle diese Zuwanderer beziehungsweise deren Kinder haben jedoch deutsche Partner gesucht und mit ihnen Kinder bekommen, bei denen nie infrage stand, was sie sind: Deutsche. Bei allen war das Streben, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden, vorherrschend.

Anders sieht es hingegen bei anderen Zuwanderergruppen aus. „Ich bin Türkin“, bekennen hier schon Vierjährige, obwohl bereits die Eltern beide in Deutschland geboren wurden. Daher wäre es spannend, wenn das Statistische Bundesamt auch veröffentlichen würde, welchen Herkunftsländern die 15,3 Millionen Personen mit Migrationshintergrund entstammen. Dies sagt, Erfahrungen zeigen es, in der Tendenz auch viel über die Integrationsbereitschaft aus. Zuwanderung gab es in Deutschland schon immer, doch sie ist nur bereichernd, wenn die Menschen auch miteinander leben und einige sich nicht isolieren.


Moment mal!
»Mordkommission Istanbul«: Propaganda für Erdogan?
von Klaus Rainer Röhl

Warum muss man am Abend unbedingt Krimis sehen? Weil es nicht jeden Abend ein großes Fußballspiel oder eine wirklich gute Oper live aus Salzburg auf 3sat gibt und weil man die inzwischen zu einer Psycho-Folter für den Normalverbraucher mit halbwegs intaktem Menschenverstand ausgearteten Quasselrunden vom Schlage „Hart aber fair“ nicht mehr sehen kann. Physisch nicht. Mit ihrem unvermeidlichen Anteil von 15 Prozent Gregor Gysi und anderen Wichtig-Wichteln seiner Partei, umrahmt von freien Linken und einem, meist alten Alibi-Konservativen. Sendungen, die man sich als normaler Zuschauer schon aus gesundheitlichen Gründen nicht zumuten kann, man ärgert sich krank, ohne dass die viel gerühmte Gesellschaft davon gesund wird.

Neuerdings hält sogar Michel Friedman, nach einer Schamfrist von zwei Jahren wegen seiner „Sie-wissen-schon-Affäre“ auf Nebengleisen versteckt, wieder sein stark braungebranntes Profil in die Fernsehkameras. Eitelkeit als Weltanschauung. Friedman in einer Talkshow mit dem Verfasser: „Mein Problem ist, dass ich so gut aussehe.“ Na, ich weiß nicht. Er und seinesgleichen sind stets um die Zukunft Deutschlands besorgt, vor allem um die deutsche Jugend. Und da haben sie recht, denn wenn sich ein Jugendlicher vom Internet-Surfen auf dem „Tablet“ und den Computerspielen doch mal in das deutsche Fernsehen verirrt, wird auch ihm schlecht.

Da möchte man am Abend einfach mal einen Krimi sehen. Aber welchen? Das ist gar nicht mehr so leicht. Wo „Tatort“ draufsteht, ist längst nicht mehr Tatort drin. Vielleicht haben die neuen, mittelmäßig begabten und auch mittelmäßig bezahlten „Tatort“-Schreiber einfach keine Freude mehr an ihrem Job. Die neuen Krimi-Schreiber leiden alle offenbar an der gleichen miesen Krankheit: Ihr Privatleben ist kaputt, was wir gar nicht so genau wissen wollen, und das hängen sie ihren „Tatort“-Kommissaren an. Die haben – alle – eine langweilige Ehe, keine Zeit für die Liebe, aber auch keinen rechten Mumm und keine Muße für eine richtige Affäre und verlieben sich immer nur beinah in eine schöne Mörderin oder Hauptverdächtige. Um sich dann wieder ihrem öden Alltag, mit Zahnschmerzen, aber Angst vorm Zahnarzt, mit Magenproblemen und Heißhunger-Attacken auf Pommes frites zu widmen, über die sie ausführlich (auch das wollen wir gar nicht so genau wissen) mit ihrem Partner-Kollegen diskutieren, bevor sie sich am Ende, ziemlich missmutig doch noch der Aufklärung ihres Mordfalls widmen.

Der hat in 90 Prozent der Fälle irgendetwas mit dem Kapitalismus, der durch ihn erzeugten Geldgier und einer irgendwie gearteten Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu tun, die schon Altvater Karl Marx überall gewittert hat. Auf der Uni ist bei den mittelmäßig phantasiebegabten Autoren ohne Studienabschluss davon etwas hängengeblieben, und so haben die Morde und die Mörder immer irgendwie etwas mit der verpönten Sucht nach Geld zu tun. Wohnungsspekulation, Nahrungsmittelfälschung, Mietwucher – immer ist letzten Endes der Kapitalismus schuld. Linke Agitation. Im Grunde hätte der Zuschauer auch gleich bei Anne Will oder Frank Plasberg bleiben können. Selten gibt es noch richtige Krimis, sie zu schreiben war ein Handwerk, das man zur Zeit des „Alten“ oder der frühen „Tatorte“ noch gut beherrschte.

Geradezu erleichtert waren deshalb die Fernseh-Kunden, als mit Donna Leons Venedig-Serie ein neuer Krimi-Typ eingeführt wurde, der obendrein noch in einer Stadt spielte, in der jeder gern einmal gewesen war oder wenigstens hin möchte: Venedig. Das Handlungsgerüst ist so einfach, dass sich beim Zuschauer bald die stille Sehnsucht nach Wiederholung (Ursache jeden Quotenerfolgs) einstellt. Der Serienheld Commissario Guido Brunetti, stets begleitet von einem treuen, etwas einfach gestrickten Polizisten und heimlich unterstützt von einer niedlichen, aber asexuellen Sekretärin hat einen Chef, der übertrieben dumm und eitel begriffsstutzig stets die Falschen verdächtigt und überdies noch von einer übergeordneten Behörde angewiesen wird, gerade die wahren Schuldigen nicht zu suchen. Das Schema wiederholt sich Sende-Abend für Sende-Abend. Am Ende wird der Mörder durch die Tüchtigkeit und Intelligenz des Commissarios natürlich doch noch gefasst. Der hat auch ein intaktes Privatleben: eine fesche, doch aufmüpfige Tochter, eine zupackend praktische, aber auch kluge Ehefrau und eine wunderschöne Wohnung im Herzen Venedigs mit schöner Terrasse samt traumhafter Aussicht über Venedig für uns.

Da das Publikum, der ewigen Dauerberieselung mit den kaputten „Tatort“-Kommissaren überdrüssig, die Venedig-Serie gut aufnahm, knobelten die Programmmacher – Viel hilft viel! – nach kurzer Zeit eine analoge Serie aus, die diesmal in der Türkei spielt: „Mordkommission Istanbul“.

Schnell hatte man auch die richtigen politisch-korrekten Leute gefunden. Der gutaussehende Kommissar ist auch immerhin echter Türke, heißt Erol Sander, und auch die Autorin Hülya Özkan, deren Romane für die Drehbücher Pate standen, stammt aus der Türkei und war als Moderatorin und Redakteurin im ZDF erfolgreich tätig, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten für Zuwanderer: dem doofen, aber reichen Deutschland.

Alles ist wie bei uns, lautet die Botschaft dieser Propaganda-Schnulze, die Türkei ein Land wie jedes andere in Europa. Schon beim Kommissar ist alles in Butter, Tochter, Ehefrau, Wohnung. Man sieht nur eine wunderschöne Stadt mit herrlicher Umgebung, den Brücken, den Fähren, dem geschäftigen Gewimmel. Mit der von den Byzantinern gebauten und nach der Eroberung der Stadt durch die Türken mit sinnlosen Minaretts verunzierten Hagia Sophia. Kul-turerbe. Nie sieht man vermummte Kopftuch-Frauen, nie eine Demonstration, die brutal niedergeknüppelt wird wie die letzte Woche auf dem Taksim-Platz.

Alles wie bei uns? In der letzten Folge geht es sogar dem Mietwucher und der Geldgier an den Kragen. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen den Abriss eines schönen alten Stadtviertels durch raffgierige Investoren, die genau dort Luxus-Wohnungen für Reiche bauen wollen, und siegt am Ende, wie in Deutschland! Die Türkei gehört zu Europa, sollen wir denken.

Während wir das sehen, schlagen auf dem Taksim-Platz die Polizisten und bewaffneten Geheimdienstleute auf die Demonstranten ein. Der Krimi „Mordkommisson Instanbul“ ist auf dem besten Wege, Propagandafilm für den von Erdogan verlangten EU-Beitritt zu werden.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach vor Kurzem in Köln – nach seiner aufwiegelnden, desintegrierenden Rede im Februar 2011 in Düsseldorf – noch deutlicher aus, was wir schon lange wussten: Zu viele Türken – und arabische Zuwanderer denken gar nicht daran, sich zu integrieren oder gar zu assimilieren. Sollen sie auch gar nicht, meint ihr Chef.

„Der Islam gehört zu Europa und die Türkei in die EU“? Einige Leute in Istanbul und vor allem wohl leider auch in Deutschland hätten das gerne. Und wir lassen uns durch die „Mordkommission Istanbul“ noch zusätzlich schön vergack-eiern.


S. 9 Kultur

Karriereerfolg im hohen Alter
»Spricht jemand Ostpreußisch?« − Hans Kahlert tat es und ist jetzt mit 80 Jahren der Star in Büttenwarder

Seit 2005 ist Onkel Krischan nicht mehr aus Büttenwarder wegzudenken. Seit damals verkörpert der in Riga geborene Hans Kahlert den schrulligen Alten in der NDR-Kultserie „Neues aus Büttenwarder“. Im Film spielt er einen 105-Jährigen. Im wahren Leben ist Kahlert gerade 80 geworden.

Treffpunkt St. Pauli-Landungsbrücken: Der Schauspieler Hans Kahlert ist an diesem sonnigen Frühlingsmorgen die Pünktlichkeit in Person. Und dazu noch ein sympathischer, ja warmherziger älterer Herr ohne jegliche Allüren. So wie der Onkel Krischan aus Büttenwarder ist er einfach der nette Nachbar von nebenan.

Computer oder gar Handy besitzt er nicht, das seien „Hexensachen“, erklärt er schelmisch blinzelnd. Und einen Manager hat er schon gar nicht.

Nein, ein Star sei er auch nicht, nur Schauspieler, behauptet er. Das sagt ein Mann, der beispielsweise schon mit Curd Jürgens, Pierre Brice oder der Legende des Hamburger Ohnsorg-Theaters, Heidi Kabel, zusammen aufgetreten ist und in mehr als 300 Rollen auf der Bühne und im Film spielte. Ein Mann, den Gustaf Gründgens als Don Quichotte im Hamburger Schauspielhaus sah und aus der Garderobe heraus engagierte und der unter dem früheren Prinzipal des Hamburger Ernst-Deutsch-Theaters, Friedrich Schütter, in Carlo Goldonis Komödie „Mirandolina“ auftrat.

Kahlert wurde in der lettischen Hauptstadt Riga am 16. Mai 1934 als Sohn eines Bilderrahmenfabrikanten geboren. Sein Vorfahre wiederum war der bekannte Kunstglaser Adolf Kahlert aus dem Hannoverschen, dessen gotische Fenster des Domes in Riga noch heute erhalten sind.

Durch den Hitler-Stalin-Pakt war die deutschstämmige Familie 1939 gezwungen, Lettland zu verlassen und gelangte über Stralsund nach Posen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Kahlert hat zu Posen und der deutschen Nationalhymne ein heute immer noch sehr schwieriges Verhältnis, denn als kleiner Bengel musste er beim Erklingen des Deutsch­landliedes − wie alle anderen − den rechten Arm zum sogenannten „Deutschen Gruß“ erheben, konnte das aber nicht lange durchhalten und bekam dann von seiner Lehrerin eins mit dem Rohrstock auf die ausgestreckten Finger. „Ich kann die Nationalhymne bis heute nicht hören“, sagt er, „diese Schläge haben einfach saumäßig wehgetan.“

Im Januar 1945 stand der Krieg unmittelbar vor der Haustür, und Familie Kahlert samt Großmutter flüchtete über Cottbus nach Dresden, verließ diese Stadt jedoch rechtzeitig zwei Tage vor der großen Bombardierung auf den Puffern von überfüllten Güterwaggons sitzend und gelangte schließlich nach Lengenfeld im Vogtland.

„Das Gedröhne und Geknatter der Maschinengewehre von den Tieffliegern, die alles beschossen, was sich bewegte, vergisst du nie“, erzählt Kahlert.

Dann war der Krieg aus, und im Herbst 1945 türmte Kahlert mit seinem jüngeren Bruder und den Eltern zu Fuß nach Friedland in den Westen. Nach der Entlausung ging es von dort in ein Dorf bei Hannover zum Urgroßvater.

1955 bis 1957 besuchte Kahlert ohne Wissen der Eltern eine private Schauspielschule und arbeitete „nebenbei“, um seine Ausbildung zu finanzieren, in einer Fabrik. Nach einigen Absagen erhielt er dann ein Engagement für die Sommerspiele in Dinkelsbühl in „Nathan der Weise“, verdiente 160 D-Mark, war nicht sozialversichert und musste mit den anderen Schauspielern auch noch die Kulissen selber bauen. Von solch einer selbstgebastelten Teppichrohr-Palme wurde dann der Nathan auch noch während einer Vorstellung fast erschlagen. Wurstpakete einer Schlachtersfrau hielten die Jung-Mimen über Wasser und bei Kräften.

Ob in „Frau Luna“ von Paul Linke oder in der Operette „Im Weißen Rössl“ − „das Publikum lachte immer bei mir“, erinnert sich der Schauspieler, der fortan für die „schrullige Rollen“ besetzt wurde. Und das hat sich bis heute nicht geändert. 1960 lernte Kahlert in Hannover seine Frau kennen, die er liebevoll „meine Leidgeprüfte“ nennt. 1961 zog man gemeinsam mit einem kleinen Sohn nach Hamburg, wo die Familie heute noch wohnt.

Es folgten Engagements am Deutschen Schauspielhaus. Im Fernsehfilm „Der schwarze Freitag“ stand Kahlert mit Curd Jürgens vor der Kamera. Vom Theater in Recklinghausen ging es wieder nach Hamburg in Gerda Gmelins Zimmertheater, wo er in der „Fledermaus“ auftrat.

1969 suchte die Elan-Film aus München für die Besetzung der Neuverfilmung der „Reise nach Tilsit“ Schauspieler mit einer speziellen Fähigkeit. Produktionsleiter Röder fragte alle Agenturen: „Spricht hier jemand Ostpreußisch“? Kahlert sprach das ostdeutsche Platt und drehte unter der Regie von Günter Gräwert mit den bekannten Schauspielern Ruth-Maria Kubitschek, Karl Michael Vogler, Gustav Knuth und Paul Dahlke in Friedrichstadt an der Eider. Seine Rolle: ein ostpreußischer Hutverkäufer.

Es folgten Besetzungen in Fernsehkrimis wie „Tatort“ und „Großstadtrevier“, Engagements mit Gunther Philipp im Kleinen Theater im Park in Bad Godesberg und am neuen Theater in Hannover, aber auch 13 Jahre Karl-May-Festspiele in Elspe als „Kantor Hampel“. Pierre Brice holte ihn schließlich zu den Bad Segeberger Festspielen.

„Viele waren Frittenengagements“, gibt Kahlert zu. Zu wenig Gage um zu leben, es reichte eben gerade für eine Tüte Pommes

Frites vor der Vorstellung. Nix Champagner oder Austern. Er sei eben kein Star, wiederholt er.

Wahrlich durch Zufall kam dann das Angebot des NDR, anfangs für nur eine Folge „Neues aus Büttenwarder“. Man suchte – natürlich wieder einmal − einen kauzigen Alten für die Rolle des über 100-jährigen Onkels Krischan, dem dessen Neffe Adsche Tönnsen (Peter Heinrich Brix) ständig an die Rente will.

Aus einer Folge wurden viele, und bis heute ist „Neues aus Büttenwarder“ die Kultserie des NDR schlechthin geworden.

Mehr als das – Onkel Krischan alias Kahlert ist selbst eine Kultfigur! „Nebenbei“ steht der Schauspielersenior immer noch auf der Bühne, kürzlich in Hamburg im Altonaer Theater in „Pampa Blues“ – und selbstredend als dementer Alter.

Wie es weitergeht? „Keine Ahnung“, antwortet Kahlert. Wir aber wissen, dass er immer für eine Überraschung gut ist. Nur so viel sei schon verraten: Kahlert wird tanzen! Mehr davon demnächst in Büttenwarder ...

Michael Buschow, Gilla Schmitz


Ganz große Oper
Vor 150 Jahren wurde Richard Strauss geboren − Seine Rolle während der NS-Zeit hat der Komponist unbeschadet überstanden

Heute vor 100 Jahren war die Welt für Richard Strauss noch in Ordnung. Die Münchener ehrten den am 11. Juni 1864 in ihrer Stadt zur Welt gekommenen Komponisten zum 50. Geburtstag mit einer Gedenktafel am Elternhaus und benannten eine Straße nach ihm. Und anlässlich einer Aufführung seiner Ballettmusik „Josephslegende“ in der Londoner Covent Garden Oper nahm er wenige Tage später die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford entgegen. Der Komponist des „Rosenkavaliers“ fühlte sich in England am Zenit angelangt, „ob­wohl im Juni dort eine antideutsche Stimmung ziemlich fühlbar war und mir der gute, immer in Geldnöten befindliche Diaghilew mein Dirigentenhonorar (6000 Goldfrancs) bis heute – schuldig blieb“, notierte er und ergänzte: „Aber schön war es doch!“

Bis zum Kriegsausbruch 1914 schwebte Strauss auf einer Er­folgswelle. Mit Tondichtungen wie „Also sprach Zarathustra“ oder „Ein Heldenleben“ setzte er Maßstäbe in der Kunst des Orchestrierens. Und mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal fand er einen genialen Librettisten, der den Stoff zu den Opern „Der Rosenkavalier“ und „Ariadne auf Naxos“ entwickelte, die bis heute zum Repertoire aller großen Opernhäuser zählen. Gastdirigate führten ihn in alle Welt, zweimal reiste er in die USA.

Als Erster Kapellmeister der Berliner Hofoper bezog Strauss seit 1898 sogar ein festes Jahresgehalt. Er blieb 20 Jahre und fühlte sich als Bayer bei den Preußen wohl: „Erstens gefällt mir Berlin mit seinen herrlichen Verkehrsmitteln, zweitens ist die Lage meiner Wohnung wundervoll, alle Be­quemlichkeiten des Haushalts, Verkehrs und gute Luft in unmittelbarer Nähe.“

Nur der Kaiser rümpfte über die wagnerianische Tonsprache die Na­se. Die frühe Strauss-Oper „Sa­lome“, in der sich die Titelfigur das Haupt Johannes des Täufers auf dem Tablett präsentieren lässt, gefiel Wilhelm II. nicht. „Es tut mir leid, dass Strauss diese ,Salome‘ komponiert hat, ich habe ihn sonst sehr gern, aber er wird sich damit furchtbar schaden“, soll der Kaiser gesagt haben. Strauss konterte süffisant, dass er sich von diesem „Schaden“ seine Villa im bayerischen Garmisch habe bauen können.

Mit einer Ausnahme kam Strauss mit den jeweiligen Machthabern gut klar. Bis zu seinem Tod am 8. September 1949 in Garmisch hat der Komponist mit Kaiserzeit, Weimarer Republik, NS-Zeit und den ersten Tagen der Bun­desre­pu­blik vier Regierungsformen er­lebt. Einzig in der NS-Zeit haftet ihm ein Makel an, dem man ihm bis heute vorwirft. Nachdem Strauss in den 20er Jahren zusammen mit Hofmannsthal weitere Opernerfolge feiern konnte, brauchten die neuen NS-Machthaber ein Aushängeschild für ihre Reichsmusikkammer. Strauss eignete sich ideal, weil er ein international ge­feierter Komponist war und darüber hinaus Verwaltungskenntnisse be­saß. Er war nicht nur Mitbegründer der Salzburger Festspiele, sondern gründete 1903 auch die Genossenschaft deutscher Tonsetzer, aus der die GEMA hervorging, die bis heute für die Tantiemenausschüttung ur­heber­rechtli­cher Werke sorgt. Als Leiter der Reichsmusikkammer sollte Strauss die deutsche Musik fördern, während als „entartet“ geltende Zwölftonmusik, jüdische oder „Niggermusik“ wie Jazz auf die Verbotsliste kamen.

Dann aber kam es zum Eklat um Stefan Zweig. Als Strauss nach dem Tod von Hofmannsthal 1929 einen neuen Librettisten suchte, entschied er sich für den Juden Zweig. Die Oper „Die schweigsame Frau“ nach einer Vorlage von Zweig wurde 1933 nach nur drei Vorstellungen abgesetzt. Das jähe Ende als Leiter der Reichsmusikkammer kam 1935, als die Gestapo einen Brief an Zweig abfing, in dem sich Strauss kritisch über seine Rolle im NS-Regime äußerte: „Daß ich den Präsidenten der Reichsmusikkammer mime? Um Gutes zu tun und größeres Unglück zu verhüten.“

In einem Brief an Hitler, den er mit „Mein Führer“ anredete, versuchte Strauss zu retten, was nicht mehr zu retten war. Hitler antwortete nicht, dennoch ließ er Strauss 1936 die Hymne für die olympischen Spiele komponieren. Ruhm und Geltungswille, eine Portion künstlerischer Eitelkeit und eine Prise Ehrgeiz trieben Strauss auf den Posten des obersten Musik-„Führers“, nicht aber politische Interessen. Tatsächlich zeigte sich der konservative Strauss zeitlebens politisch angepasst, aber niemals hat er sich, dessen Schwiegertochter Jüdin war, antisemitisch geäußert. Und in seinen Opern klangen auch nie wie etwa bei Wagner deutschnationale Töne an. So hat Deutschland den letzten großen Opernkomponisten hervorgebracht, dessen Werke in aller Welt uneingeschränkt verehrt werden. Harald Tews


Würzburg feiert Mozart

Die ganze Welt der großen Musik ist bis zum 29. Juni in Würzburg zu Gast. Beim Mozartfest geben sich Komponisten aus Europa, Nordamerika und Lateinamerika die Ehre. Zu hören ist die ganze Bandbreite vom Barock bis zur Moderne. Das 20. Jahrhundert ist dieses Jahr mit Igor Strawinskis Oper „The Rake’s Progress“ vertreten, einer modernen Version von Mozarts „Don Giovanni“. Die Aufführung findet am 28. Juni im Stadttheater statt.

Zu den Glanzlichtern des diesjährigen Programms zählt am 8. Juni der französische Geiger Renaud Capuçon, der Beethovens Frühlingssonate aufführt. Katja Buniatishvili, eine junge georgische Pianistin von Weltniveau, spielt am 12. Juni mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg Mozarts Klavierkonzert in A–Dur Nr. 23, KV 488.

Am 21. Juni gibt es eine Darbietung der besonderen Art, mit denen die Mozartfeste immer wieder überraschen: Dichtung und Musik. Veranstaltungsort ist das Kloster Brombach bei Wert­heim nahe Würzburg. Schauspielerin Corinna Harfouch liest E.T.A. Hoffmanns Novelle „Don Juan“. Umrahmt wird die Lesung mit Klaviertranskriptionen der Mozart-Oper „Don Giovanni“ von Liszt, Chopin, Bizet und anderen. Am 22. Juni tritt in einer Matinee eine weitere junge Pianistin auf, die ebenfalls schon auf den großen Konzertbühnen zuhause ist, Sophie Pacini, mit einem erlesenen Solo. Auf dem Programm stehen Mozart, Schubert und Liszt.

Am 28. Juni spielt die junge in Russland geborene deutsche Geigerin Alina Pogostkina zusammen mit dem WDR-Sinfonieorchester das selten gehörte Violinkonzert Nr. 7 von Mozart.

Wahre Klassiker des Mozartfestes sind die Nachtmusiken im von Fackeln beleuchteten Hofgarten der Residenz, die am 7. und am 22. Juni stattfinden, sowie die „Mozartnacht“ in den Prunksälen der Residenz am 20. und am 21. Juni. Werner Dremel

Weitere Informationen unter www.mozartfest.de.


S. 10 Geschichte

Patrioten tragen gestreift
Das auf Zarin Elisabeth zurückgehende Sankt-Georgs-Band erlebt derzeit in Russland eine Renaissance als Nationalsymbol

Am 9. Mai würdigten Russen von Sankt Petersburg bis Sewastopol, von Königsberg bis Wladiwostok das Kriegsende von 1945 – als „unseren Sieg“. Wer auch immer an den Aufmärschen teilnahm, alle trugen das schwarz-gelb-schwarz-gelb-schwarz gestreifte sogenannte Sankt-Georgs-Band, das Fernsehzuschauer seit Monaten von russischen Separatisten in der Ostukraine kennen.

2005 erfand die Journalistin Natalja Losewa die „Aktion Georgs-Band“ zum Gedenken an Krieg und Gefallene, was Anklang fand. In jenem Jahr wurden 800000 Bänder verteilt, 2007 waren es bereits zehn Millionen weltweit. Aber dann wurde das Band als Banner des großrussischen Chauvinismus gemieden, zuerst in Weißrussland, das zur Gründungszeit des Sankt-Georgs-Ordens von Russland okkupiert worden war, dann in der Ukraine, in der 2010 noch zwei Millionen Bänder verteilt worden waren, und schließlich auch in anderen Teilen der GUS, einschließlich Russland. Andere Probleme plagten das Land, in dem laut in den Medien vorgebrachter Kritik „90 Prozent der Menschen die Historie des Bandes nicht kennen“ und die Aktion dank der „Unfähigkeit der Organisatoren zum geschmacklosen Kitsch verkam“.

Ab 1769 hing am schwarz-gelb-schwarz-gelb-schwarzen Band der „Orden des Heiligen Märtyrers und Siegbringers Georg“. Diese höchste militärische Auszeichnung des Zarenreiches stiftete Zarin Katharina die Große, um die Heldentaten der Militärs zu würdigen, die in den Türkenkriegen ab 1768 den Zugang zum Schwarzen Meer und riesige Territorialgewinne erfochten. Während der Orden nur als Einzelauszeichnung verliehen wurde, bekamen Elitetruppen ab 1806 das Band als kollektive Ehrung. Es stellte analog die höchste kollektive Auszeichnung der russischen Streitkräfte bis zur Oktoberrevolution von 1917 dar. Schwarz-Gelb-Schwarz-Gelb-Schwarz stand also für die ruhmvollste Militärauszeichnung. Sein Prestige hielt selbst Wladimir Iljitsch Lenins Bolschewiken von Verboten zurück­ und bewog Josef Stalin 1943 zu einer Kopie in Form des „Ruhmesordens“. Bei diesem wurde zwar das Ordenskreuz durch einen Stern ersetzt, das Ordensband mit den drei schwarzen und zwei gelben Streifen aber wurde übernommen. Auch die ungleich verbreitetere Medaille „Für den Sieg über Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945“ wird an einem solchen Band getragen. Etwa 15 Millionen Sowjetbürger wurden mit dieser am 9. Mai 1945 begründeten Medaille ausgezeichnet, denn sie wurde allen Soldaten und Partisanen überreicht, die unmittelbar an Gefechtsaktionen gegen das Deutsche Reich während des Zweiten Weltkrieges teilgenommen hatten.

Eine Erklärung für die Farbkombination des Bandes lautet, dass das Gelb für Feuer und das Schwarz für Asche stehe. Nicht weniger plausibel ist jedoch die Erklärung, dass bei der Stiftung des Sankt-Georgs-Ordens die damaligen Wappenfarben des Zarenreiches übernommen wurden. Wie das Heilige Römische Reich deutscher Nation hatte auch das Zarenreich den schwarzen Adler auf goldenem Grund zum Wappen. Diese Parallele ist kein Zufall, denn so wie sich das Heilige Römische Reich deutscher Nation in der Tradition Westroms sah, sah sich das Zarenreich in der Tradition Ostroms. Und das Herrschaftszeichen der römischen Cesaren war nun einmal der goldene Adler, aus dem der schwarze Adler auf goldenem Grund wurde. Während Deutschland – sehen wir einmal von der DDR ab – nie mit seinem Wappentier gebrochen hat, wurde der russische Adler des Zarenreichs erst nach der Sowjetzeit wieder eingeführt, allerdings nicht in der klassischen Farbkombination, sondern in der sowjetischen, sprich goldenes Motiv auf rotem Grund.

Wie in der Zarenzeit bei der Einführung ging in der postsowjetischen Ära auch bei der Erneuerung beziehungsweise Wiedereinführung der Sankt-Georgs-Orden dem Sankt-Georgs-Band voraus. Während das Sankt-Georgs-Band erst 1998 als militärische Auszeichnung in Russland wiedereingeführt wurde, war der Sankt-Georgs-Orden bereits sechs Jahre früher per Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der Russischen Föderation erneuert worden. Da ursprünglich die Verleihung auf den Verteidigungsfall beschränkt war, wurde der Orden allerdings zunächst nicht verliehen. Auf Anordnung des damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew wurde das Ordensstatut jedoch 2008 dahingehend geändert, dass der Orden nun auch für die „Durchführung von Kampf- und anderen Einsätzen auf den Territorien anderer Staaten zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit“ verliehen werden kann.

Seitdem werden wieder Verleihungen vorgenommen, was ab dem Ende der Zarenzeit nur bei antikommunistischen Truppen im Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg bei deutschen Verbündeten wie den Finnen der Fall gewesen war. Eben das erzürnt Sowjetnostalgiker bis heute. Ebenso wie die Rückkehr zur weiß-blau-roten Flagge, unter der die mit dem Dritten Reich verbündete Russische Befreiungsarmee (Wlassow-Armee) kämpfte, wird auch die Wiederbelebung des Sankt-Georgs-Ordens, zu dessen Trägern Antibolschewisten wie der Marschall und Staatspräsident Finnlands, Carl Gustaf Mannerheim, gehörten, abgelehnt. Siege der Russen seien vielmehr mit roter Fahne samt Hammer und Sichel erfochten worden unter der Losung „Für die Heimat, für Stalin“. „Gut dass die Toten nicht sehen, was ihr aus meinem Land gemacht hat“, klagte ein böses Plakat, das drei Veteraninnen mit 70 Orden auf der Brust in Mos­kau trugen.

Die „Aktion Georgs-Band“ startete 2005 unter dem Motto „Erinnere dich, sei stolz“, was bald zur zynischen Frage mutierte: „Erinnert sich wer, ist jemand stolz?“ Eine Karikatur gab unlängst Antwort: Ein alter Mann trägt das Band an seiner Brust, was ein Kind mit den Worten kommentiert: „Mama, der Opa weiß nicht, wo man das Band tragen soll.“ Die Karikatur weiß es: Am Kinderwagen oder der Autoantenne, als Strumpfband oder Lockenwickler, im Papierkorb, an Wodka-Flaschen, in Pfützen. Wobei der Zeichner noch untertrieb, wie die Presse gerade dieses Jahr mit drastischen Bildern dokumentierte: Mobile WCs mit meterhohem Georgs-Band bemalt, gelb-schwarze Einladungen von Sexclubs zu Orgien, Hunde angeleint am Georgs-Band, mit ihm verschnürte Rollschuhe, Halsbinde von Dutzenden Schnapsflaschen in Schaufenstern, Hintergrund von Warnungen „Esten und Hunden Eintritt verboten!“ Die Ehrfurcht vor dem Band ist dahin, es erinnert viele an den gelb-schwarzen asiatischen Marienkäfer. Angehörige der Putin-treuen Jugendbewegung „Naschi“ (Unsere) nutzen das Band als Accessoire an Punkklamotten, Sporthemden, „Jesus-Latschen“, erotischen Fotos und so weiter.

Andere geben nicht zitierfähige Ratschläge, wo sich „Patrioten“ das Sankt-Georgs-Band hinhängen sollen, was ein Straftatbestand ist. „Wir reagieren böse, wenn im Baltikum Sowjetdenkmäler gestürzt werden“, rügt ein Kritiker, „aber wie gehen wir mit traditionellen Symbolen à la Georgs-Band um?“ Dieses geriet ins Mahlwerk von Wladimir Putins Prahlerei, die selbst Kommunisten nicht mittragen. Das Band erregt vielfach Zorn: „Ich brauche kein Georgs-Band“, erklärt einer, „da ich an Kreml-Verblödung nicht teilnehme. Beteiligst du dich?“ „Achte auf Sauberkeit“, fordert ein anderer per Piktogramm, wo ein Strichmännchen das Band im Papierkorb entsorgt. Die „Putin-Clique“ solle erst einmal „die Mumie vom Roten Platz wegräumen“, verlangt jemand mit Blick auf das Leninmausoleum, dann „vor dem ganzen Volk Reue für kommunistische Gräueltaten zeigen“. Sollte es dazu kommen, fügt ein anderer hinzu, müsse man nicht mehr „Rubelmillionen verschwenden für Textilfetzen“, sondern das Geld für medizinische Betreuung vom Kriegsopfern ausgeben. Wolf Oschlies


Für einen Euro in die Vergangenheit
Eine Zeitung vom Antiquitätenmarkt in Sainte-Maxime an der Côte d’Azur bietet Einblick in das Europa vor 76 Jahren

Die „Brocante“, ein Antiquitätenmarkt, findet unmittelbar auf der Strandpromenade des provenzalischen Küstenstädtchens Sainte-Maxime an der Côte d’Azur statt. An diesem warmen Maitag des Jahres 2014 packen die Händler unfreiwillig früher ein. Denn die sonnig-malerische Kulisse wird am Spätnachmittag heftig torpediert. Ein böiger Wind, der von Saint-Tropez herüberweht, bringt nicht nur die Takelagen der Segelboote im Hafen zum rhythmischen Klackern, sondern bläst den feinen Sand des Strandes in die winzigsten Ritzen der Ausstellungsstücke, zumeist altes Mobiliar und Hausrat, aber auch Bücher. „Quelle horreur“ schimpft ein Straßenbuchhändler mit fliegendem Haarschopf. Er bietet Automagazine aus den 60er Jahren feil, sorgsam in Folien eingeschlagen – fünf Euro pro Stück.

Einige Meter weiter hat ein Händler mitten im Abbau noch zwei antike Stühle für 160 Euro an ein Ehepaar verkauft. Er wenigstens lacht. Seine Frau steht mit wehenden Rockschößen vor einem alten Karton, in dem sandverkrustete, vergilbte Zeitungen liegen. Ich ziehe eine heraus. Sie datiert vom 21. Juni 1938. Ein Menschenleben alt. Meine Frage, was die Zeitung kostet, scheint Madame zu belustigen: Die verkaufe man doch nicht, die seien bloß zum Einpacken. Sie meint es ernst, ruft zu ihrem Ehemann indes doch hinüber, ob er mir die verkaufe und für wie viel. Auch ihn mutet es ziemlich absonderlich an, dass sich jemand für Altpapier interessieren kann. Doch der Handel ist schnell gemacht: ein Euro – für den Eintritt in eine vergangene Ära.

Die großformatige Zeitung war seinerzeit in Nizza erschienen und der „L’Éclaireur de Nice et du Sud-Est“ war gut erhalten. Befreit von Sand und Staub bietet er (damals für 50 Centimes auf zehn Seiten) viel Information, auf den ersten drei Seiten indes spürbare Beklemmung. Man erspürt das Heraufziehen eines Gewitters. Die Welt war unruhig – Japaner bombardierten beispielshalber die chinesische Insel Hainan – und von Deutschland war ungemein viel die Rede, gleich in etlichen Artikeln. Die „nazification“ Österreichs schreite voran: 50000 Österreicher seien seit dem 12. März in Konzentrationslager eingesperrt worden und die meisten von ihnen müssten Schwerarbeit verrichten. Und drei Männer und eine Frau seien in Deutschland hingerichtet worden, wegen Hochverrats; sie hätten eine kommunistische Organisation aufzubauen versucht und militärische Geheimnisse an kommunistische Funktionäre ins Ausland verraten. Adolf Hitler soll inkognito nach Wien gereist sein. In den USA seien 18 Personen wegen Spionage für Deutschland angeklagt worden, darunter zwei deutsche Offiziere der Gegenspionage namens von Bonin und Menzel. Der wachsende Einfluss Englands auf Bukarest beunruhige Deutschland.

Der Leitartikler Camille Mauclair befürchtet, dass Deutschland, wie 1914, sich zunächst auf Frankreich stürzen und deshalb ein just neu geschlossener Pakt Frankreichs mit Russland zu überhaupt nichts dienen werde.

Zur Auflockerung dieser alarmierenden Gemengelage sollten wohl einige Modefotos „behüteter“ Damen beitragen sowie Werbung für einen Wagen der Marke „Matford“, der mit 65 PS 120 Kilometer pro Stunde erreichen soll, dabei nur elf Liter auf 100 Kilometern verbrauche und 29900 Francs koste. Am „Palm Beach“ von Cannes habe am Sonnabend ein Gala-Diner stattgefunden und Mademoiselle Moura Goldwyn sei dabei zur „Königin von Cannes“ gewählt worden. Derweil sei in Marseille ein vorgeblich blinder Bettler in Untersuchungshaft genommen worden – wie sich nun herausgestellt habe, erfreue er sich eines ausgezeichneten Sehvermögens und lebe mit seiner Gattin in einem traumhaften Apartment mit Piano und Luxushunden. Louis Weber hingegen, ein 33 Jahre alter Klempner, besaß keine Wohnung, wurde gleichwohl wegen „Vagabundierens“ zu 20 Tagen Haft verurteilt.

Unter dem Titel „Das Mysterium von Thionville“ berichten Reporter minutiös von einem unaufgeklärten Mord im Pariser Nachtzug nach Thionville. Das Opfer, ein zwielichtiger Mann namens Pierre Hilarion, soll in undurchsichtige Waffengeschäfte mit republikanischen Spaniern verwickelt gewesen sein. Kommissar Delgay tappt noch im Dunkeln, hat aber immerhin bereits herausgefunden, dass Hilarion demnächst eine österreichische Jüdin ehelichen wollte, um ihr die französische Nationalität zu verschaffen.

Das einzig Positive über Deutschland ist eine Werbung des Hauses „Dr. Scholl“ für „Zino-pads“, die, wie versichert wird, verlässlich Schmerzen bei Hühneraugen lindern.

Im Apartment zurück schalte ich N24 ein und sehe die eskalierenden Ereignisse in der Ukraine, das Treiben der kreuzzüglerischen Mordbuben in vieler anderer Herren Länder und als Zutat die politischen Beschwichtiger, denen man zu gerne glauben möchte, was sie selber insgeheim längsthin anzweifeln. Angesichts der hilflosen Betretenheit unseres Kulturkreises bei ungeahnt heraufziehenden Unwettern: Als Einwickelpapier sollten alte Zeitungen wohl mitnichten dienen. Eher als Pflichtlektüre für Gutgläubige.

Norbert Breuer-Pyroth


S. 11 Preussen

Des Kaiserreiches inoffizielle Hymne
Wilhelms I. und Augustas Silberne Hochzeit brachte der »Wacht am Rhein« in Krefeld den Durchbruch

„Die Wacht am Rhein“ erhielt erst ein halbes Jahrzehnt nach dem Tode ihres Textdichters jene Melodie, mit der wir sie kennen und mit der sie berühmt wurde. Vor 160 Jahren dirigierte deren Komponist das entscheidende Chorkonzert, das dem Lied den Durchbruch brachte.

Das deutsche Kaiserreich hatte im Gegensatz zu Weimarer Republik, Drittem Reich, Bundesrepublik und DDR keine offizielle Nationalhymne. Bei feierlichen Anlässen wurde das preußische „Heil dir im Siegerkranz“ gesungen. Hierbei handelte es sich jedoch eher um ein Symbol Preußens als des Reiches. Zudem scheint die Melodie aus dem Ausland zu kommen.

Eher schon als inoffizielle Nationalhymne kann vor diesem Hintergrund „Die Wacht am Rhein“ bezeichnet werden, bei der Text wie Melodie – wie beim „Deutschlandlied“ – unzweifelhaft von Deutschen stammen. So wie der Komponist der „Deutschlandlied“-Melodie schon längst tot war, als der Text zu ihr entstand, war auch der Textdichter der „Wacht am Rhein“ bereits nicht mehr am Leben, als die uns heute geläufige Melodie verfasst wurde. Und so wie beim „Deutschlandlied“ entstand auch der Text der „Wacht am Rhein“ außerhalb des Deutschen Bundes im deutschsprachigen Ausland. Nichtsdestotrotz stand jedoch bei beiden Textdichtern die Wiege in den Grenzen des Alten Reiches beziehungsweise Deutschen Bundes.

Wurde August Heinrich Hoffmann von Fallersleben im braunschweig-lüneburgischen Fallersleben geboren, so kam Max Schneckenburger 1819 im württembergischen Talheim bei Tuttlingen zur Welt. Wie sein Vater wurde er Kaufmann. Der Beruf verschlug ihn ins schweizerische Bern, wo er ab 1834 eine kaufmännische Lehre in der Drogerie „Reuther & Blau“ absolvierte. Zwei Jahre später wurde er Mitarbeiter der dortigen Eisengießerei „Johann Jacob Schnell“. Dort stieg er zum Geschäftsführer auf. 1841 siedelte er ins nahe Burgdorf über und gründete im darauffolgenden Jahr mit Jakob Rudolf Schnell eine Eisengießerei mit dem Namen „Schnell und Comp.“

Schneckenburger hatte jedoch nicht nur eine kaufmännische Ader von seinem Vater, die seine Berufswahl bestimmt hatte, sondern auch eine poetische von Seiten seiner Mutter. 1837 gab der Kaufmann sein Debüt als Dichter. Wie viele andere deutsche und französische Poeten ließ auch Schneckenburger die Rheinkrise von 1840 zur Feder greifen. Die Forderung des französischen Ministerpräsidenten Adolphe Thiers nach dem linksrheinischen Deutschland und dem Rhein als Frankreichs Grenze bewirkte unter Deutschlands patriotischen Literaten eine förmliche Rheinliedbewegung. Vor diesem Hintergrund entstanden Hoffmann von Fallerslebens „Deutschlandlied“, Nikolaus Beckers mehr als 70-mal vertontes Gedicht „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“ und Max Schneckenburgers „Die Wacht am Rhein“.

Ende November 1840 schrieb Schneckenburger an seine Frau: „Auf mehrfaches Bestürmen meiner Freunde habe ich ein ,Rheinlied‘ gedichtet, das dieselben nun componiren und drucken lassen wollen. Ich denke, daß es Dich vielleicht ein bischen interessirt, weil’s von Deinem Männle ist. Später erhältst die Musik dazu, hier einstweilen der Text.“

Hinsichtlich der Musik setzte Schneckenburger auf den aus Darmstadt stammenden Berner Organisten Johann Jakob Mendel. Einer entsprechenden Bitte Schneckenburgers kam Mendel, der sich durch das Lied angesprochen fühlte, bereits in der ersten Dezemberwoche des Jahres 1840 nach. Schneckenburger fand Mendels Arbeit „prachtvoll“ und noch 1840 erschien „Die Wacht am Rhein von M. Sch., für den Männerchor componirt von J. Mendel, Organist und Gesanglehrer in Bern“.

Andere fanden Mendels Vertonung offenkundig weniger prachtvoll, denn mit dieser Melodie blieb dem Lied der große Erfolg versagt. 1849 starb Schneckenburger in Burgdorf, ohne dass es seinem Werke gelungen wäre, aus dem Schatten von „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“ herauszutreten.

Vier Jahre nach Schneckenburgers Tod erhielt der Herausgeber Wilhelm Greef in Moers das Lied zur Aufnahme in seine „Männerlieder“ zugesandt. 1854 übergab er es dem Freund und Dirigenten der Krefelder Liedertafel Karl Wilhelm mit der Bitte um eine Neuvertonung. Wilhelm kam der Bitte gerne nach und Greef nahm das Ergebnis in seine „Männerlieder“ auf. Zum ersten Male zur Auf­füh­rung gelangte es am 11. Juni 1854 in Krefeld in einem großen Konzert aus Anlass der Silbernen Hochzeit des damaligen preußischen Prinzen- sowie späteren Königs- und Kaiserpaares Wilhelm und Augusta. 100 Sänger trugen die Neuvertonung unter der Leitung des Komponisten vor. Das war der Durchbruch. Die Stimmung war durch den Krimkrieg wieder antifranzösisch und Wilhelms Melodie tat ihr Übriges.

Einen Höhepunkt erreichte die Popularität der „Wacht am Rhein“ im Deutsch-Französischen Krieg, doch die ganze Kaiserzeit über wurde es gerne gesungen. Spätestens seit die Freundschaft mit Frankreich deutsche Staatsdoktrin ist, ist das Lied verpönt, ein „No-Go“, um es neudeutsch zu sagen. Schade um die zeitlos schöne Musik. Manuel Ruoff


Wie das südliche Vorpommern zu Preußen kam
Vor 300 Jahren erkaufte sich Russland mit Territorium seines schwedischen Gegners Preußens Eintritt in den Großen Nordischen Krieg

Am 12. Juni 1714 schlossen Preußen und Russland in St. Petersburg einen Geheimvertrag, der sich gegen Schweden richtete und Preußen letztendlich den Erwerb der südlichen Teile Vorpommerns sowie die Kontrolle über die Odermündung ermöglichte.

Seit jeher waren die Kurfürsten von Brandenburg sehr an Pommern interessiert – die mächtigen Schwedenkönige allerdings auch. Deshalb bekam der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) im Westfälischen Frieden von 1648 letztendlich nur Hinterpommern zugesprochen, also den Bereich zwischen der Oder und Pomerellen, obwohl er berechtigte Ansprüche auf ganz Pommern anmelden konnte. Vorpommern mit den Inseln Rügen, Usedom und Wollin sowie der gesamten Odermündung einschließlich Stettins verblieb weiterhin bei Schweden. Daran änderte auch die Eroberung Schwedisch-Pommerns durch den Großen Kurfürsten im Verlaufe des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges (1674–1679) nichts, denn Friedrich Wilhelm musste Vorpommern nach Abschluss des Friedens von St. Germain (29. Juni 1679) wieder räumen, weil ihn seine Verbündeten im Stich gelassen hatten.

Die nächste Gelegenheit, in den Besitz des umstrittenen Gebietes zu kommen, ergab sich im Großen Nordischen Krieg (1700–1721) zwischen Schweden und der Dreierallianz aus Russland, Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen, denn das Kriegsglück war nicht auf Seiten des schwedischen Monarchen Karl XII. (1682–1718). Das versetzte dessen Gegner 1711 in die Lage, in Schwedisch-Pommern einzumarschieren und die dortigen Festungen zu belagern. Trotzdem aber schloss sich Preußen der Koalition noch nicht an. Das geschah erst nach dem Tode von König Friedrich I. (1657–1713). Vorerst schreckte aber auch dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm I. (1688–1740), der im Februar 1713 den Thron bestiegen hatte, angesichts einer Schuldenlast von 20 Millionen Reichstalern und der Verwicklung in den Spanischen Erbfolgekrieg zunächst vor einer Kriegserklärung an Schweden zurück, obwohl Zar Peter I. (1672–1725) nachhaltig auf eine solche drängte und abzusehen war, dass ein weiteres Abwarten den preußischen Ambitionen in Bezug auf Vorpommern schaden würde. Darum kam es dem Soldatenkönig wie gerufen, dass russisch-sächsische Truppen unter dem Oberbefehl von Fürst Alexander Menschikow (1673–1729) die schwedische Festung Stettin im September 1713 kapitulationsreif schossen und daraufhin die vom schwedisch-pommerschen Generalgouverneur Johan August Meijerfeldt (1664–1749) angeführten Verteidiger dem Vorschlag zustimmten, Stadt und Festung einer neutralen dritten Macht zur vorläufigen Verwaltung zu überlassen – nämlich Preußen.

Maßgeblich verantwortlich für das Zustandekommen dieser Übereinkunft war der preußische Generalleutnant und Obermarschall Karl Friedrich von Schlippenbach (1658–1723), der Peter die Hoffnung vermittelte, mit der Übergabe Stettins rücke der Kriegseintritt Preußens in greifbare Nähe. Allerdings war Friedrich Wilhelm I. nach wie vor nicht bereit, ohne formelle Garantien zu handeln. Deshalb kam der Zar dem Soldatenkönig noch weiter entgegen. Am 6. Oktober 1713, genau an dem Tag, an dem 1600 preußische Soldaten in Stettin einrückten, erklärte sein Unterhändler Menschikow im sogenannten Schwedter Rezess, Preußen könne – bei weiterem Erhalt seiner Neutralität – die gesamte südliche Hälfte Vorpommerns gegen eine Zahlung von 400000 Reichstalern Kriegskosten an Russland und Sachsen in Besitz nehmen. Als Gegenleistung musste der persönlich in Schwedt anwesende Friedrich Wilhelm I. lediglich zusichern, eventuelle schwedische Durchbrüche nach Polen oder Sachsen zu verhindern.

Allerdings ließ sich die russische Seite nachfolgend sehr viel Zeit mit der Ratifizierung eines entsprechenden Vertrags, weshalb der preußische König im Dezember 1713 beschloss, seinen besten Diplomaten, nämlich Schlippenbach, nach St. Petersburg zu beordern, um die Angelegenheit zu beschleunigen. Dort bedeutete Peters Sekretär Graf Heinrich Johann Friedrich Ostermann (1687–1747) dem Emissär im Rahmen konspirativer Unterredungen, dass der Zar nun einen weitergehenden Garantievertrag wolle, der auch die russischen Erwerbungen im Ostseeraum einschließe. Daraufhin erteilte Friedrich Wilhelm I. Schlippenbach am 1. Mai 1714 die Ermächtigung, auf alle russischen Forderungen einzugehen, wenn sich die Gegenseite zur definitiven Anerkennung der preußischen Ansprüche zumindest auf das südliche Vorpommern verpflichte. Und das tat Peter I. dann auch, wie der Text des Vertrages beweist, den Schlippenbach und der russische Kanzler Gabriel Golowkin (1660–1734) am 12. Juni 1714 unter äußerster Geheimhaltung und in Vertretung ihrer Souveräne unterzeichneten:

„Im Namen der Heiligen Unzertrennlichen Dreifaltigkeit … verbinden sich Ihro Zar. Maj., daß Sie, wenn es zwischen Ihr und der Krön Schweden zur Schließung eines Friedens kömmt, dabei stipulieren und anderergestalt den Frieden mit Schweden nicht machen wollen als mit der Condition, daß Sr. Königl. Maj. in Preußen und Dero königlichem Hause durch solchen Frieden die Stadt Stettin mit ihrem Districte, sammt allem, was zwischen selbiger Stadt und dem Peenestrom belegen … inclusive der Stadt Wolgast und beider Insuln Wollin und Usedom erb- und eigentümlich auf ewig gelassen werde.“

Dafür versprach Preußen dem Zaren, „vermittelst der Waffen wirkliche Assistance gegen solche Aggressores zu leisten“, die Russland die neuerworbenen Gebiete Ingermanland, Karelien und Estland sowie alle anderen „Territorio, Oertern und Insulen“, die der Zar Schweden entrissen habe, streitig machen wollen.

Darüber hinaus vereinbarten die beiden Unterhändler gleich noch mit, dass die Ratifikation des Vertrages durch die beiden Herrscher „gewiß erfolgen … soll“, wonach diese am 1. Juli beziehungsweise 16. September 1714 auch tatsächlich unterschrieben.

Dergestalt abgesichert trat Preußen am 1. Mai 1715 in den Krieg gegen Schweden ein, in dem die anvisierten Gebietszuwächse in Süden Vorpommerns wie geplant realisiert werden konnten. Außerdem hatte der Geheimvertrag von St. Petersburg, in dem sich Russland und Preußen gegenseitig den Rücken gestärkt hatten, einen wesentlichen Anteil daran, dass die beiden Aufsteiger an Selbstbewusstsein gewannen, was ihrem späteren Avancement zu europäischen Großmächten ersten Ranges zugutekam.

Wolfgang Kaufmann


Novum in Hamburg

Ja, gibt es denn den Deutschen Orden noch?“, fragten einige der Passanten, als sie vor dem Hamburger Mariendom die Flagge mit dem schwarzen Kreuz auf weißem und dem markanten Adler auf gelbem Grund entdeckten. Als schließlich der lange Zug von Ordensrittern, angeführt vom Generalabt und Hochmeister des Deutschen Ordens, Bruno Platter, sowie dem Hamburger Erzbischof emeritus Werner Thissen in den Dom einzog, waren letzte Zweifel gewichen. Vielen war nicht bewusst, dass sie zudem Zeugen einer Premiere waren, war es doch das erste Mal, dass ein Hochmeister des Deutschen Ordens in der nun fast 825-jährigen Geschichte dieser Vereinigung in der Hansestadt Hamburg in offizieller Mission weilte.

Anlass für diesen erstmaligen Besuch war die Investitur genannte Aufnahme von etwa 15 „Familiaren“ in den Orden. In diesen neben den Priestern und den Deutschordensschwestern dritten Zweig der katholischen Vereinigung können alle die aufgenommen werden, die bereit sind, die Ordensaufgaben tatkräftig und durch Gebet zu unterstützen. Die Verteidigung, Sicherung und Ausbreitung des christlichen Glaubens steht dabei an erster Stelle der Aufgaben. Der Deutsche Orden ist „keine soziale Vereinigung“, wie Abt Blatter in der Predigt betonte, sondern in erster Linie sollen die Mitglieder als Gesandte Christi unterwegs sein. Die etwa 100 Priester des Ordens wirken vornehmlich in Pfarrgemeinden; die 190 Deutschordensschwestern arbeiten hauptsächlich in karitativen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen und Seniorenheimen. So werden etwa 150 ältere Menschen im St.-Anna-Haus in Raisdorf (bei Kiel) betreut. Der Gemeinschaft der „Familiaren“ gehören etwa 700 Männer und Frauen an. H. B. Bues


S. 12 Leserforum

Leserforum

Ein Akt wahrer Gedächtniskultur

Zu: Sieben meiner Jugend gestohlene Jahre (Nr. 21)

Wenn Louis Suarez sein Buch „1939−1945, Sieben meiner Jugend gestohlenen Jahre“ über die Kriegsgefangenenzeit in Ostpreußen der „mémoire de tous les anciens de Prusse orientale“ widmet, so meint er damit nicht alle ehemaligen Ostpreußen, sondern seine französischen Kameraden von damals.

Einen dieser „Ehemaligen“ lernte ich in Oradour-sur-Glane kennen. Als ich mein Bedauern zu den Exzessen von 1944 äußerte, winkte er ab. Das sei nichts gewesen. Er habe das Wüten der Russen in Ostpreußen erlebt. Dort habe es tausend Oradours gegeben. Er könne die Russen nicht verstehen und empfinde nur Abscheu für sie.

Im letzten Jahr sprach ich in Verteuil-sur-Charente mit einem alten Herrn, der zum Kontingent der französischen Fremdarbeiter gehört hatte. Er war in Böhmen von der Roten Armee „befreit“ worden und der Verschleppung nur knapp entkommen. Auch er hegte keinen Groll gegen die Deutschen, lud uns vielmehr zur Besichtigung seiner Parkettfabrik ein.

Angesichts der Tatsache, dass Kanzlerin Angela Merkel den Russen für die „Befreiung“ gedankt hat und im Berliner Zentrum gegen Vertreibungen die Zahl der Vertreibungstoten von 2,2 Millionen auf 60000 Opfer heruntergerechnet worden ist, gewinnt die von den Medien totgeschwiegene Gedächtnisstätte Guthmannshausen bei Weimar besonderes Gewicht. Am 2. und 3. August wird dort eine Anlage mit zwölf mächtigen Granitsteinen, die ringförmig einen zentralen Obelisken umgeben, eingeweiht. Diese sind den einzelnen Opfergruppen gewidmet, darunter den Ostpreußen, Pommern Schlesiern, den Sudetendeutschen, den Deutschen in Südosteuropa, den Toten der versenkten Flüchtlingsschiffe, den Frauen und Mädchen, die Opfer der roten Soldateska wurden. Jeder Stein nennt auf einer Seite die Zahl der Vertriebenen und der bei der Vertreibung Umgekommenen, auf der anderen stehen Dichter- und Bibelworte.

Jeden Monat werden in dem Gebäude des früheren Rittergutes diese Zahlen und Texte im Rahmen einer Feierstunde verlesen. Es ist ein Akt wahrer Gedächtnis­kultur.

Adolf Frerk, Geldern

 

 

Politiker sollten sich an Gesetze halten

Zu: Warnschuss (Nr. 17)

In dem Leitartikel wird die Verurteilung des ehemaligen Finanzministers von Rheinland-Pfalz, Ingolf Deubel, wegen schwerer Veruntreuung von Steuergeldern als Warnschuss an die Politik bezeichnet. Meines Wissens waren damals zur Finanzierung eines Touristikunternehmens am Nürburgring mehr als 300 Millionen Euro von der Landesregierung Rheinland-Pfalz bewilligt und eingesetzt worden.

Da das Touristik-Unternehmen jedoch nicht verwirklicht werden konnte, wurde das von der Landesregierung favorisierte Geschehen schließlich mit einem Verlust von zirka 250 Millionen Euro an Privat verkauft. Dafür hat der ehemalige Minister Deubel als verantwortlicher Geldverwalter seiner Regierung eine bislang noch nicht rechtskräftige dreieinhalbjährige Haftstrafe aufgebrummt bekommen. Wieso allerdings der frühere Ministerpräsident, der vormalige SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck, als Regierungsverantwortlicher bisher nicht belangt worden ist, ist mir immer noch ein Rätsel.

Wenn PAZ-Chefredakteur Jan Heitmann dann darauf hinweist, dass dies ein „Warnschuss“ für alle Politiker sein sollte, folge ich ihm ohne Widerspruch. In seiner Schlussfolgerung allerdings, dass bei Anwendung solcher Strafmaßnahmen kaum noch geeignete Führerpersönlichkeiten als Politiker gefunden werden könnten, widerspreche ich dem Kommentator. Er selbst erwähnt, dass derartige Verfehlungen nur bei Vorsatz des Handelnden oder in besonders schweren Fällen so deutlich bestraft werden sollten. Das ist richtig.

Allerdings existiert eine angemessene Regelung schon längst. Und die war wohl schon von Bismarck erdacht worden: Das heute geltende Bundesbeamtengesetz sieht vor, dass fehlerhafte Entscheidungen eines Beamten und vor allem eines Verantwortung tragenden Behördenleiters nur dann zu verfolgen sind, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit sein Handeln bestimmten. Genau dies muss alle Politiker in ihrem Handeln bestimmen. Dann gäbe es kaum noch – wie heute – Milliardenverluste und Selbstbereicherungen von Steuergeldern, welche wir alle mit diversen Zwangsabgaben alltäglich den Politprofis überantworten.

Manfred Laufer, Meppen

 

 

Anders lesen

Zu: Rätselhafte PAZ (Nr. 21)

Es ist unbestreitbar, dass Russland eigene Interessen in der Ukraine verfolgt. Manchem scheint aber wohl entgangen zu sein, dass die USA und einige der Verbündeten in der Ukraine ebenso westliche Interessen verfolgen.

Seit dem Überfall der USA auf den Irak wegen − nicht vorhande­ner − Massenvernichtungswaffen sollte jedem klar sein, dass auf westliche Medien kein Verlass ist. Eine objektive Berichterstattung ist von diesen nicht zu erwarten, wie Libyen und Syrien zeigen. Die PAZ ist da eine der wenigen Ausnahmen. Jeder, der sich eine Meinung zu politischen Themen bilden möchte, sollte zumindest das Internetangebot der Schweizer Zeitungen nutzen. Wer mehr Informationen möchte, wird bei seriösen Blogs fündig. Des Weiteren lohnt es, bei „Ria Novosti“ und ähnlichen Medien reinzuschauen, damit man wenigstens einen Vergleich hat.

Norbert Wottke, Rommerskirchen

 

 

Marke für Arbeit

Zu: „Der Friede scheint gerettet“ (Nr. 17)

Am 28. April 1939 erschien zwar eine Sonderbriefmarke zu sechs Pfennig nebst 19 Pfennig Zuschlag als Sonderausgabe zum Tag der Arbeit am 1. Mai, aber keine Sonderbriefmarke zur Reichstagssitzung anlässlich der Kündigung des Nichtangriffspakts mit Polen und des Flottenabkommens mit England, wie es im Artikel heißt.

Die Ausgabe einer Sonderbriefmarke hat immer mehr als ein halbes Jahr Vorlauf für Entwürfe, deren Prüfung, den Druck und die Verteilung an die Ausgabestellen. Offenkundig können die Reichstagssitzung und die Sonderbriefmarke somit nicht gemeinsam geplant beziehungsweise aneinander gekoppelt gewesen sein, auch ist ganz offiziell ein anderer Zweck angegeben, der im Hinblick auf eine entsprechende Ausgabe im Jahr 1940 wohl auch zutreffend sein dürfte.

Rainer Rose, Berlin

 

 

Ein Händedruck

Zu: Ostpreußen ist mehr als nur Heimat (Nr. 21)

Zu diesem Bericht über das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel kann ich noch etwas beitragen: Als ich am Sonntag vor dem Eingang der Messehallen aus dem Bus stieg, befand ich mich unmittelbar neben fünf bis sechs jungen Demonstranten. Ich fragte sie, warum sie gegen die Veranstaltung sind. Die Antwort wies auf die NS-Zeit hin. Meine Antwort, dass die heutigen Ostpreußen alles Kinder beziehungsweise junge Jugendliche waren, wurde nicht beachtet. Eine Demonstrantin brachte den Holocaust ins Gespräch. Auch hier wurde mein Hinweis nicht beachtet. Erst als ich fragte, ob man mir glauben würde, dass ich mit vier oder fünf Jahren ein Attentat auf Hitler verübt hätte, waren die Jugendlichen fähig, das Lebensalter der heutigen Ostpreußen um 70/80 Jahre zurückzudrehen.

Eine weitere Frage von mir war: Was wollen Sie wirklich? Antwort: „Keine deutsche Regierung.“ Mein Rat: „Suchen Sie sich ein Land, das Ihnen gefällt und beantragen Sie dort eine neue Staatsbürgerschaft.“ Meine weitere Frage, ob bei Veranstaltungen der Nichtvertriebenen wegen ihrer Nazivergangenheit auch demonstriert würde, wurde verneint. Ich empfahl, sich eine eigene Meinung über die Gegenseite zu bilden, damit sie nicht in eine Gehirnwäsche geraten.

Das zweite Gespräch mit einer jungen Frau und zwei Zuhörern verlief ähnlich. Doch wurde ich gefragt, was denn in den Hallen geboten werde. Nun erzählte ich in großen Schritten die Geschichte Ostpreußens und wie durch Flucht, Vertreibung und Abtrennung von Deutschland die über 700 Jahre gewachsene Kultur zerrissen wurde und die Einwohner der einzelnen Orte ebenfalls. Die Treffen der deutschen Vertriebenen dienten dazu, ihre Identität zu erhalten.

Meine Frage, ob sie zum Beispiel beim Tag der Niedersachsen auch demonstrieren, wurde verneint. Ich sagte, dass es keine Demokratie sei, weil bei gleicher Schuld unterschiedlich gehandelt würde und machte auf ihr Spruchband aufmerksam. Würde der Satz darunter stehen, „Trotzdem wünschen wir den Ostpreußen einen schönen Tag“, wäre ihre Demo 100-prozentig. „Sie haben recht“, war die Antwort. Danach verabschiedeten wir uns per Händedruck.

Elisabeth Krahn, Celle

 

 

Polen provozierte die Deutschen vor 75 Jahren

Zu: „Der Friede scheint gerettet“ (Nr. 17)

Der aus meiner Sicht sehr polonophile Artikel über die Kündigung des Nichtangriffspakts mit Polen und das Flottenabkommen mit England vor 75 Jahren durch die Nationalsozialisten lässt einige wichtige Fakten außer Acht. Zweifellos war die Kündigung des Nichtangriffspaktes durch den NS-Diktator Adolf Hitler ein schwerwiegender Fehler und arbeitete der dezidiert antideutschen Warschauer Regierung in die Hände.

Der polnische Außenminister Beck, der schon vor der britischen Pakterklärung über den Verlauf der Londoner Verhandlungen unterrichtet war, hatte die Befehlshaber der polnischen Armee am 23. März 1939 zu sich gebeten, um mit ihnen die Teilmobilisierung zu beraten, welche die Stärke des aktiven Heeres verdoppeln sollte. Gleichzeitig erhielten die Oberbefehlshaber aller Waffengattungen den polnischen Aufmarschplan („In einer Woche in Berlin“) für einen Krieg gegen Deutschland, entworfen von Mar­shall Rydz-Smigly, General Kasprzycki, dem Kriegsminister und Generalstabschef Stachiewicz.

Der NS-Diktator hielt zusammen mit dem Oberbefehlshaber des Heeres die polnische Teilmobilmachung nicht für eine übermäßige Drohung. Deswegen erfolgten zunächst nur Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der deutschen Grenze. England gab Polen den bekannten Blankoscheck. Der damalige britische Außenminister Halifax teilte dem britischen Botschafter in Polen, Kennard, seinen Entschluss mit, sein Versprechen an Polen nicht nur auf unprovozierte Aggression zu beschränken. Er wünsche nicht, dass Großbritannien neutral bleibe, wenn die Polen Deutschland zum Krieg zwängen.

Es ist nahezu aussichtlos, ab April die gesamte Presse Polens hinsichtlich ihrer maßlosen Gebietsforderungen an Deutschland und ihren Gewaltaufrufen gegen die deutsche Minderheit zu zitieren. Nur ein paar Beispiele: Am

4. Mai 1939 wurde auf einer großen Kundgebung in Posen bereits die Forderung nach ganz Ostpreußen und einem Teil Hinterpommerns gestellt. Am 21. Juni verlangte der Vorsitzende des Großpolnischen Landwirtschaftsverbandes in Anwesenheit von Regierungsmitgliedern schon die Odergrenze. Am 25. Juni verlangte einmütig die polnische Presse, dass die Ostsee ein polnisches Binnenmeer werden müsste. In hunderttausendfach verteilten Postkarten und Plakaten forderte man schließlich die Wesergrenze. Das waren die unmittelbaren Wirkungen des englischen Beistandsversprechens.

Gleichzeitig mit den maßlosen Gebietsforderungen Polens an Deutschland wurde die immerhin noch fast eine Million zählende deutsche Volksgruppe in Polen einem Terror ausgesetzt, der alles Vorherige (ab Januar 1919 Internierung von 8000 deutschen Intellektuellen in Posen, der Terror in Oberschlesien 1919–1921) überbot und 80000 Volksdeutsche zur Flucht ins Deutsche Reich zwang.

Markus Krämer, Allendorf

 

 

Nur Linke haben Narrenfreiheiten

Zu: Rechtsaußen hofft (Nr. 21)

Der Beitrag über die Aussischten der NPD bei kommenden Landtagswahlen ist objektiv und bezeichnet die Mitglieder auch nicht als „Nazis“, wie es die „Leitmedien“ zumeist tun. Allerdings fehlen in dem Beitrag die Nennung der – außer dem drohenden Verbot – wesentlichsten Schwierigkeiten, mit denen diese Partei zu tun hat.

In Leipzig beispielsweise wurden über zehn Anschläge auf NPD-Kandidaten verübt, von Auto abfackeln bis Brandflaschen in die Wohnung werfen, wobei der Wohnungsinhaber (NPD-Stadtratskandidat) verletzt wurde. Verstöße gegen das Versammlungsrecht durch ein „breites Bündnis” bei NPD-Veranstaltungen werden von den Leitmedien gelobt. Angehörige dieser legalen Partei dürfen als „Nazi“ verunglimpft werden, und gegen „Nazis“ ist ja jedes Mittel recht („Nazi-Keule“). Egal ob Berufsverbote, eingeschränkten Teilnahmen am öffentlichen Leben, zum Beispiel in Sportvereinen, Umgang im Landtag mit NPD-Abgeordneten wie mit Aussätzigen, Kampf gegen Rechts mit viel Geld vom Staat, der vor allem der NPD gilt – es gehört mehr als Courage dazu, sich heute öffentlich als NPD-Mitglied zu bekennen.

In unserem Staat haben Linke und Linksextreme Narrenfreiheit. Die Anschläge sind die Fortsetzung des linksextremen Terrors gegen die NPD und nun auch gegen die AfD (Titelbild in der PAZ Nr. 21/2014) oder Veranstaltungen konservativen Zuschnitts wie zum Beispiel der Zeitschrift „Compact“.

Wolfgang Leistritz, Leipzig

 

 

Konsulat in umstrittener Immobilie

Zu: Mit Polen und Litauen gleichgezogen (Nr. 21)

In dem Artikel im Ostpreußenteil der PAZ wird berichtet, das neue deutsche Generalkonsulat in Königsberg sei in Gegenwart von Angehörigen der ostpreußischen Familie, „der dieses Haus vor dem Krieg gehört hatte“, eingeweiht worden. Nun behauptet der US-Völkerrechtler und Historiker Alfred de Zayas in seinen „50 Thesen zur Vertreibung“ (aber auch andere Völkerrechtler, wie etwa Dieter Blumenwitz, stellten ähnliche Thesen auf), dass entschädigungslose Enteignungen von Privateigentum fremder Staatsbürger völkerrechtswidrig sind.

Wenn Enteignungen im Zusammenhang mit Verbrechen gegen die Menschheit stehen beziehungsweise Bestandteil eines Genozids sind, dürfe die Staatengemeinschaft diese Enteignungen nicht anerkennen. Mehr noch, der Staat, dessen Nationalität die Opfer dieser Enteignungen besitzen, sei zum diplomatischen Schutz seiner Bürger verpflichtet, denn die Ausübung des diplomatischen Schutzes sei in diesen Fällen keine Ermessensfrage.

Ganz gespenstisch wird es für mich, wenn der eigene Staat sich zum Hehler von Diebesgut macht, denn in seiner Rechtsordnung hat er die Enteignungen für völkerrechtswidrig erklärt. Ich verweise auf das Lastenausgleichsgesetz (LAG), dem eine Präambel vorangestellt ist, nach der die Gewährung und die Annahme der Lastenausgleichsleistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückgabe des von den Vertriebenen zurück­gelassenen Vermögens bedeutet. Der Vorbehalt ist, dass weder die Bundesrepublik – durch die Gewährung von Lastenausgleichsleistungen – noch die Vertriebenen – durch die Annahme dieser Leistungen – sich irgendwelcher Rechte begeben.

Wenn das LAG diese Rechte aber unberührt lässt, dann sagt es (und sagt die Bundesrepublik Deutschland): Es gibt diese Rechte, nur seien sie gegenüber den Vertreiberstaaten nicht durchsetzbar; gäbe es diese Rechte nicht, dann hätte die Präambel auch keinen Sinn.

Wäre ich ein Angehöriger der ostpreußischen Familie, der das Haus „vor dem Krieg gehört hatte“, würde ich die Immobilie von der Bundesrepublik zurückverlangen. Ich bin mir sicher: Spätestens der Europäische Gerichtshof würde dieser Forderung entsprechen.

Wilhelm Kreuer, Unkel


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Wieder freier Blick auf die Ostsee
Gerichtsentscheidung: Illegal errichtetes Café auf der Cranzer Promenade muss weichen

Viele Neubauten auf Grundstücken in bevorzugter Lage in Königsberg und in den Kurorten der Ostsee entstehen ohne entsprechende Gutachten und Baugenehmigungen. Zum Ärger der Bürger verschließen die Behörden oft die Augen davor. Dass es auch anders geht, bewies Cranz, indem die Stadtverwaltung den Abriss eines illegalen Cafés auf der Promenade durchsetzte.

Vor allem in Königsberg ist es an der Tagesordnung, dass Grünanlagen dem Bau neuer Geschäfts- und Wohnhäuser weichen müssen, ohne dass die Öffentlichkeit zuvor darüber informiert worden wäre und ohne dass die entsprechenden Gutachten und Baugenehmigungen vorlägen. Fast immer ist die Stadtverwaltung involviert, die erklärt, sie könne nichts machen, da ihre Vorgänger im Amt Baugenehmigungen erteilt hätten, die nun nicht mehr rück­gängig gemacht werden könnten.

Das Seebad Cranz hat nun für einen Präzedenzfall gesorgt, der beweist, dass es im Königsberger Gebiet auch positive Ausnahmen von zuvor genannter, schon zur Regel gewordener Vorgehensweise gibt. Ein Gericht hat entschieden, dass ein illegal errichteter Bau auf der Cranzer Strandpromenade wieder abgerissen werden muss.

Es handelt sich um ein Café, das nahe dem Platz „Windrose“ gebaut wurde, einem der Anziehungspunkte für Touristen. Nachdem vor einigen Jahren mit der kompletten Sanierung der Cranzer Promenade begonnen worden war, bei der das Gebiet entlang des Strandes Stück für Stück modernisiert wurde, tauchte gleichzeitig mit der Fertigstellung des Teilstücks der Promenade in der Nähe der Windrose ein großes Gebäude auf, das den Blick auf die Ostsee erheblich einschränkte. Es sollte einmal ein Café auf einem 600 Quadratmeter großen Grundstück beherbergen. Erst, als bereits die Wände standen, Fußböden, Türen und Fenster angebracht waren, stellte die Bezirksverwaltung fest, dass niemand eine Baugenehmigung für das Café erteilt hatte und dieses eigenmächtig gebaut worden war. Die Cranzer Kreisverwaltung wandte sich daraufhin an die Königsberger Gebietsstaatsanwaltschaft für Umweltschutz, um die Gesetzmäßigkeit des Baus prüfen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft erhob Klage mit der Forderung, das ungesetzliche Gebäude entfernen zu lassen. Es stellte sich heraus, dass die Firma „Eurobalt plus“ keine Baugenehmigung vorweisen konnte. Darüber hinaus gehörte dem Bauherrn nicht einmal das Grundstück, auf dem er das Gebäude errichtet hatte. Das Cranzer Kreisgericht gab der Klage des Staatsanwalts für Umweltschutz statt, aber der Bauherr legte Beschwerde gegen das Urteil bei der nächst höheren Instanz ein. Das Berufungsgericht wies die Klage des Unternehmers jedoch ab. Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Gerichtsbeschlusses 2012 ging die Klageschrift dem Gerichtsvollzieher des Cranzer Bezirks zu. Doch der Abriss des Gebäudes verzögerte sich.

Die wiederholte Aufforderung der Cranzer Verwaltung an den Gerichtsvollzieherdienst des Bezirks, den Gerichtsbeschluss unverzüglich umzusetzen, verhallte ungehört. So kam es, dass das fertige Gebäude während der Badesaison 2012 und 2013 so unbehelligt wie ungenutzt blieb. Das verärgerte viele Feriengäste, die den verunglückten Bau mit Namen wie „Pferdestall“, „Autowaschanlage“ oder „Scheune“ bedachten. Viele Cranzer hatten sogar schon die Hoffnung aufgegeben, dass das Gerichtsurteil doch noch umgesetzt würde. Am Ende geschah das Unerwartete dann doch und in dieser Saison hat man vom Platz „Windrose“ aus einen herrlichen Blick auf die Ostsee.

Jurij Tschernyschew


Vorbildlicher Umgang mit Geschichte
Überreste von 400 ehemaligen Bewohnern wurden in einem neu errichteten Beinhaus in Lötzen beigesetzt

Lötzens Bürgermeisterin Jolante Piotrowska hatte zu der Einweihung des neu errichteten Ossuariums (Beinhaus, überdachter Raum, der zur Aufbewahrung von Gebeinen bestimmt ist) mit Gedenksteinenthüllung am 25. April auf dem ehemaligen Friedhof eingeladen.

Unter den geladenen Gästen aus der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen befanden sich neben Konsul Hans Rainer Ess vom Generalkonsulat Deutschlands in Danzig, Peter Pott als Vertreter der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), Kreisgruppe Neuss, sowie die Abgeordneten Barbara Kudrycka und Pawel Papke. Daneben waren zahlreiche Vertreter der Selbstverwaltungsorgane der Woi­wodschaft, der in Lötzen ansässigen Organisationen, Archälogen und Historiker, die an den Ausgrabungsarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs beteiligt waren, anwesend.

Der nach dem Krieg zu einem Park umgestaltete ehemalige Friedhof von Lötzen sollte in den vergangenen Jahren mit Unterstützung seitens der EU modernisiert werden. Als im Zuge der Bauarbeiten am Parkspringbrunnen menschliche Gebeine zum Vorschein kamen, wurden sofort umfangreiche archäologische und wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Es handelte sich um die menschlichen Überreste von zirka 400 Lötzenern, von Kindern wie Erwachsenen. Piotrow­ska bedankte sich bei Jerzy Marek Lapo, der die Ausgrabungen koordiniert hatte.

Das Ossuarium ist auch die letzte Ruhestätte vieler berühmter Persönlichkeiten der Stadt, unter ihnen der masurische Publizist Martin Gerss, der Pastor und Intendant Ernst Trincker sowie die Eltern und Schwestern des polnischen Historikers und Ethnografen Wojciech Ketrzynski. Die Bürgermeisterin betonte, dass die Bürger von Lötzen der Zukunft zugewandt seien, dabei aber die Vergangenheit nicht vergäßen. Werte wie gegenseitige Achtung ohne Rücksicht auf Nationalität, Sprache oder Konfession wie auch die Würdigung des Beitrags zur Geschichte der Vorfahren der Stadt seien immer aktuell.

Dieser positiven Einstellung schloss sich Konsul Ess an, indem er die würdevolle Bestattung der Überreste der deutschen Bewohner der Stadt als offenes und sensibles Verhältnis gegenüber der Geschichte der Stadt sowie die gutnachbarschaftlichen Beziehungen lobte

Pott, gebürtiger Lötzener und einziger anwesender Vertreter der LO, dankte der Bürgermeisterin für die Einladung, die er als Zeichen der Völkerverständigung werte. Pott gab seiner Freude Ausdruck, an der Gedenksteinenthüllung für die 400 im Beinhaus Beigesetzten aktiv beteiligt zu sein. Er selbst hat eine ganz persönliche Beziehung zu dem Ort, denn hier wurden 1939 seine Großmutter und 1942 sein Großvater beigesetzt. Als Pott 1992 zum ersten Mal den Friedhof aufsuchte, standen nur noch einige Kreuze und die alte Leichenhalle. Aus diesem Grund ist Pott über die Gestaltung als Parkanlage und als Gedenkort mit dem neu erbauten Ossuarium hoch erfreut, denn es hätte ja auch alles vernichtet werden können. PAZ


MELDUNGEN

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7g: Preußisch Holland [Pasłek] – Liebemühl [Miłomłyn]; Baustelle. Straße Nr. 15: Rakowitz im Kreis Neumark [Rakowice]; Baustelle. Straße Nr. 16: Groß Herzogswalde [Laseczno] – Stradem [Stradomno], Bauarbeiten an den Randstreifen; Stradem [Stradomno] – Deutsch Eylau [Iława], Baustelle, Ampeln; Welyki Birky (Borki Wielkie) – Althöfen [Bagienice], Baustelle, einspurig; Hoverbeck [Baranowo] – Selbongen [Zełwagi], Baustelle, einspurig; Arys [Orzysz] – Lyck [Ełk], Baustelle; Waltershöhe [Wysokie] – Kleinruten [Rutki], Baustelle. Straße Nr. 16c: Bischofsburg [Biskupiec] – Welyki Birky (Borki Wielkie); Straßenbau; Allenstein [Olsztyn] – Reuschhagen [Ruszajny], Reparatur der Schutzplanken. Straße Nr. 53: Davidshof [Jecznik], Renovierung der Brücke. Straße Nr. 58: Sellwen [Selwa] – Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig, Hohenstein [Olsztynek] – Ortelsburg [Szczytno], Kurken [Kurki], Baustelle; Hartigswalde [Dłuzek] – Gedwangen [Jedwabno], Holzfällarbeiten; Groß Kessel [Kocioł Duzy] – Gehlenburg [Biała Piska], Baustelle, einspurig. Straße Nr. 58b: Pisz ul. Olsztynska, Klementowskiego, Baustelle, einspurig. Straße Nr. 59b: Mragowo rondo Wolnosci, Baustelle. Straße Nr. 63: Biestern [Bystry] – Eisermühl [Staswiny], Baustelle, einspurig; Graiwen [Grajwo] – Kampen [Kap], Baustelle, einspurig. Straße Nr. 65: Goldap [Gołdap] – Reimannswalde [Kowale Oleckie], Straßenumbau; Seedranken [Sedranki] – Kuckow [Kukowo], Baustelle. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

Pfingsten ist ein fröhliches Fest, der späte Frühling gibt sich schon wie ein junger Sommer alles wächst, grünt und blüht – man sollte diese hellen, heiteren Stunden unbeschwert genießen. Und so legen auch wir unsere schwerwiegenden Themen, die sich vor allem auf ungeklärte menschliche Schicksale beziehen, für heute zur Seite und nehmen uns die kleinen Episoden aus Vergangenheit und Gegenwart vor, die unsere Leserinnen und Leser geschrieben haben. Einer dieser Berichte ist eingebettet in eine weitläufige Familiengeschichte wie die von Frau Christa Möller aus Bienenbüttel, und aus dieser habe ich eine Begebenheit herausgesucht, die im Einst wie im Heute spielt. Ich lasse Frau Möller erzählen:

„Wunder gibt es immer wieder. Sie betreffen in diesem Fall meine Mutter Margarethe Borowski, *1906 in Rastenburg. Ihre Eltern hatten in der Nähe des Trakehner Gestüts eine Gärtnerei und in der Stadt ein Blumengeschäft. Sie liebte die Tiere und besonders Pferde, deshalb wollte sie unbedingt reiten lernen. Aber ihre Eltern erfüllten ihr diesen Wunsch nicht, aus welchen Gründen auch immer. Doch für sie gab es ja die Großeltern in Klein Blaustein bei Rastenburg, bei denen sie oft zu Besuch war. Großvater Hinz war Förster und liebte seine erste Enkelin, die so großes Vertrauen zu ihm hatte, dass sie ihn bat, ihr Reitunterricht im Gestüt zu ermöglichen. Für eine kleine Marjell von fünf Jahren wohl doch noch etwas zu früh! So meinte der Großvater, aber dann sagte er: ,Ich setze dich auf eines unserer Pferde, ich reite auf einem anderen Pferd über die Gräben und Rossgartenzäune mit. Bleibst du oben, bekommst du den Unterricht, fällst du runter, ist es aus mit dem Reiten!‘ Da half auch kein Betteln der Großmutter, diese harte Prüfung für eine Fünfjährige nicht zu machen. Großvater ritt los, und die Großmutter stand in der Ve­randa und betete zum Herrgott. Aber Margarethe blieb oben, kehrte freudestrahlend zurück – und bekam Unterricht im Trakehner Gestüt. Es war der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft. Meine Mutter ritt noch trotz vieler Gebrechen bis ins hohe Alter. Sie verstarb 1987 mit 78 Jahren.“

Das ist die Geschichte von Einst – aber Christa Möller würde sie nicht als „Wunder“ bezeichnen, wenn es nicht noch eine Fortsetzung gäbe. Und die spielt im Jetzt und bringt die Enkelin von Förster Hinz selber ins Spiel. Denn Frau Möller besuchte im Jahr 2011 die ostpreußische Heimat, wie sie berichtet: „Am 28. Juni fuhr ich mit einem Taxi von Sensburg nach Rastenburg. Die Försterei Klein Blaustein hatte zwar den Krieg überlebt, war aber 1979 abgebrannt. Ich bat meinen netten Taxifahrer, noch das Gestüt anzufahren. Als ich auf dem schönen Hof stand, sah ich in Gedanken meine Mutter dort reiten, wie sie noch auf den geretteten Fotos zu sehen war. Ich kam auf die Idee, beim nächsten Besuch die Fotos mitzunehmen, und so geschah es auch. Der nette Taxifahrer brachte mich am 21. Juni 2013 wieder zum Gestüt, und mit den Fotos in der Hand ging ich in das Büro. Dort empfing mich eine nette Agnes, der ich die Fotos zeigte. Ich hatte die Kopien mit dem Datum der Aufnahmen – Herbst 1926 – beschriftet. Agnes wollte alles kopieren, ich sagte dem Taxifahrer, dass sie meine Kopien behalten könnte. Sie bedankte sich, und wir standen schon Abschied nehmend in der Türe, da ruft sie uns zurück und bittet mich an den Computer. Ich traue meinen Augen nicht: Da stehen zwei Fotos meiner Mutter auf dem Bildschirm! Für mich nicht zu fassen! Nach Krieg, Vertreibung und Annexion der Heimat nun diese Bilder aus der lebendig gewordenen Vergangenheit. Ich war so aufgeregt, dass ich in der Nacht nicht schlafen konnte: Sollte alles nur ein Traum gewesen sein? Aber es war Wirklichkeit!“ Und diese dürfte vielleicht auch die Nachfahren jenes Fotografen interessieren, der vor 88 Jahren die Aufnahmen gemacht hat, die heute im PC des Gestüts gespeichert sind: Richard Mutek, Freiheit 15b in Rastenburg. Eine von ihnen, die Margarethe Borowski im Herbst 1926 auf dem Rapphengst „Schledorn“ auf dem Hof des Trakehner Gestüts zeigt, können wir heute als Beweis bringen. Wir sagen Frau Christa Möller für diese schöne Geschichte unseren herzlichsten Dank.

Manchmal ist es nur ein kleiner Denkanstoß, der eine längst vergessen geglaubte Begegnung wieder in Erinnerung bringt. Diesen „Rubbaks“ verspürte unsere immer wache Mitdenkerin Rosemarie Pakleppa im fernen Südafrika, als sie in unserer Kolumne von dem Miegel-Verehrer las, der immer einen ihrer Lyrikbände bei sich trug. Gedichte – Miegel – Liebhaber ostpreußischer Gedichte – da war doch in ihrem Leben auch mal was gewesen? Nachgedacht, gefunden und aufgeschrieben für unsere Ostpreußische Familie: Die Geschichte beginnt eigentlich schon in der Volksschule von Schirwindt, der östlichsten Stadt Deutschlands. Noch viel östlicher führte der Erdkundeunterricht die Schulkinder, unter denen die kleine Rosemarie eines der aufmerksamsten war. Vor allem interessierte sie die Chinesische Mauer und Australien mit dem Ayers-Rock. Damals schwor sie: Irgendwann im Leben will ich die besteigen, komme was wolle! Es dauerte aber immerhin über sechs Jahrzehnte, bis sich der australische Traum erfüllte. Zu ihrem 75. Geburtstag – so teilte die unternehmenslustige Seniorin, die nun in Südafrika lebt, ihrer Tochter in Deutschland mit, wolle sie eine mehrwöchige Busfahrt quer durch Australien buchen. Alle Bedenken, ob sie solch eine anstrengende Reise durchstehen würde, wischte sie vom Tisch mit einem „Das lasst man meine Sorge sein.“ Und so flog Rosemarie Pakleppa von Südafrika nach Deutschland, und dann von Frankfurt nach Sydney, wo die erste Busfahrt sie nach Melbourne führte. Und nun lasse ich unsere abenteuerliche Ostpreußin selbst erzählen:

„In Melbourne angekommen wurden wir mit Kleinfliegern auf die südlichste Insel, die Känguruh-Insel, geflogen. In unseren Flieger passten vier Personen. Der Pilot sagte, dass wir erst die hinteren Plätze einnehmen sollten, aber eine ebenfalls allein reisende Dame hielt mich fest und meinte, wir sollten die vorderen nehmen, da hätte man eine bessere Sicht. So gesagt, so getan. Beim Fliegen unterhielten wir uns leise über unsere bisherigen Erlebnisse, da klopfte mir jemand auf die Schulter. Es war der hinter mir sitzende weitaus jüngere Mann, der mich nun fragte: ,Sind Sie Ostpreußin?‘ Erstaunt bejahte ich dies und fragte, wie er darauf komme. Er meinte, dass könnte man an meinem Tonfall hören. Und dann fragte er: ,Kennen Sie Agnes Miegel?‘ Was für eine Frage an eine echte Ostpreußin! ,Dann kennen Sie auch ,Die Frauen von Nidden?‘‘ Selbstverständlich – für mich ist diese Ballade eine der schönsten der Dichterin. Nun wurde ich aber neugierig und fragte den an ostpreußischer Literatur so interessierten Mann, wo er denn herkomme. Seine Antwort: ,Ich bin Berliner, dort geboren, aufgewachsen und lebe noch immer in Berlin.‘ Und wie kam er zu Agnes Miegel? Diese Ballade wie überhaupt ihre Dichtung wurde im Deutschunterricht seines Gymnasiums so ausführlich behandelt, dass er sie nie vergessen hat. Ein Lob für solch ein Gymnasium! Ich erzählte ihm, dass ich auch einen Miegel-Band besäße, den ich bereits 1949 auf einem Kirchenbasar erstanden hatte und der noch heute in Südafrika für mich ein großer Schatz ist.“

Das ist doch schon eine eigenartiges Geschichte, und man musste sie einmal erzählen: Da treffen eine in Südafrika lebende Ostpreußin und ein echter Berliner auf einer Weltreise zusammen und zitieren hoch über Australien Gedichte von Agnes Miegel. Wie die Dichterin wohl darauf reagiert hätte? Wohl mit einem dankbaren Lächeln, wie sie es immer getan hat, wenn sie etwas erlebte, dass sie erfreute. Und dass sie diese Freude auch weitergeben konnte, beweist ein – für uns geradezu sensationeller – Schriftenfund, vom dem uns Frau Rosemarie Saager aus Stade in Kenntnis setzte und von dem sie uns einige Kopien als Beleg zusandte. Es handelt sich um einen zum Teil noch während des Krieges und in den ersten Jahren danach geführten Briefwechsel eines Oberstudiendirektors aus Königsberg mit zwei heraussagenden Vertretern der deutschen Literatur, mit Agnes Miegel und Ernst Wiechert. Und gerade der Letzte macht den Fund so sensationell, aber auch schwierig, dass wir noch nicht näher auf ihn eingehen können. Warum, werde ich gleich erklären, denn zuerst wollen wir einmal berichten, wie der Fund entdeckt wurde.

Frau Saagers vor 16 Jahren verstorbener Ehemann war „ein Königsberger Jung“, sie selber ist Schlesierin, liest aber das Ostpreußenblatt fast von Anfang an. Die heute 92-Jährige hatte, wie sie schreibt, das große Glück, Ostpreußen noch in voller Schönheit erlebt zu haben. Ihre Schwiegereltern besaßen ein Sommerhaus in Warnicken. Leider mussten die Eltern ihres Mannes noch zwei Jahre nach der russischen Okkupation im zerstörten Königsberg bleiben, ehe sie ausreisen konnten. Es muss wohl in den 50er Jahren gewesen sein, als ihr Schwiegervater auf einem Briefmarken-Flohmarkt in Hamburg auf ein Briefbündel stieß, das ihn stutzig machte. Denn Adressat der Briefe und Karten war der Oberstudiendirektor Arno Hundertmark aus Königsberg, ein über Ostpreußen hinaus bekannter Pädagoge, der das Löbenichtsche Realgymnasium bis zum bitteren Ende geleitet hatte. War der Finder schon durch diesen Namen alarmiert, so erst recht, als er die Absender der Briefe las: Agnes Miegel und Ernst Wiechert. Als Königsberger erkannte er sofort den Wert der Briefe, und so erstand er das Bündel, und hat es dann wohl vergessen oder jedenfalls – aus welchen Gründen auch immer – nicht an die Öffentlichkeit gebracht. Erst jetzt fand man es in seinem Nachlass, und seine Schwiegertochter beschloss, zuerst einmal der Ostpreußischen Familie von diesem Fund zu berichten. Und so liegen uns jetzt einige Kopien der Briefe vor, die Einblicke in das durch Krieg und Flucht bedingte Leben der Dichter gewähren. Der Schriftwechsel zwischen Ernst Wiechert und Arno Hundertmark stammt aus den Jahren 1941/42, der Dichter wohnte damals auf dem Hof Gagert bei Wolfratshausen in Oberbayern. Zwischen den beiden ehemaligen Kollegen hatte wohl etliche Jahre Funkstille geherrscht, sie versuchen nun wieder die alte Verbindung aufzunehmen und weiterzuführen. Der Briefwechsel zeigt, dass es zwischen den Briefpartnern nicht nur kollegiale, sondern auch sehr persönliche Beziehungen gab, ihre Ehefrauen mit einbezogen, so dass man bei der Sichtung im Hinblick auf eine Veröffentlichung sehr behutsam vorgehen muss. Für Wiechert-Biografen dürften die Einblicke in seine vergangenen Jahre, die er gegenüber dem in Königsberg lebenden und tätigen Freund – wenn das Du im Schriftwechsel diese Bezeichnung zulässt – aufrollt, interessant sein. Wiecherts Handschrift ist klein, fast pittoresk und in alter deutscher Schreibweise. Frau Saager hat sich dankenswerter Weise schon um eine „Übersetzung“ bemüht. Dies zur Erstinformation über die erst jetzt entdeckten Wiechertbriefe, über die wir weiter berichten werden.

Anders kann man bei den Miegel-Briefen vorgehen, die aus dem Jahr 1949 stammen, also erst nach Flucht und Internierung geschrieben wurden, denn sie enthalten nichts, was die Intimsphäre der Betreffenden verletzen könnte. Einer ihrer Briefe ist zum Pfingstfest 1949 geschrieben, ist also ein schöner Sonderbeitrag für unsere Pfingstausgabe. Wir danken Frau Rosemarie Saager sehr herzlich, dass sie uns diesen Schriftwechsel vermittelt hat.

Und so bleibt mir nur noch übrig, allen Leserinnen und Lesern ein fröhliches Pfingstfest zu wünschen.

Eure Ruth Geede


Es ist mir täglich wie eine Zauberüberraschung
Aus einem Briefwechsel Agnes Miegels mit Arno Hundertmark

Der nun aufgefundene Briefwechsel des Königsberger Oberstudiendirektors Arno Hundertmark mit Agnes Miegel beschränkt sich nur auf eine kurze Zeitspanne im Frühjahr 1949. Die erste Zuschrift der Dichterin ist eigentlich ein Rundbrief, es ist der Dank für die vielen Glückwünsche zu ihrem 70. Geburtstag am 9. März 1949. Auch der in Hamburg-Volksdorf lebende Pädagoge muss unter den Gratulanten gewesen sein, da er diese in Maschinenschrift gehaltene Danksagung erhielt, aber sie enthält noch einen kleinen Hinweis auf eine engere Verbundenheit, denn unter dem allgemeinen Text steht mit der Hand geschrieben: Immer Ihre Agnes Miegel. Die Dichterin war nach den Jahren hinter dänischem Stacheldraht und dem ersten Suchen nach einer Heimstatt auf deutschem Boden in Bad Nenndorf gelandet, ihre Geburtstagsfeier fand aber in Rinteln stand. Die Weserstadt richtete ihr eine wunderschöne Feier aus und dass sie die Verehrung, die ihr von so vielen alten und neuen Freunden zuteilwurde, als große Gabe empfand, merkte man ihr an. Und sie sagte es mir auch selber, denn ich durfte damals in Rinteln die Festansprache halten, und deshalb hat die Danksagung an Arno Hundertmark in mir die Erinnerung an diese wunderbare Feier geweckt, die uns Vertriebenen schon damals bewies: Die ostpreußische Literatur lebt! Das bezeugt auch die Dichterin in ihrem Rundbrief an alle, die an sie gedacht haben:

„Zu meinem 70. Geburtstag ist mir von allen Seiten so viel Güte und Freundlichkeit erwiesen, dass es mir nicht möglich ist, jedem Einzelnen dafür zu danken. So bitte ich Alle, die mich durch Worte und Geschenke erfreuten – Alte und Junge, geschlossene Freundeskreise meines Werks, ostdeutsche Schicksalsgenossen und unsere Geschwister in neuer Zufluchtsheimat –, dass ich ihnen heute auf diese Weise meinen Dank sagen darf. Und dann, wenn Gott mir meine Arbeitskraft erhält, noch eine Weile mit der mir verliehenen Gabe.“

Dass sie das schon bald konnte, bezeugt ein langer Brief, den sie am 27. Mai an Arno Hundertmark schreibt. Es ist ein Pfingstbrief, und er strahlt die Heiterkeit und Freude der Dichterin über ein Geschenk aus, das ihr Leben nun weiter bestimmen wird. „Ich schreibe mit der Maschine, die ich zum Geburtstag bekam, weil ich darauf so stolz bin. Sie ist mir täglich wie eine Zauberüberraschung, von der ich meine, sie müsste eines Morgens beim Erwachen verschwunden sein. Ich tippe fleißig und mit Hilfe meiner Freundin alles in den letzten Jahren Geschriebene ab, um damit fertig zu sein, wenn ich Mitte Juni nach Bad Nauheim fahre, wo ich endlich ein sehr nettes Quartier gefunden habe. Ich freue mich wie ein Kind auf Große Ferien, es ging und es geht mir gar nicht so gut mit dem Herzen, und das wirkt ja immer auch auf mein anderes Leiden. Nun, ich hoffe, von dort schlank und beschwingt heimzukehren. Allmählich empfinde ich Nenndorf und …“

Hier bricht der mit Maschine geschriebene Teil des Briefes abrupt ab und Agnes Miegel muss ihn in ihrer so schönen, geschwungenen Handschrift fortsetzen – das Warum erscheint einem heute kaum glaubhaft: „Jetzt schlug es nämlich Eins, und der Nachmittagsschlaf der Kurgäste ist heilig, da darf ich nicht weiter tippen.“ Und so setzt sie den angefangenen Satz fort: „… dies grüne Niedersachsen doch als ein Zu Hause – wenn auch nicht als Heimat –, wozu kommt, dass wir hier in der Hindenburgstraße in unserer kleinen Wohnküche schon alles eigene Sachen haben und in unserem Zimmer schon Mehreres wie Lampen, Bilder, einen kleiner Tisch und eine Couch, für die das Wort Bettsofa auch nicht gerade hübsch klingt …“

Diese liebevollen Schilderungen zeigen, wie sehr sich die Dichterin auch über die kleinsten Dinge freuen konnte, die der Heimatlosen ein Refugium schafften, in dem sie endlich in Ruhe leben und arbeiten konnte. Aber ihre Schreiben an den Oberstudiendirektor aus ihrer Heimatstadt enthalten auch sehr viel Anteilnahme an dem Schicksal des Partners, denn Arno Hundertmark war ein schwer kranker Mann, der sich gerade in jenen Tagen einer Operation unterziehen musste. Agnes Miegel hatte ihm noch im April einen Gruß gesandt, der die kulturelle Verbindung zwischen der Dichterin und dem Pädagogen aufzeigte:

„Am Kanttag muss doch ein sehr herzlicher Gruß zu Ihnen gehen im Gedenken an Königsberg und an ihre alte ehrwürdige Schule und das Friedrichskolleg, einem jüngeren Bienenstaat. Wie reich sind wir weit Verstreuten doch in unseren Erinnerungen und in dem Dank gegen die Gestalt, die das Wort vom ,moralischen Gesetz‘ in uns formte. Keine Gewalt kann uns solchen Besitz rauben.“ Die Dichterin schließt dann mit Grüßen an die Familie und an „alle lieben Löbenichter“. Um seine ehemaligen Schüler hatte sich Arno Hundertmark schon bald nach Kriegsende gekümmert. Bereits im August 1946 konnte er den ersten Rundbrief an 57 Löbenichter versenden. Aber Krankheit und Heimweh zehrten an dem leidenschaftlichen Pädagogen. Er verstarb bereits im November 1949. R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 98. GEBURTSTAG

Fischer, Ursula, geb. Kundrus, aus Weidlacken, Kreis Wehlau, am 13. Juni

Kamm, Waltraud, geb. Meyer, aus Metgethen, Kreis Samland, am 9. Juni

Lubowitz, Martha, aus Dreimühlen, Kreis Lyck, am 12. Juni

Trzaska, Charlotte, geb. Witt, aus Freythen, Kreis Ortelsburg, am 2. Juni

ZUM 97. GEBURTSTAG

Roehr, Erna, geb. Bobrowski, verwitwete Dudda, aus Treuburg, am 8. Juni

ZUM 96. GEBURTSTAG

Kaukel, Otto, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 12. Juni

Matthias, Ruth, aus Ortelsburg, am 13. Juni

ZUM 95. GEBURTSTAG

Reincke, Grete, geb. Summek, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 11. Juni

Wedler, Richard, aus Friedlau, Kreis Elchniederung, am 10. Juni

Wieczorrek, Hedwig, geb. Tertel, aus Plöwken, Kreis Treuburg, am 13. Juni

ZUM 94. GEBURTSTAG

Fechner, Helga, aus Ortelsburg, am 1. Juni

Heidrich, Elfriede, geb. Dudda, aus Farienen, Kreis Ortelsburg, am 6. Juni

Ruddat, Hilde, geb. Timsries, aus Kripfelde, Kreis Elchniederung, am 9. Juni

Wenzel, Ottilie, geb. Becker, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Ziegler, Irmgard, geb. Lungwitz, aus Lyck, am 9. Juni

ZUM 93. GEBURTSTAG

Borriß, Anna, geb. Niedzella, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 7. Juni

Fligge, Heinz, aus Drugehnen, Kreis Samland, am 10. Juni

Gorriahn, Irmgard, geb. Stamm, aus Lyck, am 8. Juni

Müller, Eva, aus Insterburg, am 7. Juni

Pluschke, Walter, aus Schlakalken, Kreis Samland, am 13. Juni

Stähle, Edeltraud, geb. Rogalla, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 13. Juni

Wölky, Erna, geb. Finke, aus Korschen, Kreis Rastenburg, am 12. Juni

Wörner, Edith, geb. Dangeleit, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 10. Juni

ZUM 92. GEBURTSTAG

Balewsky, Elly, geb. Bähr, aus Loye, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Grieger, Elfriede, geb. Grieger, aus Starkenberg, Kreis Wehlau, am 8. Juni

Hain, Helene, geb. Heske, aus Augam, Kreis Preußisch Eylau, am 13. Juni

Hayn, Waltraud, geb. Gurrack, aus Groß Hoppenbruch, Kreis Heiligenbeil, am 8. Juni

Heuser, Irene, aus Groß Schläfken, Kreis Neidenburg, am 11. Juni

Kabbe, Eva, geb. Poesze, aus Kurwensee, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Kruska, Alfred, aus Kobbelhals, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Objartel, Hanna, geb. Kobjolke, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 10. Juni

Roggon, Kurt, aus Friedrichsheide, Kreis Treuburg, am 12. Juni

Sach, Robert, aus Stosnau, Kreis Treuburg, am 12. Juni

Schöner, Hans-Klaus, aus Magdeburg, Kreis Neidenburg, am 12. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Gade, Edith, geb. Maleyka, aus Hanffen, Kreis Lötzen, am 3. Juni

Grewer, Elfriede, geb. Marwinski, aus Rauschen, Kreis Samland, am 7. Juni

Herold, Marta, geb. Bialloch, aus Markshöfen, Kreis Ortelsburg, am 13. Juni

Kraska, Hanna, geb. Heise, aus Pobethen, Kreis Samland, am 12. Juni

Kuhnert, Margarete, geb. Schirwat, aus Ebenrode, am 13. Juni

Laleike, Johanna-Frieda, geb. Loyall, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 13. Juni

Lange, Herta, geb. Wittge, aus Nadrau, Kreis Samland, am 10. Juni

Pruß, Hildegard, aus Eichensee, Kreis Lyck, am 12. Juni

Salzmann, Käthe, geb. Wedler, aus Adlig Linkuhnen, Kreis Elchniederung, am 10. Juni

Schiborr, Anne, aus Tilsit, am 10. Juni

Schmidt, Hedi, geb. Gudzus, aus Kalkhof, Kreis Treuburg, am 11. Juni

Stein, Günter, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 2. Juni

Streicher, Margarete, geb. Kubat, aus Alt Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Thanner, Elli, geb. Schröter, aus Liebstadt, Kreis Mohrungen, am 13. Juni

Tulowitzki, Hilde, aus Neufließ, Kreis Ortelsburg, am 11. Juni

ZUM 90. GEBURTSTAG

Abel, Ilse, geb. Podlech, aus Lyck, am 9. Juni

Dutz, Horst, aus Gellen, Kreis Ortelsburg, am 4. Juni

Fromme, Erika, geb. Marquard, aus Wacholderau, Kreis Ortelsburg, am 31. Mai

Hibbeler, Ruth, geb. Negt, aus Gauleden, Kreis Wehlau, am 9. Juni

Kiefer, Willi, aus Zimmerbude, Kreis Samland, am 8. Juni

Klimasch, Elisabeth, aus Rundfließ, Kreis Lyck, am 8. Juni

Koos, Liesbeth, geb. Dölinski, aus Reichenwalde, Kreis Lyck, am 11. Juni

Lopenz, Christel, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 4. Juni

Passet-Bogdahn, Ingeborg, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 5. Juni

Scherf Gertrud, geb. Sawetzki, aus Schiewenau, Kreis Wehlau, am 10. Juni

ZUM 85. GEBURTSTAG

Borawski, Gerhard, aus Groß Lasken, Kreis Lyck, am 9. Juni

Bremer, Ruth, geb. Hofmeister, aus Pottlitten, Kreis Heiligenbeil, am 8. Juni

Dannehl, Ruth, geb. Kupzik, aus Kelchdorf, Kreis Treuburg, am 10. Juni

Dorow, Hildegard, geb. Jendrall, aus Bartzdorf, Kreis Neidenburg, am 7. Juni

Ernst, Erwin, aus Schwengels, Kreis Heiligenbeil, am 10. Juni

Franz, Heinrich, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 11. Juni

Frigge, Siegfried, aus Wehlau, am 7. Juni

Gasenzer, Werner, aus Wehlau, am 12. Juni

Gotthardt, Werner, aus Barten, Kreis Rastenburg, am 7. Juni

Graffenberger, Günter, aus Erlental, Kreis Treuburg, am 12. Juni

Grobe, Güldane, geb. Goldammer, aus Auer, Kreis Mohrungen, am 11. Juni

Gürtel, Fritz, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 10. Juni

Hipler, Heinz, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 4. Juni

Ilgner, Helga, geb. Dombrowski, aus Zappeln, Kreis Lyck, am 13. Juni

Jucknat, Günther, aus Sinnhöfen, Kreis Ebenrode, am 8. Juni

Keßler-Nazario, Charlotte, geb. Kauschus, aus Ebenrode, am 8. Juni

Kiyewski, Irmgard, geb. Krzossa, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 31. Mai

Könemann, Ilse, geb. Perkuhn, aus Bürgersdorf, Kreis Wehlau, am 11. Juni

Kopf, Brigitte, geb. Mrotzek, aus Rosenheide, Kreis Lyck, am 11. Juni

Kuhrau, Helmut, aus Trenk, Kreis Samland, am 11. Juni

Kulschewski, Herbert, aus Eiserwagen, Kreis Wehlau, am 11. Juni

Kuschmierz, Artur, aus Groß Lindenau, Kreis Samland, am 12. Juni

Lausterer-Roth, Dr. Eva, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 13. Juni

Lennartz, Ingeburg, geb. Koprek, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

Lohs, Renate, geb. Gajewski, aus Lyck, am 12. Juni

Losch, Günter, aus Treuburg, am 13. Juni

Lottermoser, Ilse, geb. Ogorrek, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 4. Juni

Müller-Pohl, Edith, geb. Pohl, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 7. Juni

Nikutta, Wilhelm, aus Schwarzenofen, Kreis Neidenburg, am 13. Juni

Otto, Kurt, aus Wehlau, am 13. Juni

Rakowski, Hildegard, geb. Ziegler, aus Pluttwinnen, Kreis Samland, am 12. Juni

Rohde, Reinhold, aus Grünwalde, Kreis Ortelsburg, am 9. Juni

Sadowski, Helmut. aus Rostken, Kreis Lyck, am 11. Juni

Schuch, Waltraud, geb. Poetsch, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 8. Juni

Schumann, Edeltraut, geb. Grieser, aus Seerappen, Kreis Samland, am 11. Juni

Sender, Heinz, aus Willenberg-Abbau, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

Spott, Frieda, geb. Luckau, aus Steintal, Kreis Lötzen, am 11. Juni

Stange, Hildegard, geb. Grabow-ski, aus Dietrichsdorf, Kreis Neidenburg, am 7. Juni

Thimm, Jürgen, aus Passenheim, Kreis Ortelsburg, am 6. Juni

Wandrer, Udo, aus Groß Schläfken, Kreis Neidenburg, am 12. Juni

Wolter, Herbert, aus Monken, Kreis Lyck, am 11. Juni

Wrobel, Heinz, aus Treuburg, am 7. Juni

ZUM 80. GEBURTSTAG

Becker, Gert, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 12. Juni

Beier, Gerda, geb. Sturies, aus Lessen, Kreis Elchniederung, am 9. Juni

Buschau, Ingrid, geb. Nogorny, aus Rodental, und Grundensee, Kreis Lötzen, am 1. Juni

Buschmann, Gisela, aus Königsberg in Preußen, am 11. Juni

Buttkus, Brigitta, geb. Nieprasch, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 12. Juni

Christochowitz, Hans-Dieter, aus Langheide, Kreis Lyck, am 13. Juni

Decker, Edith, geb. Zilz, aus Schleusen, Kreis Ebenrode, am 8. Juni

Derscheid, Edelgund, geb. Makowka, aus Schützengrund, Kreis Ortelsburg, am 11. Juni

Friedrich, Hildegard, geb. Kaminski, aus Klein Kosel, Kreis Neidenburg, am 10. Juni

Göttsche, Hannelore, aus Königsberg in Preußen, am 9. Juni

Graap, Heinz, aus Bartenhof, Kreis Wehlau, am 9. Juni

Haar, Elisabeth, geb. Zielke, aus Tenkitten, Kreis Samland, am 13. Juni

Hohertz, Klaus, aus Ebenrode, am 12. Juni

Jelinski, Erika, geb. Hoch, aus Hirschberg, Kreis Osterode, am 13. Juni

Käbisch, Inge, geb. Bileit, aus Neuhof, Kreis Neidenburg, am 9. Juni

Kaminski, Gerhard, aus Grabnick, Kreis Lyck, am 7. Juni

Kattelat, Elli, geb. Rieben, aus Wargienen, Kreis Wehlau, am 7. Juni

Kornmesser, Ilse, geb. Schwellenkamp, aus Stampelken, Kreis Wehlau, am 12. Juni

Krum, Inge, geb. Galleinus, aus Heideckshof, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Langhof, Helga, geb. Oprotkowitz, aus Krupinnen, Kreis Treuburg, am 9. Juni

Leweck, Gertrud, geb. Petrikow-ski, aus Willenberg-Abbau, Kreis Ortelsburg, am 6. Juni

Ludewig, Waltraud, geb. Köslinh, aus Plauen, Kreis Wehlau, am 13. Juni

Lumma, Kurt, aus Neidenburg, am 9. Juni

Mathiak, Emil, aus Schwarzenofen, Kreis Neidenburg, am 11. Juni

Meliß, Hildegard, geb. Baltrun, aus Ebenrode, am 9. Juni

Niederhaus, Helmut, aus Rehfeld, Kreis Treuburg, am 12. Juni

Ocker, Erika, geb. Kleinert, aus Skuldeinen, Kreis Elchniederung, am 9. Juni

Ohlendorff, Edith, geb. Köck, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 9. Juni

Piske, Hannelore, geb. Boenig, aus Seesken, Kreis Treuburg, am 13. Juni

Riechert, Günter, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Rosenbusch, Erna, geb. Kupzyk, aus Kreuzdorf, Kreis Treuburg, am 9. Juni

Saslona, Gertraud, geb. Kowalewski, aus Priom, Kreis Neidenburg, am 7. Juni

Sawitzki, Christel, geb. Maczey, aus Eckwald, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Schmidt, Elfriede, geb. Pielke, aus Schnippen, Kreis Lyck, am 10. Juni

Szesny, Meta, geb. Monegel, aus Langenwalde, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Teske, Georg, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 13. Juni

Werners, Renate, geb. Borbe, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 7. Juni

Wördemann, Edith, geb. Wolski, aus Nassawen, Kreis Ebenrode, am 10. Juni

Zimmermann, Renate, geb. Eckert, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 10. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Adomeit, Renate, geb. Hermann, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Albacht, Anita, geb. Lange, aus Sandlitten, Kreis Wehlau, am 11. Juni

Atrott, Manfred, aus Kummeln, Kreis Ebenrode, am 9. Juni

Fricke, Vera, geb. Michalski, aus Compehnen, Kreis Samland, am 13. Juni

Fuhrmeister, Gert, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 7. Juni

Funke, Irmgard, geb. Schneidereit, aus Corben, Kreis Samland, am 13. Juni

Gosdzinski, Erna, geb. Polscheck, aus Freythen, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

Grabowski, Irmgard, geb. Freitag, aus Froben, Kreis Neidenburg, am 7. Juni

Hopfner, Rosemarie, geb. Groß, aus Hasenberg, Kreis Wehlau, am 7. Juni

Jekubik, Annemarie, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 3. Juni

Jerosch, Heinz, aus Ulrichsee, Kreis Ortelsburg, am 31. Mai

Klein, Ewald, aus Kuglack, Kreis Wehlau, am 10. Juni

Kreiensen, Christel, geb. Lindemann, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 9. Juni

Maindok, Edeltraut, geb. Schulz, aus Grammen, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Meyer, Rosemarie, geb. Pusch, aus Watzum, Kreis Samland, am 10. Juni

Puchalski, Gerhard, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Ramer, Lydia, geb. Roggausch, aus Saiden, Kreis Treuburg, am 13. Juni

Rothgänger. Wilfried, aus Lengau, Kreis Treuburg, am 13. Juni

Schwöbel, Anneliese, geb. Kopp, aus Sköpen, Kreis Elchniederung, am 11. Juni

Standtke, Ursel, geb. Müller, aus Theerwisch, Kreis Ortelsburg, am 7. Juni

Stasch, Kurt, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

Webelhorst, Hiltrud, geb. Hoffmann, aus Regehnen, Kreis Samland, am 11. Juni

Wienkop, Edith, geb. Glinka, aus Kutzburg, Kreis Ortelsburg, am 4. Juni

Wipka, Martin, aus Ortelsburg, am 11. Juni

Diamantene Hochzeit

Heinacher, Paul, aus Kattenau, Kreis Ebenrode, und Ehefrau Magdalene, geb. Hofer, aus Hallweg, Kreis Angerapp, am 10. Juni

Goldene Hochzeit

Piotrowski, Willi, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, und Ehefrau Elsbeth, geb. Kroll, aus Halen, Kreis Steinfurt, am 30. April


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

BJO-Sommerfahrt vom 21. Juli bis 1. August 2014 nach Nordostpreußen mit Besuchen in Königsberg, Trakehnen, auf der Kurischen Nehrung und in der Rominter Heide. Die vollständige Einladung mit allen Einzelheiten ist unter www.junge-ostpreussen.de zu finden. Anmeldeschluss: 20. Juni 2014 (Visapflicht).

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Heidelberg – Sonntag, 15. Juni, 15 Uhr, Hotel Leonardo, Bergheimerstraße 63: Treffen der Gruppe. Nach der gemütlichen Kaffeetafel hält die Landesvorsitzend Uta Lüttich einen Vortrag über „Dr. Alfred Lau – Kenner und Bewahrer der ostpreußischen Mundart.“ Nach dem Referat bekunden die Teilnehmer mit dem Ostpreußenlied die Verbundenheit zur geliebten Heimat. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

Stuttgart – Dienstag, 17. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Kleiner Saal, Schloßstraße 92: Treffen der Frauengruppe. Thema „Reiseberichte“ mit Gesang und Gedichten sowie einem Bericht über das Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Ostpreußen in Kassel. Gäste sind herzlich willkommen. – Donnerstag, 26. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Schloßstraße 92: Treffen der Kreisgruppe. Gemeinsames Singen, Gedichte und Heimatgeschichten sowie Filmvortrag mit Beamer in heimatlicher Atmosphäre. Gäste sind herzlich willkommen.

Ulm/Neu-Ulm – Sonnabend, 21. Juni, 14.30 Uhr, Ulmer Stuben: Monatliches Treffen der Gruppe.

Weinheim/Bergstraße – Mittwoch, 11. Juni, 14.30 Uhr, Café Wolf: Treffen der Frauengruppe. „Mein Lexikon von A bis Z“ von Hildegard Rauschenbach: „Viel Wörter stehn im Lexikon,/ doch meine stehn nicht drin;/drum geb‘ ich heut‘ eine Lektion/aus Wörtern, die nach meinem Sinn./ Ich fang mit A an, wie sich’s gehört/was mich nicht stört.“ Sowie weitere Beiträge in ostpreußischer Mundart. Mit einem Bericht über die Landesfrauentagung vom 24. Mai in Stuttgart.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Altmühlfranken – Freitag, 13. Juni, 19 Uhr, Gasthof Hotel Krone, Gunzenhausen: Heimatliches Essen „Tilsiter Käse“, anschließend Lesung aus Robert Budzinskis „Entdeckung Ostpreußens“ mit Marie-Luise Rossius.

Ansbach – Sonnabend, 14. Juni, 15 Uhr, Orangerie: Treffen der Gruppe. Geplantes Thema: Hermann Löns – Mümmelmann und andere Tiergeschichten. Plachandern bei Kaffee und Kuchen.

Bamberg – Mittwoch, 18. Juni, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose, Keßlerstraße: Monatstreffen. Vortrag „Künstlerkolonie in Nidden“.

Ingolstadt – Sonntag, 15. Juni, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Landshut – Dienstag, 17. Juni, 14 Uhr: Treffen im Biergarten der Insel.

München – Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Gräf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Frauengruppe – Mittwoch, 11. Juni, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Referate über Ostpreußen und ihre Bewohner, wie es früher war. Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Gumbinnen/Johannisburg/Lötzen/Sensburg – Dienstag, 17. Juni, 13 Uhr, Restaurant Dalmata, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin: Eröffnung der Zusammenkünfte im Jahr 2014, Sommerfest. Anfragen für Gumbinnen bei Joseph Lirche, Telefon (030) 4032681, für Johannisburg und Sensburg bei Andreas Maziul, Telefon (030) 5429917, für Lötzen bei Gabriele Reiß, Telefon (030) 75635633.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Wieder war die Jahreshauptversammlung mit mehr als 40 Teilnehmern erfreulich gut besucht. Der Vorstand bedankt sich für die zum Ausdruck gebrachte Anerkennung der Mitglieder und die einstimmig erteilte Entlastung. Gerda Steffens wurde als bisherige Kassenführerin mit großem Dank der Anwesenden aus ihrem Amt verabschiedet. Als neue Kassenführerin wurde die aus dem Memelland gebürtige Helga Laugallies gewählt. Sie fand sich erfreulicherweise bereit, dieses Amt neben ihrer Berufstätigkeit anzunehmen. Auf allen übrigen Positionen wurden die bisherigen Amtsinhaber wiedergewählt. – Donnerstag, 19. Juni, 15 Uhr, Großer Salon des Hotels zur Post, Bahnhofsplatz 11, 28195 Bremen: Lesung und Gespräche zum 300. Geburtstag des ostpreußisch-litauischen Dichters und Pfarrers Christian Donalitius (1714–1780). Litauen feierte am 1. Januar den 300. Geburtstag seines Nationaldichters Kristijonas Donelaitis (Christian Donalitius), der evangelischer Pfarrer in der ostpreußischen deutsch-litauischen Gemeinde Tollmingkehmen war. Dies ist für die Kreisgruppe Anlass, einen Blick in jene mal Preußisch Litauen, mal Kleinlitauen genannte Gegend zu werfen, die im 18. Jahrhundert die Wiege der neueren litauischen Literatur war. Heute liegt sie im Kaliningrader Gebiet, dem russischen Teil Ostpreußens. Auf Initiative Litauens wurden die Kirche in Tollmingkehmen und auch das Pfarrhaus wiedererrichtet. Dabei konnte auch die Grabstelle des Dichters ausfindig gemacht und würdevoll hergerichtet werden. Während ihrer Kurzreise nach Wilna durfte die Gruppe erleben, welch großen Stellenwert dieser in Deutschland kaum bekannte Ostpreuße in der litauischen Geistesgeschichte hat und in welchem Maße bereits die Schuljugend von ihm erfährt. Mitglied Klaus Papies trägt ein Lebensbild des Pfarrerdichters vor und wird dann aus dem Vers-epos „Die Jahreszeiten“ rezitieren, in dem Donalitius das karge bäuerliche Leben seiner preußisch-litauischen Gemeinde kraftvoll, farbenfroh und bisweilen mit dem erhobenen Zeigefinger des gottesfürchtigen Predigers schildert. Der Eintritt ist frei.

Bremerhaven – 60 Jahre Patenschaft Bremerhaven-Elbing – Am 16. Mai 1954 wurde die Patenschaft zwischen Bremerhaven und Elbing begründet. Genau 60 Jahre später, am 16. Mai 2014, fanden sich Elbinger und Bremerhavener, Flüchtlinge, Vertriebene und Einheimische zu einer Gedenkfeier im Vorraum der Großen Kirche in Mitte ein, um dieses Ereignisses vor 60 Jahren zu gedenken. Unter der bronzenen Erinnerungstafel wurden Blumen niedergelegt: Ein Kranz der Seestadt Bremerhaven, ein Gesteck der Vertretung der Heimatkreise Elbing-Stadt und Elbing-Land, sowie eine Schale der Landsmannschaft Ost- /Westpreußen und Heimatkreis Elbing, Gruppe Bremerhaven. Günter Kuhn, der Vorsitzende der beiden Heimatkreise Elbings, begrüßte die knapp 30 Gäste und dankte der Seestadt, dass sie die Verbindung zu den vielen Elbingern und anderen vertriebenen Ostdeutschen, die hier nach dem Zweiten Weltkrieg ihre zweite Heimat gefunden hatten, mit der Urkunde über die Patenschaft vom 16. Mai 1954 manifestiert hatte.

Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken überbrachte die Grüße der Stadtverordnetenver-sammlung und des Magistrats und gab seiner Freude Ausdruck, dass die Partnerschaft zwischen den Bremerhavenern und den Elbingern nun wieder intensiv gepflegt werde. Er dankte Günter Kuhn, dass dieser seine Landsleute seit der Elbing-Ausstellung 2004 in der Wilhelm-Raabe-Schule in Bremerhaven anlässlich der 50-Jahr-Feier der Patenschaft zu regelmäßigen jährlichen Treffen im Oktober in die Seestadt eingeladen hat. Am 11. und 12. Oktober 2014 findet das nächste statt.

Die Urkunde über die Patenschaft zwischen den beiden Hafenstädten habe – so der Stadt-verordnetenvorsteher – zwar keine aktuelle, aber eine hohe historische Bedeutung. Auf jeden Fall bleibe ihre Berechtigung erhalten, denn die Stadt Bremerhaven wolle „den aus ihrer angestammten ostdeutschen Heimat vertriebenen Elbingern einen Sammelpunkt menschlicher und kultureller Gemeinschaft geben und damit die vertrauensvollen Beziehungen vertiefen“, so heißt es im Text vom 16. Mai 1954. Ein mutiger Satz neun Jahre nach dem verheerenden Zweiten Welt-krieg, eingedenk der Tatsache, dass nicht überall in der Bundesrepublik Deutschland angesichts von 12 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen das Verhältnis zu den Einheimischen im zerbombten Westen ungetrübt war.

Vor Beginn des zweiten Teils im Innern der Großen Kirche zündeten die Teilnehmer Kerzen zum Gedenken an die verstorbenen Elbinger an, die in ihrer Heimatstadt oder hier in Bremerhavener Erde ruhen. Pastor Dirk Scheider von der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche rief in seiner Predigt über den Psalm 137 zur Versöhnung zwischen den Völkern und den Menschen auf, denn eine Kollektivschuld für ein ganzes Volk gäbe es nicht, wohl aber ein „überindividuelles Unrecht“, das die geistigen Verursacher dieser sechsjährigen Katastrophe begangen haben. Heute sei Ostdeutschland ein Teil Polens und eine Exklave Russlands (Oblast Kaliningrad). Die nach dem Zweiten Weltkrieg dort geborenen Einwohner nennen die ehemaligen deutschen Ostgebiete ihre Heimat. Die Menschen müssen aufeinander zugehen und Verständnis für die andere Seite zeigen, so schwer das auch manchmal sei. Ein Gebet des Pastors für alle Leidtragenden dieser Erde beendete die kirchliche Andacht.

Den dritten Teil eröffnete die Bremerhavener Vorsitzende der Landsmannschaft Ost-/West-preußen und Heimatkreis Elbing, Marita Jachens-Paul, in der Gemeindestube der Großen Kirche. Sie dankte dem Stadtverordnetenvorsteher Beneken für sein Dabeisein und seine Worte, Pastor Scheider für seine geistliche Begleitung sowie allen Teilnehmern für ihr Kommen. Die Gruppe Bremerhaven der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen arbeite seit zehn Jahren mit dem Heimatkreisvertreter Elbing-Stadt und -Land, Günter Kuhn, und seinem Vorstand eng zusammen, um die Patenschaft zwischen den Bremerhavenern und den Elbingern mit Leben zu erfüllen. Die Ausstellung 2004 in der Wilhelm-Raabe-Schule sei der „Neustart“ gewesen. Einige der Exponate werden im Oktober 2014 beim Bundestreffen der Elbinger auf der Terrasse des „Haus am Blink“ des BEW noch einmal aufgebaut werden.

Ein kleines Sektfrühstück und viele gute Gespräche über Elbing und Bremerhaven als zweite Heimat vieler Ostdeutscher rundeten einen bedeutungsvollen Tag in der Geschichte der Patenschaft zwischen den beiden Hafenstädten ab.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Sonntag, 15. Juni, 11 Uhr, St. Johanniskirche, Hamburg-Harburg, Bremer Straße 9: Ostpreußischer Heimatgottesdienst.

KREISGRUPPE

Heiligenbeil – Sonnabend, 21. Juni, 14 Uhr, Seniorentreff der AWO, Bauerbergweg 7 (zu erreichen mit der Buslinie 116 von den U-Bahn-Stationen Hammer Kirche, Billstedt oder Wandsbek-Markt): Sommerfest. Alle Mitglieder und Freunde der Gruppe sind herzlich eingeladen, mit Kaffee, Kuchen und einem Filmvortrag über „Rominten – eine ostpreußische Jagdlegende“ in geselliger Runde einige fröhliche Stunden miteinander zu verbringen. Der Kostenbeitrag für Kaffee, Kuchen und Filmvortrag beträgt 5 Euro. Anmeldung bei Lm. Konrad Wien, Telefon (040) 53254950 bis zum 20. Juni.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Osterode – Sonnabend, 21. Juni, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572, Hamburg-Ohlsdorf: Sommerfest. Einladung zu einem fröhlichen, gemütlichen Nachmittag. Beginn mit einer gemeinsamen Kaffeetafel, danach Singen von Sommerliedern und Plachandern.

BEZIRKSGRUPPE

Hamburg-Harburg – Sonntag, 15. Juni, 11 Uhr, St. Johannes-Kirche, Bremer Straße 9 (zu erreichen mit der S-Bahn, Linie S3 und S31 bis zur Station Harburg-Rathaus): Ostpreußischer Heimatgottesdienst. Die Predigt halten Pastorin Sabine Kaiser-Reis und Gastpastor Fedinges aus Litauen. Die musikalische Umrahmung übernimmt Johann Gottlieb Janitsch. Im Anschluss lädt die Gemeinde zum Gespräch bei Kaffee, Tee und Gebäck in das Gemeindehaus ein.

Hamburg-Wilhelmsburg – Montag, 30. Juni, 15 Uhr, „Waldquelle“, Meckelfeld, Höpenstraße 88, (mit Bus 443 bis Waldquelle): Heimatnachmittag. Achtung! Im Juli und August finden keine Heimatnachmittage statt.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt-Dieburg – Sonnabend, 14. Juni, 15 Uhr, Luise-Büchner-Haus: Treffen vor der Sommerpause. Nach der Kaffeetafel gibt es einen Bericht über das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel.

Hanau – Sonnabend, 14. Juni, 14.30 Uhr, Sandelmühle Philipp, Schleißnerweg 2: Sommerfest. Nach der gemeinsamen Kaffeetafel gemeinsames Singen heimatlicher Volkslieder. Zwischendurch werden ostpreußische Geschichten und Gedichte vorgetragen. Beiträge der Gäste sind erwünscht. Die Gruppe hofft auf zahlreichen Besuch, Freunde und Bekannte sind willkommen. – Jeden zweiten Mittwoch im Monat trifft sich die Frauengruppe im Café Menges.

Wiesbaden – Donnerstag, 12. Juni, 12 Uhr, Gaststätte Haus Waldlust, Ostpreußenstraße 46: Stammtisch. Serviert wird Spargel mit Schinken. Es kann auch nach der Speisekarte bestellt werden. Anmeldungen bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938. – Dienstag, 17. Juni, 8.30 Uhr, Wiesbaden-Hauptbahnhof, Busbahnsteig 1, hinter der Aral-Tankstelle: Treffen der Frauengruppe. „Mit dem Omnibus unterwegs“. An der Busfahrt zum Weinbauort Großfischlingen können noch Mitglieder und Freunde der LO teilnehmen. Anmeldung bei Helga Kukwa, Telefon (061) 373521. – Sonnabend, 21. Juni, 15 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Friedrichstraße 35: Monatstreffen. Kaleidoskop ostpreußischer Frauen. Porträts bedeutender Frauen der Heimat: Dorothea von Montau, der Patronin des Deutschen Ordens und Preußens, der Natur- und Heimatdichterin Johanna Ambrosius, der Schriftstellerin Erminia von Batocki und weiteren. Bitte auch Freunde und Bekannte mitbringen.

Wetzlar – Montag, 16. Juni, ab 19 Uhr, Wetzlarer Grillstuben, Stoppelberger Hohl 128: Rudolf Virnich berichtet über die Suche nach Spuren seines Evakuierungsaufenthalts in Ostpreußen während des Zweiten Weltkriegs. Gäste sind willkommen. – Bericht – „Beim Ende des Zweiten Weltkriegs haben sich unsere Diakonissen nicht auf eine Flucht in den Westen eingestellt.“ Sie seien geblieben, um den Kranken, Behinderten und Kindern in ihren zahlreichen Einsatzorten Ostpreußens nahe zu sein. Davon hat der langjährige Vorsteher des Königsberger Diakonissen-Mutterhauses, Pfarrer Dieter Nebeling, beim Monatstreffen im Mai berichtet. Bei seinem Studium von erhalten gebliebenen Archivakten habe er immer wieder darüber gestaunt, mit welchem Pflichtbewusstsein die Schwestern damals ihren Dienst versehen hätten. Vor allem aus den regelmäßigen Rundbriefen der damaligen Oberin Renata Gräfin zu Stolberg-Wernigerode gehe hervor, wie zupackend sie in dieser angstvollen und lebensbedrohenden Zeit 1944/1945 in ihren Dienstorten die Stellung gehalten hätten. „Ihre Schutzbefohlenen brauchten jemanden, der in der Katastrophe des zu Ende gehenden Krieges bei ihnen blieb.“ Zahlreiche Einrichtungen, in denen die Diakonissen überall in der ehemals deutschen Ostprovinz tätig gewesen waren, seien plötzlichen Bombenangriffen der Westalliierten und der Angst vor der herannahenden Sowjetarmee ausgesetzt gewesen. Das 1850 in der Provinzhauptstadt Königsberg gegründete Mutterhaus sei für die damals herrschenden Nationalsozialisten eine „unliebsame Einrichtung“ gewesen. „Immer wieder mussten die Schwestern nach neuen Unterkünften für ihre Schutzbefohlenen sorgen.“ So hätten die Patienten des Tilsiter Stadtkrankenhauses in weiter westlich gelegene Schulen verlegt werden müssen. Für die Lepra-Kranken in Memel hätten sie in Königsberg eine neue Bleibe suchen müssen. Ohne Gedanken an eine Flucht hätten sie schließlich für 40 Kinder dort auch eine improvisierte Unterkunft gefunden. Es sei für ihn eine Rätsel, wie es die Diakonissen in ihren weit verstreut liegenden Arbeitsfeldern Ostpreußens geschafft haben, unter den chaotischen Lebensverhältnissen des Kriegsendes den Kontakt zur Zentrale im Königsberger Mutterhaus zu halten, und andererseits Oberin Renata bis zu ihrem plötzlichem Tod am 22. Februar 1946 mit ihren Rundbriefen die über 800 Frauen starke Schwesternschaft zusammenzuhalten. „Da kann man nur staunen, mit welchem Gleichmut, Gottvertrauen und welcher Selbstverständlichkeit unsere Diakonissen damals ihren Dienst versehen haben“, schloss Pfarrer Nebeling seinen Bericht.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Helmstedt – Donnerstag, 12. Juni, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Treffen der Gruppe.

Oldenburg – Mittwoch, 11. Juni, 15 Uhr, Stadthotel Eversten: Nächstes Nachmittagstreffen. Der in Breslau geborene Künstler Joachim Kusber, heute Rastede, wird sein Werk vorstellen. Freunde und Gäste sind herzlich willkommen.

Rinteln – Donnerstag, 12. Juni, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen. Ekkehard Schlicht, Bad Salzuflen, spricht über „Die großen Plagen in Ost- und Westpreußen“. Der Eintritt ist frei. Neben den Mitgliedern der Gruppe sind auch Freunde und interessierte Gäste aus Nah und Fern herzlich willkommen! Weitere Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 5386 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bielefeld – Donnerstag, 5. Juni, 15 Uhr, Wilhelmstraße 13, 33602 Bielefeld: Gesprächskreis der Königsberger und Freude der ostpreußischen Hauptstadt. – Donnerstag, 26. Juni, 15 Uhr, Wilhelmstraße 13, 33602 Bielefeld: Heimatliteraturkreis mit Johannisfeier. – Die Kreisgruppe Bielefeld fährt am 20. Juli mit einem Reisebus zum „Kleinen Ostpreußentreffen“ nach Schloss Burg an der Wupper. Interessenten sind eingeladen mitzufahren, weitere Informationen unter Telefon (0521) 175170 (Donnerstag, 16 bis 17 Uhr).

Bonn – Ein außergewöhnliches Erlebnis-Konzert des Ensembles Legende aus Königsberg – Ein besonderes Ereignis im Jahre 2014 und ein großer kultureller Genuss fand unter der Schirmherrschaft des BdV Bonn und der beteiligten Landsmannschaften, dabei federführend die Landsmannschaft Ostpreußen, am 13. Mai bei einem Abendkonzert des Vokalensembles Legende aus Königsberg im Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott statt. Mehr als 70 Konzertbesucher lauschten andächtig dem Gesang der jungen russischen Damen dieses Vokal-ensembles, die alle professionell ausgebildete Sängerinnen sind. Etwa ein Dutzend der Konzertbesucher war selbst noch in Königsberg geboren. Das Ensemble Legenda wurde im Mai 2004 von Ida Piskun, die auch als Musiklehrerin tätig ist, gegründet. Aus seinem reichen Repertoire an geistlichen Liedern, Romanzen sowie russischen, weißrussischen, ukrainischen und deutschen Volksliedern hat das Ensemble als Botschafterinnen des Friedens und der Deutsch-Russischen Freundschaft ein buntes Potpourri vorgetragen. Dabei hat das Ensemble durch seine Darbietungen auf hohem künstlerischem Niveau mehr als überzeugt. Die Interpretation der vorgetragenen Musikstücke war einzigartig. Die Schönheit der Stimmen, die flexible Dynamik und Tonfülle sowie die reine und ausdrucksvolle Intonation zogen das Publikum in ihren Bann. Als die jungen Damen begannen, deutsche Lieder wie „Ännchen von Tharau“, „Land der dunklen Wälder“, „Margret am Tore“ und auch den Westerwald-Marsch zu singen, haben alle Konzertgäste mit kräftigen Stimmen und großer Begeisterung mitgesungen. Eine ganz besondere Ehre war es für die junge Pianistin, die das Ensemble musikalisch begleitete, auf dem 100 Jahre alten Originalflügel von Gerhart Hauptmann zu spielen. Sie spielte mit solcher Inbrunst, dass ein Konzertgast, der selbst professioneller Sänger war, ihr das Kompliment machte, dass er noch nie so begeistert, wie von ihrem Spiel auf gerade diesem Flügel war. Das Ensemble hat bestätigt, dass dieser Auftritt im Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott zu den größten und erfolgreichsten Auftritten seit Bestehen des Ensembles gehört. Viele Konzertgäste nutzten vor oder nach dem Konzert das Restaurant des Hauses Schlesien, welches vorzügliche schlesische Küche bietet. Ein besonderer Dank gebührt Herrn Stirken vom Haus Schlesien für seine Gastfreundschaft. Zu Hause in Königsberg gibt das Ensemble jeden Sonntag im Königstor ein Mittagskonzert. Dort ist übrigens auch ein gut bestücktes Museum über die Zarenfamilie sowie das Haus Hohenzollern eingerichtet.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft. – Dienstag, 10. Juni, 19 Uhr, GHH/Konferenzraum: „Kaiserdämmerung – Der Schattenwurf des Jahres 1914“. Gespräch mit Dr. Susanne Brandt und Prof. Dr. Holm Sundhaussen. – Mittwoch, 11. Juni, 19 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Konzert mit dem Malinconia-Ensemble Stuttgart anlässlich des 300. Geburtstages von Christoph Willibald Gluck (1714–1787). – Donnerstag, 12. Juni, 8.45 Uhr: Tagesfahrt nach Kleve, der grünen Insel zwischen Rhein und Maas. – Donnerstag, 12. Juni, 19.30 Uhr, GHH/Raum 412: Offenes Singen mit Barbara Schoch. – Freitag, 13. Juni, 18 Uhr, Restaurant Lauren’s, Bismarck-straße 62: Stammtisch. – Sonnabend, 14. Juni, 10 Uhr, Infostand Hauptbahnhof: Wandertreff. Ziel: Oberschlesisches Landesmuseum, Hösel. „Mobilität in Schlesien“ und „Schönwälder Stickerei“. – Montag, 18. Juni, 19 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Lesung mit Peter Härtling „Wer erzählt, erinnert sich“. – Sonntag, 22. Juni, 11 Uhr, Savoy-Theater: Lesung mit Hanna Schygulla „Wach auf und träume“. – Freitag, 27. Juni, 12.30 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal: Präsentation des Schulprojekts „Als im Gurkenhaus die Häuser wuchsen“.

Essen – Freitag, 20. Juni, 15 Uhr, Gastronomie St. Elisabeth, Dollendorfstraße 51, 45144 Essen: Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel am 17./18. Mai. Berichte der Teilnehmer der Gruppe. – Einladung zum 25. Ortstreffen „Prohlen, Kallacken, Alt Vierzighuben, Kronau und Umgebung“ am Sonnabend, 23. August, um 14 Uhr in der St. Anna Kapelle in Essen-Rellinghausen zu einer Dankmesse, die Pfarrer Norbert Klobusch hält. Danach um 15 Uhr Treffen in der Gaststätte Zum Blücherturm, Oberstraße 24, zum gemütlichen Beisammensein. Kuchen ist erwünscht. Anmeldungen bis zum 10. August bei Paula Bujna, geb. Behlau, Telefon (0201) 718602.

Gütersloh – Mittwoch, 12. Juni, 15.30 Uhr, Gütersloher Brauhaus, Unter den Ulmen 9: Ostpreußische Frauengruppe.

Hemer – In Zusammenarbeit mit dem Bürger- und Heimatverein Hemer sowie dem Kulturzentrum Ostpreußen, Ellingen wird die Ausstellung „Ostpreußen verzaubert“ in der Zeit vom 4. Juni bis 20. Juli gezeigt. Ausstellungsort: Felsenmeermuseum Hemer, Hönnetalstraße 1, 58675 Hemer. Öffnungszeiten: Montags und Sonnabends geschlossen; Dienstag und Freitag 11 bis 13 Uhr, und 15 bis 17 Uhr; Mittwoch und Donnerstag 15 bis 17 Uhr; Sonntag 11 bis 13 Uhr. Informationen beim Museum unter Telefon (02372) 16454, bei Klaus-Arno Lemke unter (02372) 12993; E-Mail: felsenmeer-museum@web.de lemke@ostpreussen-nrw.de. Internet-Präsenz: www.felsenmeer-museum.de. Leverkusen – Sonnabend, 21. Juni, 15 Uhr, Haus Ratibor, Küppersteger Straße 56: Die Kreisgruppe möchte, wie jedes Jahr, mit ihren Mitgliedern und vielen gern gesehenen Gästen den Sommer begrüßen. Beginn mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken. Ein fröhliches, abwechslungsreiches Programm wird geboten, auch mit Wettbewerbsspielen jeglicher Art. Um rege Teilnahme wird gebeten. Die Sieger erwartet ein Gewinn. Ein gemeinsames Abendessen zu einem sehr geringen Preis wird von den eifrigen Helfern vorbereitet. Um eine Kuchenspende wird herzlich gebeten. Der Erlös wird, wie bekannt, für die Weihnachtsfeier verwendet. Informationen bei Frau Pelka, Telefon (0214) 95763.

Witten – Montag, 16. Juni, 15 Uhr, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Ostpreußische Kaffeetafel mit Gesang und Musik.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Ludwigshafen/Rhein – Mittwoch, 11. Juni, 13 Uhr, Kasino am Kurpark: Treffen der Gruppe. Spaziergang nach Bad Dürkheim in den Kurpark.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Donnerstag, 26. Juni, 14 Uhr, Römerpassage 1: Besuch des Isis- und Mater Magna-Heiligtums mit Führung. Treffpunkt vor dem Eingang des Isis- und Mater Magna-Heiligtums.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Freitag, 13. Juni, 16 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises. – Sonnabend, 15. Juni, 14 Uhr, Sportgaststätte Spielhagenstraße: Treffen der Gruppe. Thema: „Bekanntes und Unbekanntes“. – Dienstag, 24. Juni, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Landesgruppe – Sonntag, 15. Juni, 10 Uhr, Haus der Heimat, Kiel: Vertreterversammlung der Landesgruppe Schleswig-Holstein e. V. Tagesordnung: 1. Begrüßung und Eröffnung durch den Landesvorsitzenden Edmund Ferner, 2. Totenehrung durch Dietrich Recke, 3. Grußworte, 4. Ehrung, 5. Feststellung der Ordnungsmäß- igkeit der Einladung, 6. Genehmigung des Protokolls der Vertreterversammlung vom 16. Juni 2013, 7. Bericht des Landesvorsitzenden Edmund Ferner, zugleich in der Funktion des Kulturreferenten, 8. Singen ostpreußischer Volkslieder mit Begleitung, 9. Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2013, Schatzmeisterin Margarete Beyer, 10. Entgegennahme des Kassenprüfungsberichtes durch Regina Gronau, 11. Aussprache zu den Berichten, 12. Entlastung des Vorstandes und der Schatzmeisterin, 13. Wahl eines Versammlungsleiters für den zu wählenden Landesvorstand (Landesgruppe Schleswig-Holstein), 14. Wahlen a) Landesvorsitzender, b) Stellvertreter, c) Schriftführer, d) Schatzmeister/in, e) Beisitzer, f) Kassenprüfer/in, 15. Genehmigung des Haushaltsplanes für das Jahr 2014, 16. Beiträge in Ostpreußischer Mundart, Gerd Höpfner, 17. Mittagspause, 18. Tannenberg 1914, Dr. Manuel Ruoff, 19. Aussprache, 20. Ostpreußische Küchenlieder und Geschichten, Gerta Heikenah, 21. Kaffeepause, 22. Anträge und Verschiedenes, 23. Die Vertreterversammlung schließt mit dem Ostpreußenlied.

Bad Schwartau – Donnerstag, 12. Juni: Ein erlebnisreicher Tag mit den Ostpreußen. Es startet der Tagesausflug der Landsmannschaft Ostpreußen nach Hamburg zum Polizeimuseum, das erst im März d. J. eröffnet wurde, aber bereits bis Ende 2014 bei den Führungen ausgebucht ist. Abfahrt ZOB Bad Schwartau um 8 Uhr. Beginn der Führung um 11 Uhr. Das Polizeimuseum ist barrierefrei. Alle Etagen sind über einen Fahrstuhl zu erreichen. Da das Museum sich auf dem sicherheitsüberwachten Gelände der Akademie der Polizei Hamburg befindet, müssen sich Besucher ausweisen können – also Personalausweis oder Pass mitbringen.

Mittagessen gibt es in der Polizeikantine, und am Nachmittag werden die Teilnehmer von Frau von Witzendorff auf ihrem Gutshof Groß Zecher am Schaalsee erwartet. Bei Kutschertorte und Kaffee oder Tee in der „Kutscherscheune“ können sich dann alle von den Erlebnissen im Polizeimuseum erholen. Preis inklusive 45 Euro. Um baldige Anmeldungen bei Gisela Rowedder, Telefon (04504) 3435 oder Regina Gronau, Telefon (0451) 26706 wird gebeten.

Neumünster – Die Gruppe fährt am 12. Juni – Abfahrt 10.30 Uhr, Einstieg Katholische Kirche Bahnhofstraße – nach Schwabstedt/Friedrichstadt. Anmeldungen, bitte bis zum 6. Juni, und weitere Informationen unter Telefon (04321) 82314. – Bericht – Das monatliche Treffen der Kreisgruppe fand am 14. Mai im Restaurant am Kantplatz statt. Anschließend besuchte die Gruppe das Lötzener Heimatmuseum, das nun nach 11 Umzügen einen idealen Standort in der Sudetenlandstraße in der Böcklersiedlung gefunden hat. Lötzen so fern und doch so nah. – Eine einmalige, schöne und übersichtliche Ausstellung bringt Masuren nach Neumünster. Viele unterschiedliche Ausstellungsstücke stehen und hängen im Raum, aber auch viele geheimnisvolle Exponate findet man in den Vitrinen. Landkarten, Trachten, Bücher, wertvolle Tagebücher, alte Bierkrüge, von der Flucht gezeichnete Koffer, wertvolle Museumsstücke, die Geschichte schreiben. Wechselnde Bildausstellungen sind zu betrachten. Werke von dem Bildhauer Georg Fuhg, der von 1951 bis 1976 in Neumünster lebte, sind zu bewundern. Seine Büste hat einen Ehrenplatz erhalten. Die Archivarin Ute Eichler verstand es, fachkundig und interessant über ihr Archiv, über die vielfältigen Sammelgegenstände zu berichten. Die Teilnehmer waren von einem Stückchen ostpreußischer Heimat umgeben. Die Teilnehmer danken Frau Eichler für den beeindruckenden Nachmittag im Lötzener Heimatmuseum.

Pinneberg – Sonntag, 15. Juni, 15 Uhr: Treffen der Gruppe. Sommer, Sonne, Urlaubspläne. „Zogen einst fünf wilde Schwäne“. Informationen unter Telefon (04101) 62667, oder (04101) 73473.


S. 18-19 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

BRAUNSBERG

Kreisvertreter: Manfred Ruhnau, Tel.: (02241) 311395, Fax (02241) 311080, Bahnhofstraße 35 b, 53757 Sankt Augustin. Geschäftsstelle: Stadtverwaltung Münster, Patenstelle Braunsberg, 48127 Münster, Tel.: (0251) 4926051.

Reiseplan zum 10. Kreistreffen der Kreisgemeinschaft Braunsberg in der Heimat: 1. Tag, Sonnabend, 28. Juni: Abfahrt des Busses von Deutschland nach Posen zur Übernachtung im Hotel „Novotel“. 2. Tag, Sonntag, 29. Juni: Weiterfahrt über Gnesen nach Thorn, Stadtbesichtigung und Mittagspause. Weiterfahrt zur Übernachtung in Braunsberg, Hotel „Kristal“ oder Hotel „Kopernik“ in Frauenburg. 3. Tag, Montag, 30. Juni: Rundfahrt durch den Kreis, Tagesabschluss: Messe für den Ehrenvorsitzenden Gerhard Steffen in der Kirche zu Pettelkau. 4. Tag, Dienstag, 1. Juli: Besichtigung der Marienburg mit Führung, Rundgang durch die Stadt Elbing, Rückfahrt zu den Hotels in Braunsberg und Frauenburg. 5. Tag, Mittwoch, 2. Juli: Frauenburger Dombesichtigung mit Orgelkonzert, Besuch unseres Gedenksteines, Überfahrt von Frauenburg nach Kahlberg, Bademöglichkeit, Fischessen, und zurück per Schiff. 6. Tag, Donnerstag,

3. Juli: Fahrt nach Nikolaiken, Übernachtung im Hotel Robert‘s Port, Besichtigung von Nikolaiken, nach dem Abendessen Bootsfahrt auf dem Spirdingssee. 7. Tag, Freitag, 4. Juli: Fahrt nach Kruttinnen, Bootsfahrt, Staken, Mittagessen im Hotel Habenda, Besuch des Bauernhausmuseums der Frau Christel Dickti in Zondern [Sadry 3], Sensburg [11-700 Mragowo], Ernst Wichert Haus in Peitschendorf [Piecki]. 8. Tag, Sonnabend, 5. Juli: Fahrt nach Wuttrienen [Butryny], Kreis Allenstein: Gedenkstein-Enthüllung der Kreisgemeinschaft Braunsberg zu Ehren eines Bischofs aus Braunsberg, (wird noch von Andre Schmeier ausgesucht), Rück-fahrt über „Heilige Linde“ mit Orgelkonzert, zurück zur Übernachtung in Braunsberg und Frauenburg. 9. Tag, Sonntag, 6. Juli: Abfahrt nach Danzig, Stadtführung, Besuch der Klosterkirche Oliwa, Seesteg Zoppot, Übernachtung im Hotel „Muzyka“ unweit der Altstadt. 10. Tag, Montag, 7. Juli: Weiterfahrt über Lauenburg – Stolp nach Stettin, Stadtrundfahrt und Schloßbesichtigung, Übernachtung im Hotel „Radisson“.

11. Tag, Dienstag, 8. Juli: Rückfahrt nach Deutschland zu den Zusteigestellen der Hinfahrt. Kleine Programm-Änderungen sind noch vorbehalten. Es sind noch Plätze frei. Um umgehende Anmeldung wird gebeten.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Hartmut Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Unter dem Motte „Ostpreußen hat Zukunft“ fand auf dem Messegelände in Kassel vom 17. bis 18. Mai das deutschlandweite Treffen der Ostpreußen statt. 5000 Besucher waren teils von weit her mit Bussen, Bahn oder Pkw angereist. Der Vorstand freute sich, dass auch 60 Teilnehmer aus der Kreisgemeinschaft Elchniederung die Strapazen der Anreise auf sich genommen hatten. Bei abwechslungsreichem Programm, musikalischer Untermalung und kulinarischen Angeboten gab es Zeit und Gelegenheit, alte Bekannte zu treffen und auch neue Kontakte zu knüpfen. Am Verkaufsstand gab es eine große Nachfrage nach Büchern und Karten des Kreises. Viele Teilnehmer brachten alte Fotos mit, die vor Ort eingescannt wurden und so dem Bildarchiv Ostpreußen zur Verfügung gestellt werden können. So bleiben diese Erinnerungsstücke auch den nächsten Generationen erhalten. Da sich unter den Besuchern auch immer wieder Ostpreußen oder deren Nachfahren befinden, die zum ersten Mal an einem Treffen teilnehmen, konnten neue Kontakte geknüpft und Anschriften ausgetauscht werden. Die Kreisgemeinschaft Elbniederung hofft, dass dieses erfolgreiche Treffen dazu führt, dass sich beim nächsten Kreistreffen vom 12. bis 14. September in Bad Nenndorf genauso viele Besucher einfinden, um Bekannte zu treffen, sich gemeinsam zu erinnern und zu plachandern.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Es passte: Am 25. Mai 2014 war Europawahl und am Tag zuvor bot das Lötzener Heimatmuseum, zusätzlich zur regulären Öffnungszeit von 10 bis 16 Uhr, eine Veranstaltung unter dem Titel „Von Neumünster über Breslau [Wroclaw] nach Brüssel“ an. Kristine August, eine junge Neumünsteranerin, die seit drei Jahren in Brüssel arbeitet, berichtete über ihren interessanten beruflichen Werdegang. Abitur an der Holstenschule in 2003, dann Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Europastudien in Lüneburg, in Breslau und in Kopenhagen. Abschluss als Diplom-Ökonom. Praktikantin bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn und seit 2011 Referentin für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Helmholtz-Gemeinschaft Deutsche Forschungszentren in Brüssel. In den Mittelpunkt ihrer Ausführungen stellte sie – auf Wunsch der einladenden Betreuerin des Lötzener Heimatmuseums – die zwei in Breslau in 2005/06 an der Leopoldina absolvierten Semester. Von ihr per Beamer projiziertes Bildmaterial veranschaulichte die Sehenswürdigkeiten der größten Stadt Schlesiens. Kristine August machte aber auch deutlich, wie sie im Verlauf fast eines Jahres sowohl Alltagsleben als auch Beispiele für die Umbruchphase, die nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union einsetzte, miterlebte. Auf alle Fragen zu ihren Erfahrungen als Studentin in Polen gab sie erfrischend Antwort.

Eine junge Referentin einzuladen – hier hatte es im Vorfeld die Wirkung, dass die Altersspannbreite der Besucher der Veranstaltung wuchs; Jugend zieht Jugend nach! Faszinierend war am Ende der Veranstaltung zu beobachten, wie gut der älteste Besucher, der sich im 95. Lebensjahr befindende Georg Fellmann, Stadtbaurat a. D., und die sechseinhalb Jahrzehnte jüngere Referentin miteinander ins Gespräch kamen – über das sie verbindende Interesse an der Architektur Breslaus. Georg Fellmann, der Mitte der 50er Jahre verantwortlich den Aufbau der Böcklersiedlung in Lötzens Patenstadt Neumünster leitete, kennt als Schlesier Breslau noch aus der Vorkriegs- und Kriegszeit. Kristine August – Kind ihrer Zeit – kennt zwar den deutschen Namen der Stadt, hat aber in Wroclaw studiert. Das ist kein Hindernis, sich auszutauschen, das Sich-einander-Zuhören als Bereicherung zu empfinden. Auch das kann ein kleines Heimatmuseum leisten!

Das von der verantwortlichen Betreuerin für Archiv und Heimatmuseum der Kreisgemeinschaft Lötzen, Ute Eichler, erarbeitete Programm für Besuchergruppen hatte am 14. Mai Premiere. Die Gruppe der Ost- und Westpreußen in Neumünster, frühzeitig durch ihre Leiterin Brigitte Profè zu einem Besuch angemeldet, war gekommen, um den neuen Standort dieser Einrichtung kennenzulernen und möglichst viel Interessantes zu erfahren. Das scheint gelungen zu sein. Die 35 Teilnehmer dieser Nachmittagsveranstaltung gingen informiert und mit „Geschichten aus der Geschichte“ gut unterhalten, und es bleibt zu hoffen, dass jeder zufriedene Besucher der Lötzener Heimatsammlung in seinem Umfeld als Werbeträger wirkt.

Am 26. Mai wurde eine noch größere Gruppe, die des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes und ihrer Gäste, begrüßt und mit dem Programm, das sowohl die Besonderheiten des Kreisarchivs als auch Besonderheiten der Lötzener Heimatsammlung vorstellt, in variierter Form unterhalten. Immer wieder staunen die Besucher nicht nur über das Alter der Lötzener Heimatsammlung (59 Jahre) und die Zahl der in der Patenstadt zurückgelegten Umzüge (sie befindet sich an der neunten Adresse), sondern auch über den Sammlungsbestand dieses Archivs und seine zu leistenden Aufgaben und über Besonderheiten unter den Exponaten der ständigen Ausstellung. Mit den Weg- und Bewahrgeschichten eines alten Reservistenkruges, eines über hundertjährigen Koffers und der Transportkiste eines Lötzener Traditionsgeschäftes öffnete Ute Eichler den Besuchern die Augen und Ohren dafür, was uns einfache Gegenstände aus der Vergangenheit erzählen können. Besonders spannend fanden die Teilnehmer folgende Beispiele aus dem Archivbestand: Die Tagebücher der Henriette Schneider, die Erinnerungen des Max Wittke aus Milken, den Bauplan für ein Lötzener Heimatmuseum aus dem Jahr 1935. Doch auch „Lötzen, die Perle Masurens“ konnte beworben werden (Katalog zur gleichnamigen Tafelausstellung) und die DVD „Lötzen – eine ostpreußische Kreisstadt“ – beides vor wenigen Jahren mit reichhaltigem Bild-, Karten- und Informationsmaterial aus dem Lötzener Archiv erarbeitet.

Das Interesse beider Besuchergruppen ließ sich leicht auf die zurzeit noch vorhandene Sonderausstellung „Ostpreußen, wie es war – Kindheitserinnerungen in der Malerei der Helene Dauter“ lenken. Die Betrachtung der 26 Gemälde lud zu Gespräch und Vergleich mit der eigenen Kindheit ein.

Für die nächsten drei Monate liegen bereits Anmeldungen von Gruppen für das „Kennlern-Programm“ von Archiv und Lötzener Heimatmuseum in der Patenstadt Neumünster vor; im August kommt zum Beispiel eine Gruppe Geografen von der Universität Hamburg.

Sonnabend, 21. Juni, 10 bis 16 Uhr, Lötzener Heimatmuseum, Sudetenlandstr. 18 h (Böcklersiedlung) in der Patenstadt Neumünster: Letzte Gelegenheit „Ostpreußen, wie es war – Kindheitserinnerungen in der Malerei von Helene Dauter“ zu sehen. Die 26 Gemälde zeigen Alltag im Fischerdorf Gilge, Szenerien am Kurischen Haff und auf der Kurischen Nehrung.

Sonnabend, 28. Juni, 14 Uhr, Lötzener Heimatmuseum, Sudetenlandstr. 18 h (Böcklersiedlung): „Meine Hauptstraße, meine Nbenwege“ – Retrospektive der Künstlerin Elena Steinke anläßlich ihres 50. Geburtstages. Herzliche Einladung zur Ausstellungseröffnung! Begrüßung und Einführung in das Werk: Ute Eichler. – Gelegenheit zum Gespräch mit der in Kaliningrad (Königsberg) geborenen Künstlerin. – Ausstellungsdauer bis 15. November 2014.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Zum zehnten Mal trafen sich 14 ehemalige Schülerinnen und Schüler mit Partnern und Freunden in Bad Pyrmont. Die „Schüler“ kamen aus Morgengrund, Mostolten und Siegersfeld aus dem Kreis Lyck.

Seit dem Jahr 2000 organisiert Anorthe Nilson / Czudnochowski aus Morgengrund diese Treffen. Es waren 26 Personen, die viel zu erzählen und zu lachen hatten. Mittlerweile sind viele Freundschaften entstanden.

Über die Kirche Baitenberg referierte unser Kreisältester Gerd Bandilla aus Mostolten. Neue Bilder von der Kirche und dem Glockenturm, auch von innen, brachte Anorthe Nilson mit. Das Läuten der Glocke konnten wir hören, es war schon ein bisschen Gänsehaut im Spiel. Diese CD war ein Geburtstagsgeschenk ihrer polnischen Freunde. Günter Donder aus Stettenbach begleitete unser Singen mit der Mundharmonika, er ließ uns eine Geschichte in masurischer Mundart hören. Martha Herrmann / Krappa aus Mostolten, mit 92 Jahren unsere Seniorin, überraschte uns mit selbstgestrickten Kätzchen. Zu Kaffee und Kuchen, gesponsert von den Brüdern Arnold, Walter und Günter Jastremski aus Morgengrund, die jetzt in Kanada leben, ging es durch den Kurpark zum Hotel Steigenberger. Bärbel Wiesensee (Mostolten), unsere Kreisvertreterin und Dieter-J. Czudnochowski (Morgengrund), stellvertretender Kreisvertreter und Seniorenkarteiwart (Glück-wunschschreiber), gaben einen Überblick ihrer Tätigkeiten für die Kreisgemeinschaft.

Mit dem Singen des Ostpreußenliedes beendeten wir unser Treffen. Danke an alle, die anwesend waren und zum Gelingen dieser schönen Tage beitrugen.

Wir sehen uns wieder vom 5. bis 7. Mai 2015 in Bad Pyrmont.

 

SENSBURG

Kreisvertreterin: Gudrun Froemer, In der Dellen 8a, 51399 Burscheid, Telefon (02174) 768799. Alle Post an: Geschäftsstelle Kreisgemeinschaft Sensburg e.V., Stadtverwaltung Remscheid, 42849 Remscheid, Telefon (02191) 163718, Fax (02191) 163117, E-Mail: info@kreisgemeinschaftsensburg.de, www. kreisgemeinschaftsensburg.de

Zu Beginn des Sorquitter Heimattreffens, zu dem sich auch eine stattliche Anzahl Warpuhner Landsleute gesellte, war der Raum mit 75 Heimatfreunden an drei langen Festtafeln gefüllt. Die Teilnehmer erhoben sich von ihren Plätzen. Aus dem Lautsprecher erklang das Glockengeläut der Sorquitter Kirche und versetzte die Anwesenden in eine andächtige Stimmung. Gleich danach erschall aus den kraftvollen Kehlen der Ostpreußen ihre Ostpreußenhymne. Nach der Begrüßung durch den Kirchspielvertreter, der auch die Warpuhner Teilnehmer herzlich willkommen hieß, begann seine Ansprache mit der Erinnerung an das Jahr 1957. Er versetzte die Zuhörer in die Zeit, als man sie in der Heimat nicht mehr duldete. Es war der Höhepunkt der Ausreisewelle auch im Kreis Sensburg. Die vielen dort noch verbliebenen Deutschen wollten dem Ungewissen ein Ende bereiten. Sie schauten gen Westen. In der Stadt Remscheid aber, die danach die Patenschaft für Sensburg übernommen hatte, gingen die Blicke gen Osten. Im Jahre 1957 feierten 2000 Sensburger gemeinsam das 3. Kreistreffen. „Wir werden nicht ruhen, bis man uns unsere Heimat zurückgibt“, erklang es aus den Lautsprechern im Remscheider Stadttheater. Das Motto dieser Begegnung des Jahres 1957 hieß: „Kein Verzicht auf die Heimat“. Der Sprecher vergegenwärtigte, dass die Zeit inzwischen über alle Geschehnisse hinwegging. Die politische Wende sei absichtlich von den Politikern der Großmächte so spät eingeleitet worden. Er spannte den Bogen bis zur heutigen Situation, wobei er das vereinte Europa nicht unerwähnt ließ, weil die vereinten Länder Europas – wie er zum Ausdruck brachte – in Wahrheit keine so vorbildliche Einheit praktizieren.

Buchholz informierte dann über den traditionellen Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen, der Anfang April in Berlin stattfand. Die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, habe sich die Teilnahme daran nicht nehmen lassen. Gerade durch ihre Teilnahme habe sie dem Empfang einen besonderen Aspekt verliehen. Die Kernaussage der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, „Deutschland geht nicht ohne die Vertriebenen“ habe die Bundeskanzlerin in ihrer gesamten Aussage voll übernommen. Sie beteuerte: „Die Heimatvertriebenen haben den Aufbau Deutschlands geprägt und auch die Politik mitgestaltet.“ Für diese Leistung dankte sie den Heimatvertriebenen und fuhr dann fort: „ …und diese verwalten einen Schatz, teilweise einen traurigen Schatz von Erlebnissen, der unwiederbringlich ist und der deshalb gepflegt, geachtet und bewahrt werden muss.“

„Das ist der Appell der Bundeskanzlerin an uns, liebe Heimatfreunde“, resümierte der Redner. „Es wird uns aufgetragen, dies im Blick auf unsere verlorene Heimat zu tun: Den Schatz der Erinnerung zu pflegen, zu achten und zu bewahren.“

Danach folgte ein eindrucksvolles Grußwort unseres Ehrenmitgliedes des Sensburger Kreistages, Gerhard Terner, der in einer wundervollen Weise ganz bewusst die ostpreußische Mundart hörbar werden ließ. Er berichte aus der Zeit seines Wirkens in der Kreisgemeinschaft, dankte dem Organisator für seinen Einsatz zum Gelingen der heimatlichen Zusammenkünfte, und er appellierte an die Sorquitter und Warpuhner, sich im treuen Gedenken an die Heimat zu den Kirchspieltreffen weiterhin zu begegnen.

Landsmann Werner Albrecht erzählte in seinen Ausführungen von einem Treffen der früheren Jahre. Dort sei ein Landsmann auf ihn zugekommen, den er nicht kannte und mit dessen Namen er nichts anfangen konnte. Inzwischen stehe er mit ihm, dem Sorquitter Kirchspielvertreter, in Verbindung und werde durch ihn zukünftig in die Sorquitter Vorhaben mit eingespannt. Albrecht, der ab Mitte August 2014 die Interessen des Sorquitter Kirchspiels mitvertreten wird, erinnerte dann in seiner Rede an die stets erlebnisreichen Zusammenkünfte, appellierte an die Zuhörer, sich auch ferner treu zur Heimat zu bekennen.

Nach dem Gedenken der Opfer des Zweiten Weltkrieges und der namentlichen Erinnerung der Landsleute beider Kirchspiele, die seit dem letzten Treffen verstorben sind, begann sich das eigentliche Programm des Tages abzuwickeln. Dazwischen gab es reichliche Informationen. So wurden auch Termine weiterer Treffen für 1914/15 bekanntgegeben. Anhand von Fotos einer CD erläuterte der Kirchspielvertreter seine vorjährigen Fahrten nach Sensburg.

Das Personal des Hotels verwöhnte uns in altbewährter Weise mit auserlesen Speisen, die vom Büfett gereicht wurden. Selbst gebackener Kuchen des Hotels und ein vorzüglicher Kaffee hielten die Gäste dann bis zum Ende der heimatlichen Begegnung bei guter Laune. So fühlte man sich nach der Fülle des Tages beim Auseinandergehen noch so frisch und fröhlich wie am frühen Morgen. Und den Kerngedanken des Tages „Heimat bleibt unvergessen“ und die Einladung zum nächsten Kirchspielreffen nahmen alle dankbar mit in ihren Alltag.

Manfred Buchholz

Sorquitter Kirchspielvertreter

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

In der Kreistagssitzung am 16. Mai in Kassel ging Kreisvertreter Dieter Neukamm in seinem Bericht zunächst auf das von der KG Tilsit-Ragnit organisierte Regionaltreffen der Kreisgemeinschaften Elchniederung und Tilsit-Ragnit sowie der Stadtgemeinschaft Tilsit 2013 in Soest ein. Die Teilnahme von 160 Landsleuten sei zufriedenstellend gewesen, zumal zeitgleich ein großes Ostpreußentreffen in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden habe. Hier sei eine bessere Terminabstimmung in der LO dringend erforderlich. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass das Rahmenprogramm des Treffens auf große Zustimmung gestoßen sei, besonders die Interpretation des Liedes „Ännchen von Tharau“ durch Betty Römer-Götzelmann und Annette Subroweit, an der jetzt auch der BdV Interesse gezeigt habe. Das nächste Regionaltreffen wird durch die KG Elchniederung organisiert und am 12. September 2015 in Bad Nenndorf stattfinden.

Neben den Regionaltreffen finden jährlich Nachbarschaftsgespräche der beiden Kreisgemeinschaften und der Stadtgemeinschaft auf Vorstandsebene statt. Dieses Jahr im März in Schmalkalden. Auch hierüber berichtete Dieter Neukamm. Ein wichtiges Ergebnis der Gespräche sei die Einigkeit über die Notwendigkeit solcher Gespräche gewesen.

Der Vorsitzende wies auf die Wichtigkeit des „Deutsch-Russischen-Forums“ hin, das im Okto-ber 2013 zum 6. Mal und zwar in Duisburg stattgefunden hat. Themen dieser Veranstaltung waren der Deutschunterricht an russischen Schulen, das Bergen von deutschem Kulturgut aus verfallenden ehemals deutschen Kirchen, der Versuch, eine vom Architekten Scharoun in Insterburg gebaute Siedlung vor dem Verfall zu retten und die Pflege von deutschen und russischen Kriegsgräbern durch russische Schüler gewesen. Auch Jurij Userzow hatte über das Museum in Breitenstein [Uljanowo] berichtet.

Dieter Neukamm rief zu einer konzertierten Aktion zur Aktualisierung der Mitgliederliste der Kreisgemeinschaft auf. Durch den Versand des Heimatbriefes an nicht zustellbare Adressaten entstünden unverhältnismäßig hohe Kosten. Er bat die Kirchspielvertreter, eine gründliche Überprüfung ihrer Mitgliederlisten mittels telefonischer oder schriftlicher Nachfragen durchzuführen.

Der Vorsitzende bittet alle Mitglieder der Kreisgemeinschaft alle Veränderungen wie Sterbefälle, Umzüge und so weiter an die Kreisgemeinschaft zu melden. Zuständig für Adressenverwaltung ist jetzt Winfried Knocks, der postalisch unter Varenhorststraße 17, 49584 Fürstenau oder telefonisch unter (05901) 2309 zu erreichen ist.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Am 6. Juli dieses Jahres wird in Tilsit das Denkmal der Königin Luise wiedererrichtet. In einer von der Stadtgemeinschaft herausgegebenen Broschüre mit dem Titel „Tilsit zwischen Lenin und Luise“ wird der Weg geschildert, den die heute Sowjetsk genannte Stadt am Memelstrom seit dem Ende der Sowjetmacht gegangen ist. In einer Rückschau auf die vergangenen 22 Jahre liest man von den Bemühungen, das preußische Erbe zu entdecken und sich gen Europa zu öffnen. Die Broschüre hat 74 Seiten und 31 Fotos. Sie ist gegen eine Spende erhältlich und kann bei der Stadtgemeinschaft Tilsit, PF 241, 09002 Chemnitz, angefordert werden.

Am 15. Juni 1929 wurde Hans Dzieran am Memelstrom geboren und verbrachte Kindheit und Jugend in Tilsit. Hier besuchte er das Realgymnasium, dem er allzeit verbunden war und dessen Schulgemeinschaft er später 18 Jahre lang leitete. Wegen der Räumung Tilsits gelangte er ins Erzgebirge. Nach Abitur und Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität in Halle war er dreieinhalb Jahrzehnte als Dipl.-Ökonom im Forschungsbereich eines großen Bergbauunternehmens tätig. Mit dem Eintritt in den Ruhestand widmete er sich voll der ehrenamtlichen Arbeit für die unvergessene Heimat Ostpreußen. Er war Mitbegründer der LO-Landesgruppe Sachsen und ist deren Ehrenmitglied. Bei zahlreichen Reisen nach Tilsit knüpfte er dank seiner russischen Sprachkenntnisse vielfältige Kontakte zu Vertretern kommunaler und kultureller Einrichtungen seiner Vaterstadt. Als langjähriges Mitglied der Tilsiter Stadtvertretung ist ihm die Bewahrung der geschichtlichen Vergangenheit und des kulturellen Erbes gemeinsam mit den heutigen russischen Bewohnern ein besonderes Anliegen. Im Jahr 2008 wurde Hans Dzieran zum 2. Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft gewählt, seit November 2010 hat er das Amt des 1. Vorsitzenden übernommen. Sein heimatverbundenes Wirken würdigte die Landsmannschaft Ostpreußen mit der Verleihung der Ehrenzeichen in Silber und in Gold. Die Stadtgemeinschaft gratuliert Hans Dzieran zu seinem 85. Geburtstag und wünscht, dass er noch lange den Tilsitern erhalten bleibt.


S. 20 Heimatarbeit

»Der vergessene Krieg«
Tagung im Ostpreußischen Landesmuseum beleuchtet Ersten Weltkrieg in Ostpreußen

Der vergessene Krieg – Krieg, Flucht, Deportation in Ostpreußen und im östlichen Europa“ lautet der Titel einer Tagung zum Ersten Weltkrieg, die am Dienstag, 17. Juni, von 15 bis 20 Uhr im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg stattfindet. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Es handelt sich um eine Veranstaltung des Ostpreußischen Landesmuseums und der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (Berlin) in Kooperation mit dem Nordost-Institut (IKGN e.V.).

Während die Ereignisse an der Westfront, vor allem die Grabenkämpfe und das Sterben bei Verdun, die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg bis heute prägen, ist von dem Geschehen an der östlichen Front, sieht man einmal vom deutschen Sieg über zwei russische Armeen in der Schlacht bei Tannenberg ab, wenig bekannt. Dieser Kriegsschauplatz ist erst in den letzten Jahren in den Fokus der historischen Forschung gerückt. Je mehr sich die Historiker mit den Vorfällen beschäftigen, desto deutlicher wird, dass der Erste Weltkrieg im Osten Europas durch die sich verändernden Fronten weit mehr Menschen als im Westen in Bewegung versetzte, die als Flüchtende, Deportierte und durch die Kämpfe direkt Betroffene zu Opfern der Auseinandersetzung wurden.

Diesem „vergessenen Krieg“ widmet sich die Tagung, die zentrale Lüneburger Veranstaltung zum Ersten Weltkrieg ist. Im Mittelpunkt der Vorträge stehen die Kriegsereignisse und das Schicksal der Bevölkerung in Ostpreußen und im östlichen Europa. Ausgewiesene Experten berichten über das Geschehen in Ostpreußen, den Eindruck deutscher Besatzer von Litauen, das Schicksal ethnischer Minderheiten in Russland und das Nachwirken des Großen Krieges in der europäischen Erinnerungskultur.

Eine Podiumsdiskussion mit den Referenten beschließt die Veranstaltung. Die Tagung richtet sich an Fachleute und interessierte Laien.

Das detaillierte Tagungsprogramm ist unter www.ol-lg.de abrufbar. Wegen begrenzter Teilnahmeplätze wird um Anmeldung bis zum 13. Juni gebeten unter Telefon (04131) 759950 oder E-Mail: info@ol-lg.de. OL


Erster Weltkrieg in Wort und Bild
Deutsches Kulturzentrum östliches Europa in Potsdam widmet sich in Publikation der Okkupation Ostpreußens

Ein Jahrhundert verging seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, aber das Ereignis berührt uns immer noch besonders, schließlich „war Ostpreußen die einzige deutsche Provinz, die direkt unter den Kämpfen zu leiden hatte und zu großen Teilen zerstört wurden. Bereits zwei Wochen nach Kriegsbeginn marschierten zwei russische Armeen in Ostpreußen ein“. So liest man es in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Blick-wechsel“, die das in Potsdam ansässige „Deutsche Kulturzentrum östliches Europa“ zusammen mit seinem „Jahresbericht 2013“ auslieferte.

Die Potsdamer Kollegen haben einmal mehr ihren guten Ruf bei Darstellungen in Wort und Bild verteidigt. Da ist zum Beispiel ein Bild des Bahnhofs im masurischen Lyck, deutsche Soldaten, deutscher Zug, aber Ortsschilder in altrussischer kyrillischer Schrift. So kann man die Okkupation Ostpreußens auch zeigen, dabei auf eine Ausstellung zum Thema verweisen, die ab August im „Kulturzentrum Ostpreußen“ in Ellingen/Bayern zu sehen ist.

Als der kyrillische Schnappschuss in Lyck aufgenommen wurde, war Ostpreußens Russennot nur noch böse Erinnerung: Am 1. August 1914 griffen die Russen an, verwüsteten im Osten und Süden 39 Städte und 1900 Dörfer, Infrastruktur und über 33000 Gebäude, davon zwei Drittel Wohnhäuser, lagen in Trümmern. Die russischen Angreifer erlitten 120000 Gefallene und 90000 Gefangene, bis sie in der „Schlacht an den Masurischen Seen“ im September 1915 gänzlich hinausgejagt wurden.

Ostpreußen, der „wirtschaftlich ohnehin schwach entwickelten Region“, blieben die Ruinen. Es begann „Wiederaufbau und Neuerfindung“, betitelt Beate Störtkuhl, Wissenschaftlerin am Bundesinstitut für Geschichte und Kultur der Deutschen im Osten, ihren faktenreichen Bericht. Ostpreußen rasch zu sanieren, war „nationale Aufgabe“, die weithin „die ungebrochene Macht des Deutschen Reichs“ zeigte. Der Kaiser befahl die Bildung einer „Kriegshilfskommission für die Provinz Ostpreußen“, im Reich wirkten

61 „Patenschaftsvereine“, Mittel und Materialien setzte man so gut ein, dass die Arbeiten trotz Krieg und Inflation bis 1924 erfolgreich weitergingen.

Mehr noch: Kundige Reformer von „Heimatschutz“ und „Werkbund“ nutzten Zerstörungen als Chance, „Stilmaskeraden der Gründerzeit“ gegen „schnörkellose Sachlichkeit“ zu tauschen und eine „komplexe Neugestaltung der kleinstädtischen Bauensembles“ zu realisieren. Mit mehreren Bildern von Stadtteilen vorher und danach zeigt das Potsdamer Forum, wie gut die 25 „Bauberatungsämter“ ihre Konzeption umsetzten, das „biedermeierliche Haus um 1800“ zum neuen „Idealtyp deutscher Bauart“ zu machen. „Einige hundert Architekten“ pilgerten zwecks Anschauung nach Ostpreußen, unter ihnen Hans Scharoun, „der spätere Erbauer der Berliner Philharmonie“. Der erfolgreiche Wiederaufbau brachte politische „Zinsen“, als zur Volksabstimmung 1920 Süd-Ostpreußen mehrheitlich für Deutschland votierte.

Der Potsdamer „Blickwechsel“ bringt weitere Themen: Stimmungsbilder aus nordböhmischen Bädern 1914, Städtebilder von Kaschau, Riga und Hermannstadt, Porträts eines Habsburger Hoffotografen und von „Scheibenwischer“ Dieter Hildebrand und vieles aus interessanter Vergangenheit mehr.

Aus dieser analysieren Jörn Barfod und Andreas Kossert, einen wesentlichen Unterschied Ostpreußens zum restlichem Reich: Während anderswo noch „Hurrapatriotismus“ und „Siegesgewissheit“ vorherrschten, kehrte in Ostpreußen Ernüchterung ein. „Soldatenfriedhöfe vor der Haustür“, 13058 Gefallene, 1550 Zivilopfer, etwa 600000 Stück Viehverluste, 1,5 Milliarden Mark Kriegsschäden etc. Details in Solschenyzins Roman „August Vierzehn“. Die Ostpreußen waren und blieben deutsche Patrioten, aus Leideserfahrung skeptische.

Wolf Oschlies


S. 21 Lebensstil

Neues altes Glockenspiel zu Pfingsten
Brandenburgs Marienkirchen längst nicht verstummt − Rekonstruktion von 1426 erklingt in Frankfurt an der Oder erstmals

Wenn am Pfingstsonnabend der dumpfe Klang von „Osanna“ über Frankfurt an der Oder hallt, „bekommt die Stadt ihre Stimme wieder“, so Oberbürgermeister Martin Wilke. 69 Jahre nach ihrer Zerstörung wurde Brandenburgs größte Glocke zusammen mit zwei kleineren in Innsbruck nach altem Befund neu gegossen.

Ursprünglich hatte die gotische Marienkirche sechs Glocken. Zwei sollten 1942 eingeschmolzen werden, darunter die 1426 gegossene Mittelglocke. Diese entging jedoch ihrem Schicksal und der Kriegszerstörung, der die vier anderen Glocken zum Opfer fielen. Seit ihrer Restaurierung stand die Mittelglocke fünf Jahre lang stumm vorm Westportal. Jetzt wurde sie mit der 5,4 Tonnen schweren „Osanna“ und zwei anderen neu gegossenen Glocken am Turm angebracht. Pfingsten werden sie gemeinsam erstmals geläutet. Rund eine halbe Million Euro kostete die Wiederherstellung des Großteils des durch den Krieg zerstörten historischen Glockenklangs. Rund 120000 Euro spendeten Bürger und Gäste.

Die Wende vor 25 Jahren hatte im Osten der Republik eine riesige Restaurierungswelle ausgelöst. Damit wurde, oft in letzter Minute, nicht nur wertvolle Bausub­stanz gerettet. Es kam auch zu erstaunlichen Wiederentdeckungen und neuen Ideen der Nutzung. Dazu lohnt der Rückblick auf die typverwandten Marienkirchen von Frankfurt/Oder, Beeskow und Müncheberg.

Beeskow (9000 Einwohner), etwa 80 Kilometer südöstlich von Berlin und 30 Kilometer südwestlich von Frankfurt an der Oder, kann man nicht verfehlen. Seine Marienkirche weist den Weg. Als mächtiges Zeugnis der Backsteingotik bildet sie den Mittelpunkt der Kreisstadt des Landkreises Oder-Spree.

Die vierschiffige, 61 Meter lange und 34 Meter breite Hallenkirche prunkt mit ihrem Um­gangs­chor. Gegenüber, im Westen, trotzt eine über 47 Meter hohe Turmfassade. Der Grundstein wurde um 1370 gelegt, als in Beeskow Tuchmacherei und Handel florierten. Doch erst 140 Jahre später war die Kirche fertig. Ihr Schicksal stand unter keinem guten Stern: Zerstörungen durch Stadtbrände, Blitzschläge und Krieg im Wechsel mit Wiederaufbau und Restaurierung folgten.

Auch nach der Zerstörung am 24. April 1945 gaben die Beeskower ihre Kirche nicht auf. „Im­merhin haben es die Mitwirkenden in der Stadt Beeskow und der Evangelischen Kirchengemeinde schon 1953 geschafft, im Südschiff einen Kirchenraum aufzubauen, in dem Gottesdienste und Feierlichkeiten stattfinden konnten. Auch die Räume im Nordanbau waren nach Wiederaufbaumaßnahmen schon in den 1960er Jahren funktionstüchtig“, so Tobias Kampf, Pfarrer und Vorsitzender des Gemeindekirchenrates.

Der umfassende Wiederaufbau erfolgte jedoch erst von 1991 bis 2003, so dass man 2011 die 500-Jahr-Feier begehen konnte. Dabei „präsentierte sich St. Marien in den meisten Veranstaltungen als sakrales Bauwerk zur Ehre Gottes, und als solches soll es auch erhalten bleiben“, kommentiert Kampf. Mit einem Innenraum, dessen Restaurierung noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

Gerne hätten die Beeskower die Frankfurter Marienkirche übertroffen. Doch mit 77 Metern Länge und 45 Metern Breite ist diese nach dem Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler der „räumlich bedeutendste Bau der Mark Brandenburg“ und damit eine der größten Hallenkirchen norddeutscher Backsteingotik. Der Grundstein wurde kurz nach der Stadtgründung 1253 gelegt. Wie in Beeskow brachte die Wende auch in Frankfurt an der Oder den umfassenden Wiederaufbau. Da­bei entdeckte man nicht nur die vergessene Farbigkeit der Schaufassade wieder, sondern in Russlands Museen auch ihren größten Schatz: die im Krieg verschleppten alten Bleiglasfenster. Was folgte, ist eines der seltenen Beispiele für das Auffinden und die Rück­gabe von Raubkunst.

Schon 1974 hatte die evangelische Kirchengemeinde die St.-Marien-Kirche auf 99 Jahre an die Stadt Frankfurt an der Oder verpachtet und diese verpflichtet, die Ruine so zu sanieren, dass sie für allgemein gesellschaftliche Zwecke nutzbar war. Auf der offiziellen Internet-Seite ist zu lesen, dass darin heute ein soziokulturelles Zentrum betrieben wird und die Kirche damit allen Bürgern zu unterschiedlichster Nutzung offensteht. Bei Bedarf auch für Gottesdienste.

In die gleiche Riege reiht sich die Marienkirche von Müncheberg ein, 35 Kilometer nordwestlich von Frankfurt an der Oder gelegen. Am 19. April 1945 durch sowjetische Artillerie in Brand gesetzt, wurde die Ruine von 1992 bis 1997 wieder aufgebaut. „Ein Wunder“, wie die Einwohner berichten, „auf das keiner mehr zu hoffen gewagt hatte.“

1224 hatten Mönche des schlesischen Zisterzienserklosters Leubus das spätere Müncheberg als Marktflecken gegründet und eine erste Kirche gebaut. In der Nachfolge vergrößert und umgebaut, entstand daraus schließlich eine spätgotische Hallenkirche, deren Gewölbe auf zwei Pfeilern in der Mitte des Langhauses ruhte.

Auch in Müncheberg (knapp 7000 Einwohner) war man sich darüber einig, den Bau für kirchliche und weltliche Zwecke zu nutzen. Dazu erhielt die Pfarrkirche einen modernen Einbau, der einzigartig sein dürfte: Wie ein Schiffsrumpf schmiegt sich seit 1996 ein eigenständiger Baukörper an die Innenseite der Nordwand, der die Stadtbibliothek, einen zusätzlichen Sitzungssaal sowie Sanitärräume und eine Küche beherbergt. Seine vier Etagen sind durch einen Fahrstuhl verbunden. Dabei fügt sich das Projekt des Berliner Architekten Klaus Block erstaunlich gut in das insgesamt 20 Meter lange und 10,5 Meter breite Gotteshaus ein, das – dank des langgezogenen Chores – seinen sakralen Charakter damit nicht verlor.

Unterhalten, verwaltet und genutzt wird St. Marien gleichberechtigt von der Evangelischen Kirchengemeinde, der Stadt Müncheberg und dem Förderverein der Stadtpfarrkirche, die zu diesem Zweck eine Be­treibergesellschaft gegründet haben. Ein Modell, das – zusammen mit dem Einbau – bis dato einzigartig sein dürfte. „Die Kirche ist heute ein multikulturelles Zentrum, ein Haus für alle, das ebenso für Veranstaltungen ganz oder teilweise zu mieten ist“, erklärt Geschäftsführerin Ingrid Panse. Und so wundert es auch nicht, wenn hier Kinder gebannt auf eine Leinwand blicken, um Pippi Langstrumpf auf ihren Abenteuern zu begleiten.

Andere gönnen sich den Blick von der Aussichtsplattform des von Schinkel zwischen 1817 und 1829 neu errichteten Kirchturms. Die Augen schweifen über Münchebergs alte Stadtmauer und weiter über die Feldmark der Märkischen Schweiz. So wie eh und je. Helga Schnehagen


Auf Umwegen krank
Mens sana in corpore sano: Die Entdeckung der Psychosomatik

Als „Fanatiker der Heilkunst“ und „Wilder Analytiker“ bezeichnete sich der Arzt und Schriftsteller Georg Groddeck, dessen Tod vor 80 Jahren Anlass gibt, an den undogmatischen Pionier der Psychoanalyse und Psychosomatik zu erinnern. Ähnlich wie sein Zeitgenosse, der Wiener Psychoanalyst Felix Deutsch (1884−1964), fand Groddeck über die klinische Beobachtung den Weg zur psychoanalytischen und psychosomatischen Medizin. In zahlreichen Vorträgen, Schriften und sogar als Autor zweier Romane stellte er seit 1909 seine Thesen vor, die in der Fachwelt Anerkennung fanden, aber auch in Teilen umstritten waren.

Groddecks 1917 veröffentlichte Schrift „Psychische Bedingtheit und psychoanalytische Behandlung organischer Leiden“ zählt zu den Grundsteinen der Psychosomatik. Berühmt wurde er 1923 mit dem „Buch vom Es. Psychoanalytische Briefe an eine Freundin“, worin anhand vieler Beispiele erläutert wird, dass der gesamte Körper, der kranke wie der gesunde, ein Instrument der Seele sei. Damit inspirierte Groddeck Siegmund Freud („Das Ich und das ES“) und bis heute eine gewisse, wenn auch kleine, Zahl von Anhängern. Auch Groddecks Diätkost, seine Massagen sowie Arm- und Fußbäder werden noch heute praktiziert.

Es war eine der bahnbrechenden Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts, dass für die Entstehung nahezu aller psychischen Erkrankungen körperliche und seelische Faktoren gemeinsam verantwortlich sind. Umgekehrt suchen Ärzte und Therapeuten mögliche Ursachen für körperliche Krankheitssymptome seitdem auch im psychischen Bereich.

Heute wird kaum noch bezweifelt, dass „Soma“ (Körper) und „Psyche“ (Seele) grundsätzlich ge­meinsamer Diagnostik und Therapie bedürfen. Doch genau das ist nicht gewährleistet. Hier zeigt sich ein immer noch bestehendes strukturelles Problem unseres Gesundheitswesens, das im Allgemeinen jedoch wenig Beachtung findet, da grundsätzlich ein breites Angebot für eine ganzheitliche Behandlung von seelischen und körperlichen Erkrankungen vorhanden ist. Mehrere Kliniken für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin bieten entsprechende Therapiekonzepte auch zur Behandlung schwerer körperlicher Leiden an und damit Methoden, die sowohl psychotherapeutische als auch körperliche Inhalte umfassen.

Am 13. Oktober 1866 wurde Groddeck in Bad Kösen an der Saale geboren. Seine Mutter war die Tochter des Germanisten und Nietzsche-Lehrers Koberstein. Väterlicherseits stammte er aus einer Danziger Patrizierfamilie. Sein Vater Carl Theodor Groddeck war Badearzt. Nach seiner Ausbildung zum Militärarzt in Berlin promovierte Groddeck bei Ernst Schweninger, dem Leibarzt Otto von Bismarcks. Einige Jahre praktizierte er gemäß seiner Ausbildung als Militärarzt und übernahm anschließend die Leitung von Schweningers Berliner Sanatorium. Die dort üblichen Be­handlungsmethoden entwickelte er weiter zu einem eigenen, variablen Programm, das Diätkost, Massage- und Bäderanwendungen sowie suggestive und hypnotische Elemente umfasste.

1897 ließ sich Groddeck in Baden-Baden nieder, wo er 1900 in der Villa Marienhöhe ein Privatsanatorium mit 15 Betten eröffnete. Seine Patienten waren überwiegend prominente, gut situierte Personen aus dem In- und Ausland, die an schweren, teils chronischen körperlichen Krankheiten litten. Groddeck behandelte sie mit individuell zugeschnittenen Kuren, wobei er ihr uneingeschränktes Vertrauen in ihn als Arzt und Analytiker als wichtige Voraussetzung für die Heilung einforderte.

Groddeck sah sich als Arzt im Dienst der Natur, die entweder krank macht oder heilt. Seine Vorbehalte gegenüber der Schulmedizin und strenger Wissenschaftlichkeit behielt er bei, was ihn zum Außenseiter unter den Psychoanalytikern werden ließ. Anfang Juni 1934 erkrankte Groddeck in Zürich, nachdem er einen Vortrag vor der Schweizerischen Psychoanalytischen Gesellschaft gehalten hatte. Er starb am 11. Juni im Sanatorium Schloss Knonau bei Zürich. D. Jestrzemski


Polizei des Waldes
Im Frühjahr entstehen die großen Hügel der Waldameisen

Sobald im Frühling die Sonne wärmer scheint, er­wachen sie aus ihrer winterlichen Kältestarre: die Roten Waldameisen, der Gesundheitspolizei des Waldes. In der Frühlingssonne kommen zunächst die Arbeiterinnen hervor, die im Ameisenhügel überwintert haben.

Nach dem Winter tanken sie mit ihrem Körper auf der Nestkuppel Sonne und tragen die Wärme in den Bau. Damit wecken sie ihre Kolleginnen. Dann dauert es nur noch drei Wochen, und der ganze Ameisenstaat ist wieder wach.

Am häufigsten sieht man die Schwarze Wegameise oder die Rote Waldameise. Das sind zwei der etwa 200 Ameisenarten, die man in Europa antrifft. Weltweit gibt es ungefähr 15000 Arten. Ameisen sind staatenbildende Insekten. Darin leben mehr als 100000 Tiere. Königinnen, Männchen und Arbeiterinnen, die alle ihre speziellen Aufgaben haben.

Am Anfang ihres Lebens haben die Königinnen und die Männchen Flügel. Damit verlassen sie ihr Nest für den Hochzeitsflug. Nach der Paarung lassen sich die Königinnen woanders nieder, verlieren die Flügel und bilden einen neuen Staat. Die Männchen haben ihre Aufgaben erfüllt und sterben. Nun legen die Königinnen die Eier. Die Arbeiterinnen schaffen die Nahrung heran, setzen das Nest wenn nötig in Stand und pflegen den Nachwuchs. Die Eier werden von ihnen hin und her getragen, weil sie immer die richtige Temperatur benötigen. Sie reinigen sie von Pilzbefall und füttern später die geschlüpften Maden. Ameisen ernähren sich von Insekten. Dabei vollbringen sie wahre Meisterleistungen. Denn eine Ameise kann das 40-fache ihres eigenen Körpergewichtes tragen. Die größte Nahrungsquelle ist der „Honigtau“, der Kot der Blattläuse. Man nennt ihn so, weil er aus fast reinem Zuckersaft besteht. Die Blattlausmelkerinnen beklopfen (betrillern) den Hinterleib der Blattlaus, die dann einen Tropfen Saft abgibt. Dafür schützen sie die Läuse vor ihren Feinden.

Das Nest ist Mittelpunkt des Ameisenstaates und der Hügel ein Wunderwerk. Er speichert Sonnenwärme und sorgt so für das richtige Innenklima des Nestes von 25 bis 29 Grad Celsius. Und das ist nötig für die richtige Brutpflege. Ameisen legen ihr Nest oft um einen Baumstumpf herum an, damit es dadurch besser gestützt wird. Am sonnigen Waldrand bauen sie ihre Hügel flacher, im Schatten findet man meistens steile Hügel. Eine hohe Kuppel kann die Sonnenwärme besser auffangen.

Der bis zu 1,50 Meter hohe Hügel ist aus Zweigen, Nadeln und Pflanzenabfällen aufgeschichtet. Doch das ist nur der sichtbare Teil des Ameisennestes, das bis zu zwei Meter weit unter die Erdoberfläche reichen kann. Im Inneren des Erdnestes befindet sich eine weit verzweigte Anordnung von Gängen und Kammern.

Ein Ameisenvolk kann in einem Jahr 28 Kilogramm Insekten erbeuten. Die Roten Waldameisen sind also sehr nützlich. Sie sorgen dafür, dass es dem Wald und den Pflanzen gut geht, weil sie viele Schädlinge fressen, die sonst die Bäume krank machten. Ohne Ameisen gäbe es viele Blumensorten nicht mehr. Über 150 Pflanzenarten verdanken ihnen ihre Verbreitung. Die Samen werden von ihnen transportiert. Dabei verlieren sie welche und neue Pflanzen können wachsen. Vögel schätzen die Ameisensäure, weil diese die Schädlinge in ihrem Gefieder abtötet. Sie hocken sich dazu in einen Ameisenhaufen und lassen sich die Federn mit der Säure benetzen.

Leider ist der Mensch der größte Feind der Ameisen. Er vernichtet ihre Nester, benutzt giftige Pflanzenschutzmittel und nimmt ihnen den Lebensraum.

Ameisen sind friedliche Lebewesen. Nur, wenn sie sich angegriffen fühlen, verspritzen sie ihre Ameisensäure zur Verteidigung.

Die Rote Waldameise ist besonders geschützt. Man darf niemals ein Ameisennest zerstören. Aber beobachten darf man. Also viel Spaß beim Betrachten der Waldpolizei beim nächsten Waldspaziergang! Silvia Friedrich


S. 22 Neue Bücher

Müde Mütter
Autorin über Job und Familie

Die Themen Frauenquote in Aufsichtsräten sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf ziehen sich bereits seit Jahren zäh durch die öffentlichen Debatten. Da mag es durchaus hilfreich sein, diese auch einmal von einer humorvollen Seite zu betrachten. „Karriere im Eimerchen. Warum Mütter nicht zum Arbeiten kommen“ heißt das neue Buch von Nina Puri, die nicht nur bei renommierten deutschen Werbeagenturen tätig war, sondern es auch bereits mit mehreren Veröffentlichungen auf die „Spiegel“-Bestsellerliste gebracht hat. Anhand zahlreicher Beispiele schildert die 1965 geborene Britin und Mutter zweier Söhne, dass man als Frau, um erfolgreich seinem Beruf nachgehen zu können, die perfekte Stelle, eine perfekte Organisation, einen perfekten Mann, perfekte Kinder, perfekte Nerven, eine perfekte Betreuung der Kinder, zehn Hände und sehr viel Glück benötigt.

Puri schreibt manchmal überdreht, neigt zu Übertreibungen und setzt voll auf Humor. Ihr Vorbild scheint die US-Autorin Erma Bombeck zu sein, die in den 70er und 80er Jahren Haushalt und Kinder humorvoll in ihren Büchern thematisierte. Nun also Kinder, Haushalt und Beruf.

Die vielen kleinen Beispiele, die Puri aus dem Leben einer berufstätigen Mutter anführt, entsprechen durchaus der Realität. Informationen, darüber dass im Kindergarten die Windpocken oder die Läuse ausgebrochen sind, zerstören jede Planung. Wer betreut das eigene Kind, wenn es krank ist, während man selbst doch eigentlich arbeiten solle, beziehungsweise wer macht den Job, während man selbst sein krankes Kind pflegt?

„Wie man es hinkriegt, ohne jede Aufladephase rund um die Uhr unter Starkstrom zu stehen, ist ein Wunderwerk, für dessen Patent die Elektrotechnikbranche viel geben würde“, kommentiert die Autorin den Umstand, dass berufstätige Mütter vor lauter Beruf, Kindern und Haushalt oft bis spät in die Abendstunden hinein aktiv sein müssen. Hier kommt Puri dann auch auf die eigenartige Entwicklung zu sprechen, dass in deutschen Haushalten immer mehr gestrickt, gemalt und gegärtnert wird, auch von berufstätigen Müttern, wodurch diese sich zusätzlich unter Druck setzen.

Die Autorin kritisiert, dass in der öffentlichen Debatte der Eindruck erweckt werde, dass sich Beruf und Familie vereinbaren ließen. „Kind und Job lassen sich nicht zu einem Job vereinbaren, sondern höchstens zu zwei Jobs addieren. Und was bei Arbeit plus Arbeit unterm Strich herauskommt, sind müde Mütter“, nimmt sie ihren Lesern jegliche Illusion. Dabei will sie keineswegs Frauen zurück ins Heim rufen, sondern schlicht und einfach die Realitäten schildern.

Auch macht sie deutlich, dass Mütter nicht gleich Mütter sind. Zwischen Zuhausebleibmüttern, Teilzeitjobmüttern und Vollzeitjobmüttern sei die Atmosphäre in etwa so entspannt, wie zwischen dem Iran und Israel, so Puri. Zwar übertreibt sie hier einmal wieder, greift allerdings einen Aspekt auf, der in der öffentlichen Debatte viel zu kurz kommt, denn nur weil Frauen Kinder haben, bilden sie deswegen noch lange nicht eine Interessengemeinschaft.

Puri geht auf potenzielle Probleme von Müttern mit ihren Chefs und Kollegen ein, die allzu oft nicht in Entzücken ausbrechen, wenn die eingeplante Kollegin die Arbeit spontan verlassen muss, um zu ihrem Nachwuchs zu eilen. Zugleich erwähnt sie aber auch, dass Mütter zwar daheim den Ton angeben können, bei der Arbeit sich jedoch bescheiden geben, was Karrieresprünge verhindert.

Im Ganzen beschreibt Puri den Alltag berufstätiger Mütter ganz gut, wobei ihre Überzeichnungen dem Text schaden, der im Grunde belegt, dass seine Verfasserin eine aufmerksame Beobachterin des Zeitgeschehens ist. Bel

Nina Puri: „Karriere im Eimerchen. Warum Mütter nicht zum Arbeiten kommen“, Knaur, München 2014, broschiert, 237 Seiten, 9,99 Euro


Krieg der Worte
Wie Dichter zwischen 1914 und 1918 Poesie als Waffe einsetzten

In einigen Schlüsselwerken der Musik und der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts wird der Erste Weltkrieg als ein Gewitter mit reinigender Wirkung verklärt, der vonnöten gewesen sei, um die Kultur in einer kalten, zunehmend technisierten Welt zu retten. Soziale und kulturelle Unzufriedenheit waren in ganz Europa verbreitet. Daher wurden avantgardistische Dichter wie Stefan George gefeiert, die pathetische, teils unterschwellig aggressive Verse verfassten. Tatsächlich begrüßten viele Dichter in ganz Europa im Juli 1914 den Krieg als Kraft zur Erneuerung und Weg zur Veränderung. Eine wahre Flut an dichterischen Schöpfungen brach sich Bahn. Allein in Deutschland sollen im ersten Kriegsmonat um die 50000 Kriegsgedichte, größtenteils von Dilettanten, verfasst worden sein, wie Geert Buelens in seiner mehrfach ausgezeichneten Studie „Europas Dichter und der Erste Weltkrieg“ vermerkt. Der 1971 in Belgien geborene Autor ist Professor für Neuere niederländische Literatur an der Universität von Utrecht und selbst Lyriker und Essayist.

Buelens hatte festgestellt, dass über die Dichtergeneration der historischen Avantgarde ungewöhnlich viele Bücher veröffentlicht worden sind, in denen jedoch fast ausnahmslos eine nationale Perspektive gewahrt wird. Diese Forschungslücke wollte er schließen, um nachzuvollziehen, warum der Große Krieg plötzlich die Völker trennte und die meisten Dichter augenblicklich zu Nationalisten wurden, die nicht nur mit dem Wort kämpften, sondern auch an die Front drängten. Unter dem Aspekt, Poesie als Quelle des Wissens über die Vergangenheit auszuwerten, erforschte er ein breites Spektrum der europäischen Kriegsdichtung. Die von ihm zitierten Poeten waren italienische Futuristen, deutsche Expressionisten, russische Symbolisten, französische Modernisten, schweizerische Dadaisten sowie Avantgardisten aus Süd- und Osteuropa. Ihre Namen sind heute in Deutschland zumeist vergessen. Aufgrund der inhaltlichen Dichte und wegen des entsprechend der Nationalität der Dichter fortlaufend geänderten Blickwinkels leidet die Darstellung allerdings stellenweise unter Überfrachtung.

Außer den Dichtern unterstützten zu Beginn des Krieges auch Literaten, Historiker, Bildhauer und sogar Theologen die Regierungen ihrer Länder. Der enthusiastisch begrüßte „kleine und überschaubare Krieg“ endete aber nicht wie erwartet nach einigen Monaten, sondern löste eine Abfolge von immer grauenhafteren Schlachten aus. In zehn Kapiteln umreißt der Autor prägnant die Geschehnisse der Jahre 1914 bis 1918 und zeichnet ein gesamteuropäisches Panorama der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Als Betroffene standen die Dichter größtenteils im Zentrum der Ereignisse, machten als Soldaten in den Schützengräben auf beiden Seiten der Frontlinie dieselben Erfahrungen. Ihre Verse waren ein auf und nieder wogendes Echo des Geschützdonners, getragen von nationalem oder revolutionsbewegtem Pathos, Internationalismus, Desillusion, Hass und Verzweiflung. Angesichts der Kriegsgräuel verstummten sie nicht, aber immer mehr sehnten sich wie Rainer Maria Rilke danach, dass endlich Menschen auf die Plätze der Städte liefen und schrien: Genug! In dem sich hinziehenden Krieg wurde es für sie schwieriger, in dem Konflikt noch einen Kampf der Kulturen zu sehen: „Giftgas, Trommelfeuer, die zielgerichtete Abschlachtung des Gegners … die Taktiken, welche beide Parteien einsetzten, unterschieden sich nicht wesentlich voneinander“ (Buelens). Einen eigenen Weg wählten die Dadaisten. Ihr sinnloses Stammeln war eine Abrechnung „mit der martialischen Rhetorik und verlogenen Propaganda, die den Zweck hatte, die Kriegsmaschinerie in Gang zu halten“.

Unerwähnt bleiben einige bedeutende deutsche Dichter wie Richard Dehmel, Hugo von Hoffmannsthal und Bertold Brecht. Zu den zitierten Schriftstellern hätten aus deutscher Sicht auch Thomas Mann, Heinrich Mann und Stefan Zweig gehört.

Dagmar Jestrzemski

Geert Buelens: „Europas Dichter und der Erste Weltkrieg“, Suhrkamp, Berlin 2014, geb., 459 Seiten, 26,95 Euro


Blick in die Weiten der Galaxie
Die Geschichte des Weltraumteleskops Hubble

Sternenforschung reicht zurück bis ins alte Babylon. Wer die Sterne von der Erde beobachtet, schaut aber unweigerlich durch die Atmosphäre von Staub und Luft. Wie durch eine verschmutzte Gardine vorm Fenster wird einem der klare Blick nach draußen verwehrt. Wie aber sieht es dahinter aus? Kurz nachdem sich die ersten Doppeldecker in die Lüfte erhoben hatten, stellte der deutsche Wissenschaftler Hermann Oberth in den 1920er Jahren Überlegungen für ein Weltraumteleskop an. Schon 1929 entdeckte der US-Astronom Edwin Hubble Rotverschiebungen in den Spektrallinien weit entfernter Galaxien und schloss daraus auf ein sich rasch ausdehnendes Weltall. Dieses muss, im Umkehrschluss, einmal auf einen einzigen Punkt konzentriert gewesen sein. Der Begründer der Urknall-Theorie sollte Namensgeber für das erste Weltraumteleskop werden.

Das Werk „Hubble. Das Universum im Visier“ nimmt den Leser mit auf eine Reise ins Universum. Und zwar von Anfang an. Darf man zunächst dem Sputnik ins All folgen, setzen einen die Autoren Oli Usher und Lars Lindberg Christensen anschließend in das Reisebus-große Teleskop, um einzigartige Blicke im Universum zu erhaschen. Atemberaubende Bilder aus nie gesehenen Welten tauchen auf, lassen die Gedanken kreisen. Eine Reise in die Vergangenheit bis fast an den Punkt des Urknalls. Die Raumfähre Discovery hob im April 1990 vom Kennedy Space Center in Florida ab. Im Gepäck war das Weltraumfernrohr. In 600 Kilometern Höhe wurde es in die Erdumlaufbahn entlassen und umkreist seitdem alle 96 Minuten die Erde.

Gleich zu Beginn gab es jedoch einen Schock für die Wissenschaftler. Ein Fehler am Hauptspiegel lieferte keine scharfen Bilder. Die Reparatur war eine schwierige Mission. Niemand fliegt einfach mal so ins All, um an einem Fernrohr herumzuschrauben. Seit 1990 gab es fünf Shuttle-Missionen zum Teleskop, um Reparaturen und Ergänzungen auszuführen. Seit Ende der Space-Shuttle-Ära wird Hubble allerdings nicht mehr gewartet. Nun setzt man bei der Nasa auf den Nachfolger, das James Webb Space Telescope, das 2018 mit seiner Arbeit beginnen könnte. Hubble soll dann kontrolliert über dem Pazifik abstürzen.

Der Wissenschaftsjournalist Oli Usher sowie der Physiker und Astronom Lars Lindberg Christensen legen mit der Publikation ein faszinierendes Buch vor. Eine DVD ergänzt das Werk. Nicht nur die Fotos des Weltraums machen sprachlos, auch die spannend geschriebenen Aufsätze sind fesselnd. Ein Gefühl wie bei Jules Verne ereilt einen des Öfteren, wenn man die Reise in „Schwarze Löcher“ und weit entfernte „Galaxien“ antritt. Silvia Friedrich

Oli Usher, Lars Lindberg Christensen: „Hubble. Das Universum im Visier“, Wiley, Weinheim 2013, geb., 170 Seiten, 29,90 Euro


Er verlor die Vorherrschaft an Schweden
Christian IV. von Dänemark spielte im Dreißigjährigen Krieg eine tragische Rolle

Dieser König von Dänemark, dessen umfangreiche, anregend geschriebene und sehr gewissenhafte Biografie mit „Christian IV. – Zwischen Mythos und Wahrheit“ uns hier vorliegt, ist in seinem Heimatland mit Abstand bekannter als bei seinen südlichen deutschen Nachbarn. Dabei ist er aus dem großen Schock-Erlebnis deutscher Geschichte, dem Dreißigjährigen Krieg, nicht wegzudenken. Von 1625 bis 1629 kämpfte er gegen die Truppen Tillys von der katholischen „Liga“ und Wallensteins, des kaiserlichen Generalissimus, wurde von beiden geschlagen und ermöglichte so der kaiserlich-katholischen Partei für kurze Zeit – bis Gustav Adolf von Schweden intervenierte – die Beherrschung ganz Deutschlands. 1643 bis 1645 wiederum führte er Krieg gegen Schweden, den großen Konkurrenten Dänemarks im Kampf um die Vorherrschaft im europäischen Norden, und erlitt durch den legendären General Torstenson Niederlagen zu Lande und zur See, musste im Frieden Jämtland, Härjedalen und auch die Inseln Gotland und Ösel abtreten, was bedeutete, dass von nun an bis ins 18. Jahrhundert hinein die Schweden die Vormacht an der Ostsee, das „dominium maris baltici“, innehatten.

Diplomatiegeschichtlich ist die Behandlung dieser beiden schick-salhaften Kriege durch den Autor Jörg-Peter Findeisen eine wahre Fundgrube, da es gilt, ihre Verflechtung mit der großen europäischen Politik sichtbar zu machen. Die Beschreibung der Feldzüge zu Lande gerät etwas skizzenhaft, mehr erfährt man schon von den Kämpfen zur See.

Diese Gewichtsverteilung ist auch richtig, da die „Legende Christian IV.“ als ganz wichtigen Bezugspunkt das Verhalten des Königs an Bord seiner Flotte hat, als es 1644 zwischen Fehmarn und der Kieler Förde gegen die Schweden ging. Da soll er sogar verwundet worden sein und trotzdem die Mannschaft zum Durchhalten angefeuert haben. 1648, wenige Monate vor dem Abschluss des Westfälischen Friedens, starb Christian IV. nach

52-jähriger Herrschaft. Bei seiner Krönung (1596) waren die königlichen Kassen wohl gefüllt gewesen, bei seinem Tode war Dänemark so ziemlich bankrott. Er machte auf negative Weise Epoche, denn von nun an blieb Dänemark auf den Rang einer zweit- bis drittrangigen Macht herabgedrückt, die in keinem der zukünftigen europäischen Konflikte mehr bestimmend auftreten konnte. Letzter heutiger Rest des einstigen großen dänischen Nordland-Imperiums: privilegierte Beziehungen zu den Färöer-Inseln und zu Grönland.

Da verwundert die große Popularität, die dieser König bei seinen Landsleuten nach wie vor genießt, dann doch. Der Autor macht es sich nicht leicht, die verschiedenen Deutungen, die dieser Umstand auch und gerade in der dänischen Historiografie erfahren hat, aufzuführen und zu analysieren. Einleuchtend ist der Respekt dafür, dass er versucht hat, sich gegen die hohe Aristokratie als absoluter König durchzusetzen. Damit ist er zwar gescheitert, doch ab 1660 hatte sein Sohn und Nachfolger genau in diesem Sinne Erfolg, weshalb der Vater bereits von den Geschichtsschreibern des 18. Jahrhunderts als glorreicher Vorläufer gezeichnet werden konnte. Auch wurde er in der Legende zum gütigen Vater der kleinen Leute. In Wirklichkeit hat er sich allerdings durch besonderen Steuerdruck verhasst gemacht, der auch die Bauern traf.

Jedenfalls war er kein verkanntes Genie, trotz einzelner Talente. So hatte er einen Sinn dafür, durch merkantilistische Maßnahmen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Dänemarks zu stärken, und das zu einer Zeit, als der bekannteste Vertreter des Wirtschaftskonzepts, Jean-Baptiste Colbert, noch zur Schule ging. Auch besaß er mäzenatische Phantasie, aber auf Kosten der Staatskasse, und unbestreitbaren architektonischen Geschmack im Sinne des Frühbarock.

Es ist einer der Vorzüge dieser Biografie, dass sie besonders dänische Quellen und Sekundärliteratur für den deutschen Leser auswertet. So werden wir auch in die teilweise unsäglichen Hofintrigen eingeführt und erfahren sehr viel über das Liebes- und Familienleben des Monarchen, so viel, wie ein professioneller Historiker verantworten kann. Auch ist das Werk als Urlaubslektüre für anspruchsvolle Dänemark-Touristen zu empfehlen.

Bernd Rill

Jörg-Peter Findeisen: „Christian IV. – Zwischen Mythos und Wahrheit“, Ludwig, Kiel 2014, gebunden, 344 Seiten, 24,90 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Asse im Ärmel / Wie Dijsselbloem sich wieder verplappert, wie man eine Abstimmung richtig macht, und wie wir mit den Populisten fertigwerden

Dieser Holländer ist wirklich ein Problem. Immer mehr stellt sich heraus, dass Jeroen Dijsselbloem das Wasser einfach nicht halten kann. Brisante Informationen, die man den Menschen eigentlich erst enthüllen sollte, wenn sie intensiv abgelenkt sind und sowieso nicht zuhören, quasselt der Chef der Euro-Gruppe viel zu früh aus. Sein Vorgänger Jean-Claude Juncker war da weitaus durchtriebener, soll heißen, besonnener.

Nun schon wieder so was: Griechenland bekomme nach seinem ersten „Hilfspaket“ (das „erste und letzte“, wie es damals hieß) und seinem zweiten (nun aber „wirklich das allerallerletzte“, wie es damals ...) nun doch noch eine dritte Milliardenspritze, verplappert sich Dijsselbloem. Immerhin hat er das erst kurz nach der EU-Wahl ausgeplaudert. So konnten die Wahlkämpfer vor dem Urnengang wenigstens noch verbreiten, nur nationalistische Euro-Hasser und unverantwortliche Panikmacher malten das Schreckbild eines weiteren Aderlasses für Athen an die Wand.

Aber hätte er nicht warten können, bis die Fußball-WM gestartet, oder besser gesagt, ausgebrochen ist? In dem besoffenen Getöse wäre die Meldung völlig untergegangen. Was für ein Dussel! Wolfgang Schäuble witterte die Gefahr sofort und ging in die Offensive: Ja, gut, da kommt wohl noch was. Die Summe sei aber „begrenzt“ und eigentlich nicht der Rede wert, nur so ein paar Milliarden. Außerdem sei es definitiv das letzte Mal. Ah ja.

Bislang gingen 237 Milliarden Euro nach Athen, für den dicksten Batzen muss Deutschland geradestehen. Aber das Geld kommt ja irgendwann zurück, oder? Na ja, die Experten arbeiten emsig daran, wie man dem bösen Wort „Rückzahlung“ mittels Stundung und Zinssenkung jeden Inhalt nehmen kann. Die Schulden sollen „über die Zeitschiene“ im Treibsand der Inflation versinken, so ihr Ziel.

Wir wollen dennoch nicht übertreiben. Es ist zwar richtig, dass die deutschen Steuerzahler für das meiste geradestehen müssen, was man den Gläubigerbanken der Griechen zuschaufelt. Aber wir stehen ja nicht allein, da ist ja noch die Solidarität der treuen EU-Partner.

Bislang, zumindest. Bei den Partnern könnte es allerdings in dem kommenden Jahren zu gewissen Verschiebungen kommen, in deren Folge sich für Deutschland als EU-Nettozahler ganz neue Horizonte auftun dürften.

Die Briten stimmen nämlich in drei Jahren ab, ob sie überhaupt in der EU bleiben wollen. Den Euro (und damit die Zahlung für die Banken-Rettungen) haben sie ja ohnehin nicht gemocht. 2017 aber geht es ums Ganze.

Ärgerlicherweise stellt man den Insulanern die simple Frage „Drinnenbleiben oder rausgehen?“ Äußerst gefährlich, wer derart klare Fragen stellt, ris­kiert klare Antworten! Wie uneuropäisch! Hätte Brüssel das organisieren dürfen, würde man den Briten 2017 ein 256-seitiges Schriftstück mit 1278 Paragrafen zur Abstimmung vorlegen. Und ginge der erste Durchgang schief, hätte man eben ein paar Paragrafen ganz leicht verändert und über den Wälzer erneut zu den Urnen gerufen. Und dann wieder und wieder und wieder, bis die erschöpften Angelsachsen vor Entkräftung sogar ihrer eigenen Hinrichtung zugestimmt hätten und dem Nervenzusammenbruch nahe endlich „Ja“ ankreuzen.

Das wird leider nichts. Wenn die Briten für den Austritt votieren, verliert die EU einen gewichtigen Nettozahler. Das könnte anderen Hauptnettozahlern wie Schweden oder Holland ebenfalls den Geschmack an Brüssel verderben, die müssten dann nämlich mehr bezahlen. Die Schweden haben schon beim Euro mit Nein gestimmt, die Niederländer den Vertrag von Lissabon erst beim zweiten Anlauf durchgewinkt. Sind also beide unsichere Kantonisten.

Egal, Europa bleibt trotzdem groß. Erweiterungskommissar Stefan Füle hat seine Asse schon im Ärmel. Sollen Briten, Schweden und wer auch immer bleiben, wo der Pfeffer wächst! Der Tscheche (der just 1989 erkannt hatte, dass Kommunismus doof ist und aus der KP austrat) macht sich für eine Vollmitgliedschaft der Ukraine, Georgiens und der Republik Moldau stark. Aber wenn das weitere Nettozahler, die dann noch viel mehr nettozahlen müssten, auch zum Austritt bewegt? Selbst für die ist längst Ersatz da: Wenn die Finnen die EU nicht mehr wollen, holen wir uns eben Albanien, wenn die Dänen raus möchten, kommt Bosnien dafür rein, für Österreich nehmen wir das Kosovo auf und so weiter.

Deutschland, so wird es in guter, kritisch-journalistischer Tradition in unseren Medien jedes Mal heißen, profitiere von den Neu-Aufnahmen wie immer am meisten. Wer etwas anderes behaupte, sei ein Populist.

Populisten sind die, die man Anfang des 19. Jahrhunderts „Demagogen“ nannte, also Leute, die dem Volk von seinem vermeintlichen „Rechten“ erzählten und die Leute so aufwiegelten gegen die Gottes Gnaden geschuldete Ordnung. Ganz schlimme Finger. Die Epoche ihrer Umtriebe nannte man später „Vormärz“, weil diese Jahrzehnte in die Märzrevolution von 1848 mündeten.

Oh, Schauder! Nur mit knapper Not gelang es den gerechten Herrschern damals, die Volkswut gerade noch niederzuknüppeln. Soweit soll es heute gar nicht erst kommen, aber wir sind ja auch schlauer geworden, haben „aus der Geschichte gelernt“.

Das Dumme seinerzeit war, dass die Staatsmacht mit ihren Dragonern ganz unverhüllt aufs Volk, das aufmüpfige, eindreschen musste. Dies sah sehr hässlich aus und hat den „Demagogen“ immer mehr Sympathie und Mitstreiter zugetrieben.

Daher machen wir es heute geschickter: Der Staat, von der Regierung Merkel bis zum kleinsten Stadtrat, gibt Millionen für „Projekte gegen Rechts“, wovon ein nicht geringer Teil an militante Gruppen fließt, die sich für links halten. Mit dem Geld päppeln die Gruppen dann die „Antifa“, welche ihre Prügel- und Randale-Kommandos aussendet, um mit den „Populisten“ aufzuräumen.

Anschließend können sich die Vertreter der Macht-Elite heimlich ins Fäustchen lachen und gleichzeitig in der Öffentlichkeit ihre „Betroffenheit angesichts der Gewalt“ zum Ausdruck bringen. Letzteres allerdings eher selten, meistens bleibt es beim Fäustchen.

Sind wir nicht gut? Auf so ein abgefeimtes Spiel wäre der Fürst Metternich mit seinen hölzernen Demagogen-Verfolgern nie gekommen. Und was das Beste ist: Obwohl die Sache ziemlich leicht zu durchschauen wäre, darf sie niemand öffentlich aufdecken! Denn wer das tut, den haben wir umgehend als finsteren „Verbreiter von Verschwörungstheorien“ am Wickel, was bekanntlich eine besonders verwerfliche Form von Populismus ist. Ha!

Einfach genial, durch dieses Netz schlüpft uns keiner mehr. Zumal die Medien (anders als im „Vormärz“, als überall demagogische Hetzblätter die Atmosphäre vergifteten mit ihrem Gegeifer von Demokratie, Nation, Freiheit und so) diesmal brav und eifrig mitmachen. Ganz entsetzt sind sie, wenn einer aus der Reihe tanzt.

Der Kollege einer großen deutschen Wirtschaftszeitung war außer sich vor Abscheu, dass die französischen Medien den Le-Pen-Nazis ganz einfache Fragen gestellt haben, statt sie mit rhetorischen Tricks oder Fangfragen in die Falle zu locken. So darf man mit Populisten, noch dazu von der ganz, ganz rechten Sorte, natürlich nicht umgehen. Das widerspricht dem „journalistischen Auftrag“, würden viele Kollegen sicherlich beipflichten.

Journalistischer Auftrag? Wer erteilt den eigentlich?

Oha! Jetzt sind wir ja selber schon mitten im Morast der Verschwörungstheorie gelandet. Wer so eine Frage stellt, macht sich höchst verdächtig. Der soll sich bitte nicht wundern, wenn ihm unter Atlantikbrücken aufgelauert oder von hohen Bilderbergen hinab der Marsch geblasen wird von den journalistisch Beauftragten.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Nach Wahl: EU stoppt Verfahren

Brüssel – Unmittelbar nach der EU-Wahl hat die EU-Kommission die Defizit-Verfahren gegen sechs Länder gestoppt. Laut Maastrichter Vertrag darf das jährliche Haushaltsdefizit eines EU-Landes nicht mehr als drei Prozent der Jahreswirtschaftsleistung ausmachen. Bei Verstößen leitet Brüssel ein Verfahren ein. Die Prozesse gegen Österreich, Belgien, Dänemark, die Niederlande, die Slowakei und Tschechien wurden nun indes eingestellt. H.H.

 

Linke erzwingen Absage

Stuttgart – Der baden-württembergische Landesverband der „Jungen Alternative“, der Jugend­organisation der AfD, musste eine Lesung mit Erfolgsautor Akif Pirinçci in Stuttgart absagen. Zwei Austragungslokale, mit denen bereits Verträge bestanden hatten, nahmen ihre Zusagen nacheinander zurück mit der Begründung, der „öffentliche Druck“ sei zu groß geworden. Linke Gruppen hatten die Betreiber der Lokale massiv bedrängt. H.H.

 

Das Ende einer Prinzenrolle

Für viele Spanier war die Frage nach dem Ende der Euro-Krise im Land weniger wichtig als die nach dem Ende der Krise ihres Königshauses. Etliche Skandale erschütterten die Bourbonen: Ein Korruptionsprozess, bei dem Infantin Cristina vor Gericht aussagen musste, ein König, dem Liebesaffären vorgeworfen werden, und der sich als Ehrenvorsitzender der Umweltorganisation WWF eine 40000 Euro teure Elefantenjagd in Afrika gönnte, wobei er sich auch noch die Hüfte brach.

Die Spanier wissen um die Verdienste ihres „Vaters der Nation“. Juan Carlos war es, der nach General Francos Tod Spanien in die Demokratie führte. Doch zuletzt wurde das Volk des Lebemannes überdrüssig. 62 Prozent sprachen sich in einer Zeitung für seine Abdankung aus. Der 76-Jährige kam dem Wunsch des Volkes nun nach und erklärte seine Abdankung. Die Krone wird er seinem 46-jährigen Sohn Felipe von Spanien übergeben. Der fast zwei Meter große Thronfolger ist das genaue Gegenstück seines Vaters: kopfgesteuert, keine Skandale und – als ein mit einer bürgerlichen TV-Journalistin verheirateter Vater zweier Töchter – außerdem ein fürsorgender Familienmensch. Der richtige Saubermann also, dem man nicht nur zutraut, das krisengeplagte Königshaus aufzuräumen, sondern auch im von Arbeitslosigkeit und Inflation gepeinigten Spanien Zeichen des Aufschwungs zu setzten.

Für die Spanier steht der in Elite-Internaten und -Universitäten, im Heer, in der Marine und in der Luftwaffe ausgebildete Felipe außerdem für die Einheit des Landes. Seine Prinzenrolle erfüllte er mit vielen Versöhnungsbesuchen bei den Katalanen, die nach der Unabhängigkeit streben. Bei ihnen ist er beliebter als der Vater. Nun setzen die Spanier ihre Hoffnung auf König Felipe. Harald Tews


MEINUNGEN

Der holländische Filmemacher Peter Vlemmix erklärt seinen Film „Euromania“ in „Freie Welt“ (28. Mai):

„Ich bin überrascht von dem Heiligenschein, der die EU umgibt, von der Idee, dass es die EU sei, die für uns Frieden, Stabilität und Demokratie schafft, wie es das Nobelpreiskomitee behauptet hat. Wenn sie sich intensiv mit der EU auseinandersetzen ... erkennen sie, wie wenig die Realität in der EU mit diesen Idealen zu tun hat. Derzeit ist die EU ein ständig expandierendes, weitgehend undemokratisches Gebilde, das den Großkonzernen nützt, und eine gescheiterte gemeinsame Währung.“

 

 

Laut dem Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer ist die AfD dabei, die FDP als Partei der Marktwirtschaft zu ersetzen. Gegenüber der „Wirtschaftswoche“ (28. Mai) gibt er den Freidemokraten nur noch eine Chance:

„Hätte die FDP am Sonntag fünf Prozent erreicht, hätte man das als positives Signal deuten können. Wenn es bei der sächsischen Landtagswahl im August wieder kein solches Signal gibt, sehe ich schwarz. Das dürfte die letzte Chance sein. Ich glaube nicht, dass die FDP noch Zeit bis zur Wahl in Hamburg 2015 hat.“

 

 

Für den Philosophen Alexander Grau ist die EU auf dem falschen Dampfer. Sie überschätze sich dramatisch, warnt er im Magazin „Cicero“ (30. Mai):

„Wenn es eine europäische Identität gibt, dann liegt sie in der Differenz, in der Variation und in der Vielfalt ... Die EU hat weder eine höhere Moral gepachtet noch repräsentiert sie die Avantgarde der politischen Entwicklung oder gar das Ziel der europäischen Geschichte. Sie ist ein pragmatisches Verwaltungsinstrument zwischen Nationalstaaten. Das endlich mal einzusehen, wäre schon ein großer Schritt in die richtige Richtung.“

 

 

Die Chefin des bei den EU-Wahlen siegreichen französischen „Front National“, Marine Le Pen, teilt im Interview mit dem „Spiegel“ (2. Juni) kräftig aus gegen die EU:

„Europa, das ist der Krieg. Der Wirtschaftskrieg. Das ist die Zunahme der Feindseligkeiten zwischen den Ländern. Die Deutschen werden als grausam beschimpft, die Griechen als Betrüger, die Franzosen als Faulpelze. Frau Merkel kann in kein europäisches Land reisen ohne Hundertschaften von Polizisten zu ihrem Schutz. Das ist nicht Brüderlichkeit ... Die EU ist ein großes Verhängnis, ein antidemokratisches Monster.“

 

 

„Focus“-Herausgeber Helmut Markwort kritisiert in seinem Blatt vom 2. Mai die konzertierte Kampagne etablierter Politiker und Medien gegen die AfD im Wahlkampf:

„In den alteingesessenen Parteien wächst die Erkenntnis, dass es falsch war, die neuen Wettbewerber zu diffamieren und deren Kandidaten zu beleidigen ... Während die Nachfolger der SED-Kommunisten in allen Talksalons ohne Populismus-Zusatz hofiert werden, mokierten sich Vertreter von Union und SPD, wenn auch ein Politiker der AfD eingeladen werden sollte.“