29.03.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 26/14 vom 28.06.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Putins Suche nach »Plan B«
Russischer Präsident lenkt seit der Ukraine-Krise erstmals ein

Wladimir Putin verzichtet auf seine von der Duma erteilte Vollmacht für einen Militäreinsatz in der Ukraine. Damit setzt er im Ukraine-Konflikt Zeichen, einerseits, um Kiew seine Bereitschaft zur Lösung des Konflikts zu signalisieren, andererseits, um bei seiner Doppelrolle in der Ukraine das Gesicht zu wahren.

Zuhause steht Putin nach wie vor hoch im Kurs. Seit er die Krim zurückholte und für die Ostukraine als entschlossener Vertreter russischer Interessen auftrat. Das radikale Vorgehen der Separatisten und der Sieg der prowestlichen Regierung in Kiew drängt Putin jedoch in eine Doppelrolle, aus der er sich nun herausmanövrieren muss, ohne bei den Separatisten als Verräter zu gelten oder sich den Westen zum Feind zu machen. Einerseits muss er für sein Volk weiter den starken Mann spielen, andererseits aufpassen, dass der Konflikt nicht außer Kontrolle gerät. Der Auf- und Abmarsch russischer Truppen an der ostukrainischen Grenze lässt sich als beruhigendes Signal an die Separatisten deuten. Die russische Zurückhaltung zeugt jedoch eher von Hilflosigkeit als von Stärke. Auf die Frage, ob die russische Armee einmarschieren werde, antwortete Verteidigungsminister Sergej Schojgu mit einem klaren „Nein“.

Einem Krieg mit der Ukraine würde die Mehrheit der Russen nicht zustimmen. So beschränkt die Armee sich darauf, militärische Präsenz zu zeigen, indem sie Großmanöver wie das zwischen West-

sibirien und der Wolga mit 65000 Soldaten durchführt, als Warnung an die Nato, nicht weiter in die Interessenssphäre Russlands vorzudringen. Einen Rüstungswettlauf mit dem Westen kann Russland mit seiner schwächelnden Wirtschaft sich nicht leisten. Damit die Wirtschaft keinen weiteren Schaden nimmt, muss Putin den Westen vielmehr davon überzeugen, dass Russland trotz der Krise ein zuverlässiger Handelspartner bleibt, und für Investitionen werben. Sollte der Kapitalabfluss westlicher Investoren weiter anhalten, droht Russland eine lange anhaltende Rezession. Der Zorn des Volkes dürfte Putin treffen, wenn es ihm nicht gelingt, den erreichten Wohlstand eines Großteils der Russen zu halten. Es ist fraglich, ob Moskau einen Gasstreit will. Zumal der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko für diesen Fall angekündigt hat, das für den Westen bestimmte Gas aus den Transitleitungen abzuzweigen.

Während der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk versucht, Russland vom Transitmarkt zu verdrängen, verhandelt Putin in Wien mit den Österreichern über den Ausbau der „South Stream“-Pipeline, die Gaslieferungen nach Südeuropa unter Umgehung der Ukraine vorsieht. Da Österreich fast 60 Prozent seines russischen Gases über die Ukraine erhält, stehen die Zeichen gut. Außenminister Sebastian Kurz signalisierte, dass man trotz der Ukraine-Krise am „South Stream“-Projekt festhalten wolle. Statt auf eine Annexion der Ost-ukraine setzt Putin offensichtlich auf „Plan B“: Beruhigung der Separatisten und „business as usual“. Manuela Rosenthal-Kappi

(siehe auch Seite 2 und 7)


Die EU stellt sich stur
Zuwanderung: Bern zwischen Volkes Wille und Brüsseler Vorgaben

Kaum hatte der Schweizer Bundesrat sein neues Konzept für die Zuwanderungsbegrenzung verkündet, das auf Druck eines Volksentscheids am 9. Februar entstanden ist, hieß es bereits aus Brüssel, die EU beabsichtige nicht, „das Freizügigkeits- abkommen mit dem Ziel neu zu verhandeln, Quoten und Inländervorrang einzuführen“.

Somit befindet sich die Schweizer Regierung in einer Zwangslage. Einerseits gesteht der Bundesrat ein, dass er sich der Verfassung verpflichtet fühle, und die sieht vor, dass die Politik sich nach Volksentscheiden zu richten habe, andererseits ist man sich bewusst, dass ein großer Teil des schweizerischen Wohlstands auch den guten Beziehungen zu den Ländern der EU zu verdanken ist, vor allem den Handelsbeziehungen. Doch da die EU sich einer Neuverhandlung in Sachen Freizügigkeit verschließt – für Brüssel ist dies sozusagen der Markenkern –, besteht die Gefahr, dass wenn die Schweiz den vorhandenen Vertrag einseitig kündigt, die EU daraufhin andere Verträge aufkündigt. Vor allem der privilegierte Zugang des Nicht-EU-Mitgliedes Schweiz zum EU-Binnenmarkt böte hier Potenzial für einen effektiven Gegenschlag aus Brüssel. Dabei will der Bundesrat Volkes Willen auf eine moderate Weise umsetzen, die eigentlich der EU zusagen sollte. So will man vor allem Mütter mehr auf den Arbeitsmarkt locken, um so die Lücken zu schließen, die durch enge Zuwanderungskontingente auf dem Arbeitsmarkt gerissen werden könnten. Diese Kontingente sollen jedoch jedes Jahr anhand von Bedarf und offenen Stellen neu beschlossen werden.

Derzeit sind 23,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes Ausländer. Da deren Zahl in den letzten Jahren ständig stark gestiegen ist, wünschen sich die Schweizer hier Beschränkungen. Bel


Papst bricht ein Tabu
Franziskus gibt den Allierten eine Mitschuld am Holocaust

Eines der Vorhaben des Papstes ist die Öffnung der Vatikan-Archive zum Holocaust. Er verspricht sich davon, dass „viel Licht in die Sache“ gebracht und die Rolle des damaligen Pontifex Pius XII., dessen Seligsprechungsverfahren derzeit im Gange ist, als Judenretter deutlich werde. In einem Interview mit einer spanischen Zeitung, das in deutscher Fassung auf der Internetseite von „Radio Vatikan“ abrufbar ist, forderte er, das Wirken seines Vorgängers „im Kontext der Epoche“ zu sehen. Außerdem wies er darauf hin, dass die damaligen Kriegsgegner Deutschlands sich durch Nichtstun am Holocaust mitschuldig gemacht hätten.

Sorgen, dass durch die Archivöffnung für den Vatikan Unangenehmes zutage treten könne, habe er nicht. Dagegen bereite es ihm Sorge, dass Pius XII. „alles Mögliche“ vorgeworfen werde, obwohl dieser viele Juden versteckt habe. „In dessen eigenem Bett“ seien 42 Babys geboren worden, Kinder von Juden oder anderen Verfolgten, die sich dorthin geflüchtet hätten. Er wolle damit nicht sagen, dass Pius keine Irrtümer begangen hätte. Es ärgere ihn aber, wenn er sehe, wie alle gegen die Kirche und Pius XII. sprächen und dabei die Alliierten ganz vergessen würden: „Wissen Sie, dass die Großmächte ganz genau das Eisenbahnnetz der Nazis kannten, auf dem die Juden in die KZs gebracht wurden? Sie hatten Fotos davon! Aber sie warfen keine Bomben auf diese Schienen. Warum? Darüber sollten wir auch mal sprechen!“

Mit dieser Aussage hat Franziskus viel Mut bewiesen. Historiker wie Hellmut Diwald, die sich wissenschaftlich mit den Alliierten und dem Holocaust beschäftigten, wurden wegen angeblicher Relativierung des Holocaust diffamiert und in die rechtsextreme Ecke gestellt. J.H.


Jan Heitmann:
Für die Heimat

Beim Sommerfest der Landsmannschaft Ostpreußen und der deutschen Vereine in Allenstein (siehe Seite 13) konnte man wieder einmal sehen, wie Völkerverständigung auf überzeugende Weise mit Leben erfüllt werden kann. Mitten in der Hauptstadt von Ermland-Masuren, im Amphitheater am Fuße der Deutschordensburg aus dem 14. Jahrhundert, kamen rund 1200 frühere und heutige Bewohner des südlichen Ostpreußen zusammen, um bei einem bunten Kulturprogramm zu feiern, sich auszutauschen sowie neue Freundschaften über die Grenzen hinweg zu schließen oder bestehende zu vertiefen.

Dabei geht es jedoch nicht nur um Kultur, Austausch und ein geselliges Beisammensein, sondern der Veranstaltung wohnt auch eine politische Dimension inne. Die freundliche Aufnahme der vertriebenen Ostpreußen in ihrer Heimat und die offenen Herzen, mit denen sie dorthin reisen, zeigen, dass gegenseitige Ressentiments längst überwunden sind. Zudem straft sie all jene hierzulande Lügen, die den Vertriebenen unterstellen, Ewiggestrige oder Revanchisten zu sein, denen die heutigen Bewohner der Heimatgebiete misstrauen müssten.

Ostpreußen ist eine Brücke zwischen Ost und West in der Mitte Europas und zudem eine lebendige und lebenswerte Region. Seine früheren und heutigen Bewohner sind diejenigen, die diese Brücke in beide Richtungen beschreiten – offen, einander zugewandt, mit gestalterischem Willen und den Blick in die Zukunft gerichtet. Gemeinsam setzten sie sich für das Wohl des Landes und seiner Kultur ein, ist den einen Ostpreußen doch immer Heimat geblieben und den anderen geworden.


S. 2 Aktuell

In Geiselhaft
Auch Kiew nutzt russisches Gas, um Europa gefügig zu machen und Gelder zu erpressen

Nach den kostspieligen Erfahrungen mit der „Griechenland-Rettung“ tun Europas Steuerzahler gut daran, sich auf ein zweites finanzielles „Fass ohne Boden“ einzustellen: eine „Ukraine-Rettung“.

Die Hilfszahlungen für Griechenland seien im Vergleich zum Finanzbedarf der Ukraine verschwindend gering, so EU-Energiekommissar Günther Oettinger unlängst auf einer Veranstaltung in Pressburg [Bratislava]. Mit seiner Offenherzigkeit steht Oettinger nicht allein. Bereits im März hatte Wolfgang Schäuble eine für einen Finanzminister bemerkenswerte Aussage in Sachen Ukraine gemacht: „Ob uns das wirtschaftlich und finanziell etwas kostet, ist zweitrangig ... Hier geht es darum, dass die internationale Rechtsordnung eingehalten werden muss“, so der Bundesfinanzminister.

Dieser Sichtweise entspricht die Finanzierung der Ukraine-Hilfen. Einem Bericht der „Deutschen Mittelstandsnachrichten“ zufolge, nutzt die EU-Kommission den Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) dazu, über Anleihen am Finanzmarkt das notwendige Geld für Kredite an die Ukraine zu beschaffen. Besorgniserregend ist nicht nur, dass damit ein Schattenhaushalt aufgemacht wird. Die Übergangsregierung in Kiew ging bereits im Februar davon aus, dass die Ukraine allein bis zum Jahr 2015 einen Bedarf von 35 Milliarden US-Dollar an ausländischer Hilfe hat.

Als Teil eines Kreditpaketes von insgesamt 1,6 Milliarden Euro hat die EU inzwischen im Mai 100 Millionen Euro und vor Kurzem nochmals 500 Millionen nach Kiew überwiesen. Offiziell als Kredite deklariert, kann das Geld angesichts der miserablen Bonität der Ukraine wahrscheinlich als Verlust verbucht werden. Nicht viel besser dürfte es um die vereinbarte Gegenleistungen bestellt sein. Offiziell ist die EU-Hilfe für die Ukraine an Bedingungen wie Reformen im Energiesektor, mehr Anstrengungen im Kampf gegen Korruption und eine verbesserte Finanzverwaltung geknüpft. Tatsächlich hat die Regierung in Kiew allerdings gute Chancen, ihren Finanzbedarf von der EU ohne nennenswerte Gegenleistungen gedeckt zu bekommen. Durch die Funktion der Ukraine als Transitland für russische Gas- und Öllieferung hat deren Führung gegen-über der EU einen wirksamen Trumpf in der Hand. Europa deckt gut 30 Prozent seines Erdgas-Bedarfs mit Gas aus Russland, rund die Hälfte davon wird über Pipe-lines geliefert, die über ukrainisches Gebiet verlaufen.

Dass man in Kiew nicht davor zurückschreckt, bei finanziellen Engpässen dem übrigen Europa den Gashahn einfach zuzudrehen, hat der sogenannte Gaskrieg im Jahr 2009 bewiesen. Wegen unbezahlter Rechnungen hatte Russland damals die Belieferung der Ukraine mit Gas eingestellt. Um den eigenen Bedarf zu decken, bediente sich die Ukraine kurzerhand an den Lieferungen, die für Abnehmer im übrigen Europa bestimmt waren. Als Folge kam es zu Engpässen bei der Gasversorgung Europas.

Auch nachdem inzwischen ein Machtwechsel stattgefunden hat, scheint die Bereitschaft, Europa energiepolitisch als Geisel zu nehmen, nach wie vor in Kiew vorhanden zu sein. Deutlich wird dies bei dem Pokerspiel während den Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau um den künftigen Gaspreis und offenen Rechnungen – laut dem Lieferanten Gazprom rund 4,5 Milliarden US-Dollar. Im Wissen um die Unterstützung aus Brüssel pokert man in Kiew gegenüber Moskau so unnachgiebig, dass Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) inzwischen ganz offen davon spricht, dass letztlich die EU die offenen Gasrechnungen der Ukraine begleichen werde. Angesichts des ukrainischen Finanzbedarfs, den EU-Energiekommissar Oettinger angedeutet hat, kann die europäische Abhängigkeit vom Wohlwollen der Ukraine kaum als gute Verhandlungsposition bezeichnet werden.

Erstaunlicherweise tut Brüssel bisher nichts, um die Schlüsselstellung der Ukraine bei der europäischen Gasversorgung und die eigene Erpressbarkeit zu verringern. So haben Brüssel und Washington erfolgreich Druck auf Bulgarien ausgeübt, damit bei einem Pipeline-Projekt durch das Schwarze Meer ein Baustopp verhängt wird. Ähnlich wie bei der Ostsee-Pipeline will Gazprom bei diesem Projekt die Ukraine als Transitland nach Europa künftig umgehen. Bereits im März hat die EU-Kommission die Entscheidung darüber, inwieweit der russische Gaskonzern Gazprom die Gasleitung OPAL (Ostsee-Pipe-line-Anbindungsleitung) nutzen darf, bis auf Weiteres verschoben. Bei der OPAL handelt es sich um ein Verbindungsstück zwischen der Ostsee-Pipeline Nord Stream und dem EU-Gastransportnetz von Nord nach Süd. Bisher darf Gazprom die Leitungskapazitäten nur zur Hälfte nutzen, obwohl es erhebliche Reserven gibt. Russland hat nach Angaben von Energieminister Alexander Nowak inzwischen vorgeschlagen, nicht ausgelastete OPAL-Kapazitäten zu versteigern. Norman Hanert


Wer hat künftig in Brüssel das Sagen?
Das Geschacher um wichtige EU-Kommissionsposten hat begonnen

Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung herrscht der Eindruck vor, dass Großbritanniens Premier David Cameron bei der Berufung einer neuen EU-Kommission die Rolle des ewigen Bremsers innehabe. Im Schatten der bisherigen Attacken auf Jean-Claude Juncker mischen britische Vertreter bei der aktuellen Verteilung von Posten allerdings kräftig mit. Für sein Land hat Cameron sogar den Posten eines „Superkommissars“ im Auge. Gemeint ist damit ein Ressort mit wirtschaftspolitischem Einfluss auf Bereiche wie Binnenmarkt, Außenhandel oder Energie. Wichtig wäre dieser Posten für London nicht zuletzt deshalb, weil damit auch Einfluss auf die Verhandlungen zur TTIP, dem Transatlantischen Freihandelsabkommen mit den USA, verbunden wäre. Im Gespräch für den Posten ist der Leader of the House of Commons und Lordsiegelbewahrer Andrew Lansley, ein enger Vertrauter Camerons.

Camerons Wunsch nach einem britischen „Superkommissar“ in Brüssel ist nicht der einzige Anknüpfungspunkt für einen politischen Kuhhandel, der relativ schnell zu einer arbeitsfähigen EU-Kommission führen könnte. Entgegen dem vorherrschenden Eindruck steht London unter Zeitdruck. Hintergrund ist, dass gemäß dem am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen EU-Vertrag von Lissabon nach einer fünfjährigen Übergangsfrist die gesamte Politik der „dritten Säule“, sprich Justiz und innere Sicherheit, voll vergemeinschaftet wird. Wie beim Euro hatte Großbritannien sich die Möglichkeit eines „Opt-out“ vorbehalten. Es erklärte, dass es bei der für den 1. Dezember 2014 anstehenden Vergemeinschaftung von Asyl- und Migrationspolitik, Grenzkontrollen oder Terror- und Kriminalitätsbekämpfung nicht mitmache.

Wie der österreichische „Standard“ unter Berufung auf Diplomaten in Brüssel berichtet, möchte Cameron nun allerdings doch „bei etwa einem Drittel von rund 130 Gesetzesmaterien“ eine britische Beteiligung. Hintergrund sollen Befürchtungen sein, dass Versuche britischer Strafverfolgung künftig in anderen EU-Staaten auf ernste Hindernisse stoßen. Um eine entsprechende Ausnahmeregelung für dieses „Halb drinnen – halb draußen“ zu erhalten, braucht London aber die Unterstützung der EU-Kommission. Diese muss den Wunsch prüfen und dem EU-Rat einen Vorschlag machen. Damit Cameron für seine Sonderwünsche in Brüssel noch eine halbwegs realistische Chance hat, müsste eine neue EU-Kommission spätestens im November, besser aber im September die Arbeit aufnehmen.

Diesem Zeitdruck auf Cameron dürfte umso größere Bedeutung zukommen, als Londons Begehren nach einem britischen „Superkommissar“ auf Schwierigkeiten stoßen wird. Sollte es Polen nämlich nicht gelingen, seinen Außenminister Radoslaw Sikorski als Nachfolger der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zu installieren, dann wäre das Energieressort ein wirkungsvolles Trostpflaster. So könnte der polnische Premier einen Plan vorantreiben, den er schon länger im Augen hat: die Schaffung einer „EU-Energieunion“ samt zentraler EU-Einkaufsstelle für Erdgas.

Ambitionen auf das EU-Außenressort werden ebenfalls Italien zugeschrieben. Das gute Abschneiden bei den EU-Wahlen im Rücken, könnte Matteo Renzi seine Außenministerin ins Rennen um die Ashton-Nachfolge schicken. Für Rom ebenfalls interessant wäre das Brüsseler Justiz- und Innenressort, verspricht es doch Einfluss in Asyl- und Flüchtlingsfragen.

Eher schlecht dürfte es um die Pläne der französischen Sozialisten stehen, die im Vorfeld der EU-Wahl ebenfalls Anspruch auf einen „Super-Wirtschaftskommissar“ angemeldet hatten. Bei den Posten, die Paris inzwischen alternativ ins Auge gefasst hat, droht ernste Konkurrenz mit spanischen Wünschen. Sowohl Paris als auch Madrid liebäugeln mit einem Zugriff auf das wichtige Agrarressort. Noch mehr Reiz hätte es allerdings, nach dem Amtsende von Jeroen Dijsselbloem den künftigen Chef der Euro-Gruppe stellen zu können. Egal, welche der beiden Regierungen zum Zuge kommen sollte, nach Mario Draghi an der Spitze der EZB, würde damit ein weiterer einflussreicher Spitzenposten in der Euro-Zone mit einem Vertreter eines traditionellen Weichwährungslandes besetzt sein.

Für die hiesigen Steuerzahler könnte dies nicht die einzige negative Begleiterscheinung des Brüsseler Postengeschachers sein. Nach Informationen der Wiener „Presse“ hat Hannes Swoboda (SPÖ), der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten im EU-Parlament, als Gegenleistung für eine Wahl des Christdemokraten Jean-Claude Juncker eine „flexiblere Interpretation des Stabilitätspakts“ gefordert. Wie bereits der italienischen Premier Matteo Renzi verlangt hatte, sollen „öffentliche Investitionen“ künftig aus der EU-Defizitrechnung herausfallen. N.H.


Gedenktag nun auch in Sachsen

Als drittes Bundesland führt Sachsen einen Gedenktag für Heimatvertriebene ein. Das beschloss der Landtag am Mittwoch vergangener Woche mit der Mehrheit der schwarz-gelben Koalition und den Stimmen der NPD. Wie in Bayern und Hessen ist dafür der zweite Sonntag im September vorgesehen. Zur Begründung heißt es, es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das Schicksal der Heimatvertriebenen und Aussiedler im Bewusstsein lebendig zu halten. Gerade vor dem Hintergrund der voranschreitenden Historisierung der Ereignisse sei es wichtig, dem Thema Flucht und Vertreibung einen festen Platz im Gedächtnis des Landes einzuräumen.

Nach Angaben des vertriebenenpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Frank Hirche, leben heute noch rund 250000 Vertriebene in Sachsen. Fast jeder vierte Sachse sei familiär mit dem Thema verbunden. SPD, Grüne und die Linkspartei lehnen den Gedenktag ab und verweisen auf den bereits bestehenden Internationalen Weltflüchtlingstag.

Ein Erinnern an die Vertreibung könne zudem nur im Dialog mit den Nachbarländern gestaltet werden, die vor der Vertreibung dem nationalsozialistischen Angriffskrieg zum Opfer gefallen seien, so der Grünen-Politiker Michael Weichert. J.H.


MELDUNGEN

Athen verärgert Troika

Athen – Für minimale 1,8 Prozent Zinsen konnte sich Griechenland dieser Tage am Kapitalmarkt für drei Monate 1,3 Milliarden Euro leihen. Dieses Geld benötigt das schuldengeplagte Land dringend, um die Löcher im laufenden Haushalt zu stopfen. Dabei wählt Athen bewusst den Weg über den ihm dank EZB- und EU-Garantien wieder vertrauenden Finanzmarkt, statt direkt Geld über die institutionellen Euro-Retter zu beschaffen. Diese sind nämlich derzeit nicht gut auf Griechenland zu sprechen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der zusammen mit EZB und EU die sogenannte Troika der Griechen-Retter bildet, kritisierte erst vor Kurzem die zunehmende „Reformmüdigkeit“ des immer noch in der Rezession befindlichen Landes. Zudem stellt die griechische Regierung nun auch noch die von der Troika geforderten Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst infrage. In diesem Jahr sollten hier 7000 Stellen wegfallen, doch vor allem die sozialdemokratische Pasok stemmt sich dagegen. Sie hatte selbst in den 80er und 90er Jahren durch massive Klientelwirtschaft den öffentlichen Dienst stark ausgebaut. Bel

 

Schirmherr für Aussiedler

Hannover – Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius (SPD), hat die Schirmherrschaft über die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V., Landesgruppe Niedersachsen übernommen. Damit solle die Wertschätzung für alle in Niedersachsen lebenden Aussiedler und Spätaussiedler und deren erfolgreiche Integrationsleistung zum Ausdruck kommen, so der Innenminister. Die Landsmannschaft vertritt die Interessen derjenigen Deutschen, die in der Sowjetunion vertrieben wurden und im Verlauf von Jahrzehnten nach Deutschland übersiedelten. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Wowereit ohne Rückendeckung
Berlins Bürgermeister will Olympische Spiele nach Berlin holen, doch konkrete Pläne fehlen

Neben Hamburg will die deutsche Hauptstadt die Olympischen Spiele von 2024 oder 2028 ausrichten. Berlins Politik hat jedoch ihre Stärke mal wieder im Marketing, nicht bei der Planung oder bei der Bürgernähe.

Die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg denken laut und bisher getrennt über Olympische Spiele in der Region nach. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) möchte Konkurrent Hamburg eine Bewerbung ausreden. Nun will auch Brandenburg international wettkampftaugliche Sportstätten vorstellen. Bis Ende August können die Bewerber ihre Argumente vorbringen, im Dezember entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Berlin hat den Start bereits fast verschlafen.

Der DOSB, der eine Olympiabewerbung für die Sommerspiele 2024 oder 2028 plant, listet Hamburg und Berlin gleichermaßen als Kandidaten. In diesem Konkurrenzverhältnis droht die Hauptstadt den Anschluss zu verlieren, denn Berlins Planung steckt in den Anfängen und eine Übereinkunft über die Nutzung von Sportstätten in Brandenburg steht aus. Bürgermeister Klaus Wowereit spielt auf Zeit, will eben jenen Wettbewerb vermeiden: „Wir brauchen erst einmal eine positive Entscheidung des deutschen Sportbunds und der Bundesregierung. Das ist eine nationale Bewerbung“, so der Politiker am 16. Juni. Zwar könne Hamburg das auch, doch sei er überzeugt, „dass Deutschland nur eine Chance mit Berlin hat“. Folglich sollten sich die Bundesregierung und der DOSB jetzt auf Berlin festlegen. „Wir können Großveranstaltungen stemmen“, so Wowereit.

Vom Bauen als Voraussetzung sprach er nicht – der katastrophale Flughafenbau hängt der Stadt weiter nach. Berlins Bevölkerung bliebe zwar anfangs auf Distanz, so Wowereit, aber wenn das Ereignis da sei, „dann rennt sie da hin, det is Berlin“. Dass Wowereit die Zeichen der Zeit missdeutet, legt München nahe: Hier sprach sich jüngst die Bevölkerung gegen eine Olympiabewerbung der Stadt für 2022 aus. Das negative Signal an die Politik stieß bei Berlins Senat auf taube Ohren. Schon in den 1990er Jahren warb der mit einem grinsenden gelben Bärengesicht für Olympische Spiele im Jahr 2000 an der Spree. Vielem städtischen Marketing und einem vergleichsweise großen finanziellen Spielraum standen damals nur langsam errichtete Sportstätten gegenüber. Das Olympiastadion, wegen historischer Anklänge an die Olympischen Spiele von 1936 ohnehin umstritten, wurde erst 2000 und 2004 saniert und wäre nicht fertig geworden. Der nicht umgesetzte „Olympiaexpress“ auf Berlins S-Bahn-Ring klingt angesichts der Mängel bei dem Verkehrsmittel noch heute wie Zukunftsmusik. Immerhin entstanden damals auch neue Sporteinrichtungen, so die Max-Schmeling-Halle und das Velodrom. Ob sie den aktuellen Anforderungen genügen, ist ungeprüft. Die damals eingeplante Deutschlandhalle existiert nicht mehr und auf dem für Olympia 2000 als Schlüsselposition vorgesehenen Messegelände fand insgesamt eher Rückbau statt.

„Berlin kann nur Bär“, spottet der „Tagesspiegel“ jetzt angesichts der Mas-kottchen und Pannen von einst. Das Scheitern des Großprojekts Tempelhofer Feld hängt dem Senat noch an. Wie er Berlin von Olympia überzeugen will, wenn er schon mit diesem eher überschaubaren Projekt an einem Volksentscheid scheitert, sagt Wowereit nicht. Schließlich sollen klassischerweise die Unterkünfte der Sportler nach den Spielen Wohnungen werden, schon deshalb ist Tempelhof bei etwaigen Olympiabauten sofort wieder im Gespräch, neue Konflikte inklusive.

Viel langfristiger und mit breiterer Unterstützung geht Hamburg das Thema an. Während Berlins Sportsenator schweigt, schwelgt Hamburgs Sportsenator Michael Neumann (SPD) anlässlich des jüngsten Hamburger Symposiums Sport, Ökonomie und Medien: „Ich habe Lust auf das Thema Olympia.“ Gigantismus sei von gestern, mahnt Wolfgang Maennig, Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Die Hansestadt plant langfristig in der Hafencity neue Sportstätten, doch geht die regierende SPD jetzt das Thema mit einer Studie an. Neumann stellte im April sogar Bedingungen an das Internationale Olympische Komitee (IOK), forderte Reformen: „Wenn es so weitergeht wie in der Vergangenheit, dann wird es sehr schwierig werden. Dann weiß ich auch gar nicht, ob Hamburg die richtige Stadt ist, so etwas zu machen.“ Er versprach zudem, ein Referendum zum Thema abzuhalten. In einem ersten Entwurf sind ein Olympiastadion, eine Schwimm- und Handballhalle, ein Radstadion, ein olympisches Dorf für 16000 Bewohner sowie ein Olympiapark für bis zu 100000 Menschen südlich der Hafencity geplant, aufbauend auf dem Bewerbungskonzept der Stadt für die Spiele 2012. Die Kosten schätzt Hamburg grob auf fünf bis sechs Milliarden Euro.

Berlin indes hofft auf günstigere Spiele. Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin, träumt von ökologischen Spielen und kalkuliert wegen vorhandener Bauten und bei günstigen temporären Einrichtungen Baukosten unter einer Milliarde Euro ein – London habe mehr als das Zehnfache ausgegeben. Doch auch er meint, die Berliner müssten gefragt werden. Einen neuen Austragungsort für Schwimmwettkämpfe braucht zudem auch Berlin. Insgesamt 65 Trainings- und Wettkampfstätten muss die Stadt aufbieten. Gerhard Janetzky, Präsident des Berliner Landesverbandes der zum DOSB gehörenden Deutschen Olympischen Gesellschaft, sagte mit Blick auf die Hauptstadt: „Es gibt zur Zeit keinen, der die Fahne für eine Olympiabewerbung in die Hand nimmt.“ Rund 30 bis 60 Millionen Euro kostet allein die Bewerbung – zu viel, wenn man nicht wirklich will. Sverre Gutschmidt


Zeichen gesetzt
von Theo Maass

Vorletzten Mittwoch beschloss der Akademische Senat der Freien Universität Berlin mit seiner linken Mehrheit, Edward Snowden zum Ehrenmitglied der Uni zu ernennen. Die Symbolwirkung des Beschlusses ist nicht zu unterschätzen, denn die politische Klasse dieses Landes – bis weit in die Grünen hinein – zeigt nur wenig Interesse daran, ausländischer Spionage in Deutschland entgegenzutreten.

Hauptziel der US-Spionage gegen die „befreundeten“ Staaten ist Deutschland. Das Ausmaß dieser feindlichen Aktivitäten ist ungeheuerlich, noch empörender ist aber die Interesselosigkeit der Mainstream-Medien in Deutschland. Selbst am Heiligen Abend 2012 hörten die US-Amerikaner in Deutschland 13 Millionen Gespräche ab. Während Hinz und Kunz als Wirtschaftsmigrant glaubt, hierzulande unter den abenteuerlichsten Vorwänden als Asylant anerkannt zu werden, verweigert Deutschland Snowden – der in den USA sogar mit dem Tode bedroht werden kann – politisches Asyl.

Auch die Kanzlerin ging trotz Lauschangriffen gegen ihr eigenes Handy unbekümmert zur politischen Tagesordnung über, während der grüne Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele – aus welchen Motiven auch immer – Snowden in seinem Mos­kauer Refugium besuchte und befragte. Normalerweise ist es eigentlich so, dass jedes Land versucht, sich vor feindlichen (oder meinetwegen auch fremden) Spionen zu schützen, und sich jenen dankbar erweist, die sich dabei als hilfreich erweisen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter meinte, Snowden müsse (wenn er nach Deutschland käme) verhaftet werden, da er in den USA per Haftbefehl gesucht werde. Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU fand, dass Snowden in den USA nichts zu befürchten habe, denn bei dem Land handele sich ja um einen Rechtsstaat. Asyl in Deutschland komme nicht in Frage.

Haben diejenigen recht, die immer öfter die Souveränität Deutschlands in Frage stellen? Gewiss, auch bei der SPD und den Grünen überwiegen offenbar die NSA-„Versteher“, aber es gibt sie dort doch noch: die „Neinsager“, die Sarrazins, die Ströbeles und all die anderen. Aber wo bleiben die patriotischen Stimmen in der Union, wo sind die Verteidiger der Souveränität Deutschlands? So gesehen ist der Beschluss der Freien Universität Berlin eine patriotische Tat. Auch an der Universität Rostock wird eine Ehrung Snowdens diskutiert. Wenn das Vorgehen der Berliner Hochschule kein Einzelfall bleibt, dann ist zu hoffen, dass die Kanzlerin doch noch tätig wird und unseren Freunden jenseits des Großen Teichs klar macht, dass Freundschaft und Solidarität anders aussehen.


Von der Reichsbahn verheizt
Opferverbände fordern Entschädigung für Zwangsarbeiter

Die Deutsche Bahn (DB) hat angekündigt, Zwangsarbeit durch DDR-Häftlinge bei der Deutschen Reichsbahn (DR) in einer Studie untersuchen zu lassen. Eine Ausstellung soll die Ergebnisse dokumentieren. „Uns liegt sehr daran, dass dieses bisher weitgehend unbekannte Kapitel aus der Geschichte der Reichsbahn konsequent durchleuchtet und dokumentiert wird“, sagte Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn.

Auslöser der Untersuchung ist ein aktueller Forschungsbericht der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG). Das von der Fernsehsendung „Report Mainz“ sowie auf einer Pressekonferenz vorgestellte Papier basiert auf hunderten Originaldokumenten und zeigt, „dass die Zwangsarbeit in der DDR von Anfang an als zentral gesteuertes System der wirtschaftlichen Ausbeutung von Strafgefangenen angelegt war“, so der Verband. Im Rahmen der Forschungsarbeit stieß die UOKG auch auf Zwangsarbeit bei der DR. Von 1951 bis zum Ende der DDR 1989 mussten jährlich 1200 bis 1500 Häftlinge Zwangsarbeit bei der Staatsbahn leisten.

Nach Angaben der Deutschen Bahn lagen dem Konzern bislang keine entsprechenden Erkenntnisse vor. „Wenn es jetzt Hinweise gibt, dass die Reichsbahn der DDR Strafgefangene als Arbeitskräfte ausgebeutet hat, dann nehmen wir das sehr ernst“, erklärte Grube.

„Wir können jetzt erstmals belegen, dass die Deutsche Reichsbahn zwischen 1951 und 1989 von der Zwangsarbeit politischer Gefangener in erheblichem Maße profitiert hat“, sagte der Leiter des von der UOKG vorgestellten Forschungsprojekts Christian Sachse.

Der Dachverband der Opferverbände will einen Runden Tisch zum Thema DDR-Zwangsarbeit einsetzen. Die Häftlinge, darunter auch sehr viele politische Gefangene, wurden laut Studie in der Regel in Bereichen mit körperlich schwerer Arbeit eingesetzt, wo die Arbeitsbedingungen so miserabel waren, dass sich keine regulären Arbeiter fanden. Bei der Reichsbahn war das insbesondere im Gleisbau oder bei der Verschrottung von Waggons der Fall. Zudem gab es unter den Zwangsarbeitern um das Dreifache erhöhte Unfallzahlen.

Der Vorsitzende der UOKG, Rainer Wagner, forderte „Entschädigungen für die politischen Gefangenen“. SV


Keine Abschiebung
Abgelehnte Asylbewerber toleriert

Ein 27-jähriger Wirtschaftsmigrant aus Niger, der vor wenigen Tagen von Berlin nach Sachsen-Anhalt verbracht worden war, ist schon wieder zurückgekehrt. Die zunächst gerichtlich angeordnete Abschiebehaft hat das Landgericht Stendal wieder aufgehoben – nicht jedoch die Abschiebeverfügung als solche. Sein Asylverfahren müsste eigentlich in Italien durchgeführt werden, da er dort das Gebiet der EU erstmals betreten hat. Dennoch hatte er einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt gestellt, der aber abgelehnt worden ist. Statt auszureisen gehörte er dann zu den „Refugees“, die den Kreuzberger Oranienplatz monatelang besetzt hielten.

Seine Anwältin Berenice Böhlo hat nun einen Antrag auf humanitäres Aufenthaltsrecht für den ehemaligen Platzbesetzer in Berlin gestellt: „Es geht darum, eine humanitäre Perspektive für ihn in Deutschland zu finden.“ Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin meint, 80 Prozent der 326 Oranienplatz-Flüchtlinge seien von Abschiebung bedroht. Innensenator Frank Henkel machte bislang aber keinerlei Anstalten, die ungebetenen Gäste, die den Landeshaushalt stark belasten, aus Berlin und Deutschland zu entfernen. Auch an eine Durchsetzung der Residenzpflicht scheint die Innenverwaltung nicht zu denken.

Derweil hatten „Flüchtlinge“ und ihre Unterstützer aus einer Demonstration gegen eine mögliche Räumung der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule heraus stundenlang ein weiteres Haus besetzt. Die Demonstration hatten zwei neue bislang weitgehend unbekannte Organisationen, „United Neighbours“ und „Refugee Strike Berlin“, organisiert. Hans Lody


CDU erstmals mit AfD

Im Süden der Mark startet die erste Zusammenarbeit zwischen CDU und der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Im Elbe-Elster-Kreis bilden beide Parteien demnächst eine gemeinsame Fraktion, Ziel ist die Landtagswahl im September. Die CDU vor Ort beschloss das ungleiche Bündnis aus 18 CDU- und einem AfD-Mitglied. Die Landespartei gibt dazu keinen Kommentar ab, doch auch eine prominente Christdemokratin ist dabei: Brandenburgs CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich. Mit Rainer Genilke gehört dem neuen Bündnis zudem der CDU-Landtagsabgeordnete des Kreises an. Dem Bündnis ging ein über Wochen andauernder CDU-interner Streit um die Art des Umgangs mit der AfD voraus. So sprach sich Generalsekretärin Heinrich für die Möglichkeit von Gesprächen mit dem AfD-Landeschef Alexander Gauland aus. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende Michael Schierack hingegen war zu keiner konkreten Aussage zur AfD bereit. SV


S. 4 Hintergrund

Viel Lärm um wenig
EEG-Reform dämpft Kostensteigerungen, mutet Ökostrombranche jedoch nicht viel zu

Über 300 Seiten umfassten die Änderungen zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), über die bis zuletzt in den Fraktionen verhandelt worden war, bevor sie am Freitag dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt wurden. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verbucht die Reform nun als persönlichen Erfolg. Doch ist dies gerechtfertigt?

„Ich muss darauf achten, dass nicht zu vielen Interessen nachgegeben wird“, so Gabriel Anfang Juni bei einer Anhörung im Energieausschuss des Bundestages über die Details der Reform des EEG. Und da Gabriel, ganz erfahrener Politiker, allen an der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien Beteiligten Einschnitte zumutet – dem einen mehr, dem anderen weniger – sind zwar alle auf ihn sauer, doch zugleich auch froh, dass es keine radikalere Reform gibt. Da alle zudem unterschiedliche Einzelinteressen haben, entfaltete ihr Widerstand nie die notwendige Kraft, um den Minister von den grundsätzlichen Zielen seiner Reform abzubringen.

Diese waren die Fortsetzung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien bei gleichzeitig nicht explodierenden Stromkosten, vor allem um so den Industriestandort Deutschland nicht völlig seiner Wettbewerbsfähigkeit zu berauben. Nie war von sinkenden Strompreisen – Deutschland hat schon jetzt mit die höchsten in der Welt – die Rede, sondern stets nur von Dämpfung der Kostensteigerung. Ob das genügen wird, werden die nächsten Jahre zeigen. Fakt ist jedoch, dass Gabriel ohne Zweifel hart dafür kämpfen musste, selbst die jetzigen Einschnitte am EEG durchzusetzen. So gibt es künftig moderate Mengengrenzen für den Neubau von Solar-, Windkraft- und Biogasanlagen. Auch sollen Vergütungen abgesenkt werden, so dass die Subventionierung über die vom Stromkunden zu zahlende EEG-Umlage nur noch zwölf statt wie bisher 17 Cent pro Kilowattstunde beträgt. Da aber die bis Ende letzten Jahres installierten Anlagen ihre Förderung für jeweils 20 Jahre garantiert bekommen haben, dauert es noch lange, bis die hohen Kosten der bereits am Netz befindlichen Altanlagen nicht mehr auf der Stromrechnung des Verbraucher auftauchen. Derzeit zahlt ein Durchschnittshaushalt jährlich 200 Euro für die EEG-Umlage, ein Wert, der weit über dem liegt, was Prognosen der Vergangenheit vorhergesagt hatten, so dass auch Aussagen über die künftige Entwicklung des Strompreises mit Vorsicht zu genießen sind.

Zu den Leistungen des Ministers zählt, dass ab 2017 nur noch jene Stromproduzenten eine Genehmigung erhalten, die bereit sind, die geringste EEG-Förderung zu akzeptieren. Auch müssen bereits ab August – stufenweise bis 2015, nach Leistungsstärke gestaffelt – Betreiber von Neuanlagen ihren Strom direkt vermarkten, so dass die Netzbetreiber nicht mehr wie bisher gezwungen sind, ihnen ihren Strom abzunehmen. Zugleich bleibt jedoch die Merit-Order unangetastet. Sie bestimmt anhand der Kosten, in welcher Reihenfolge die konventionellen Kraftwerke die Erneuerbaren ergänzen dürfen. Dies führt dazu, dass günstige abgeschriebene Kohlekraftwerke vor effizienten, umweltfreundlichen Gaskraftwerken bevorzugt werden, so dass immer mehr Anbieter die neueren Anlagen vom Netz nehmen müssen.

Vieles davon ärgert nicht nur die Betreiber selbst, auch die Länder sind sauer. So wollte Schleswig-Holstein mehr Strom aus Windkraft produzieren, als es selbst verbrauchen kann, und so zum Stromexporteur aufsteigen, doch die neuen Zubaugrenzen ließen diesen Traum platzen. Auch Bayern, das die lokalen Betreiber von Biogasanlagen und die sie beliefernden Landwirte seit Jahren päppelt, konnte nichts für seine Klientel erreichen und scheiterte bereits im Bundesrat mit seinem Antrag.

Dieser darf am 11. Juli über das EEG entscheiden, doch da das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig ist, kann es nur durch Hinzuziehung des Vermittlungsausschusses verzögert werden. Doch auch der Bundesrat hat ein Interesse, dass die EEG-Reform zum 1. August greift. Sie ist laut EU-Kommission Voraussetzung dafür, dass Deutschlands energieintensive Unternehmen auch in diesem Jahr die umstrittene Befreiung von der EEG-Umlage erhalten. Scheitert dies, fallen die Gewinne der Betriebe und damit die Steuern für den Staat niedriger aus. R. Bellano


Selbst Bayern war machtlos
Biogasbranche ist größter Verlierer der EEG-Reform

Schon ein kurzer Blick auf die EEG-Reform verrät, dass die Biogasbranche die stärksten Einschnitte erleiden wird. Die verschiedenen Lobbyverbände beweinen sogar bereits den Tod der Branche und so ganz aus der Luft gegriffen dürfte diese Einschätzung wohl nicht sein. Schon nach der letzten EEG-Reform 2012 sank der Zubau neuer Anlagen von 1300 im Jahr 2011 auf 340 im Jahr der Gesetzesänderung.

Und jetzt dürften die Einschnitte noch schmerzhafter werden, denn neben der Deckelung der jährlichen Zubaumenge auf 100 Megawatt sollen auch für Neuanlagen Teile der Vergütung gestrichen werden. Ziel ist es, die besonders teure Bioenergie nicht nur zu verbilligen, sondern die Betreiber von Biogasanlagen zu zwingen, künftig nicht mehr so stark auf Mais als Energiegeber zu setzen.

Mit dem Ausbau der Biogasanlagen war in der Vergangenheit die Anbaufläche von Mais massiv ausgeweitet worden. Mais zu verstromen, das erwies sich als vergleichsweise einfach, sauber und effizient. Zugleich jedoch verödete das Landschaftsbild, wurden die Böden einseitig ausgelaugt und die Artenvielfalt gefährdet. Minister Gabriel reagiert nun überraschend stark auf die Entwicklung und will im Grunde künftig nur noch Anlagen gefördert sehen, die Gülle und Bio-Abfälle vergasen, so wie es eigentlich auch gedacht war, denn mit Mais gewonnenes Biogas dient nicht dem angestrebten Umweltschutz. Zudem werden Nahrungspflanzen durch Energiepflanzen verdrängt, was angesichts von hundertausenden Hungernden in der Welt einen bedenklichen Beigeschmack hat.

„Die schwankende Stromproduktion aus Wind und Sonne muss ausgeglichen werden. Dazu brauchen wir saubere Energie aus heimischer Biomasse, nicht fossile Kohlekraftwerke, die das Klima schädigen“, mahnt der Präsident des Fachverbands Biogas e.V., Horst Seide, jedoch nicht grundlos an, denn Biogas ist neben Erneuerbarer Energie aus Wasserkraft die einzige Ökostromart, die man speichern kann. Allerdings, das ist den Produzenten anzukreiden, haben sie zu wenig auf Speicher gesetzt und sich zu lange auf den hohen, gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen ausgeruht.

Und so konnte dann auch CSU-Chef Horst Seehofer nichts für die Biogasbranche in Berlin erreichen. Bayern ist Biogas-Land Nummer eins in Deutschland, 2300 Anlangen produzieren 750 Megawatt und versorgen 1,25 Millionen Haushalte. Nicht nur, dass im Land die Betreiber der Anlagen, aber auch unzählige Bauern von der EEG-Umlage für Biogas profitieren, auch sah Bayern lange im Biogas eine Perspektive aus der sich abzeichnenden Energiekrise. Denn wenn 2015 das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet wird, muss Ersatzkapazität her. Wo die genau herkommen soll, ist derzeit nicht absehbar, denn die großen konventionellen Stromerzeuger sind angesichts der durch die Energiewende erzeugten Umsatzverluste nicht in der Lage und auch nicht willens in neue Kraftwerke zu investieren. Bel


Vor allem EU macht Ärger

Kippt Brüssel kurz vor Zieleinlauf doch noch Gabriels EEG-Reform? Bei PAZ-Redaktionsschluss am 24. Juni kursierte nur die Meldung der „FAZ“, dass diese aus exklusiven Quellen wisse, dass die EU mit den Vorschlägen aus Berlin nicht einverstanden sei. Dabei ist der Druck aus Brüssel einer der Hauptgründe – neben den steigenden Kosten –, warum die Politik hierzulande so auf das Tempo drückt. Denn eine Reform des EEG ist für die EU Voraussetzung dafür, dass sie die Ökostromrabatte für die Industrie nicht als wettbewerbsverzerrend untersagt.

Lange hat Gabriel mit Brüssel verhandelt, um energieintensive Unternehmen bei der Subventionierung der Erneuerbaren Energien nicht vollständig in Anspruch nehmen zu müssen. Wenn man bedenkt, dass allein auf BASF am Standort Ludwighafen ein Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs entfällt, ist es nachvollziehbar, dass zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze in Deutschland in derartigen Fällen Sonderregelungen sinnvoll sind. So brauchen auch künftig Unternehmen aus den entsprechenden Branchen nur einen ermäßigten Satz von 20 Prozent der EEG-Umlage bezahlen. Diese sich auf fünf Milliarden Euro summierenden Rabatte müssen dafür an anderer Stelle eingesammelt werden. Hier will die Bundesregierung künftig Eigenstromerzeuger mit heranziehen.

Dies erzürnt vor allem Unternehmen, die, um der EEG-Umlage zu entgehen, ihre eigenen Kraftwerke haben. Derartige Neuanlagen sollten – so der ursprüngliche Plan – mit 15 Prozent EEG-Abgabe belastet werden, Kleinerzeuger mit 50 Prozent. Dann hieß es, alle mit 40 Prozent. Brüssel hingegen riecht eine neue Sonderregel und fordert Gleichbehandlung aller Stromerzeuger und -verbraucher. Bel


Zeitzeugen

Sigmar Gabriel – „Wir stehen knapp vor dem Scheitern der Energiewende“, mit derart drastischen Worten versuchte der Wirtschaftsminister, Vertretern der Solarbranche die Zustimmung zu seiner EEG-Reform abzuringen. Er weiß genau, das Letzte, was jene gebrauchen können, ist ein Ende der Energiewende, von der sie mit am meisten profitieren.

Carsten Körnig – Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft liebt es dramatisch: „Bleibt die Energiewende ein Erfolgsprojekt oder wird sie zum Rohrkrepierer? Genau diese Frage muss der Bundestag jetzt beantworten. Wenn die Parlamentarier den Gesetzesentwurf nicht deutlich nachbessern, wird der Ausbau der Sonnenenergie im Inland auf einen Bruchteil schrumpfen.“ Der Anteil der Photovoltaik an den Erneuerbaren Energien betrug 2013 19,4 Prozent, an sie flossen rund 50 Prozent der EEG-Umlage.

Robert Habeck – Dem schleswig-holsteinischen Umweltminister (Grüne) missfällt, dass der Ausbau der Windkraft künftig mengenmäßig gedeckelt ist. Dies mache die Energiewende kaputt, denn es fördere laut Habeck die Aufstellung von Windrädern in windarmen Regionen. Er konnte durchsetzen, dass bei der Zubaumenge der Ersatz alter Windräder durch neue nicht berücksichtigt wird.

Thorben Becker – Der Energieexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wehrt sich gegen die Befreiung von Unternehmen bei der EEG-Umlage. „Wer den Strompreis für Verbraucher senken will, darf den Ausbau Erneuerbarer Energien nicht behindern, sondern muss die Kosten gerechter auf alle verteilen.“

Oliver Moldenhauer – Der Mitbegründer des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac, engagiert sich jetzt für das Kampagnennetzwerk Campact. Dort ist er als sogenannter Energiewende-Campaigner aktiv und protestiert: „Gabriels EEG-Reform ist ein schlechter Aprilscherz: Die kostengünstigste Windkraft an Land soll ausgebremst und stattdessen auf Braunkohle gesetzt werden – trotz ihrer hohen Folgekosten für das Klima.“


S. 5 Deutschland

Ratlos angesichts der vielen Niederlagen
CDU versteht nicht, warum ihre Kandidaten in Großstädten stets gegenüber der SPD verlieren

Nach der Niederlage bei den letzten Kommunalwahlen in der NRW-Landeshauptstadt sucht die CDU nach Lösungen aus der „Großtstadt-Krise“. In den Metropolen der Republik kommen die Christdemokraten seit Jahren auf keinen grünen Zweig.

Kai Wegner ist in diesen Tagen ein viel gefragter Mann. Und der Bundestagsabgeordnete, ansonsten im Parlament eher der Typ Hinterbänkler, genießt die Aufmerksamkeit. Dabei hat Wegner derzeit kein leichtes Amt. Er ist der „Großstadtbeauftragte“ seiner Partei. Und in den Metropolen der Bundesrepublik hat die Union derzeit einen schweren Stand. Vor zwei Wochen hagelte es Niederlagen bei den Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die Bilanz ist für die CDU, auf Bundesebene mit Abstand stärkste Kraft, frustrierend. Die SPD hat mittlerweile in 23 der 30 einwohnerstärksten Städte die Nase vorn. Sie stellt in neun der zehn größten Kommunen das Stadtoberhaupt und in Stuttgart regiert mit Fritz Kuhn ein Grüner.

Mit Ausnahme von Dresden gibt es in keiner Landeshauptstadt mehr einen Oberbürgermeister der Union, zuletzt ging auch noch der Chefsessel in Düsseldorf verloren. Dort siegte der SPD-Politiker Thomas Geisel überraschend klar gegen den christdemokratischen Amtsinhaber Dirk Elbers, der im ersten Wahlgang noch deutlich vorne gelegen hatte.

„Offenbar haben wir ein Mobilisierungsproblem“, stellt der Großstadt-Beauftragte Wegner fest. „Um gesellschaftspolitisch mehrheitsfähig zu bleiben, müssen wir uns stärker um die Städte kümmern“, sagte er dem „Stern“: „Auf Bundesebene haben wir uns zu einer modernen Partei entwickelt. Vor Ort wirken wir oft zu spießig. Da müssen wir ansetzen.“ Der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, hatte vor Jahren den Begriff der „modernen Großstadtpartei“ geprägt. Dem liberalen Christdemokraten war es damals gelungen, mit Hilfe der Partei Rechtsstaatliche Offensive von Roland Schill die jahrzehntelange SPD-Herrschaft zu brechen. Später schaffte er sogar die absolute Mehrheit. Dabei scheute von Beust auch heiße Eisen nicht, zunächst ließ er den potenziellen Koalitionspartner Schill das Thema Innere Sicherheit besetzen, nach dessen Selbstdemontage bearbeite er dieses Feld selbst. Aber am Ende scheiterte auch er.

Auffallend ist seit Jahren, dass die Union in den Metropolen nur noch begrenzt mobilisieren kann. Auf Bundes- und Landesebene ist die Partei der Kanzlerin Angela Merkel vor allem aufgrund der ihr zugeschriebenen wirtschaftlichen Kompetenz geschätzt. Vor Ort fehlt ihr sehr häufig das Image des Kümmerers. Armin Laschet, Vizechef auf Bundesebene und ehemaliger Landesminister in Nord-rhein-Westfalen, versucht dagegen, die Probleme wegzudiskutieren. Jede Niederlage sei ein regionales Phänomen, habe ihre eigene Ursache. Es sei schlicht eine „Kopfsache“. Die Pleite bei der Oberbürgermeisterwahl 2009 in Köln wurde als Auswirkung des Archiv-Einsturzes interpretiert. Als es 2012 in Duisburg zur Blamage kam, wurde dies als Spätfolge der Love-Parade-Katastrophe abgetan. In Düsseldorf habe die Amtsführung von Dirk Elbers die Niederlage verursacht.

Doch innerhalb der Partei wächst die Unzufriedenheit. Bereits Ende 2012 setzten sich mehrere Bundestagsabgeordnete mit der verfahrenen Situation auseinander. „Wir haben den Anschluss an gemeinwohlorientierte Interessengruppen wie Communitys in der Jugendhilfe, dem Umwelt- oder Sozialbereich weitgehend verloren“, hieß es in einem Strategiepapier. Die CDU werde in Großstädten zu häufig „exklusiv mit den Themenfeldern Sicherheit und Ordnung und einer konservativen Grundausrichtung verbunden“. Der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer empfahl seiner Partei, „sich stärker an Themenfeldern der Grünen zu orientieren“. Seltsamerweise profitiert aber die SPD von der Schwäche der CDU in den Metropolen. Innerhalb der Partei wächst die Angst, die kommunale Krise könne sich irgendwann auch bei Landtagswahlen auswirken. Der stellvertretende Parteivorsitzende Armin Laschet hält dies für Unsinn, verweist darauf, dass SPD-Mann Christian Ude jahrelang in München Traumergebnisse erzielt habe, als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Bayern aber chancenlos gewesen sei.

Doch worin liegt die Krise der Union in den Großstädten begründet? Der Bonner Politologe und frühere CDU-Politiker Gerd Langguth glaubt, dass der Partei der Spagat zwischen ländlichen Regionen und Metropolen nicht gelänge. „In den Großstädten zeichnet sich am deutlichsten das ab, was den Wertewandel der Gegenwart ausmacht“, sagte Langguth der Tageszeitung „Die Welt“ und fügte hinzu: „Nirgendwo gibt es so viele Ein-Personen-Haushalte, nirgendwo haben sich die Milieus so stark verändert wie dort.“

Ob diese Analyse treffend ist, darüber wird in der Union gestritten. Auf Bundesebene hat die Partei mit der Übernahme von SPD-Positionen Erfolg gehabt, in den Städten gelingt das nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen eher gering ist. In Düsseldorf profitierte die Union im ersten Wahlgang von der gleichzeitig stattfindenden Europawahl. 14 Tage später blieben viele Anhänger zu Hause. Gegen einen weiteren Linksruck der Partei wendet sich daher auch der sächsische Generalsekretär Michael Kretschmer. Der dortige Landesverband dürfte der konservativste der Union sein, zuletzt erzielte die Partei bei der Kommunalwahl gute Ergebnisse. „Wir haben in den großen Städten alle Direktmandate geholt und stellen überall die größten Stadt-ratsfraktionen“, sagt Kretschmer, „entscheidend sind überzeugende und standhafte Persönlichkeiten.“

Peter Entinger


»Piraten« vor dem Aus
Der Protestpartei ist es nicht gelungen, sich zu etablieren

Es ist still geworden um die „Piraten“. Zwei Jahre nach ihrem Höhenflug steht die Partei vor dem Aus. Interner Streit und eine Unterwanderung durch Linksextremisten dürften ihr Ende beschleunigen. „Die gegenwärtige Wählersubstanz der ,Piraten‘ liegt gerade noch bei einem Prozent aller Wahlberechtigten“, sagte der einflussreiche Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner. Nach 1,4 Prozent bei der Europawahl und dem schwachen Abschneiden bei den Kommunalwahlen in zehn Bundesländern ist der Wochenzeitung „Die Zeit“ schwerlich zu widersprechen: „Es ist eine sterbende Partei.“

Der Höhenflug, der vor zwei Jahren seinen Scheitelpunkt erreichte, als die „Piraten“ nacheinander in vier Landesparlamente einzogen, scheint unendlich lange zurückzuliegen. Die selbsternannte Bürgerrechtspartei wurde zunehmend von Linksextremisten unterwandert, interner Streit steht auf der Tagesordnung und statt der selbst verordneten Transparenz regieren Chaos und Selbstzerfleischung. Mitten während des Europawahlkampfes trat der halbe Bundesvorstand zurück, die drei prominenten Gesichter Marina Weisband, Bernd Schlömer und Sebastian Nerz haben resigniert. Weisband hat ein Buch über Politik geschrieben. Schlömer trieb die Klage gegen die Dreiprozent-Hürde bei der Europawahl voran und hat sich ansonsten völlig zurückgezogen. Und Sebastian Nerz, der telegene Frontmann des Jahres 2012, hat die Partei im Februar verlassen. Er schweigt zu den Gründen, aber aus der Partei ist zu hören, dass „Bombergate“ bei dem Wortführer des liberalen Flügels das Fass zum Überlaufen gebracht habe. So wurde der Eklat um die Berliner „Piratin“ Anne Helm genannt, die in Dresden anlässlich des Jahrestags der alliierten Bombenangriffe mit blanker Brust dem hierfür verantwortlichen britischen Befehlshaber Arthur Harris gedankt hatte.

Das war selbst für eine Chaos-Truppe wie die „Piraten“ zu viel. Zudem wurde deutlich, wie tief die Antifa die Partei bereits durchsetzt hatte. In Berlin führt mit Oliver Höffinghoff ein Linksextremist die letzte verbliebene Hochburg, was seriöse Leute wie den populären Künstler Enno Lenze veranlasste, der Partei den Rücken zu kehren.

Acht Jahre nach ihrer Gründung haben die Piraten immer noch keine organisierte Führung und keine stabile Struktur. Nur rund ein Drittel der offiziell noch 28000 Mitglieder zahlt Beiträge, die vier Landtagsfraktionen schlummern vor sich hin. Für Forsa-Chef Güllner besteht keine Hoffnung mehr auf Besserung: „Das war immerhin mal eine Art Mini-Volkspartei, deren Sympathisanten aus allen Schichten kamen, nicht deshalb, weil sie für etwas stand, sondern weil man mit den anderen unzufrieden war. Das ist jetzt vorbei, es ist nur noch eine Splitterpartei.“

Der weitere Weg der Partei dürfte mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlaufen. Auch bei Kernthemen wie dem NSA-Skandal oder der Debatte um Vorratsdatenspeicherung schafften es die „Piraten“ nicht, sich entsprechend zu positionieren und Aufmerksamkeit zu erreichen. „Sie ereilt das typische Schicksal einer Protestpartei“, glaubt Güllner. Ob dies auch der eurokritischen Alternativen für Deutschland (AfD) droht, ist nach Ansicht seines Forschungsinstituts noch offen: „Es ist noch zu früh festzustellen, ob es sich um Stamm- oder Protestwähler handelt.“ P.E.


Respekt vor Karlruhe
Staatsrechtler lobt Bundesverfassungsgericht für gesetzte Grenzen

Gut 80 Prozent der Gesetze, die der Bundestag verabschiedet, werden von Brüssel veranlasst. Die Regierungschefin wird von einem anderen Staat beim Telefonieren abgehört, ohne dass das Folgen hätte, und seine Hoheit in Währungsfragen hat Deutschland längst aufgegeben. Was also ist übrig geblieben von der Souveränität der Bundesrepublik, deren letzte Einschränkungen doch angeblich 1990 beseitigt wurden? Dieser Frage ging der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider bei einem Vortrag der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) in Berlin nach.

Die Frage nach der Souveränität überhaupt zu stellen, so Schachtschneider, sei politisch alles andere als genehm. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vertrete offen die Ansicht, dass das Konzept der staatlichen Souveränität in Zeiten der europäischen Einigung im Grunde obsolet sei. Auch die von Schachtschneider untersuchten Arbeiten junger Staatsrechtler machten um das Konzept der Souveränität einen Bogen. Ihn wundere das nicht, so der „Euro-Rebell“, denn wer als Wissenschaftler etwas anderes äußere, habe kaum Chancen auf einen Lehrstuhl.

Umso erfreulicher sei es, dass das Bundesverfassungsgericht in einem der von ihm erstrittenen Urteile zum Euro den Begriff der Souveränität nicht nur mehr als 20-mal verwende, sondern auch festgelegt habe, dass die Deutschen in einer Volksabstimmung zustimmen müssten, bevor Parlament und Regierung die Bundesrepublik Deutschland unwiderruflich zu einem Gliedstaat der EU machen könnten. Schachtschneider vertritt hinsichtlich der Währungsunion die Position, dass deren Scheitern gleichsam darauf angelegt war, den „europäischen Superstaat“ durchzusetzen. Schließlich habe schon Helmut Kohl vor den entscheidenden Schritten zum Euro gesagt, es könne „keine Währungsunion ohne politische Union“ geben. Das werde nun mit den Vereinbarungen zur Euro-Rettung nachgeholt.

Souveränität habe auch eine territoriale Dimension, so der in Pommern geborene Wissenschaftler. Die Einverleibung der Oder-Neiße-Gebiete durch Polen und die UdSSR sei und bleibe eine Annexion, deren Rechtswidrigkeit auch durch Zeitablauf nicht geheilt werde.

In der vom SWG-Vorsitzenden Menno Aden geleiteten Diskussion bekundete Schachtschneider viel Respekt für das Bundesverfassungsgericht. Beispielsweise habe er kein Problem mit dem neuesten Urteil über den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB. Zwar habe Karlsruhe den Fall an den Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg weitergegeben, doch hätten die Richter klar zu erkennen gegeben, dass sie die Anleihekäufe für rechtswidrig halten. Vor allem aber könne das Bundesverfassungsgericht im Falle eines aus deutscher Sicht unzulässigen Urteils erneut über den Fall befinden – weil eben die deutsche Souveränität noch nicht ganz verloren sei. Dass Karlsruhe abschließend über die Anleihekäufe der EZB urteilen könnte, war allerdings kaum in den großen Medien zu lesen gewesen.

Der Vortrag war die zweite Veranstaltung der SWG in Berlin. Spontan wurde beschlossen, im Herbst einen Vortrag von Aden über die Islamisierung Europas folgen zu lassen. Wer daran interessiert ist, kann sich per E-Mail oder Brief bei der SWG melden (geschaeftsstelle@swg-hamburg.de oder Buchtstraße 4, 22087 Hamburg). Konrad Badenheuer


MELDUNGEN

Nicht asylberechtigt

Berlin – Dieser Tage wurde im Innenausschuss des Bundestages darüber diskutiert, ob Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina asylrechtlich als sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollen, so dass Asylanträge aus diesen Ländern nicht mehr möglich sind. Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, hob hervor, dass die Zahl der Asylanträge aus den Ländern, die alle in die EU streben, in den letzten Jahren massiv zugenommen habe. Derzeit würden 106000 Anträge vorliegen, von denen bestenfalls 0,2 Prozent anerkannt würden. Die Prüfung binde jedoch Arbeitszeit und verhindere, dass man sich Asylanträgen von Menschen annehme, die wirklichen Schutzes bedürften wie beispielsweise aus Syrien. Bel

 

Profil durch Kalte Progression

Berlin – „Wirtschaftskompetenz ist unser Markenzeichen“, so der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann. Er gehört zu jenen Unionspolitikern, die es besonders schmerzt, dass, obwohl seine Partei 2013 die Bundestagswahl gewonnen hat, der kleinere Koalitionspartner SPD die Politik der Regierung bestimmt. Nun will er mit einer „Steuerbremse“ Profil für seine Partei gewinnen. Ziel sei es, die Folgen der Kalten Progression, die dafür sorgt, dass Arbeitnehmern von Lohnerhöhungen nach Abzug von Steuern und Inflation real kaum mehr Gehalt bleibt, abzumildern. Die Regierung solle sich verpflichten, so Linnemann, künftige Mehreinnahmen im Bundeshaushalt zum Abbau der Kalten Progression zu verwenden. Um seinen Wunsch durchzusetzen, will er der Politik ein Hintertürchen offenlassen. Kommt es zu Haushaltsnotlagen, solle die Regierung die Anpassung aussetzen können. Bel


S. 6 Ausland

Missbrauchtes Gedenken
Serbiens Präsident und Premier nutzen Historie, um bei der eigenen Bevölkerung zu punkten

Serbiens Staatspräsident Tomislav Nikolic und Ministerpräsident Aleksandar Vucic haben ihre Teilnahme an einer Veranstaltung zum Gedenken an das Attentat vom 28. Juni 1914 in Sarajevo abgesagt und damit die Vertreter Österreichs brüskiert, die mit dieser Weltkriegs-Gedenkfeier in Bosniens Hauptstadt ein Zeichen der Versöhnung setzen wollten.

Als Begründung für ihre Absage haben der Staats- und der Regierungschef Serbiens die Inschrift einer Tafel herangezogen, die an der ehemaligen Nationalbibliothek Sarajevos angebracht ist. Allerdings wird die Inschrift der Tafel gegenüber der serbischen Öffentlichkeit von beiden serbischen Politikern falsch zitiert. So hat Präsident Nikolic laut dem serbischen Medium „B92“ seine Absage damit begründet, dass die Gedenkzeremonie in einem Gebäude stattfinden werde, auf dem geschrieben stehe, dass dies ein Platz sei, „wo serbische Kriminelle“ und „wo der Aggressor und Tschetniks“ (Freischärler) Leute getötet hätten. Dies sei keine Art, wie „wir uns versöhnen werden“. Er könne nicht an einen Platz kommen, wo „seine Leute angeklagt“ seien, so Serbiens Staatsoberhaupt. Premier Vucic führt wiederum an, er könne deshalb nicht nach Sarajevo fahren, weil er nicht neben einem Zeichen stehen könnte, das vom „faschistischen serbischen Aggressor“ spreche.

Tatsächlich ist mit Bezug auf den Brand der ehemaligen Nationalbibliothek folgende Inschrift zu lesen: „Auf diesem Platz haben serbische Kriminelle in der Nacht vom 25. auf 26. August 1992 die Nationalbibliothek und die Universitätsbibliothek in Brand gesetzt. Über zwei Millionen Bücher, Periodika und Dokumente lösten sich in Flammen auf. Vergesst nicht, erinnert auch und warnt!“

Vor den Kopf gestoßen wurde allerdings nicht nur Österreich mit seiner Gedenkfeier samt Wiener Philharmonikern. Eine Abfuhr hat sich bisher auch Paris eingehandelt, das eine gemeinsame Historiker-Konferenz mit serbischen Geschichtswissenschaftlern in Sarajevo zustande bringen wollte.

Die Reaktionen aus Belgrad zum Weltkriegsgedenken rufen in Erinnerung, was im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien im übrigen Europa gern verdrängt wird: An der Spitze Serbiens stehen Personen, die lange Zeit im Ruf standen, extreme Nationalisten zu sein. Präsident Nikolic war sowohl im Kroatienkrieg als auch im Bosnienkrieg als Tschetnik aktiv. Noch bemerkenswerter ist das Tempo, mit dem sich Vucic vom extremen serbischen Nationalisten zum EU-Enthusiasten gewandelt zu haben scheint. Noch im Jahr 1995 warnte Vucic mit den Worten „Für jeden Serben, den sie töten, werden wir 100 Muslime töten“, die Nato vor einem Eingreifen in den Bosnienkrieg. Inzwischen will Vucic nicht einmal mehr einen Beitritt Serbiens zur Nato grundsätzlich ausschließen.

Ganz fest auf der Agenda Vucic’ steht ein EU-Beitritt Serbiens im Jahr 2020, zu dem die Verhandlungen bereits diesen Januar angelaufen sind. Schaut man auf die Probleme, die Serbien mitbringt, wird schnell klar, dass sich die EU mit dem Staat einen weiteren Problemfall aufbürdet. Geradezu unlösbar scheinen die langfristigen demografischen Probleme Serbiens. Gemäß den Daten einer Volkszählung im Jahr 2011 zählt das Land zu den Nationen mit der stärksten Überalterung in Europa. Um die daraus resultierenden sozialen Problem abzufedern, wäre ein hohes Wirtschaftswachstum nötig. Tatsächlich machen aber ausländische Investoren wegen grassierender Korruption und Bürokratie um Serbien einen großen Bogen. Das Resultat ist eine Arbeitslosigkeit von rund 30 Prozent. Wer in Serbien Arbeit hat, ist in der Regel beim Staat angestellt. Bei einer Gesamtbevölkerung von etwas mehr als sieben Millionen, entfallen auf Serbiens öffentlichen Dienst rund 740000 Beschäftige und ein Drittel der Staatsausgaben. Dringend nötig sind eine drastische Verkleinerung des gigantischen Beamtenapparats, Einsparungen und Steuererhöhungen. Geschieht weiterhin nichts, gilt der Ausbruch sozialer Unruhen nur noch als eine Frage der Zeit.

Unabhängig davon, ob er den nötigen Willen dazu hat, ist mittlerweile sogar zweifelhaft, ob Serbiens Premier Vucic überhaupt noch die Kraft hätte, die notwendigen Reformen in Gang zu bringen. Erst im März nach einem

Erdrutschsieg seiner als nationalpopulistisch geltenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) an die Macht gekommen, gilt der Regierungschef inzwischen bereits als politisch angeschlagen. Zunächst hat die schlimme Flutkatastrophe alle Pläne zur Sanierung des Staatshaushalts zunichte gemacht. Der Versuch von Vucic, sich als Krisenmanager beim Jahrhunderthochwasser in Szene zu setzen, ging ebenso schief. Inzwischen liegen bei Vucic die Nerven blank. Er habe „Beweise“, dass „viele in der internationalen Gemeinschaft, darunter auch Botschafter“, die serbischen Medien unter Druck setzten, um „eine Kampagne gegen mich und meine Familie“ zu führen, so Serbiens Premier vor Kurzem.

Folge des misslungenen Starts könnte nicht nur sein, dass Vucic wie bei der Sarajevo-Gedenkfeier verstärkt wieder die nationale Karte spielt. Auch könnte er in der Außenpolitik an einem Spiel gefallen finden, das schon der Ukrainer Viktor Janukowitsch bis zu seinem Sturz über Jahre profitabel gespielt hat: eine Schaukelpolitik zwischen der EU und Russland, bei der von beiden Seiten möglichst viele Zugeständnisse herausgeholt werden. H. Müller


USA: Die Mitte geht verloren
Entmachtung von Eric Cantor versetzt Republikaner in Alarmstimmung

Das ist die politische Version vom Erdbeben in San Franzisco“, kommentierte, verblüfft wie alle, der Politik-Experte Stuart Rothenberg. „Das kam aus dem Nichts.“ Erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist ein Mehrheitsführer des aus Senat und Repräsentantenhaus bestehenden Kongresses bereits in den Vorwahlen gescheitert. In Virginia unterlag mit dem Republikaner Eric Cantor der Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses dem weitgehend unbekannten Wirtschaftsprofessor Dave Bratt, welcher der Tea Party nahesteht.

Damit haben die Wähler von Virginia nicht nur ihren seit 13 Jahren amtierenden Repräsentanten entthront, sie haben auch die vom republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, entwickelte Wahlstrategie der Republikaner – weg von den radikalen Tönen der Tea Party, die unter anderem das gewaltige Potenzial der Latino-Wähler zu vergraulen droht – komplett infrage gestellt. „Diese verblüffende Neuigkeit könnte der erste Schuss werden in einem voll ausbrechenden Krieg zwischen der Tea Party und dem Establishment um die Führung in der Partei“, meint der Parteienexperte Ron Bonjean zu dem völlig unerwarteten Wahlergebnis.

Cantor, der einzige jüdische Abgeordnete im Repräsentantenhaus und Kronprinz von Boehner, gehört zu einer neuen Generation von Republikanern, die sich „Young Guns“ („Junge Pistolen“) nennt. Er hatte gegen die Einigung im Haushaltsstreit, der letzten November die Regierung lahmgelegt hatte, gestimmt und wollte das Ende von Barack Obamas Gesundheitsreform daran knüpfen. Auch hatte er Kontakte zur Tea Party hergestellt und die Einwanderung kritisiert.

Allerdings sympathisierte er mit der Idee, Kindern von illegalen Einwanderern ein Aufenthaltsrecht zu gewähren. Das war wohl vielen Wählern nicht konservativ genug. Sie rannten in Scharen zu dem katholischen, bis dato politisch unbedarften Dave Brat über, der seit 20 Jahren an dem kleinen Randolph Mason College lehrt, seinen Glauben oft in den Wahlkampf einbrachte und mit einem Wahlkampfbudget von nur 200000 US-Dollar über den mit fünf Millionen Dollar ausgestatteten Cantor siegte. Wie war das möglich?

Das Pew Research Center startete sofort eine Befragung, derzufolge sich in den USA eine zunehmende Polarisierung der Öffentlichkeit bemerkbar macht. Die Wähler zeigen sich danach in wachsendem Maße entweder konservativ-republikanisch oder liberal-demokratisch. Die Mitte geht verloren. Nach der Umfrage bezeichnet ein Drittel der Republikaner und ein Viertel der Demokraten die jeweils andere Partei als „eine Bedrohung für das Wohl der Nation“. 54 Prozent der konservativen Wähler schreiten auch bei Vorwahlen zur Urne, von den liberalen sind es 34 Prozent und von den politisch Indifferenten nur 18 Prozent. Was wird nun aus der Legalisierung von zwölf Millionen illegalen Zuwanderern? Droht im November eine erneute Lahmlegung der Regierung, wenn der neue Staatshaushalt beschlossen wird?

Erst einmal ist Cantor nach seiner sensationellen Wahlniederlage als Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus zurückgetreten. Bei der Wahl seines Nachfolgers flammte die traditionelle Rivalität zwischen Kalifornien und Texas neu auf. Der Abgeordnete Kevin McCarthy aus dem kalifornischen Bakersfield, ein republikanisches Bollwerk in dem demokratisch regierten Staat, stand zur Wahl gegen seinen Kollegen Pete Sessions aus dem texanischen Waco – beides prominente Figuren in Washington. Texas verlor diesmal. Die Partei kürte McCarthy.

Liselotte Millauer


Kriminalisierung als Waffe
In Italien wächst die Sorge vor Unabhängigkeitsreferenden

Wie unzählige Male zuvor schon „zur Verteidigung der Einheit des Vaterlandes Italien“ rückte dieser Tage die Bozner Staatsanwaltschaft aus, begleitet von Männern der ROS, einer Sondereinheit der Carabinieri zum Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Am Sitz der Partei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) beschlagnahmte das römische Machtinstrument Computerdateien und schriftliche Unterlagen. Der vorgegebene Grund für die staatsanwaltschaftliche Ermittlung und das auf Abschreckung und Einschüchterung zielende martialische Einschreiten der dem Militär unterstehenden kasernierten Polizeitruppe: Verdacht der Unterschlagung und einer Manipulation.

Im Spätsommer 2013 hatte die STF mehr als 400000 Briefe verschickt und dabei den für den Versand von Wahlwerbung beanspruchten üblichen vergünstigten Tarif von 0,04 Euro pro Briefsendung entrichtet. In den Briefen befanden sich Wahlkarten zur Teilnahme an dem von der STF im Herbst 2013 initiierten und durchgeführten Selbstbestimmungs-Referendum für Südtirol. Knapp ein Jahr später wirft die Staatsanwaltschaft der Partei neben „Missbrauch der Posttarife“ – angebliche „Betrugssumme“ 600000 Euro – „Manipulation des Abstimmungsergebnisses“ vor.

Diese Vorwürfe sind laut STF absurd. Die Unterlagen für das Selbstbestimmungs-Referendum wurden vor der Südtiroler Landtagswahl verschickt, die im Oktober 2013 stattfand, in der plausiblen Absicht, die Selbstbestimmungsfrage zu einem zentralen Wahlkampfthema zu erheben, worauf in allen STF-Stellungnahmen unmissverständlich hingewiesen wurde. Die Briefe wurden von der Postverwaltung vorab begutachtet und ausdrücklich genehmigt, sie mussten als Wahlwerbung deklariert werden. Wäre dies nicht rechtens gewesen, hätte die Post die Briefe nicht verschickt, und die Bozner Staatsanwaltschaft hätte bereits damals umgehend alle Briefe beschlagnahmt.

Als absurd bezeichnet die STF auch den Manipulationsvorwurf: Selbstverständlich war die Abstimmung geheim, alle an die STF als Veranstalter zurückgelangten Briefe sind getrennt von den Wahlkarten ausgezählt worden, so dass die Absender nicht rückverfolgbar waren. Die Auszählung fand öffentlich, zudem im Beisein von Journalisten, statt, die somit die Wahrhaftigkeit der befolgten Abstimmungsmodalitäten bezeugen können.

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, welches in ein Strafverfahren gegen eine Partei mündet, geschieht nicht zufällig, sondern stellt einen politisch motivierten Schlag gegen die STF mit dem Ziel dar, das von ihr nachdrück-lich ins öffentliche Bewusstsein gerückte Selbstbestimmungsbegehren nachträglich zu kriminalisieren. Es dürfte sich nicht um ein aus eigenem Antrieb des leitenden Staatsanwalts Guido Rispoli heraus eingeleitetes Vorgehen gehandelt haben, sondern auf einen Wink aus Rom hin geschehen sein. Dort ist die politische Klasse mehr als besorgt über Selbstbestimmungsbewegungen wie jene in Südtirol, hinter der nicht alleine die STF und die Freiheitliche Partei Südtirols (FPS) stehen, sondern auch der traditionsreiche Südtiroler Schützenbund (SSB). Immerhin führt auch die seit 1948 regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) das Selbstbestimmungsverlangen noch in ihrem Parteistatut, und wiewohl sie weiter als alle anderen Südtiroler Parteien davon entfernt ist, die Selbstbestimmungsfrage aufzuwerfen, kann sich Rom dessen nicht wirklich sicher sein. Reinhard Liesing


MELDUNGEN

Manipulation unterstellt

Kabul – Obwohl erst am 2. Juli das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl in Afghanistan verkündet werden soll, fürchtet der aus dem ersten Wahlgang als Sieger in die Stichwahl gegangene ehemalige Außenminister Abdullah Abdullah Manipulationen zu seinen Ungunsten. Der Politiker glaubt, genau wie in der Stichwahl 2009 über gefälschte Stimmabgaben um seinen Sieg gebracht zu werden. Damals gewann Hamid Karzai, der allerdings nicht erneut kandidieren durfte. Der jetzige Gegenkandidat Ashraf Ghani wiederum unterstellt Abdullah Manipulation. Beobachter befürchten nun, dass, egal wer als Sieger hervorgeht, der Verlierer seine Anhänger zu Protesten aufrufen wird. Bel

 

Kampf gegen Cannabis-Dorf

Tirana – Rund 800 schwerbewaffnete Beamte musste die albanischen Polizei bei einer Drogenrazzia gegen das im Süden Albaniens gelegene Dorf Lazarat aufbieten. Nachdem die Polizei vor Granaten, Panzerfäusten und anderen schweren Waffen zunächst hatte zurückweichen müssen, kamen gepanzerte Fahrzeuge zum Einsatz, um das als „Cannabis-Hauptstadt“ Europas bezeichnete Dorf unter Kontrolle zu bekommen. Nach Erkenntnissen italienischer Polizeibehörden werden im 240 Kilometer südlich von Tirana gelegenen Lazarat mit seinen zirka 5000 Einwohnern jährlich 900 Tonnen Cannabis im Wert von 4,5 Milliarden Euro produziert. Der Wert entspricht damit fast der Hälfte des offiziellen albanischen Bruttoinlandsprodukts. Bereits vor zehn Jahren hatten Bewohner von Lazarat auf einen italienischen Hubschrauber geschossen, den sie verdächtigten, Cannabis-Felder zerstören zu wollen. N.H.


S. 7 Wirtschaft

Attacke der »Aasgeier«
Fehlendes internationales Insolvenzrecht wird Argentinien zum Verhängnis

Argentinien, das Ende 2001 mit Außenständen von umgerechnet rund 100 Milliarden US-Dollar die bisher größte Staatspleite aller Zeiten hinlegte, steht erneut am Rande der Zahlungsunfähigkeit.

Die Argentinische Republik hat eine schwere juristische Niederlage erlitten. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten wies eine Beschwerde des südamerikanischen Staates gegen ein Urteil der Vorinstanz zurück, das Buenos Aires zu einer Zahlung von mindestens 1,3 Milliarden Dollar an US-Hedgefonds verpflichtet hatte. Diese hatten 2001 nach der Insolvenz des Landes Staatsanleihen zu Ramschpreisen aufgekauft. Auferlegt ist Argentinien mit dem Urteil, bis zum 30. Juni eine Zahlung gegenüber den US-Fonds „Aurelius Capital Management“ und „NML Capital“ zu leisten. Der Rechtsstreit wurde in den USA geführt, weil die Anleihen in Dollar und nach US-Recht ausgegeben worden waren.

Mit dem Urteil befindet sich Argentinien in einer Zwickmühle und steht erneut am Rand einer Pleite. Die von Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner als „fondos buitre“ (Aasgeier-Fonds) titulierten Hedgefonds sitzen nach der höchstrichterlichen Entscheidung ganz klar am längeren Hebel. Weigert sich Argentinien zu zahlen, dann könnte ein US-Gericht die Überweisungen Argentiniens an den Rest seiner Gläubiger stoppen. Damit wäre der Schuldendienst eingestellt, das Land würde als „technisch zahlungsunfähig“ gelten.

Welche Mittel Gläubiger notfalls in der Hand haben, hat Argentiniens Regierung bereits zu spüren bekommen. So hatten mehrere Fonds mit Klagen vor der US-Justiz und spektakulären Aktionen versucht, die Festsetzung des Segelschulschiffs „Libertad“ zu erzwingen, um eine Pfändung durchführen zu können. Die Angst vor Pfändung ging mittlerweile so weit, dass Präsidentin Kirchner bei Auslandsreisen auf die argentinische Regierungsmaschine verzichtete und stattdessen auf angemietete britische Privatjets zurückgriff.

Entschließt sich Buenos Aires zu einer Zahlung, sieht der Fall aus argentinischer Sicht kaum besser aus. Das Land könne es sich nicht leisten, gleichzeitig die Hedgefonds zu bedienen und am 30. Juni fällig werdende Zinsen für eine bis 2033 laufenden Anleihe zu stemmen, so eine Erklärung des Wirtschaftsministeriums. Die geforderte Summe von 1,3 Milliarden Dollar erscheint zwar vergleichsweise gering. Befürchtet wird allerdings, dass auch andere Inhaber von Anleihen auf Auszahlungen pochen würden, die sich ebenfalls nicht an der Umstrukturierung der argentinischen Staatsschulden beteiligt haben. Insgesamt könnte es sich dabei um ein Volumen von 15 Milliarden Dollar handeln, die Argentinien aufbringen müsste.

Zwar hatte Argentinien im Jahr 2005 mit einem Großteil der Gläubiger die Vereinbarung erzielt, etwa 36 Prozent der ursprünglichen Schulden in neuen Anleihen zurückzuzahlen. Zugestimmt hatten aber nur 93 Prozent der Gläubiger. Diese haben von Argentinien bisher immer pünktlich die vereinbarten Zahlungen erhalten. Anders sieht dies bei der kleinen Minderheit von Gläubigern aus, die bei dem Vergleich nicht mitgezogen haben. Gegen Argentinien vor Gericht gezogen sind vor allem Investmentfonds, die sich darauf spezialisiert haben, Staatsanleihen von Ländern in Zahlungsschwierigkeiten mit Abschlägen billig aufzukaufen, auf die Restrukturierung der Staatsschulden dieser Länder zu warten und nach wieder erlangter Zahlungsfähigkeit die Schuldscheine möglichst zum vollen Wert einzulösen.

Negative Folgen drohen durch das Gerichtsurteil nicht nur Argentinien. Schnell obsolet werden kann auch eine Einigung, die erst vor Kurzem der „Pariser Club“ der staatlichen Gläubiger mit Argentinien getroffen hat. Vereinbart wurde, dass dem Land weitere fünf Jahre Zeit für seine Rückzahlung gewährt werden. Nach früheren Angaben der Bundesregierung geht es dabei um eine Gesamtsumme von gut sieben Milliarden Euro. Davon entfallen 37 Prozent – rund 2,5 Milliarden Euro – auf Deutschland, das damit der größte staatliche Einzelgläubiger ist. Gelingt es Argentinien nicht, eine Einigung mit den Hedgefonds herbeizuführen, könnte für Deutschland somit ein Milliardenschaden entstehen.

Bitter rächen könnte sich, dass es bis heute nicht gelungen ist, eine internationale Insolvenzordnung für Staaten zu schaffen, die für alle beteiligten Akteure verbindlich ist. Die entsprechende Forderung hatte bereits Horst Köhler in seiner Amtszeit als Bundespräsident erhoben, geschehen ist praktisch nichts. Zu kurz greift die Vermutung, dass eine internationale Regelung zur Staateninsolvenz nur zum Vorteil Schulden machender Regierungen wäre. Statt die Haftung für Staatspleiten auf die Steuerzahler abzuwälzen, könnten mit einer Insolvenzordnung wieder marktwirtschaftliche Mechanismen aktiviert werden. Offenkundig ist, dass zu viele Gläubiger bereit sind, kreditunwürdige Staaten mit Krediten zu versorgen, weil sie auf Rettungsschirme und staatliche Haftungsübernahmen rechnen können.

Das Fehlen einer Insolvenzordnung droht sich nicht nur im Fall Argentiniens zu rächen. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) besteht mit Ausnahme Deutschlands und Kanadas beim Gros der sieben wichtigsten Industriestaaten die Gefahr, dass die Schuldenlast die Höhe des Bruttoinlandprodukts übersteigt.

Norman Hanert


Blasen werden zum Risiko
Überhitzte Immobilienmärkte sind Gefahr für die Weltwirtschaft

Lange sah es so aus, als würde zuerst in China die Immobilienblase platzen, doch derzeit blicken Finanzexperten eher nach London. Hier sind die Preise innerhalb eines Jahres um 19 Prozent gestiegen und knacken einen Rekordpreis nach dem nächsten. Ähnliches gilt für ganz Großbritannien, wo die Preise im Durschnitt um elf Prozent in die Höhe geschnellt sind. Für den Internationalen Währungsfonds sind auch Australien, Belgien, Kanada, Norwegen und Schweden heiße Kandidaten für eine zeitnah platzende Immobilienblase, doch dürften die internationalen Folgen im Falle dieser Länder überschaubar sein.

Bei Großbritannien und vor allem China dürfte es zu schwerwiegenderen Auswirkungen kommen. Im Fall der Briten würden die auf diese Weise angeschlagenen Banken, die international stark vernetzt sind, Banken anderer Länder in Mitleidenschaft ziehen. Träfe es die Volksrepublik, würde das damit verbundene Einbrechen der Konjunktur und der Nachfrage aus dem Land Firmen weltweit die Exportbilanz verhageln.

Derzeit stehen in China rund 10,2 Millionen Wohnungen leer, doch die Bautätigkeit ist nur leicht rückläufig, was das Überangebot in den nächsten Jahren um weitere vier Millionen Wohnungen erhöhen wird. Der von Peking infolge der Weltfinanzkrise angefachte Bauboom hat somit eine gefährliche Immobilienblase bewirkt. Und auch wenn Peking bis 2020 über 200 Millionen der 660 Millionen Landbewohner in die Städte holen will, so müssen sich diese die Wohnungen auch leisten können. Bei den derzeitigen Preisen ist das jedoch nicht möglich, denn trotz Überangebot an Wohnraum sind die Immobilienpreise bis vor Kurzem immer weiter gestiegen. Im Mai kam es laut dem Statistikamt in Peking erstmals seit zwei Jahren zu einer leichten Senkung um 0,2 Prozent. Da im Immobiliensektor aber auch 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet wird, ist ein Ende des Baubooms politisch auch nicht erwünscht. Trotzdem weiß man in der Hauptstadt des Riesenreichs, dass es bald zu einer gelenkten Bereinigung auf dem Immobilienmarkt kommen muss, sonst platzt die Blase irgendwann unkontrolliert.

Auch in London ist man sich bewusst, dass etwas getan werden muss. „Der Häusermarkt stellt das größte inländische Risiko für die Stabilität der britischen Wirtschaft und des Finanzsystems dar“, so Notenbankchef Mark Carney. Inzwischen hat er deutlich gemacht, dass er wohl schon in diesem Jahr den Leitzins von derzeit 0,5 Prozent leicht erhöhen wird, um die Anreize für über billige Kredite finanzierte Hauskäufe zu reduzieren. Die niedrigen Zinsen haben die Nachfrage nach Immobilien massiv erhöht, was wiederum die Preise steigen ließ. Außerdem sollen Verschuldungsgrenzen eingeführt werden, so dass Banken nur noch an jene Kredite vergeben dürfen, die diese Grenzen nicht überschreiten. Allerdings ist die britische Regierung nicht bereit, ihr „Help to Buy“-Programm zu beenden. Dieses ermöglicht es, mit einem Eigenkapital von nur fünf Prozent des Hauspreises eine Finanzierung zu erhalten. Sollten die Zinsen dann aber steigen oder Immobilienpreise sinken, droht hier die Überschuldung. Bel


Sanktionen als Chance
Moskau ergreift Maßnahmen: Subventionen für Industriebetriebe

Seit 2012 steuert die russische Wirtschaft auf eine Rezession zu. Erzielte sie im vergangenen Jahr noch ein Wachstum von 1,3 Prozent, ist es in den ersten Monaten dieses Jahres auf 0,9 Prozent gesunken. Und die Prognosen sehen düster aus. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Russland der größte Verlierer der Ukraine-Krise sein wird. Weitere Sanktionen des Westens und eine Übernahme der Ost-Ukraine kann Moskau wegen der dann nötigen Transferleistungen ins Donezker Gebiet nicht stemmen. Bereits mit der Annexion der Krim hat der Kreml dem Staatshaushalt eine schwere Last aufgebürdet.

Die Ukraine-Krise hat zu dramatischen Kursstürzen an der Moskauer Börse geführt; zwar haben die Kurse sich inzwischen wieder erholt, hohe Kapitalabflüsse und die daraus resultierende Bankenkrise machen dem Staat aber weiter zu schaffen. Bislang war die Konsumfreudigkeit der Russen hoch, jedoch ist absehbar, dass die steigende Inflation und der Rückgang der Einkommen die Kaufkraft der russischen Bevölkerung stark einschränken werden. Zudem ist der Konsum in hohem Maße kreditfinanziert. Kreditausfälle stellen die ohnehin angeschlagenen Banken vor weitere Probleme.

Der Investitionsbedarf ist enorm. Die Wirtschaft ist nach wie vor zu sehr ressourcenorientiert. 70 Prozent der Exporte entfallen auf Öl, Gas und andere Rohstoffe. Doch zurzeit ist Russland im Energiebereich zu 30 Prozent von ausländischer technischer Ausrüstung abhängig.

Regierungspolitiker wie Vize-Premier Dmitrij Rogosin versuchen, die Isolation Russlands als Chance zur Rückbesinnung auf eigene Stärken zu nutzen. Als Anreiz zu Innovationen hat eine Regierungskommission nun Subventionen für Industriebetriebe beschlossen. Das Paket sieht vor, bis 2015 durch eine Senkung von Zöllen und Steuern auf Rohöl und auf die Gewinnung von Bodenschätzen russische Unternehmen zu Investitionen in die technische Ausrüstung zu bewegen. Auch Zölle auf Diesel und Benzin sollen von 2015 bis 2017 schrittweise von heute 65 Prozent auf bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Billige Kredite sollen den Investoren zum technischen Durchbruch verhelfen. Die Lücke im Staatshaushalt für die geplanten Sanktionen würde sich auf bis zu 2,6 Milliarden Euro belaufen. Geld, das Russland in einer ohnehin angespannten Lage für den Import fehlen wird. Russland muss viele Konsumgüter und über die Hälfte der Lebensmittel importieren. Zwar könnte sich das Land bei entsprechenden Investitionen in die Landwirtschaft auch selbst ernähren, doch fehlt bislang ein Konzept.

Rosneft-Chef Igor Setschin, der gelegentlich als Putins Nachfolger gehandelt wird, setzt weiter auf den Energieexport und die Zusammenarbeit vor allem mit Deutschland. Kürzlich schlug er eine Energiebrücke vom im Bau befindlichen Atomkraftwerk im Königsberger Gebiet nach Deutschland vor. Dass die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen unter den Sanktionen leiden, bekamen bereits die Autobauer VW und Opel zu spüren, deren Werke in Russland sich zu Verlustprojekten entwickeln. MRK


MELDUNGEN

Weidmann warnt

Frankfurt am Main – Bundesbank-präsident Jens Weidmann wehrt sich gegen die Forderungen aus Frankreich und Italien, die Euro-Stabilitätskriterien aufzuweichen. Es sei fatal, die Lehren aus der Schuldenkrise bereits jetzt zu vergessen, nur weil der Druck auf die Zinsen für Staatsanleihen nachgelassen habe. Ursächlich hierfür ist laut Experten die Geldpolitik der EZB (siehe Kommentar S. 8). Bel

 

Bund kein gutes Vorbild

Wiesbaden – Während die Parteien im Wahlkampf immer wieder von Arbeitgebern den verantwortlichen Umgang mit Arbeitnehmern fordern, offenbaren jetzt Daten des Statistischen Bundesamtes, dass die Politik nicht mit gutem Vorbild vorangeht. So hat sich 2013 die Zahl der beim Bund beschäftigten Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen von 16642 im Jahr 2012 auf 18198 um 9,3 Prozent erhöht. Damit waren zwölf Prozent der 150000 Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen ausgestattet. Bel

 

Eigenwilliges Konstrukt

Berlin – Justizminister Heiko Maas (SPD) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sehen in ihrem Gesetzentwurf für die Frauenquote in Aufsichtsräten das Instrument des „vorübergehend leeren Stuhls“ vor. Da sie vor dem Problem standen, dass die auf Arbeitnehmerseite abzuhaltenden Wahlen für den Aufsichtsrat geheim sind, die Frauenquote von 30 Prozent für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite jedoch gleichermaßen gelten müsse, ist nun vorgesehen, dass, wenn zu viele Männer gewählt werden, der Stuhl des Gewählten leer bleibt, der die wenigsten Stimmen hat. Bel


S. 8 Forum

Kampf gegen ...
von Manuel Ruoff

Putin-Gegner mögen sich damit trösten, dass Wirtschaftssanktionen den Russen weher täten, aber auch uns würden sie über kurz oder lang teuer zu stehen kommen. Wer nach dem tieferen Sinn dieses Opfers fragt, wird beim bundesrepublikanischen Staatshistoriker Heinrich August Winkler fündig. In einem aktuellen „Spiegel“-Interview erklärt er: „Inzwischen gibt es kluge Beobachter, die sagen, Putin versuche, so etwas wie eine reaktionäre Internationale aufzubauen ... Wenn zum Beispiel Alexander Gauland von der Alternative für Deutschland sinngemäß sagt, das Einsammeln russischer Erde sei eine ganz nachvollziehbare Politik, dann kann ich nur sagen: Das ist völkischer Nationalismus in Reinkultur.“

Wir lernen daraus, wer gegen Nationalstaaten ist und dagegen, dass Völker, egal ob nun das deutsche oder das russische, in einem Staate vereint sind, ist im Anti-Putin-Lager gut aufgehoben. Wir haben es hier zunehmend mit einem außenpolitischen Pendant zum innenpolitischen „Kampf gegen Rechts“ zu tun. Wer sein Steuergeld bei der Antifa gut aufgehoben wähnt, braucht die Kosten antirussischer Sanktionen also nicht zu scheuen, der Zweck ist vergleichbar.


Feuer mit Feuer bekämpfen
von Rebecca Bellano

Aus der Geschichte lernen. Aber bitte, wieso denn, bietet sie doch Erkenntnisse, die das eigene Weltbild zerstören könnten. So jedenfalls könnte man die Geisteshaltung unserer Politiker, egal welcher politischen Couleur, beschreiben. Derzeit ist es Sigmar Gabriel, der noch immer der tiefen Überzeugung anhängt, dass der Staat es schon richten wird. Gut, der Mann ist Sozialdemokrat, da ist so eine Vorstellung üblich, und angesichts des Umstandes, dass sie auch bei sogenannten bürgerlichen Politikern anzutreffen ist, kann man ihm das als mildernd anrechnen, aber das war es auch schon.

Aber jetzt einmal zurück auf Anfang: Warum befinden wir uns in der Euro-Krise? Hat schon jemand in dem Zusammenhang gehört, dass es sich eigentlich um eine Staatsschuldenkrise handelt? Gut, das ist jetzt auch eine starke Vereinfachung, aber die hohen Schulden der Staaten sind einer der Hauptgründe für die derzeitige Misere. Diese sind entstanden, weil die Staaten zu viele Aufgaben übernommen haben und alles und jeden regulieren wollten, dummerweise dabei aber den Überblick verloren haben und da, wo sie einmal wirklich genauer hätten schauen müssen, nämlich bei den Banken, im falschen Moment weggeblickt haben. Als Folge mussten sie viele Banken retten, was die Staatsschulden weiter erhöht hat.

Nun schlägt Wirtschaftsminister Gabriel als Weg aus der Krise vor, bei der Staatsneuverschuldung nicht so genau hinzuschauen und Kosten für Reformen bei der Einhaltung der Defizitkriterien des Euro-Stabilitätspaktes nicht zu berück-sichtigen, so wie Frankreich und Italien es fordern. Diese würden sogar gern sehen, dass Ausgaben etwa für Investitionen, die Bildung, die Entwicklungshilfe oder auch die Verteidigung nicht oder nur teilweise angerechnet würden. Was ihnen definitiv mehr bringen würde, denn von Reformen hat man in beiden Ländern trotz zahlreicher Ankündigungen in den letzten Jahren wenig gesehen, daher wäre es für sie nicht zielführend, Kosten für Reformen abziehen zu können, da es kaum welche gibt.

Alle hier Genannten behaupten jedenfalls, dass auf diese Weise Wachstum entstehen würde. „Schuldenverschleierung“ oder „Insolvenzverschleppung“ würde wohl eher passen, denn nur weil man Schulden kleinrechnet, sind sie ja nicht weg. Und auch die dazugehörigen Zinszahlungen belasten den Staatshaushalt zusätzlich und verhindern echte wachstumsfördernde Investitionen in Infrastruktur und Bildung.

Sinnvoller wäre es doch, auf einen schlanken Staat zu setzen, der effizient arbeitet, langfristig solide aufgestellt ist und Unternehmen ein gutes Umfeld bietet, in einem solchen Land mit guten Perspektiven zu investieren. So entstehen echte Arbeitsplätze und wirkliches Wachstum.


Nicht für das Volk
von Jan Heitmann

Die Entwicklung in der Ukraine, das Gezerre um die Besetzung des Postens des EU-Kommissionspräsidenten und nicht zuletzt der Fußball haben die Debatte um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP vorübergehend in den Hintergrund treten lassen. Glücklicherweise flammt sie langsam wieder auf, denn dafür ist das Thema für die Europäer zu wichtig. Die zu befürchtenden Nachteile reichen von einer Verminderung der Arbeitnehmerrechte über die Aufweichung und Umgehung von Datenschutz-, Umwelt- und Gesundheitsstandards bis zu einem nicht kontrollierbaren Schiedsgericht mit intransparenten Entscheidungen.

Zweifellos würde das Abkommen auch Europa Vorteile bringen, aber die Nachteile wären zu gravierend, als dass man einfach darüber hinweggehen darf. Die USA haben in letzter Zeit genügend Gründe geliefert, die „transatlantische Freundschaft“ kritisch zu hinterfragen. In diesem Fall aber sitzt der „Gegner“ der Europäer nicht in Washington, sondern in ihren eigenen Hauptstädten. Es ist kläglich, dass die Regierungen nicht willens oder in der Lage sind, in den Verhandlungen mit den USA europäische Interessen durchzusetzen. Stattdessen betreiben sie Geheimdiplomatie und wiegeln ab. Doch man kann sich wehren, durch Protestbriefe an Bundestagsabgeordnete und die Regierung, aber auch durch Beteiligung an einer der „Stopp-TTIP-Initiativen“. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel dreist behauptet: „Nichts wünschen wir uns mehr als ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA“, so spricht sie damit nur für sich und ihre Claqueure, nicht aber für das Volk.


Frei gedacht
Machtspiele unter dem Deckmantel der Demokratie
von Eva Herman

Häufig wird in diesen Zeiten von der Demokratie gesprochen. Politiker beschwören sie täglich, die meisten bauen gar ihre Daseinsberechtigung auf dem Gelöbnis auf, sich stets für Demokratie einzusetzen. Das Volk nickt zufrieden, das klingt gut, denken die Leute. Doch was meinen die Herrschenden damit eigentlich? Wollen sie tatsächlich das individuelle Recht des Einzelnen auf größtmögliche Freiheit erreichen?

Seit Jahrhunderten gehen die Menschen auf die Straße und kämpfen für mehr Demokratie. Doch haben sie den Begriff verstanden? Wissen sie, für was sie eintreten? Für was brauchen wir sie denn, die sogenannte Demokratie? Bedeutet sie Gerechtigkeit? Eigenbestimmung? Und wie definieren unsere Regierung in Berlin oder die hohen Herrschaften in der EU-Zentrale Brüssels den Begriff? Geht es ihnen um das Wohl der Menschen? Und warum klingt das alles so kompliziert?

Fakt ist: Der Begriff Demokratie ist im Meer der Deutungen längst zerflossen wie die Milch im Kaffee. Jeder benutzt das Wort, wie es ihm gerade für das jeweilige politische Programm taugt. Die Bolschewiken nahmen den Begriff vor über 100 Jahren für sich in Anspruch, sie waren der Ansicht, dass politische Demokratie auf lange Sicht unmöglich sei ohne „wirtschaftliche Demokratie“. Womit nichts anderes als die Abschaffung des privaten Besitzes gemeint war. Und so wurde von dieser Seite der Begriff Demokratie vertreten mit durchaus gewaltbereiten Methoden, um „eine bessere Welt“, die klassenlose Welt, herzustellen.

Demokratie: Wichtig ist in der richtigen Deutung die individuelle Freiheit des Einzelnen, während dem Staat eine untergeordnete Rolle zukommt. Schauen wir uns jene Staaten an, die den Begriff in ihre Länderbezeichnung integrierten: Bis 1989 gab es die Deutsche Demokratische Republik (DDR), bis heute die Demokratische Volksrepublik Korea, besser bekannt als Nordkorea. In beiden Fällen liegt zweifellos eine kollektive, in höchstem Maße unfreiheitliche Version vor. Es handelt sich um totalitäre, autoritäre Regime.

Wie sieht es mit Deutschland aus, das sich im Prinzip, wie sämtliche EU-Länder, nicht mehr autonom deuten lässt, sondern im Spiegel der Europäischen Union betrachtet werden muss? Sehen wir uns den Vertrag von Lissabon an, die letzte Fassung des EU-Vertrags von 2007. Dieser enthält 55 Artikel, in denen, wie es heißt, „insbesondere die Bestimmungen zu den demokratischen Grundsätzen der Europäischen Union, zu ihren Organen, und zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik niedergelegt sind“. Unterschieden wird im EU-Vertrag zwischen der „direkten Demokratie“ und der „indirekten Demokratie“. Wie schon gesagt, je komplizierter man die Auslegungen gestaltet, umso besser funktioniert die Begriffsverwirrung.

Was bedeuten also die Begriffe „direkte Demokratie“ und „indirekte Demokratie“? Direkte Demokratie habe zwei Bedeutungen: „Sie bezeichnet zum einen eine Herrschaftsform, in der die Macht direkt vom Volk in Abstimmungen ausgeübt wird.“ Und: „Sie bezeichnet zum anderen einzelne politische Entscheidungsverfahren, bei denen das Volk unmittelbar über Sachfragen abstimmt, in einer ansonsten indirekten Demokratie.“

Dieser Hinweis ist insofern spannend, als es sich im EU-Führungskader nicht um von den Völkern gewählte Vertreter handelt, sondern häufig um global führende Bankenvertreter, die, je nach Beziehungsstatus, in ihre Positionen kommen. Das derzeitige Ringen um den Posten des neuen EU-Kommissars ist ein lebendiges Beispiel für die heutige Auffassung von Demokratie.

Unter der indirekten Demokratie versteht man in Europa folgendes: In dieser Herrschaftsform „werden politische Sachentscheidungen im Gegensatz zur direkten Demokratie nicht unmittelbar durch das Volk selbst, sondern durch Abgeordnete getroffen“.

Nein, diese Deutungen helfen uns nicht wirklich weiter auf der Suche nach mehr Freiheit in diesem verzwickten politischen System. Denn auch wenn die undurchsichtigen Erklärungen irgendwann verstanden werden, so wird schnell klar, dass die Macht nicht bei den Bürgern, sondern beim Staat, also den Herrschenden, liegt. Beim Durchlesen des Lissabon-Vertrags wird man den Verdacht nicht los, dass eine Menge Kalkül hinter den nebulösen Ausführungen stecken könnte. Vielleicht sollen wir das alles ja gar nicht verstehen? Denn nur, wer durchblickt, kann Fehler im System erkennen. Wer sich zu dumm fühlt, schweigt lieber, um nicht entblößt zu werden.

Hören wir dazu den berühmtesten Redner des antiken Rom, den Politiker Cicero. Hier finden wir die ursprüngliche Form des Begriffs Demokratie, noch unverbogen von den Spuren sämtlicher Zeiten. Nach dessen Ausführung besticht die Herrschaftsform der Demokratie durch die Freiheit, welche die Bürger in ihr genießen. Die Menschen sollen über ihr Geschick selbst entscheiden, und nicht etwa die Mächtigen:

„Und so ist eben jeder Staat, wie entweder der Charakter oder der Wille desjenigen, der ihn regiert. Darum hat die Freiheit in keinem anderen Staat ihre Heimat, als wo das Volk der Souverän ist. Sie ist für den Menschen jedenfalls der süßeste Genuss; aber sie verdient diesen Namen nicht, wenn sie nicht mit Gleichheit (der Rechte) verbunden ist.“ An dieser Stelle beschreibt Cicero die süße Ernte der wahren Demokratie für jeden einzelnen Menschen: „Verstehen aber die Völker, ihre Rechte zu behaupten, da erklären Sie sich in ihrem Selbstgefühl für die edelsten, freiesten und beglücktesten, da ja von ihrem Willen Gesetze, Gerichte, Krieg, Frieden, Bündnisse, Leben und Gut eines jeden abhängen. Daher sagt man, ein Volk erkämpfte sich die Freiheit, wenn es sich von Königsherrschaft und Aristokratengewalt losmache; nie aber trachten freie Völker danach, Könige zu bekommen oder mächtige und einflussreiche aristokratische Häupter.“

Heute muss man lange suchen, um sachdienliche Hinweise für die Begriffsdeutung der Demokratie zu finden. Der niedersächsische Makro-Ökonom Andreas Popp von der deutschen Wissensmanufaktur liefert Schlüssiges. Er bezieht sich bei seinen Forschungen auf die alten Griechen, untersucht aus diesem Verständnis heraus auch weitere, wichtige Wortdeutungen wie „Bürger“ oder „Volk“, was einen eigenen Artikel wert wäre. Demokratie ist, so Popp, ein aus zwei Wortteilen zusammengesetzter Begriff: „Demos heißt übersetzt das Dorf, und nicht, wie oft behauptet, das Volk. Kratein könnte man am besten mit herrschen übersetzen.“ Also handelt es sich bei dem Begriff Demokratie in Wahrheit nicht um die „Herrschaft des Volkes“, sondern um ein Dorf, welches sich selbst verwaltet. Seine daraus resultierenden Vorschläge für ein stimmiges Zukunftssystem, Plan B genannt, klingen logisch.

Eine kleine, autarke Gruppe in ihrer ganzen Selbstbestimmung! Hier liegt der Schlüssel für die wahre Freiheit des Menschen! Leider sind wir heute Lichtjahre von dieser edlen Form entfernt, wir ließen uns einspinnen in ein riesiges Konstrukt der Begriffsverwirrung. Der erste Schritt, der uns herausführt, ist das Erkennen der Fehler. Wär es nicht schön, wenn wir nun langsam lernten, die Begriffe richtig zu deuten? Dieser Verantwortung kommt heute nämlich ein Höchstmaß an Wichtigkeit zu!


S. 9 Kultur

Archäologie trifft auf Architektur
Neues Museum in Chemnitz bietet nicht nur fossile Exponate, sondern ehrt auch Bau des Ostpreußen Erich Mendelsohn

Auferstanden aus Ruinen. Noch immer bietet sich in den neuen Bundesländern Chancen, die man im Westen vergeblich sucht. So manche verfallene Hinterlassenschaften der DDR lassen sich in Orte der Zukunft verwandeln, in touristische Anziehungspunkte – in neues Kapital des Ostens der Republik.

Der aus Allenstein stammende Architekt Erich Mendelsohn ge­hört zu den wichtigsten Baumeistern des 20. Jahrhunderts – weltweit. Sein Einsteinturm in Potsdam (1920−1921) und die Er­weiterung des Mosse-Verlagshauses in Berlin (1921−1923) haben ihn bekannt gemacht. Berühmt wurde er auch durch seine eleganten „Schocken“-Kaufhäuser, die er in Nürnberg (1925/1926), Stuttgart (1926–1928), und Chem­nitz (1928−1930) errichten konnte. Das Haus in Nürnberg wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In Stuttgart musste das „Schocken“-Haus, nach Kriegsschäden wie­deraufgebaut, 1960 einem Neubau weichen – trotz internationaler Proteste. In Chemnitz aber hat der Mendelsohn-Bau die Jahre überstanden, wurde auch nach 1945 als Kaufhaus, erst als „Merkur“, dann als „HO“ und „Centrum“-Kaufhaus, genutzt. Nach der sogenannten Wende übernahm die Metro das Gebäude und etablierte hier eine „Kaufhof“-Filiale.

Die sechs Jahrzehnte alte Hülle genügte jedoch bald nicht mehr den Anforderungen an ein mo­dernes Kaufhaus. Kaufhof ließ am Rathaus vom amerikanischen Stararchitekten Helmut Jahn ei­nen neuen gläsernen Kubus im neuen Zentrum der „Stadt der Moderne“ errichten – ein neues Baudenkmal war entstanden, das alte berühmte Denkmal stand nun leer.

Der Freistaat Sachsen traf die glückliche Entscheidung, in das ehemalige Kaufhaus das Sächsische Landesmuseum für Archäologie unterzubringen. Auf den ersten Blick mag das wie ein Widerspruch erscheinen: Ausgrabungsfunde in einem modernen Rahmen des frühen 20. Jahrhunderts. Doch tatsächlich ergänzen sich Architektur und Ausstellung in geradezu idealer Weise. Die Umbau-Architekten Auer & Weber aus Stuttgart sowie Knerer & Lang aus Dresden haben die Mendelsohn-Stahlbeton-Hülle entkernt, die Rolltreppen herausgenommen, allein die tragende Struktur gelassen. Wenn man das Gebäude betritt, steht man zwischen den blanken Betonträgern und den Betonunterzügen, vor acht Jahrzehnten noch besonders großzügig und damit dick berechnet. Man sieht ohne jede Beschönigung die nackte Konstruktivität des Lichthofes und der ganzen Architektur.

In dieser kalten Nacktheit bekommen die fast 6200 archäologischen Objekte genauso wie die Diorahmen und die Modelle einen eigenen Reiz, eine besondere Würde. Die Treppenaufgänge haben die Architekten aus dem Lichthof herausgenommen und stattdessen in den hinteren Bereich eine Rampe gelegt, über die man langsam von einer Ebene zur anderen gelangt – begleitet von einem viele Meter hohen Querschnitt durch den sächsischen Boden.

Herausragendes Element der Mendelsohn-Architektur sind die geschwungenen Fensterbänder an der Brückenstraße, in den Dachgeschossen zurückgestaffelt, die dem Gebäude seine Eleganz geben. Für Konservatoren sind Fensterbänder natürlich ein Schrecken – zu viel Licht für empfindliche Objekte. Deshalb haben die Architekten auf jeder Ebene die Glasfront von den Ausstellungsetagen abgetrennt und mit automatischen Schiebetüren verbunden. Hinter den Fensterbändern liegt jetzt auf jeder Ebene ein schmaler, lichtdurchfluteter Gang, der die Geschichte des Hauses präsentiert: die Bauherren, die Familie Schocken, der Architekt Mendelsohn (mit Mo­dellen von 17 seiner bekanntesten Bauten), vor allem aber die Geschichte des Hauses von der Eröffnung im Mai 1930 bis heute. Hier kann man auch nachvollziehen, wie der jüdische Gründer Salman Schocken im Dritten Reich verfolgt wurde und schließlich Deutschland verlassen musste.

Museumsbesucher erleben in Chemnitz heute zwei Ausstellungen, die nicht zueinander passen, die sich aber ideal ergänzen: Landesgeschichte bis hinab in die tiefsten Anfängen sowie moderne Architekturgeschichte. Diese Kombination wird dafür sorgen, dass das Haus ein Erfolg wird – der Andrang an den Eröffnungstagen war bereits gewaltig. Das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz, kurz und modern „smac“, ist mehr als eine langweilige Ausstellung archäologischer Fragmente, auch viel mehr, als nur das erhaltene Haus eines bekannten Architekten.

Stuttgart, seit über fünf Jahrzehnten ohne seinen Mendelsohn, darf neidisch auf Chemnitz blicken: Die Stadt hat bewiesen, wie man die eigene Geschichte der Moderne nutzen und ausnutzen kann. Allerdings kommt auch in Chemnitz diese Einsicht spät: Zu viele Zeugnisse der Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts wurden nach der „Wende“ bereits abgerissen, viele Chancen wurden – wie einst in Stuttgart – vertan. Zum Glück ist das „Schocken“-Kaufhaus von Mendelsohn geblieben. Nils Aschenbeck


Der »letzte Ritter«
Ausstellung über Turnierkämpfe zur Zeit von Kaiser Maximilian I.

Dass die Präsentation im einstigen kurfürstlichen Waffenarsenal des Mannheimer Zeughauses aufgebaut wurde, trifft sich gut, denn auch beim Turnier ging es in früheren Zeiten gefährlich zu. Im späten Mittelalter waren die Wettkämpfe aber nicht mehr eindeutig martialisch besetzt, sondern galten eher als Teil des höfischen Lebens. Turniere symbolisierten Macht und Prunksucht.

Tagelang spielten sich die aufwendigen Feierlichkeiten vor adligem Publikum ab. Kaiser Maximili­an I. (1459−1519) pflegte diese Ritterspiele, weil sie ihn begeisterten, er selbst darin eine herausragende Rolle spielte und auch, um die Macht der Habsburger zu stärken. Das Schwergewicht der aktuellen Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen ruht daher auf der einst eminent politischen Bedeutung des Turniers, denn der kämpferische Wettstreit trug auch dazu bei, einen Teil des Adels enger an den Kaiser zu binden, der als „letzter Ritter“ in die Annalen einging. 150 hochkarätige Exponate hat das Kunsthistorische Museum Wien nach Mannheim entliehen. Matthias Pfannenbichler, der Sammlungsdirektor Hofjagd- und Rüstkammer, ist der Kurator der Ausstellung.

Das Kunsthistorische Museum in Wien birgt die weltweit größte Kollektion zum Turnierwesen und besitzt über 50 Prozent des Weltbestandes. Die Objekte sind von unschätzbarem materiellen Wert und vermitteln viele Erkenntnisse zur Geschichte der Habsburger zwischen Mittelalter und Neuzeit. Mit den Habsburgern wird jetzt – nach den Staufern und Wittelsbachern – der Besucher der Reiss-Engelhorn-Museen erneut mit einer gewichtigen Herrscherdynastie vertraut gemacht, und dies in einer wirkungsvollen Inszenierung. Sie zieht den Besucher unmittelbar in das Geschehen hinein, und die Objekte werden optimal einschließlich guter Beleuchtung präsentiert. Neben Herrscherporträts und vielen Medaillen sind Textilien und reich bebilderte Handschriften zu sehen, und die originalen Rüstungen und Waffen vermitteln ein anschauliches Bild von den einstigen Wettkämpfen. Sie dauerten tagelang und verlangten vom Teilnehmer viel Geschick und Körperkraft.

Ein Turnier in Spätmittelalter und Renaissance war nicht nur ein sportliches Ereignis und Nachweis ritterlicher Tugenden, sondern stellte auch ein politisches Instrument dar. Den Festivitäten wird daher in der Ausstellung zu Recht eine prominente Rolle zugewiesen, auch mit den bewegten Bildern von der „Landshuter Hochzeit“ (1475), die heute von manchen als „Formel-1-Rennen des Mittelalters“ apostrophiert und als Deutschlands größte historische Veranstaltung gepriesen wird. Maximilian, der dem Hause Habsburg den Aufstieg zur Weltmacht ermöglichte, hat sie in seiner berühmten Turnierhandschrift „Freydal“ (zirka 1512–1515) festgehalten, deren Miniaturen auf tatsächliche Turniere und Kostümfeste des Kaisers zurückgehen. Der „Freydal“ schildert die ritterliche Minnefahrt des populären Herrschers, der auf jeder Seite des Buches abgebildet ist. Auch dieses prachtvolle Werk findet sich in der sehenswerten Ausstellung mit Illustrationen, die von der Vehemenz der Wettkämpfe erzählen und durch ihre Farbfreude begeistern. Plastisch treten die einzelnen Figuren und Details hervor.

Der Ausstellungsbesucher lernt, einen Harnisch vom Kürass zu unterscheiden. Bei letzterem handelt es sich um eine Rüstung für Reiter. Über mannshohe Figuren dienen als plastisches Anschauungsmaterial. Die Pferde trugen ein Visier, damit sie nichts sahen und einen Schellenkranz, damit sie nichts hörten. Sie sollten vor Schaden bewahrt bleiben, denn ein Turnierpferd war teuer. Ähnliche schützende Konstruktionen gab es natürlich auch für die Ritter, zum Beispiel beim „Gestech“. Da wollte man den Kämpfenden nur mit stumpfen Lanzen aus dem Sattel heben, ohne ihn zu verletzen, und gab ihm eine gefütterte Helmhaube als Kopfschutz. Neben dem Turnierwesen und den dynastischen Be­ziehungen kommt in der spannend aufgebauten Schau aber auch die Falkenjagd wie überhaupt das ritterliche Thema „Jagd“ nicht zu kurz. Heide Seele

Reiss-Engelhorn-Museen/ Museum Zeughaus C5 Mannheim. Bis 9. November, Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 12 Euro.


Nachlass geregelt
Siegfried Lenz gründet Stiftung

Der ostpreußische Schriftsteller Siegfried Lenz hat wichtige Schritte zur Ordnung seines literarischen Werks getan und die gemeinnützige Siegfried-Lenz-Stiftung ins Leben gerufen. Vor wenigen Wochen erst besuchte er das Deutsche Literaturarchiv in Marbach, an das sein persönliches Archiv übergeben werden soll.

Die Siegfried-Lenz-Stiftung hat sich die wissenschaftliche Aufarbeitung des schriftstellerischen und publizistischen Werks zur Aufgabe gemacht. Sie wird Stipendien vergeben sowie junge Künstler und Wissenschaftler, insbesondere Schriftsteller im Sinne des Stiftungszweckes unterstützen. Außerdem wird sie verantwortlich sein für die Einrichtung und Verleihung eines Siegfried-Lenz-Preises.

Dieser Literaturpreis wird in Hamburg im November dieses Jahres zum ersten Mal verliehen. Ausgezeichnet werden sollen internationale Schriftsteller, die mit ihrem erzählerischen Werk Anerkennung erlangt haben und deren schöpferisches Wirken dem Geist Lenz‘ nah ist. Die Stiftung hat zur Vergabe eine Jury berufen, der der Literaturkritiker Ulrich Greiner, die frühere Kulturpolitikerin Christina Weiss, die Dichterin Ulla Hahn, Rainer Moritz vom Hamburger Literaturhaus und Günter Berg vom Vorstand der Lenz-Stiftung angehören.

Lenz sagte jetzt, dass seine Frau Ulla und er in einem Alter seien, wo es Zeit werde, wichtige Dinge vernünftig zu regeln. „Die Stiftung wird uns in Zukunft von manchen Entscheidungen in Hinblick auf meine Bücher entlasten, und dass sich Marbach meinem persönlichen Archiv annimmt, ist für uns ein Glück“, sagte er. Bei der ersten Verleihung des Literaturpreises, der seinen Namen tragen soll, dürfte er im Hamburger Rathaus im November auf viele Freunde und Kollegen treffen. „Ein weiterer Grund zur Freude“, so Lenz

Der 1926 in Lyck geborene Lenz zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellern deutscher Sprache. Sein Werk ist in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Für sein 14 Romane, 120 Erzählungen sowie zahlreiche Novellen, Hörspiele und Dramen umfassendes Werk wurde er mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und mit dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte.

Lenz lebt seit 1951 in Hamburg und veröffentlichte seine Bücher von Beginn an im Hoffmann und Campe Verlag. Zuletzt erschienen „Schweigeminute“ (2008), „Landesbühne“ (2009), „Die Maske“ (2011) und „Amerikanisches Tagebuch 1962“ (2012). Zahlreiche seiner Bücher wurden verfilmt.

Am 8. Oktober wird bei Hoffmann und Campe Lenz’ Kurzgeschichte „Leute von Hamburg“ mit Illustrationen von Klaus Fußmann und einem Vorwort von Altkanzler Helmut Schmidt erscheinen. Im selben Monat veröffentlicht Heinrich Detering eine Auswahl der wichtigsten Essays des Autors aus fünf Jahrzehnten mit dem Titel „Gelegenheit zum Staunen“. Zudem erscheint am 9. September „Schmidt − Lenz. Geschichte einer Freundschaft“ von Jörg Magenau, in dem um es um die langjährige Männerfreudschaft zwischen Lenz und Helmut Schmidt geht. tws


MELDUNGEN

Kollwitz-Figur auf Reisen

Diksmuide − Seit dem 18. Juni reist die Nachbildung einer Skulptur der Königsberger Bildhauerin Käthe Kollwitz quer durch Europa. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge will die Replik von „Die Trauernden Eltern“ nach Russland bringen. Der Auftakt der Reise fand im belgischen Diksmuide-Vladslo statt, wo der Kollwitz-Sohn Peter 1914 im Ersten Weltkrieg fiel. Mit der zweiteiligen Skulptur drückte die Künstlerin ihre Trauer über den Verlust ihres Sohnes aus. Ziel der Reise ist das etwa 200 Kilometer westlich von Moskau gelegene Rshew, wo der Volksbund 2002 eine Kriegsgräberstätte für die deutschen Gefallenen des Zweiten Weltkrieges eingeweiht hat, die mit den benachbarten sowjetischen Kriegsgräbern einen Friedenspark bildet. Dort soll die Skulpturnachbildung aufgestellt werden. tws

 

300 Jahre Gluck − und einer singt

London − Vor 300 Jahren, am 2. Juli 1714, wurde der Komponist Christoph Willibald Gluck geboren. Anlässlich dieses runden Geburtstags ist bei der Plattenfirma Decca eine Kompaktschallplatte (CD) mit Tenorarien aus neun Gluck-Opern erschienen. Daniel Behle singt dabei aus „Orpheus und Eurydike“, „Iphigenie in Aulis“ und „Ezio“, aber auch aus weniger bekannten Werken wie „Antigono“ und „ Die Chinesinnen“. Musikalische Partner sind der Dirigent George Petrou und das Ensemble Armonia Atena. Als einer der bedeutenden Opernkomponisten und -innovatoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beeinflusste Gluck nicht nur die Opern seiner Zeit, sondern strahlte bis weit ins 19. Jahrhundert hinein aus. tws


S. 10 Geschichte

Schüsse, die den Weltenbrand entfachten
Vor 100 Jahren ermordete Gavrilo Princip in Sarajevo das österreich-ungarische Thronfolgerpaar

Zweimal feuert Gavrilo Princip. Weil er vom Wagen-Trittbrett kurz abrutscht, dringt die erste Kugel Sophie von Hohenberg in den Unterleib. Das zweite Projektil aus des Attentäters Waffe verfehlt sein eigentliches Ziel indes nicht: Österreich-Ungarns Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand.

In rascher Fahrt geht es entlang dem Flüßchen Miljacka ins Rathaus von Sarajevo, wo man das Thronfolgerpaar auf Laken und Chaiselongue bettet. Ärzte können nur noch beider Tod feststellen; Jesuitenpater Anton Puntigam, Steirer wie der 1863 in Graz geborene Franz Ferdinand, spendet die Letzte Ölung und segnet die Leichname ein. Der Leiter eines unter Sophies Schirmherrschaft stehenden Jugendheims in der bosnischen Hauptstadt hat die Dramatik des Geschehens aus nächster Nähe miterlebt, das Anlass, nicht Ursache gewesen ist für den ersten Weltenbrand. Vier Jahre soll der Krieg dann dauern, in Materialschlachten ungeahnten Ausmaßes Millionen Menschen das Leben kosten und schließlich die Monarchien im Deutschen Reich, in Österreich-Ungarnvon, in Russland und im Osmanischen Reich hinwegfegen.

Der Hoheiten Visite am 28. Juni 1914 in Sarajevo stand unter denkbar ungünstigem Gestirn. Ausgerechnet um den „Vidovdan“, den Sankt-Veits-Tag, Manöver von k. u. k. Truppenverbänden im Beisein des Erzherzogthronfolgers im annektierten Bosnien abzuhalten, wirkte wie eine Provokation. Der Vidovdan gilt den Serben als wichtigster historischer Gedenktag im Jahr. Am Veitstag 1389 unterlag das serbische Heer unter dem Fürsten Lazar den Türken in der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje). Die jährlich wiederkehrende Erinnerung daran ist den Serben stets ein mächtiger Antrieb, auch und gerade für Bluttaten wie 1914. Am Veitstag 1921 erließ König Alexander Karadjordjevic die zentralistische „Vidovdan-Verfassung“. Auch in der politischen Karriere des Slobodan Miloševic spielte der Vidovdan eine bedeutende Rolle. Am 28. Juni 1989, dem 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld, hielt er vor mehr als einer Million Serben eine Rede, in der er ankündigte, die serbischen Gebiets- und Herrschaftsansprüche würden wenn nötig mit Gewalt verwirklicht. Zwei Jahre später, am Veitstag 1991, überfiel die serbisch bestimmte Jugoslawische Volksarmee Slowenien. Dass Miloševic, der sein Volk in vier verlorene Kriege gegen andere Völker des letztlich zerfallenen Jugoslawien hetzte, der die Serben in tiefe Armut, Isolation und Orientierungslosigkeit stürzte, am ersten Vidovdan des dritten Jahrtausends von Belgrad ans Kriegsverbrechertribunal nach Den Haag überstellt wurde, war gewiss kein Zufall.

Dass am Vidovdan 1914 etwas im Gange sein musste, darauf hatte die Geheimpolizei Hinweise genug. Das Unheil nimmt denn auch an jenem Sonnabendmorgen kurz nach 10 Uhr seinen Lauf. Der Thronfolger und seine Frau kommen nach den Manövern mit dem Hofsonderzug der Schmalspurbahn aus Ilidža in der zehn Kilometer entfernten bosnischen Hauptstadt an. Rasch geht es im offenen Automobil durch die Stadt, schließlich soll man dem künftigen Kaiserpaar zujubeln können. Derweilen haben sich die Attentäter bereits an für ihr Vorhaben günstigen Punkten der geplanten Route unters Volk gemischt. Sie gehören der 1908, nach der Annexion des Landes, entstandenen Organisation „Mlada Bosna“ (Junges Bosnien) an, die sich die Beendigung der Habsburgerherrschaft auf dem Balkan und die Errichtung eines südslawischen Staates zum Ziel gesetzt hat, darin unterstützt von serbischen Geheimorganisationen, vor allem der „Schwarzen Hand“. Deren Anführer ist Dragutin Dimitrijevic, Pseudonym „Apis“, Chef des serbischen Heeresgeheimdienstes. „Apis“ versorgt drei „Jungbosnier“ mit Waffen: Gavrilo Princip, Trifko Grabež und Nedeljko Cabrinovic erhalten je eine Pistole sowie zwei Handgranaten. Mit der geringen Dosis Zyanid, die jeder erhält, um nach der Tat Selbstmord begehen zu können, sollen Spuren zu den Hintermännern und zur Organisation verwischt werden. In Sarajevo stoßen weitere Verschwörer hinzu: Muhamed Mehmedbasic, Danilo Ilic, Vasa Cubrilovic und sein Cousin Veljko sowie Cvijetko Popovic und Miško Jovanovic. Um 10.10 Uhr nähert sich das Fahrzeug mit dem Thronfolgerpaar dem Studenten Cabrinovic. Der schleudert ihm eine Granate entgegen. Franz Urban, der Wagenlenker, gibt instinktiv Gas, weshalb die umherfliegenden Splitter Oberstleutnant von Merizzi, den Adjutanten Franz Ferdinands, nebst Ordonnanzen im Begleitfahrzeug und Zivilpersonen verletzen. Cabrinovic schluckt das Zyanid und springt in die Miljacka; das Gift wirkt jedoch nicht, der Attentäter wird aus dem Wasser gefischt und verhaftet, derweil das Gefährt zum offiziellen Empfang im Rathaus weiterfährt, wo Bürgermeister Fehim Effendi Curcic kreidebleich „Hoch beglückt sind unsre Herzen über allergnädigsten Besuch“ daherstammelt.

Eigentlich soll der Besuch in der Stadt nach dem Vorfall sogleich sein vorzeitiges Ende finden. Franz Ferdinand besteht jedoch darauf, Merizzi vor der Abreise im Spital aufzusuchen – trotz eindringlicher Warnung des Grafen Harrach, seines Begleitoffiziers. General Oscar Potiorek, für die Sicherheit zuständig, entscheidet sich dafür, das Stadtzentrum zu umfahren und so das Risiko für das Thronfolgerpaar zu mindern. Offenbar instruierte er aber den Fahrer nicht dementsprechend. Erst als das Gefährt an der Kreuzung vor der Lateinerbrücke abbiegt, schreit Potiorek: „Das ist der falsche Weg!“ Andere Quellen besagen, der Lenker habe, seinen Irrtum revidierend, angehalten und umgehend wenden wollen. Dies macht sich Gavrilo Princip zunutze, er wechselt die Straßenseite, zückt den Revolver und gibt die Schüsse ab. Der 19-Jährige will sich danach selbst richten, wird jedoch von Umstehenden überwältigt und verhaftet. Ihm und den Mitverschwörern, insgesamt 25 „Jungbosniern“, macht man im Oktober den Prozess. Mit Ausnahme Princips und Cubrilovics, die 20 respektive 16 Jahre Kerkerhaft erhalten, weil die Todesstrafe gegen sie wegen Minderjährigkeit nicht verhängt werden kann, werden alle Verschwörer hingerichtet. Princip stirbt am 28. April 1918 im Gefängnis von Theresienstadt. Cubrilovic kommt nach Kriegsende frei, schließt 1929 sein Geschichtsstudium ab, wird später Professor an der Universität Belgrad und nach dem Zweiten Weltkrieg sogar Minister in der jugoslawischen Bundesregierung. Er stirbt 1990 im Alter von 94 Jahren; er soll sich zeitlebens geweigert haben, sich die damaligen Ereignisse in Erinnerung zu rufen.

Von diesen zeigt sich in Schönbrunn Kaiser Franz Joseph erschüttert. „Entsetzlich, der Allmächtige lässt sich nicht herausfordern“, sagt er bei Erhalt der Nachricht und fügt hinzu: „Eine höhere Gewalt hat wieder jene Ordnung hergestellt, die ich leider nicht zu erhalten vermochte.“ Worte eines greisen Mo­narchen, dem nach der Erschießung des Bruders Maximilian, nach dem Selbstmord des Sohnes Rudolf und der Ermordung seiner Frau Elisabeth, „Sisi“, auch noch der – von ihm nicht geschätzte – Thronfolger genommen wird.

Der Neffe Franz Josephs sah seine Hauptaufgaben in Ausbau und Modernisierung der Land- und Seestreitkräfte; einem Krieg gegen Serbien lehnte er ab. Von den Regierungsgeschäften strikt ausgeschlossen, entwickelte sich seine Militärkanzlei indes zu einer Art informeller Nebenregierung. Den als „Slawenfreund“ Apostrophierten, der ungarische Selbstständigkeitsbestrebungen ebenso schroff ablehnte wie tschechische und südslawische, trieb die Sorge um, die sich alsbald bewahrheiten sollte: dass die Verwicklung der Monarchie in einen großen Krieg gegen das zaristische Rußland das Ende des Vielvölkerstaates bedeuten müsste. Seine Ermordung war der Funke zum Krieg, den zu verhindern er zu einer der Kernfragen der österreich-ungarischen Außenpolitik hatte machen wollen.

Während Depeschen und Ultimaten einander ablösen, wird der Thronfolger nach Ankunft der Särge in Wien an der Seite seiner Frau in der Gruft des hoch über der Donau gelegen Schlosses Artstetten bestattet, dem Familiensitz am Tor zur Wachau. Auf sein Begräbnisrecht in der Grablege in der Kapuzinergruft zu Wien, in der auch Habsburger zur letzten Ruhe gebettet sind, die nicht regierten, hatte Franz Ferdinand verzichtet – nach seiner morganatischen Heirat mit der nach der strengen Etikette des Kaiserhauses als „nicht ebenbürtig“ empfundenen böhmischen Gräfin Sophie Chotek, die nur den Titel Fürstin von Hohenberg führen durfte. Erst im Juni 1986 sollte in der Kapuzinergruft eine Gedenktafel an die beiden „ersten Opfer des Weltkrieges 1914 bis 1918“ angebracht werden – späte Genugtuung für ein Paar, das bis zum Vidovdan, der ihm den Tod brachte, in glücklicher Ehe gelebt hatte. Rainer Liesing


Drahtzieher des Attentats
Dragutin Dimitrijevic, Chef des serbischen Geheimbundes »Schwarze Hand«, sammelte bereits 1903 Erfahrungen als Königsmörder

Nein, selber abgedrückt hat er nicht, doch dies ist wohl nur auf den Umstand zurückzuführen, dass er bereits zuvor von einer Palastwache schwer angeschossen worden war. So wurde er des Erlebnisses beraubt, dabei zu sein, als die von ihm aufgestachelten Of­fi­zie­re am 11. Juni 1903 das serbische Königs­paar Alexander I. Obrenovic und seine Frau Draga aus der Umkleidekammer zerrten, es in einem Kugelhagel niederstreckten, mit Säbeln zerstachen, ihnen mit Bajonetten die Eingeweide herausrissen und sie dann teilweise sogar zerhackt aus dem Fenster in den Garten warfen.

Eigentlich hatte Dimitrijevic, der wegen seiner stierartigen Statur „Apis“ genannt wurde, bereits 1901 als junger Leutnant das Königspaar töten wollen. Angedacht war, es beim Geburtstagsball der Königin dazu zu zwingen, Gift zu nehmen. Doch da diese auf ihrem Fest gar nicht erschien, fiel der Plan ins Wasser. Vor allem auf die „Mätresse Draga Masin“ hatten es die Attentäter abgesehen. Die einstige Hofdame von Alexanders Mutter, die viele Liebhaber vor dem zehn Jahre jüngeren König gehabt hatte, wurde im ganzen Land gehasst. Da sie unfruchtbar war, hieß es zudem, ihr Bruder sollte Thronfolger werden, ein Gerücht, das im ganzen Land für Unmut sorgte. Aber auch der König selbst sorgte mit seinem autoritären, unzeitgemäßen Führungsstil für Widerstand. Hinzu kam, dass er eng mit der Habsburgermonarchie kooperierte, was die Offiziere um Dimitrijevic erzürnte. Sie waren für ein freies Großserbien, das viele zur Donaumonarchie zählenden Gebiete wie Bosnien und Kroatien mit einschloss. 1903 hatte Dimitrijevic laut dem australischen Historiker Christopher Clark dann zwischen 120 und 150 Verschwörer um sich geschart, von denen 28 am Lynchmord an dem Paar, den beiden Brüdern der Königin und einigen Ministern aktiv teilnahmen.

Offenbar überwog in Serbien die Erleichterung über das Ende der ungeliebten Herrscher, so dass Dimitrijevics Karriere in der serbischen Armee ungebremst voranging. Und mit der Entsorgung der Obrenovic-Dynastie konnte die seit Jahrzehnten mit ihr um den Thron kämpfende Karajordjevic-Familie mit Peter I. endlich den Herrscher stellen. Der gewährte den Bürgern sogar eine vergleichsweise liberale Verfassung und ließ dem Militär wie dem Parlament weitgehend freie Hand.

1911 gründeten die „Männer des 11. Juni“ unter Dimitrijevic dann den serbisch-nationalistischen Geheimbund „Vereinigung oder Tod“, der auch „Schwarze Hand“ genannt wurde. Als Logo wählten sie einen Schädel mit gekreuzten Knochen, einem Messer, einer Phiole mit Gift und einer Bombe. Die „Schwarze Hand“ führte ein Attentat auf den österreich-ungarischen Verwalter in Bosnien durch, der jedoch überlebte. Pläne für weitere Attentate, unter anderem auf den östereich-ungarischen Monarchen Franz Joseph I., zerschlugen sich bereits vor der Ausführung. Bei den beiden Balkankriegen von 1912 und 1913, die zu einer beachtlichen Vergrößerung des serbischen Territoriums auf Kosten des Osmanischen Reiches beziehungsweise Bulgariens führten, mischte Dimitrijevic mit. Die „Schwarze Hand“ übernahm als verlängerter Arm des Außenministeriums die Sicherung der eroberten Gebiete. Eine Beförderung zum Chef des Militärgeheimdienstes krönte seinen beruflichen Werdegang.

Und dann wurde der österreich-ungarische Thronfolger sein Ziel, da der Reformer, wäre er Monarch geworden, mit seiner Sympathie für die Slawen einem Großserbien im Weg gestanden hätte. Gezielt ließ Dimitrijevic die Attentäter von Sarajevo auswählen. Vieles spricht dafür, dass die serbische Regierung von den Zielen des Geheimdienstchefs wusste. Nach dem Attentat wurde ihr die Verbindung zu riskant und sie bezichtigte „Apis“ samt einiger Anhänger, ein Attentat auf den serbischen Thronfolger geplant zu haben. 1917 wurde Dimitrijevic deswegen hingerichtet und erst 1953 vom Obersten Gerichtshof Serbiens rehabilitiert. Für die von ihm wirklich begangenen Verbrechen hingegen wurde er nie zur Rechenschaft gezogen.

Rebecca Bellano


S. 11 Preussen/Geschichte

Wie der Alte Fritz die Wirtschaft ankurbelte
Zur Finanzierung seiner Projekte schreckte der König auch vor Geldvermehrung durch Münzverschlechterung nicht zurück

Am Ende des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) waren die Kräfte aller Konfliktparteien erschöpft – das galt auch und gerade für Preußen, obwohl es auf der Gewinnerseite stand. Die ihm verbleibenden letzten Jahre bis zu seinem Tode widmete dessen König Friedrich der Große (1712–1786) vor allem dem wirtschaftlichen Wiedererstarken seines Königreiches.

Die Kämpfe an bis zu vier Fronten hatten das Königreich insgesamt 180000 Soldaten gekostet. Dazu kamen der Verlust von 320000 Nichtkombattanten sowie die Verwüstungen, insbesondere in den von den Russen heimgesuchten Gebieten. Diese beschrieb Fried­rich II. wie folgt: „13000 Häuser, von welchen jede Spur verschwunden war. Kein Feld in Saaten, kein Korn zur Ernährung der Einwohner. 60000 Pferde erforderlich, wenn die Arbeit des Pfluges besorgt werden sollte.“

Deshalb musste der Wiederaufbau des Landes, dem nun immerhin zehn Prozent seiner Bevölkerung fehlten, ebenso schnell wie systematisch vorangetrieben werden. Und das tat der „erste Diener des Staates“ dann auch durchaus mit Bravour: Der „Alte Fritz“ wurde zum Kopf und zur Seele des zweiten preußischen Rétablissements, das er bis zu seinem Tode gerade so abschließen konnte.

Dabei betrieb Friedrich erst einmal eine strikt merkantilistische Politik, was hieß, alles staatlicherseits Mögliche zu unternehmen, um die einheimische Wirtschaft zu fördern und zugleich Importe durch Schutzzölle und andere protektionistische Maßnahmen einzudämmen. Hiervon profitierten vor allem die mittleren und östlichen Provinzen, in denen unter anderem neue Wollmanufakturen, Seidenwebereien und Gerbereibetriebe entstanden. Im Westen und dort insbesondere in der Grafschaft Mark an der Ruhr kam es zu einem spürbaren Aufschwung des Hüttenwesens.

Vergleichbare Erfolge erzielte Friedrich der Große bei der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Diese resultierte zum einen aus der Gewinnung und Nutzung neuer Bodenflächen – so zum Beispiel der 32000 Hektar, die bis 1782 durch die Entwässerung des Warthebruchs anfielen. Zum anderen wurden 60000 Soldaten für den Zeitraum von fünf Jahren vom Militärdienst befreit, damit sie bei der Landarbeit helfen konnten. Des Weiteren ordnete der König eine drastische Vermehrung der Zahl der Bienenstöcke, Obstbäume und Geflügelbestände an. Und natürlich ergänzte der Monarch seine bisherigen Kartoffel­edikte 1764 und 1765 durch weitere dringliche „Circular-Ordres“, die bewirken sollten, dass die schon seit Längerem angestrebte „fleissige Anbauung dieser nahrhaften Frucht“ nun endlich flächendeckend in Gang kam.

Zur Finanzierung der Maßnahmen des Wiederaufbaus nach den Siebenjährigen Krieg, zu denen übrigens nicht zuletzt auch die Neuordnung der Berliner Hoflandschaft und Investitionen in repräsentative Bauprojekte zählten, erhob der preußische Staat eine Verbrauchssteuer. Dazu kamen die Einnahmen aus den Monopolen auf Kaffee, Tabak und Salz. Die Einfuhr des Letzteren oblag dabei ab 1772 der Seehandlungs-Societät, einer Aktiengesellschaft, die von Friedrich höchstpersönlich gegründet worden war, um „die Commerzien zu beleben“ – und er trat auch selbst als Mehrheitsaktionär auf. Ebenso spülte die Königlich Preußische Lotterie Geld in die Kassen. Am 31. August 1763 wurden in Berlin erstmals offiziell die Glückszahlen gezogen, wonach in der Bevölkerung ein heftiges Lottofieber ausbrach.

Zudem verfügte Friedrich auch noch über finanzielle Mittel aus der Zeit des Krieges. Im Gegensatz zu England, Frankreich oder Österreich hatte sich Preußen in den letzten Kriegsjahren nämlich keineswegs bis über beide Ohren verschuldet. Die Kriegskosten waren mit 139 Millionen Taler zwar enorm, ihnen stand aber ein gleichzeitiger Geldzufluss in Höhe von 169 Millionen Talern gegen­über. Dieser speiste sich unter anderem aus den englischen Subsidien sowie den Kontributionen Sachsens, die zusammen allein schon 75 Millionen ausmachten. Außerdem war da noch der Gewinn von 31 Millionen Talern aus der systematisch betriebenen staatlichen Münzverschlechterung.

Seit 1757 hatte Friedrich zunächst in sächsischen und dann auch in preußischen Prägestätten massenhaft minderwertige Taler und Groschen mit kontinuierlich sinkendem Silbergehalt herstellen lassen. Als Hauptakteur trat hierbei der jüdische Hoffaktor Nathan Veitel Heine Ephraim (1703–1775) auf, dessen inflationäre Münzkreationen vom Volke bald mit verbitterten Spottversen folgender Art bedacht wurden: „Von außen schön, von innen schlimm. Von außen Friedrich, von innen Ephraim.“

Wie der Alte Fritz später selbstkritisch zugab, stellte der von ihm mit voller Absicht geförderte Münzbetrug „ein gewaltsam und vielen Schaden verursachendes Mittel“ dar, zugleich aber meinte der König entschuldigend, „es war … das einzige zur Erhaltung des Staates“. Jedenfalls musste nach dieser vermeintlich „alternativlosen“ Schädigung der Landeswährung ein monetärer Befreiungsschlag her, um das Vertrauen in das preußische Geld wieder herzustellen und seinen Wertverfall zu stoppen, denn mittlerweile konnte sich ein Infanterist für den üblichen Wochensold von acht Groschen kaum mehr zwei Pfund Schweinefleisch kaufen. Also ordnete Friedrich 1764 an, zum soliden alten preußischen Münzfuß von 1750 zurückzukehren, was bedeutete, dass ein Taler erneut genau 16,7 Gramm Feinsilber zu enthalten hatte. Danach brachten die vier Prägestätten im Lande bis 1786 rund 30 Millionen Gold- und 16 Millionen Silbermünzen nach dem neuen alten Standard in Umlauf. Parallel hierzu wurden die minderwertigen Kriegsstücke, die mittlerweile als „Ephraimiten“ verschrien waren, zwangsweise umgetauscht, wobei deren Besitzer aber nicht den Nennwert, sondern lediglich den Edelmetallwert erstattet bekamen, der deutlich darunter lag, was zu Verlusten von bis zu 66 Prozent führte.

Durch all diese Maßnahmen gelang es Fried­rich dem Großen, die ökonomischen Kriegsschäden bis zum Ende seiner Regierungszeit zu beseitigen. Davon zeugt nicht zuletzt der Umstand, dass die preußische Handelsbilanz 1786 erstmals einen Überschuss aufwies, der immerhin drei Millionen Taler betrug.

Wolfgang Kaufmann


Vorboten der Friedlichen Revolution
Aus dem Tagebuch von Vera Lengsfeld: Juni 1989

Die PAZ-Autorin Vera Lengsfeld war seit den 1970er Jahren in der Opposition gegen das SED-Regime aktiv und seitdem Mitorganisatorin aller wichtigen Veranstaltungen der Friedens- und Umweltbewegung der DDR. 1988 wurde sie wegen „Versuchter Zusammenrottung“ verhaftet und nach einem Monat in den Westen abgeschoben. Am Morgen des 9. November 1989 in die DDR zurückgekehrt, wurde sie Mitglied der Verfassungskommission des Runden Tisches und später der ersten und zugleich letzten frei gewählten Volkskammer. Von 1990 bis 2005 gehörte sie dem Deutschen Bundestag an. An dieser Stelle berichtet die bekannte Bürgerrechtlerin monatlich aus eigenem Erleben über die Ereignisse vor 25 Jahren in der DDR.

Anfang Juni 1989 gibt es in der DDR vor allem ein Gesprächsthema: Wird es eine „chinesische Antwort“ auf die immer stärker werdenden Unmutsbekundungen der Bevölkerung geben? Spätestens seit dem 5. Juni überschlagen sich die Hiobs-Botschaften über das Blutbad auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

Aber die Menschen lassen sich nicht einschüchtern. Während in der Bundesrepublik die Chinesen mit ihren Protesten gegen das Massaker weitgehend unter sich bleiben, gibt es in der DDR zahlreiche Protestveranstaltungen in den Kirchen und auf der Straße.

In Berlin wird eine sich formierende Kundgebung vor der chinesischen Botschaft mit äußerster Gewalt unterbunden. Die Volkspolizei geht mit seit den 50er Jahren nicht da gewesener Brutalität vor. Es hagelt Schläge, Fußtritte, Stock­hiebe, die Demonstranten werden an den Haaren zu den Mannschaftswagen geschleift.

Trotzdem gibt es einen Tag darauf wieder eine Demonstration. Diesmal auf dem Alexanderplatz. Es wird gegen die Wahlfälschung protestiert, die vor einem Monat stattgefunden hat. Wieder reagiert die Volkspolizei mit aller Härte und versucht, die Demonstranten auseinander zu prügeln. Am Rande des Geschehens steht die Staatssicherheit und verhaftet wie am Fließband. Etwa 150 Bürgerrechtler werden festgenommen, deutlich mehr als bei der bisher größten politischen Massenverhaftung am 15. Januar 1988 im Rahmen der sogenannten Liebknecht-Luxemburg-Affäre.

Während in der DDR Partei- und Staatsapparat sich schlagkräftig gegen die Veränderungen im Land wehren, beginnen in Ungarn die Verhandlungen zwischen Kommunistischer Partei und Opposition am „Eckigen Tisch“, der dann doch der Runde genannt wird, mit einer klaren Verurteilung des Massakers in Peking durch die Opposition. Die Vertreter der Kommunisten stimmen der Erklärung zu.

Am Vorabend des Pädagogischen Kongresses, der Mitte Juni in Berlin stattfindet, zeichnet der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker „Verdiente Pädagogen des Volkes“ aus. Aber einige der Geehrten, wie der spätere Ministerpräsident Dieter Althaus, sind einfach nicht erschienen. Das hat es in der Geschichte der DDR noch nicht gegeben.

Während in der DDR die Pädagogen auf ihrem Kongress über die Erziehung der Jugend „im Geiste des Sozialismus“ diskutieren und dabei wunschgemäß feststellen, dass dazu eine gesunde Erziehung zum Hass auf den Klassenfeind gehört, ergibt sich jener Klassenfeind gerade der Gorbimanie. Die Szenen, die sich bei Gorbatschows Staatsbesuch in der Bundesrepublik abspielen, gleichen sozialistischen Jubel-Veranstaltungen, nur dass der Jubel ganz freiwillig abgeliefert wird. „Bild“ überschlägt sich fast: „Gorbi! Gorbi! Jetzt müsste noch die Mauer fallen!“ Aber Gorbatschow denkt gar nicht daran, ein ähnliches Angebot wie George Bush senior zu machen, denn am Fall des Eisernen Vorhanges hat der sowjetische Staatschef kein Interesse. So kühl vor wenigen Tagen Bushs „Let Berlin be next“ aufgenommen wurde, so begeistert ist die bundesrepublikanische Medienöffentlichkeit von Gorbis Absage an weitere Öffnungen der Grenzen in Europa. Er sagt fast wörtlich dasselbe wie vor ein paar Wochen DDR-Staatschef Honecker: dass die Mauer stehen bleiben würde, solange die Voraussetzungen, unter denen sie gebaut wurde, weiterhin existierten. Eigentlich kein Grund zur Freude, aber der Gorbimanie tut das keinen Abbruch.

Am 17. Juni hält einer der Vordenker der SPD, Erhard Eppler, im Deutschen Bundestag eine Festrede zum Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR. Darin benennt er erstmals das Scheitern der westlichen Befriedungspolitik, wenn auch nur andeutungsweise. Angesichts der Entwicklung in Osteuropa gesteht Eppler ein, dass „wir nicht präzise und detailliert genug sagen können, was in Deutschland geschehen soll, wenn der Eiserne Vorhang rascher als erwartet einrostet“. An anderer Stelle wünscht er sich, „dass sich die Bürgerinnen und Bürger der DDR in die inneren Angelegenheiten ihres eigenen Staates einmischen können …, wie sie es selbst für richtig halten“.

Dazu brauchen die Menschen in der DDR keine Ermutigung aus dem Westen, denn sie mischen sich bereits kräftig ein. So sehr, dass es den Machthabern immer mehr Kopfzerbrechen bereitet. Im Vorfeld des Jahrestags hatte das Ministerium für Staatssicherheit „höchste tschekistische Wachsamkeit“ ausgerufen, um „Überraschungen von innen und außen auszuschließen“. Dazu sei es nötig, die „feindlichen, oppositionellen und anderen negativen Personenkreise gründlich operativ“ zu unterwandern, um „öffentlichkeitswirksame Aktionen bereits in der Vorbereitungs- und Anfangsphase wirksam zu unterbinden“. Eine „Soforteinsatzgruppe operative Beobachtung“ wurde ins Leben gerufen, „um solche öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten wie ‚Schweigemärsche‘, ‚Mahnwachen‘, ‚Fahrraddemonstrationen‘, ‚Sitzblockaden‘ wirkungsvoll zu bekämpfen“.

Das gelingt der Staatssicherheit immer weniger. Demonstranten vor der chinesischen Botschaft in Ostberlin protestieren weiter gegen das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Wieder gibt es bei den Verhaftungen zahlreiche Verletzte.

Auch in Potsdam und Dresden wird demonstriert. Während die unteren Chargen auf den Straßen Prügelorgien veranstalten, werden die Verantwortlichen vom Staatschef geehrt: Erich Honecker befördert und ernennt Generale der Volkspolizei.

Angesichts der Verletzten und Verhafteten der Vortage gibt es in Dresden einen Klagegottesdienst für alle Opfer staatlicher Willkür. Über 2000 Menschen nehmen daran teil, so viele, dass die Staatssicherheit diesmal gar nicht erst versucht, die Gottesdienstbesucher nach Ende der Veranstaltung festzuhalten, um ihre Personalien zu notieren. Sie beschränkt sich auf das heimliche Fotografieren.

Weniger zurückhaltend ist die Staatssicherheit beim nächsten Montagsgebet in Leipzig. Sie prügelt und verhaftet exzessiv. Allerdings hat das nicht die gewünschte abschreckende Wirkung. Die Stasi muss sich immer häufiger Schmährufe anhören, die ihr Vorgehen gegen die Gottesdienstbesucher begleiten.

Als hätten die Politbürokraten nicht schon genug Ärger im eigenen Land, müssen sie miterleben, wie in Ungarn in einem symbolischen Akt die Außenminister von Österreich und Ungarn mit einer Drahtschere ein Loch in den Grenzzaun zwischen Ungarn und Österreich schneiden. Dabei ist die Grenzanlage schon fast verschwunden, der Abbau hatte bereits am 2. Mai begonnen. Die Zahl der Reiseanträge nach Ungarn hat in der DDR nie gekannte Höhen erreicht. Die SED-Führung wusste, was das bedeutet. Erich Honecker fuhr selbst nach Moskau, um sich der Unterstützung Gorbatschows zu versichern. Dort wird ihm kühl beschieden, dass die Grenzordnung eine innere Angelegenheit Ungarns sei. Während Honecker mit Gorbatschow spricht, überqueren wieder dutzende Flüchtlinge aus der DDR in Ungarn die nunmehr grüne Grenze nach Österreich. Die SED muss machtlos zusehen.

Die Autorin dieses Beitrags ist Verfasserin des unlängst erschienenen Buches „1989 – Tagebuch der Friedlichen Revolution – 1. Januar bis 31. Dezember“, TvR Medienverlag Jena.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Kapitalorientierter Neokolonialismus

Zu: Lampedusa ist Symptom der Krankheit (Nr. 22)

Afrika wie auch Südamerika leiden nicht erst in den letzten Jahrzehnten unter diesen Dingen, sondern werden von einer sich christlich nennenden Wertegemeinschaft seit Jahrhunderten ausgebeutet. Zunächst mit den Mitteln des Menschenraubs in der Epoche der Sklavenhaltung, dann mit denen der Kolonisierung (Siedlungsbildung) und im 20. und 21. Jahrhundert mit denen eines sich imperialistisch ausbreitenden Wirtschaftssystems, das auf einem Prinzip des Betrugs aufbaut.

Dieser Betrug nimmt den Völkern der sogenannten Dritten Welt jede Möglichkeit, eigene Volkswirtschaften aufzubauen, da die dort arbeitenden transnationalen Konzerne die dem jeweiligen Volk zustehenden Gewinne aus der Ausbeutung der örtlichen Ressourcen vorenthalten und ins Ausland transferieren.

Am Beispiel des erdölreichen Nigeria wird dies besonders deutlich. Mit Hilfe kooperationsbereiter Regierungen, gefälschter Wahlen und einer kleinen Clique von am Profit beteiligten örtlichen Drahtziehern wird das, was an der Erdölförderung verdient wird, an der Bevölkerung vorbeigeschleust und kommt lediglich den Konten der Multimillionäre und Milliardäre in Übersee zugute.

Und wenn weiterhin landwirtschaftliche Billigprodukte aus der EU die afrikanischen Märkte überschwemmen, wo sie die Existenz der dortigen Bauern vernichten, muss man sich über Fluchtwellen und „Boatpeople“ gar nicht wundern. Was in Afrika passiert, ist Neokolonialismus, der im Gewand einer Zivilisation daherkommt, die sich anmaßt, Demokratie in die Welt zu bringen, dabei aber nichts anderes im Sinn hat als das Anwachsen des Aktienkurses und die Bedienung eigener Machtgier.

Es wäre sinnvoller, anstatt Spenden und Entwicklungshilfe, die nur das schlechte Gewissen beruhigen sollen, Gelder als abzuführende Entschädigungszahlungen von den ausländischen Konzernen direkt einzuziehen und, wie der Autor des Beitrags vorschlägt, in die Gründung neuer lokaler Unternehmen fließen zu lassen.

Ulrich F. Sackstedt, Verden

 

 

Beschneidung nicht grundsätzlich verurteilen

Zu: „Schau in meine Welt“ (Nr. 20)

Als geschichtsbewusster und gesamtdeutsch denkender Bayer weiß ich, dass Friedrich der Große 1778 den Bestand Bayerns gerettet hat. Dieses wollten sich damals die Habsburger unter den Nagel reißen.

Vor 18 Monaten bin ich auf Empfehlung eines Bekannten gern Leser Ihrer Wochenzeitung geworden; denn Redaktion und Verfasser berichten sachlich und informativ über wichtige Ent­wick­lungen in Tagespolitik und Wirtschaft, über Kultur, Geschichte und bemerkenswerte Buchneuerscheinungen. Die PAZ spricht anschaulich Ursachen, Zusammenhänge und Hintergründe des Geschehens an und meidet die in den deutschen „Qualitätsmedien“ erkennbaren Bestrebungen zur linkslastigen und US-hörigen politisch korrekten Selbstzensur.

Besonders gern lese ich den geistreich-witzigen Wochenrück­blick von Hans Heckel. Für Ihre wertvolle Arbeit sage ich allen Mitarbeitern Dankeschön. Nur selten findet ein Beitrag nicht meine Zustimmung – ein Beispiel: Mit dem zu wenig sachlichen Beitrag von Friedrich List in Ausgabe 20, der vor der Beschneidung regelrecht Angst macht, bin ich nach eigener Erfahrung nicht einverstanden. Die Vorhaut ist ähnlich unwichtig wie der Wurmfortsatz des Blinddarms. Deshalb konnten vorderasiatische Religionen die Entfernung der männlichen Vorhaut zur Verringerung von Hautinfektionen als religiös verbrämte Sitte vorschreiben. Ich bin zwar gegen religiösen Zwang oder Nötigung, aber eine freiwillige Beschneidung befürworte ich.

Ich litt seit meinem sechsten Lebensjahr unter meiner entzündeten Vorhaut, wogegen auf Dauer nichts half. Schließlich entschloss ich mich auf ärztlichen Rat, sie ambulant entfernen zu lassen. Nach drei Wochen hatte ich die manchmal etwas schmerzhaften Nachwirkungen überstanden. Die Vorhautentfernung durch erfahrene Urologen oder Beschneider ist ähnlich ungefährlich wie andere Hautoperationen. Sollte man möglichen Kandidaten nicht selbst überlassen, was sie zweck­mäßiger und schöner finden?

Wolfgang Hendlmeier, München

 

 

Ist Gauck gleicher?

Zu: „Spinner“ ist erlaubt (Nr. 24)

Mit Interesse habe ich die Begründung der politischen Justiz betreffs Straffreiheit für die Aussage des Bundespräsidenten Joachim Gauck über seine Meinung, dass Rechte angeblich „Spinner“ sind, aufgenommen. Kann auch ich als Normalbürger den Bundespräsidenten ungestraft einen „Spinner“ nennen, wenn er so gelegentlich seine, meiner Meinung nach, unqualifizierten und unangebrachten Sprüche loslässt? Oder sind wir wirklich nur nichtssagende Untertanen auch in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts?

Auch wenn die Hetze gegen die „rechten Spinner“ in der Öffentlichkeit unerträgliche Ausmaße angenommen hat, muss doch festgestellt werden, dass alle Parteien – sofern sie zugelassen sind – unter dem Schutz der Verfassung stehen. Das gilt auch für den Bundespräsidenten.

Bert Jordan, Landstuhl

 

 

Große Worte

Zu: Deutschlandtreffen 2014 (Nr. 21)

Alle Redner haben hier das Wesentliche gesagt. Der Sprecher der Landsmannschaft, Stephan Grigat, erwähnte die hier eventuell anwesenden Wehrmachtssoldaten. Ihnen seien die Ostpreußen zu Dank verpflichtet, verdanken sie doch diesen oft ihr Überleben. Das hat mich als Sohn eines in Ostpreußen gefallenen Soldaten sehr berührt.

Über Arnulf Barings Festansprache, der aus aktuellem Anlass zu den Geschehnissen in der Ukraine mit dem russischen Präsidenten Putin abrechnete, waren die anwesenden Ostpreußen geteilter Meinung, so auch der von mir sehr geschätzte Hans Heckel in seinem Kommentar. Die Chaotisierung in diesem Land verteile sich danach auf viele Schultern. Unvergessen bleiben für mich Barings letzte Worte: Es lebe Deutschland!

Bernd Dauskardt, Hollenstedt

 

 

Der reinste Witz

Zu: Tempel des Missverständnisses (Nr. 24)

Solange in etlichen Ländern Christen von Muslimen verfolgt, vertrieben, schikaniert, geschändet, geraubt und ermordet werden, ist solch ein Bau – ein Bet­haus für Christen, Juden und Muslime – der reinste Witz. Und außerdem ist es rausgeschmissenes Geld, das an anderer Stelle fehlt.

Albert Krings, Remagen

 

 

Selbsttherapie

Zu: Kita statt Kampfbereitschaft (Nr. 24)

Die Familienpolitik zur „Vereinbarkeit von Kind und Karriere“ der Ministerin Ursula von der Leyen zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Ministeramts-Karrieren: Familienministerin, Arbeitsministerin, Verteidigungsministerin.

Ich kann mich mittlerweile des Eindrucks nicht erwehren, dass der siebenfachen Mutter diese Vereinbarkeit selbst nicht möglich ist und sie sich in den verschiedenen Ministerien selbst zu therapieren versucht.

Sabine Preißler, Wiesbaden

 

 

Viele Krimis bieten Schmalz-TV, doch Naturdokus stellen leider keine Alternative dar

Zu: „Mordkommission Istandbul“: Propaganda für Erdogan (Nr. 23)

Ich bin seit ungefähr einem Jahr Abonnentin der PAZ. Klaus Rainer Röhls Kommentare finde ich fast jedes Mal überaus treffsicher und scharfsinnig. Aber nur fast jedes Mal!

In der aktuellen Ausgabe widmet er sich einem Thema, welches uns als noch recht junges Ehepaar auch umtreibt: dem TV-Programm. Auch uns ist aufgefallen, dass man eigentlich nur noch Krimis schauen kann, aber bei Weitem nicht alle. Was Röhl bei seiner Kritik jedoch nicht auffällt ist, dass es gerade beim „Tatort“ doch sehr unterschiedliche Cha­rak­tere gibt. Bei einer Sabine Postel (Bremer „Tatort“) schalten wir konsequent weg, da dort in unerträglicher Manier politisch-korrekte Erziehung betrieben wird.

Durchaus sehenswert ist aber das Münsteraner Gespann Liefers/Prahl, die bissig ironisch bis sarkastischen Kommentare beider Schauspieler sind unübertroffen und eine spannende Krimihandlung kommt trotzdem meist nicht zu kurz. Bei diesem Pärchen von politischer Erziehung und Einfallslosigkeit zu reden, finde ich daher nicht treffend. Man denke an den Dauerbeschuss der etwas zu kurz geratenen Assistentin „Alberich“ – hier gerät jeder Diskriminierungsbeauftragte ins Hyperventilieren!

Auch oft sehenswert ist das Münchener Gespann oder die leider nicht mehr aktuellen Frankfurter Schüttauf/Sawatzki. Letztere haben mit ihrem 2010er Neujahrs-„Tatort“ „Weil sie böse sind“ einen absoluten Kult-„Tatort“ geschaffen. Hier geht es nicht um Kapitalismus, sondern um die jahrhundertealte Verwicklung des Schick­sals zweier ungleicher Familien. Matthias Schweighöfer brilliert als perfider adeliger Schnösel, der mit Hilfe des verwitweten Vaters eines behinderten Kindes seine ganzen Verwandten um die Ecke bringen lässt, „weil sie böse sind“. Dieser Film ist absolut sehenswert.

Nun ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, aber die von Röhl favorisierten Venedig-Krimis gehören zumindest bei uns ebenfalls zu den Wegschaltkandidaten. Wir nennen dieses Metier „Schmalz-TV“, die besagten Krimis stehen für uns in einer Reihe mit den süßlichen Rosamunde-Pilcher-Filmen. Die Venedig- wie auch Istanbul-Krimis erinnern in der Machart stark an die unerträglichen Edgar-Wallace-Verfilmungen der spätzer 50er bis frühen 70er Jahre. Es sind alles nur auf englisch (italienisch, türkisch) getrimmte Rollen mit bekannten, meist deutschen Schauspielern, welche einseitige, schablonenhafte Charaktere darstellen, offenbar „typisch“ englisch (italienisch, türkisch). Unerträglich!

Wenn schon italienische oder englische Krimis, dann auch bitte echte, mit englischen/italienischen Schauspielern! Die Handlungsplots sind fast ausschließlich irgendwelche idyllischen Sehenswürdigkeiten oder historische Gebäude, seichtes Rentner-TV eben für all diejenigen, die sich nicht mehr auf Reise wagen können. Wie gesagt, Geschmäcker sind verschieden, aber gerade bei diesen Krimis überwältigt uns das Gefühl, „unterhalten“ zu werden und ja nicht nachdenken zu müssen. Seicht, ungefährlich, liebenswürdig und wegschaltwürdig!

Was Röhl allerding sträflich vergisst, sind die unerreichten Dokus der 80er Jahre. Wo sind die hin? Länderdokus, Reisedokus, Naturdokus? Fritz Pleitgen, Scholl-Latour und wie sie alle heißen – wo sind Journalisten mit diesem Kaliber geblieben? Die neueren Dokus sind allesamt „Made in USA“ „oder genauso simpel gestrickt als Doku-Dramas: unerträglich seicht, mit dauernder Musikberieselung, schnellen Schnitten. Bloß nicht zu sehr in die Tiefe gehen, man könnte ja sonst etwas lernen. Keine Naturdoku ohne Hinweis auf den Klimawandel, Plattitüden, Unwahrheiten, Propaganda überall. Gerade hier könnten sich die Öffentlich-Rechtlichen hervortun – mit Niveau − und anspruchsvollen Dokus ohne politische Hintergedanken. Es wäre ihr eigentlicher Auftrag. Aber entweder wurde da schon jedes Feld beackert, oder – und das scheint uns wahrscheinlicher – es mangelt an fähigen Journalisten.

Wir sind jedenfalls dazu übergegangen, Sehenswertes aufzunehmen, legal herunterzuladen, als Video zu erwerben oder uns über die Sender als Mitschnitt zu besorgen (das geht oft auch bei älteren Dokus). Ein TV-Gerät im herkömmlichen Sinne besitzen wir schon lange nicht mehr, das TV gibt es nur noch als Programm auf dem Heimcomputer. Lieber eine 20 Jahre alte Doku über Sibirien als das unerträglich seichte Allerlei, jeden Tag von derselben Art.

Anka Willms, Oßling

 

 

Gut so, wie es ist

Zu: „Heimat und Zukunft in einem neuen Licht“ (Nr. 20)

Bei aller ausdrücklichen Zustimmung zum Inhalt des Lang-interviews mit dem Pfarrer Philip Kiril Prinz von Preußen möchte ich doch auf folgenden Irrtum in der Bildunterschrift hinweisen. Dort heißt es: „Hätte Deutschland noch die Monarchie und sein Vater nicht bürgerlich geheiratet, wäre er heute Kronprinz: Philip Kiril Prinz von Preußen.“

Richtig ist vielmehr: Dann wäre der Hohenzoller und Theologe gar nicht auf der Welt. Das aber wäre ein Verlust für Himmel und Erde. So ist es also gut, so wie es ist.

Manfred Greune, Göttingen

 

 

In der Meinungsdiktatur gefangen: Wieso gibt das Verfassungsgericht Gauck recht?

Zu: „Spinner“ ist erlaubt (Nr. 24)

Wenn es noch eines Beweises bedurft hatte, dass die BRD eine Meinungsdiktatur ist, in der politisch nicht als korrekt geltende Meinungen unterdrückt werden, dann lieferten diesen Beweis die Richter des Bundesverfassungsgerichts mit ihrer Begründung für die Zulässigkeit der Schmähung der NPD und ihrer Anhänger durch den Bundespräsidenten Gauck im Vorfeld der Bundestagswahl 2013.

Nach dem Urteil der Richter ist es dem Bundespräsidenten nach Verfassungsrecht möglich, NPD-Anhänger als „Spinner“ zu bezeichnen, die die Geschichte nicht verstanden haben und die irrige Meinungen äußern. Die politisch korrekte Lehre, die aus der Geschichte zu ziehen ist, lautet: „Nie wieder“ (Gauck). Gemeint ist: nie wieder Nationalismus, nie wieder Nationalstaat. Politiker, die ein Europa der Vaterländer anstreben, fallen somit in die Kategorie „Spinner“.

Offenbar nehmen der Bundespräsident und andere politisch Korrekte für sich in Anspruch, in der Erkenntnis der Lehren der Geschichte unfehlbar zu sein. Richter des Bundesverfassungsgerichts sehen verfassungsrechtlich auch nichts daran zu beanstanden, dass der Bundespräsident der nicht verbotenen NPD in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung verdächtigt. Die Richter halten eine solche Verdächtigung, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, nicht für willkürlich und damit für zulässig.

Der NPD Verfassungsfeindlichkeit zu unterstellen, erscheint unsachlich, denn das Grundgesetz steht einem Nationalstaat in keiner Weise entgegen. Das weltweit einzigartige Grundrecht auf Asyl, das dem Bundespräsidenten besonders am Herzen liegt, kann auf dem im Grundgesetz vorgegebenen Wege an internationale Gepflogenheiten angepasst werden. Von den etablierten Parteien wurde es auch bereits eingeschränkt, ohne dass diesen Parteien Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen wurde.

In einem Verbotsverfahren gegen die NPD vor einigen Jahren konnte kein Urteil über ihre Verfassungsfeindlichkeit gefällt werden, weil nicht geklärt werden konnte, welchen Einfluss V-Leute des Verfassungsschutzes auf diese Partei haben. Dennoch halten jetzt Verfassungsrichter die Un­terstellung der Verfassungsfeindlichkeit durch den Bundespräsidenten nicht für willkürlich. Verfassungsrichter stellten Gauck mit ihrem Urteil gewissermaßen einen Jagdschein aus, der ihn ermächtigt, nach Belieben gegen die NPD zu hetzen und sie zu bekämpfen.

Die Hüter der Politischen Korrektheit und der Meinungsdiktatur erweisen sich als die wahren Feinde der grundgesetzlichen Ordnung. Mit dem Bundespräsidenten und Verfassungsrichtern –besonders jenen, die aktive Parteipolitiker waren – wurden

Böcke zu Gärtnern gemacht. Abhilfe kann nach dem Artikel 20, Absatz. 4 des Grundgesetzes geschaffen werden.

Dieter Bliesener, Hamburg


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Sonne im Herzen
Allensteiner Sommerfest begeisterte Jung und Alt − Bei Ritterkämpfen sprang der Funke über

Das alljährliche Sommerfest der Ostpreußen erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Mit 1200 Besuchern waren am 21. Juni in Allenstein wieder mehr Teilnehmer anwesend als beim letzten Mal. Dafür bekamen sie einen bunten Folklore-Mix aus Musik, Theater, Tanz und Ritterkämpfen geboten, der am Tag der Sonnenwende alle begeisterte.

Neugierig warfen Passanten einen Blick auf die unterhalb der Allensteiner Deutschordensburg gelegene Freilichtbühne des Amphitheaters herab. Ungewöhnliche Klänge drangen zu ihnen hinauf: deutsche Stimmen, deutsche Lieder und deutsche Musik. Beim Allensteiner Kultursommer waren die Ostpreußen mit ihrem Sommerfest zu Gast, und sie lockten nicht nur die deutsche Volksgruppe an, sondern auch viele junge Allensteiner, welche kein Wort Deutsch verstehen, die aber von dem fröhlichen Treiben magisch angezogen wurden und mit den Ostpreußen mitfeierten.

Als Prolog des Sommerfests hielten der Allensteiner Domherr André Schmeier und sein evangelischer Kollege, Bischof Rudolf Bazanowski, einen zweisprachigen ökumenischen Gottesdienst ab. Am Tag des höchsten Sonnenstands versteckte sich hin und wieder das Leben spendende Gestirn. „Aber wir wissen, sie ist da“, sagte der katholische Domherr Schmeier. Auch wenn zwischenzeitlich bei kurzen Regengüssen die Regenschirme aufgespannt werden mussten, war doch überall Sonne in den Herzen. Vor den Augen des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat, und zahlreicher Ehrengäste wie Bernard Gaida von der Dachorganisation der Deutschen Minderheit in der Republik Polen, Heinrich Hoch vom Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, dem Ermländischen Altvisitator Lothar Schlegel sowie Viktor Marek Leyk, dem Minderheitenbeauftragten des Marschalls der Woiwodschaft Ermland und Masuren, wurde farbenfrohe Unterhaltung geboten.

Jung und Alt, Chöre und Solisten aus Bartenstein, Heilsberg, Ortelsburg, Neidenburg und Osterode sorgten für Stimmung, bei der am Ende das Publikum mitsang und -tanzte. Höhepunkt waren die historischen Ritterkämpfe, bei denen eine Gruppe Allensteiner Recken mit Schwertern und Äxten aufeinander einschlug, dass die Funken flogen. Ein Funke, der auch auf die Zuschauer übersprang, die begeistert applaudierten und die darauf hoffen, ein ähnliches Scharmützel wieder beim nächsten Mal erleben zu dürfen. (Ausführliche Berichte in der nächsten PAZ.) Harald Tews


Grußwort des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat

Liebe Ostpreußen und Freunde Ostpreußens! Sehr geehrte Damen und Herren!

Als Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, in der mehr als 200000 Ostpreußen – gebürtige Ostpreußen und deren Nachkommen sowie auf andere Weise mit Ostpreußen verbundene Menschen – zusammengeschlossen sind, heiße ich Sie herzlich zum Ostpreußischen Sommerfest in Allenstein willkommen.

Ich freue mich darüber, dass Sie unserer Einladung nach Allenstein so zahlreich gefolgt sind.

Dies ist ein Zeichen für die Vitalität der deutschen Volksgruppe und belegt gleichzeitig die gewachsenen und inzwischen guten, vorurteilsfreien und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Ostpreußen deutscher und polnischer Prägung.

Unsere Landmannschaft entstand als Vereinigung der von Flucht und Vertreibung in der zweiten Hälfte der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts unmittelbar Betroffenen.

Sie war dazu bestimmt, die Interessen ihrer entrechteten und diskriminierten Mitglieder zu vertreten; anders als zunächst erwartet waren sie nach einigen Jahrzehnten nicht in die Heimat zurückgekehrt, sondern in großer Zahl in die westdeutsche Gesellschaft integriert und dort sesshaft geworden – ein unumkehrbarer Prozess.

Ostpreußen ist Zeit seiner Geschichte multiethnisch geprägt gewesen und hat sich von jeher durch das Zusammenschmelzen seiner verschiedenen Bevölkerungsgruppen definiert, prußische Ureinwohner, deutsche, holländische, hugenottische, salzburgische, litauische und masowisch-polnische Zuwanderer, die zu verschiedenen Zeiten aus verschiedenen Gründen in Einwanderungswellen nach Ostpreußen kamen. Das Ergebnis dieser jahrhundertelangen Entwicklung war der Ostpreuße, der – wie uns die Volksabstimmung vom 20. Juli 1920 zeigt – am Ende und im Ergebnis ohne Rücksicht auf die politischen Umstände deutsch dachte und fühlte.

Trotz dieser Geschichte und nach vielen Katastrophen, die die Ostpreußen über Jahrhunderte in Ostpreußen erlebt hatten − Dreißigjähriger Krieg, Tatareneinfall, Hungersnöte, Pest, Siebenjähriger Krieg, Napoleonische Kriege und zwei Weltkriege − und die sie mit diesem Land zusammengeschweißt hatten, mussten sie ganz überwiegend am Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Heimat Ostpreußen verlassen und damit für die Verbrechen anderer büßen.

Krieg, Flucht und Vertreibung liegen fast sieben Jahrzehnte zurück.

Sie sind – zunächst langsam und unmerklich, aber doch unaufhaltsam – Geschichte geworden. Erlebte Geschichte von noch vielen, die unter uns sind und leben. Geschichte dennoch. Geschichte, die unser und unserer Länder Dasein geprägt hat und nachwirkt. Aber dennoch Geschichte.

Von den Tätern der damals wechselseitig begangenen Verbrechen lebt fast niemand mehr. Schuld ist immer individuell. Sie ist mit den Tätern gestorben. Auch sie ist Geschichte geworden.

Die Vergangenheit bleibt uns Mahnung und Auftrag, es anders, besser zu machen.

Die vertriebenen und geflüchteten Ostpreußen und ihre Nachkommen tragen keinen Unfrieden in die Welt und keine Unruhe in ihre Heimat. Die Mitglieder der Landsmannschaft Ostpreußen kommen nach Ostpreußen nicht, um etwas zu fordern, sondern um etwas zu geben, um gemeinsam mit den Menschen vor Ort zum Wohle des Landes, seiner Kultur und seiner Menschen zu gestalten und dafür ihr Wissen und ihre Erinnerung und ihre sonstigen Möglichkeiten einzusetzen.

Ostpreußen ist in Europa angekommen. Darüber freuen wir uns.

Diese Entwicklung gibt uns die Möglichkeit, mit ausgestreckter Hand an der Zukunft und Ent­wick­lung Ostpreußens teilzuhaben – gemeinsam mit Ihnen allen und zum Wohle des Landes und seiner Bewohner.

Zukunft braucht Herkunft.

Die Vergangenheit, auf der die Zukunft aufbauen muss, sind die Menschen, die bis zum Ende des Krieges hier lebten.

Die Zukunft des Landes sind die Menschen, die heute hier leben.

Der Verknüpfung dieser Stränge dient auch dieses Sommerfest, der Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft als gemeinsam gelebter Gegenwart.

Ich wünsche uns heute ein fröhliches Sommerfest, viele neue Kontakt und gute tiefgehende Gespräche und vor allem viel Freude.


MELDUNGEN

Von Flughafen zu Flughafen

Allenstein – Flughafenspringen oder Flughafenhüpfen könnte man analog zum sogenannten Island Hopping nennen, was Sportflieger aus der ganzen Republik Polen, aber auch aus der Bundesrepublik im südlichen Ostpreußen unternommen haben. Die Piloten starteten in Rastenburg und landeten in Allenstein und Grieslienen. Danach besuchten sie die Flughäfen in Schiemanen, Kikitten, in Babenten und Lötzen. „Wir möchten zeigen, dass das südliche Ostpreußen ein herrlicher Ort für die Luft-Touristik ist. Wir haben viele Flughäfen, auf denen man sicher landen kann. Und danach kann man in der Umgebung mit der Familie oder Freunden die Zeit gut verbringen“, begründete Stanislaw Tolwinski, Vorsitzender des Aeroklubes „Krajny Jezior“ (Land der Seen) und Organisator der Flüge, die Veranstaltung. PAZ

 

Abschied mit PAZ-Autor

Kruttinnen – „Das Bild der Heimat und ihrer Menschen in den Werken von Richard und Fritz Skowronnek, Siegfried Lenz, Johannes Bobrow­ski und Arno Surminski“ lautete das Thema des 24. Kultur- und Begegnungsfestes der Masurischen Gesellschaft in Kruttinnen. Der PAZ-Autor Grzegorz Supady von der Universität Allenstein las Kurzprosa und Gedichte von Zbigniew Chojnowski vor, die mit vielen Anspielungen und Betrachtungen über Masuren und seine Nachbarregionen gespickt waren. Die scheidende deutsche Generalkonsulin in Danzig, Annette Klein, verabschiedete sich auf dieser Veranstaltung von der Gesellschaft. PAZ

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S22: Fehlau [Wielewo], Baustelle. Straße Nr. 7: Horst [Wyznice] Richtung Reichenau [Rychnowo], Baustelle; Zalusken (Załuski) Richtung Palicken [Pawliki], Baustelle. Straße Nr. 15: Rakowitz [Rakowice], Baustelle. Straße Nr. 16: Nagladden (Naglady) Richtung Allenstein (Olsztyn), Baustelle. Straße Nr. 16c: Fittigsdorf (Wójtowo) Richtung Reuschhagen (Ruszajny), Reparatur der Schutzplanken; Bischofsburg [Biskupiec] Richtung Groß Borken [Borki Wielkie], Straßenbau. Straße Nr. 51: Beisleiden [Bezledy], Baustelle. Straße Nr. 57: Willenberg (Wielbark), Renovierung der Brücke. Straße Nr. 58: Sellwen [Selwa] Richtung Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig. Straße Nr. 63: Grunden [Grady] Richtung Arys (Orzysz), Baustelle. Straße Nr. 65: Goldap [Gołdap] Richtung Reimannswalde [Kowale Oleckie], Straßenumbau; Reimannswalde [Kowale Oleckie] Richtung Treuburg (Olecko) Richtung Lyck (Ełk), Baustelle; Seedranken [Sedranki] Richtung Kuckow [Kukowo], Baustelle. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

da mögen 50, 60, ja, fast 70 Jahre vergangen sein – immer wieder gehen die Gedanken der Älteren unter uns zurück in die Kindheit, die für viele Vertriebene noch offene Fragen bereithält. Gerade die heute 70-Jährigen, deren erste Lebensjahre durch Krieg und Flucht zerstört wurden, möchten so viele Dinge geklärt wissen, die ihnen bisher niemand beantworten konnte. Falls sie überhaupt Fragen gestellt haben, denn die meisten wussten oft nicht, an wen sie sich wenden sollten und konnten, und manchen geht es auch heute so. Da ist es gut, dass wir unseren „Familien-Briefkasten“ beim Ostpreußen-Treffen in Kassel aufgestellt hatten, denn ein Einwurf der aufgeschriebenen Wünsche oder Fragen genügte. Die meisten haben wir inzwischen schon bearbeiten können, aber es gibt immer noch einige, bei denen man nachfragen muss, weil die schriftlich gemachten Angaben präzisiert werden müssen.

Dazu gehört auch der Suchwunsch von Herrn Hartmut Großmann aus Herford, der nach Bartenstein [Bartoszyce] führt, das dem Fragesteller allerdings eher unter dem polnischen Namen vertraut ist, denn einen anderen hat er damals nicht gehört. Der 1942 in Lötzen geborene Junge verbrachte dort neun Jahre seiner Kindheit und Jugend in einem polnischen Heim für elternlose Kinder. Erst 1958 kam er in die Bundesrepublik, weil seine 1944 verstorbene Mutter aus Hamburg stammte. Als Heimkind ging er in Bartenstein zur Schule und dort gab es auch Kameraden, die wie er deutscher Abstammung waren. Mit einem von ihnen hegte er eine besonders enge Freundschaft, und nach diesem sucht Hartmut Großmann, denn er möchte wissen, was aus seinem Schulkameraden geworden ist. Der gesuchte Haro Meinleitner war damals zusammen mit seinem etwa eineinhalb Jahre jüngeren Bruder Harry auf der polnischen Schule. Ich vermute, dass sein Vorname „Harro“ gelautet hat. Weitere Angaben habe ich leider nicht bekommen, und so müssen die hier aufgeführten Namen genügen. Der Nachname des gesuchten Haro Meinleitner deutet auf eine ostpreußische Familie Salzburger Abstammung hin. Wo diese in Ostpreußen gelebt hat, ist Herrn Großmann unbekannt, was auch verständlich ist, weil die Jungen wohl kaum etwas über ihre deutsche Herkunft wussten oder nicht darüber sprechen durften. Es steht bei dieser Suchfrage also nur ein Name im Raum, aber vielleicht genügt er, dass Hartmut Großmann seinen Schulfreund wieder findet oder etwas über dessen weiteres Leben erfährt. (Hartmut Großmann, Engerstraße 95a in 32051 Herford, Telefon 05221/54532.)

Nach Bartenstein würde auch der nächste Suchwunsch führen, wenn, ja wenn wenigstens die Namen der Suchenden und Gesuchten angegeben wären. Ich würde so gerne Herrn Eggert R. helfen, die Schulfreundin seiner Mutter aus Bartenstein zu finden, aber ich müsste zumindest die Mädchennamen der beiden ehemaligen Freundinnen wissen, um den Suchwunsch an unsere Leserschaft weiterleiten zu können. Der Sohn schreibt, dass seine Mutter sogar noch ein Klassenfoto besitze. Das würde uns bei der Suche sehr weiterhelfen und vielleicht noch weitere Verbindungen bewirken. Da ich Herrn R. telefonisch nicht erreichen konnte und auch sonst keine Verbindung zustande kam, muss ich ihn auf diese Weise bitten, uns die nötigen Unterlagen zuzustellen und uns, falls er mit einer Bearbeitung des Suchwunsches einverstanden ist, seine Genehmigung zur Veröffentlichung zu erteilen. Ihr seht, liebe Leserinnen und Leser, es ist mitunter nicht ganz einfach, Suchwünsche auf den richtigen Weg zu bringen. Da kann manchmal eine kleine Frage zu einem aufwendigen Recherchevorgang führen, vor allem wenn sie von Schreibern stammt, die unsere Zeitung und damit auch das Ostpreußenblatt bisher nicht kannten.

Altgediente Leserinnen und Leser, von denen manche seit seinem Erscheinen dabei sind, wissen da schon Bescheid! Sie haben als treue Abonnenten die PAZ/Das Ostpreußenblatt gesammelt und säuberlich gebündelt, Jahrgang für Jahrgang. Und haben damit auch die vielen Schicksale gebündelt, die im Laufe der Jahrzehnte in unserer Ostpreußischen Familie ausgebreitet wurden, und welche die vielen Wunden aufzeigen, die Krieg und Flucht hinterlassen haben. Diese Lebensberichte können auch die Spätleser nach Jahr und Tag beeindrucken, die erst jetzt zu unserem Leserkreis zählen, und die – was Ostpreußen und seine Geschichte betrifft – einen großen Nachholbedarf haben. Deshalb haben bisher auch viele gesammelte Jahrgänge, die sich in Haushalten befanden, die aufgelöst wurden, bereitwillige Abnehmer gefunden. Und solch einen sucht nun Herr Hubert Dargel aus Pohlheim für seine gesammelten Jahrgänge von 1999 bis heute. „Es täte uns sehr weh, die Zeitungen zu vernichten, sie sind für uns zu wertvoll“, teilt uns Herr Dargel auf seinem „Wunschzettel“ mit, den wir in unserem Leserbriefkasten in Kassel fanden. Das Problem bei diesen nicht gerade leichtgewichtigen Zeitungsbündeln liegt darin, dass sie nicht leicht zu transportieren sind. So müssten sie, wie auch sonst bei noch größeren Beständen üblich, vom Empfänger abgeholt werden. Das stieß bei anderen Aktionen oft auf Schwierigkeiten, weil manche Orte nicht sehr verkehrsgünstig lagen. Nun wohnt Herr Dargel in der Nähe von Köln, und da ist es durchaus möglich, dass sich aus der näheren Umgebung Interessenten für die 15 PAZ-Jahrgänge finden. Er würde sich freuen, wir auch. (Hubert Dargel, Bruchrandweg 20 in 50259 Pohlheim, Telefon 02238/3684.)

Und weiter in den Wunschzettelkasten hineingegriffen. Frau Ursula Schäfer aus Gerberhausen meldet sich mit einem Suchwunsch, der wieder weit in die Vergangenheit zurückführt. In das Jahr 1944, ihr Geburtsjahr. Ein Flüchtlingskind, denn die junge Mutter Elfriede Raulien hatte zusammen mit ihrer Mutter Anna das heimatliche Lindenheim im Kreis Lötzen verlassen müssen und in Sachsen Aufnahme gefunden. Es war auch das Jahr, in dem die Familie das letzte Lebenszeichen von Elfriedes Bruder Erich Raulien erhielt. Der junge Soldat hatte noch einmal Heimaturlaub bekommen, musste dann zurück an die Front. Man hat nie wieder etwas von Erich Raulien gehört, obgleich Mutter und Schwester nach ihm suchten, aber vielleicht nicht die richtigen Wege fanden. Ursula Schäfer will sich als Nichte des Vermissten jetzt um die Suche kümmern, stößt aber wegen der fortgeschrittenen Zeit auf große Schwierigkeiten. Denn es fehlen jegliche Angaben zur Person des

Erich Raulien, es gibt keinerlei Papiere, keine Dokumente oder irgendwelche anderen Unterlagen, aus denen man wenigstens die notwendigsten Daten entnehmen könnte. Frau Schäfers Mutter Elfriede kann leider in ihrem hohen Alter keine verlässlichen Angaben über ihren Bruder machen, sie ist für die Suchende keine Hilfe mehr, und andere mögliche Informanten sind nicht vorhanden. So weiß Frau Schäfer nicht, wo und wann ihr Onkel

Erich geboren wurde, wo er zur Schule ging, ob und welche Ausbildung er hatte, zu welcher Wehrmachtseinheit er gehörte. Das erschwert natürlich die späte Suche noch erheblich. Ich habe nun mit ihrem Mann gesprochen, der seine Frau tatkräftig in ihrem Vorhaben unterstützt, und wir machen den ersten Schritt mit dieser Veröffentlichung in unserer Kolumne. Es könnte schon hilfreich sein, wenn sich ehemalige Bewohner von Lindenheim an die Familie Raulien erinnern und über diese Auskunft geben können. Vielleicht erinnern sich auch ehemalige Mitschüler und Mitkonfirmanden oder andere Menschen aus seinem Lebenskreis an Erich Raulien, vor allem Kameraden, mit denen er zusammen im Fronteinsatz war. Wenn sich nur einige brauchbare Hinweise ergeben, wäre das für die weitere Suche wichtig. Hilfreich könnten hier auch unsere versierten Familienforscher aus unserem Leserkreis sein, denn Erfahrung ist immer ein guter Ratgeber. Das haben wir ja in Folge 24 in dem so informativen Beitrag von Rektor a.D. Grigat herausgestellt. (Ursula Schäfer, Wilhelm-Vever-Straße 80a in 37318 Gerbershausen, Telefon 036081/68136.)

Wie Ihr seht, lewe Landslied, mache ich nun schon wieder seit einigen Folgen meine Familienarbeit, und das tut mir nach der – ungeplanten und unerwünschten – Zwangspause gut. Mitgeholfen haben da Eure aufmunterungsvollen Worte, und am liebsten würde ich sie hier aufführen, weil sie vielleicht auch für andere trostbedürftige Leserinnen und Leser hilfreich wären, aber sie sind nun einmal für mich gedacht und so will ich sie auch bewahren. Nur eine kleine Kostprobe sei mir gestattet, weil sie eine so gänzlich aus dem Rahmen fallende Formulierung enthält, die beweist, dass man auch mit geringstem Wortaufwand die höchste Anerkennung aussprechen kann. Ein Leser aus Potsdam meinte, diese Worte des Dichters Theodor Fontane an seine Tochter träfen auch auf mich zu: „Ohne Dir is det nischt!“ Umgekehrt kann Fontanes Ausspruch aber auch als Anerkennung für alle treuen Leserinnen und Leser gelten: „Ohne Euch is det ooch nischt!“

Wie wäre ich wohl sonst zu dem außergewöhnlich gut erhaltenen Buch mit Ansichtskarten aus dem Ersten Weltkrieg gekommen, die nach Originalbildern des Malers Arthur Kraska gestaltet wurden? Ich erhielt es aus unserem Leserkreis zugeschickt, es wurde in einem Nachlass entdeckt und nun mir für die Familienarbeit überlassen. Das verpflichtet, und deshalb sage ich zuerst einmal herzlichen Dank. Dieses Kartenbuch kommt uns wirklich gerade recht, denn vor 100 Jahren begann ja der Erste Weltkrieg. In dem ich geboren wurde, was ich immer gerne betone, wenn ich mit jungen Menschen spreche – der Kalender lässt sich ja nicht betrügen, und ich will es auch nicht, denn ich möchte als Zeitzeugin verfügbar bleiben, solange der Kopf noch klar ist. Natürlich habe ich, 1916 in Königsberg geboren, keine Erinnerungen an die Kriegszeit, aber aus den Erzählungen meiner Eltern und der älteren Geschwister ist vieles haften geblieben und lebt nun wieder auf beim Betrachten der Gemälde, die auf 18 Karten die von den Russen zerstörten ostpreußischen Orte zeigen. Herausgegeben wurde das Ansichtspostkartenbuch im Jahr 1916 vom Kriegshilfsverein Berlin für den Kreis Ortelsburg e.V. Von dem Verkaufspreis von zwei Mark ging der Reinertrag von 80 Pfennig als Aufbauhilfe an den Kreis Ortelsburg. Dass dort jeder Pfennig benötigt wurde, lässt sich an den Angaben in dem sehr informativen Textteil entnehmen, der auch Auszüge einer Rede von Kaiser Wilhelm II. enthält, die dieser 1915 in Lötzen hielt. Allein in der Stadt wurden 156 Wohngebäude und 321 Wirtschaftsgebäude sowie Seminar, Kirche, Synagoge, Mühle und Brauerei zerstört. Die durch die russischen Einfälle in Ostpreußen entstandenen Kriegsschäden werden auf 400 Millionen Mark berechnet. Allein diese Angaben, die noch durch weitere Berichte über Ostpreußen ergänzt werden, machen das Ansichtskartenbuch zu einer wichtigen Informationsquelle, auf die wir sicher noch zurückgreifen werden. Leider versiegt die in Bezug auf den Künstler, außer seinem Namen gibt es keine näheren Angaben zu Arthur Kraska. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Berliner Künstler masurischer Abstammung. Jedenfalls ist eine gewisse Heimatliebe aus dem einzigen friedlichen Bild der Mappe zu entnehmen, das ein „Masuren-Haus“ am Mauersee zeigt. Es bildet eine gute Brücke zu dem anschließenden Beitrag, denn die kleine Marjell, die da mit einem Körbchen am Arm die Gänse treibt, passt so ganz zu den Erinnerungen an einen Kindersommer im alten Masuren, wie ihn Katja de Vries schildert.

Eure Ruth Geede


Im Kruschkenbaum schmeckte es am besten
Erinnerungen an unbeschwerte Kindersommer im alten Masuren

Kindersommer – im Nachhinein und je älter man wird, umso mehr, erscheint einem die Kindheit fast nur aus hellen Sommerfreuden bestanden zu haben, und wenn diese frühen Jahre in Ostpreußen verlebt wurden, dann überwiegt das Besinnen auf diese unbeschwerten Sommertage alle anderen Erinnerungen – Weihnachten ausgenommen. Wie einfach und doch so reich eine masurische Kindheit war, fächert die Schriftstellerin Katja de Vries in ihrem Roman „Glück und Glas“ auf, der 1979 im Verlag Rautenberg erschien. Das Buch fiel mir jetzt bei der Durchsicht meiner Bücher ostpreußischer Autoren – im Augenblick erhalte ich vermehrt Anfragen nach wenig bekannter ostpreußischer Literatur – in die Hände, und die Erinnerungen an diese vielseitige Künstlerin wurde in mir wach, deren Vitalität auch in höherem Alter bemerkenswert war. Davon zeigt auch dieser Roman, der sehr starke autobiografische Züge enthält, denn er schildert den Lebenslauf eines masurischen Mädchens, das kraft seiner Lebensfreude auch schwere Schicksalsschläge erträgt und sie ohne zu klagen meistert. Das Schönste in diesem Buch sind die Schilderungen einer masurischen Kindheit, die so eng verbunden mit der Natur ist, dass sie bei unseren älteren Leserinnen und Lesern ähnliche Erinnerungen erwecken wird, den jüngeren aber aufzeigen kann, wie vielleicht auch ihre Großeltern als Kinder gespielt haben – und für alle andern soll es ein wenig leichte Sommerkost sein.

In dem Buch erlebt das Mädchen Sabine seine Kinderfreuden zusammen mit der Dorfjugend – man war ja nie allein, so klein die Ortschaft auch war:

„Nirgendwo war der Sommer so herrlich in seiner Pracht und Wärme, waren die Sommerabende so sanft und mild wie in ihrem trauten Heimatdorf in Masuren – fand Sabine. Jeden Tag gingen sie an den See und tobten stundenlang im Wasser herum. Sowie sie aus der Schule kamen, wurden die Ranzen in die Ecke gefeuert und gleich nach dem Mittagessen liefen sie zum See. Er streichelte ihre Füße, wenn sie zunächst noch vorsichtig hineinstolperten. Sie tauchten in seine kühlenden Fluten und legten sich auf den Rücken, ließen sich von ihm tragen und schaukeln. War der See ruhig und glatt, schwammen sie zur nahe gelegenen Insel, die so einsam und verlassen schien, weil sie von niemand anderem betreten wurde, so dass sie Wildenten und Blesshühner und manchmal auch seltene Wasservögel aufscheuchten, die auf ihrer langen Reise von Nord nach Süd hier Rast machten.

Ebenso groß und herrlich wie der See war der Wald, der ein rechter Zauberwald war, nicht düster und traurig, dass man sich fürchten musste. Auf dem Waldboden wuchsen üppige Farne, im Frühling breiteten die Anemonen ihre Teppiche aus und nach ihnen die Maiglöckchen. Besonders schön war es, wenn die Himbeeren reiften und die Kinder mit ihren Eimern in den Wald zum Pflücken zogen. Die Sonne schien so warm, die Luft war so weich, und eine wunderbare Ruhe lag über allem. Die Kinder waren glücklich: es war ihr Wald, in dessen Einsamkeit sich so leicht keine andere Menschenseele verirren würde. So streiften sie ihre Kleider ab und gingen so, wie der liebe Gott sie geschaffen hatte, an die Pflückarbeit. Ein Gefühl wie im Paradies! Die Luft fächelte um ihre Körper und machte die Hitze auf den sonnenheißen Lichtungen, wo die größten und süßesten Beeren reiften, erträglich. Immer tiefer drangen sie in den Wald und entfernten sich dabei von den anderen. Dann verständigten sie sich durch lautes Juchzen und fanden wieder zusammen. Mit prall gefüllten Eimern ging es dann heimwärts, wo die Mütter schon warteten, um die frischen Beeren einzuwecken oder zu Marmelade zu kochen. Wenn der Sommer zur Neige ging, wurden Moosbeeren gepflückt. Das war eine andere Arbeit als das Himbeersammeln im Wald, denn sie wuchsen im Moor und man musste vorsichtig den wässrigen Boden betreten.

Und welche Fülle an Früchten boten die masurischen Gärten. Sabines Lieblingsplatz war oben in dem alten Kruschkenbaum, in dessen Krone sich drei Äste so gabelten, dass man ein Brett dazwischen legen konnte. Hier hatte sie ihre ersten Leseübungen inmitten der reifenden Birnen gemacht. Am schönsten aber war das Klettern in den Bäumen, wenn die Kirschen reif waren und gepflückt werden mussten, dabei wurden natürlich die prallsten in den Mund gesteckt. Nicht so süß waren dagegen die Johannisbeeren, aber da hatte Sabine einen Trick: sie zerquetschte die kleinen Beeren mit Farin [nicht raffinierter, gelblicher Zucker]. Verspeist wurde das Beerenmus dann wieder oben im Kruschkenbaum, da schmeckte es eben am besten.“

So lässt die Autorin Katja de Vries das in ihrem Buch „Sabine“ genannt Mädchen die Sommerfreuden eines masurischen Kindes erleben – nach ihren eigenen Erinnerungen, die sie durch Krieg und Flucht gerettet hatte. Das hat sie mir selbst berichtet, als ich sie in den 70er Jahren in ihrem schönen Domizil an der Hamburger Elbchaussee besuchte, dessen Wände mit selbst gemalten Bildern geschmückt waren. Auch aus einigen Gemälden spricht eine tiefe Verbundenheit mit ihrer Heimat, die immer wieder in ihrem Buch spürbar ist, wenn sie auf Masuren zu sprechen kommt. R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 97. GEBURTSTAG

Geschwandtner, Fritz, aus Raudorf, Kreis Ebenrode, am 3. Juli

Ihle, Maria-Charlotte, geb. Helmcke, aus Dreimühlen, Kreis Lyck, am 29. Juni

Saager, Lore, geb. Drengwitz, aus Lyck, am 1. Juli

ZUM 94. GEBURTSTAG

Boenkost, Ursula, geb. Bondzio, aus Lötzen, am 28. Juni

Dittmar, früher Dibowski, Heinz, aus Neidenburg, am 2. Juli

Gietz, Ursula, geb. Krafzik, aus Lötzen, am 30. Juni

Gottschalk, Margarete, geb. Sudau, aus Gutsfelde, Kreis Elchniederung, am 28. Juni

Plettner, Felicitas, geb. Wiesemann, aus Grüneberg, Kreis Elchniederung, am 3. Juli

Rasokat, Otto, aus Königshuld, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. Juli

ZUM 93. GEBURTSTAG

Karok, Heta, aus Hohenwalde, Kreis Heiligenbeil, am 4. Juli

Oberheuser, Elisabeth, geb. Bodlin, aus Pillau, Kreis Samland, am 4. Juli

ZUM 92. GEBURTSTAG

Anger, Else, geb. Lyssewski, aus Sieden, Kreis Lyck, am 2. Juli

Bartsch, Dora, geb. May, aus Rudau, Kreis Samland, am 2. Juli

Clausen, Elise, geb. Joswig, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 3. Juli

Kiesewalter, Frieda, geb. Borowski, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 28. Juni

Klein, Erwin, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Lindemann, Erna, geb. Hochmuth, aus Wehlau, am 3. Juli

Ossowski, Anneliese, geb. Lingk, aus Glinken, Kreis Lyck, am 29. Juni

Zozmann, Martha, geb. Bern, aus Waiblingen, Kreis, Lyck, am 30. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bittner, Hildegard, geb. Skrodzki, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 30. Juni

Butzert, Friedel, geb. Ruddies, aus Thomaten, Kreis Elchniederung, am 2. Juli

Genoch, Waltraut, geb. Kompa, aus Maldanen, Kreis Ortelsburg, am 1. Juli

Raulin, Emma, geb. Schneider, aus Hansbruch, Kreis Lyck, am 30. Juni

Richter, Dr. Brigitte, geb. Loertzer, aus Lyck, am 3. Juli

Scepanek, Gerhard, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 29. Juni

Schummer, Traute, geb. Lamshöft, aus Grunau, Kreis Heiligenbeil, am 29. Juni

Suchodolski, Luise, geb. Serra, aus Alt Werder, Kreis Ortelsburg, am 2. Juli

ZUM 90. GEBURTSTAG

Bessel, Werner, aus Zohpen, Kreis Wehlau, am 30. Juni

Haentjes, Margarete, geb. Nilson, aus Groß Allendorf, Kreis Wehlau, am 30. Juni

Hoffmann, Gerda, geb. Schirrau, Kreis Wehlau, am 4. Juli

Hölger, Hildegard, aus Kathrinhöfen, Kreis Samland, am 4. Juli

Mangold, Emmi, geb. Kowalski, aus Klein Schläfken, Kreis Neidenburg, am 1. Juli

Marzian, Johanna, geb. Matzat, aus Masuren, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Nitzko, Hans, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 28. Juni

Pyko, Karl, aus Plöwken, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Zahn, Hildegard, geb. Nilenski, aus Kutzburg, Kreis Ortelsburg, am 3. Juli

ZUM 85. GEBURTSTAG

Ahlert, Barbara, geb. Zerrath, aus Neuendorf, Kreis Elchniederung, am 3. Juli

Becker, Alfred, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 2. Juli

Block, Irene, geb. Mielke, aus Roddau, Perkuiken, Kreis Wehlau, am 3. Juli

Brandt, Ruth, geb. Kallweit, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 4. Juli

Brockmann, Helga, geb. Kaprolat, aus Urfelde, Kreis, Ebenrode, am 4. Juli

Degener, Rudolf, aus Koppershagen, am 3. Juli

Eberhardt, Ruth, geb. Nass, aus Schorkenicken, Kreis Wehlau, am 30. Juni

Fischer, Else, geb. Salusko, aus Maschen, Kreis Lyck, am 2. Juli

Flick, Arno, aus Preußwalde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 2. Juli

Freith, Helmut, aus Sonnau, Kreis Lyck, am 3. Juli

Gabriel, Hildegard, geb. Klask, aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, am 30. Juni

Gieger, Udo, aus Eichhorn, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Gralla, Helmut, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 4. Juli

Heldt, Inge, geb. Woydack, aus Königsberg, am 1. Juli

Lamp, Ingeborg, geb. Daniel, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 2. Juli

Majer, Gertraud, geb. Hellwig, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 3. Juli

Nitzko, Hans, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 28. Juni

Nowak, Siegfried, aus Halldorf, Kreis Treuburg, am 4. Juli

Pensel, Ruth, geb. Herrgesell, aus Ebenrode, am 30. Juni

Pfeiffer, Paul, aus Skomanten, Kreis Lyck, und aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 3. Juli

Richter, Ruth, geb. Fritzenwanker, aus Grabnick, Kreis Lyck, am 30. Juni

Rüffler, Waltraud, geb. Lenski, aus Michelsdorf, Kreis Ortelsburg, am 3. Juli

Stawström, Anneliese, geb. Kummetz, aus Rautenburg, Kreis Elchniederung, am 30. Juni

Tullney, Ernst, aus Grünhayn, Kreis Wehlau, am 2. Juli

ZUM 80. GEBURTSTAG

Behnk, Edeltraud, geb. Tiedtke, aus Pillau, Kreis Samland, am 1. Juli

Broßeit, Vera, aus Klein Friedrichsgraben, Kreis Elchniederung, am 4. Juli

Dabowska, Erika, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 29. Juni

Dankwardt, Elly, geb. Nietz, aus Seehausen, Kreis Ebenrode, am 3. Juli

Diesing, Ursula, geb. Rogall, aus Drusken, Kreis Ebenrode, am 28. Juni

Fleischer, Helga, geb. Witte, aus Neumühl, Kreis Wehlau, am 3. Juli

Hänsel, Rena, geb. Thiel, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 28. Juni

Heucker, Christel, geb. Samlinski, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 3. Juli

Hofmann, Wilfried, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 28. Juni

Knerr, Gudrun, geb. Thiel, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 30. Juni

Kowalzik, Hans-Albert, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 3. Juli

Liljeholm, Ursula, geb. Moritz, aus Treuburg, am 4. Juli

Matzkow, Edeltraud, geb. Brodowski, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 28. Juni

Memarbachi, Gisela, geb. Damm aus Wedern, Kreis Tilsit/Ragnit, am 29. Juni

Neumann, Erich, aus Weißensee, Kreis Wehlau, am 28. Juni

Nitsche, Annemarie, geb. Seidel, aus Ebenrode, am 2. Juli

Nogga, Manfred, aus Stradaunen, Kreis Lyck, am 3. Juli

Oberüber, Kurt, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 4. Juli

Pizzo, Ursula, geb. Schulz, aus Wartenfeld, Kreis Elchniederung, am 3. Juli

Pokern, Alfred, aus Pillau, Kreis Samland, am 3 Juli

Puvogel, Inge, geb. Kremer, aus Seesken, Kreis Treuburg, am 3. Juli

Rahn, Erich, aus Groß Nuhr, Kreis Wehlau, am 28. Juni

Salewski, Reinhold, aus Schenkenhagen, Kreis Ebenrode, am 30. Juni

Schröder, Hanna, geb. Becker, aus Gumbinnen, am 4. Juli

Schulera, Christel, geb. Schulera, aus Koschen, Kreis Rastenburg, am 2. Juli

Sadra, Reinhold, aus Waldburg, Kreis Ortelsburg, am 3. Juli

Tamkus, Herbert, aus Berkeln, Kreis Elchniederung, am 4. Juli

Tietze, Gerda, geb. Stange, aus Grünwalde, Kreis Heiligenbeil, am 30. Juni

Wöllner, Irmgard, geb. Sabitzki, aus Steinberg, Kreis Lyck, am 30. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Ahlers, Waltraud, geb. Schettkat, aus Ruckenfeld, Kreis Elchniederung, am 30. Juni

Bachmann, Gerd, aus Groß Nuhr, Kreis Wehlau, am 3. Juli

Claret, Heidrun, geb. Schemmerling, aus Heiligenbeil, Feyerabendplatz 3, am 18. Juni

Dobiasch, Elfriede, geb. Pawlitzki, aus Scharnau, Kreis Neidenburg, am 3. Juli

Dombrowski, Erwin, aus Königsruh, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Drost, Dieter, aus Grünheide, Kreis Treuburg, am 2. Juli

Gussmann, Inge, geb. Wahsilla, aus Friedrichsdorf, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Hasse, Horst, aus Klein Engelau, Kreis Wehlau, am 3. Juli

Hientzsch, Edith, geb. Pukrop, aus Grünfließ, Kreis Neidenburg, am 30. Juni

Kirchner, Karin, geb. Kolberg, aus Großeppingen, Kreis Neidenburg, am 2. Juli

Markowski, Manfred, aus Schuchten, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Merkel, Peter, aus Lehlesken, Kreis Ortelsburg, am 29. Juni

Schwarzin, Waltraut, geb. Schollenberger, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 28. Juni

Wermke, Ulrich, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 4. Juli


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Sonntag, 20. Juli: Kleines Ostpreußentreffen 2014 auf Schloss Burg bei Solingen, Beginn 11 Uhr, Kundgebung 14 Uhr. Der BJO nimmt mit einem Infostand und dem beliebten „Café Lorbaß“ teil. Weitere Informationen: http://www.ostpreussen-nrw.de/Div/Schloss-Burg-2014/index.htm

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Lahr – Donnerstag, 3. Juli, 18 Uhr, Gasthaus Zum Zarko, Schillerstraße 3: Die Gruppe trifft sich zum Stammtisch.

Landshut – Dienstag, 15. Juli, 14 Uhr, Insel, Biergarten: Zusammenkunft der Gruppe.

Stuttgart – Sonnabend, 28. Juni, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Schloßstraße 92: Teil 3 des Vortrags von Dr. Eberhard Klafki „Westpreußen mit seiner 1919 abgetrennten Hauptstadt Danzig zwischen den beiden Weltkriegen als Problem der Friedensbewahrung“. Gäste sind herzlich eingeladen. – Dienstag, 8. Juli, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Kleiner Saal, Schloßstraße 92: Uta Lüttich gestaltet einen Heimatnachmittag der Frauengruppe zum Thema „Bedeutende ostpreußische Persönlichkeiten“, die in diesem Jahr einen Gedenktag haben. Gäste sind herzlich eingeladen.

Ulm/Neu-Ulm – Montag, 14. Juli, Donauschwäbisches Zentralmuseum: Südostdeutscher Volkstumsabend. Die Gruppe „Feenharfen“ der Lebenshilfe Neu-Ulm wird musizieren. Die Kindertanzgruppe der Siebenbürger Sachsen aus dem Kreis Bieberach tritt auf. Singen wird der Chor der Egerländer Gmoi. Um regen Besuch wird herzlich gebeten.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

München – Sonnabend, 28. Juni, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5; 81669 München: Diavortrag von Hartmut M.F. Syskowski, Redakteur der Zeitschrift „Pirsch“: „Rominter Heide bis zum Elchwald“. Zu Beginn findet eine gemeinsame Kaffeetafel und nach dem Vortrag ein Klopsessen statt. – Freitag, 11. Juli, 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Zusammenkunft der Frauengruppe.

Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Gräf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Königsberg, Samland, Labiau – 18. Juli, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin. Treffen der Gruppen. Anfragen bei Professor Wolfgang Schulz, Telefon (030) 2515995.

Rastenburg – 13. Juli, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin. Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Herzlich willkommen zum Sommerfest der Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Hamburg e.V. – Kulturreferat. Auskunft und Organisation: Siegfried Grawitter, Telefon (040) 205784. Am Sonnabend, 19. Juli, von 14 bis17 Uhr, Einlass ab 13 Uhr im Restaurant Lackemann, Litzowstieg 8, 22041 Hamburg (Wandsbek), Parkplatz Quarree, Parkhaus P2. Ein Programm mit dem LAB-Chor, Lesungen und Geschichten zum Schmunzeln.

Sehr gut zu erreichen mit der U1 und Bussen. Von U1- und Busbahnhof Wandsbek-Markt sind es nur wenige Gehminuten. Wenn Sie von der Wandsbeker Marktstraße den Durchgang „Hinterm Stern“ zwischen Quarree und Hotel Tiefenthal durchgegangen sind, sehen Sie bereits das Restaurant Lackemann.

KREISGRUPPE

Insterburg – Im Juli findet kein Mittwochstreffen statt.

Sensburg – Sonnabend, 28. Juni, 14 Uhr, gemütliches Beisammensein im Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572, Hamburg-Ohlsdorf. Gäste sind herzlich willkommen.

BEZIRKSGRUPPE

Hamburg-Wilhelmsburg – Montag, 30. Juni, 15 Uhr, „Waldquelle“, Meckelfeld, Höpenstraße 88, (mit Bus 443 bis Waldquelle): Heimatnachmittag. Achtung! Im Juli und August finden keine Heimatnachmittage statt.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt – Erinnerung an 65 Jahre Berliner Luftbrücke – Die Senioren des Ortsverbandes Darmstadt der Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft unternahmen zur Erinnerung an die Berliner Luftbrücke am Montag, 2. Juni eine Besichtigungsfahrt zum Frankfurter Flughafen. Besichtigt wurde das Eisenbahntor mit den Gleis-Anlagen zum Bahnhof Walldorf (Hess). Roland Schwarz, Objektbereichsleitung, Infrastruktur Flächen und Anlagen, informierte die Teilnehmer über die Bedeutung der noch vorhandenen Gleis-Anlagen. Siegfried Kugies hatte bereits den Teilnehmern einen Gleisplan zur Ansicht übergeben. Aus dem Plan konnte man ersehen, welche Gleise zum Schluss der Luftbrücke vorhanden waren. Aber auch, die wenigen Gleise, die zum Beginn der Luftbrücke zur Verfügung standen. Am Luftbrücken-Denkmal angekommen, informierte Siegfried Kugies, der letzte noch lebende Rangierer, die Teilnehmer darüber, warum die Luftbrücke eingerichtet wurde. Als in den West-Sektoren von Berlin die DM als alleiniges Zahlungsmittel eingeführt wurde, schlossen die Sowjets alle Zufuhrwege nach Berlin. Amerikaner und Engländer versorgten über zehn Monate und einen Winter lang 2,2 Millionen Berliner über eine „Luftbrücke“, über die Lebensmittel, Kohle, Rohstoffe und Maschinenteile nach Berlin gelangten. Mit der Eisenbahn gelangten all diese Güter, einschließlich Flugbenzin, zum Flughafen Rhein-Main Air Base.

Die technische Leistung der Westmächte und die politische Festigkeit der Westberliner machten die sowjetischen Absichten zunichte, mit einer Massenhungersnot die Westmächte zu erpressen. Im Mai 1949 war die Blockade beendet. Siegfried Kugies, damals der Rangierkolonne 2 beim Bahnhof Walldor f(Hess), Anschluss Rhein-Main Air Base zugeteilt und jetzt letzter lebende Zeitzeuge, konnte während der Fahrt im Bus, am Eisenbahn-Tor und am Berliner Luftbrücken-Denkmal viel über den Rangierdienst im Bahnhof Walldorf (Hess) und den Anschluss Rhein-Main Air Base berichten. Denn Kohle, Lebensmittel und Flugbenzin wurde alles per Schiene zur Air Base befördert. Man muss immer bedenken, es war 1948/49. Bei schönem Flugwetter wurde ein Güterzug mit 50 Wagen Kohle beladen, innerhalb von fünf Stunden entleert. Dies kann auch nachgelesen werden im Buch von Siegfried Kugies: „Der Ostpreußische Eisenbahner und die Amerikaner“. Welch eine Überraschung am Luftbrücken Denkmal: Der ehemalige Fraport-Chef, Prof. Dr. Wilhelm Bender, empfing dort die Reisegruppe. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, einige seiner ehemaligen Mitarbeiter von der Bundesbahndirektion Frankfurt (M) zu begrüßen. Denn Bender war in den 70er Jahren Dezernent bei der Bundesbahn-Direktion Frankfurt (M). Karl-Heinz Pieroth mit seiner Frau Christina vom Vorstand des Luftbrücke Chapters Frankfurt-Berlin freuten sich die Gruppe zu begrüßen. Sie konnten Erläuterungen zu den Rosinenbombern geben, der viermotorigen C 54 und der zweimotorigen C 47.

Zum Abschluss der Informationsfahrt hatte die FAG zu einer Kaffeetafel im Betriebsrestaurant im Terminal 2 eingeladen. Jürgen Bernhard von der FAG, der die Gruppe begleitete, überreichte Siegfried Kugies ein Exemplar seines Buchs mit einer persönlichen Widmung. Mit einem Dank an die Helfer Gerhard Schuster, Detlef Grigat und Siegfried Kugies trat die Gruppe zufrieden die Heimfahrt nach Darmstadt und Groß-Gerau an.

Darmstadt/Dieburg – Beim letzten Treffen vor der Sommerpause am 14. Juni stand ein Bericht über das Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Kassel auf dem Tagesprogramm. In einem kurzen Filmbeitrag (von Winfried Hopp aufgenommen) konnten die Anwesenden die Eröffnungsrede von Stephan Grigat zum Deutschlandtreffen der Ostpreußen sehen. Nach einer kurzen Pause konnten alle Teilnehmer ihre persönlichen Eindrücke über den Programmablauf und die Organisation der Veranstaltung darstellen. Hiervon wurde ausgiebig Gebrauch gemacht.

Auch den Geburtstagskindern der Monate Mai und Juni, Gerhard Schröder, Waltraud Barth und Anni Oest, wurde gratuliert und kleine Geschenke als Dank für ihre Mitarbeit überreicht. Anni Oest lud alle Anwesenden herzlich ein, an diesem Nachmittag ihre Gäste zu sein. Gleichzeitig erhielt die LOW von ihr eine großzügige Spende als Dank für die engagierte Mitarbeit des Vorstandes bei den monatlichen Treffen. Die Greuppe wünscht allen eine schöne Sommerzeit bei bester Gesundheit, und freut uns auf eine rege Teilnahme beim nächsten Treffen im August.

Wetzlar – Sonnabend, 5. Juli, 13 Uhr, Schützenhaus in Wetzlar-Nauborn (Am Bobenböllerwald): Die Gruppe trifft sich zum Grillen. Gäste sind willkommen. – Bericht – Das ehemals deutsche Ostpreußen ist auch bei Nicht-Ostpreußen unvergessen. Der Rheinländer Rudolf Virnich hat sich unlängst auf die Suche nach Spuren seines Evakuierungsaufenthalts in der deutschen Ostprovinz begeben und darüber in der Wetzlarer Landsmannschaft während ihres Monatstreffs im Juni berichtet. Angesichts zunehmender Bombardierungen westdeutscher Städte hatte es Virnichs Familie 1942 nach Spechtsboden im ostpreußischen Kreis Goldap verschlagen. Als er mit seinem Bruder nach der politischen Wende im Ostblock „das schöne Land“ wieder besuchte, sei er unversehens in ein militärisches Sperrgebiet geraten. Das einst anheimelnde Spechtsboden sei dem Erdboden gleich gemacht worden, lediglich das Wohnhaus des Gehöfts, in dem sie damals untergekommen seien, sei erhalten geblieben und habe dem polnischen Kommandanten des Sperrgebiets als Domizil gedient. „Die Stallungen und Scheunen waren abgerissen“, vermerkte der spätere stellvertretende Leiter der Wetzlarer Kestnerschule bitter. Auch die Dörfer in der Umgebung seien verschwunden. Die Steine der abgerissenen Häuser seien zum Wiederaufbau der stark zerstörten Kreisstadt verwendet worden. „Selbst die steinernen Grabumrandungen und Grabsteine auf dem Friedhof wurden mitgenommen“, beschrieb Virnich die Notzeit Polens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach der Zuordnung der Grenzregion zu Russland habe sich der Wald der nahe gelegenen Rominter Heide die fruchtbaren Ackerflächen wieder „zurückgeholt“. Das Bruch (Torfmoorgebiet) sei „vollkommen versumpft, weil man den früheren Entwässerungsgraben in den Goldaper See nicht freigehalten hat“, schilderte Virnich den Zustand der Natur bei seinem Besuch. Das Nordufer des Sees habe er nur noch „zugewachsen“ vorgefunden. Bei einer Begegnung mit seiner Spechtsbodener Schulkameradin Eva im niedersächsischen Springe habe er bei seiner Spurensuche das Schicksal seiner damaligen Gastgeber erfahren. Auf ihrer Flucht nach Westen seien sie schon bald von den Russen eingeholt und überrollt worden. „Die noch arbeitsfähigen Frauen und Männer wurden nach Sibirien verschleppt, die Kinder wurden in Heimen zusammengesteckt, wenn sie jetzt ohne Angehörige waren“, so berichteten ihm die Tochter der Wirtsleute. „Was übrig bleibt von dem einst schönen Land und seinen Menschen, ist für mich die Erinnerung an die wohl schönste Zeit meiner Kindheit“, fasste Virnich seine Spurensuche zusammen.

Wiesbaden – Dienstag, 8. Juli, 15 Uhr, Gaststätte beim Wiesbadener Tennis- und Hockey-Club, Nerotal: Treffen der Frauengruppe. Kaffeetrinken im Grünen. ESWE-Bus, Linie 1, Haltestelle Nerotal (Endhaltestelle). – Donnerstag, 17. Juli, Gaststätte Haus Waldlust, Rambach, Ostpreußenstraße 46: Stammtisch. Essen á la carte. Wegen der Platzdisposition bitte unbedingt anmelden bis spätestens 11. Juli bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938. – Sonnabend, 19. Juli, 15 Uhr, Erbenheim, Kleingartenverein am Wasserwerk: Sommer-Gartenfest. Am Grill werden Steaks und Würstchen zubereitet, dazu gibt es Kartoffelsalat oder Brötchen. Zu Beginn werden die Teilnehmer mit Kaffee und Kuchen verwöhnt. Musikalisch unterhält das Duo Budau/Dr. Hübenthal. Wegen der Essens-Disposition bitte bis spätestens 11. Juli anmelden bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938. Nach erfolgter Anmeldung muss das bestellte Essen auch bei Absage gezahlt werden, da die gemeldeten Portionen verbindlich gebucht sind. Das Gartenfest findet bei jeder Witterung statt, da überdachte Bereiche zur Verfügung stehen.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Landesgruppe –Zu ihrer Jahreshauptversammlung trafen sich die Delegierten der Landesgruppe Niedersachsen und zahlreiche Gäste im Juni in der Heimatstube Schloßberg/Pillkallen in Winsen/Luhe. Mit großem Applaus wurde Michael Gründling, der Kreisvertreter von Schloßberg, der extra aus Halle angereist war, begrüßt. In seinem Grußwort wies er auf die vielfältige Arbeit der Kreisgemeinschaft, die guten Kontakte zum Landkreis Harburg und zur Stadt Winsen sowie zur Landesgruppe Niedersachsen und den benachbarten Landesgruppen hin. Dank der Unterstützung durch den Patenkreis Harburg – die Patenschaft besteht seit 1954 – konnten zahlreiche Aktivitäten für Ostpreußen durchgeführt werden, wie die Transporte mit Hilfsgütern nach Schloßberg und vor allem die alljährlich stattfinden Kinderferienlager mit deutschen und aus Schloßberg kommenden russischen Kindern. Der Vorsitzende der Ostpreußengruppe in Winsen, Herr Kossack, dankte in seinem Grußwort für die gute Zusammenarbeit mit der Kreisgemeinschaft. Vor Eintritt in die Regularien stellten Frau Dr. Loeffke und die Geschäftsführerin der Kreisgemeinschaft Schloßberg, Frau Wiese, die Heimatstube vor. Schon sehr bald nach Gründung der Kreisgemeinschaft wurde aus der Heimat Gerettetes in einem Raum in der St. Jakobus-Kirche gesammelt und auch ausgestellt. Dank der Aufgeschlossenheit des Patenkreises Harburg für den Wunsch der Schloßberger, eine Heimatstube einzurichten, stellte der Landkreis Harburg Räume in der ehemaligen Landwirtschaftsschule zur Verfügung, die 1974, also vor 40 Jahren, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Unter Mitwirkung von Forstmeister a. D. Hans Ludwig Loeffke wurde zum Mittelpunkt eine große Reliefkarte, die den Kreis Schloßberg lebendig darstellt, sowie Tafeln, die die bewegte Geschichte des Grenzkreises widergeben. Viele kostbare Erinnerungsstücke, von der Obermeisterkette der Fleischerinnung Pillkallen, einem Teller anlässlich der Ostpreußenhilfe von Bremen für Schirwindt bis zu den unzähligen Beweisen des Wirkens ostpreußischer Frauen, die aus mancher Wäschetruhe gerettet werden konnten, sind im Laufe der Jahre von Schloßbergern in die Heimatstube gewandert, ergänzt durch anschauliche Bilder von der Heimat, sodass für den Besucher der Kreis Schloßberg lebendig wird.

Vom Leben in der Heimatstube gab Frau Wiese einen anschaulichen Bericht. Viele Schloßberger kommen, Gruppen von Vertriebenen und auch Einheimischen wählen die Heimatstube als Tagungsort und genießen die ostpreußische Atmosphäre. Nach dem Tätigkeitsbericht für die Zeit 2013/2014 der Vorsitzenden über die Teilnahme an zahlreichen Versammlungen der landsmannschaftlichen Gruppen, den auf die Erhaltung und Weitergabe der ostpreußischen Kultur ausgerichteten Veranstaltungen der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und den Tagungen der Ostpreußischen Kulturstiftung, stellten die Vorsitzenden der Bezirks-, Kreis- und Ortsgruppen ihre Arbeit vor. Wenn die Zahl der Gruppen auch kleiner geworden ist, so gibt es doch weiter ein reges Vereinsleben. Es gibt in allen Gruppen regelmäßige Treffen, in denen nicht nur der Heimat zugewandte Themen, sondern auch Reiseberichte, die Behandlung aktueller politischer Fragen etc. stehen. Auch Nicht-Ostpreußen zeigen Interesse an ostpreußischem Leben, werden Mitglied in der Landsmannschaft. Die Rückschau auf das Deutschlandtreffen in Kassel war sehr positiv; die Landesgruppe Niedersachsen war sehr gut vertreten. Nach dem Kassenbericht von Herrn Schulz, dem Bericht der Kassenprüferinnen, Frau Sander und Frau Gülzow, und einer lebhaften Aussprache über das Vorgetragene, erfolgte die einstimmige Entlastung des Vorstands. In den satzungsgemäß durchgeführten Vorstandswahlen wurden die Vorsitzende, Frau Dr. Loeffke, und der Schriftführer, Herr Schulz, in ihren Ämtern bestätigt. Dem Vorstand gehören satzungsgemäß ferner die Bezirksvorsitzenden Otto v. Below, Fritz Folger und Manfred Kirrinnis an. Für die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehenden langjährigen Kassenprüferinnen wurden Dr. Karsten Uffhausen und Hilde Pottschien einstimmig gewählt. Auch zukünftig soll die Arbeit der Kreis- und Ortsgruppen tatkräftig unterstützt werden. Die Zusammenarbeit untereinander und mit den anderen Landsmannschaften soll intensiviert werden. Im Teil II der Hauptversammlung gab Mitglied, Ltd. Forstdirektor Horst Buschalsky, einen Bericht über die Arbeit der Niedersächsischen Landesregierung aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt, Kultur und Wissenschaft.

Rinteln - Donnerstag, 10. Juli, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen. Dr. Hans-Walter Butschke aus Lemgo spricht zum Thema: „Vor 100 Jahren – Der Erste Weltkrieg –Ursachen und Anlässe“. Der Eintritt ist frei. Neben den Mitgliedern und Freunden sind auch interessierte Gäste aus Nah und Fern herzlich willkommen! Weitere Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 5386 oder über: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Essen – Einladung zum 25. Ortstreffen „Prohlen, Kallacken, Alt Vierzighuben, Kronau und Umgebung“ am Sonnabend, 23. August, um 14 Uhr in der St. Anna Kapelle in Essen-Rellinghausen zu einer Dankmesse, die Pfarrer Norbert Klobusch hält. Danach um 15 Uhr Treffen in der Gaststätte Zum Blücherturm, Oberstraße 24, zum gemütlichen Beisammensein. Kuchen ist erwünscht. Anmeldungen bis zum 10. August bei Paula Bujna geb. Behlau, Telefon (0201) 718602.

Gütersloh – Sonnabend, 12. Juli: Seniorenfahrt nach Bad Driburg, Leonardo-Outlet-Besuch, Pralinenmanufaktur und Wasserorgel – Nach einem Besuch bei Leonardo-Glas beginnt auf dem dortigen Parkplatz eine Stadtrundfahrt. Kaffee trinken in einer Pralinenmanufaktur, dem Café Heyse. Der Konditormeister höchstpersönlich gibt einen Einblick in die Herstellung von Pralinen und verrät kleine Tricks bei der Schokoglasur- oder Baiserherstellung für zu Hause. Gerne beantwortet er auch Fragen. Anschließend erleben die Teilnehmer die dortige Wasserorgel mit Musik. Kurpark und Fußgängerzone befinden sich in unmittelbarer Nähe, so dass noch Zeit zur freien Verfügung bleibt. Zu der Fahrt sind auch Nicht-Senioren und Nicht-Mitglieder herzlich eingeladen. 10 Euro Kosten-Beteiligung wird im Bus eingesammelt. Nicht-Senioren unter 65 Jahre und Nicht-Mitglieder zahlen 15 Euro. Anmeldung bei Blocks, Telefon (05241) 34841 oder Bartniks, Telefon (05241) 29211. Abfahrt ab 11.30 Uhr. Zusteigemöglichkeiten: 11.30 Uhr Kahlertstraße/ Ecke Magnolienweg, 11.35 Uhr Marktplatz/ Haltestelle Friedrich-Ebert-Straße, 11.40 Uhr B 61 / Ecke Grenzweg, 11.45 Uhr Café Raschke, 11.50 Uhr Gaststätte Roggenkamp, 11.55 Uhr Verler Straße / Mercedes-Händler, 12 Uhr Verler Straße / Markant Supermarkt.

Ostpreußischer Singkreis: Die Treffen von 15 bis 17 Uhr in der Elly-Heuss-Knapp-Schule, Moltkestraße 13 finden zurzeit einmal im Monat statt oder nach Absprache. Kontakt und Info: Renate Thamm, Telefon (05241) 40422.

Hemer – In Zusammenarbeit mit dem Bürger- und Heimatverein Hemer sowie dem Kulturzentrum Ostpreußen, Ellingen wird die Ausstellung „Ostpreußen verzaubert“ in der Zeit noch bis zum 20. Juli gezeigt. Ausstellungsort: Felsenmeermuseum Hemer, Hönnetalstraße 1, 58675 Hemer. Öffnungszeiten: Montags und Sonnabends geschlossen; Dienstag und Freitag 11 bis 13 Uhr, und 15 bis 17 Uhr; Mittwoch und Donnerstag 15 bis 17 Uhr; Sonntag 11 bis 13 Uhr. Informationen beim Museum unter Telefon (02372) 16454, bei Klaus-Arno Lemke unter (02372) 12993; E-Mail: felsenmeer-museum@web.de lemke@ostpreussen-nrw.de. Internet-Präsenz: www.felsenmeer-museum.de.

Leverkusen – Mittwoch, 9. Juli, Abfahrt um 8 Uhr vom Behindertenheim in Küppersteg: Tagesfahrt mit Besuch des Lichtkunstmuseums in Unna. Der genaue Tagesablauf ist im Info-Heft angegeben. Anmeldung dringend geboten. Alle Infos und Anmeldung bei Frau Palka, Telefon (0214) 95763. Die Veranstalter freuen sich auf den ganzen Tag.

Neuss – Sonnabend, 5. Juli, 12 Uhr: Großes Grillfest mit ostpreußischen Spezialitäten an der Cornelius-Kirche in Neuss-Erfttal.

Siegen – Bericht – Am 27. Mai fand die Jahreshauptversammlung der Kreisgruppe statt. Der Vorsitzende Anton Olbrich erinnerte daran, dass die Gruppe der Ost- und Westpreußen sowie der Danziger auf nahezu 60 Jahre ihres Bestehens seit der Gründung im Jahre 1955 zurückblickt. Was in dieser Zeit an heimatlicher Erinnerungskultur und Bewahrungsarbeit geleistet worden ist, sollte Anlass genug sein, im kommenden Jahr würdigend gefeiert zu werden. Die gemeinsamen Wurzeln, die heimatliche Verbundenheit und der freundschaftliche Zusammenhalt haben es möglich gemacht, dass bis heute Fahrten unternommen und Treffen besucht werden, so das diesjährige Bundestreffen in Kassel im Mai, die Reise zur regionalen Feier an der „Gedenkstätte des deutschen Ostens“ am 20. Juni auf Schloss Burg an der Wupper, die Teilnahme an den alljährlichen Kulturtagungen in Oberhausen. Hinzu kommen die Aktivitäten im internen Kreise: Seit Jahrzehnten versammelt sich die Frauengruppe, geleitet von Hella Giesler, zu gemeinsamer Pflege heimatlichen Brauchtums und befasst sich vorwiegend mit der ostdeutschen Literatur und Geistesgeschichte.

Zu gleichen Nutzen ist die Bücherstube im Haus des BdV, Seilereiweg 19, eingerichtet worden. Dort können an jedem Mittwoch von 10 bis 13 Uhr Bücher und andere Materialien entliehen werden. Die Gruppe ist Mitglied im Siegerländer Heimatbund, viele gehören heimischen Vereinen an. Zu den Veranstaltungen sind Gäste immer willkommen, auch zum Königsberger Klops-Essen.

Bei einer solchen Traditionsgemeinschaft bleibt es nicht aus, dass so mancher Teilnehmer mit einem hohen Alter gesegnet ist. Zwei sollen hier besonders belobigt werden. Thilde Utikal, Jahrgang 1922, Königsbergerin, die diese Gruppe 23 Jahre lang bis 2004 leitete. Johanna Rohde, Jahrgang 1917, Heiligenbeil, ein Phänomen an Gesundheit und geistiger Frische. Sie nimmt an allen Veranstaltungen regelmäßig teil und weiß ein jedes Mal neue lange Verse lustiger oder tiefsinniger Art vorzutragen. Dabei holt sie diese Gedichte nicht allein aus dem weiten Fundus ihres Langzeitgededächtnisses hervor, sie lernt auch stets neue hinzu.

Bei den Wahlen wurden Gerlind Roth als Schatzmeisterin und Lutz Giesler als Kassenprüfer gewählt. Der Kulturwart Frank Schneidewind hielt einen Vortrag über die Besiedelung des Frischen- und Kurischen Haffs.

Soest – Sonntag, 6. Juli, 14.30 Uhr, Ostdeutsche Heimatstuben, Meiningser Weg 20: Der 1943 in Danzig geborene Jürgen Schultz liest in der Cafeteria aus seinem neuesten Werk. Sein Roman, „Inferno der Menschheit“ spielt im Jahre 2200, einer nicht mehr lebenswerten Erde. Er behandelt rückblickend die heutige Zeit und führt die mögliche Entwicklung der Menschheit aus. Nach der Lesung signiert der Autor sein Buch.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Dienstag, 15. Juli, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Landesgruppe – Kiel/Fehmarn: Edmund Ferner zum Landesvorsitzenden gewählt – Edmund Ferner ist bei der Vertreterversammlung in Kiel (am 15. Juni) erneut zum Landesvorsitzenden der Landsmannschaft der Ostpreußen in Schleswig-Holstein gewählt worden. Er erhielt alle 49 Stimmen der Delegierten, ein großer Vertrauensbeweis für die nächsten drei Jahre. Die Landesgruppe hat immer noch 25 Ortsgruppen. Damit ist die LO die größte Landsmannschaft in Schleswig-Holstein und der viertgrößte Landesverband in der Bundesrepublik. Zu seinem Stellvertreter wurde wiederum Georg Baltrusch aus Bad Oldesloe gewählt, als Schriftführer fungiert weiterhin Peter Gerigk aus Schwarzenbek. Zur Schatzmeisterin und Geschäftsführerin der Ostpreußen wurde Margarete Beyer aus Kiel gewählt, die an diesem Tage mit der Goldenen Ehrennadel geehrt wurde. Ebenfalls wiedergewählt wurde als Beisitzer Edwin Falk aus Eutin. Als Kassenprüferinnen werden in Zukunft Gisela Rohwedder aus Ratekau und Ingrid Petrich aus Scharbeutz fungieren. – Freundschaft und Kultur pflegen – „Ich möchte die Freundschaft zu den litauischen, polnischen und russischen Menschen im ehemaligen Ostpreußen pflegen und die alte ostpreußische Kultur bewahren“, formulierte Ferner seine Ziele. Der gebürtige Königsberger wird sich weiterhin als Kulturreferent in besonderem Maße für die Geistesgeschichte Ostpreußens engagieren. Dieses Amt übt er seit 1975 aus.

Bad Malente – Mittwoch, 9. Juli, ab 15 Uhr, Pflanzencenter Buchwald, Krummsee, Rövkampallee 39: Die Gruppe trifft sich zur gemütlichen Runde. Für die Teilnehmer gibt es ein Stück Torte plus Kaffee satt für eine Kostenbeteiligung von 2,50 Euro. Anmeldungen werden erbeten bis zum 2. Juli im Blumenhaus Franck (Inhaber R. Dudeck), Bahnhofstraße 26, Malente. Gäste sind herzlich willkommen.

Burg/Fehmarn – Ausflug der Landsmannschaft – Die Gruppe Burg/Fehmarn besuchte während ihres Ausfluges das Schloss Reinbek, das im Jahre 1576 als Jagdschloss von Herzog Adolf von Schleswig-Holstein Gottorf im niederländischen Renaissance-Stil erbaut wurde, 1977 bis 1987 restauriert und jetzt als Kulturzentrum von den Einwohnern Reinbeks genutzt wird. Im angrenzenden 15000 Quadratmeter großen Schlosspark steht unter anderem der wohl älteste Baum, ein 800 Jahre alter abendländischer Lebensbaum neben weiterem wertvollen Baumbestand, den die Teilnehmer sich mit großer Ehrfurcht anschauten. Weiter führte die Fahrt auf das Gut Basthorst, das Enno Baron von Ruffin gehört. Dort, im sehr schön restaurierten ehemaligen, Pferdestall aß die Gruppe zu Mittag und suchte danach die in der Nähe des Gutes befindliche evangelische neugotische Feldsteinkirche St. Marien (1857–1858 ) auf, wo sie einiges wissenswertes über diesen Bau hörte. Aber auch der humorige Teil der Fahrt sollte nicht zu kurz kommen, deshalb hielt die Gruppe Einkehr in „Adsches und Brakelmanns“ Dorfkrug in „Büttenwarder“, wo die Teilnehmer dann auch mit einem Büttenwarder Schnaps empfangen wurden und einige Episoden, die sich dort abspielen, hörten. Endstation war dann das Forsthaus Seebergen in Lütjensee, eine herrlich gelegene, gepflegte Anlage. wo die Gruppe zum Kaffeetrinken einkehrte und von dort die Heimreise antrat.

Neumünster – Bericht – Der Jahresausflug der Kreisgruppe Neumünster fand am 12. Juni statt. Die Fahrt mit dem Reiseunternehmen Dehn führte nach Schwabstedt. Der Luftkurort liegt am Unterlauf der Treene. Unterwegs Natur pur bei herrlichem Wetter. Ein neuer Bus und fröhliche Teilnehmer, die von Brigitte Profé und dem Busfahrer Informationen über Land und Leute erhielten. Eine Reise durch unberührte Natur der Eider-Treene-Sorge-Region. Im Hotel wurde die Gruppe schon erwartet. Das Essen – zur Wahl standen Fleisch- und Fischgericht –, beides sehr schmackhaft und reichlich. Vier Mai- und Juni-„Geburtstagsfrauen“ wurden mit Geburtstagsständchen und einem kleinen Geschenk beglückwünscht. Nach dem Essen ging es zirka 350 Meter zu Fuß zur Schiffsanlegestelle. Es folgte eine einstündige Fahrt mit der MS Jupiter nach Friedrichstadt. Während der Fahrt gab es viele Informationen vom netten Kapitän. Viel zu schnell verging die Fahrt durch die liebliche abwechslungsreiche Landschaft, vorbei an Friedrichstadt, dem Holländerstädtchen mit Grachten: 1621 ließ Herzog Friedrich II.I von Schleswig-Holstein-Gottorf eine Siedlung vor allem von holländischen Glaubensflüchtlingen anlegen, die ihnen ein Zuhause und Religionsfreiheit bot. Am zentralen Marktplatz fehlt die Kirche, da die Gotteshäuser unterschiedlicher Konfessionen als Ausdruck der Gleichberechtigung und gegenseitigen Toleranz über die gesamte Stadt verteilt wurden.

Ein besonderes Besichtigungserlebnis ist eine Grachtenfahrt, in deren Verlauf man die schönen niederländischen Kaufmannshäuser der Stadt mit ihren steilen Treppengiebeln bewundern kann, auch „Klein Amsterdam des Nordens“ genannt. In der Umgebung erwartete die Teilnehmer eine wildromantische Flusslandschaft mit idyllischen Dörfern. Die Flüsse schlängeln sich durch die schöne Landschaft. Weite Wiesen, Moore und kleine Täler, viele Reetdachhäuser und Storchennester prägen die Region. Der Bus erwartete die Gruppe in Friedrichstadt zur Weiterfahrt zum „Hotel zur Treene“ zum Kaffeetrinken. Dort gab es Torten zur reichlichen Auswahl – natürlich Hausbäckerei. Es verblieb eine gemütliche, ruhige Zeit zum Plaudern bis zur Heimfahrt um 17 Uhr. In dieser storchenreichen Region wollten die Teilnehmer natürlich noch mehr Störche sehen. Die Fahrt über die Dörfer war für die Fotografen wie geschaffen: Bergenhusen – das Storchendorf. Von April bis August kann man die Störche live erleben. Seeth – ein architektonisches Kleinod. Drei wichtige norddeutsche Haustypen finden sich hier und viele Reetdachhäuser stehen unter Denkmalschutz. Drage – malerische Reetdachhäuser und ehemalige Fischerkaten verleihen dem Ort seine Gemütlichkeit. Drage besitzt eine schöne Badestelle an der Eider, die an der Schleuse Nordfeld auch überquert werden kann. Süderstapel – der liebenswerte dörfliche Luftkurort liegt direkt an der Eider, unmittelbar vor der Haustür liegt ein Wassersportgebiet mit zwei Bootshäfen, einem Naturbadestrand und einem Kanuanleger. All diese Ortschaften liegen östlich von Friedrichstadt noch in der Eider-Treene-Sorge-Region. Eine gut durchorganisierte Fahrt mit sehr vielen schönen Eindrücken endete gegen 19 Uhr.


S. 18-19 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

GOLDAP

Kreisvertreter: Stephan Grigat, Telefon (05231) 37146, Fax (05231) 24820, Heidentalstraße 83, 32760 Detmold. Geschäftsstelle: Annelies Trucewitz, Hohenfelde 37, 21720 Mittelnkirchen, Telefon (04142) 3552, Telefax (04142) 812065, E-Mail: museum@goldap.de. Internet: www.goldap.de.

Der Ortsatlas des Kirchspiels Gr. Rominten ist in einer vollständig überarbeiteten Auflage erschienen. Pläne und alle Zeittafeln aus der ersten Auflage von 1995, (von Dr. W. Rothe, H. Gruber und L. Wenau) wurden vollständig überarbeitet. Alle dazugehörigen Einwohnerlegenden sind nach dem aktuellen Stand des Familienarchives neu erstellt worden.

Aus dem Inhalt: Kirchenchronik, Kirchspielchronik, Infrastrukturen, Zeitzeugenberichte, Erinnerungen und ausführliche Fotodokumentationen für jedes Dorf. Dazu ein alphabetischer Namensindex. Der Erste und Zweite Weltkrieg und seine Auswirkungen im Bereich des Kirchspiels Gr. Rominten mit Luftbildaufnahmen der Luftwaffe von 1944/45. Farbfotoseiten aus heutiger Zeit, Glossar mit Erklärung von Begriffen.

Die neun dokumentierten Dörfer des Kirchspiels Gr. Rominten:

Eckertsberg mit Freiberg und Uszupönen (Grundfeld), Gr. Rominten (Hardteck) mit den Ortsteilen Klein Rominten (Kleinhardteck) und Praßberg, Kiauten (Zellmühle), Klein Jodupp (Kleinschelden), ab 1928 zu Szeldkehmen gehörig, Roponatschen (Steinheide), Szeldkehmen (Schelden), Texeln, Trakischken (Hohenrode), Warkallen (Wartenstein)

Annelies und Gerhard Trucewitz: „Ortsatlas des Kirchspiels Gr. Rominten, Kreis Goldap, Ostpreußen“. 2., vollständig überarbeitete Auflage 2014, Herausgeber Kreisgemeinschaft Goldap Ostpr. e.V., 165 Seiten, 37 Fotoseiten (5 Farbfotoseiten), ISBN 978-3-9815253-3-5, 19,90 Euro.

Zu beziehen bei Brigitte Karow, Telefon (04171) 61756 oder Mail: verkauf@goldap.de

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Sonnabend, 28. Juni, 14 Uhr, Lötzener Heimatmuseum, Sudetenlandstr. 18 h (Böcklersiedlung), Neumünster: Die Kunstausstellung „Hauptweg und Nebenwege“ wird eröffnet, eine Retrospektive der Künstlerin Elena Steinke anlässlich ihres 50. Geburtstages. Elena Steinke, die auf über drei Jahrzehnte künstlerisches Schaffen zurückblickt, wurde 1964 in Königsberg geboren. 1984 beendete sie mit dem Diplom für angewandte Kunst ihre Ausbildung in Tscheljabinsk/Ural. In den Jahren 1997/98 absolvierte sie eine Zusatzausbildung in Computergrafik und Design. Bis Ende 2000 war sie als Künstlerin in Königsberg tätig und übte unter anderem eine Lehrtätigkeit am „Zentrum für angewandte Kunst, Forschung und Methodik“ aus. Elena Steinke entdeckte nach ihrem Umzug nach Nordfriesland nicht nur neue Materialien für ihr Kunstschaffen, wie zum Beispiel Acrylfarbe, auch mit den von ihr angewandten Techniken und in den Themen, mit denen sie sich im zurückliegenden Jahrzehnt intensiv befasste, erreichte sie eine wachsende Spannbreite. Sie hat sich mit Nordfriesischen Trachten und Märchen beschäftigt, sie hat „Ikonen-Inspirationen im russischen Stil“ geschaffen und Illustrationen zu einem Märchenbuch, sie hat Serien erarbeitet wie „Musikansichten“ oder „Zurück zum Abstrakten“, sie hat einen Zyklus „Russische Bilder“ gestaltet, sich mit Werken von Agnes Miegel und Ernst Wiechert auf besondere Weise auseinandergesetzt, mit dem Kriegsende und den Schrecken von Flucht und Verlust. Vor allem hat Elena Steinke eine ganz eigene künstlerische Handschrift entwickelt. Die Besucher erwartet ein vielfältiges, gehaltvolles Werk, das mit seiner besonderen Ausstrahlung Stationen eines künstlerischen Entwicklungsweges aufzeigt. – Ute Eichler, die verantwortliche Betreuerin des Lötzener Heimatmuseums, wird um 14 Uhr die Besucher begrüßen und mit dem Vortrag „Die Kunst und wir – Die Künstlerin Elena Steinke“ den Versuch einer verbalen Annäherung an das Werk unternehmen. Interessierte Gäste sind herzlich willkommen! Die Künstlerin ist anwesend.

 

ORTELSBURG

Kreisvertreter: Dieter Chilla, Bussardweg 11, 48565 Steinfurt, Telefon (02552) 3895, Fax (02552) 996905, E-Mail: derc@gmx.de. Geschäftsführer: Hans Napierski, Heinrichstraße 52, 45701 Herten, Telefon (0209) 357931, Internet: www.kreis-ortelsburg.de

„Das war mal wieder ein schöner Tag“, sagten alle am Ende der Veranstaltung. Sieben Monate nach dem großen Hauptkreistreffen im September hatten die Vertreter der Landbezirke 1: Altkirchen, Jerutten, Landbezirk 2: Deutschheide, Wilhelmsthal, Landbezirk 3: Erben, Rheinswein Landbezirk 4: Farienen, Friedrichshof, Landbezirk 5: Fürstenwalde, Liebenberg und Lindenort, zu einem kleinen Treffen ins Kulturzentrum nach Herne geladen. Der Winter war vergangen, man sah schon des Maien Schein, und so kam man von nah und von fern. Schon beim Betreten des Saales sah man das Strahlen in den Augen. Man war wieder zu Hause in der großen ostpreußischen Familie. Da der Saal Crange, in dem sonst die Treffen stattfinden, über die Verwaltung des Kulturzentrums anderweitig vermietet war, musste man in diesem Jahr in einen kleineren Raum ausweichen. So kam es, dass zum Beginn der Feierstunde gegen

11 Uhr bereits alle Plätze besetzt waren. Die Begrüßung der Teilnehmer erfolgte durch den Geschäftsführer der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, Hans Napierski. Im Rahmen seiner Ansprache benannte er die Planungen der Kreisgemeinschaft für das Jahr 2014. So lud er ganz herzlich zu dem am 17. und 18. Mai in Kassel stattfindenden „Deutschlandtreffen der Ostpreußen“ ein, zu dem die Kreisgemeinschaft eine Busreise organisiert hatte. „Es könnte das letzte von der Landsmannschaft organisierte Deutschlandtreffen sein“, waren seine Worte. Ebenso wies er auf die für Ende Mai geplante Heimatreise der Kreisgemeinschaft hin. Er machte Mut zu dieser Reise, denn es gibt doch nichts Schöneres, als mit lieben Freunden und alten Bekannten mal wieder zu Hause zu sein. Nach dem Lied „Im schönsten Wiesengrunde“ nahm Jürgen Mosdziel in würdevoller Weise die Totenehrung vor. Zum Abschluss der Feierstunde erklang aus vollen Kehlen das Ostpreußenlied „Land der dunklen Wälder“.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen gab es noch ausreichend Zeit zum „Plachandern und Schabbern“. Und doch vergehen solche Tage immer viel zu schnell. Manches, was man noch sagen wollte, fiel dem einen oder anderen bestimmt erst auf dem Nachhauseweg oder danach ein. Aber das ist nicht so schlimm. Wir treffen uns ja wieder, wenn nicht in Kassel, dann aber ganz bestimmt im September beim Hauptkreistreffen in Herne.

Ansprache: „Seit dem letzten Hauptkreistreffen ist schon wieder mehr als ein halbes Jahr vergangen und so hat sich in der Kreisgemeinschaft auch einiges verändert. Sie erinnern sich sicher noch an die Kreistagswahlen, die im letzten Jahr durchgeführt wurden. Heute kann ich Ihnen etwas zu den Ergebnissen dieser Wahl sagen, denn bei allen Ihren LBZ wurden jüngere Leute als Kreisvertreter gewählt.

Für den LBZ 1 Jürgen Mosdziel; er ist aber nicht nur Kreisvertreter des LBZ 1, er wurde darüber hinaus vom Kreistag zum Leiter der Heimatstube und Archivverwalter gewählt. Für den LBZ 1 hat er Anna Kilimann abgelöst, die aus Altersgründen nicht mehr kandidierte aber heute unter uns ist. Ebenso wurde der LBZ 3 in jüngere Hände gelegt. Neuer Kreisvertreter ist Bernard Patorra. (Bernard Patorra ist heute nicht anwesend, er wohnt auf Usedom und hat wohl die weite Anreise gescheut. Dafür möchte ich aber seinen Stellvertreter, Herbert Rogalla begrüßen). Elisabeth Wronowski, die in den vergangenen Jahren immer mit Anna Kilimann und Margret Stobinski das Treffen des LBZ 1 mitorganisierte, ist leider im Februar diesen Jahres im Alter von 93 Jahren verstorben. Zum LBZ 4: Auch hier fand ein Wechsel statt. Gewählt wurde Detlef Ollesch. Leider ist er heute nicht hier, aber sein Stellvertreter Ingo Gosdek. Als Kreisvertreter für den LBZ 5 wurde Alfred Olbrisch gewählt. Alfred Olbrisch ist aber nicht nur Kreisvertreter des LBZ 5, er wurde vom Kreistag zum „Schriftleiter des Heimatboten“ gewählt. Er arbeitet bereits sehr intensiv an dem neuen Heimatboten, auf den wir ja alle schon so sehnsüchtig warten. Bitte unterstützen Sie Ihn mit allen Kräften bei seiner großen Aufgabe. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Alfred Denda, der aus gesundheitlichen Gründen die Schriftleitung des Heimatboten abgab, ganz herzlich für seine jahrelange Tätigkeit danken. 16 Heimatboten entstanden unter seiner Federführung. Ich begrüße auch den/die Stellvertreter des LBZ 5 Manfred Katzmarzik, Reinh. Gralla, Edith Bohne. Begrüßen möchte ich auch den Ehrenvorsitzenden der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, Edelfried Baginski, der heute zu uns gekommen ist, und die Vertreter des Kreisausschusses, unsere Schatzmeisterin „Helga Frankiewicz“. Ich will Ihnen kurz berichten was sich innerhalb der Kreisgemeinschaft seit der letzten Zusammenkunft, dem Hauptkreistreffen im September des vergangenen Jahres, ereignet hat: Anfang Oktober erfolgte zunächst die Auszahlung der Bruderhilfe in Ortelsburg an 160 Personen. An dem Wochenende um den 25. Oktober das Seminar in Bad Pyrmont mit 45 Teilnehmern, nach 1945 geboren. Das zeigt das Interesse auch jüngerer Personen an der Kreisgemeinschaft. Dann kam Ende Oktober die Auswertung der Wahlen zum Kreistag. Am 15. Dezember Jubiläum „50 Jahre Patenschaft der Stadt Herne über die Kreisgemeinschaft. Im März erfolgte die konstituierende Sitzung des neuen Kreistages. Der alte Vorstand mit Dieter Chilla, Vorsitzender; Herbert John als Stellvertreter, und Hans Napierski als Geschäftsführer wurde in seinem Amt bestätigt und wiedergewählt. Die weiteren Auswirkungen der Wahl sehen Sie heute ganz besonders, denn in den hier versammelten LBZ haben Wechsel stattgefunden. LBZ 1, neu: Jürgen Mosdziel, abgelöst Anna Kilimann, Leiter der Heimatstube. LBZ 3 wurde auch in jüngere Hände gelegt. Neuer Vertreter Bernard Patorra. Ebenso LBZ 4: Detlef Ollesch (Ingo Gosdek). LBZ 5: Alfred Olbrisch (Manfred Katzmarzik, Reinh. Gralla, Edith Bohne), Schriftleiter Heimatbote.

Mit diesem Treffen sind die im April/Mai stattfindenden kleinen Treffen abgeschlossen. Nun denken wir schon an unsere große Busreise nach Ortelsburg, die vom 27. Juli bis zum 5. August stattfindet. Beschreibungen der Reise finden Sie am Büchertisch. Ja, und dann darf ich Sie schon zu unserem Hauptkreistreffen am 15. September hier im Kulturzentrum herzlich einladen.“

 

SCHLOSSBERG (PILLKALLEN)

Kreisvertreter: Michael Gründling, Große Brauhausstraße 1, 06108 Halle/Saale. Geschäftsstelle: Renate Wiese, Tel. (04171) 2400, Fax (04171) 24 24, Rote-Kreuz-Straße 6, 21423 Winsen (Luhe).

Zu einem Ostpreußentreffen in der Stadthalle in Winsen (Luhe) am Freitag, 25. Juli und Samstag, 26. Juli 2014 laden die Kreisgemeinschaften (KG) Schloßberg/ Pillkallen e.V. und Ebenrode/ Stallupönen e. V. sowie die Landsmannschaft Ostpreußen e. V., Landesgruppen Niedersachsen und Hamburg, herzlich ein. Die Veranstaltung ist nicht nur für Ostpreußen offen, jedermann ist herzlich eingeladen. Am Freitag beginnt um 11 Uhr im Clubzimmer der Stadthalle das Treffen der Ehemaligen der Friedrich-Wilhelm-Oberschule (FWO) Schloßberg. Ab 12.30 Uhr steht für alle Gäste ein gemeinsames Mittagessen auf dem Programm. Die Heimatstuben beider Kreisgemeinschaften in der Rote-Kreuz-Straße sind von 11 bis 15 Uhr geöffnet. Im Saal der Stadthalle finden für die KG Schloßberg von 16 bis 18 Uhr und für die KG Ebenrode von 17 bis 19 Uhr öffentliche Kreistagssitzungen statt. Um 19 Uhr beginnt im Clubraum eine Feierstunde der FWO, wozu ausdrücklich alle Landsleute und Freunde der FWO herzlich eingeladen sind. Ab 20 Uhr lädt die KG Ebenrode zu einem gemütlichen Beisammensein im Saal der Stadthalle ein. Es wird unter anderem der Film „Ostpreußen vor 1939“ gezeigt.

Am Sonnabend trifft sich die Schülervereinigung FWO um 9 Uhr im Traditionsraum des Winsener Patengymnasiums und gleichzeitig wird auch die Stadthalle für die Gäste geöffnet. Um 9.30 Uhr findet eine Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Winsener Waldfriedhof statt. Bereits um 10.30 Uhr beginnt im Saal der Stadthalle eine Feierstunde, musikalisch untermalt durch die Chorgemeinschaft Singzirkel und Männerchor Winsen. Die Begrüßung und Totenehrung wird durch den Schloßberger Kreisvertreter Michael Gründling vorgenommen. Die Andacht hält Pfarrer i. R. Kurt Perrey. Darauf folgen Grußworte des Patenkreises Harburg und der Stadt Winsen (Luhe). Den Festvortrag hält voraussichtlich der Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums, Dr. Joachim Mähnert, zum Thema „Das Ostpreußische Landesmuseum auf dem Weg in die Zukunft“. Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „Land der dunklen Wälder“ wird Dr. Gerhard Kuebart, Kreisvertreter der KG Ebenrode, das Schlusswort sprechen, worauf gemeinsam „Einigkeit und Recht und Freiheit“ gesungen wird.

Das Mittagessen mit Zeit für Gespräche ist für 12 Uhr angesetzt. Von 14 bis 16 Uhr ist im Saal ein buntes Programm geplant. Mitwirkende sind der Ostpreußenchor Hamburg, die Volkstanzgruppe Winsen (Luhe) und die Parforcehornbläser aus der Wilstermarsch (SH). Von 16.30 bis 18.30 Uhr sind abermals die Heimatstuben für die Gäste zugänglich. Wir danken schon jetzt für Ihren Besuch. Sie honorieren damit die ehrenamtliche Arbeit der Vorstände und der Kreisausschüsse der Kreisgemeinschaften.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Im Foyer des Rathauses der Stadt Bad Fallingbostel eröffnete der Ehrenvorsitzende der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit, Albrecht Dyck, eine Ausstellung mit Bildern von Wilhelm Bennien, dem aus dem Kreis Tilsit-Ragnit stammenden Kunstmaler und Malermeister. Er konnte hierzu zahlreiche Ehrengäste, unter anderem aus dem öffentlichen Leben der Stadt Bad Fallingbostel, der Landespolitik, des Bundes der Vertriebenen und der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit, begrüßen. Nach einem Aufruf im Frühjahr waren über 60 Originalgemälde zusammengekommen, die aus Platzgründen nicht mal alle gezeigt werden können. In seiner Eröffnungsansprache ging Albrecht Dyck auch auf sein zufälliges Wiedersehen mit Wilhelm Bennien nach dem Krieg und dessen Lebenslauf ein:

„Der Zufall geht mitunter seltsame Wege. Sieben Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges verschlug es den Autor des Buches ,Meine Heimat, aus der der Tilsiter Käse stammt‘ beruflich in das Heidestädtchen Bad Fallingbostel – damals noch ganz einfach Fallingbostel ohne den Zusatz Bad –, wo er urplötzlich einem alten Bekannten aus seiner früheren Heimat gegenüberstand. Wilhelm Bennien, seines Zeichens Malermeister aus Schillen/Ostpr., Kreis Tilsit-Ragnit – ebenfalls mein Geburtsort – war es gelungen, sich mit dem noch verbliebenen Rest seiner Familie in Fallingbostel wiederzufinden und erneut ein Malergeschäft mit zweien seiner Söhne zu eröffnen. Er wurde Bürger der Stadt Fallingbostel. Bennien stammt aus dem Fischerdörfchen Tawe am Kurischen Haff, und seine Ehefrau Frieda aus Boyken im Kirchspiel Schillen. Sie heirateten am 10. Januar 1918 und gaben sich bei einer Kriegstrauung in der evangelisch-lutherischen Kirche in Schillen das Jawort. Geboren wurde Wilhelm Bennien am 28. September 1889. Er arbeitete nach der Schulentlassung eineinhalb Jahre auf dem Boot seines Vaters, denn sein Vater war Fischer und Bauer in Tawe. Dann hielt es ihn nicht länger bei dieser Beschäftigung. Er war als Schüler das beste zeichnerische Talent seiner Schule; es lag deshalb nahe, einen Beruf zu wählen, der seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprach. So lernte Bennien vier Jahre bei einem Dekorationsmalermeister in Tilsit. Die Gesellenprüfung bestand er mit dem Prädikat „ausgezeichnet“. Auf Ausstellungen hat er damals schon Preise erhalten. 1909 wurde Wilhelm Bennien zur Kaiserlichen Marine in Kiel eingezogen und drei Jahre auf Torpedobooten ausgebildet. Nach dem Wehrdienst arbeitete er wieder bei seinem alten Meister in Tilsit. Als jedoch der Krieg ausbrach, gehörte er zu den ersten, die zu den Waffen gerufen wurden. Er erlebte den Ersten Weltkrieg bis zu seinem bitteren Ende bei der Marine. Nach Hause zurückgekehrt, machte sich Wilhelm Bennien am 1. Mai 1919 in Schillen selbstständig und arbeitete bald mit Gesellen und Lehrlingen. Die Meisterprüfung legte er auf der Malerschule in Gumbinnen ab. 1929 zählte die Familie Bennien schon acht Köpfe. Wilhelm und Frieda bauten sich ein Haus mit sechs Zimmern, Küche und Bad; außerdem errichtete Meister Bennien auf seinem Grundstück eine Malerwerkstatt. In Schillen war er nicht nur ein angesehener Handwerksmeister, auch heimatpolitische Aufgaben wurden ihm sehr gerne übertragen, zum Beispiel die des Feuerwehrhauptmanns seines Kirchdorfes Schillen.“

Auch die Landsmannschaft würdigte das Wirken des Künstlers mit der postumen Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens.


Seltene Poststempel
Briefmarken aus Bartenstein in Ellingen

Zum 21. Mal trafen sich die Briefmarkensammler der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Ostgebiete im Kulturzentrum Ostpreußen zu ihrer Tagung für Süddeutschland. Nach der Begrüßung durch den Direktor des Kulturzentrums, Wolfgang Freyberg, zeigte Annemarie Conrad von Heydendorff-Aschenbrenner in einem „Ostpreußen-Spezial“ Streifzüge durch Geschichte und Landschaften, besuchte dabei seltene Stätten und originelle Künstler und seltsame Kauzen, Brauchtum und sportliche Höhepunkte.

Der ehemalige niedersächsische Kultus-Staatssekretär Hartmut Saager und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft beschrieb in seinem Vortrag den Kreis Bartenstein und seine Poststempel, die er auch als ausgewählte Exponate in einer Ausstellung zeigte. Weitere Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft präsentierten zudem neu aufgetauchte Fundstücke aus dem Sammelgebiet, dessen Geschichte mit dem Zweiten Weltkrieg endete. mef


S. 20 Heimatarbeit

»Immer nehme ich etwas Erde mit«
Begeisterung für Ostpreußen inspiriert den Dessauer Jörg Dommert zu Reisen ins Land der Vorväter

Endlich war es wieder mal so weit: Es zog mich Richtung Osten, genauer gesagt nach Ostpreußen. Seit Jahren zieht es mich immer wieder in die Heimat meines Vaters und meiner Vorfahren. Einen Freund, mit dem ich schon einmal in Ostpreußen unterwegs war, abgeholt, und los ging es mit dem Auto von Dessau erst einmal Richtung Frankfurt/Oder. Unser Quartier hatten wir sonst immer in Nikolaiken am Talter See, jedoch wollten wir diesmal weiter östlich übernachten um einen anderen Aktionsradius zu haben. Da wir uns einige Ziele, unter anderem Goldap vorgenommen hatten, hatten wir zwei Zimmer in Haarschen in einer alten, umgebauten Schule gebucht. Dieses Quartier erwies sich als eine der schönsten Unterkünfte, die ich bei meinen Reisen nach Ostpreußen hatte. Ich kann es nur wärmstens empfehlen. Auch wenn die Zimmer rustikal und ohne Fernseher ausgestattet sind, machen die super Küche, kostenloses Wlan und der schöne Blick auf den angrenzenden Dargaimen See das mehr als wett. Haarschen liegt zwischen Angerburg und Steinort mit dem verfallenen Schloss des Grafen Lehndorff.

Eine herrliche Umgebung in unberührter Natur, Geschichte pur ohne Schnörkel und Zensur. Unterwegs sahen wir die Feste Boyen in Lötzen und natürlich auch das Grunwald-Ehrenmal sowie die Reste des Reichsehrenmals Tannenberg an. Aber außer ein paar Steinhaufen ist nicht mehr viel vom Tannenbergdenkmal übrig geblieben. Allerdings steht der große Löwe vom Denkmal heute vor dem Rathaus in Hohenstein [Olsztynek]. Am Grunwald-Ehrenmal hätte ich mir einen Hinweis auf Deutsch gewünscht, leider stand dort alles nur auf Polnisch. Das war schon wunderlich, da selbst an den Steinresten des Tannenbergdenkmals eine mehrsprachige Gedenktafel stand.

Am nächsten Tag ging es nach Angerburg, dort zum Kriegerdenkmal Jägerhöhe, wo deutsche und russische Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg begraben sind. Wir hatten uns diesmal einige Ziele anlässlich des 100. Jahrestages des Ersten Weltkrieges ausgesucht, und auch wenn wir noch vor dem offiziellen Datum da waren, wollten wir uns informieren, in welchem Zustand die Anlagen sind. Der Friedhof ist sehr gepflegt und bietet einen sehr guten Blick über den Schwenzaitsee. Die Grabkreuze liegen halbkreisförmig angeordnet um ein großes Holzkreuz. Wir legten am großen Holzkreuz in der Mitte Blumen ab und besuchten dann weitere umliegende Ehrenfriedhöfe, allesamt in gutem Zustand, egal, ob dort Russen oder Deutsche oder beide lagen. Hier fanden 1914 heftige Kämpfe auf deutschem Boden statt mit hohen Verlusten an Mensch und Material auf beiden Seiten. Dies wird heute so gut wie überhaupt nicht mehr erwähnt, zumindest wenn vom Ersten Weltkrieg die Rede ist.

Unsere Tour führte uns weiter nach Possessern [Pozezdre] zu Himmlers ehemaligen Quartier, wo er sich mit seinen Truppen im Wald versteckt hielt, um so die Wachmannschaften für die Wolfsschanze zu stellen. Auch hier ein Wahnsinnsbetonbunker mitten im Wald, die Mannschaftsbaracken sind nicht mehr vorhanden. Erschreckend, was hier in einem 50-Kilometer-Umkreis so an Bunkern steht. Neben der Wolfsschanze im Wald von Görlitz bei Rastenburg, dem OKH-Quartier Mauerwald und dem Himmler-Stützpunkt ist das der Wahnsinn in Beton. Und das alles inmitten schönster Natur.

Am Abend lernten wir nette Menschen aus Polen, Lettland und Deutschland kennen. Am nächsten Tag ging es weiter Richtung Paprotki am Goldensee. Auf dem Weg dorthin habe ich erstmals in meinen fast 50 Lebensjahren Kraniche mit ihren Jungen auf einer Wiese beobachtet. Ein Fuchs umkreiste die Tiere, ließ jedoch nach einer Weile ab, da er merkte, dass er keine Chance hatte, an die Jungbeute zu kommen. Wir suchten ein treppenförmiges Kriegerdenkmal aus dem Ersten Weltkrieg, doch leider schien es unauffindbar. Wir machten an einem Bauernhof halt und fragten dort einen jungen Mann nach dem Denkmal. Er sagte: „Nix verstehen aber ich hole Mama“. Die betagte Frau kam und erklärte uns in feinstem ostpreußischem Akzent den Weg. Ich fragte, woher sie so gut deutsch könne und sie antwortete, dass sie Polin sei. In der Kindheit und nach dem Krieg wurde bei ihr zu Hause noch deutsch gesprochen, allerdings nur heimlich, da es ja dann verboten war. Sie bot uns an mit uns mitzufahren und uns direkt zum Denkmal zu bringen. Wir waren überrascht, nahmen das Angebot aber gerne an. Im Auto erzählte sie viele Dinge von früher und ich dachte, meine verstorbene Oma redete mit mir. Dieser herrliche Akzent, diese Wärme, diese Mundart, das tat gut. Für die Frau waren wir nicht die bösen Deutschen, sie war herzlich und behandelte uns wie alte Freunde. Sagte sie doch, dass viele Deutsche gut waren und nur der Krieg schlimm war ....

Am Denkmal angekommen, waren wir auch hier überrascht, wie gut es erhalten war. Die Frau schilderte uns, dass ihre Mutter ihr erzählt habe, dass hier die Russen im Ersten Weltkrieg beim Durchqueren des Moorgebietes reihenweise mit ihren Pferden umgekommen seien.

Es war eine erdrückende Vorstellung. Das Denkmal ist terrassenförmig angelegt und die Deutschen liegen oben und die Russen unten. Aber sie liegen zusammen wie würdige Kämpfer.

Nach diesem bewegenden Tag ging es am nächsten weiter auf eine Tagesrundreise. So machten wir halt an der Pyramide von Angerapp [Rapa], welche gut erhalten ist und noch drei Särge enthält.

Wir fuhren weiter nach Goldap. Eine schöne, moderne Stadt mit einigem Reichtum. Dies sah man schon beim Hereinfahren. Ob es an den Schmugglerwaren lag, konnten wir nur vermuten. Es wurde uns jedenfalls so erzählt. Hier gefiel mir neben dem schönen Markt vor allem der restaurierte Wasserturm. Dieser, jetzt mit Fahrstuhl versehen, bot eine perfekte Übersicht über die Stadt und auch einen Einblick in die Größe der Rominter Heide. Im Wasserturm ist ein kleines Kaffee integriert und die Leute waren mehr als freundlich.

Auf der Weiterfahrt hielten wir kurz am Haus der Heimat, aber es war leider niemand da. Auch meine Mail von vor der Reise blieb leider bis heute unbeantwortet. Dafür wehten die deutsche und die Fahne der Landsmannschaft vor dem Gebäude.

Weiter ging es über Treuburg nach Lyck und wieder zurück nach Angerburg. Wir haben viele schöne Dinge gesehen, aber auch geschichtsträchtige Orte besucht. Die Leute, die wir kennengelernt haben, waren alle sehr freundlich und versuchten mit Händen und Füßen unsere Fragen zu beantworten oder uns zu helfen.

Immer bei meinen Reisen nach Ostpreußen halte ich an der Taufkirche und Geburtsstätte meiner Oma in Bäslack, nahe Heilige Linde, an und nehme entweder etwas Erde mit oder lege Erde oder einen Stein aus der neuen Heimat ab. Auch ist ein Besuch der Geburtsstadtsstadt meines Vaters in Bartenstein Pflicht. Hier habe ich ihm vor drei Jahren in einer Nacht- und Nebelaktion zwei Ahornbäumchen aus dem Garten des verfallenden Johanniterkrankenhauses, wo er 1938 geboren wurde, mitgebracht. Diese Bäume stehen heute in seinem Garten.

Leider kann ich meinen Vater nicht dazu bewegen, mit in seine Heimat zu kommen. Die Erinnerungen an die Kriegszeit lasten zu schwer. Aber ich komme wieder, das steht fest. Es ist für mich eine der schönsten Ecken Europas, die nicht vom Massentourismus und Konsumrausch verdorben sind und ich hoffe, dies bleibt noch lange so.

Jörg Dommert


S. 21 Lebensstil

Ein Hauch von Ascot
Dieser Tage startet in Hamburg das große Galopp-Derby, doch die Hansestadt setzt nicht nur auf Rennpferde

Wenn am 6. Juli in Hamburg das 145. Deutsche Derby stattfindet, ist das keine Selbstverständlichkeit. Das traditionsreiche Galopprennen stand schon dicht vor dem Aus.

Im vorletzten Jahr hatte das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen den traditionellen Austragungsort Horner Rennbahn überraschend infrage gestellt und die Veranstaltung nach 143 Jahren neu ausgeschrieben. Als Nachfolger hatten sich schon Baden-Baden und vor allem München gute Chancen ausgerechnet.

Hamburg hat aber mehr Pferdefreunde als der Rest der Republik, und die angeblich allerenglischste Stadt des Kontinents ist Deutschlands traditionelle Derby-Stadt. Das zeigte sich vom 29. Mai bis 1. Juni, als im Stadtteil Klein-Flottbek das 85. Deutsche Spring- und das 55. Dressur-Derby stattfand. Zwi­schenzeitlich fast in die Provinzialität abgerutscht, bekam die Veranstaltung vor sechs Jahren durch die Einbeziehung der Global Champions Tour, der höchstdotierten Springserie der Welt mit einem Preisgeld von 285000 Euro pro Etappe, und den dazu angereisten internationalen Topreitern neuen Aufschwung.

In diesem Jahr durfte sich Volker Wulff, Veranstalter des Deutschen Spring- und Dressur-Derbys in Hamburg seit dem Jahr 2000, sogar über einen Besucherrekord freuen. Insgesamt rund 85000 Zuschauer kamen an vier Tagen in den Derby-Park, über 3000 mehr als im Vorjahr, in dem erstmals die 80000-Marke „geknackt“ wurde.

Auch das Dressur-Derby musste aufpoliert oder vergessen werden. Wulff entschied sich für Ersteres und ist damit auf dem richtigen Weg. Sind beim Spring-Derby (Dotierung: 100000 Euro) die Naturhindernisse, allen voran der große Wall, und die Länge des Parcours über 1250 Meter die Attraktion, zeichnet sich das Dressur-Derby (Dotierung: 10000 Euro Reiter und 10000 Euro Pferde) durch den Pferdewechsel unter den drei Finalisten aus. Im Finale muss jeder also nicht nur sein eigenes Pferd, sondern nach nur wenigen Minuten Eingewöhnung auch die Pferde der anderen reiten. Wer auf allen drei Pferden die meisten Punkte erreicht, darf sich das begehrte Blaue Band umhängen. Das Blaue Band ziert auch den Sieger im Spring-Derby. Dazu wird dem Pferd traditionell ein Eichenkranz um den Hals gehängt, der so manche Ehrenrunde gar nicht übersteht, da die Pferde nur allzu gerne in das frische Grün beißen.

Um die Begeisterung für das in seiner Art einmalige Deutsche Dressur-Derby wach zu halten, hat man sich entschlossen, auf den Nachwuchs zu setzen und diesen schon früh mit der Aufgabe vertraut zu machen. So wird in Hamburg seit 2009 das Deutsche Pony-Dressur-Derby und seit 2013 auch das U25-Dressur-Derby, beide mit Pferdewechsel im Finale, ausgetragen. Die Zukunft der traditionellen Prüfung dürfte also gesichert sein – und ihr Niveau langfristig auch steigen.

Tradition und neue Ideen alleine reichen jedoch nicht aus, um eine Veranstaltung attraktiv und lebendig zu erhalten. Auch die Wettkampfbedingungen müssen immer wieder auf den Prüfstand. Im Pferdesport ist das vor allem der Boden, auf dem die vierbeinigen Athleten Höchstleistungen vollbringen. Der Rasen muss stimmen, wie der Fußballer sagen würde. Dieses Grün, ob Rennbahn oder Springplatz, bei Regen trocken und griffig zu halten und bei Hitze nicht zu hart werden zu lassen ist eine Aufgabe für Spezialisten. Und keine billige.

Beim Deutschen Spring- und Dressur-Derby wurde 2007 der Boden auf dem Springplatz für 800000 Euro von Grund auf erneuert. Auf der Galopprennbahn in Hamburg-Horn nahm der Hamburger Renn-Club das Geläuf nochmals unter die Lupe, obwohl er schon zum 139. Derby 100000 Euro in dieses investiert hatte.

Dabei steht die Sorge um die kostbaren Pferdebeine sicherlich an erster Stelle. Doch schon gleich danach achten die Ladies und Gentlemen auf die eigenen Füße. Gibt man sich auf der Rennbahn doch ausgesprochen elegant mit Stöckelschühchen und ausgefallenen Hutkreationen bei den Damen und feinstem Leder bei den Herren.

Schmutzsicherer ist da schon der Hut auf dem Kopf, der bei diesem gesellschaftlichen Ereignis zum stilvollen Outfit gehört. Um diese Tradition nicht untergehen zu lassen, prämiert eine Jury am Derbysonntag die eindrucksvollsten Kreationen, die immer wieder zwischen bestechender Eleganz und karnevalesker Originalität schwanken. Mit Blick auf den Nachwuchs gibt es analog hier einen Kinder-Hutwettbewerb.

Seit 1869 wird das Derby in Hamburg gelaufen. Damit ist das Derby nicht nur das wichtigste Rennen in der deutschen Vollblutzucht, es ist auch ein Stück Kulturgeschichte. Zwei Weltkriege hat es überdauert, fünfmal musste es deshalb von Hamburg-Horn aus umziehen: 1919 nach Berlin-Grunewald, 1943 und 1944 nach Berlin-Hoppegarten, 1946 nach München-Riem und 1947 nach Köln. Aber Hamburg ist die Heimat dieses Rennens, das einzigartig ist.

Denn ein Rennpferd kann dieses Rennen über 2400 Meter nur einmal gewinnen: im Alter von drei Jahren. Dem Sieger winken 390000 Euro, Jockey und Pferd – wie könnte es anders sein – Blaues Band und Eichenkranz. Insgesamt geht es in diesem Jahr im Deutschen Derby um 650000 Euro. Dazu kommt eine Züchterprämie. Mit insgesamt zwei Millionen Euro Prämien ist das gesamte Meeting einmalig in Deutschland.

Selbstverständlich darf nicht jedes Pferd im Derby laufen. Die Höchststarterzahl beträgt 20, die sich in Qualifikationsrennen qualifizieren müssen. Das am Ende im Ranking am weitesten vorne liegende Pferd wird mit der Nummer eins an den Start gehen. Nach dem sechsten von sieben Streichungsterminen am 22. April (der letzte erfolgt am 30. Juni) waren von ursprünglich 108 genannten Pferden noch 69 im Feld verblieben. Wie viele Pferde letztendlich an den Start gehen, ist bis zuletzt ungewiss. 2013 verblieben von 84 Nennungen 19 Starter, 2012 von 91 nur 14 und 2011 von 122 schließlich 18.

Zudem kostet die Teilnahme die stolze Summe von 7500 Euro. Wer nicht beim ersten Nen­nungsschluss am 3. De­zem­ber vorigen Jahres dabei war, kann sein Pferd auch später noch nachnennnen. Dann wird es allerdings richtig teuer: 65000 Euro wären für die „Spätbucher“ fällig. Um von dem günstigeren Tarif zu profitieren, muss man das Pferd bereits früh anmelden und von da ab regelmäßig bezahlen oder das Pferd streichen. Der erste Einsatz beträgt 200, der letzte 1750 Euro. Das Wetten beginnt also fast schon mit der Geburt des Pferdes, wenn der Besitzer bei seinem eigenen Pferd auf den Derbysieg setzt.

Derbyfavorit in diesem Jahr ist der bisher ungeschlagene „Sea The Moon“, der am 15. Juni mit einem souveränen Start-Ziel-Sieg das mit 70000 Euro dotierte 179. Oppenheim-Union-Rennen, die wichtigste Derbyvorprüfung Deutschlands, auf der Galopprennbahn Köln-Weidenpesch gewann. Damit gelangen dem dreijährigen Hengst aus dem Gestüt Görlsdorf (Uckermark), der von Markus Klug (38) auf dem traditionsreichen Gestüt Röttgen in Köln-Heumar trainiert wird, drei Erfolge bei drei Starts. Für den 47-jährigen Andreas Helfenbein, dem ständigen Reiter von „Sea The Moon“, bedeutet das Derby die Chance, erstmals in seiner 30-jährigen Jockeykarriere das Blaue Band zu gewinnen. Derby-Sieger, egal ob im Springen, in der Dressur oder auf der Rennbahn, ist ein Titel fürs Leben, genauso wie Olympiasieger oder Weltmeister.

In der Realität sind Siege von Favoriten selten. Weder „Lucky Speed“ noch „Pastorius“ oder „Waldpark“, die 2013, 2012 und 2011 das Derby gewannen, gehörten dazu. Es bleibt also spannend, wer am 6. Juli nach etwa zweieinhalb dramatischen Minuten die Zielgerade als Erster überquert und mit Blauem Band und Eichenkranz die Rennbahn verlässt. Helga Schnehagen

Derby-Woche Hamburg 29. Juni bis 8. Juli mit sieben Renntagen. Eintritt frei am 1., 2., 3. und 8. Juli. Alle Infos unter: www.galopp-hamburg.de


Hannovers Sommernachtstraum
Buntes Spektakel in den Herrenhäuser Gärten: Bereits zum 29. Mal zieht es in diesem Jahr Tausende zum »Kleinen Fest im großen Garten«

Rechtzeitiges Kommen sichert gute Plätze! Schon früh drängen sich die Besucher, beladen mit Decken, Kissen und Picknickkörben, vor dem Einlass. Petrus meint es gut mit den Teilnehmern am „schönsten Ereignis des Jahres“, wie zwei Besucher aus dem nahen Hameln schwärmen, die es schon zum zweiten Mal geschafft haben, Karten für das „Kleine Fest im großen Garten“ in den Herrenhäuser Gärten zu ergattern, das in diesem Jahr vom 9. bis 27. Juli stattfindet. Es ist einer jener lauen Abende, wie man sie nicht oft in den nördlichen Breiten erlebt.

Die meisten Besucher haben sich in der Nähe der Großen Fontäne gesammelt, die ihren Wasserstrahl 70 Meter in den Himmel schießt, an dem bereits die ersten Sterne blinken. Davor liegt ein barocker Garten von einzigartiger Schönheit: Links und rechts akkurat beschnittene Hecken und in der Mitte Rasenflächen, die offenbar mit der Nagelschere gepflegt werden. Gerade zieht ein Pulk junger Leute in Phantasiekostümen vorbei. Die Mädchen tragen von Blüten umrankte Hüte, die Herren Rüschenhemden und bestickte Westen. Babylonisches Stimmengewirr, in das sich ferne Musikakkorde mischen.

Jeremy, ein Engländer, der schon seit Jahren in Norddeutschland lebt, ist begeistert von der entspannten Atmosphäre. Da blühen sogar die sonst eher reservierten Hannoveraner auf. „William Shakespeare hätte seine helle Freude an diesem Fest gehabt“, sagt er. Man könne sich sogar vorstellen, dass er seinen „Sommernachtstraum“, diese hinreißende Komödie, auf dem weitläufigen Areal inmitten der alten Bäume angesiedelt hätte.

Nur gab es die Parkanlage zu seiner Zeit noch nicht. Diesen Traum erfüllte sich Kurfürstin Sophie von Hannover gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als sie den zwei Kilometer langen und 1,4 Kilometer breiten Garten anlegen ließ. Inspiriert wurde sie von Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV., der sämtlichen Herrscherhäusern Europas als Vorbild für höfische Prachtentfaltung galt. Neben Wasserspielen, plätschernden Brunnen, Kaskaden, Garten-theater und Labyrinth gehört natürlich auch eine Grotte in diese barocke Zauberwelt. Ihr Inneres wurde von Niki de Saint Phalle, der Schöpferin der voluminösen bunten Frauenskulpturen, mit ebenso farbenfrohen wie schrägen Motiven ausgestaltet. Zwei auf „Nana“ getrimmte junge Frauen mit aufgesetzten riesigen Brüsten lassen sich neben der Grotte nieder und prosten sich lachend mit bis an den Rand mit Wein gefüllten Plastikbechern zu.

Erlaubt ist, was gefällt, an diesen lauschigen Sommerabenden von Herrenhausen. Die Auswahl an Veranstaltungen ist groß und macht die Wahl zur Qual. Ob Comedy, Musik, Artistik, Tanz oder Theater – auf insgesamt 30 Bühnen findet jeder Besucher etwas nach seinem Geschmack. Dieses Fest, das 1986 ganz bescheiden mit nur wenigen Künstlern begann und gerade einmal vier Tage dauerte, jährt sich dieses Jahr zum 29. Mal. Inzwischen ist es weit über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt und zieht eine wachsende Zahl international bekannter Künstler an. Unbestrittener Höhepunkt ist ein prächtiges Feuerwerk mit choreographiertem Defilee der teilnehmenden Künstler unter den Klängen der Musik von Georg Friedrich Händel, der die meiste Zeit seines Lebens in London unter welfischer Regentschaft verbrachte und als eine Art „Hofcompositeur“ fungierte.

Wenn Tausende von Besuchern unter freiem Himmel im großen Garten picknicken, tauchen gelegentlich Schauspieler auf, die die „Royals von Hannover“ in den prachtvollen Roben vergangener Epochen darstellen. So geschehen vor ein paar Jahren, als König George I. – welfischer Herrscher über Großbritannien und Irland ab 1714 mit bekanntermaßen äußerst bescheidenen Kenntnissen der englischen Sprache – sich das Picknick auf seinem königlichen Rasen mit wohlgesetzten Worten verbat. „Wieso denn das?“ fragten die Gäste in gespielter Empörung. „Picknicken ist doch ausdrücklich gestattet.“ No, no, antwortete George ungerührt. Ob denn niemand das Schild mit der Aufforderung „No pig in“ gesehen habe. Wer sagt’s denn. Die nüchternen Hannoveraner besitzen einen ganz besonderen Sinn für Humor, der jenem der Briten in nichts nachsteht. Uta Buhr


S. 22 Neue Bücher

Warnung vor zu viel Staat
Wie Bürger enteignet werden

„Um ihre eigene Haut zu retten, sind Regierungen und Finanzindustrie entschlossen, die Welt ohne Rücksicht auf Verluste zu plündern“, heißt es auf der Rückseite des Buchdeckels von „Die Plünderung der Welt. Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen“. Autor ist der Herausgeber der „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“ („DWN“) Michael Maier und auch, wenn den zusammengetragenen Fakten zumeist nicht zu widersprechen ist, so strengt der alarmistische Tonfall, der auch den „DWN“ eigen ist, auf die Dauer an. Mag sein, dass das wachsende Desinteresse in der Bevölkerung gefährlich ist, doch seit 2007 erfolgt die Plünderung nur schleichend und verdeckt, nie kam es bisher zum großen Knall, was wohl auch zu Ermüdungserscheinungen und einem Gewöhnungseffekt in der Bevölkerung geführt hat.

Maier allerdings ist noch hellwach. Und so warnt er vor der hemmungslosen Flutung der Welt mit wertlosem Papiergeld, die die „globale Feudalherrschaft“ betreibe, um die eigene Existenz zu erhalten. Ganz häufig taucht in den Ausführungen der Wert 0,123 Prozent auf, der dem Anteil der Weltbevölkerung entsprechen soll, der als Eigentümer von 43000 internationalen Konzernen 80 Prozent eben jener kontrolliere. Genau jene hätten den größten Einfluss auf die Staatenlenker dieser Welt. Daher sei es naiv zu glauben, viel Staat würde viel Gerechtigkeit bringen, je mehr der Staat sich in die Lebensbereiche der Menschen einmische, desto mehr bekämen auch die „Experten“ hinter ihnen Mitsprachemöglichkeiten. Das klingt schon arg nach Verschwörung, obwohl die Tendenz schon stimmen mag. Als Beispiel führt Maier die Rettung Griechenlands an, für die die Steuerzahler der Euro-Länder Milliarden garantierten, nur um Investoren griechischer Staatsanleihen vor dem Geldverlust zu bewahren.

Auch erwähnt Maier, dass die Staaten durch die Ausweitung ihrer Tätigkeitsfelder auch ihre Ausgaben erhöht haben, die zum Teil über Kredite finanziert wurden, die sie wiederum abhängig von den Finanzmärkten dieser Welt machen.

„Zuerst verschwindet die Moral. Schließlich das Recht. Und am Ende die Freiheit“, schreibt der Autor warnend. Und er betont, dass die nächsten Opfer der Plünderung der Welt Europas Sparer seien, die nie in ihrem Leben Schulden gemacht und sich stets wenig gegönnt hätten. Hier ist Maier jedoch bereits von der aktuellen Entwicklung überholt worden. Durch die von der EZB durchgesetzte Niedrigzinspolitik im Rahmen der Euro-Rettung ist dieses Szenario schon längst Realität.

Um die Plünderungen zu beenden, schlägt der Autor vor, die Staaten zu verschlanken. Das ist eine durchaus nachvollziehbare Idee, doch, und das betont Maier nur am Rande seiner Ausführungen: Die meisten Bürger wollen viel, ja sogar immer mehr Staat und sie wählen die Politiker, die ihre Enteignung protegieren und teilweise direkt betreiben. Auch begehren sie nicht gegen Institutionen wie die EZB, Fed oder den IWF auf. Da Maier mit seiner Neigung zu Überspitzungen manchmal die eigene Glaubwürdigkeit schmälert, ist sein Buch für die Aufklärung der Massen nicht unbedingt die richtige Medizin. Bel

Michael Maier: „Die Plünderung der Welt. Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen“, FBV, München 2014, gebunden, 284 Seiten, 19,99 Euro


Zeitzeugen das Wort gewährt
Einblicke in die Nöte der Deutschen während des Ersten Weltkriegs

Sven Felix Kellerhoff sagt selbst, dass er in seinem neuen Buch „Heimatfront. Der Untergang der heilen Welt – Deutschland im Ersten Weltkrieg“ „Geschichte in Geschichten“ bietet, also Augenblicksaufnahmen der Kriegszeit 1914 bis 1918 aus dem Inneren Deutschlands. Das wäre an sich ein uferloses Unterfangen, das Walter Kempowskis „Echolot“, das die Zeit 1943 bis 1945 umfassen sollte, in den Schatten stellen müsste. Dementsprechend bescheidet sich der Autor: Er verweist vorab auf die Darstellung der großen Zusammenhänge, wie sie in Jürgen Kockas „Klassengesellschaft im Krieg“ (1973) und im vierten Band von Hans-Ulrich Wehlers „Deutscher Gesellschaftsgeschichte“ ausgebreitet werden. Außerdem beschränkt er sich auf sechs überlegt ausgewählte Berichtsgebiete: Viersen und Umgebung an der niederländischen Grenze, Hildesheim, das unverzichtbare Berlin, Ostpreußen (wegen der besonderen Situation des russischen Eindringens dort 1914) sowie Freiburg und München in Süddeutschland.

Damit will Kellerhoff, in Ergänzung zu Kocka und Wehler, beschwören, wie Krieg sich „anfühlt“, und greift dafür auf Tagebücher, aktuelle Zeitungsartikel und anderes authentisches Material zurück – eine Annäherung an die in den Geschichtssendungen unseres Fernsehens nach US-Vorbild ausgebreitete „oral history“. Die mag dazu verleiten, den Wald vor lauter einzelnen Bäumen nicht mehr zu sehen, und entspricht damit dem beliebten Prinzip des „Infotainment“. Das ist immerhin auch eine Art, ein breiteres Publikum an historische Sachverhalte, wenn auch nicht unbedingt an historische Zusammenhänge, heranzuführen.

Die beiden letzten Kapitel, übertitelt „Revolution“ und „Dolchstoß“, bieten mehr an größerem Zusammenhang als die vorhergehenden, können aber anderswo mit deutlich mehr Substanz nachgelesen werden. Der ausschließlich deutsche Bezug der präsentierten Informationen entgeht nicht restlos dem Verdikt, das Christopher Clark zu Recht dem damals epochemachenden Werk Fritz Fischers vom „Griff nach der Weltmacht“ (1961) zukommen lässt: Es handelt sich doch um einen Weltkrieg, aber hier erfährt man nur etwas über spezifisch deutsche Befindlichkeiten. Das hat zur Folge, dass nur kurz angetippt wird, dass der berüchtigte Hungerwinter 1916/17, der „Rübenwinter“, ohne die völkerrechtswidrige britische Seeblockade nicht hunderttausende Hungertode gefordert hätte, und dieser Umstand wird sogar kleingeredet: „Doch allein konnten die Briten nicht verantwortlich sein für die Verhältnisse, denn mit dem Schleichhandel im Land hatten sie nichts zu tun.“ Was aber auch einen Hinweis gibt auf die schweren Defekte, die die Versorgung der Bevölkerung aus eigenem, binnen-deutschem Verschulden beeinträchtigten. Die Regierung bekam die zivile Kriegswirtschaft nicht in den Griff. Der Journalist Theodor Wolff sprach angesichts der vielen neuen Behörden, die die Verteilung lebensnotwendiger Güter reglementieren sollten, das aber nicht schafften, daher sogar von „Durcheinanderwirtschaftsämter“, und der Münchner Erich Mühsam amüsierte sich über die mangelnde Effizienz der sprichwörtlich guten deutschen Organisation.

Nur angedeutet wird, dass die ungleiche Verteilung der Lebensmittel den Sozialisten Auftrieb gab, die sagten, hier würde die Arbeiterklasse den Interessen der Kapitalisten ausbeuterisch hintangestellt. Etwas mehr hätte man gerne erfahren über die Auswirkungen des unter Hindenburgs und Ludendorffs Autorität Ende 1916 zustande gekommenen „Hilfsdienstgesetzes“.

Aber insgesamt kommt ein aussagestarkes Tableau zustande, das sich, wenn man das bei so einem Sujet sagen darf, kurzweilig liest und, da der Autor journalistische Erfahrung hat, der Falle entgeht, einfach einen Tagebucheintrag nach dem nächsten zu zitieren, ohne eigene Erzählung strukturierend dazwischenzuschalten. Der Untertitel vom „Untergang der heilen Welt“, den man auf den gesamten Krieg und seine historischen Auswirkungen beziehen könnte, wenn es denn jemals in der Geschichte tatsächlich eine „heile Welt“ gegeben hat, wird so für das deutsche Binnenland und seine – abgesehen von den radikalen Linken und der USPD – festgefügte Ordnung eindrucksvoll beschrieben. Bernd Rill

Sven Felix Kellerhoff: „Heimatfront. Der Untergang der heilen Welt – Deutschland im Ersten Weltkrieg“, Quadriga-Verlag, Köln 2014, 336 Seiten, 19,99 Euro


Aufruf zur Verweigerung
Medienforscher rät, nichtssagendes, umerziehendes Palaver zu ignorieren

Jahrzehntelang war Frank Böckelmann als freier Medienforscher tätig. So konnte ihm die zunehmende Entgrenzung des Gesprächs ins Palaver nicht entgehen. In seinem jüngsten Buch über den „Jargon der Weltoffenheit“ betrachtet er nicht nur die Tatsache, sondern zieht notwendige Schlussfolgerungen.

Ausgangspunkt des Bändchens ist der Essay „Eine Hegemonie der Linken?“, welcher zuerst 2008 in einer Festschrift für Günther Maschke erschien. Immer wieder wird behauptet und auch beklagt, die Gedanken von 1968 hätten gesiegt. Böckelmann meint, dass den schaurigen Machenschaften dieser neuen Ingenieuren der Seele „die Klassifizierung ,links‘ zu verweigern“ sei. Es war eher die Gedankenlosigkeit ihres Eifers, der die Protagonisten zu Vollzugshelfern einer großen Preisgabe werden ließ. Und wo die Politiker, die so wenig sorgfältig mit unseren Interessen verfahren, die Sprache zaghaft zum Nichtssagenden herunterschrauben, zum Beispiel mit der Ansprache der „Bürgerinnen und Bürger“, da plädiert Frank Böckelmann letztlich für die Verweigerung und Selbstwahrnehmung als Volk. Die Anpreisung westlicher Wertideen wie „Entgrenzung“, „Chancengleichheit“ oder „Toleranz“ befreie zudem den Menschen nicht; vielmehr raube sie ihm die soziale Dimension des Lebens. Am Ende stehe das marktkonforme Individuum, gezwungen, sich selbst zu verwerten.

Dieses Buch ist bei aller Illusionslosigkeit ein großer Mutmacher. „Statt alle Welt auf das Gebot der Nächstenliebe zu verpflichten, lieben wir unsere Nächsten wie uns selbst, also zunächst einmal gar nicht, und beginnen füglich (nachts erwachend), das Unsere zu entdecken.“

Hier ist das Brevier eines biegsamen, heiteren Konservativismus entstanden, wie er erforderlich ist, um sich nicht unnötigerweise von der herabstürzenden toten Masse des bereits Erledigten überwalzen und in die Tiefe ziehen zu lassen. Böckelmann lädt dazu ein, sich von der Umklammerung mit diesem Scheingegner zu lösen und der eigenen unverminderten Stärke und Selbstherrlichkeit inne zu werden. Böckelmanns „Jargon“ ist eine aktuelle Fortschreibung von Victor Klemperers „Lingua Tertii Imperii“ über die Sprachregelungen der Nationalsozialisten. Die Jury des deutschen Buchhandels erkannte dem Bändchen im Juni den Platz vier der besten Sachbücher zu. Sebastian Hennig

Frank Böckelmann: „Der Jargon der Weltoffenheit“, Manuskriptum, Waltrop 2013, broschiert, 136 Seiten, 9,80 Euro


Erzwungener Sommerurlaub
Schilderung des Dichtertreffens deutscher Exilautoren im belgischen Seebad Ostende 1936

Das Buch „Ostende 1936. Sommer der Freundschaft“ über ein Treffen deutscher Exilschriftsteller in dem belgischen Seebad drei Jahre vor Kriegsbeginn liest man mit gemischten Gefühlen. Der Autor Volker Weidermann, 1969 in Darmstadt geboren und als Literaturredakteur in Berlin lebend, musste beim Schreiben dieser 150 Seiten zwei Gefahren ausweichen: Er durfte einmal nicht den allwissenden Erzähler spielen, der die inneren Beweggründe seiner Figuren kennt, sonst hätte er, was er nicht wollte, einen Roman schreiben müssen. Der Autor behilft sich mit Zitaten aus Briefen und Interviews. Und zweitens durfte er nicht aus der Sicht des rückblickenden Historikers im Jahr 2014 schreiben, der weiß, wie die Geschichte weiterging mit Zweitem Weltkrieg und Judenvernichtung. Die Beschreibung, wie das Leben seiner Figuren nach 1936 verlief, hat er deshalb unter dem Titel „Mystery Train“ in den Anhang verbannt.

Beide Gefahren hat er halbwegs vermieden bei seiner Schilderung des sommerlichen Dichtertreffens an der Nordseeküste, wo die unterschiedlichsten Autoren aufeinandertreffen, miteinander diskutieren und wieder abreisen.

Seine beiden Protagonisten sind der damals schon vielgelesene Schriftsteller Stefan Zweig (1881–1942), der aus dem Wiener Judentum stammte und 1927 mit seinen historischen Miniaturen „Sternstunden der Menschheit“ berühmt wurde, und Joseph Roth (1894–1939), der Verfasser des Romans „Radetzkymarsch“ (1932), geboren im damals noch österreichischen Galizien. Zwischen diesen beiden Schriftstellern aus dem einstigen Großreich der Habsburger, die gegensätzlicher nicht hätten sein können, bestand eine enge Freundschaft. Roth, der dem Trinken verfallene „Ostjude“, steckte immer in Geldnot und wurde von dem reichen, gepflegt und weltmännisch auftretenden Zweig, der mit seiner Sekretärin und Geliebten Lotte Altmann aus London angereist war, finanziell und auch sonst unterstützt. Sie lasen einander ihre Manuskripte vor und waren unerbittlich in ihrem Urteil. Die dritte im Bunde war Irmgard Keun (1905–1982), Verfasserin zweier gesellschaftskritischer Romane 1931/32, die von den Nationalsozialisten 1933 verbrannt wurden. Sie ging für vier Jahre ins Exil, begegnete 1936 Roth in Ostende, mit dem sie zwei Jahre ein Verhältnis hatte, kehrte 1940 mit gefälschtem Pass nach Köln zurück und lebte fünf Jahre im Untergrund.

Ergänzt wurde diese Autorenrunde, die misstrauisch und voller Angst die Entwicklung in Deutschland beobachtete, durch an- und abreisende Kollegen wie den „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch (1885–1948), der 1940 nach Mexiko emigriert und 1948 in seiner Heimatstadt Prag starb; wie Ernst Toller (1893–1939) aus der preußischen Provinz Posen, der nach fünf Jahren Festungshaft in Landsberg am Lech viel gespielter Dramatiker auf deutschen Bühnen wurde, dessen Autobiografie „Eine Jugend in Deutschland“ (Amsterdam 1933) aber schon im Exil erschien und der sich 1939 in einem New Yorker Hotel erhängte; wie Arthur Koestler (1905–1983), der nach dem Spanischen Bürgerkrieg 1936/39 vom Kommunismus abfiel und den Roman „Sonnenfinsternis“ (1940) veröffentlichte; und wie Hermann Kesten (1900–1996), Jude aus Galizien wie Roth und Verfasser historischer Romane, der die erste Joseph-Roth-Ausgabe (1956) edierte und einen Band mit Briefen emigrierter Autoren „Deutsche Literatur im Exil“ (1964).

Und noch einer saß mit am Tisch im Café Flore in Ostende: Der kommunistische Verleger und Pressezar Wilhelm Münzenberg, geboren 1889 in Erfurt, der 1926 die äußerst erfolgreiche „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ gegründet hatte und 1939 aus der KPD ausgetreten war wegen der Moskauer Prozesse. Im Herbst 1940 wurde er in einem Wald in Südfrankreich erhängt aufgefunden.

Es herrschte eine merkwürdige Stimmung unter diesen Schriftstellern drei Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Niemand wusste, was kommen sollte, nur wir nachgeborenen Leser wissen es, und so lesen wir dieses Buch mit dem Wissen vom Untergang einer Welt, wie sie Zweig in seinem Todesjahr 1942 in seiner Autobiografie „Die Welt von gestern“ beschrieben hat. J. B. Bilke

Volker Weidermann: „Ostende 1936. Sommer der Freundschaft“, Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2014, geb., 160 Seiten, 17,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
»Machen wir es kurz« / Warum »Was bin ich?« eine Neuauflage braucht, warum es nur noch »weiblich« und »nicht-weiblich« gibt, warum das Geschlecht wurscht ist

Was waren das für Zeiten, als man mit ein paar Nummernschildern, einem Gong und einem Sparschwein Generationen von Fernsehzuschauern unterhalten konnte! Nicht, dass heute jede Show üppiger ausgestattet wäre. Aber das blitzende Blendwerk, mit dem jede dürftige Albernheit zum Super-Mega-Event aufgeblasen werden soll, das gab es noch nicht, als Robert Lembke schlicht fragte: „Was bin ich?“ Die Frage war ein ebensolcher Dauerbrenner wie heute „Wer wird Millionär?“ Immerhin fragte Robert Lembke zwischen 1955 und 1989 „Was bin ich?“ Solch einen Dauerbrenner soll der Günther Jauch erst einmal schaffen. Da sähe er ganz schön alt aus.

Vielleicht sollte man wegen des großen Erfolges und der geringen Herstellungskosten (was allerdings bei der verordneten Fernseh-zwangsabgabe weniger ins Gewicht fällt) eine neue Auflage des familienfreundlichen Ratespiels „Was bin ich?“ prüfen. Allerdings dürfte dann nicht mehr wie einst schlicht nach ein paar mehr oder weniger simplen Berufen gefragt werden. Was und ob überhaupt einer arbeitet, das interessiert doch nur das Finanzamt und manchmal auch die Jobbörse. Arbeit ist kein Spaßfaktor. Das müsste sich der Robert Lembke abschminken. Jeder Werbefuzzi weiß: Sex sells. Das heißt im Klartext: Über Sex lässt sich alles verkaufen. So funktioniert Werbung für Anfänger. Wer es nicht glaubt, der muss nur einen Abend lang die gnadenlos blöde Fernsehwerbung über sich ergehen lassen.

Was bedeutet das nun für Robert Lembke reloaded? Müsste Robert Lembke sexy werden? Bloß nicht! Jede(r) Würmerfresser(in) im Dschungelcamp würde ihn ausstechen. Die Zukunft ist geschlechtslos. Glücklicherweise sind wir noch nicht in der Zukunft angekommen, aber Meilensteine weisen den Weg dorthin. Die Gender-Saat keimt auf. Ausgerechnet auf dem Stillen Örtchen wurde vor etwa einem Jahr lautstark Pionierarbeit geleistet. In Berlin-Friedrichshain und anderswo. Für alle, die mit gemischten Gefühlen nach dem Motto leben „Ob Frau, ob Mann, darauf kommt es gar nicht an“, machte die Gender-Speerspitze Druck für die Unisex-Toilette. Damit sich niemand mehr entscheiden müsse, in welches Becken es sich schöner pinkelt. Doch die Welt wurde mit dieser Diskussion noch nicht aus den Angeln gehoben.

Was hat das nun mit Robert Lembke und dessen heiterem Ratespiel „Was bin ich?“ zu tun? Genau! Sie ahnen es schon. Aber so richtig deutlich dürfte Ihnen die neue Spielidee erst werden, wenn Sie den Fragebogen kennen, mit dem die Grüne Jugend, die Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen, im Internet um neue Mitglieder wirbt. Da will man von den Interessenten oder Kandidaten wissen, was man allgemein so wissen will, also Name, Anschrift, Geburtsdatum, Telefon- und Handynummer. Die Kontonummer auch. Alles ganz genau. Und dann ist da noch die Frage nach dem Geschlecht, die ist in solchen Fragebögen ja auch keineswegs unüblich. Die Grüne Jugend jedoch fragt anders. Sie lässt nicht die Wahl zwischen „weiblich“ und „männlich“. Sie erweitert das Spektrum auch nicht, wie es sich auf den Bewerbungsbögen einiger englischer Eliteuniversitäten eingeschlichen hat. Dort gibt es drei Kästchen zur Wahl. Ankreuzen kann der Bewerber: „Mann“, „Frau“ und „Sonstiges“. Was jedoch wirklicher Fortschritt ist, macht die Grüne Jugend vor. Zwar belässt sie es bei zwei Möglichkeiten, doch hat der/die/das Interessent lediglich die Wahl zwischen „weiblich“ und „nicht-weiblich“. So schneidet man wirklich alte Zöpfe ab!

Offenbar wirkte dieser scharfe Schnitt auf einige sensible, ängstliche Gemüter wohl doch etwas zu radikal. Ein gutes Jahr nachdem der keineswegs geschlechtsneutrale Bewerbungsbogen ins Internet gestellt worden war, schob man eine Erklärung hinterher. Oder das, was Verfasserin „Judith“ für eine hinreichende Antwort „auf die Frage, warum das Formular nur zwischen ‚weiblich‘ und ‚nicht-weiblich‘ unterscheidet“, hält.

„Um es kurz zu machen …“, leitet Judith ihre Erklärung ein. Ja, hat sie denn nicht kapiert, dass es genau das ist, wovor die Jungs Angst haben? Jungs wollen nichts kurz machen lassen! Egal, darauf kann Judith keine Rücksicht nehmen. Denn es „ist das Ziel, die Diskriminierung zu bekämpfen“. Ja wunderbar, das ist verdienstvoll. Diskriminierung herrscht, wohin man schaut. Judith will die „Diskriminierung von Frauen“ bekämpfen, indem sie den Frauenanteil misst. Und den anderen Teil unter „Sonstiges“ verbucht, vielleicht unter „Andersartige“. Falsch, die „Andersartigen“ sollen auch geschützt werden, jedenfalls der schützenswerte Teil unter ihnen. Darum will Judith selbstverständlich auch alle vor Diskriminierung bewahren, „die sich in dem Mann-Frau-Schema nicht wiederfinden können oder wollen“. Dazu zählt Judith insbesondere Intersexuelle, Transsexuelle und Transgender. Welche Spielarten unter diesen Bezeichnungen zu finden – und vor allem zu schützen – sind, Judith wird es wissen.

Bei wem nun der Verdacht aufkeimt, mit der Zuordnung „weiblich, nicht-weiblich“ könnte jener männliche Teil der Bevölkerung, der scheinbar immer noch nicht klein genug gehalten wird, diskriminiert werden, der irrt. Wie kann man nur auf solch einen Verdacht kommen! Judith entscheidet: „Eine Diskriminierung von Männern und Jungen liegt durch eine solche Abfrage keinesfalls vor.“ Aha, wer diskriminiert wird, bestimmen Judith und Freundinnen (beiderlei Geschlechts)! „Weder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch andere wissenschaftliche Quellen liefern dazu Anhaltspunkte.“

Sehen Sie nun, warum diese Entwicklung geradezu zu einer Neuauflage des Ratespiels „Was bin ich?“ aufnötigt? Aber es kommt noch besser. Die Spielregeln lassen sich unglaublich verfeinern. Bei Robert Lembke war es üblich, dass der zu erratende Kandidat seinen Namen an eine Tafel schrieb. Mit „Hans“ und „Brigitte“ funktioniert das neue Spiel leider nicht. Doch zum Glück sind die Zeiten vorbei, als aus einem Vornamen eindeutig das Geschlecht zu erkennen war. Dem hat das Bundesverfassungsgericht schließlich schon 2008 einen Riegel vorgeschoben, indem es feststellte, es gebe keine gesetzliche Grundlage dafür, dass ein Vorname nicht ausschließlich geschlechtsneutral sein dürfe. Da kann man nun wählen, ob die Tochter oder der Sohn Bäter, Curley, Yannie, Sina oder Kim heißen soll. Zu erkennen ist aus diesen Namen nichts. Das ist Fortschritt, endlich ohne die Last des falschen Vornamens durch das Leben gehen zu können. Und was eröffnete das für tolle Möglichkeiten für das Ratespiel „Was bin ich?“! Wenn dann man/frau schließlich auch noch mit einer Unisex-Frisur aufträte, dann, ja dann könnte die Grüne Jugend darauf verzichten, zwei Kästchen zur Entscheidung anzubieten. Dann genügt endlich ein Kästchen.

Damit wären wir bei jener Kunstfigur angekommen, die sich Conchita Wurst nennt, weil nach ihrer Erkenntnis das Geschlecht „vollkommen Wurscht“ ist. Wo würde die/der sein Kreuz im grünen Fragebogen machen? Weiblich? Nicht weiblich? Ist auch egal. Oder vielleicht auch nicht, Wenn der/die/das Gewinner des europäischen Sing-Sang-Trallalas in den Medien zitiert wird – und wirklich wichtige Leute wie Conchita Wurst werden gerne und viel zitiert –, dann spricht der politisch korrekte Journalist von „ihr“, dann wird „sie“ zitiert. Jedenfalls, bis aus Conchita Wurst wieder ein Hans Wurst geworden ist.

Auf diese wichtigen Dinge hinzuweisen war einfach notwendig in diesen Wochen des Testosteron-Festivals mit dem Namen Fußball-Weltmeisterschaft. Die Jungs mit dem starken Bums, die sich aufspielen, als gehörten sie nicht zu dem absonderlichen Rest, welcher der Rubrik „nicht-weiblich“ zuzuordnen ist, sie beherrschen die Schlagzeilen nur für kurze Zeit. Dann können sie ihre bunten Schuhe wieder an den Nagel hängen. Nie wieder wird ein Mann wie bei Robert Lembke eine Frau fragen dürfen: „Könnte ihr Beruf auch von einem Mann ausgeführt werden?“ Die einzig gültige Antwort wäre: Das ist doch Wurscht.

Hans Heckel ist bis zum 7. Juli im Urlaub.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Bock will Gärtner werden

Itzehoe – „Der Bock will sich zum Gärtner machen“, kommentiert die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz den Plan des ehemaligen Chefs des insolventen Windparkunternehmens Prokon, Carsten Rodbertus, sich auf der Gläubigerversammlung zum Interessenvertreter der Genussschein-Inhaber wählen zu lassen. Er will also jene Kleinanleger vertreten, deren Geld er achtlos verwaltet hat und denen er vor wenigen Wochen mit Insolvenz gedroht hatte, falls sie ihr Geld abziehen sollten. Bel

 

Geld statt Asyl

Canberra – Australien bietet Asylbewerbern, die ihren Antrag zurückziehen, Geld als Anreiz. Innenminister Scott Morrison zeigte sich verwundert, dass die Medien jetzt das Thema aufgreifen, denn diese Praxis werde bereits seit zehn Jahren durchgeführt, doch selbst nach der Verdreifachung der Beträge sei der Erfolg mäßig. Monatlich ließen sich nur einige hundert zum Rückzug bewegen. Der Maximalbetrag liegt bei rund 6900 Euro. Die Kosten für einen Asylbewerber liegen bei etwa 30000 Euro jährlich. Bel

 

Zerstörerisch wie Isis

Der Name des Sündenbocks steht für die US-Regierung und viele Medien fest: Nuri al-Maliki. Der irakische Ministerpräsident soll die Schuld an dem Vormarsch der islamistischen Isis-Truppen tragen, da es dem Sunniten nicht gelungen sei, seit Beginn seiner Amtszeit 2006 Schiiten und Kurden mit in die Führung des Landes einzubinden, ja, er vielmehr seit seiner Wiederwahl 2010 sogar jene, die Einfluss hatten, aus den entsprechenden Positionen verdrängt habe.

Dies entspricht zwar der Wahrheit, doch ist er nicht der alleinige Grund dafür, dass die Isis zu der Bedrohung wurde, die sie jetzt ist. Sie hat in Syrien ihre Basis und konnte indirekt durch die USA unterstützt, verdeckt unter der Kategorie Rebellen, gegen Baschar al-Assad ihre Kräfte sammeln. Ähnlich wie Maliki. Nach Abschluss seines Masters für arabische Literatur an der Universität Bagdad entdeckte der 1950 Geborene sein Interesse für Politik und Islam gleichermaßen. Er schloss sich der interessanterweise schiitisch ausgerichteten Islamischen Dawa-Partei an, worauf er offen in Opposition zu Diktator Saddam Hussein ging. Deswegen zum Tode verurteilt, konnte er erst in den Iran und später nach Syrien fliehen, von wo aus er den Widerstand gegen Hussein koordinierte. Als dieser gestürzt wurde, wurde Maliki 2005 über die Schiitische Allianz ins neue irakische Parlament gewählt. Sein Aufstieg begann – und er wurde zum Feind seiner einstigen Unterstützer.

„,Neuer Saddam‘“ von US-Gnaden“ schrieb die PAZ vor einigen Monaten über Maliki, der Premier, Innenminister, Oberkommandierender der Armee, Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Verteidigungsminister und Chef der Geheimdienste ist. Bel


MEINUNGEN

„Weniger Europa wäre hilfreich“, meint Ashoka Mody, Wirtschaftsprofessor in Princeton, im „Handelsblatt“ vom 17. Juni:

„Statt vorwärtzustolpern, könnte die europäische Solidarität durch tiefer werdende Gräben aufgebrochen werden, die dann unwiderruflich vernichten, was so schmerzlich erreicht wurde. Vorbeugende Politik wäre angeraten, um zu verhindern, dass das politische Durcheinander sich zu einer nicht mehr handhabbaren Krise steigert. Um an langfristigen Zielen der europäischen Politik wie der Freizügigkeit festhalten zu können, ist eine wohlüberlegte Dezentralisierung notwendig. So wird der Zusammenstoß nationaler Interessen verhindert. Entscheidend wäre es, die aufwendige und ineffiziente Finanzaufsicht zurückzunehmen, Ländern mehr Verantwortung für ihre Finanzpolitik zuzugestehen und es den Märkten zu überlassen, mit dem Risiko von Krediten unsicherer Staaten umzugehen.“

 

 

Dirk Kurbjuweit ärgert sich im „Spiegel“ vom 16. Juni über Martin Schulz:

„Was mich ärgert, ist das Gebaren von Martin Schulz, ist die Erwartung in der SPD, er brauche eine Belohnung für seine Verdienste im europäischen Wahlkampf. In Wahrheit hat er den Schlamassel, in dem Europa steckt, angerichtet. Sein Ehrgeiz schadet der Union ... Martin Schulz hat vor einiger Zeit beschlossen, dass er Präsident der EU-Kommission werden will. Er erfand daher die Spitzenkandidatur für sich und ließ verbreiten, dass der Wahlsieger Präsident der Kommission werden müsse. Etwas widerwillig ernannten auch die Konservativen einen Spitzenkandidaten, Jean-Claude Juncker ... Jetzt soll Schulz mit einem Amt in der Kommission belohnt werden. Wofür?“

 

 

In der „FAZ“ vom 17. Juni kommentiert Philip Plickert das Rotationsprinzip bei der EZB, nach dem Deutschland ab 2015 im Rat der Zentralbank alle fünf Monate ohne Stimmrecht ist:

„Die Bundesbank hat rund 27 Prozent des EZB-Kapitals eingezahlt und haftet entsprechend, falls die Geldpolitik mit den gewaltigen riskanten Not- und Target-Krediten schiefgeht. Trotzdem hat die Bundesbank nur eine Stimme – also formal genauso viel wie die Zwergstaaten Malta oder Zypern, die nur winzige Kapitalanteile halten. Es wäre notwendig, den faktischen Einfluss der Bundesbank auf die Geldpolitik zu stärken. Die Bundesregierung schreckt davor zurück, weil sie eine neue EU-Vertragsdebatte scheut, die das Stabilitätsmandat der EZB weiter aufweichen könnte. Das zeigt, auf was für eine schiefe Ebene die Euro-Währungsunion mittlerweile gerutscht ist.“

 

 

Vera Lengsfeld kritisiert auf „eigentümlich frei“ die geheuchelte Überraschung über Zwangsarbeit in der DDR:

„Berichte von freigekauften Häftlingen über Zwangsarbeit für westdeutsche Firmen wie Quelle, Salamander, Neckermann, Schiesser, Beiersdorf, Underberg, Varta, Thyssen und Siemens, um nur einige zu nennen, wurden von der westdeutschen Öffentlichkeit und den betroffenen Unternehmen weitgehend ignoriert. Für die Zwangsarbeit ist in erster Linie die SED verantwortlich, aber die beteiligten Firmen haben zumindest eine moralische Mitschuld.“