16.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 30/14 vom 26.07.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Extreme selbst geschaffen
Anti-jüdische Demonstrationen erschüttern Politiker und Medien

Wer jedoch zuvor Kritik am Antisemitimus muslimischer Zuwanderer geäußert hatte, war als islamophober Rassist abgeurteilt worden.

Die Welle gewalttätiger und hasserfüllter judenfeindlicher Kundgebungen in Deutschland wie in vielen anderen europäischen Ländern hat Schock und Empörung ausgelöst. Zum Anlass hatten die Demonstranten den Gaza-Konflikt genommen. Bei den Ausschreitungen rückte jedoch etwas ganz anderes in den Mittelpunkt: blanker Judenhass.

Politiker geben sich entsetzt, dass die Polizei kaum oder gar nicht eingeschritten sei, als die Demonstranten Parolen wie „Jude, Jude, feiges Schwein“ grölten oder die Juden „ins Gas“ wünschten.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Sven Kindler berichtet, wie er als Teilnehmer einer Gegendemonstration von anti-jüdischen Demonstranten sofort angegriffen worden sein und warf der Polizei „Versagen“ vor. In Essen mussten Pro-Israel-Demonstranten von der Polizei vor gewalttätigen Pro-Palästina-Marschierern in Sicherheit gebracht werden. Ähnliches ereignete sich in etlichen Städten.

Das ist nicht hinzunehmen und doch macht die öffentlich vorgetragene Empörung nachdenklich. Was hier so viel Aufmerksamkeit erregt, ist für Teilnehmer bürgerlicher Kundgebungen, zuletzt etwa aus den Reihen der AfD, fast schon Alltag. Unzählige Male sind sie Opfer gewalttätiger, extremistischer Übergriffe geworden. Nur dass die Attacken entweder beschwiegen oder gar mit medialer Häme und klammheimlicher Freude ihrer politischen Gegner quittiert wurden statt mit dem angemessenen Protest. Diese Duldsamkeit gegen Gewalt und Fanatismus machen sich nun Antisemiten zunutze.

Zudem: Dass die Polizei lieber wegschaut oder „deeskaliert“, statt gegen Gewalttäter und Hassparolen-Brüller vorzugehen, das entstammt einem politischen Druck, den insbesondere Politiker des Lagers von Sven Kindler aufgebaut haben. Nun bekam er einmal selbst die Folgen zu spüren und beschimpft – die Polizei.

Wie kommt es, dass sich islamistische Judenhasser in Deutschland derart weit hervorwagen? Antwort: Sie wurden massiv ermutigt. Wer Unbehagen hinsichtlich der sprunghaften Ausbreitung des Islamismus in unserem Land äußert oder einen Moscheebau nicht unbesehen gutheißt, der wird öffentlich als „islamophober Rassist“ gebrandmarkt. Auf Rückendeckung des Zentralrats der Juden darf er dabei ebenso wenig hoffen wie auf die Hilfe derjenigen, die nun die Empörten und Überraschten mimen. Im Gegenteil.

Eigentlich müssten die Ereignisse Anlass genug sein, die indifferente „Offenheit“ gegenüber allem und jedem, was oder wer nach Deutschland kommt, sowie den besinnungslosen Singsang von der „Bunten Republik“ kritisch zu beleuchten. Ebenso sollte die politisch gewollte Zurückhaltung gegenüber gewalttätigen Fanatikern ein Ende haben. Die Chancen stehen für beides schlecht. Hans Heckel


Bankkunde wird gläsern
Dutzende Staaten tauschen ab 2017 alle wichtigen Kundendaten aus

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schafft den gläsernen Bankkunden. Damit wollen ihre Mitgliedsländer, darunter große Industriestaaten wie Deutschland und mehrere als „Steueroasen“ geltende Länder, unter anderem verhindern, dass sie wegen Verstößen gegen US-amerikanische Steuervorschriften mit Sanktionen aus Washington belegt werden.

Der Plan sieht vor, dass ab 2017 die Staaten automatisch Kundendaten untereinander austauschen. Banken und Finanzinstitute sollen dann Identität, Kontostand, Zinseinkünfte, Firmenbeteiligungen und weitere Einkommen erfassen und an die nationalen Finanzbehörden melden. Diese wiederum geben die Daten einmal im Jahr an alle Staaten weiter, die sich an dem Informationsaustausch beteiligen. Die einzelnen Staaten sind aufgefordert, Gesetze zu schaffen, die Strafen für Banken vorsehen, die diese Aufgabe nicht sorgfältig erfüllen. Sanktionsmöglichkeiten gegen Länder, die den Informationsaustausch nicht ordentlich durchführen, sind dagegen zunächst nicht vorgesehen. Die Beteiligung an dem Informationsaustausch soll nicht auf die OECD-Mitgliedsstaaten beschränkt bleiben. Selbst die Schweiz hat zugesagt, der Initiative beizutreten. Als einzige große „Steueroase“ fehlt jetzt nur noch China, mit dessen Regierung bereits entsprechende Gespräche geführt werden.

Auch die deutsche Finanzverwaltung geht einen neuen, verfassungsrechtlich indes nicht unumstrittenen Weg, um noch mehr Geld in die Kassen zu bekommen. Wie die „Bild“ meldet, überwacht der Zoll am Frankfurter Flughafen heimlich Prominente und Politiker. Ankunft und Abreise sowie alle Sachverhalte in Bezug auf deren Kontrolle sind einer schriftlichen Anweisung zufolge unverzüglich an das Bundesfinanzministerium zu melden. J.H.


Engagement mit Risiko
Gericht: Entsendestaat haftet, wenn seine UN-Soldaten versagen

Die Tatsache, dass durch den Abschuss der malaysischen Verkehrsmaschine erstmals im Ukraine-Konflikt ausländische Opfer zu beklagen sind, hat den Blick der Weltgemeinschaft plötzlich dahin gelenkt, wo beispielsweise nach australischem Verständnis allenfalls der schummrige Hinterhof Europas liegt. Nun werden sogar Rufe nach einer UN-Friedenstruppe laut, die den blutigen Konflikt beenden soll. Nachdem Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ihre große Sympathie für eine deutsche Beteiligung bei zukünftigen UN-Einsätzen bekundet hat (siehe PAZ 27/2014), ist anzunehmen, dass die Bundeswehr bei einem UN-Mandat für die Ukraine in vorderster Reihe mitmarschieren würde.

Jede Regierung, die sich mit dem Gedanken trägt, Blauhelm-Soldaten zur Verfügung zu stellen, sollte sich das indes gut überlegen, denn ein solches Engagement könnte sie teuer zu stehen kommen. Ein Gericht in Den Haag hat jetzt den niederländischen Staat für den Tod von 300 Menschen in Srebrenica (Bosnien-Herzegowina) im Juli 1995 zivilrechtlich verantwortlich gemacht. Damals waren muslimische Männer von bosnisch-serbischen Milizen aus dem Lager des niederländischen UN-Bataillons abtransportiert und später ermordet worden. Die den Angreifern militärisch hoffnungslos unterlegenen Blauhelme leisteten dagegen keinen wirksamen Widerstand, nachdem ihr Kommandeur massiv eingeschüchtert worden war. Damit trage der niederländische Staat eine Mitschuld am Tod der 300 Männer und schulde den Hinterbliebenen Schadenersatz, so das Gericht.

Dieses Urteil zeigt, dass jeder UN-Truppensteller über den möglichen Verlust von Menschen und Material hinaus ein hohes finanzielles Risiko eingeht, für das die Uno im Fall des Falles nicht eintritt. J.H.


Jan Heitmann:
Nur gemeinsam

Möglicherweise wird nie wirklich ans Licht kommen, wer für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine verantwortlich ist. Gegen eine russische Täterschaft spricht, dass Putin kein Interesse an einer solchen Katastrophe haben kann. Ein Abschuss von russischem Territorium aus scheidet ohnehin wegen der Entfernung aus. Auch würde dem professionell agierenden russischen Militär kein irrtümlicher Abschuss einer Zivilmaschine unterlaufen. Die einzige Partei, der man ein Motiv unterstellen könnte, wäre die ukrainische Regierung. Immerhin wäre es denkbar, dass sie eine solche Tat begehen würde, um sie der Gegenseite anzuhängen und so ihrem Verlangen nach Unterstützung durch die Nato-Staaten gewissermaßen Brandbeschleuniger beizugeben. Andererseits wäre ein solcher Plan so perfide, dass er, sollte er auffliegen, der Regierung in Kiew irreversible internationale Ächtung einbringen würde − ein Plan mit unkalkulierbarem Risiko. Tatsächlich führen die Spuren zu den prorussischen Separatisten. Welches Interesse sie an einem solchen Zwischenfall haben sollten, ist indes nicht erkennbar. Deshalb ist es am wahrscheinlichsten, dass militärisch dilettantische Hitzköpfe am Abzug saßen, die erst schießen und dann nachdenken.

Putin muss erkennen, dass er die Kräfte, die mit seiner Hilfe freigesetzt wurden, nicht mehr beherrscht. Jetzt kann er zeigen, dass es ihm mit einer friedlichen Lösung ernst ist, indem er den Nachschub an Waffen und Kämpfern in die Ostukraine stoppt. Der „Westen“ wiederum sollte sich vor Sanktionsreflexen gegen Russland und Waffenlieferungen an Kiew hüten. Denn eine friedliche Lösung wird nur gemeinsam mit Putin gelingen.


S. 2 Aktuell

Sozialkosten bald außer Kontrolle?
Erschreckende Steigerungen im Bereich Soziales: Bund, Länder und Kommunen im Zwist, wer was zahlt

Jahr für Jahr erklimmen die Sozialausgaben des Staates einen neuen Rekordwert. 2013 wurden bereits über 800 Milliarden Euro aufgewendet, für 2017 wird bereits mit über 900 Milliarden Euro gerechnet. Doch wohin fließt das Geld?

Bei Sozialausgaben denken die meisten Deutschen sofort an Hartz IV. Allerdings betrugen die Hartz-IV-Leistungen 2013 nur 33,7 Milliarden Euro. Zudem ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger im erwerbsfähigen Altern in den letzten Jahren zurückgegangen. Waren es vor fünf Jahren noch über fünf Millionen, sind es jetzt nur noch 4,4 Millionen, auch wenn es derzeit so aussieht, als würde die Zahl in diesem Jahr wieder leicht ansteigen.

Die beiden größten Kostenpunkte und auch Kostentreiber bei den Sozialausgaben betreffen die beiden größten Sozialversicherungen. Die Ausgaben der Rentenversicherung und Krankenversicherung steigen von Jahr zu Jahr und werden es aufgrund der Alterung der deutschen Gesellschaft verständlicherweise auch in Zukunft tun. Trotzdem verwundert es, dass auch fast 50 Prozent des Bundeshaushaltes, der rund 300 Milliarden Euro umfasst, in den Bereich Soziale Sicherung fließen. Aufgrund der Erholung am Arbeitsmarkt entwickeln sich die Ausgaben für den Bereich Arbeit zwar derzeit im Sinne des Bundes, der Bereich Soziales hingegen steigt stark an und das nicht nur, weil der Bund unter anderem über 80 Milliarden Euro aus Steuermitteln in die Rentenversicherung und rund zehn Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds zuschießt. Gut 1,6 Prozent des gesamten Bundeshaushalt machten 2013 die Positionen Elterngeld, Erziehungsgeld und Mutterschutz aus und zu einem immer größeren Posten werden die Zahlungen, die der Bund an die Bundesländer überweist, um so die steigenden Belastungen der Länder, aber auch der ihnen unterstehenden Städte und Gemeinden zur Deckung der von ihnen zu tragenden sozialen Leistungen abzumildern.

Vor allem aus den Kommunen wird der Ruf nach Unterstützung vom Bund immer lauter. „Bei den Ausgaben für Sozialleistungen der Kommunen ist die Steigerung höher als noch vor einem Jahr erwartet und mit einem prognostizierten Anstieg um mindestens 1,8 Milliarden Euro pro Jahr eine enorme Belastung“, warnt der Präsident des Deutschen Städtetages, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly. Mussten 2013 noch 47 Milliarden Euro für soziale Leistungen aufgebracht werden, wird für das Jahr 2017 bereits mit 54 Milliarden Euro gerechnet. Dieser Bereich macht gut ein Viertel der gesamten kommunalen Ausgaben aus und steigt schneller als die auch dank guter Steuerentwicklung ebenfalls steigenden Einnahmen. Wobei man wissen muss, dass das Geld, das in die Kassen der Kommunen fließt, nur zu rund 40 Prozent aus kommunalen Steuern kommt. Der größte Teil besteht aus Überweisungen von den Ländern, die wiederum zu einem großen Teil für die Kommunen bestimmte Bundesmittel weiterleiten, was laut Klagen jedoch nicht eins zu eins geschieht, da angeblich die Länder Teile der für Städte und Gemeinden bestimmten Gelder abzweigen. Wie viel Geld von Bund und Ländern für welche soziale Leistung an die Kommunen geht, ist jedoch im Grunde nicht nachvollziehbar, da die Beträge nicht dem jeweiligen Bereich, für den sie bestimmt sind, zugeschrieben werden, sondern als bloße Einnahme verbucht werden. Das hat zur Folge, dass die Sozialkosten der Städte und Gemeinden immer weiter steigen, die Nettobelastung dank Unterstützung von Bund und Ländern jedoch möglicherweise sinkt, doch Genaues ist aufgrund der Intransparenz der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen nicht ersichtlich. So seien eben die „gewachsenen Strukturen“, heißt es vom Städtetag auf PAZ-Anfrage.

Zu den am stärksten steigenden sozialen Leistungen der Kommunen gehören die Kosten für die Kinderbetreuung. Allein 662000 Kinder unter drei Jahren nehmen inzwischen eine öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung in Anspruch, und die Nachfrage steigt, so dass der Ausbau weitergeht. Zwar unterstützt der Bund die Schaffung neuer Plätze, doch bei Zusagen für die Finanzierung der laufenden Betriebskosten hält er sich bedeckt. Immerhin bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung trägt der Bund ab diesem Jahr die vollen Ausgaben. Und auch bei den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung bringt sich der Bund stärker ein. Der Bereich machte 13 Milliarden Euro 2011 aus. Und da auch Behinderte dank des medizinischen Fortschritts immer länger leben, ihre spezielle Betreuung und Begleitung im Alltag zudem auch teurer wird, ist dies ein wachsender Haushaltsposten. Ähnliches gilt für die Hilfe zur Pflege, die geleistet werden muss, wenn die Gelder aus der Pflegeversicherung sowie das eigenen Einkommen und Vermögen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen nicht ausreichen. Da es stetig mehr Pflegebedürftige gibt, immer mehr auch wegen der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen nicht mehr daheim, sondern in Pflegeheimen betreut werden, steigen Einzelkosten wie Gesamtkosten rasant.

Aber auch in einem anderen Bereich explodieren derzeit die Kosten, auch wenn es sich hier nicht gleich um Milliarden, sondern um Millionen Euro handelt. So fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) mehr Unterstützung für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. 2013 wurde mit 127000 Asylanträgen bereits der höchste Wert seit 14 Jahren erreicht. Allein im ersten Quartal dieses Jahres waren es schon 38000, was einem Anstieg in Höhe von 75 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 entspricht und ein weiteres starkes Ansteigen für dieses Jahr vermuten lässt. „Asyl zu gewähren ist eine staatliche Aufgabe und kann nicht auf die Kommunen abgewälzt werden“, klagt der DStGB. Zwar gibt es eine Kostenerstattung von den Ländern, doch die decke nicht die Kosten. In Nordrhein-Westfalen würden beispielsweise nur 30 Prozent erstattet und das obwohl gerade dort bereits viele Kommunen trotz massiver Sparprogramme seit Jahren rote Zahlen schrieben.

Noch nicht berücksichtigt wurden bisher die zunehmenden Kosten durch mehr Hartz-IV-Empfänger aus Ost- und Südosteuropa. Laut Bundesagentur für Arbeit war hier im ersten Quartal dieses Jahres ein Plus von 21,4 Prozent auf 297153 Personen zu verzeichnen. Die Kosten für die Unterbringung tragen auch hier die Kommunen und das bei bundesweit steigenden Mietkosten. Rebecca Bellano


Kollision der Weltanschauungen
Während Geheimdienstarbeit für Washington und London zur Außenpolitik gehört, gilt diese hierzulande als »schmutzig«

Die Geheimdienste sind der einzige wirkliche Ausdruck des Charakters einer Nation.“ Sollte zutreffen, was der Großmeister der Spionageliteratur, John Le Carré, einer seiner Romanfiguren in den Mund gelegt hat, dann ist es höchste Zeit, sich um einige Völker Sorgen zu machen. So werfen kürzlich veröffentlichte neue Dokumente aus dem Fundus des „Whistleblowers“ Edward Snowden erneut die Frage auf, welche Grenzen die Briten eigentlich ihrem Nachrichtendienst GCHQ, ihrem Gegenstück zur NSA, gezogen haben.

Wiesen die letzten Enthüllungen zur Diskreditierung von Personen durch den Geheimdienst schon eine fatale Ähnlichkeit mit Praktiken der Stasi auf, so rücken die neusten veröffentlichten Dokumente den GCHQ in ein noch ungünstigeres Licht. Das vom Journalisten Glenn Greenwald auf seiner Webseite „The Intercept“ veröffentlichte Material macht erneut deutlich, dass es der GCHQ nicht dabei belässt, im großen Stil den Internetverkehr nur anzuzapfen. Vielmehr wird das Internet auch zur Verbreitung eigener Propaganda genutzt. So soll beim GCHQ unter dem Namen „Underpass“ ein Programm bereitstehen, mit dem der Ausgang von Online-Umfragen verändert werden kann. Ebenfalls zum Vortäuschen nicht vorhandener Zustimmung oder Ablehnung dient ein Werkzeug, mit dem sich die statistischen Zugriffszahlen von Internetseiten manipulieren lassen. Jeden Internetnutzer aufhorchen lassen sollte das Programm, das der GCHQ unter dem Namen „Changeling“ führt. Es soll ermöglichen, jede mögliche E-Mail-Adresse zu imitieren, um unter falschem Namen Nachrichten versenden zu können. Passend dazu hat der GCHQ ein Programm im Repertoire, mit dem sich E-Mail-Kampagnen zur Unterstützung politischer Projekte inszenieren lassen. Im Kern hat dies alles nichts mehr mit klassischer Spionage zu tun, sondern eher mit „schwarzer Propaganda“ im Stil des Weltkriegs-Chefpropagandisten Sefton Delmer. Zumindest in einer Gesellschaft mit dem Anspruch, eine Demokratie zu sein, sind derlei Aktivitäten eines Geheimdienstes mehr als fragwürdig.

Umso erstaunlicher ist die eher verhaltene Reaktion der britischen Öffentlichkeit auf die jüngsten Enthüllungen. Eine Rolle mag dabei spielen, dass es im Laufe der Jahre immer wieder spektakuläre Enthüllungen über die Geheimdienstarbeit gegeben hat. Inzwischen ist nur noch wenig vorstellbar, was die Briten in Sachen MI5, MI6 und GCHQ noch schockieren könnte. Schaut man auf die jüngsten Spionageenthüllungen in Berlin, dann scheint zwischen Angelsachsen und Deutschen aber auch eine grundverschiedene Herangehensweise an die Arbeit von Geheimdiensten zu bestehen. Sowohl in London als auch in Wa-shington gilt die Arbeit der Dienste als ein zwar geheimes, aber trotzdem selbstverständliches Instrument der Außenpolitik. Gemeint ist damit nicht nur das bloße Sammeln von Informationen, sondern auch verdeckte Einflussnahme im Ausland.

Wie inzwischen freigegebene Dokumente zum Sturz des iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh im Jahr 1953 oder Umsturzpläne für Syrien aus dem Jahr 1956 bewiesen haben, geht dies im Extremfall bis hin zur Bereitschaft, fremde Regierungen abzusetzen, sogenannte Regimewechsel durchzuführen. Dazu kommt eine skeptische Haltung in Sachen Bündnisfragen. Die Maxime von Henry John Temple, 3. Vis-count Palmerston, dass es für Staaten keine ewigen Verbündeten, sondern nur Interessen gebe, hat in London und Washington bis heute nicht an Gültigkeit verloren.

Das genaue Gegenteil dieses nüchternen Pragmatismus ist unter Bürgern und Politikern hierzulande anzutreffen. Seit ein Bundeskanzler Helmut Schmidt Informationen zur Weltlage lieber über die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) als über die Tagesberichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) bezog, mag sich graduell einiges verändert haben, ein besonders hohes Prestige genießen die Geheimdienste im politischen Berlin bis heute nicht. Auch in der deutschen Öffentlichkeit wird oftmals die klassische Spionageabwehr gerade noch als legitim angesehen. Schon aktive Auslandsspionage oder gar verdeckte außenpolitische Einflussnahme gilt als „schmutzig“. Mit der eigenen Ablehnung von Geheimdienstarbeit geht oftmals die naive Vorstellung einher, auch die anderen sollten auf die Nachrichtendienste als außenpolitisches Werkzeug verzichten. Entsprechend wurde die Reaktion aufgenommen, die im Zusammenhang mit den Fällen mutmaßlicher US-Spionage bei BND und Verteidigungsministerium aus Washington zu vernehmen war: Die Deutschen sollten doch bitte endlich erwachsen werden.

Tatsächlich mutet es hochgradig realitätsfern an, wenn deutsche Politiker allen Ernstes mit ihren transatlantischen „Freunden“ über ein „No-Spy-Abkommen“ verhandeln wollen. Auf der anderen Seite ist aber auch die Frage berechtigt, ob bei der sehr pragmatischen Herangehensweise an die Geheimdienstarbeit in den USA und Großbritannien inzwischen nicht alle Grenzen und Tabus gefallen sind, ob der Geheimdienstkomplex nicht längst zum unkontrollierbaren Staat im Staate geworden ist. Norman Hanert


MELDUNGEN

Vertriebene: Zusammenarbeit intensiviert

Bad Pyrmont – Die Landsmannschaft der Oberschlesier, die Landsmannschaft Schlesien und die Landsmannschaft Ostpreußen haben eine engere Zusammenarbeit ihrer Verbände unter dem Dach des Bundes der Vertriebenen (BdV) vereinbart. Dies ist das Ergebnis eines Treffens der drei Sprecher Klaus Plaszczeck, Stephan Rauhut und Stephan Grigat im Ostheim in Bad Pyrmont. Die Landsmannschaften Mark Brandenburg und Westpreußen haben angekündigt, bei der Zusammenarbeit mitzuwirken. Zunächst soll es ein gemeinsames Vorgehen zu den Themen Wahlrecht für Deutsche, deutschsprachiger Schulunterricht und Unterstützung der deutschen Volksgruppen in den Oder-Neiße-Gebieten geben. Gleichzeitig unterstrichen die drei Sprecher, die Wahl von Bernd Fabritius zum BdV-Präsidenten zu unterstützen. LO

 

Front gegen EU-Skeptiker

Brüssel – EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat deutlich gemacht, dass das EU-Parlament den von Großbritannien für einen Posten in der EU-Kommission vorgeschlagenen bisherigen Vorsitzenden der Konservativen im britischen Oberhaus, Jonathan Hill, möglicherweise ablehnen könnte. Schulz betont, dass der EU- und Euro-Skeptiker kaum auf Zustimmung stoßen dürfte. Bel


S. 3 Preussen/Berlin

Schlaglöcher werden zur Gefahr
Brandenburgs Infrastruktur verkommt rapide – rot-rote Koalition wirkt hilflos

Brandenburgs Straßen sind in einem erbärmlichen Zustand. Und die Lage verschlechtert sich weiter. Was als Ärgernis begann, wächst mancherorts bereits zur Gefahr für Leib und Leben aus. Die Politik tut wenig – und hofft nun auf die Pkw-Maut.

Marode Verkehrswege und Gleise stellen das dünn besiedelte Flächenland Brandenburg vor erhebliche Probleme. Gesundheitsministerin Anita Tack („Die Linke“) gab jetzt auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion hin sogar bekannt, dass die Rettungsdienste im Land oft die sogenannten Hilfsfristen nicht einhalten konnten. Dass die Retter im Notfall nicht wie vorgesehen binnen 15 Minuten am Unfallort ankamen, liege unter anderem an Straßenschäden, räumte die Ministerin ein.

So hat sich das Problem vom teuren Ärgernis für Straßennutzer zum Sicherheitsrisiko ausgeweitet. Statt der nötigen Investitionen versucht die Landesregierung einen papiernen Befreiungsschlag. Ab 2015 will das Ministerium für Infrastruktur den Straßenbau erleichtern: „Die Änderung im Straßengesetz ermächtigt die Landesregierung, die Planfeststellung komplett im Landesamt für Bauen und Verkehr zu konzentrieren“, so das Ministerium. Das baue Bürokratie ab, erlaube ein Verfahren aus einer Hand.

Verfahren ist indes die Lage auf den Straßen des Landes schon seit Jahren. Verschleiß und Schlaglöcher nehmen zu. Die Bürger bleiben auf den Kosten teurer Fahrzeugreparaturen infolge maroder Straßen sitzen. Selbst Vorzeigebereiche der Landeshauptstadt Potsdam sind vom Verfall gezeichnet: Die Einkaufsmeile Brandenburger Straße weist zahlreiche Stolperfallen und schadhaftes Pflaster auf. Mitunter bleiben hier Träger von Schuhen mit hohen Absätzen im Pflaster stecken, so breit klaffen die Risse.

Bereits im Januar 2013 zog der Automobilklub ADAC eine winterliche Negativbilanz der Verkehrswege. Der Investitionsstau bei der Instandhaltung der Straßen des Landes hatte laut dem ADAC bis dahin eine Höhe von rund 600 Millionen Euro erreicht. Ein klare Folge jahrelanger Vernachlässigung, so die Bilanz. Ohne aufgeschobene Maßnahmen wären demnach rund 150 Millionen Euro im Jahr nötig, um das Wegenetz zu erhalten. Den Zustand der untergeordneten Straßen in Brandenburg hielt der Klub sogar für „flächendeckend besorgniserregend“. Noch vor den eigentlichen Winterschäden durch Frost seien erschreckend viele Schlag­löcher zu verzeichnen gewesen.

Statt dauerhafter Reparaturen setzten Land und Kommunen darauf, Schadstellen meist provisorisch mit sogenanntem Kaltasphalt zu füllen – ein Lösung bestenfalls für Wochen. „Das Geld reicht einfach nicht aus, um die Straßen in einem wünschenswerten Zustand zu halten“, sagte Cornelia Mitschka, Sprecherin des Landesbetriebs Straßenwesen damals. Besonders Ortsdurchfahrten in kommunaler Hand weisen erhebliche Mängel auf. Nach Angaben des Landesbetriebs Straßenwesen waren im Dezember nur 33 Prozent in einem guten Zustand.

Seitdem ist der Reparaturbedarf weiter gestiegen. Die Prüforganisation Dekra mahnte diesen April ausdrücklich Brandenburg und Berlin, mehr Geld für die Instandhaltung der Straßen auszugeben. Das Land Brandenburg selbst habe einen Investitionsbedarf von 600 Millionen Euro inzwischen eingeräumt, stellte die Dekra fest und hielt dem Land die Unfallzahlen vor: Bei Unfällen auf den Straßen der Mark kamen im vergangenen Jahr 170 Menschen ums Leben, vier mehr als 2012. In jenem Jahr führte das Landesstatistikamt 41 Unfälle auf den Fahrbahnzustand zurück.

Rot-Rot meidet dennoch eine echte Kurskorrektur. Im Sommer 2013 testete Brandenburg ein Verfahren, Straßenschäden mit sogenannten Betonplomben zu beheben. Auf der Autobahn 9 setzten Arbeiter vorgefertigte Teile ein. Das Infrastrukturministerium will so eine zügige und haltbare Reparatur der Betonfahrbahnen erreichen. Etwa die Hälfte des Autobahnnetzes sei aus Beton und weise zunehmend Schäden auf, sagte ein Ministeriumssprecher. Der Bau zeitgemäßer Fahrbahnen verschiebt sich so in weite Ferne.

Wie gravierend die Probleme mit dem Erhalt der Infrastruktur in der Mark sind, erlebt derzeit auch die Deutsche Bahn. Die Grünen stellten jetzt in Potsdam fest: „Brandenburg ist ein Hotspot der deutschen Infrastrukturkrise.“ „Heiß“ (hot) steht demnach der Bahn die Sanierung eines Drittels der 801 Eisenbahnbrücken bevor – so groß ist der Anteil der Brücken in „besorgniserregendem Zustand“. Bei acht Prozent der Bauten seien die Mängel derart deutlich, dass nur noch ein Neubau wirtschaftlich vertretbar erscheine. Nur in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen sei der Anteil maroder Brücken noch größer, so die Grünen.

Schuld sei hier allerdings nicht das Land, sondern die Bahn, die ihr Netz zu lange vernachlässigt habe. Die Bahn kontert, es fehle an Geld. Nun soll die Landesregierung helfen. Die schaut erwartungsvoll auf die bundesweite Einführung der Pkw-Maut. „Mit fast 5800 Kilometer Landesstraßen stehen wir als Land Brandenburg vor einer Riesenaufgabe, diese Verkehrswege zu erhalten und zu finanzieren“, sagte Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) und verlangte, an den Maut-Einnahmen beteiligt zu werden.

Sverre Gutschmidt


Dies ist unser Land!
von Theo Maass

Nicht allen gefiel, dass Deutschland zum vierten Mal Fußballweltmeister geworden ist. Gewiss, das sind die missvergnügten Antifa-Leute im Bunde mit einigen Aktivisten von Grün/Links und „Piraten“, die noch vor Jahren Turniere wie „Nationen wegkicken“ organisierten, oder andere, die von Autos Deutschlandfähnchen abbrachen, um sie hinterher zu verbrennen.

Gesellschaftlich isoliert demaskierte sich hier ein Teil – der antinationale Teil – der deutschen Linken als verachtete Splittergruppe. Gelegentlich gab es in der linksliberalen Tagespresse versteckte Beiträge zum Thema, ob Nation und Fußball nicht schädlich seien, aber die dortigen Schreiber haben längst erkannt, dass derartige Artikel letztlich die eigene Auflage und die eigenen Arbeitsplätze gefährden. Und natürlich fielen auch „Tagesspiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ in den Jubelchor der Meisterschaft ein, als es nun gar nicht mehr zu vermeiden war. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Zum Glück gab es ja dann das „Gauchogate“, an dem sich die schreibende linksliberale Schickeria abarbeiten konnte, ohne großartigen Widerhall in der Bevölkerung zu finden. So weit, so gut.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet blieb der Versuch von Palästinensern, anlässlich eines Weltmeisterschaftsspiels die Fanmeile vor dem Brandenburger Tor zu stürmen. Am Sonnabend vor dem Endspiel versammelten sich unangemeldet rund 1000 arabische Demonstranten am Potsdamer Platz. Es kam zu Steinwürfen und Festnahmen. Schließlich unternahmen die Demonstranten den Versuch, über die jubelnden Fußballfreunde herzufallen. Mehrere Hundertschaften der Polizei waren notwendig, um das zu verhindern. So weit, so gut?

Nee, nämlich gar nicht gut! Anlass der Demonstration waren die kriegerischen Zustände im Gazastreifen und die von der israelischen Luftwaffe verursachten Toten dort. Unabhängig davon, ob man nun der Meinung ist, die Palästinenser seien im Recht oder die Israelis setzten berechtigte Interessen dort durch, zeigt dieser Vorgang, dass zugewanderte Immigranten – eingebürgert oder nicht, fremde Staatsbürger oder deutsche mit Doppelpass – damit beginnen, die Konflikte ihrer Heimat oder „früheren Heimat“ in unserem Lande auszutragen.

Wenn Deutschland halbwegs ernst genommen werden will, wenn wir wenigstens ein bescheidenes Maß an Souveränität einfordern wollen, dann dürfen solche Übergriffe auf unserem Territorium nicht folgenlos bleiben. Es steht keinem Ausländer zu, Deutsche in Deutschland zu attackieren, weil in seiner Heimat Schlimmes geschieht. Dies ist unser Land. Das muss diesen Leuten mit aller gebotenen Härte mitgeteilt werden.


»Piraten« vor dem Kentern
Linksextreme denken offen über Abspaltung nach

Linksextreme Mitglieder und Funktionäre der Piratenpartei drohen mit Spaltung. Nachdem die Partei auf ihrem jüngsten Bundesparteitag alle Linksextremisten aus dem Bundesvorstand entfernt und eine Rückkehr zu ihren Kernthemen „Netzpolitik“ und „Bürgerrechte“ beschlossen hatte, denken die unterlegenen Radikalen über Konsequenzen nach. Einer der Gründe: Der neue Bundeschef Stefan Körner aus Bayern gilt in Parteikreisen als Intimfeind des linksorientierten Berliner Landeschefs Christopher Lauer.

Der Berliner Abgeordnete Oliver Höfinghoff, der als Brückenkopf der „Antifa“ in der Partei gilt, schimpft: „Der Außerordentliche Parteitag hat deutlich gezeigt, wie tief die Gräben sind. Ich kann inhaltlich auch keine Schnittmenge erkennen, die groß genug wäre, um ein Wir zu generieren.“ Vor allem in Berlin, wo die meisten linksextremen Mitglieder konzentriert sind, wird auf einer internen Meinungsbildungsplattform über verschiedene Wege gestritten. Derweil hat sich an der Spree eine „Progressive Plattform“ gebildet, die Linksaußen-„Piraten“ sammeln will, aber einen Verbleib in der Partei bevorzugt.

Christopher Lauer glaubt im Berliner Sonderweg neue „Energien“ zu entdecken und will einen Staatsrechtler mit der Erstellung einer Expertise beauftragen. Darauf aufbauend sollen dann Optionen entwickelt werden. Eine davon ist die Neugründung einer Partei. Dies hätte den Vorteil, dass es zu keinen langwierigen juristischen Auseinandersetzungen käme. Mehrere Landesvorstandsmitglieder wollen „Nägel mit Köpfen“ machen und auf der nächsten Sitzung einen Antrag einbringen, die Alternativen „Herauslösung“ oder „Ausgründung“ des Berliner Verbandes aus der Partei zu untersuchen.

Lauer machte sich schon Gedanken über die Weiterexistenz der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Fall einer Neugründung wären sieben (von 15) Abgeordneten für die Bildung einer Fraktion erforderlich. Das Abhandenkommen von Fraktionären durch eine Spaltung sieht Lauer ganz entspannt: „Ein bisschen Schwund ist immer.“

Ungeklärt wäre bei einer Neugründung das Problem der Sammlung von Unterstützungsunterschriften, welche Parteien, bei einem erstmaligen Wahlantritt zusammenbringen müssen. Abgesehen von diesen Erwägungen liegen die „Piraten“ nach Umfragen im Bund wie in Berlin unter fünf Prozent. Hans Lody


Roma wieder da
Zigeuner nach Kreuzberg zurückgekehrt

Eigentlich waren fast alle Beteiligten froh, als die in der Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule kampierenden Zigeuner aus Rumänien einem

Erstaufnahmelager für Asylbewerber der Arbeiterwohlfahrt am Stadtrand in Hohengatow zugewiesen wurden. Dies geschah im Rahmen der Teilräumung der Schule durch bereitgestellte Reisebusse.

Allerdings waren die Roma mit ihrem neuen Domizil unzufrieden. Der Schulweg der Kinder sei zu lang, beschwerten sich einige, andere meinten, dort sei es „wie im Gefängnis“. Helfer und Unterstützer der Heimbewohner sammelten Fahrgeld für die Kinder und begleiteten sie auf deren Schulweg. Andere Vorwürfe lauteten: „Wir sind hier mitten im Wald“ oder „Wir fühlen uns absolut isoliert und verloren.“

Nach wenigen Tagen wurde Abhilfe geschaffen. Das Bezirksamt selbst wurde tätig. Nun sind die Zigeuner wieder in Kreuzberg. Der zuständige Stadtrat für Soziales in Friedrichshain-Kreuzberg, Knut Mildner-Spindler von der „Linken“, ist zufrieden: „Unser Plan war es von Beginn an, sie zentral anzusiedeln, wo die Betreuungsdichte hoch ist.“ Nun sind die Roma zunächst in einem Wohnheim am Moritzplatz untergebracht. Allerdings will der Bezirk ihnen möglichst bald landeseigene Wohnungen verschaffen.

Währenddessen explodieren die Kosten für die ungebetenen Zuzügler. Für dieses Jahr gehen Senatsschätzungen jetzt von 100 Millionen Euro aus. Das wäre doppelt so viel wie im Vorjahr. 10000 sogenannte Flüchtlinge werden 2014 zusätzlich in der Stadt erwartet. Hans Lody


FDP kooperiert mit Linkspartei

Linkspartei und FDP haben in Berlin-Köpenick eine Kooperation auf kommunaler Ebene verabredet. Obwohl die FDP nach den letzten Wahlen nicht einmal in der Bezirksverordnetenversammlung vertreten ist, will die „Linke“ mit ihr gemeinsam eine Kampagne gegen die von der SPD geplante Parkraumbewirtschaftung starten. Der Wert der Zusammenarbeit liegt für die „Linke“ auf der Hand. „Zusammenarbeit zwischen demokratischen Parteien ist auf kommunaler Ebene etwas Selbstverständliches“, sagt Carsten Schatz, Bezirkschef der „Linken“. Wenn sogar die Liberalen den SED-Erben bescheinigen, eine „ganz normale“ Partei zu sein, wird es künftig schwerer als bisher werden, der Partei extreme Positionen zum Vorwurf zu machen, so das Kalkül. Kein Geringerer als Gregor Gysi erschien persönlich zum Fototermin, um die Kampagne vorzustellen. FDP-Bezirkschef Volker Thiel kann sich weitere gemeinsame Aktionen mit der „Linken“ vorstellen. T.M.


S. 4 Hintergrund

Heuchler am Abzug
Durch Konflikt mit Russland rücken in Deutschland lagernde US-Atomwaffen ins Blickfeld

Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges lagerten bis zu 5000 Kernwaffen der USA auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Jetzt hingegen sind es gerade noch 20 atomare B61-Fliegerbomben, die sich in elf speziellen Tiefbunkern auf dem Fliegerhorst Büchel im Landkreis Cochem-Zell an der Mosel befinden. Dennoch aber stellt diese scheinbare Quantité négligeable, deren Existenz 2010 durch WikiLeaks enthüllt wurde, ein ernsthaftes Politikum dar.

Zum einen hatte US-Präsident Barack Obama in seiner programmatischen Prager Rede vom April 2009, die wesentlich dazu beitrug, dass er im Dezember desselben Jahres den Friedensnobelpreis bekam, pathetisch „konkrete Schritte“ angekündigt, „um zu einer Welt ohne Atomwaffen zu gelangen“. Dazu passt natürlich schlecht, dass diese 20 Bomben nun nicht nur in Deutschland verbleiben, sondern zugleich auch noch wie alle anderen rund 400 B61 bis zum Jahre 2023 modernisiert werden sollen. Denn das angebliche „Lebensdauerverlängerungsprogramm“ der National Nuclear Security Administration (NNSA) für die Atombomben dieses Typs ist in Wirklichkeit ein gewaltiges Leistungsverbesserungsprogramm: Am Ende der immerhin zehn Milliarden US-Dollar teuren Umrüstung wird de facto eine ganz neue Art von Kernwaffen stehen, weil vorgesehen ist, die bisher ungelenkten Freifallbomben in hochpräzise ferngesteuerte Bunkerknacker vom Modell B61-12 zu verwandeln.

Zum anderen droht die Stationierung dieser neuartigen Waffen Deutschland in eine verstärkte Konfrontation mit Russland zu bringen, gegen das sich die nukleare Abschreckung ja immer noch maßgeblich richtet. Zwar stehen die B61 in der Bundesrepublik unter der Kontrolle der US Air Force beziehungsweise ihrer 702. Munitions Support Squadron, aber es wären eben auch die deutschen Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel, welche die nun deutlich effizienteren und damit natürlich zerstörerischen US-amerikanischen Atombomben nach der Freigabe durch den US-Präsidenten ins Ziel tragen könnten. Nichts anderes nämlich bedeutet das Prinzip der nuklearen Teilhabe nach dem sogenannten Zweischlüssel-Abkommen, gemäß dem Deutschland sowie auch noch Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei US-Kernwaffen auf ihrem Territorium dulden, wofür sie diese dann im Kriegsfalle unter US-amerikanischer Aufsicht einsetzen können.

Deshalb ist es auch unsinnig, in der Stationierung der alten beziehungsweise neuen B61-Bomben in Büchel einen US-amerikanischen Angriff auf die deutsche Souveränität zu sehen. Schließlich hat der Bundestag die nukleare Teilhabe genau so gewollt. Ein entsprechender Beschluss war am 25. März 1958 auf maßgebliche Initiative von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) ergangen und hat bis heute Gültigkeit. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die späteren Rufe der Außenminister Guido Westerwelle und Frank-Walter Steinmeier nach einem Abzug der letzten US-Nuklearwaffen auf deutschem Boden als reiner Populismus, und darum diskutierten die Vertreter des Verteidigungsministeriums mit den Planern der NNSA eben nicht über den Abzug der letzten 20 B61, sondern beratschlagten stattdessen, welche Sprengkraft und Treffsicherheit das verbesserte Bombenmodell denn idealerweise haben solle. Dazu kommen noch weitere Zugeständnisse an die US-Amerikaner, wie die Zusage, die Bücheler Tornados keinesfalls schon 2020 einzumotten, wie ursprünglich geplant, sondern ihre Einsatzbereitschaft bis über das Jahr 2025 hinaus zu garantieren, was den deutschen Steuerzahler eine Viertelmilliarde Euro kosten wird.

Das alles erfolgte – wie gesagt – im Einklang mit entsprechenden Verträgen und einer deutschen Parlamentsentscheidung und zeugt nicht gerade von Rückgrat und außenpolitischer Weitsicht.

Wolfgang Kaufmann


Achillesferse Mensch
Immer wieder kommt es in Deutschland zu Unfällen mit Kernwaffen

Die Vereinigten Staaten begannen 1953 mit der Stationierung von Kernwaffen in der Bundesrepublik. Dabei handelte es sich um 28-Zentimeter-Granaten, welche mit dem M65-Geschütz, genannt „Atomic Annie“, verschossen werden konnten. Später folgten dann nukleare Gefechtsköpfe für die Raketen Honest John, Sergeant, Lance, Pershing I und Nike Hercules sowie Fliegerbomben und Atomminen unterschiedlichster Art und Größe. Ebenso kamen nach dem Nato-Doppelbeschluss von 1979 noch zahlreiche Atomsprengköpfe für die Pershing-II-Mittelstreckenraketen und Tomahawk-Marschflugkörper hinzu.

Aufgrund der großen Anzahl von US-amerikanischen Atomwaffen auf westdeutschem Boden blieben auch Zwischenfälle mit denselben nicht aus: So knallte 1970 der scharfe atomare Gefechtskopf einer Pershing-I-Rakete bei Wartungsarbeiten in Böttingen nahe Tuttlingen auf den Boden. Elf Jahre später explodierte im schwäbischen Sechselberg eine Rakete des gleichen Typs aufgrund der spontanen Entzündung des Treibstoffs. Darüber hinaus ereigneten sich mehrere Verkehrsunfälle bei der Verlegung von Pershing I und II, darunter in Waldprechtsweier, wo 1982 an einem beladenen Raketentransporter die Bremsen versagten, woraufhin dieser in den Ort raste und Autos zerquetschte, was einen Menschen das Leben kostete. Noch dramatischer verlief der explosionsartige Abbrand der ersten Stufe einer Pershing II 1985 in Fort Redleg bei Heilbronn. Hierbei starben drei US-Soldaten und 16 weitere wurden verletzt, während in geringer Entfernung von der Unfallstelle andere Pershing II mit einsatzbereiten Atomsprengköpfen standen.

Aufgrund der drastischen Reduzierung der US-amerikanischen Nuklearwaffen in der Bundesrepublik Deutschland ist das Gefahrenpotenzial heute wesentlich geringer, jedoch nicht gleich Null. Immerhin ergab eine interne Untersuchung der United States Air Force, dass in vielen europäischen Atomwaffenlagern, darunter auch im Fliegerhorst Büchel, die Sicherheitsstandards des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums nicht eingehalten werden. Das beginnt mit dem Zustand der Zäune wie der Beleuchtung und endet bei der Zuverlässigkeit des Bewachungspersonals.

Letztere scheint die Achillesferse bei der Lagerung und Sicherung von Kernwaffen zu sein, auch wenn hierzu nur wenige Zahlen an die Öffentlichkeit dringen. Aber diese sind alarmierend genug: So mussten im Zeitraum eines einzigen Jahres sage und schreibe 5324 Angehörige der US-Streitkräfte aus Einheiten des Nuklearbereiches wegen Unzuverlässigkeit entlassen werden – jeder Dritte davon wegen Drogenmissbrauchs. Das wirft logischerweise die Frage nach den Verhältnissen in Büchel auf, wo 139 Spezialisten der 702. Munitions Support Squadron der US-Amerikaner und Soldaten der Luftwaffensicherungskräfte der Bundeswehr Dienst tun und die unterirdischen „Grüfte“ mit den B61-Bomben rund um die Uhr bewachen. W.K.


»Dumme Eisenbombe« wird zielgenau

Die thermonukleare Bombe B61 wurde ab 1963 gemeinsam vom Los Alamos National Laboratory und dem Sandia National Laboratory in Albuquerque (New Mexico) entwickelt und im Verlaufe von sechs unterirdischen Atomtests praktisch erprobt. Von ihr existierten einstmals 3155 Exemplare, was sie zur meistgebauten Nuklearwaffe der Verei-nigten Staaten macht. Bemerkenswert ist zudem, dass die USA keine anderen Atomwaffen im Ausland lagern als die als extrem sicher erklärten B61-Bomben, wobei deren Stationierung in der Bundesrepublik 1968 begann.

Das Besondere an der 3,5 Meter langen und maximal 540 Kilogramm schweren B61 ist die Gefechtsladung, deren Detonationsenergie stufenweise von 0,3 bis 340 Kilotonnen TNT variiert werden kann. Im letzteren Fall würde die Sprengkraft das 26-fache der Hiroshima-Bombe betragen. Meist liegt sie jedoch bei maximal 50 bis 170 Kilotonnen, so auch bei den B61, die in Büchel lagern. Insgesamt gibt es neun Einsatzversionen der Wasserstoffbombe – die neueste ist das Modell 11 von 1997 mit einer Hülle aus abgereichertem Uran, das als Bunkerbrecher fungieren soll.

Bis 2010 war die weitere Modernisierung der B61 tabu. Nun aber hat die US-Regierung durchgesetzt, dass die als „dumme Eisenbombe“ geltende B61, die momentan nur ungelenkt ins Ziel stürzen kann, mit einem JDAM-Steuersystem nachgerüstet wird. Danach soll die Treffergenauigkeit bei 30 Metern liegen.

Gebaut werden soll das neue Modell B61-12 in der Y-12 Plant in Oak Ridge sowie der Kansas City Plant. Als Träger sind die Tarnkappenbomber vom Typ B-2 und das neue Mehrzweckkampfflugzeug F-35 Lightning II vorgesehen sowie die 46 Tornados der Bundeswehr in Büchel. W.K.


Zeitzeugen

Matthew W. Flood – Der Oberst der United States Air Force (USAF) kommandiert die 52. Munitions Maintenance Group auf der Spangdahlem Air Base in Rheinland-Pfalz. In dieser Eigenschaft unterstehen ihm die 702. Munitions Support Squadron, die für die Bewachung und Wartung der US-Kernwaffen auf dem Fliegerhorst Büchel zuständig ist, sowie drei weitere Einheiten dieser Art in Belgien, Italien und den Niederlanden.

Andreas Korb – Seit August 2011 fungiert der Oberst der Bundesluftwaffe als Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel, dessen Maschinen im Kriegsfall auch US-Atombomben ins Ziel bringen können. Korb wechselte 1993 von der Marine zum Jagdbombergeschwader 31 in Nörvenich und ist ausgebildeter Tornado-Pilot.

Frank G. Klotz – Im April wurde der frühere Kommandeur des Air Force Global Strike Command zum neuen Chef der National Nuclear Security Administration sowie zum Staatssekretär für Nukleare Sicherheit im US-Energieministerium ernannt. In dieser Eigenschaft obliegt dem Generalleutnant a.D. nun auch die Aufsicht über das B61-Modernisierungsprogramm.

Richard R. Burt – Nach einer Karriere als Unterstaatssekretär für europäische und kanadische Angelegenheiten, Botschafter in Bonn und Chefunterhändler bei den START-Verhandlungen mit der Sowjetunion wechselte Burt in die private Wirtschaft und setzt sich zudem neuerdings auch als US-Vorsitzender von Global Zero für eine vollständige nukleare Abrüstung ein, die spätestens im Jahre 2030 vollzogen sein soll.

Elke Koller – Unter Berufung auf ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes von 1996, nach dem bereits die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig sei, hatte die Apothekerin aus Cochem die Bundesregierung wegen der Stationierung der B61 in Büchel verklagt. Diese von der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) unterstützte Klage wurde allerdings im Mai 2013 vom Verwaltungsgericht in Köln abgewiesen.


S. 5 Deutschland

Hofberichterstatter bald subventioniert?
Die rot-grüne Landesregierung in NRW arbeitet an einem medienpolitischen Dammbruch

Die Deutschen werden schon jetzt gezwungen, den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt zu bezahlen. SPD, Grüne und „Piraten“ in Nordrhein-Westfalen wollen die Rundfunkabgabe jetzt auch noch für Projekte im Printmedien- und Onlinebereich missbrauchen.

Mit den Stimmen von SPD, Grünen und „Piraten“ sowie gegen die Stimmen von CDU und FDP hat der Landtag in Düsseldorf am 3. Juli das nordrhein-westfälische Landesmediengesetz (LMG) geändert. Dabei legten die Fraktionen von SPD, Grünen und „Piraten“ erst kurz vor der Abstimmung noch eine 28-seitige Änderung des früheren Gesetzentwurfes vor. Das wurde von der Opposition scharf kritisiert. Der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Sternberg, sprach von einer „Aushebelung“ und „Überrumpelung“ des Parlamentes. „Die groß angekündigte Partizipation wird zur Farce“, erklärte er. Eine unter dem Dach der Landesanstalt für Medien Nord-rhein-Westfalen (LfM) geplante und aus Rundfunkbeiträgen zu finanzierende Journalisten-Stiftung sei „nicht unabhängig angelegt“, sondern solle „eng an die Interessen der Landesregierung gekoppelt werden“, so Sternberg. Das sei verfassungsrechtlich äußerst problematisch und gefährde außerdem die Akzeptanz der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Anstalten. Eine Experten-Anhörung habe verdeutlicht, dass die vorgesehene „Stiftung Partizipation und Vielfalt“ Klagen nicht standhalten werde.

Die Rundfunkabgabe sei „kein beliebig nutzbarer Posten“. Gesetzlich festgelegt müssten 98 Prozent der Rundfunkabgabe der Förderung und Aufrechterhaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dienen. Zwei Prozent könnten für andere Zwecke genutzt werden, und zwar nach Paragraf 40 Rundfunkstaatsvertrag für „Formen der nichtkommerziellen Veranstaltung von lokalem und regionalem Rundfunk und Projekte zur Förderung der Medienkompetenz“. Der Begriff „Medienkompetenz“ sei hier „selbstverständlich vom Rezipienten“ her gedacht, also vom Mediennutzer her. Der Regierung gehe es jedoch auch um die Förderung von Journalisten und Printmedien. „Das“, erklärte Sternberg, „was im Referentenentwurf in schönster Deutlichkeit stand, steht jetzt nur noch versteckt im Anhang. Aber es geht immer noch um die Presse.“

Die LfM wird nach dem Rundfunkstaatsvertrag aus einem Anteil des in NRW erhobenen Rundfunkbeitrages finanziert. In einem früheren „Arbeitsentwurf“ der Landesregierung hieß es in einer Ergänzung des Paragrafen 116 Landesmediengesetz (Finanzierung), die LfM solle unter anderem 1,6 Millionen Euro jährlich für eine „Stiftung Vielfalt und Partizipation“ zur Förderung von Medienkompetenz verwenden. Letztere solle insbesondere durch folgende Maßnahmen erfolgen: „Förderung der Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden, die mit der lokalen und regionalen Berichterstattung befasst sind“, Finanzierung einer Stiftungsprofessur für Lokaljournalismus und „Erteilung von Recherche-Stipendien“ sowie „Förderung der Akzeptanz von lokaler und regionaler Berichterstattung beim Mediennutzer“. Das Nähere sei in einer Satzung der Stiftung zu regeln.

Wohl aufgrund der Kritik von Experten und um rechtlich weniger angreifbar zu sein, ist das jetzt verabschiedete Gesetz aber viel vager formuliert. Es heißt jetzt nur noch in einer geänderten Fassung des Paragrafen 88 Landesmediengesetz, die Landesanstalt habe die Aufgabe, „Vielfalt und Partizipation“ insbesondere im lokalen und regionalen Raum zu fördern. Sie solle den „Transformationsprozess“ des lokalen und regionalen Journalismus in Nordrhein-Westfalen „beobachten und analysieren“. Auf dieser Basis sollen „Handlungsempfehlungen für die Gewährleistung von lokalem und regionalem Journalismus“ in NRW und „Anreize fü̈r eine Berichterstattung“ über den dortigen lokalen und regionalen Raum im Rundfunk und den „vergleichbaren Telemedien“ entwickelt werden. Um der „Konvergenz“ der Medien Rechnung zu tragen und die „Einbeziehung der verschiedenen Akteure des lokalen und regionalen Journalismus zu ermöglichen“, erfolge die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch eine Gesellschaft des Privatrechts, an der sich auch Dritte beteiligen können.

Dieses für viele rundfunkrechtliche und rundfunkpolitische Texte typische Kauderwelsch lässt für die Landesregierung noch konkrete Ausgestaltungsformen offen. Oppositionsabgeordnete machten indes auch im Gespräch mit der PAZ deutlich, dass nach ihrer Überzeugung SPD und Grüne nach wie vor das Ziel verfolgen, auf diesem Wege auch auf Printmedien politisch Einfluss zu nehmen. Thomas Nückel (FDP) erklärte gegenüber der PAZ, die bisher „nur“ 1,6 Millionen Euro jährlich für die geplante „Stiftung“ beziehungsweise Gesellschaft des Privatrechts seien lediglich der „Türöffner“ für SPD und Grüne, um später noch mehr Geld aus dem Rundfunkbeitrag zweckentfremden zu können. Ferner werde die Medienkommission der LfM von 28 auf 41 Mitglieder aufgebläht, um so noch mehr SPD und Grünen genehmes Personal zu installieren. In diesem Sinne äußerte sich auch der CDU-Abgeordnete Thorsten Schick gegenüber der PAZ. Schick, Nückel und Sternberg hatten im Landtag zudem scharf kritisiert, dass SPD und Grüne in letzter Minute noch in den Gesetzentwurf geschrieben haben, der Direktor der Landesmedienanstalt müsse künftig ein Volljurist sein. Damit solle nur eine Wiederwahl des amtierenden Direktors Jürgen Brautmeier – eines promovierten Historikers – im Jahr 2016 verhindert werden, der Rot-Grün ein Dorn im Auge sei. Michael Leh


Zu wenig für Neuanfang
Republikaner am Ende – Parteichef gibt Amt auf, Nachfolger fehlt

Rolf Schlierer hat keine Lust mehr. Am Abend des 25. Mai erklärte er seinen Rückzug aus der Politik. An jenem Tag kassierte seine Partei „Die Republikaner“ bei den Europawahlen mit 0,4 Prozent eine bittere Niederlage. Aber nicht nur der angestrebte Sitz im Straßburger Parlament wurde verfehlt, Schlierer verlor auch seinen Sitz im Stuttgarter Stadtrat. Die Konsequenz: Nach 20 Jahren wird er in den kommenden Wochen den Bundesvorsitz der Partei abgeben. Der Stabwechsel sollte ursprünglich am letzten Juni-Wochenende vollzogen werden, aber ein juristisches Tauziehen um ein Tagungslokal im hessischen Fulda verhinderte die Durchführung des Parteitags. Nun soll spätestens im Herbst ein Nachfolger Schlierers gewählt werden.

Der promovierte Mediziner und Rechtsanwalt geht als tragische Figur in die Geschichte der deutschen Rechten ein. 1994 übernahm er die Parteiführung von seinem populären Vorgänger Franz Schönhuber. Sein Ziel war es, stärker in bürgerliche Wählerschichten einzubrechen. Kurzfristige Wahlerfolge 1996 in Baden-Württemberg sowie ein Jahr später bei Kommunalwahlen in Hessen und Berlin schienen ihm recht zu geben. Doch stets stand ihm erbitterte Konkurrenz im Wege. Im Superwahljahr 1998 machte ihm Gerhard Freys DVU einen Strich durch die Rechnung. Danach kam es faktisch zur Spaltung der Partei. Schlierer lehnte eine Kooperation mit der DVU ebenso ab wie eine von Teilen propagierte Annäherung an die NPD im Jahr 2004. Bereits damals war sein Stern am Sinken, 2001 ging die „Schicksalswahl“ in Baden-Württemberg verloren. Streit gehörte stets zur Tagesordnung, Schlierer führte das Präsidium mit harter Hand, verschliss rund ein Dutzend Stellvertreter und drängte sämtliche acht Gegenkandidaten aus der Partei. Zuletzt traf es den rheinland-pfälzischen Landeschef Andreas Burkhardt. Der will keine schmutzige Wäsche waschen, teilt aber mit, „dass die Partei absolut am Ende ist“. Die Mitgliederzahl sei von 23000 beim Amtsantritt Schlierers auf mittlerweile 4500 gesunken, sie sei zudem durchsetzt von „Karteileichen, Inaktiven und alten Leuten“. Schlierer selbst zieht ein ernüchterndes Fazit seiner Amtszeit. „Für den Politikansatz der Partei gibt es nach dem Erstarken der AfD keine Existenzberechtigung mehr“, zudem fehle es der Partei „an einem verbindenden Gedanken. Nur mit Protest geht es nicht“, schreibt Schlierer und fügt hinzu: „Alle Versuche, die Partei zu modernisieren und andere Themenfelder zu besetzen, scheiterten am internen Widerstand.“

Als starker Mann gilt nun der bayerische Landesvorsitzende Johann Gärtner, der auch die Bundesgeschäftsstelle in Kissing leitet. Gärtner teilt mit, „dass die Partei auf jeden Fall weitermache“, er selbst stehe aber für den Vorsitz nicht zur Verfügung. „Das muss jemand machen, der jünger ist als 50.“ Ex-Rep-Funktionär Andreas Burkhardt geht davon aus, „dass der neue Vorsitzende auf jeden Fall aus Bayern kommt. Gärtner hat das Heft in der Hand, gegen ihn gibt es keine Mehrheit.“ Als möglicher Kandidat gilt der bayerische Landesvize Martin Huber, ein langjähriger erfolgreicher Kommunalpolitiker. Der scheidende Parteivorsitzende gibt seinen Nachfolgern allerdings keine Chance. „Die paar verbliebenen Kommunalmandate reichen für einen Neuanfang nicht aus. Auch wenn das einige nicht wahrhaben wollen.“ Peter Entinger


Vertane Chancen
Bund verabschiedet sich aus Projekt der Grundlagenforschung

Auf den ersten Blick sieht es wie eine wissenschaftliche Randnotiz aus: Die Bundesregierung will nicht länger das internationale Square-Kilometre-Array-Projekt (SKA) unterstützen, um so schätzungsweise 80 Millionen Euro in den nächsten acht Jahren einzusparen.

3000 Antennen sollen beim SKA in den Wüsten Südafrikas und Australiens gebaut und zu einem gigantischen Radioteleskop zusammengeschaltet werden, um Fragen zur Entstehung des Universums, der Galaxienverteilung oder des kosmischen Magnetismus zu beantworten. Während eine Himmelsdurchmusterung mit den derzeit leistungsfähigsten Teleskopen mehrere Jahre dauert, ist diese mit dem SKA innerhalb weniger Wochen möglich.

Wer ein wenig tiefer bohrt, der erkennt, dass hier wichtige Chancen für den Wissenschafts- und Industriestandort Deutschland vergeben werden. Wegen der Größe des Antennenparks und der notwendigen Technik zur Datenübertragung wird das SKA mit dem Teilchenbeschleuniger LHC an der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN), an dem der erste Webserver entwickelt wurde, verglichen. Ohne jedoch vorher mit den beteiligten Wissenschaftlern zu sprechen, teilte der Staatssekretär Georg Schütte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) dem Direktor des Square Kilometre Array mit, dass Deutschland die Organisation Mitte 2015 verlassen werde. Inländische wie ausländische Forscher zeigten sich überrascht, denn die Radioastronomie hat hierzulande eine lange Tradition, so dass das Aus an die 400 Wissenschaftler trifft. Zwar ist das BMBF der Ansicht, dass sich die Forschungsinstitute auf eigene Faust weiterhin am SKA beteiligen können, doch die Universitäten sind im Gegensatz zur Max-Planck- oder der Helmholtz-Gesellschaft auf Zuweisungen aus dem Ministerium angewiesen. Weit über die universitäre Bedeutung hinaus hat das Projekt zudem eine politische Leuchtturmfunktion, weil es das erste internationale Großprojekt Afrikas sein wird und Südafrika eine leitende Rolle spielt.

Deutsche Unternehmen, die führend beim Bau von Teleskopen sind, gehen leer aus. Es werden nur Industrieaufträge an die Länder vergeben, die sich am Bau des Square Kilometre Array beteiligen. Deutschlands jährliche Investitionen von zehn Millionen Euro wären also wieder in Form von Aufträgen, Arbeitsplätzen oder als Innovationen zurückgeflossen. Genau diese Innovationen sind für die Allgemeinheit von erheblichem Interesse. Die Datenmenge des SKA wird etwa zehnmal so groß sein wie die des heutigen Internets. Die hierfür notwendigen Technologien für die Übertragung, das Management und die Echtzeitauswertung von riesigen Datenmengen sowie die dabei gemachten Erfahrungen könnte die Industrie als sogenannte Spin-Offs (Ableger) für das vom Bund angestrebte Hochgeschwindigkeitsinternet nutzen.

Entgegen seinen Zielen hat sich jedoch das BMBF für den Austritt aus dem SKA-Projekt entschieden, so dass heimische Wissenschaftler und Unternehmer nicht mehr von dem Know-how des Projekts profitieren. Zwar fördert das Ministerium weiterhin ehrgeizige Vorhaben in der Grundlagenforschung wie den Europäischen Röntgenlaser oder die Beschleunigeranlage FAIR, keines hat aber eine solche Signalwirkung und einen derart wirtschaftlichen Nutzen. U. Blode


MELDUNGEN

Berliner Büro für die AfD

Berlin – Gegen anfänglichen Widerstand im Bundestag hat der Ältestenrat beschlossen, auch Vertretern der AfD und der NPD Büroräume im Berliner Parlament zur Verfügung zu stellen und damit die bisherigen Privilegien für EU-Abgeordnete bestehen zu lassen. Die Privilegien sehen vor, dass EU-Parlamentarier Büroräume in Berlin erhalten und auch die Dienstwagenflotte nutzen können. Hätte man den Kleinparteien dieses Vorrecht gestrichen, wäre es für alle 96 deutschen EU-Parlamentarier verlorengegangen, also auch für die Vertreter der etablierten Parteien. Die 17 EU-Abgeordneten bekommen nun zwölf Büros in Berlin zur Verfügung gestellt. Bel

 

Nahles holt linken Vordenker

Berlin – „Das können wir bestätigen. Die Personalie war bereits im Kabinett“, lautet die kurze Antwort eines Pressesprechers des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf PAZ-Anfrage. Einige Tage zuvor hatte der „Focus“ verkündet, dass Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) laut Bundestag-Flurfunk beabsichtige, den innerhalb seiner eigenen Partei als linken Vordenker bezeichneten Benjamin Mikfeld zum Leiter der wichtigen Grundsatzabteilung innerhalb ihres Ministeriums zu machen. Diese Personalie sorge jedoch parteiintern für Widerstand, da bezweifelt werde, dass der als „weltfremd“ charakterisierte ehemalige Juso-Vorsitzende, der in diesem Amt nach zwei Jahren scheiterte, und Sozialwissenschaftler in der Lage sei, an den Konjunkturprognosen der Bundesregierung mitzuarbeiten, so der „Focus“. Doch Nahles hat den Geschäftsführer der „Denkfabrik Demokratie“ nun nicht nur gegenüber ihrer eigenen Partei, sondern auch gegenüber dem Kabinett durchgesetzt. Bel


S. 6 Ausland

Allianz gegen Washington gefestigt
Putin schwört große Schwellenländer auf Widerstand gegen US-Weltmachtstellung ein

„Blowback“ (Rückstoß) ist der Titel eines Buches, das vor einiger Zeit in den USA für Diskussionen sorgte. Der Autor Chalmers Johnson attestierte der US-Außenpolitik eine Neigung, mit viel Anstrengung oftmals genau das Gegenteil von dem zu bewirken, was eigentlich beabsichtigt war. So wie der „Krieg gegen den Terror“ und der „Arabische Frühling“ den Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien in gescheiterte Staaten (failed states) verwandelt haben, könnte sich auch Obamas aktuelle Russland-Politik als veritabler Fehlschlag entpuppen

In einem beeindruckenden Tempo hat es Russlands Präsident Wladimir Putin geschafft, die Gruppe der wichtigsten Schwellenländer auf eine Anti-USA-Linie einzuschwören. Auf einer Gipfelkonferenz der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) im brasilianischen Fortaleza konnte Putin gleich mehrfach punkten. So lehnten die Schwellenländer in einer Erklärung die von der EU und den USA verhängten Sanktionen gegen Russland demonstrativ ab. Noch schwerer ins Gewicht fällt, dass die Schwellenländer sich bei ihren Konkurrenzprojekten zum Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank einig geworden sind.

Auf dem brasilianischen BRICS-Gipfel wurde ein Vertrag zur Gründung einer eigenen Entwicklungsbank unterzeichnet. Diese New Development Bank (NDB) soll eine Erstausstattung von 50 Milliarden US-Dollar erhalten, die später auf 100 Milliarden Dollar aufgestockt werden sollen. Mit dem Geld sollen Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte der BRICS-Staaten finanziert werden – unabhängig von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. In einen ebenfalls auf den Weg gebrachten eigenen Währungsfonds wollen die Schwellenländer zudem 100 Milliarden Dollar stecken. Gedacht ist der „Contingent Reserve Arrangement“ genannte Währungsfonds der Schwellenländer als Sicherheitsnetz. Wenn ein Land, wie im Vorjahr etwa Indien, in eine Zahlungsbilanzkrise gerät und an den Märkten unter Druck kommt, dann soll der Fonds künftig als Geldgeber fungieren.

Schon die Summen, die in die Hand genommen werden, lassen bezweifeln, dass sich die BRICS-Staaten künftig noch in größerem Maße bei den westlich dominierten Organisationen IWF und Weltbank mit größeren Beträgen engagieren werden. Aus Sicht der USA ist ein anderer Punkt wahrscheinlich noch wichtiger: Erklärtes Ziel der großen Schwellenländer ist es, dass ihre Pendants zu IWF und Weltbank keine politischen Auflagen machen sollen. Mit anderen Worten: Für Washington entfällt zunehmend die Möglichkeit, Kredite als Hebel zur politischen Einflussnahme zu nutzen. Dass die BRICS-Staaten nach ihrem erst 2009 erfolgten lockeren Zusammenschluss nun erstaunlich schnell Handlungsvermögen beweisen, ist nicht zuletzt der Tatsache zuzuschreiben, dass trotz aller Differenzen die großen Schwellenländer ein Unbehagen am globalen Führungsanspruch der USA eint. Putin scheint dies instinktiv erkannt zu haben und zielstrebig eine entsprechende Politik zu verfolgen.

Die nächste Herausforderung ist für den Westen bereits in Sicht. Die fünf BRICS-Länder fordern einen stärkeren Einfluss in internationalen Gremien und wollen sich für eine Reform des Uno-Sicherheitsrates stark machen. Russland und China sind ständige Mitglieder und unterstützen die Ambitionen von Brasilien, Indien und Südafrika.

Als wäre Putins Auftritt auf dem BRICS-Gipfel in Brasilien für Washington nicht schon Provokation genug, nutzte Russlands Präsident die Gelegenheit auch noch, um quasi auf dem Hinterhof der USA auf eine Sechs-Tage-Tour zu gehen. Auf dem Programm standen Argentinien, Brasilien und Kuba. Die Ergebnisse der Reise zeigen, wie stark die USA in Süd-und Mittelamerika an Einfluss verloren haben: Auf Initiative der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández sollen russische Unternehmen unter anderem mit dem Bau von zehn Wasserkraftwerken und einem Atomkraftwerk in ihrem Land beauftragt werden. Auf Kuba plant Russland offenbar, einen alten sowjetischen Horchposten wieder in Betrieb zu nehmen, der nur 160 Kilometer vor der Küste der USA entfernt liegt. In Nicaragua wird darüber diskutiert, auf eine militärische Unterstützung Russlands zum Schutz des geplanten „Großen Interozeanischen Kanals“ zurück-zugreifen.

Als ähnlich provozierend wie Putins Südamerika-Tour dürfte Washington es empfinden, dass auch Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping den BRICS-Gipfel zu einem ersten Besuch auf dem vermeintlichen Hinterhof der USA genutzt hat. Erklärtes Ziel der Volksrepublik ist es, seine Kooperation mit den Ländern Lateinamerikas auszubauen und dort zum größten Investor aufzusteigen. In Brasilien hat das Reich der Mitte bereits im Jahr 2012 die USA als wichtigster Handelspartner abgelöst.

Selbst russischen Medien schwant inzwischen, dass der eigentliche Profiteur von Putins Anti-USA-Koalition am Ende China heißen könnte. So nimmt Chinas Führung vom BRICS-Gipfel die Zusage mit, dass die mit der Weltbank konkurrierende neue Entwick-lungsbank ihren Sitz in Schanghai haben wird.

Norman Hanert


Moskau ändert Strategie
Annäherung an Georgien statt Abbruch der Beziehungen

Zurzeit bereitet die Ukraine Russland zwar noch die größten Kopfschmerzen, doch scheint es, als habe Moskau aus den Sanktionen des Westens neue Schlüsse für einen Umgang mit Georgien nach dessen Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens gezogen.

Während der Kreml die Handelsbeziehungen mit der Ukraine und Moldau als Reaktion auf deren Streben nach der EU-Mitgliedschaft gekappt hatte, gibt es Anzeichen für eine Annäherung an Georgien. Dazu nutzt Moskau den Umstand, dass Georgien zwar am Westkurs festhält, aber vom EU-Beitritt nicht allzu viel erwartet. Die Erinnerung an den kriegerischen Konflikt mit Russland von 2008, bei dem der Westen dem kleinen Georgien nicht beistand, weil das Interesse an guten Beziehungen zu Putin als höher eingestuft wurde, ist noch wach. Ebenso haben die immer wieder verschobenen Verhandlungen über einen Nato-Beitritt Georgiens zu der Überzeugung geführt, dass auch die Nato bei einem neuen Konflikt nicht helfen werde.

Genau das ist der Punkt, an dem Moskau den Hebel ansetzt: Statt Sanktionen gegen ein weiteres ehemaliges Mitglied der Sowjet-union zu verhängen, setzt man auf eine engere Zusammenarbeit.

Diese zeichnet sich augenblick-lich ab. Pressemeldungen zufolge haben erste Expertengespräche zwischen Vertretern Moskaus und Tiflis’ über die Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen beiden Hauptstädten stattgefunden. Laut der georgischen Wirtschaftsministerin Natia Mikeladse sollen die ersten Flüge ab dem 15. September starten. Verbindungen mit weiteren Flughäfen sind vorgesehen. Daneben wurde auch über eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen gesprochen. 2013 hatte Russland bereits das Einfuhrverbot für georgischen Wein gelockert, jetzt prüft die russische Landwirtschaftsbehörde die Bedingungen für den Import georgischer Produkte wie Zwiebeln, Möhren, Rüben, Paprika und Melonen.

Ein geschickter Zug, dem Westen zuvorzukommen, wäre die baldige Einführung des visafreien Grenzverkehrs mit Georgien. Russland wird versuchen, Tiflis die Vorteile von Wirtschaftsbeziehungen schmackhaft zu machen. Gleichzeitig gilt es, Tiflis von Moskaus Fähigkeit zu überzeugen, für politische Stabilität in der konfliktgeprägten Kaukasus-Region sorgen zu können.

Dass der Kreml erheblichen Einfluss in der Region ausübt, zeigt das Beispiel Südossetiens und Abchasiens, die völkerrechtlich zu Georgien gehören, von Moskau aber in ihren Separatismusbestrebungen sogar militärisch unterstützt wurden. Als Antwort auf die russische Aggression bezieht Georgien seit 2008 90 Prozent seines Gasbedarfs aus dem benachbarten Aserbaidschan, so dass Russland das Druckmittel Gas nicht mehr zur Verfügung steht.

Es zeichnet sich weiter ab, dass Russland seinen Einfluss auf die geopolitisch wichtige Region verteidigen wird. Einen Verbündeten hat der Kreml bereits in Armenien, das der Eurasischen Union beitreten will, während der Energielieferant Aserbaidschan sich dem politischen Einfluss aus West und Ost zu entziehen versucht. Aserbaidschan verhandelt zusätzlich mit dem Iran. Georgien wird sich um gute Beziehungen zu den Nachbarn, auf die neben dem Iran auch die Türkei Einfluss nehmen wollen, bemühen. Dies geschieht im Einklang mit EU-Bestimmungen und ohne Moskau als Handelspartner ganz zu verlieren. MRK


Widerstand gegen Brüssel
Österreich und Italien halten am South-Stream-Projekt fest

Nach den Plänen von Gazprom soll die South-Stream-Pipeline, mit der russisches Gas durch unterirdische Leitungen unter dem Schwarzen Meer und über Bulgarien, Serbien, Ungarn, Slowenien, Österreich bis nach Italien gepumpt werden soll, bereits 2015 in Betrieb genommen werden. Die Lieferroute unter Umgehung der Ukraine soll zusätzlich einen Abzweig nach Kroatien, Mazedonien, Griechenland und in die Türkei erhalten.

Die anhaltende Ukraine-Krise spaltet die EU-Mitgliedsstaaten in zwei Lager: Während die einen den von Brüssel verordneten Baustopp befürworten, wollen die an dem Projekt beteiligten Länder am Weiterbau festhalten. Bulgarien musste kürzlich wegen Druck aus Brüssel die Vorarbeiten an dem Projekt auf Eis legen. Auch Slowenien und Serbien beklagen, von der EU unter Druck gesetzt worden und von US-Vertretern gar vor einem Treffen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow gewarnt worden zu sein.

Davon unbeirrt, erklärten Vertreter des österreichischen Gaskonzerns OMV am Rande von Putins Besuch Ende Juni in Wien ihre Beteiligung an dem Projekt. Sie bekräftigten dies, indem sie einen entsprechenden Vertrag mit Gazprom über den Bau des österreichischen Abschnitts unterzeichneten. Während vor allem die baltischen Staaten das Pipeline-Projekt scharf kritisieren, weil dadurch der Monopolanspruch der russischen Gazprom gestärkt würde, wollen die am Bau beteiligten Länder Italien, Bulgarien, Ungarn, Slowenien und nun auch Österreich am Weiterbau festhalten.

Tatsächlich kann Russland sich getrost zurücklehnen, wohl wissend, dass Europa kaum Alternativen zum russischen Gas hat. Die angestrebte Diversifizierung der Energiegewinnung kommt nicht voran. In Deutschland beispielsweise erfuhr das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) erst kürzlich einen deutlichen Dämpfer, alternative Lieferanten sind derzeit nicht in Sicht. South-Stream war aufgrund permanenter Gasstreitigkeiten mit der Ukraine 2007 auf eine gemeinsame Initiative von Gazprom und dem italienischen Energieversorger Eni ins Leben gerufen worden, um die Energieversorgung der südeuropäischen Länder zu sichern. Zurzeit bezieht die EU 30 Prozent ihres benötigten Gases aus Russland, die South-Stream-Pipeline würde die Kapazität um weitere 25 Prozent erhöhen. Die fast 2400 Kilometer lange Gasleitung soll ihre volle Leistung von bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr bis 2018 erreichen. Das Gesamtvolumen des Projekts wird auf 16 Milliarden Euro geschätzt. Gazprom ist mit 50 Prozent beteiligt, das italienische Unternehmen Eni mit 20 und jeweils 15 gehören der deutschen Wintershall Holding und der französischen EDF.

Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass die bereits geschlossenen Verträge Russlands mit den europäischen Transitländern Österreich, Bulgarien, Ungarn und Slowenien gegen EU-Gesetze verstoßen. Das 2009 von der EU beschlossene „dritte Energiepaket“ sieht vor, dass Produktion und Netzbetrieb nicht in den Händen ein und desselben Konzerns liegen dürfen. Auf diese Weise wollte man den Gasmarkt in der EU liberalisieren.

Die USA wollen das Projekt aufhalten, um sich Absatzmärkte für ihr Schiefergas zu sichern, scheitern jedoch noch am Widerstand Südeuropas.

Manuela Rosenthal-Kappi


MELDUNGEN

Gegen Wildwuchs beim Gendern

Wien – In einem offenen Brief haben 800 Sprachkritiker Österreichs Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zu einer „Rückkehr zur sprachlichen Normalität“ aufgefordert. Kritisiert wird in dem von zahlreichen Prominenten unterzeichneten Schreiben ein „Wildwuchs durch das sprachliche Gendern“. Die Verpflichtung zu generell getrenntgeschlechtlichen Formulierungen „zerstört die gewachsene Struktur der deutschen Sprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit“, so die Kritiker in ihrem Schreiben. N.H.

 

Usbeken üben Dschihad

Karachi – Heftige Kämpfe lieferten sich Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer mit der pakistanischen Armee in Nord-Waziristan, einer Unruheregion im Süden des Landes, in die seit Jahren Islamisten aus Tschetschenien, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan einwandern. Dem Militäreinsatz waren Anschläge auf den Flughafen Karachi vorausgegangen, die zivile Opfer forderten. Für den Bschuss wird die Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) verantwortlich gemacht. In der von verschiedenen Volks- und Glaubensgruppen bewohnten Region haben sich usbekische Kämpfer mit ihren Familien niedergelassen. Sie bezeichnen die von ihnen bewohnten Dörfer als „Usbekistan in der Vertreibung“. Ihr Ziel ist es, an der „Befreiung“ Mittelasiens und einer islamischen Front im Nahen Osten mitzuwirken. Für Russland, das sich mit wachsender Zuwanderung aus Usbekistan konfrontiert sieht, ist dies eine gute Nachricht. Radikale Islamisten, die in Pakistan kämpfen, sind zu beschäftigt, um Anschläge in Moskau zu verüben. MRK


S. 7 Wirtschaft

Nächste Banken-Rettung kommt bestimmt
Die EZB soll Europas Banken hart prüfen, doch in Wahrheit ist sie längst viel zu eng mit ihnen verflochten

Spätestens am 17. Oktober wird die europäische Öffentlichkeit damit konfrontiert werden, dass die Banken- und Euro-Krise noch nicht vorbei ist. An diesem Tag will die EZB ihre Ergebnisse von Bilanzprüfung und Stresstest, die sie bei den 120 größten Banken des Euro-Raums durchgeführt hat, verkünden. Schon jetzt ist klar: Nicht alle Banken werden bestanden haben.

Selbst die Europäische Zentralbank (EZB) bekennt, dass der Start der von ihr anhand von Stichproben durchgeführten Bilanzprüfungen kombiniert mit einem Stress-test nicht gerade rund lief. Am 4. November übernimmt die Zentralbank die Aufsicht über die 120 wichtigsten Banken im Euro-Raum, doch sie alle sollen zu dem Zeitpunkt über genügend Eigenkapital verfügen und so wenig faule Kredite und Risiken in ihren Büchern haben wie möglich. Daher hat die EZB ein massives Eigeninteresse daran, nicht zu lasch zu testen.

Allerdings begann der Test schon, als noch nicht einmal feststand, wer Chef der neuen Banken-aufsicht unter dem Dach der EZB sein soll. Auch waren nur wenige der geplanten neuen 1000 Mitarbeiter bereits eingestellt. Inzwischen ist die Französin Danièle Nouy Chefin, die vier Generaldirektoren haben ihre Büros bezogen und die Personalabteilung arbeitet sich durch laut EZB-Angaben 14000 Bewerbungen, ein Drittel davon aus dem von Bankenkrisen geschüttelten Spanien, um geeignete Mitarbeiter zu finden. Derweil haben die bereits eingestellten 550 Bankenaufseher die von fast 6000 externen Wirtschaftsprüfern zusammengetragenen Daten bereits zur Auswertung vorliegen und sollen bis Ende August erste Erkenntnisse für die interne Verwendung erlangt haben. Aufgrund der geringen Vorabplanung beklagen jedoch die geprüften Banken, dass sie lange nicht wussten, was die EZB überhaupt alles von ihnen wissen will und fragten, ob diese dies selber im Detail wisse. Auch von der deutschen Bankenaufsichtsbehörde Bafin gab es Kritik. Deren Chefin, Elke König, hielt nämlich nicht mit ihrem Eindruck hinter dem Berg, dass bei der Prüfung Schnelligkeit vor Sorgfalt gehe, und zudem die Gefahr bestehe, dass alle Banken nach einem Modell getestet würden, obwohl die bisher zuständigen nationalen Aufsichten äußerst unterschiedliche Vorgaben gemacht hatten. Dieses „über einen Kamm scheren“ berge die Gefahr, dass einige Institute plötzlich schlechter oder besser dastünden, als es bisher der Fall war.

Dass weder die Banken noch die bisher zuständigen Bankenaufseher über die Tests erfreut sind, ist verständlich, schließlich fürchten beide Seiten, dass von ihnen begangene Verfehlungen oder Verschleierungen jetzt ans Licht kommen. Und da die EZB unter dem Druck steht, ihre Glaubwürdigkeit als in Sachen Bankenaufsicht besser geeignete Institution zu beweisen, gehen Experten davon aus, dass sie schon allein deshalb auch Zeugnisse mit der Note mangelhaft erstellen wird. Zudem kann sie jetzt noch die Schuld auf die anderen abschieben. Lässt sie angeschlagene Banken unter ihre Aufsicht und die geraten erst danach ins Trudeln, steht die EZB fortan immer mit im Kreuzfeuer der Kritik.

Allerdings kann die EZB auch nicht zu hart urteilen. Die wirtschaftliche Lage im Euro-Raum ist noch zu instabil, um zu viele Ban-kenpleiten zu verkraften. Dies gilt einmal psychologisch, schließlich war die sogenannte „Nervosität der Märkte“ im Rahmen der Euro-Krise ein häufig genanntes Argument für die erfolgten Euro-Rettungsmaßnahmen, aber auch rein materiell, denn woher soll das Geld für die dann erneut anstehenden Banken-Rettungen kommen? Von den klammen Staaten wohl kaum. Auch ist die EZB gleich über verschiedene im Rahmen der Euro-Rettung erfolgte Maßnahmen so eng an verschuldete Staaten, aber auch Banken gekettet, dass eine zu starke Erschütterung des Systems auch die Notenbank mit in Bedrängnis brächte.

Wohl auch daher rührt ihre Zustimmung zu Sonderregelungen beim Stresstest für bereits in Abwicklung befindliche Banken wie die französisch-belgische Dexia. Die Lage des bereits mit zwölf Milliarden Euro an Hilfsgeldern unterstützten Kommunalfinanzierers ist immer noch angespannt. Einen Stresstest würde die Bank nicht überstehen. Ein derartiges Ergebnis würde aber nicht nur die Regierungen in Frankreich und Belgien in Bedrängnis bringen, weil sie erneut Geld in die desolate Bank pumpen müssten, sondern auch Nouy und EZB-Chefökonom Peter Praet. Erstere war bis vor Kurzem oberste Bankenaufseherin in Frankreich, Letzterer lange für die Bankenaufsicht bei der belgischen Zentralbank tätig. Beide haben jedoch von den Problemen der Dexia nichts geahnt, bevor diese so groß waren, dass nur noch eine Rettung durch die Steuerzahler infrage kam.

Die EZB begründet die Sonderregeln für die Dexia aber auch für die Reste der ehemaligen Hypo Real Estate damit, dass diese in Abwicklung seien und ihre Risiken stetig abgebaut würden. Was in der Theorie schlüssig klingt, berück-sichtigt allerdings nicht den Aspekt, dass die Bilanzsumme der Dexia 238 Milliarden Euro (Stand März dieses Jahres) umfasst, was zwei Dritteln des belgischen Bruttoinlandsproduktes entspricht, und somit immer noch äußerst hohe Risiken von dem Institut ausgehen.

Spannend bleibt zudem, wie die im Ok-tober durch die EZB-Tests gefallenen Banken konkret gerettet werden sollen. Die Regierungschefs der Euro-Länder beteuern stets, dass der Steuerzahler zuletzt einspringen solle. Zuerst die Gläubiger, dann die nationalen Staaten, heißt es derzeit. Die Bankenunion kann nicht helfen, da sie erst in Planung ist. Was aber im Jubel über die Fußballweltmeisterschaft untergegangen ist, ist ein Beschluss des Bundeskabinetts, den Euro-Rettungsfonds ESM künftig auch, wenn auch unter Auflagen, direkt für Banken als Geldgeber einspringen zu lassen, was Ungemach erahnen lässt. Rebecca Bellano


Vorgeschmack auf das TTIP
In den USA klagen Firmen gegen Lebensmittelkennzeichnungspflicht

Eine Befürchtung im Zusammenhang mit der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) betrifft Großkonzerne, die mit Schadensersatzansprüchen Staaten in Grund und Boden klagen und Parlamentsbeschlüsse wieder zu Fall bringen könnten. Speziell unter dem Aspekt des geplanten „Investitionsschutzes“ weckt derzeit ein Gerichtsprozess im nordöstlichen US-Bundesstaat Vermont reges Interesse.

Als einer der ersten Bundesstaaten hat Vermont kürzlich eine Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln beschlossen. Nun liegt eine Klage der Lebensmittelindustrie gegen den Bundesstaat vor. Die Spitzenverbände der US-Lebensmittelindustrie fordern die Rücknahme des demokratisch zustande gekommenen Beschlusses. Die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel sei eine „kostspielige und fehlgeleitete Maßnahme“, die zu zahllosen Kennzeichnungspraktiken im Land führen werde und letztlich „keinen Vorteil für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher“ bringe, so die Argumentation der Kläger. Mitgliedsunternehmen der vor Gericht gezogenen Verbände sind namhafte Größen der Lebensmittelbranche wie Nestlé, Coca-Cola, Pepsico, aber auch Agrochemie-Konzerne wie Monsanto und Dow Chemical.

Für die Unternehmen steht einiges auf dem Spiel. Fertiggerichte, Limonaden und sogenannte Snacks enthalten in den USA inzwischen oft Zucker aus gentechnisch veränderten Rüben oder Öl aus Gentech-Soja. Befürchtet wird, dass Vermont einen Dominoeffekt auslösen könnte: Einige andere Bundesstaaten haben bereits ähnliche Gesetze erlassen, die allerdings noch nicht in Kraft getreten sind. Die Kläger behaupten, dass eine Kennzeichnungspflicht in Vermont einen Eingriff in den innerstaatlichen Handel der USA darstelle. Außerdem sehen sie ihr per Verfassung verbrieftes Recht auf Redefreiheit verletzt. Durch Vermonts Kennzeichnungsgesetz werde ihnen auferlegt, eine Meinung zu verbreiten, die nicht die ihre sei, so die Kläger.

Nach dem, was von den Verhandlungen zum TTIP bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist, sollen Unternehmen künftig auch innerhalb der EU mehr Möglichkeiten haben, auch gegen Staaten vor Gericht zu ziehen. Bestandteil des geplanten Abkommens sollen Regelungen zum Investitionsschutz sein, die es auch US-Unternehmen erlauben, Staaten sogar auf entgangene Gewinne zu verklagen. Besonders bedenklich ist, dass außerhalb der normalen juristischen Verfahren Schiedsstellen und außerordentliche Gerichte über die Ansprüche der Unternehmen entscheiden sollen.

Zu befürchten ist, dass die aktuelle Klage in Vermont einen Vorgeschmack auf künftige transatlantische Streitigkeiten bietet. In der EU müssen bisher Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, gekennzeichnet werden. Versuche von Unternehmen, hierzulande entsprechend gekennzeichnete Produkte auf den Markt zu bringen, scheiterten bisher regelmäßig daran, dass die Verbraucher die betreffende Ware zu Ladenhütern machten. N. Hanert


Milliardengrab Osteuropa
Österreichs Banken geraten noch tiefer in den Abwärtsstrudel

Nachdem Österreichs Banken wegen Verlusten im Osteuropageschäft ohnehin schon angeschlagen sind, droht mit neuen Russland-Sanktionen und einer Verschärfung der Ukraine-Krise endgültig ein finanzielles Debakel. Als Folge wird bereits befürchtet, dass die Alpenrepublik nicht nur in eine wirtschaftliche, sondern auch in eine tiefe politische Krise schlittert.

Anleger reagierten schockiert auf eine Gewinnwarnung der zur Sparkassengruppe Österreich gehörenden Erste Group Bank. Diese – immerhin mit 16,4 Millionen Kunden eine der größten Bankengruppen in Zentral- und Osteuropa – erwartet für das laufende Jahr einen Rekordverlust von 1,6 Milliarden Euro. Die Bilanz verhagelt haben vor allem drohende Wertberichtigungen in Rumänien und Verluste mit Fremdwährungskrediten in Ungarn.

Mit ihrem Debakel in Osteuropa steht die Erste Bank Group nicht allein. Auch die Konkurrenten Unicredit Bank und Austria Raiffeisen International mussten wegen ihrer Osteuropageschäfte bereits hohe Abschreibungen verkraften. Dass vor allem Österreichs Banken betroffen sind, wenn es schlechte Nachrichten aus Osteuropa gibt, liegt daran, dass österreichische Unternehmen und Banken seit 1989 dort ein großes Rad gedreht und Milliarden investiert haben, da der eigene Heimatmarkt nicht groß genug erschien. Inzwischen häufen sich die faulen Kredite.

Das Potenzial, ganz Österreich in eine tiefe Krise zu stürzen, wird vor allem einer Bank zugetraut: der 2009 verstaatlichten Hypo Alpe Adria. Eine Lösung für die Skandalbank wird von Österreichs Politik seit nunmehr fünf Jahren immer wieder vor sich hergeschoben. Als Folge hat das Problem eine die Existenz der Alpenrepublik gefährdende Dimension angenommen. So geht die Zentralbank in Wien davon aus, dass eine Insolvenz der früheren Tochter der Bayerischen Landesbank mittlerweile bis zu 26 Milliarden Euro kosten würde. Gemessen an dem, was Hypo Real Estate, West LB, IKB und Commerzbank an Steuergeldern gekostet haben, erscheint der Fall Hypo Alpe Adria für deutsche Verhältnisse nicht einmal besonders dramatisch. Für Österreich mit seinen nur knapp 8,5 Millionen Einwohnern stellt die Hypo Alpe Adria allerdings ein „finanzpolitisches Monster“ dar, so die Einschätzung der „Wirtschaftswoche“.

Bisher kann sich die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP zu keiner Entscheidung durchringen, wie es mit der Skandalbank weitergehen soll. Die zur Diskussion stehenden Optionen kommen der sprichwörtlichen Wahl zwischen Pest und Cholera gleich: Werden die faulen Kredite der Hypo Alpe Adria in eine sogenannte Bad Bank verlagert, dann triebe dies schlagartig die Staatsverschuldung Österreichs in die Höhe, die Alpenrepublik verlöre ihre bisherige Spitzenbonität von „AAA“. Als Folge würde sich die Kreditbeschaffung für Staat und Banken verteuern. Lässt man die Hypo Alpe Adria hingegen in die Insolvenz gehen, dann droht dies, Österreich als Wirtschafts- und Finanzstandort bis in die Grundfesten zu erschüttern. Obendrein gilt bei einer Insolvenz der Hypo Alpe Adria eine handfeste politische Krise als sicher. N.H.


MELDUNGEN

Kaum Käufer für alte Kasernen

Rom – Eigentlich will der italienische Staat durch den Verkauf eigener Immobilien ab diesem Jahr rund 500 Millionen Euro jährlich einnehmen, doch die bisher erfolgten Auktionen fanden entweder keine Interessenten oder die erzielten Preise lagen unter den Vorstellungen des Staates. Allein die staatliche Immobilienbehörde Demanio verwaltet Gebäude im Wert von 56 Milliarden Euro. Insgesamt befinden sich Immobilien im Wert von 300 Milliarden Euro im Staatsbesitz. Doch die meisten davon sind unverkäuflich wie Universitäten, Schulen oder Polizeikommissariate. Ausrangierte Kasernen oder alte Schlösser hingegen sind meist stark sanierungsbedürftig. Zudem liegt der italienische Immobilienmarkt am Boden. Bel

 

Geldpolitik der EZB gut erklärt

Remagen – Christiane Graeff ist zur PR-Managerin des Jahres gekürt worden. Die EZB-Generaldirektorin für Kommunikation habe bewiesen, dass Kommunikation ein Werkzeug der Geldpolitik geworden sei. Auch habe sie sich der Herausforderung gestellt, die Vernichtung von Sparvermögen durch von der EZB verordnete Zinsen zu erklären. Bel

 

Im Notfall kaum Hilfe möglich

Moskau – Russlands Ministerpräsident Medwedjew will per Gesetz den Kauf ausländischer Technik für staatliche Behörden begrenzen. Darunter fallen neben Dienstwagen auch medizinische Geräte für die Rettungsdienste. Während Beamte von einer Lücke im Gesetz profitieren, da in Russland produzierte ausländische Luxuswagen ausgenommen sind, könnten Notärzte weniger Leben retten, da Russland selbst keine hochwertige Medizintechnik herstellt. MRK


S. 8 Forum

Intransparent
von Rebecca Bellano

Sieht man sich die Entwick-lung der Sozialkosten hierzulande an, dann fragt man sich, wie die massiv steigenden Ausgaben bei einer alternden Gesellschaft künftig bezahlt werden sollen. Der Großteil der Kostensteigerungen war bereits vor Jahrzehnten absehbar. Aber anstatt für die schlechter werdenden Zeiten vorzusorgen, wurde fleißig über die Verhältnisse gelebt und wurden weiter neue Schulden gemacht. Für diese sind jetzt Zinszahlungen in Milliardenhöhe fällig, Geld was dringend für andere Dinge benötigt würde.

Bis dahin sind aber Bund, Länder und Kommunen dabei, sich gegenseitig die großen Kostenblöcke zuzuschieben, ohne dass über eine langfristige Finanzierbarkeit nachgedacht wird. Besonders aufschlussreich ist hier, wie intransparent die Finanzbeziehungen dieser drei großen Spieler im deutschen föderalen System sind. Klare, logische Strukturen sehen anders aus. Und anstatt einmal einen Neustart zu machen und alles neu zu regeln, wird seit Jahrzehnten an einem verquasten System rumgedoktert, so dass inzwischen kaum noch jemand den Überblick hat.


Strafe für alle
von Jan Heitmann

Das soll einer verstehen: Wer den Holocaust gutheißt, ihn leugnet oder relativiert, wird bestraft. Wenn aber aus einer Demonstration heraus Juden als „feige Schweine“ diffamiert werden, soll das keine Volksverhetzung, ja nicht einmal eine Beleidigung sein. Ersteres ist aus der deutschen Geschichte heraus nachvollziehbar, Letzteres nur vor dem Hintergrund, dass auch Parolen wie „Soldaten sind Mörder“ und „Deutsche Polizisten sind Nazis und Faschisten“ seit langem vom Staat toleriert werden. Die Herabsetzung richte sich nämlich nicht gegen eine bestimmte Person, sondern lediglich gegen eine ganze Personengruppe. Die aber sei nicht beleidigungsfähig, so die Gerichte.

Mit dieser juristischen Billigung hat der Staat vor Jahrzehnten eine Büchse der Pandora geöffnet, deren Auswüchse nun auf peinliche Weise auf ihn zurückfallen. Die Dummen sind wieder einmal die Polizisten, auf die jetzt verbal eingeschlagen wird, weil sie nicht gegen die antisemitischen Parolen eingeschritten sind. Was aber hätten sie denn tun sollen, wenn derartige Äußerungen gar nicht verboten sind?

Es ist nur verständlich, dass die Berliner Polizei sie jetzt mit Mitteln des Versammlungsrechts per Auflage verhindern will – nicht zuletzt wohl auch, um in Zukunft nicht wieder in die Schusslinie zu geraten. Andererseits wird damit eine Art Einzelfallrecht geschaffen. Denn was ist mit den anderen Verunglimpfungen und eventuell neu kreierten antisemitischen Parolen? Besser wäre es, der Staat würde hier grundsätzlich handeln und alle Schmähungen bei Demonstrationen unter Strafe stellen, gegen wen sie auch gerichtet sein mögen.


Keine Rechte ohne Pflichten
von Hans Heckel

Kinder an die Macht!“ forderte der Popsänger Herbert Grönemeyer schon vor fast 30 Jahren. Der 16-jährige Felix Finkbeiner hat nun eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt, um diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Wahlalter solle nicht (weiter) herabgesetzt, es solle ganz abgeschafft werden. Kinder und Jugendliche unter 18, die sich für Politik interessieren, sollten sich in die Wahllisten eintragen können und erhielten so das umfassende Wahlrecht. Dahinter steht die Initiative „Wir wollen wählen“, die auch vom Kinderhilfswerk, dem Bundesjugendring und anderen Organisationen unterstützt wird.

Die Argumente klingen zunächst einleuchtend: Kinder müssten die Folgen der Politik mindestens ebenso ertragen wie alle anderen Altersgruppen. Außerdem wüssten viele Erwachsene kaum mehr oder gar weniger von Politik als interessierte 13-Jährige.

Beides stimmt, und doch haben die Macher von „Wir wollen wählen“ etwas Entscheidendes übersehen, was mit Hinblick auf unser Recht sichtbar wird: Das Strafrecht schützt Kinder (ganz) und Jugendliche (teilweise) vor der Härte des Gesetzes. Kinder sind gänzlich strafunmündig, jugendliche Delinquenten (in der Regel sogar bis 20 Jahre) werden nach dem milderen Jugendstrafrecht abgeurteilt.

Warum ist das so? Weil Einigkeit darüber besteht, dass Kinder und Jugendliche die Folgen ihrer Taten nur sehr eingeschränkt abschätzen können, die Voraussetzung für volle Verantwortung also noch nicht erbringen.

Wer nun meint, ihre Reife reiche aus, über Wohl und Wehe des Landes mitzubestimmen, der müsste sie auch im vollen Umfang für ihre übrigen Entscheidungen, etwa die zu einer Straftat, zur Verantwortung ziehen.

Im konkreten Fall hieße dies, dass ein Elfjähriger, der sich in die Wahllisten eingetragen hat, von dem Moment an unter Erwachsenenstrafrecht steht. Eine geradezu abartige Vorstellung.

Wollen die Initiatoren etwa dahin? Das ist wohl auszuschließen. Hinter der Initiative lugt etwas anderes hervor, nämlich die Vorstellung, dass es Befugnisse auch geben sollte ohne Verantwortlichkeit, Rechte ohne Pflichten. „Auch eine Elfjährige hat eine Meinung“, argumentiert Finkbeiner. Eine Meinung haben, das soll reichen. Der Vorstoß und vor allem seine erwachsenen Unterstützer spiegeln einen Zeitgeist wider, dem Jahrzehnte nach der letzten historischen Katastrophe auf deutschem Boden das Gespür dafür verloren gegangen ist, welch fürchterliche Folgen Politik haben kann, weshalb nur solche Bürger darüber mitbestimmen dürfen, die auch im Privatleben die volle Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen müssen.


Frei gedacht
ZDF: Manipulation mit System
von Eva Herman

Das ZDF hat einen handfesten Skandal. Mal wieder. Es geht um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit des Mainzer Senders: Bei zwei Ranking-Shows, moderiert von Johannes B. Kerner, wurde gehörig manipuliert. Viele Fragen stehen im Raum, die den Status unserer Medien – in letzter Zeit immer häufiger – in Frage stellen: Geschah dies zum ersten Mal? Oder wurden die Zuschauer schon häufiger betrogen? Gab es für diesen unerlaubten re-daktionellen Eingriff alleine dramaturgische Gründe, oder sind es doch politische? Welche Rolle spielt der Moderator? Alte Erinnerungen werden wach: Die berühmte Kerner-Sendung im ZDF, am 9. Oktober 2007.

Es ist sieben Jahre her, als mein berufliches Schicksal eine deutliche Wende nahm. Durch die Erkenntnis über unsere äußerst problematische Familienpolitik hatte ich öffentlich Stellung bezogen, war aus dem sicheren, öffentlich-rechtlichen Kokon entwichen. Es ging mir, damals wie heute, hauptsächlich darum, die Missstände aufzuzeigen, die eine dem kommunistischen System vergleichbare Krippenpolitik für eine Gesellschaft bringt: Kleinstkinder, zuweilen nicht älter als sechs Wochen, in fremde Hände geben? Verheerend. Unter drei Jahren gilt: Die Mutter ist die wichtigste Bezugsperson. Das sagen die Naturgesetze. Das haben auch alle seriösen Wissenschaftler auf der ganzen Welt längst festgestellt. Hunderte Studien darüber existieren: Die Folgen einer zu frühen Fremdbetreuung können sich, um es gelinde auszudrücken, negativ auf das weitere Leben des Kindes auswirken. Doch unsere Politiker wollen diese Studien nicht kennen, da das Krippensystem à la Margot Honecker hier politisch durchgesetzt wird! Deswegen müssen auch alle Störfaktoren aus dem Weg geräumt werden.

Und so war ich, praktisch über Nacht, zu einer Systemgegnerin geworden: Ein Fall für Johannes B. Kerner, ein Fall für das ZDF! Die Kerner-Sendung wurde nicht nur für mich, sondern für Millionen Zuschauer zu einem Albtraum. Man hatte eine Art Tribunal einberufen, welches über mich richten sollte. Eine mir bis dato sympathische Schauspielerin namens Senta Berger, eine mir stets wenig sympathische Ex-Moderatorin Margarethe Schreinemakers, der mir bis heute unbedeutend erscheinende Komiker Mario Barth. Und natürlich, als Master of Desaster, J. B. Kerner.

Wer sich heute fragt, wer von den Manipulationen der jüngsten Ranking-Shows wusste, der muss wissen, dass die Mitglieder der damaligen ZDF-Runde durchaus zu wissen schienen, dass die Kerner-Show mit einem Eklat enden sollte. Und hierbei handelte es sich „nur“ um die Gäste. Eine immer aufgeregter wirkende Senta Berger, die im Laufe der Sendung mehrmals ankündigte, jetzt gehen zu wollen, und dennoch sitzen blieb, fragte nach etwa 50 Minuten Sendezeit völlig entnervt den Starmoderator Kerner, wann man denn endlich das tun würde, was ursprünglich abgesprochen worden sei. Aha?

Nun war ich selbst zehn Jahre lang Talk-Show-Moderatorin und bin mit den internen Regeln des öffentlich-rechtlichen Systems durchaus vertraut. Selbstverständlich ist es möglich, dass meiner damaligen Co-Moderatorin und mir einige faule Eier von der Redaktion untergeschoben wurden, die uns zu Handlangern des Systems machten, ohne dass wir davon wussten. Doch da wir bei sämtlichen Redaktionskonferenzen stets das Wort mit führten, waren wir in sämtliche Vorgänge involviert. Weswegen es schwer vorstellbar ist, dass Moderator Kerner in der jüngsten ZDF-Skandal-Sendung, die ausgerechnet den Titel „Deutschlands Beste“ trug, von nichts gewusst haben soll.

Man muss sich hier die Frage stellen, ob das öffentlich-rechtliche System den Zenit überschritten hat. Schauen wir uns nur die jüngsten Ungereimtheiten in der Berichterstattung an, die immer wieder dieselbe Überschrift tragen: Manipulation! Wer sich an das vor einigen Monaten ausgestrahlte Interview zwischen ZDF-Anchorman Claus Kleber und dem Siemens-Chef Joe Kaeser erinnert, dem gefriert noch das Blut in den Adern: Zur besten Sendezeit nahm Kleber den Vorstandsvorsitzenden auseinander, weil der es gewagt hatte, seine Geschäftsbeziehungen zu Russland weiter aufrechtzuerhalten, obwohl die Bundesregierung in eine Art Krieg mit den Russen getreten war. Der deutsche Fernsehzuschauer lernt seit den Unruhen in der Ukraine, dass Präsident Wladimir Putin ein „Aggressor“ ist, dass „prorussische Kräfte“ die Ukraine destabilisieren und dass die Krim von den Russen „annektiert“ worden ist.

Ein anderes Mal funktionierte ZDF-Star Kleber ganz kurz die ukrainischen Anti-Terrortruppen zu „russischen Eingreiftruppen“ um. Nur dem aufmerksamen Zuhörer fiel das auf, Millionen schluckten den Fehler, das Bild des „bösen Russen“ verfestigte sich weiter.

Doch ist es nicht alleine die Russland-Politik, die in den öffentlich-rechtlichen Medien einseitig dargestellt wird. Wie erwähnt, betrifft dies ebenso die Familienpolitik, die Euro-Politik, das globale Finanzsystem, die EU-Politik, die Medienpolitik und so weiter. Und immer besorgter fragt man sich dabei: Welche Rolle spielt das öffentlich-rechtliche System?

Hier hilft ein Blick in die Statuten der öffentlich-rechtlichen Anstalten, in den Rundfunkstaatsvertrag von ARD und ZDF, wo es unter anderem heißt: „Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten … sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern.“

Man beachte vor allem den letzten Satz: Die europäische Integration soll von ARD und ZDF gefördert werden. Was bedeutet das aber genau? Es heißt: „Die europäische Integration steht begrifflich für einen ,immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker‘ … 1994 durch ein Papier von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers geprägt, bezeichnet der Begriff Kerneuropa (wichtigstes Ziel der europäischen Integration) eine Gruppe derjenigen europäischen Staaten, die durch die weitestgehende politische, wirtschaftliche und militärische Integration miteinander verbunden sind. Konkret können hierunter gegenwärtig die Staaten verstanden werden, die zugleich Mitglieder nicht nur der EU, sondern auch der Eurozone, des Schengener Abkommens und der Nato sind.“

Wenn die Nato also in die Ukraine einmarschieren will, dann helfen alle seelischen Befindlichkeiten nichts: Wir müssen das gut finden! Es nutzen auch keine Warnungen vor den damit verbundenen Kriegsgefahren: Die Nato gehört zur europäischen Integration, und deswegen ist das alles richtig so, sagen die Sender! Egal, was der Zuschauer denkt.

So ist das System. Auch wenn eine Re-daktion beschließt, dass ein Gast rausfliegt, oder dass eine öffentliche Umfrage manipuliert wird, um Sympathie und Antipathie von Entscheidungsträgern zu beeinflussen, so wird dies solange immer wieder passieren, bis es den Verbrauchern endlich langt! Mal schauen, wie lange das noch dauert.


S. 9 Kultur

Beglückendes Leuchten
»Glanzlichter«: Meisterwerke der zeitgenössischen Glasmalerei sind im Naumburger Dom ausgestellt

Prachtstücke der aktuellen Glasmalerei sind zu Uta und den anderen berühmten Stifterfiguren in den Naumburger Dom gezogen. Sie erzeugen in den Seitenschiffen glanzvolle Farblichteffekte und sorgen in der Krypta des 1242 geweihten Gotteshauses für mystisches Leuchten. Die von 31 mehrheitlich deutschen Künstlern geschaffenen 101 Werke haben bei aller Vielfalt der eingesetzten Techniken eines gemeinsam: Sie beeindrucken den Betrachter.

In der Vorhalle nimmt uns ein Engel in Empfang. Geschaffen hat ihn die für ihren Fensterzyklus in der Heidelberger Heiliggeistkirche bekannte Hella Santarossa. Sie hat alle Register ihres Könnens gezogen, um ein lichtdurchflutetes Relief anzufertigen. Zwischen zwei auf Abstand gehaltenen Glasscheiben hat Santarossa einen fragilen Materialverbund gepackt. Er besteht aus farbigem, mundgeblasenem Echtantikglas, aus industriellem Sicherheitsglas, das kleinteilig zerbrochen ist, thermisch verformtem Glas, einem Schneckenhaus und anderen Fundstücken sowie zwei roten Glasflügeln. Der Engel ist das Entwurfsmodell (2014) für ein Chorfenster in der romanischen Kirche von Wertlau bei Zerbst. Er gehört zur Gruppe der aus Anlass der Schau entwickelten Arbeiten. Als Modellräume dienten mittelalterliche Dorfkirchen in Sachsen-Anhalt. Die Künstler realisierten ihre in Naumburg ausgestellten Fenster und Probefelder in den Realmaßen dieser Bauten. Oft ist es durch die betroffenen Kirchengemeinden zu Ausführungsbeschlüssen gekommen.

Den Eindruck urtümlicher Kraft vermittelt der im nördlichen Querhaus aufragende „Wiederaufbauer“. Für die Dorfkirche in Gütz bei Halle 2013 entstanden, ist er das jüngste glasmalerische Werk von Markus Lüpertz. Mit seinem erhobenen Daumen ist der Kraftprotz Allegorie für die Wiederherstellung der vom Verfall bedrohten Kirche. Lüpertz brachte so virtuos wie brachial alle klassischen glasmalerischen Mittel zum Einsatz. „Gemalt“ hat er mit Echtantikglas in düster bunten Farben sowie industriellen, mit Oberflächenstrukturen versehenen Gläsern, die durch Bleiruten zusammengehalten werden. Ätzungen und Bemalung mit Schwarzlot sorgen für darstellerische Differenzierung.

Lüpertz gehört zu den „Leinwandstars“, die mit ihrem Einsatz von Pinsel und Farbe berühmt geworden sind und erst in den letzten Jahren mit Glasfenstern für Furore sorgten. Neo Rauch schuf 2007 für die Elisabethkapelle des Naumburger Doms Fenster mit Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen. Und in der Krypta sind nun Werke weiterer Malerfürsten ausgestellt. Imi Knoebels Musterfelder der Fenster für die Kathedrale Notre Dame in Reims (2010) zeigen eine abstrakte Komposition aus unregelmäßigen geometrischen Farbformen, die trotz der Bleiummantelung teils gefährlich spitz wirken. Bleifrei verfuhr hingegen Gerhard Richter bei seinem festlich bunt gerasterten südlichen Querhausfenster des Kölner Doms (2007). Ausgestellt ist ein Probefeld.

Mit Schmelzfarbenmalerei auf farbigem Echtantikglas warten in der Krypta Xenia Hausner und David Schnell auf. Schnells unbetiteltes freies Glasbild (2012) zeichnet sich durch außergewöhnliche Tiefenräumlichkeit aus. Es zeigt zwischen grünen und blauen Zonen steil aufstrebende bunte Stämme oder Säulen, so dass der Eindruck eines Naturdomes entsteht. Bei Hausners „Gehrdener Kreuzigung“ (2012) handelt es sich um drei Fenster, die für die Apsis der Kirche St. Johannes Baptist in Gehrden bei Zerbst geschaffen worden sind. Sie frappieren und faszinieren mit fast schon fotorealistischer Malerei, die stark ausschnitthaft die Gesichter der drei Marien sowie Hände unter dem nicht dargestellten Kreuz zeigen. Hausner zielt damit auf die emotionale Einfühlung und Anteilnahme des Betrachters.

Zwei absolute Glanzlichter der Schau könnten gegensätzlicher kaum sein. Sie stammen von Altmeister Jochem Poensgen, zu dessen Referenzen Kirchenfenster in Düsseldorf und Soest, Hamburg und München gehören, sowie von Günter Grohs, der mit Glasfenstern für Luthers Eislebener Taufkirche hervorgetreten ist. Poensgens drei Fenster in der Naumburger Evangelistenkapelle bestechen durch fröhlich beschwingte Geometrie in seriell aufgetürmten Feldern. Seine minimalistischen ornamentalen Strukturen inszenieren ein beglückendes Lichtereignis im fast leeren Kapellenraum. Günter Grohs hingegen sorgt inmitten der Altargemälde von Lucas Cranach dem Älteren und anderen im Domschatzgewölbe ausgestellten Kunstwerken für einen Urknalleffekt. In einem Leuchtkasten wird auf der einen Seite Grohs „Konzentrische Komposition/dunkel“ und auf der anderen Seite seine „Konzentrische Komposition/hell“ (beide 2014) gezeigt. Die vielschichtigen Kompositionen aus Schwarzlotkontur-, Schmelzfarben- und Silbergelbmalerei, handgewischten Farbüberzügen in verschiedenen Brenngängen, Kratzungen und Verbleiungen sorgen für einen so feierlichen wie dramatischen kosmischen Eindruck, wenn man zur Betrachtung nah herantritt. Sieht man sich die beiden Rundbilder jedoch aus einiger Entfernung an, so wirken sie wie riesige, facettenreich geschliffene Edelsteine.

Veit-Mario Thiede

Bis 2. November in Naumburg: Dom, Domplatz 16/17, sowie den Nachbargebäuden Marienkirche, Ägidienkapelle und der auf dem Domfriedhof stehenden Johanneskapelle. Montags bis sonntags 10 bis 18 Uhr. Informationen: www.glanzlichter2014.de. Eintritt: 6,50 Euro. Auch an vier Korrespondenzorten ist Glasmalerei ausgestellt: Merseburger Dom, Kloster und Kaiserpfalz Memleben, Klosterkirche Schulpforte und St. Marien Freyburg. Das Begleitbuch aus dem Imhof Verlag kostet im Dom-Shop 10 Euro, im Buchhandel 19,95 Euro. Tipp: Mit dem Sparpreis Kultur der Deutschen Bahn zur Ausstellung. Hin- und Rückreise innerhalb von drei Tagen. Ab 39 Euro in der 2. Klasse oder ab 49 Euro in der 1. Klasse bei gleichzeitigem Kauf oder Vorlage einer Eintrittskarte zur Ausstellung.


Torheit gerissen entlarvt
Vor 500 Jahren schrieb Erasmus von Rotterdam sein Humanismus-Hauptwerk

Genau ein halbes Jahrtausend ist es her, dass der bedeutende Humanist und Wegbereiter der Reformation Erasmus von Rotterdam auf einer Reise nach England die einzigartige Stilübung „Das Lob der Torheit“ niederschrieb und bald darauf veröffentlichte. Von seiner faszinierenden Ausstrahlung hat das Büchlein, dessen Thema die allgegenwärtige Torheit der Menschen ist, seither nichts eingebüßt, und noch immer scheint es, als müsse man ein Loblied auf diese gütigste aller Göttinnen singen, die den Menschen doch manchen Verdruss erspart und sie in eine bequeme Selbstzufriedenheit (und Einfalt) versetzt.

In vielen verschiedenen Ausgaben ist das beste Werk überliefert, das diesem Thema gewidmet ist. Es gehört zu den stilistisch glänzendsten Werken der neueren lateinischen Literatur. Abgesehen von der geschliffenen Sprache, dem treffenden Ausdruck und den leuchtenden Bildern, die uns Erasmus entwirft, bietet der Text durchgehend einen wohltemperierten Witz, der zumeist in feiner, gutmütiger Ironie anklingt, manchmal jedoch in Satire, Hohn und Spott umschlägt. Als Meisterleistung der Sprache, der Logik, der Argumentation und des literarischen Stils nimmt das Werk einen festen Platz unter den unvergänglichen Werken der Literatur ein.

Als Erasmus um 1469 zur Welt kam, gab es den Buchdruck bereits seit 15 Jahren; er erschloss immer weiteren Kreisen den Zugang zu den Bildungsgütern der alten wie der neueren Zeit. Die Erfindung des Buchdrucks zu genau dieser Zeit war kein Zufall, denn die Gelehrten waren begierig nach neuen Editionen, Übersetzungen, Kommentaren und eigenem schriftstellerischem Schaffen, und diese Atmosphäre prägte auch Erasmus. In rastloser Tätigkeit schuf er ein schriftstellerisches Gesamtwerk, dessen Fülle, Weite und Fundiertheit schon die Zeitgenossen in Erstaunen versetzte. Ulrich von Hutten bezeichnete ihn als einen „deutschen Sokrates“ und nannte ihn zusammen mit Johannes Reuchlin „die beiden Perlen von Deutschland, denn durch sie hörte die Nation auf, barbarisch zu sein“.

Das literarische und editorische Werk des Erasmus ist gewaltig. Das Neue Testament gab er in zwei Auflagen im griechischen Originaltext heraus, versah es mit der eigenen lateinischen Übersetzung und einleitenden Schriften. Zeitlebens arbeitete er daran, die Schriften von Kirchenvätern durch neue Ausgaben zugänglich zu machen: von Cyprian, Arnobius, Hilarius, Irenaeus, Ambrosius, Origines, Augustinus, Johannes Chrysostomus und besonders des von ihm hochverehrten Hieronymus. Aus der Fülle des Wissens entstanden auch die Adagia, Erklärungen zu Sprichwörtern und Redensarten. Witz und Charme, Eleganz in der Sprache und ein moderater Ton dürfen allerdings nicht über die Strenge seiner Maßstäbe hinwegtäuschen.

In diesem Werk hält die Torheit selbst ihre eigene Lobrede. Sie weist dabei nach, dass sie die Welt regiert, die persönlichen Geschicke der Menschen lenkt und oft deren Leben erst erträglich macht. In Freundschaft und Liebe hat die Torheit ihr unbestrittenes Betätigungsfeld, aber auch nach Ländern und Berufsständen betrachtet, findet die Torheit Gelegenheit, ihr Wirken und ihren Erfolg zu rühmen. Bei Regierenden und hoher Geistlichkeit ist sie allgegenwärtig. In immer neuen literarischen Anspielungen umschreibt die Torheit das Auseinanderklaffen von hohem Anspruch und erbärmlicher Wirklichkeit. Viele Jahre vor dem Ausbruch der Reformation traf das Büchlein den Nerv des an Missständen reichen christlichen Europa. Während die mit Kritik Überzogenen größtenteils mit Empörung reagierten, erkannten unbetroffene oder selbstkritische Leser im Spiegel der Narrheit ein wahrheitsgetreues Abbild der politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Wirklichkeit.

Das brisante Büchlein wurde zuerst in Paris gedruckt, die erste datierte Ausgabe erschien 1511 in Augsburg und trug nicht nur den griechischen Titel, sondern erstmals auch einen lateinischen: Laus stulticiae. Im Jahre 1534 erschien in Ulm eine deutsche Übersetzung von Sebastian Franck unter dem Titel „Ein Lob der Thorheit“. 1719 erschien eine anonyme Übersetzung in Berlin, Leipzig und Halle unter dem Titel „Das Lob der Narrheit“. In der Folgezeit kamen zahlreiche Übersetzungen heraus, unter anderem in deutscher, englischer, französischer, niederländischer und italienischer Sprache.

Der Druck von Johannes Frobens 1515 steht jedoch weit über allen anderen, die ihm nachgefolgt sind, und zwar aus folgendem Grund: Hans Holbein der Jüngere hat das Buch mit einer Reihe von Randzeichnungen geschmückt, die die Beispiele, die von der Torheit ins Felde geführt werden, trefflich illustrieren. Wie sich nachweisen lässt, hat Erasmus dieses bebilderte Exemplar selbst in Händen gehalten. Sie wurden zum Ausgangspunkt der Illustrationsgeschichte des Buches. Denn zwei Holzschneider nahmen sich der Holbeinschen Randzeichnungen in besonders hingebungsvoller Weise an: Der Baseler Holzschneider Heinrich Heitz (1750–1835) schuf die Holzschnitte zu der Ausgabe von Wilhelm Gottlieb Becker aus dem Jahre 1780; die Abbildungen gelten als sein Hauptwerk und wurden vom Verleger Haas später auch separat herausgegeben. Der andere Meister war Cassian Knaus. Er fertigte seine Holzschnitte in Basel in den Jahren 1869 und 1870 an, und diese Abbildungen sind in sich kleine Meisterwerke; ihr Schöpfer ist im Künstlerischen dem Zeichner Holbein ebenbürtig.

Das Werk in seinen verschiedenen Ausgaben bietet jedenfalls die Möglichkeit, sich auf eine buchkundliche Reise durch die Jahrhunderte zu begeben und die Entwicklung eines Textes in seinen verschiedenen Ausgaben zu verfolgen, dessen Ausstrahlungskraft bis heute fortwirkt. Alexander Glück


Amos Oz erhält Lenz-Preis

Als nicht originelle, aber gute Wahl bezeichneten einige Medien die Entscheidung der von dem deutschen Schriftsteller Siegfried Lenz neu gründeten und nach ihm benannten Stiftung, den israelischen Autor Amos Oz zu ihrem ersten Literaturpreisträger zu machen. Die fünf Jurymitglieder der „Siegfried Lenz Stiftung“ halten den 1939 unter dem Namen Amos Klausner in Jerusalem geborenen Schriftsteller und Vertreter einer Zwei-Staaten-Lösung für preiswürdig, da ihm in seinen Werken die Verschmelzung von Zeitgeschichte und individuellem Schicksal perfekt gelinge. Außerdem sei sein „schöpferisches Wirken dem Geist“ von Lenz nahe.

Der mit 50000 Euro dotierte Preis, der ausdrücklich auch ausländische Schriftsteller würdigen soll und nicht auf die Förderung deutschsprachiger Literatur fixiert ist, ist bei weitem nicht der erste Preis für Oz. Neben dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den er 1992 erhielt, bekam er auch den Goethe-Preis und 2010 den Siegfried Unseld Preis, um nur einige der unzähligen Ehrungen zu benennen. Mit dem Siegfried Lenz Preis, den Oz am 14. November entgegennehmen wird, erhält der Israeli einen der höchstdotierten Buchpreise Deutschlands. Bel


S. 10 Geschichte

Kehl kehrt nach Deutschland heim
Aufgrund des Washingtoner Abkommens begann Frankreich vor 65 Jahren mit der Räumung der rechtsrheinischen Stadt

Als die Franzosen am 29. Juli 1949 einen ersten Teilabschnitt der rechtsrheinischen badischen Kleinstadt Kehl räumten, die sie seit Kriegsende besetzt gehalten und als integralen Bestandteil ihres Staatsgebietes verwaltet hatten, war dies der Anfang vom Ende eines jahrhundertelangen Hick­hacks um die Stadt zwischen Deutschen und Franzosen.

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, musste das Haus Habsburg auf seine Rechte und Territorien im Elsass verzichten. Anschließend gingen sie nach und nach an Frankreich über, teils durch Verträge, teils aber auch durch Annexion. 1681 wurde schließlich die alte deutsche Reichsstadt Straßburg gewaltsam einverleibt. Obwohl König Ludwig XIV. grundsätzlich den Rhein als „natürliche“ Grenze seines Landes anstrebte, verfügten die von ihm eingesetzten Reunionskammern in den kommenden Jahren auch die „Wiedereingliederung“ nicht französischer Besitzungen rechts des Rheins, darunter auch die Städte Breisach, Freiburg im Breisgau und Kehl, die als Brückenköpfe dienen sollten.

Allerdings musste Frankreich sie im Frieden von Rijswijk (1697) wieder räumen. Im Spanischen Erbfolgekrieg besetzten französische Truppen 1703 einmal mehr Gebiete östlich des Rheins, wobei nachfolgend insbesondere Kehl zusammen mit dem gegenüberliegenden Straßburg zur größten Festung Europas ausgebaut wurde. Im Frieden von Rastatt (1714) verloren die Franzosen den rechtsrheinischen Teil allerdings wieder. Während des Polnischen Erbfolgekrieges befand sich Kehl dann 1734/35 vorübergehend ebenso im Besitz Frankreichs wie 1796/97 im Verlauf der französischen Revolutionskriege. 1808 ließ Napoleon die Stadt erneut annektieren und zur Festung ausbauen, doch 1814 war auch dieses Kapitel vorüber.

In den Jahren 1919 bis 1930 hielten französische Truppen Kehl noch einmal besetzt. Infolge des Vertrags von Versailles wurde das deutsche Territorium westlich des Rheins nämlich zu einer Besatzungszone, in die man die rechtsrheinischen Brückenköpfe Köln, Koblenz, Mainz und Kehl einbezog. Im Zweiten Weltkrieg kehrte sich die Situation dann um: Nachdem die Wehrmacht im Verlauf des Frankreich-Feldzuges 1940 das Elsass eingenommen hatte, wurde das Gebiet einer deutschen Zivilverwaltung unterstellt. In diesem Zusammenhang wurde das rechtsrheinische Kehl am 28. Januar 1942 dem gegenüberliegenden Straßburg als Stadtteil angegliedert. Der Straßburger Oberbürgermeister (Oberstadtkommissar) von 1941 bis 1944, Robert Ernst, fungierte nun gleichzeitig als Bürgermeister von Kehl, der seit 1934 amtierende Kehler Bürgermeister, Alfred Reuter, wurde Beigeordneter von Straßburg und stellvertretendes Stadtoberhaupt der vereinten Kommune.

Am 23. November 1944 eroberten die Alliierten Straßburg zurück, am Tag darauf wurde Kehl von der deutschen Zivilbevölkerung geräumt, doch erst am 15. April 1945 besetzten französische Truppen die Stadt, nachdem zwei Tage zuvor die letzten deutschen Soldaten abgezogen waren. Kehl wurde im Juni 1945 nicht Teil der neu gebildeten Französischen Besatzungszone im Südwesten Deutschlands, sondern dem Staatsgebiet Frankreichs zugeschlagen, womit das Land wieder einen rechtsrheinischen Brückenkopf erhielt. Die Begründung lautete, dass Kehl 1942 ja ein Stadtteil von Straßburg geworden sei, was nun so bleiben solle. Dass die Nationalsozialisten Urheber dieser Kommunalreform gewesen waren, spielte bei dieser Rechtfertigung keine Rolle. So wurde Kehl 1946 verwaltungsmäßig in das Departement Bas-Rhin eingegliedert.

Doch das Wa­shingtoner Abkommen vom 8. April 1949 bereitete der französischen Herrschaft ein Ende, denn die Außen­minister der USA, Großbritanniens und Frankreichs beschlossen in ihren Deutschland-Beratungen, dass sowohl Kehl als auch die Insel Helgoland, welche die Briten zunächst für sich beansprucht hatten, deutsch bleiben sollten. Das Stadtgebiet von Kehl sollte in 42 Teilabschnitten nach und nach an die deutsche Verwaltung übergeben werden, denn die seit 1945 angesiedelten Franzosen mussten ja wieder auf die andere Rheinseite zurückgeführt werden. Am 29. Juli 1949 erfolgte in Anwesenheit des badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb die Räumung des ersten Teilabschnitts. Anschließend wurden in zeitlichen Abständen von vier bis sechs Wochen jeweils weitere Straßenzüge freigegeben. Am 8. April 1953 zogen die letzten Franzosen ab.

Von den rund 10000 Einwohnern, die im November 1944 evakuiert worden waren, waren bis zum Ende des Jahres 1949 – nach der vierten Teilfreigabe – erst 600 zurückgekehrt, was gerade einmal einen Anteil von fünf Prozent der ursprünglichen Bevölkerung ausmachte. Nach Abschluss der Aktion im April 1953 lebten aber immerhin schon 8424 Deutsche in der Stadt, und Ende 1954 war mit 11162 Personen fast wieder der Vorkriegsstand (11558 Einwohner am 17. Mai 1939) erreicht.

Heute pflegen Kehl und Straßburg eine gutnachbarliche Partnerschaft, und der Rhein ist längst keine Grenze im klassischen Sinne mehr. Seit 2005 sind Straßburg und der Ortenaukreis, zu dem Kehl gehört, politisch, wirtschaftlich und kulturell eng im „Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau“ miteinander verbunden.

Wolfgang Reith


Wie Göring den Zweiten Weltkrieg verhindern wollte
Der »letzte Renaissancemensch« wusste, dass er bei einem Ende des Friedens mehr verlieren als gewinnen konnte

Anders als 1914 gab es am Vorabend des Zweiten Weltkrieges keine ernstzunehmenden diplomatischen Bemühungen zur Kriegsvermeidung. Stattdessen bildeten die europäischen Mächte Allianzen für den kommenden Waffengang. Einer, der sich dennoch bis in die letzte Stunde bemühte, das aufziehende Unheil abzuwenden, war Hermann Göring. In Kenntnis seiner Persönlichkeit liegt der Schluss nahe, dass er dabei weniger von Friedensliebe und Verantwortung vor seinem Volk geleitet wurde, sondern in erster Linie von durchaus eigennützigen Motiven.

Im Sommer 1939 befand sich Hermann Göring auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der Mann, den Adolf Hitler gern als seinen „treuesten Paladin“ bezeichnete, hatte zahlreiche Staats- und Parteiämter inne. So war er unter anderem Preußischer Ministerpräsident, Präsident des Reichstages, Reichsluftfahrtminister, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Reichsforstmeister, Reichsjägermeister, Beauftragter für den Vierjahresplan und ab 1940 Reichsmarschall und damit ranghöchster Soldat der Wehrmacht. Faktisch und ab dem 1. September 1939 auch formal war er „der zweite Mann im Reich“. Göring, der von sich selbst behauptete, „der letzte Renaissancemensch“ zu sein, „der die Pracht liebe“, führte ein Dasein von wahrhaft monarchischer Lebensart.

Er, der stets auf sein Wohlleben bedacht war, wusste sehr gut, dass er durch einen Krieg persönlich kaum noch etwas zu gewinnen, bei dessen negativem Ausgang gleichwohl aber sehr viel zu verlieren hatte. Deshalb streckte er, der sonst lieber mit dem Säbel rasselte, seine Friedensfühler aus. Göring hatte Hitlers Außenpolitik bis dahin weitgehend gebilligt, auch im Hinblick auf Österreich und die Tschechoslowakei, wenn er auch in der Sudetenfrage einen Krieg unbedingt hatte vermeiden wollen. Auch in der Polenfrage war Göring nicht so festgelegt wie Hitler und dessen Außenminister Joachim von Ribbentrop. Als die zwischenstaatlichen Spannungen immer mehr zunahmen, verfolgte er – besonders im letzten Friedensjahr – eigenständige, von Ribbentrop argwöhnisch beäugte außenpolitische Aktivitäten, ohne dabei jedoch ein eigenes außenpolitisches Profil zu entwickeln.

In den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft hatte er bereits als „Reisediplomat“ die europäischen Nachbarstaaten besucht, diese „parallele“ Außenpolitik allerdings ohne Konsultation des Auswärtigen Amtes (AA) betrieben. Er hatte damit überwiegend Erfolg gehabt und dank seiner verbindlichen Art, seiner Bildung und seiner einwandfreien Umgangsformen Sympathien im Ausland erworben. Eine außenpolitische Anerkennung oder gar internationale Achtung allerdings blieb dem „Mann mit blutbefleckten Stiefeln“, wie ihn die britische Parlamentsabgeordnete Ellen Wilkinson angesichts seiner wichtigen Rolle bei der Etablierung der NS-Herrschaft genannt hatte, verwehrt. Trotzdem fühlte er sich nun wohl aufgrund seiner früheren diplomatischen Erfahrungen und Erfolge berufen und befähigt, den Frieden in Europa zu retten.

Im Gegensatz zu Hitler hielt Göring Großbritannien keineswegs für zu unentschlossen, um in einen Krieg gegen Deutschland einzutreten, dessen Gefahren er sich durchaus bewusst war. Bei seinen Verhandlungen bediente er sich seiner guten Kontakte nach England und ins neutrale Schweden. Von Hitler stillschweigend toleriert, reiste Göring nach London, um die Stimmung und die Haltung gegenüber Deutschland in Regierungs- und Oppositionskreisen zu sondieren. Während des ganzen Sommers 1939 empfing er regelmäßig ausländische Minister und Diplomaten sowie die schwedischen Industriellen Birger Dahlerus und Axel Wenner-Gren, die sich als Mittelsmänner zur Verfügung stellten, um Friedensmöglichkeiten zu sondieren und politische Kompromisse auszuhandeln.

Am 23. August 1939 wollte Göring wieder nach London zu Außenminister Anthony Eden fliegen, um den Krieg noch zu verhindern. Dahlerus hatte ihm mitgeteilt, dass alles für den Flug vorbereitet sei, und sein Chefadjutant Fritz Görnnert hatte in Berlin bereits eine Junkers Ju 52 startklar machen lassen. Mittlerweile jedoch fanden Görings Konsultationen Hitlers Missfallen. Unmittelbar vor dem Flug wurde er von Hitler persönlich in die Reichskanzlei gerufen. Hitler, fest zum Krieg entschlossen, untersagte die Reise und hielt Göring unter einem Vorwand drei Tage in Berlin fest, um den Flug in jedem Fall zu verhindern. Damit waren die Würfel gefallen und Görings Friedensinitiative endgültig gescheitert.

So, wie er selbst auch dann Hitlers Befehle ausführte, wenn er von deren Absurdität überzeugt war, fügte sich Göring auch jetzt in das für ihn Unvermeidliche und bereitete den Angriff seiner Luftwaffe auf Polen vor. Im Kreise seiner Mitarbeiter machte er, wie sich Görnnert erinnert, seine Furcht vor der Zukunft deutlich: „Wenn wir den Krieg verlieren, dann sei Gott uns gnädig.“ In der Öffentlichkeit verbarg er derartige Empfindungen hinter markigen Reden. Berühmt ist sein Ausspruch, man dürfe ihn „Meier“ nennen, wenn jemals ein feindliches Flugzeug über dem Reichsgebiet auftauchen sollte.

Dass Göring 1939 den Krieg wohl wirklich nicht gewollt hat, lässt sich aus seinen schriftlichen und mündlichen Äußerungen sowie den Gesprächen mit Angehörigen seines Stabes schließen. Seine Bemühungen um dessen Vermeidung hatten jedoch keinen Erfolg. Ebenso scheiterte er später mit dem Versuch, den Konflikt zu begrenzen oder zu beenden. Auch nach Beginn der Feindseligkeiten führte Göring über seine schwedischen Gewährsleute zunächst noch Geheimverhandlungen mit dem britischen Premierminister Neville Chamberlain und mit Gesandten des US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Er unterbreitete einen Friedensplan und ließ seine Bereitschaft erkennen, die Macht in Deutschland zu übernehmen, dann die Judenverfolgung zu beenden und die Teile Polens, auf die Deutschland ursprünglich keinen Anspruch erhoben hatte, zurückzugeben. Hitler wollte er, wie sich Görnnert erinnert, „auf eine Art Präsidentenamt abschieben“.

Durch diese – letztlich erfolglosen – Geheimkontakte brachte sich Göring unwiderruflich in politischen Gegensatz zu seinem „Führer“. Diesem bis zum bitteren Ende durch einen unverbrüchlichen Treuekomplex verbunden, hat er jedoch nie zu widersprechen gewagt, er hat sich nie offen von Hitlers Politik und erst recht nicht von den Verbrechen des Regimes distanziert. Vielmehr hat er durch völlig unrealistische Zusagen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Luftwaffe und eklatante Fehlentscheidungen maßgeblich zum unglücklichen Ausgang des Krieges und damit zu seinem eigenen Untergang beigetragen.

Görings Auftreten als jovialer Staatsmann und seine Friedensbemühungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass er stets auf den eigenen Vorteil bedacht war, rücksichtslos gegen Regimegegner vorging, die Nürnberger Rassegesetze propagierte, die sogenannte Endlösung der Judenfrage vorantrieb, maßgeblich an den Kriegsvorbereitungen beteiligt war und nicht zuletzt wegen persönlicher Defizite in den meisten seiner Staatsämter versagte. Letztlich ist er als ein berechnender und skrupelloser Machtmensch und Schreibtischmörder in die Geschichte eingegangen.

Jan Heitmann


S. 11 Preussen

Warum ausgerechnet Ostpreußen?
Im Ersten Weltkrieg wurde nur eine einzige preußische Provinz Kriegsschauplatz

Der Erste Weltkrieg war die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“. Das gilt nicht zuletzt für den deutschen Kriegsverlierer. Trotzdem hatte der Erste gegen-über dem nachfolgenden Zweiten Weltkrieg für Deutschland einen wichtigen Vorteil: Er fand größtenteils außerhalb der Grenzen des Reiches statt. Eine Ausnahme bildet da Ostpreußen. Diese Ausnahmesituation ist nicht ohne den Schlieffenplan von 1905 zu erklären und der nach dem damaligen Generalstabschef Alfred von Schlieffen benannte Plan nicht ohne die damalige geopolitische Lage.

Spätestens seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 schien es eine Konstante zu geben: Frankreichs Erbfeindschaft, Frankreichs Revanchismus, Frankreichs Streben, Revanche für die Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu nehmen. Reichskanzler Otto von Bismarck zog daraus die Konsequenz zu versuchen, mit den verbleibenden beiden anderen kontinentalen Großmächten, Russland und Österreich, verbündet zu sein. Das erwies sich als einfacher gesagt denn getan. Das Zarenreich war nicht saturiert und wollte sich auf Kosten des sogenannten kranken Mannes am Bosporus, sprich des Osmanischen Reiches, vergrößern. Der Habsburger Vielvölkerstaat hingegen stand schon damals auf tönernen Füßen und war ähnlich wie Großbritannien eher an einem Erhalt des Status quo interessiert.

Das Deutsche Reich musste sich also auf kurz oder lang entscheiden. Entschied es sich für Russland, degradierte es sich zum westlichen Vorposten und Juniorpartner Russlands. Entschied es sich für Österreich, bestand die Gefahr des Zweifrontenkrieges. Denn eines war klar. Für wen sich das Reich auch entschied, Frankreich würde versuchen, die andere Großmacht für ein Bündnis gegen das Reich zu gewinnen. Schon Bismarck und nicht erst seine Nachfolger entschied sich im Grunde für Österreich. Der Nationalismus als damals vorherrschende Zeitströmung spielte dabei eine Rolle. Das Habsburger war wie das Hohenzollernreich deutsch dominiert. In Russland hingegen gewann der Panslawismus an Boden, der alle Slawen unter russischer Führung vereinen wollte, auch die Slawen in Österreich und Preußen.

Es spricht für Bismarcks diplomatische Finesse, dass er es hinbekam, sich für Österreich zu entscheiden, ohne mit Russland zu brechen. Zu nennen ist hier der legendäre Rück­versicherungsvertrag von 1887. Bismarcks Nachfolger hielten jedoch diesen Vertrag für Verrat am österreichischen Zweibundpartner und verweigerten den Russen 1890 die Verlängerung. Damit wurde Russland in die Arme des revanchistischen Frankreich getrieben. Ein Zweifrontenkrieg schien vor diesem Hintergrund nur eine Frage der Zeit zu sein.

Angesichts dessen stellte Schlieffen in seiner Eigenschaft als Generalstabschef ab dem Jahre 1891 Planungen für einen Zweifrontenkrieg gegen Russland und Frankreich an. Er verglich die beiden angenommenen Gegner. Frankreich war ähnlich stark industrialisiert wie das Reich, aber kleiner und bevölkerungsärmer. Im Krieg von 1870/71 hatte Preußen es mit seinen deutschen Verbündeten relativ schnell niederwerfen können. Russland hingegen war nicht so stark industrialisiert wie das Reich, aber ungleich größer und bevölkerungsreicher. Seine Stärke lag eher in der Verteidigung als im Angriff. Das hatte Napoleons missglückter Russlandfeldzug sehr plastisch vor Augen geführt. Nicht umsonst sprach man damals von der russischen Danpfwalze: kraftvoll, aber nur sehr langsam in Bewegung zu setzen.

Schlieffen wollte die beiden angenommenen Gegner in West und Ost nacheinander bekämpfen. Hier setzte sein Plan an. Zu Beginn des Zweifrontenkrieges wollte er mit der gesammelten deutschen Kraft Frankreich schnell niederringen, um anschließend mit eben dieser gesammelten deutschen Kraft an der Ostgrenze zu stehen, wenn die „russische Dampfwalze“ kommt. Die Folge dieses Plans war, dass zu Beginn des Ersten Weltkrieges von den acht Armeen des Reiches nur eine, die 8., zur Verteidigung des exponierten Ostpreußen zur Verfügung stand. Die Verteidigung Schlesiens sollten die benachbarten Österreicher mit übernehmen.

Zu den vielen Problemen des verwegenen Schlieffenplans, die kontinentalen Flügelmächte nacheinander anzugehen, gehörte, dass die „russische Dampfwalze“ schneller an der ostpreußischen Grenze auftauchte als geplant. Ein Grund war, dass der Schlieffenplan von 1905 noch nicht die Folgen der russischen Niederlage im Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05 berück­sichtigte. Die Russen zogen nämlich aus der Niederlage die Konsequenz, dass sie ihre Armee modernisierten und damit auch mobiler machten.

Ein weiterer Grund war die sogenannte Julikrise. Zwischen dem Attentat auf Erzherzog Franz Fedinand am 28. Juni 1914 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August des Jahres lag mehr als ein Monat der Eskalation und des Verhandelns, den die Russen zur Kriegsvorbereitung nutzen konnten, so dass sie beim Kriegsausbruch nicht bei null anfangen mussten.

Als letzter Grund sei der französische Druck genannt, dem die Russen Rechnung trugen. Die Franzosen wollten verständlicherweise, dass die Russen möglichst schnell offensiv wurden, eine zweite Front im Osten aufmachten, welche die Deutschen zwang, Kräfte aus dem Westen in den Osten zu verlegen und damit den Druck auf Frankreich abzumildern.

So sah sich die 8. Armee in Ostpreußen nach dem Kriegsausbruch schnell mit einer russischen Offensive konfrontiert, wobei die russischen Kräfte mehr als doppelt so stark waren wie die 8. Armee. Im Angesicht des konzertierten Angriffs gleich zweier russischer Armeen sah sich die deutsche zum Rück­zug genötigt. Da es der 8. Armee unter dem Kommando von Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff jedoch gelang, die russische Offensive noch in Ostpreußen zu stoppen und zurück­zu­wer­fen, blieb es bei dieser einen preußischen Provinz als Kriegsschauplatz.

Manuel Ruoff


Preuße in Griechenland
Santorin ehrt Friedrich Hiller von Gaertringen

Wenn im heutigen Griechenland eine Gedenktafel für einen Deutschen angebracht und gepflegt wird, dann muss er etwas wirklich Besonderes für Hellas geleistet haben. Und das kann man von Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen tatsächlich auch mit Bestimmtheit sagen. Dabei war dem Offizierssohn, der am 3. August 1864 in Berlin das Licht der Welt erblickte, zunächst keine irgendwie geartete Beziehung zu Griechenland in die Wiege gelegt worden. Die Sippe derer von Gaertringen, die seit 1628 dem Reichsadel angehörte und unter anderem in Pommern und Schlesien residierte, hatte innerhalb nur eines Jahrhunderts fünf preußische Generale hervorgebracht, und es deutete anfangs alles darauf hin, dass auch ihr jüngster Spross die Militärlaufbahn einschlagen würde.

Doch dann studierte Hiller von Gaertringen stattdessen Alte Geschichte und betätigte sich im Anschluss daran als Epigraphiker und Archäologe. So nahm er unter anderem an den Ausgrabungen von Carl Humann (1839–1896) in Magnesia am Mäander in Kleinasien teil, was ihm 1892 die Ernennung zum korrespondierenden Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts eintrug. Und im Jahr darauf stieß er durch die Vermittlung seines akademischen Lehrers Theodor Mommsen (1817–1903) zur Gruppe derer, die mit der Herausgabe der Inscriptiones Graecae, also der Sammlung aller altgriechischen Inschriften, befasst waren. In dieser Eigenschaft zeigte Hiller von Gaertringen – obzwar bis 1904 nur freier Mitarbeiter – beste preußische Tugenden. Aufgrund seines Fleißes und seiner Akkuratesse entwickelte er sich sehr schnell zu einem der produktivsten Beteiligten an dem Mammutprojekt. Davon zeugen die insgesamt neun Bände des Inschriftenwerkes, die der Freiherr zwischen 1895 und 1939 herausgab und die breiteste Anerkennung fanden, weil es Hiller von Gaertringen wie kein zweiter verstanden hatte, die Perspektiven des Epigraphikers, Althistorikers und Archäologen zu integrieren.

Stets auf der Suche nach neuen Inschriften kam der Privatgelehrte 1896 auf die Kykladeninsel Santorin. Dort grub er bis 1902 im Verein mit dem preußischen Geodäten Paul Wilski (1868–1939) die antike Stadt Alt-Thera aus, die im 9. Jahrhundert vor Christus von spartanischen Auswanderern errichtet worden war und vor allem deshalb historische Bedeutsamkeit erlangte, weil von hier aus später die Kolonisten aufbrachen, welche die Stadt Kyrene im heutigen Libyen begründeten. Aufgrund der exponierten Lage auf einem Felsgrat 360 Meter über dem Meer erwiesen sich die Arbeiten als ausgesprochen mühevoll – zudem finanzierte Hiller von Gaertringen das komplizierte Unternehmen aus eigener Tasche. Wie gründlich dabei vorgegangen wurde, zeigt der Umstand, dass der Grabungsbericht fünf Bände mit insgesamt 1200 Seiten umfasst und sich erst 1990 wieder Archäologen nach Alt-Thera begaben, um das Bild von der antiken Stadt noch etwas weiter zu präzisieren. Jedenfalls behielten die Bewohner Santorins den ebenso jovialen wie korrekten Freiherrn in bester Erinnerung – deshalb die Gedenktafel in der Inselhauptstadt Fira.

Aufgrund seiner Verdienste wurde Hiller von Gaertringen 1904 Beamter der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Zudem erhielt er 1917 eine Honorarprofessur für griechische Epigraphik an der Universität Berlin. Mit Erreichen des Ruhestandes im Jahre 1933 wirkte der Althistoriker dann wieder als Privatgelehrter – bis sein gesamtes wissenschaftliches Material 1943 einem Bombenangriff zum Opfer fiel. Vier Jahre später, am 25. Ok­tober 1947, starb Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen dann fern von seinem alten Wirkungskreis in Thurnau (Oberfranken).

Wolfgang Kaufmann


Im Schatten der Vorgängerin
Die Stiefmutter Dorothea Sophie erbaute die Dorotheenstadt

Die am 28. September 1636 in Glücksburg geborene Dorothea Sophie von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg war eine Urenkelin des dänischen Königs Christian III. und heiratete 1653 mit Herzog Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg den Schwager des dänischen Königs Friedrich III. Die Ehe war kinderlos, galt als nicht glücklich und endete 1665 mit dem Tod des Ehemannes. Dorothea Sophie hätte wohl nie Eingang in die Geschichtsbücher gefunden, wenn sie nicht nach drei Jahren Witwendasein den Witwer Friedrich Wilhelm von Brandenburg geheiratet hätte. Sie war ihrem Manne eine fürsorgliche Pflegerin im Alter. Doch blieb sie stets im Schatten ihrer allseits beliebten Vorgängerin, der begabten wie gemütvollen Luise Henriette von Oranien. Gewinnend war ihr Wesen nicht. Vielmehr wirkte ihre Geschäftstüchtigkeit abstoßend. Mehr noch als ihr eigenes hatte sie dabei das Interesse ihrer Kinder Philipp Wilhelm, Maria Amalia, Albrecht Friedrich, Karl Philipp, Elisabeth Sophie, Dorothea und Christian Ludwig im Sinn.

Mit den Kindern ihres ersten Mannes verband sie ein auch im übertragenen Sinne eher stiefmütterliches Verhältnis. Dieses ging so weit, dass sie sogar in Mordverdacht geriet. Nachdem 1674 der Kurprinz Karl Emil im 20. Lebensjahr unerwartet gestorben war, floh sein Nachfolger, Preußens späterer erster König Friedrich I., aus Sorge, der Nächste zu sein, an den Hof seiner Schwiegereltern nach Hannover.

Karl Emil ist an der Ruhr gestorben und auch Friedrich wurde nach der vom Großen Kurfürsten erzwungenen Rückkehr an den Berliner Hof nicht von seiner Stiefmutter umgebracht. Allerdings war Dorothea Sophie bei der Wahl der Mittel, ein Auskommen für die Nachkommen zu organisieren, nicht zimperlich. So forderte sie Geschenke ein, womit sie sich dem Vorwurf aussetzte, bestechlich zu sein. Als Dorothea Sophie zum Abschluss des Friedens von Saint-Germain von 1679 mit Frankreich und Schweden riet, der Brandenburg weniger einbrachte, als der siegreiche Verlauf des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges hatte vermuten lassen, wurde ihr Rat zum Vertragsabschluss auf die großzügigen Geschenke des französischen Sonnenkönigs zurückgeführt.

Doch nicht nur vom französischen König, auch vom brandenburgischen Kurfürsten wurde sie großzügig beschenkt. Er überließ ihr 1670 ein zwar sandiges, aber großes Grundstück am Brandenburger Tor, auf dem sie mit viel Geschäftssinn ein Stadtviertel entstehen ließ, das seit 1681 ihren Namen trägt und 1710 mit Berlin, Cölln, Friedrichswerder und Fried­richstadt zur „Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin“ vereinigt wurde: die Dorotheenstadt. Zur Absicherung ihrer Söhne erwarb sie des Weiteren die Herrschaften Schwedt und Wildenbruch. Auch versuchte sie, auf ihren Ehemann in der Weise Einfluss zu nehmen, dass dieser 1686 ihre gemeinsamen Kinder in einem Testament auf Kosten des Kurprinzen großzügig bedachte. Doch kassierte Fried­rich nach dem Tode seines Vaters mit dem Segen des Kaisers dieses dem achilleischen Hausgesetz widersprechende Testament, bedachte aber immerhin seine Stiefmutter und deren Kinder großzügig genug, dass diese stillhielten.

Ein Jahr später folgte Dorothea Sophie ihrem Mann. In Karlsbad, wo sie Genesung gesucht hatte, starb sie am 6. August 1689. Die Schwächung Brandenburg-Preußens auf dem Wege zur Großmacht, zu der das unter ihrem Einfluss entstandene Testament von 1686 geführt hätte, ist ausgeblieben. Die von ihr faktisch geschaffene Nebenlinie Brandenburg-Schwedt existierte bis 1788. Und der von ihr erbaute Berliner Stadtteil Dorotheenstadt besteht bis heute. M.R.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Königsbergs Gouverneur Nikolaj Zukanow sollte seine Geschichtskenntnisse ein wenig vertiefen

Zu: Königsberg macht den Anfang (Nr. 24)

In der Ansprache des Gouverneurs Nikolaj Zukanow fallen zunächst diese nebulösen Begriffe und deren Verknüpfung auf. Offensichtlich kennt der Gouverneur die geschichtlichen Vorgänge von 1914 nicht, und – was genauso wichtig ist – deren Darstellung in der russischen Historiografie bis etwa 1990.

Russland wollte um 1900 eine Großmacht sein. Es betrieb eine imperiale Politik in Übereinstimmung mit der „nationalpatriotischen Gesinnung der russischen Öffentlichkeit“, die 1914 ganz eindeutig die zaristisch-russische Regierung zum Krieg drängte. Die Schlagworte lauteten: „Schutz von Rechtgläubigkeit und Slawentum“. Aufmarschpläne für einen Krieg gegen Deutsch­land/Österreich wurden schon seit 1880 entworfen. Im Jahre 1910 wurde aber erstmalig ein „Plan 19“ ausgearbeitet, der ein offensives Vorgehen vorsah.

Hinsichtlich der „Helden des Ersten Weltkrieges“ schreibt der russische Historiker Boris Chavkin im Jahre 2004: „... die heutigen russischen Schulkinder wissen vom Vaterländischen Krieg von 1812 gegen Napoleon mehr als vom Ersten Weltkrieg.“ Dieser Krieg wurde im Bewusstsein der Russen verdrängt durch die Revolutionen von 1917, den Bürgerkrieg von 1918 bis 1922, den Sta-linterror der 20er und 30er Jahre, die Hungersnöte von 1932 bis 1934 und verständlicherweise den Zweiten Weltkrieg mit Millionen Kriegstoten und unermesslichen Zerstörungen, aber auch mit den inneren Deportationen von Völkern. Bis zum Zusammenbruch des Sowjetregimes 1990 wurde der Erste Weltkrieg von der russischen Partei- und Staatsführung kurz und bündig als ein „imperialistischer“ Krieg eingestuft. Zwischen 1922 und 1927 veröffentlichten die Bolschewiki Geheimunterlagen, die belegten, dass die Zarenregierung für den Ausbruch des Krieges 1914 mit verantwortlich war. Der Armeeführer der Nordarmee, General v. Rennenkampf, wurde 1918 von den Bolschewiki erschossen. Von den im Krieg gefallenen russischen Soldaten sprach kein bolschewistischer Machthaber, sie waren keine Helden, sie waren „Untote“. Viele Landsleute der Grenzkreise erinnern sich auch an die deutschen und russischen Soldatenfriedhöfe. Die deutschen sind alle vorsätzlich nach 1945 von den Besatzern zerstört worden. Und die russischen? Es ist nichts darüber bekannt, dass die russischen Behörden derartige Stätten beachtet oder erhalten und zwischen 1945 und 2010 in ihre „nationale Erinnerung“ übernommen haben. Hinsichtlich des Erinnerns an die russischen Kriegstoten von 1914 bis 1918 spricht Kristina Janeke, Historikerin, im Jahre 2006 von einer „verdrängten“ Erinnerung als einer politischen Gewolltheit, eine von der Sowjetunion bewusst vorgenommene „De-Konstruktion“ im Gegensatz zu der anfänglichen, ein wenig propagandistischen Erinnerungs-Konstruktion seitens der Zarenfamilie. Russland war noch ein christliches Land, das sich als europäisches verstand. Dass sich diese Formung des Erinnernwollens zentral ausdrückte, also nur in Mos-kau und Petrograd, lag im November 1915 an der etwa 1100 Kilometer langen Kriegsfront, von Riga im Norden bis Czernowitz im Süden. Genau genommen lag diese Frontlinie auch nicht im russischen Kernland – wenn auch im Reich des Zaren. Nach Ende des Krieges, den die Russen übrigens den „deutschen“ nannten (Österreicher mit inbegriffen), hatten 1,7 Millionen Russen ihr Leben verloren, etwa fünf Millionen waren verwundet worden und 2,5 Millionen in deutsch-österreichische Gefangenschaft geraten.

Die Erinnerung an die Toten dieser Kämpfe wollten die Bolschewiki verdrängen, vergessen lassen und dabei auch alle Traditionen des Zarenreiches auslöschen. Der Krieg eines alten Systems sollte im kollektiven Gedächtnis ersetzt werden: An die Stelle der gefallenen Soldaten des Krieges – überwiegend Bauern – sollten die Helden der Revolution und des Bürgerkrieges treten.

Wenn Jurij Tschernschew zum Ende des zweiten Absatzes schreibt, dass die Oblast Kaliningrad das einzige Gebiet der jetzigen Russischen Föderation ist, in dem 1914 Kämpfe stattgefunden haben, so liegt er richtig. Genau genommen ist es ein schmaler Grenzstreifen von 160 Kilometern. Alle anderen Kampfgebiete liegen jetzt, 100 Jahre nach 1914, in demokratisch regierten Republiken, als da sind: Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, Ukraine und Polen.

Zukanow sollte seine Geschichtskenntnisse ein wenig vertiefen, bevor er heute auf Weisung Moskaus den nach marxistisch-leninistischer Auffassung imperialistischen Krieg von 1914/17 zu einem vaterländischen umfunktionieren möchte. Alles in allem müssen die Auslassungen des Gouverneurs für alle Bewohner der Oblast und insbesondere die nach 1990 Geborenen vollkommen unverständlich sein.

Horst Plebuch, Vollersode

 

 

Er war Ostpreuße

Zu: Geadelter Schlafsaal (Nr. 28)

Der Bericht über die erste Jugendherberge der Welt ist gut und ausführlich geschrieben. Leider vermisse ich irgendeinen Hinweis, dass der Gründer Richard Schirrmann ein gebürtiger Ostpreuße ist. Er ist am 15. Mai 1874 in Grunenfeld im Kreis Heiligenbeil als Sohn eines Lehrers geboren. In einer (Ost)Preußischen Zeitung hätte das reingehört. In den hiesigen Medien habe ich diesen Hinweis auch vermisst.

Hanni Lenczewski, Altena

 

 

Gehört auch dazu

Zu Wolfskinderkreuz wiedererrichtet (Nr 28)

Bei aller Dankbarkeit gegen­über vielen einzelnen Bürgern Litauens, die deutsche Kinder während und nach dem Zweiten Weltkrieg vor Obdachlosigkeit und Verhungern bewahrt haben, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass litauische Truppen am 10. Januar 1923 völkerrechtswidrig ins Memelland einmarschierten und es annektierten. Dies wurde 1939 mit dem Einverständnis der Alliierten rückgängig gemacht. Das Memelgebiet war wieder deutsch, was es vorher 500 Jahre lang gewesen war.

Brigitte Bean-Keiffenheim, Frankfurt

 

 

Neue Helden?

Zu: Fußball-Nationalmannschaft

Die Kriegerwitwe reibt sich verwundert die Augen. Sie hat im Krieg ihren Mann und ihre Brüder verloren. Sie starben für Ehre, Volk und Vaterland. Helden eben. Jetzt werden ihr neue Helden suggeriert. Die Özils, Khediras, Podolskis, Boatengs und so weiter. Sie kratzen, beißen, rotzen auf dem Fußballplatz. Sie verletzen sich und andere Spieler mutwillig, reißen sie an den Trikots zu Boden. Bei der Nationalhymne beißen sie die Zähne zusammen. Sie spielen nicht für Deutschland, nicht für Volk und Vaterland. Sie kämpfen nur für sich – und für viel Geld, welches ihnen von den Funktionären bereitwillig zugeschaufelt wird, dass dem Normalbürger schlecht wird. Wenn sie gewinnen, werden sie von den penetranten Funk- und Fernsehleuten in den Himmel gehoben. „Helden eben?“

Das schreibt ein ehemals aktiver Fußballer bei Arminia Ibbenbüren – der an dem heutigen Fußball aus obengenannten Gründen nicht viel Interesse hat.

Josef Hillebrand, Ibbenbüren


S. 13 Das Ostpreußenblatt

»Luise, wir gratulieren dir«
In Tilsit wurde das wiedererrichtete Königin-Luise-Denkmal im Park Jakobsruh feierlich enthüllt

Die festliche Einweihung des wiedererrichteten Königin-Luise-Denkmals fand anlässlich des 207. Jahrestags des Tilsiter Friedensschlusses am 6. Juli im Park Jakobsruh statt. Es schien, als sei an diesem Sonntag fast die ganze Stadt auf den Beinen. Auch mehrere Reisegruppen aus der Bundesrepublik Deutschland waren zur Denkmalsweihe angereist.

Im Park Jakobsruh hatte man auf dem Teich ein Floß verankert, auf dem in einem Vorprogramm Schauspieler die Unterzeichnung des Friedensvertrages inszenierten. Dann zogen die Imperatoren mit ihren Generälen und Königin Luise mit ihrem Hofstaat in farbenprächtigen Gewändern zum Denkmal, wo sich eine riesige Zuschauermenge angesammelt hatte. Unter strahlend blauem Himmel waren erwartungsvolle Blicke auf die mit Folie verhüllte Statue gerichtet. Nach dem Eröffnungsmarsch, dargeboten vom Marineorchester der Baltischen Flotte, trat Kulturamtsleiterin Anna Kulijewa mit einem Strauß Kornblumen, die Luise so liebte, ans Mikrofon und begrüßte die Gäste. Mit dem Ruf: „Luise, wir gratulieren Dir zu Deiner Rückkehr in heimatliche Gefilde!“ brachte sie die Genugtuung der Einwohner der Stadt über die Wiedererrichtung des Denkmals zum Ausdruck.

Nach weiteren Ansprachen der Projektleiterin Julia Loginowa und der Kulturministerin Swetlana Kondratjewa folgte das Grußwort des Zweiten Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Tilsit, Erwin Feige. Er sprach von der bewegenden Freude der alten Tilsiter, für welche die Königin eine Nationalheilige war, über die Rück­kehr der Luise, die auch für die heutigen Bewohner der Stadt zu einer Ikone und Kultfigur geworden ist. Feige begrüßte, dass nicht nur die „alten Ostpreußen“ für die Bewahrung des kulturhistorischen Erbes ihrer Heimat tätig sind, sondern dass auch die heutigen Bewohner die Erinnerung an die preußisch-deutsche Vergangenheit von Tilsit gestalten und wachhalten, und würdigte dies als ein gemeinsames Anliegen. Er berichtete von der Spendenaktion der alten Tilsiter, erwähnte in diesem Zusammenhang Maja Frenzel, die 1000 Euro als ihren persönlichen Beitrag für die preußische Königin beigesteuert hatte, und übergab dem Oberbürgermeister einen symbolischen Spendenscheck.

Trommelwirbel und Fanfarenklänge kündigten den feierlichen Höhepunkt der Einweihung an. Oberbürgermeister Nikolaj Woistchew und Duma-Abgeordneter Jewgenij Abarius enthüllten das Denkmal und unter Hurrarufen und dem Beifall der Zuschauer präsentierte sich Königin Luise in strahlend weißer Schönheit und Pracht. Die Künstler hatten eine hervorragende Arbeit geleistet.

Bis in den späten Nachmittag wurde zu den Klängen des Marineorchesters gefeiert, fotografiert und getanzt. Deutlich war spürbar, dass die Bewohner der Stadt Luise angenommen und in ihr Herz geschlossen hatten.

Bei einem anschließenden Empfang für die Ehrengäste hob Oberbürgermeister Woistchew hervor, dass das Denkmal das Interesse der Jugend an der historischen Biografie der Stadt vertiefen werde und den historischen Ruf der Stadt sowie die touristische Anziehungskraft verbessern helfe.

In der Erwiderung des Ersten Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Tilsit Hans Dzieran hieß es: „Wir unterstützen die Bemühungen der Stadtadministration und des Museums für Stadtgeschichte, den geschichtlichen Reichtum der Stadt zu entdecken und zu präsentieren. Hier wächst eine Generation heran, die keine Berührungsängste mit der jahrhundertealten preußischen Geschichte hat, die den geschichts­trächtigen Boden, auf dem sie lebt, in seiner historischen Dimension erkennt und viel tut, um das Erbe zu pflegen und es auch touristisch zu vermarkten.“ In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die Stadt von der Landsmannschaft Ostpreußen zum Austragungsort des 7. Deutsch-Russischen Forums im Oktober ausgewählt worden ist. „Auf der Meile vom Tilsiter Frieden zur Konvention von Tauroggen“, so hieß es abschließend, „wird europäische Geschichte geatmet und der Tag wird kommen, an dem der Stadt Sowjetsk ihr alter Name Tilsit und damit ihre historische Würde zurückgegeben wird.“ H.D.


Von der Idee bis zur Verwirklichung

Alles begann bei den Feierlichkeiten zum 200. Jubiläum des Friedensschlusses zu Tilsit. 2007 wurde den russischen Bewohnern so recht bewusst, dass sie in einer Stadt leben, in der vor zwei Jahrhunderten europäische Geschichte geschrieben wurde. Die Stadtgemeinschaft Tilsit hatte gemeinsam mit dem russischen Museumsdirektor viel unternommen, Interesse für jene historischen Vorgänge zu wecken, die einst Tilsit in ganz Europa bekannt machten. In anschaulicher Weise wurden die damaligen Ereignisse nachgestaltet. Künstler verkörperten die Rolle der historischen Personen, wobei das Interesse und der Beifall nicht so sehr Napoleon und auch nicht dem Zaren Alexander galten, sondern der Königin Luise. Ihre Lichtgestalt bezauberte das russische Publikum. Mit Neugier und Respekt begegnete man der preußischen Königin. Man wusste inzwischen, dass Luise seit jeher die tiefe Verehrung der Tilsiter erfuhr und dass ihr Name in der Stadt allgegenwärtig war, gab es doch eine Luisenbrücke, ein Luisen-Lyzeum, eine Luisenallee, ein Luisenhaus und sogar ein Luisendenkmal.

Das Luisendenkmal gehörte zu den Wahrzeichen von Tilsit. Im Jahre 1900 war es von Kaiser Wilhelm II. feierlich eingeweiht worden. Malerisch inmitten des Parks Jakobsruh gelegen, symbolisierte die Marmorstatue die geschichts­trächtige Vergangenheit der Stadt.

Mit der Eroberung der Stadt im Zweiten Weltkrieg war es damit bald vorbei. Nur das Postament blieb noch ein paar Jahre erhalten und später erinnerten lediglich ein paar Treppenstufen an die einstige Sehenswürdigkeit.

Ein paar Deutsche und Russen hatten bei der Jubelfeier im Juli 2007 die Vision, das Denkmal wiederauferstehen zu lassen. Beseelt von dem Gedanken, der Stadt ein Stück ihres historischen Antlitzes wiederzugeben, begannen die ersten Überlegungen. Zwei wichtige Fragen standen im Mittelpunkt: Woher beschafft man die Unterlagen für die Rekonstruktion des Denkmals und woher erschließt man Mittel für die Finanzierung.

Der Stadtgemeinschaft Tilsit war der Name von Gustav Eberlein bekannt, der das Denkmal der Königin Luise geschaffen hatte. Eine Beschreibung war einer Dissertation von Gabriele Paetzold über Leben und Werk des Bildhauers Eberlein zu entnehmen, wo es hieß „Die Marmorfigur der Königin Luise, drei Meter hoch, steht auf einem Rundpostament – von einer Girlande umrankt. Im Haar trägt sie ein Diadem, über das hochtaillierte Empire-Kleid breitet sich der herabwallende Hermelinmantel. Das Kunstwerk besteht aus carrarischem Marmor, die Gesamthöhe beträgt zirka acht Meter.“ Die Recherchen nach genauen Abmessungen, alten Plänen und Entwürfen des Denkmals, unter anderem im Geheimen Preußischen Staatsarchiv, blieben ohne Erfolg. Zu einem Hoffnungsstrahl wurde der Kontakt zu dem Professor Rolf Grimm, dem Vorsitzenden des Vereins „Gustav-Eberlein-Forschung e.V.“, der sich der Bewahrung des künstlerischen Erbes des berühmten Bildhauers verschrieben hat. Seine Nachforschung nach dem Tilsiter Luisendenkmal ergab, dass etwa 200 Gipsentwürfe Eberleins, die im Museum seiner Heimatstadt Hann. Münden aufbewahrt waren, im Jahre 1960 auf der dortigen Mülldeponie landeten. Dazu zählte leider auch das originale Gipsmodell, nach welchem die Marmorfassung in Tilsit angefertigt worden war. Nur eine Fülle von Fotos und Zeichnungen, die von Grimm und von den alten Tilsitern zusammengetragen wurden, bildeten die dürftige Ausgangslage für eine Rekonstruktion des Denkmals.

Nicht weniger schwierig war die Frage der Finanzierung. Gemeinsam mit der russischen Stadtverwaltung wurden mehrere Varianten geprüft. Der damalige Oberbürgermeister plädierte für die Auflegung einer Lotterie und hoffte außerdem auf das benachbarte Atomkraftwerk als Sponsor. Die Stadtgemeinschaft Tilsit rief zu einer Spendenaktion auf, die auf große Resonanz stieß. Vertreter der litauischen Partnerstadt Tauroggen schlugen vor, eine touristische Geschichtsmeile unter der Bezeichnung „Vom Tilsiter Frieden zur Konvention von Tauroggen“ im Rahmen eines grenzübergreifenden Projekts zu schaffen, in das die Wiedererrichtung des Luisendenkmals eingebettet werden könnte. Von nun an kam die Angelegenheit in Fahrt.

Das Projekt wurde dem EU-Komitee für grenzübergreifende Zusammenarbeit in Brüssel eingereicht. Hier, wo man um die Einbeziehung der EU-Anrainerstaaten bemüht ist, fand das Vorhaben Zustimmung und wurde auf der Sitzung vom 8. Februar 2012 abgenickt. Zu seiner Realisierung wurden 2,89 Millionen Euro€ bereitgestellt, rund ein Million davon für die russische Seite, die die Zuwendung mit zehn Prozent bezuschussen musste.

Damit war nicht nur die Anlage der Touristenroute, sondern auch die Auftragsvergabe für das Denkmal finanziell gesichert. Im Rahmen einer Ausschreibung machte sich die Firma „Nasledie“ in Sankt Petersburg an das komplizierte Vorhaben. Nach Darstellungen auf alten Fotografien, Zeichnungen, Ansichtskarten und Archivmaterialien sowie nach Konsultationen mit Grimm in Hannover wurde das Kunstwerk im Drei-D-Verfahren rekonstruiert. In nur einem Jahr schufen die russischen Bildhauer Pawel Ignatjew und Denis Prasolow ein originalgetreues und maßgerechtes Gipsmodell. Die Fertigung des fünf Meter hohen Marmorpostaments übernahm eine französische Firma aus St. Villain, die auf die Wiederherstellung historischer Bauwerke und Denkmäler spezialisiert ist. Die drei Meter große Marmorfigur der Königin wurde im Sankt Petersburger Künstleratelier hergestellt und am 26. Juni auf das Postament eingeschwenkt. Das Denkmal mit acht Metern Höhe und einem Gesamtgewicht von 30 Tonnen ruht auf einem soliden Betonfundament. H.D.


MELDUNGEN

Erleichterter Grenzübertritt

Allenstein – Seit diesem Monat ist die Teilnahme am polnischen sogenannten E-booking Bus verpflichtend. Schon seit zwei Jahren konnten sich aus dem Königsberger Gebiet einreisende organisierte Touristengruppen bereits vor der Ankunft an der innerostpreußischen Grenze registrieren lassen und durften dafür mit einer kürzeren Dauer der Grenzabfertigung rechnen. Sofern sich keine Schmuggler in der Gruppe befinden, soll die Bearbeitungszeit nur zwischen sechs und zehn Minuten dauern. Nun ist diese Voranmeldung Pflicht. Ebenfalls neu eingeführt wurde die bevorzugte Behandlung von Jugendgruppen, wenn das System auf Grund der eingegebenen Geburtsdaten erkennt, dass mindestens 70 Prozent der Passagiere unter 17 Jahre alt sind. Omnibusse mit solchen Passagieren würden an der Grenze „in der ersten Reihe“ abgefertigt, ganz gleich wie lange die Schlange sonst ist, so Ryszard Chudy vom Zollamt in Allenstein. Ebenfalls zu kürzeren Wartezeiten soll die neu eingeführte Terminvergabe führen. Reisegruppen können sich für eine bestimmte Uhrzeit anmelden. Wenn für die gewünschte Zeit bereits zu viele Anmeldungen vorliegen, erfolgt die Registrierung automatisch für die nächste Stunde. Dadurch sollen unnötig lange Wartezeiten vermieden werden. Im vergangenen Jahr haben die polnischen Zollbeamten 28500 aus dem Königsberger Gebiet einreisende Omnibusse abgefertigt. Die meisten Busse kommen an russischen Feiertagen. PAZ

 

Haffuferbahn stillgelegt

Allenstein – Die Pommerschen Eisenbahnfreunde (Pomorskie Towarzystwo Miłosników Kolei Zelaznych) haben die Haffuferbahn vorläufig stillgelegt. Der Grund dafür ist die Ablehnung der Stadt Frauenburg, sich an der Finanzierung des Ferienverkehrs der historischen Bahn zu beteiligen. Laut Plan sollten die Kosten des Eisenbahnbetriebs an Wo­chen­enden im Sommer in Höhe von etwa 75 Tausend Zloty (rund 18000 Euro) zwischen der Woi­wodschaft Ermland-Masuren sowie Elbing, Tolkemit und Frauenburg aufgeteilt werden. Noch nicht entschieden haben sich die Woiwodschaft, Tolkemit und Elbing. Tolkemit präferiert anstelle der Eisenbahn eine Schiffsfahrt nach Kahlberg. Das ermögliche eine Überfahrt auf die Frische Nehrung ohne Stau auf der Staatsstraße Nr. 7. Die Fahrten würden eine zusätzliche Attraktion darstellen, sagte Vize-Bürgermeister Jozef Samojcin. Die Haffuferbahn wurde vor sechs Jahren nach langer Zeit reaktiviert dank der Aktivität der Eisenbahnfreunde. Von Anfang an war Bedingung für den Betrieb der Linie die finanzielle Beteiligung der südlichen Anliegergemeinden des Frischen Haffs. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

wenn dat lewe Sonnke schient, dann sieht die Welt doch ganz anders aus. Alles wirkt heller, heiterer, und auch dem grämlichsten Nachbarn kommt ein vernehmbar freundlicher Gruß über die Lippen. Da kann mir die Anfrage von Herrn Dr. Dr. h.c. Jochen Meyer aus Marbach gerade recht, denn sie betrifft den ostpreußischen Humor, in diesem Fall das Gebiet der Literatur, in der er durch Autorenhand seinen Niederschlag gefunden hat. Und das ist reichlich bestückt mit Anekdoten und Vertellkes von Wilhelm Reichermann bis Alfred Lau, von Robert Johannes bis Marion Lindt und vielen anderen mehr oder minder bekannten Dialektschreibern, die bei dem so ausgeprägten Wortschatz unserer Heimat aus dem Vollen schöpfen konnten. Sie waren selber die besten Interpreten ihrer Figuren und ernteten als Tante Malchen oder Hanne Schneidereit Lachstürme, wo sie auch auftraten. Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Jochen Meyer eines dieser Geschöpfe des ostpreußischen Humors meint, aber vielleicht kann mir bei dieser auch für Literaturbewanderte außergewöhnlichen Frage jemand aus unserer Ostpreußischen Familie helfen. Bis zu seinem Ruhestand hat Herr Dr. Meyer als Leiter der Handschriftenabteilung gearbeitet. Anfang der 90er Jahre konnte er in dieser Funktion auch den literarischen Nachlass des 1917 in Tilsit geboren und 1965 in Ost-Berlin gestorbenen Dichters Johannes Bobrowski für das Archiv erwerben. Seit einigen Jahren arbeitet der Wissenschaftler an einer großen kommentierten Ausgabe der Briefe Bobrowskis. Aus dieser Arbeit ergibt sich nun die Frage.

Johannes Bobrowski schrieb 1952 an einen Kameraden aus der russischen Kriegsgefangenschaft, den Kunsterzieher Otto Baer in Augsburg: „Du wirst hoffentlich nicht überrascht sein, dass ich die Feder in meine rechte Hand ergreife. (So pflegte sich eine in Ostpreußen volkstümliche Witzblattfigur auszudrücken).“ Herr Dr. Meyer konnte die Quelle dieses Zitats nicht finden und wendet sich deshalb an mich. Zuerst dachte ich, die Sache sei einfach, es müsste sich um die bekannteste „Dialekt- und Charakterstudie“ von Robert Johannes, um das so beredte „Tante Malchen“ handeln, rezitiert aus den „Briefen von Tante Malchen an Jettchen Bludat“. Aber das dürfte doch ein Irrtum sein, Bobrowski schreibt ja von einer „volkstümlichen Witzblattfigur“. Da sie sich auf Ostpreußen bezieht, könnte es sich um eine in einer Zeitungsredaktion entstandene Figur handeln, die regelmäßig in einer Beilage (Witzblatt) auftauchte, um die Leser mit ihren im Dialekt geschriebenen Lebensweisheiten zu erheitern. Die meisten in Ostpreußen erschienenen Zeitungen hatten solch eine das lokale Geschehen kommentierende und karikierende Person entwickelt, die bei den Lesern sehr beliebt war. Welche „Witzblattfigur“ aber hatte Bobrowski gemeint? Da sie von ihm als „in Ostpreußen volkstümlich“ bezeichnet wird, müsste es sich um eine weit verbreitete Zeitung handeln. Auch wenn es nur vage Hinweise sind – vielleicht helfen sie Herrn Dr. Jochen Meyer weiter. (Dr. Dr. h.c. Jochen Meyer, Haffnerstraße 29 in 71672 Marbach a.N., Telefon 07144/6970, E-Mail: dr.jochen.meyer@arcor.de)

Herr Gunther Hein ist dabei, seine Familiengeschichte für die Enkel aufzuarbeiten. Nun ist er bei einem Thema angelangt, bei dem auch unsere Leserinnen und Leser als Zeitzeugen gefragt sind, wenn sie ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen einbringen können. Es betrifft in erster Linie die Flüchtlinge, die nach der Vertreibung in Hamburg-Harburg unterkamen und zwar in jenen primitiven Unterkünften, die man als „Nissenhütten“ bezeichnete. Jeder von uns, der diese Zeit erlebt hat, wird sich an diese Wellblechbaracken erinnern, die wie Riesenpilze aus dem Boden schossen, ohne die aber das Unterbringungsproblem nicht gelöst werden konnte. Diese Notunterkunft, die bereits im Ersten Weltkrieg von dem Kanadier Peter Norman Nissen entwickelt wurde, war eine Wellblechhütte mit halbrundem Dach und 40 Quadratmetern Grundfläche, die Länge betrug elfeinhalb Meter, die Breite fünf Meter. Bei Kriegsende wurden die Nissenhütten zuerst in den Internierungs- und Gefangenenlagern verwendet, als aber dann die Flüchtlingsströme aus den von den Russen okkupierten deutschen Ostgebieten einsetzten, weitete man diese Unterbringungsaktion auch auf die Vertriebenen aus. Wer wochenlang auf der Landstraße gelegen hatte, schätzte sich glücklich, wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben, auch wenn man sich wie in einer halbierten Röhre fühlte. Bis zu zwei Familien wurden in dem durch eine Wand getrennten Raum untergebracht. So sollen allein in Hamburg bis zu 14000 Menschen in diesen Unterkünften gewohnt haben.

Und damit kommen wir zu dem Anliegen von Herrn Hein aus Tangstedt, mit dem er sich an uns wendet: „Ich möchte aufzeichnen, wo in Harburg und Umland die Nissenhütten standen und wie die Lebensbedingungen der dort untergebrachten Menschen waren. Dies möchte ich in meinen Lebensaufzeichnungen für meine Enkel einfließen lassen.“ Deshalb bittet Herr Hein diejenigen Leser und Leserinnen, die damals in oder bei Harburg einige Zeit in Nissenhütten untergebracht waren, sich bei ihm zu melden. Besonders erfreut wäre er über Berichte aus jenen schweren Tagen, aus denen hervorgeht, wie die in die Hütten eingewiesenen Flüchtlinge ihre Lage empfunden haben. Auf engem Raum mussten ja alle Menschen leben, zumal in Hamburg, das ja noch weitgehend in Trümmer lag. So wohnten sicherlich auch Ausgebombte in Nissenhütten am Rand von Harburg oder in der Nordheide.

Die Grenzen sind hier nicht zu eng gesetzt, auch wer in Buxtehude oder Buchholz in einer Nissenhütte untergebracht war, könnte über seine damaligen Lebensumstände berichten. Besonders erfreut wäre Herr Hein über Fotos aus jenen Tagen, die das Leben in den Hütten oder in einem „Nissendorf“ aufzeigen.

Einen Einblick gewährt eine in diesem Raum stattfindende Ausstellung über das Leben in den ersten Nachkriegsjahren: Das Freilichtmuseum Kiekeberg zeigt die originalgetreue Einrichtung einer Nissenhütte, in der eine ostpreußische Flüchtlingsfamilie untergebracht ist. Sie befand sich ursprünglich auf dem ehemaligen britischen Truppenübungsplatz Reinsehlen. Zu dem Museum will Herr Hein, wenn er geeignete Zuschriften und Fotos erhalten sollte, Verbindung aufnehmen, um die von ihm gesammelten Daten mit den dort vorhandenen zu vergleichen. Ich finde es gut, dass durch Herrn Hein einmal dieses Thema angesprochen wird, denn es wird nicht wenige Leser und Leserinnen betreffen, vor allem diejenigen, die als Kinder in diesen engen Behausungen gelebt und gespielt haben. Manche Familien haben ja sogar längere Zeit in Nissenhütten wohnen müssen. Wenn auch zum Teil erheblich umgebaut, wurden einzelne dieser Wellblechbaracken noch bis 2012 bewohnt, sie stehen heute unter Denkmalschutz. Auch die Dokumentationsstätte des Grenzdurchgangslagers Friedland, in dem die Nissenhütten zur Erstunterbringung der Vertriebenen unersetzbar waren, zeigt eine dieser grünen Wellblechhütten. Nur eine kleine Leseranfrage, aber sie dürfte einiges bewirken. (Gunther Hein, Lärchenweg 2 in 22889 Tangstedt, Telefon 0152–51585858.)

Eure Ruth Geede


Sie schuf die Glaswand im Ermlandhaus
Neue Monographie über das Leben und Werk der Königsberger Malerin Ursula Koschinsky

Es werden nicht wenige Leser sein, die das Bild mit der Glaswand sofort einordnen können, denn sie ist Blickfang für alle Besucher des Ermlandhauses in Münster. Die Künstlerin, die dieses Glasgemälde geschaffen hat, ist die Malerin Ursula Koschinsky. Über diese leidenschaftliche Gestalterin sakraler Motive hat der Autor Heinrich Otten eine Werkbiographie verfasst, die aber weitaus mehr ist als das Lebensbild einer außergewöhnlichen Frau und eine Präsentation ihrer Arbeiten. Er leuchtet auch die Kulturszene Nachkriegsdeutschlands aus, in die Ursula Koschinsky hineinwuchs – damals nach der Flucht. Denn die Malerin ist Königsbergerin und die noch bewusst erlebte Heimat findet sich in vielen ihrer Arbeiten wieder. In Heinrich Ottens Buch „Die Malerin Ursula Koschinsky. Leben und Werk einer Königsbergerin“ kommt das nicht nur im Titel zum Ausdruck.

Sie war 22 Jahre jung, als sie die Heimat verlassen musste. Hinter ihr lag eine glückliche Kindheit in der Geborgenheit einer tief religiösen Familie, die sich unbeirrt zu ihrem katholischen Glauben bekannte. Unvergessen blieben die herrlichen Sommertage in Rauschen – schon das Kleinkind wurde von der Mutter in die See hineingetragen. Diese traumhaft schönen samländischen Sommer wurden für die Künstlerin prägend: Motive wie die Weite der See, wie Wellen, Segel, Wimpel finden sich in irgendeiner Form in ihrem späteren Schaffen wieder. So lässt sich auch die Vielfalt der Blautöne in der Glaswand des Ermlandhauses mit der Erinnerung an die blühenden Lupinen hoch auf der Steilküste vor der weiten See und dem wolkenlosen Sommerhimmel verbinden: eine einzige Symphonie in Blau. Schon damals zeigte sich ihre vom Vater geerbte künstlerische Begabung, die sich leider durch die Kriegsereignisse nicht entfalten konnte. Und doch gelang es Ursula noch im Jahr 1944 an der Königsberger Kunstakademie einige ihrer Porträtzeichnungen vorzulegen, die eine positive Bewertung erhielten. Dann kam die Flucht über See, die bis Flensburg führte, wo die Familie wieder glücklich vereint war – und noch ein Quäntchen Glück dazu kam. Dort hatte nämlich der ostpreußische Maler Alexander Kolde sein Atelier. Ursulas Vater bat ihn, die künstlerischen Fähigkeiten seiner Tochter zu begutachten. Ursula führte immer ein Skizzenbuch, das sie ihm vorlegte. Mit dem Ergebnis, dass Alexander Kolde ihr eine Ausbildung empfahl. Die erfolgte allerdings erst im Herbst 1946 in Hamburg, nachdem die Familie vor allem aus religiösen Gründen nach Süddeutschland gezogen war und in Randegg, einem kleinen Ort an der Schweizer Grenze, Aufnahme gefunden hatte.

Dass Ursula Koschinsky als junge Frau, Vertriebene und Teil einer mittellosen Familie in einer von extremer Not gekennzeichneten Zeit ein Studium der Malerei beginnen konnte, grenzt an ein Wunder. Ermöglicht wurde es durch Prälat Lettau aus Königsberg, der als Caritasdirektor in Hamburg mit Schwerpunkt Flüchtlingsfürsorge nicht nur für einen Studienplatz an der damaligen Landeskunstschule in Hamburg sorgte, sondern auch für eine kostenfreie Unterkunft in einem Wohnheim. Sie hat ihm später ihren Dank abgestattet, indem sie nach seinem Tod im Jahr 1959 die künstlerische Gestaltung seines Grabes im westfälischen Balve übernahm. Weitgehend unbelastet von äußeren Einflüssen konnte sich Ursula Koschinsky ganz dem Studium widmen, das für sie richtungbestimmend wurde, als sie 1948 als erste weibliche Studierende in die Wandmalerei-Klasse wechselte, die sich vorrangig mit kirchlicher Glasmalerei beschäftigte. Mit ihren Fähigkeiten ergab sich nun für die tief religiöse Frau die Möglichkeit, gelebten Glauben und gewählten Beruf zu vereinen – eine Symbiose, die von nun an das weitere Leben und Schaffen der Ursula Koschinsky bestimmen sollte.

Heinrich Otten ist es gelungen, den künstlerischen Werdegang der Malerin und Mosaikgestalterin auch für den auf diesem Gebiet der Kunst weniger bewanderten Leser so aufzubereiten, dass er ihre Entwicklung durch alle Stadien verfolgen kann. Zuerst erklärt der Autor die „Kunstsprache“ Ursula Koschinskys von den Anfängen in Traditionsform über die freien Kompositionen bis zur Idee der Reduktion. Eine gute Vorbereitung für die fünf großen Werke, die in diesem Band in Wort und Bild vorgestellt werden: Die Ausmalung der Don-Bosco-Kapelle in Helle bei Balve/Der Symbol-Kreuzweg von Allendorf/Die Glaswand im Ermlandhaus zu Münster/Das Lettau-Grab in Balve/Die Glasbilder in Bandegg und Bietingen sowie das Dorotheen-Mosaik in der Kollegskirche in Königstein. Im Leben der Heiligen Dorothea sieht der Autor Parallelen zu unserem Flüchtlingsschicksal, das ja auch das der Künstlerin ist. Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI, hatte bei einer Predigt das Leben der zur Mystikerin gewordenen Danziger Bürgersfrau vorgezeichnet, und daran hielt sich die Künstlerin, die Vorzeichnungen des Kardinals bekamen durch ihre Hand Form und Farbe. Das 14. Jahrhundert war Aus- und Aufbauphase der deutschen Ostkolonisation. Der Vater der 1347 geborenen Dorothea war ein Einwanderer aus den Niederlanden, der in der Weichselniederung neues Land unter den Pflug nahm. Die mit einem Handwerker verheiratete Dorothea wohnte damals in Danzig nahe der Marienkirche. Ihre auf dem Mosaik dargestellte Pilgerfahrt mit Mann, Kind und Wagen erinnert in der Gestaltung an die 600 Jahre später erfolgten Flüchtlingszüge. Das Dorotheen-Mosaik in Königstein sei ein herausragendes künstlerisches Dokument auch dieses Geschehens, meint der Autor, der in seinem Buch immer wieder auf diese Sachverhalte hinweist. Nicht zuletzt wohl aufgrund der vielen ausführlichen Gespräche, die Otten mit der nun 90-Jährigen geführt hat, in denen sie den Befrager in ihre Heimat zurückführte. So konnten wir die ostpreußischen Motive in ihrem Lebensmosaik herausstellen, auch wenn ihr künstlerisches Gesamtwerk hier nur angedeutet werden kann – aber dafür ist ja das großformatige Buch von Heinrich Otten da, das mit 180 zumeist farbigen Abbildungen einen umfassenden Überblick über das Schaffen der Ursula Koschinsky vermittelt, für die das zu ihrem 90. Geburtstag herausgegeben Buch die wohl schönste Gabe ist, die eine Künstlerin an ihrem Lebensabend erhalten kann. (Heinrich Otten „Die Malerin Ursula Koschinsky. Leben und Werk einer Königsbergerin“, dk-galerie-verlag Berlin, 136 Seiten, ISBN 978-3-9816444-0-1.) R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Staats, Erwin, aus Gollen, Kreis Lyck, am 26. Juli

Stumm, Grete, aus Malga, Kreis Neidenburg, am 31. Juli

ZUM 98. GEBURTSTAG

Upadek, Liesbeth, geb. Ostermann, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 1. August

Well, Charlotte, geb. Keipke, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 30. Juli

ZUM 97. GEBURTSTAG

Küßner, Edith, geb. Sadlowski, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 1. August

Oltmann, Christel, geb. Runz, aus Sonnenmoor, Kreis Ebenrode, am 30. Juli

ZUM 95. GEBURTSTAG

Ruhe, Alfred, aus Woinassen, Kreis Treuburg, am 31. Juli

Stief, Anna, geb. Jewst, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 26. Juli

Vogel, Brigitte, geb. Rockstroh, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 27. Juli

Wydrinka, Walter, aus Martinshagen, Kreis Lötzen, am 29. Juli

ZUM 94. GEBURTSTAG

Wichert, Gertrude, geb. Malessa, aus Balden, Kreis Neidenburg, am 28. Juli

ZUM 93. GEBURTSTAG

Brekowitz, Elli, geb. Matern, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Burger, Dora, geb. Josuttis-Siegenthaler, aus Lyck, Bismarckstraße 36, am 26. Juli

Drescher, Erna, aus Lauken, Kreis Ebenrode, am 28. Juli

Gothmann, Klaus, aus Georgenswalde, Kreis Samland, am 31. Juli

Hasenjäger, Hildegard, geb. Grill, aus Ellerbach, Kreis Ebenrode, am 27. Juli

Kraushaar-Roßdeutscher, Christel, aus Lötzen, am 30. Juli

Kurschat, Herta, geb. Augustin, aus Ossafelde, Kreis Elchniederung, am 31. Juli

Nass, Käte, geb. Balzer, aus Kilianen, Kreis Treuburg, am 29. Juli

Otto, Hilde, geb. Lorenzen/Lojewski, aus Millau, Kreis Lyck, am 28. Juli

Teichert, Lena, geb. Fischer, aus Seerappen, Kreis Samland, am 27. Juli

ZUM 92. GEBURTSTAG

Feuerer, Gerda, geb. Rinas, aus Treuburg, am30. Juli

Greifenberg, Hildegard, geb. Kukowski,, aus Martinshöhe, Kreis Lyck, am 26. Juli

Herrmann, Fritz, aus Herzogskirchen, Kreis Treuburg, am 27. Juli

Kellmann, Frieda, aus Kickwieden, Kreis Ebenrode, am 29. Juli

Lewohn, Heinz, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 1. August

Reimers, Herta, geb. Kröhnert, aus Argendorf, Kreis Elchniederung, am 1. August

Schmitter, Selma, geb. Sucht, aus Stucken, Kreis Elchniederung, am 1. August

Stahnke, Irmgard, geb. Redwanz, aus Lyck, Bismarckstraße 37, am 30. Juli

Tiedtke, Lisbeth, geb. Lange, aus Rastenburg, am 28. Juli

ZUM 91. GEBURTSTAG

Faak, Edith, aus Herdenau, Kreis Elchniederung, am 1. August

Jerowski, Ursula, geb. Kewitz, aus Rhein, Kreis Lötzen, und aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Juckel, Hilda, geb. Beinert, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 21. Juli

Klemme, Erna, geb. Zitzewitz, aus Tykrehnen, Kreis Samland, am 1. August

Kneisel, Eva, geb. Czychi, aus Neumalken, Kreis Lyck, am 30. Juli

Schröder, Margarete, geb. Hamm, aus Leißienen, Kreis Wehlau, am 29. Juli

Tresp, Rosemarie, aus Glinken, Kreis Lyck, am 30. Juli

Trunschke, Edith, geb. Nowotka, aus Neidenburg, am 30. Juli

Winko, Erich, aus Pillau, Kreis Samland, am 31. Juli

ZUM 90. GEBURTSTAG

Bieber, Siegfried, aus Kiöwen, Kreis Treuburg, am 31. Juli

Brendel, Antonie, geb. Bemba, aus Königsfließ, Kreis Lötzen, am 26. Juli

Eczko, Elfriede, aus Berglingen/Angerapp, Kreis Lyck, am 26. Juli

Fritschi, Johanna, geb. Maseyzik, aus Soffen, Kreis Lyck, am 28. Juli

Heyduck, Karl, aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, am 30. Juli

Krupp, Gertrud, geb. Wolff, aus Willkassen, Kreis Treuburg, am 28. Juli

Meyer, Edith, geb. Gaedtke, aus Grünbaum, Kreis Elchniederung, am 20. Juli

Reinhardt, Kurt, aus Ebenrode, am 29. Juli

Rose, Edith, geb. Fischer, aus Wehlau, am 30. Juli

Till, Herbert, aus Wehlau, am 30. Juli

Topeit, Hermann, aus Grünwiese, Kreis Elchniederung, am 19. Juli

Voß, Gerda, aus Kassuben, Kreis Ebenrode, am 29. Juli

Willuhn, Elisabeth, geb. Schramma, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 1. August

ZUM 85. GEBURTSTAG

Dombrowski, Lothar, aus Skomanten, Kreis Lyck, am 26. Juli

Falkus, Christel, aus Grenzdamm, Kreis Neidenburg, am 26. Juli

Fohs, Gerd, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Friebe, Renate, geb. Sillus, aus Erlen, Kreis Elchniederung, am 23. Juli

Fröhlich, Gerhardt, aus Kalgendorf, Kreis Lyck, am 29. Juli

Haack, Gerhard, aus Partheinen, Kreis Heiligenbeil, am 27. Juli

Hauser, Hildegard, geb. Rietenbach, aus Ebenrode, am 26. Juli

Holstein, Elvira, geb. Zefer, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 27. Juli

Karpinski, Christel, geb. Sadowski, aus Lyck, Litzmannstraße 12, am 29. Juli

Kroehnert, Lothar, aus Groß Heinrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 19. Juli

Kross, Gerhard, aus Lank, Kreis Heiligenbeil, am 31. Juli

Kühl, Helga, geb. Kuss, aus Kleinkosel, Kreis Neidenburg, am 26. Juli

Lewen, Ilse, geb. Neumann, aus Tenkitten, Kreis Samland, am 26. Juli

Nickel, Willi, aus Morgengrund, Kreis Lyck, am 29. Juli

Petereit, Heinrich, aus Altengilge, Kreis Elchniederung, am 24. Juli

Prasuhn, Elfriede, geb. Jablonski, aus Stradaunen, Kreis Lyck, am 27. Juli

Rohde, Hannelore, geb. Bolz, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 27. Juli

Rosenthal, Margarete, geb. Bratz, aus Ebenrode, am 26. Juli

Sadlowski, Otto, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 28. Juli

Schulz, Walter, aus Tawellenbruch, Kreis Elchniederung, am 19. Juli

Tegler, Erich, aus Schuttschen Kreis Neidenburg, am 1. August

Vermeer, Margarete, geb. Uzatis, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 27. Juli

Warda, Heinz, aus Hügelwalde, Kreis Ortelsburg, am 27. Juli

Werse, Werner, aus Gimmendorf, Kreis Neidenburg, am 1. August

Wieczorek, Karl-Heinz, aus Ortelsburg, am 29. Juli

Wiele, Ruth, geb. Schirrmann, aus Argendorf, Kreis Elchniederung, am 30. Juli

Woldeit, Ruth, aus Tawe, Kreis Elchniederung, am 31. Juli

Zachau, Werner, aus Groß Degesen, Kreis Ebenrode, am 29. Juli

Zinn, Hilde, geb. Kosemund, aus Watzum, Kreis Samland, am 28. Juli

ZUM 80. GEBURTSTAG

Annanias, Erna, geb. Andrioff, aus Seehag, Kreis Neidenburg, am 31. Juli

Becher, Hans-Joachim, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 1. August

Bloße, Ulrich, aus Schneckenmoor im Gutsbezirk Schnecken Forst, Kreis Elchniederung, am 29. Juli

Dargies, Werner, aus Gilgenfeld, Kreis Elchniederung, am 20. Juli

Fahlke, Eva-Maria, geb. Chnelewski, aus Lyck, am 27. Juli

Fortak, Kurt, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 26. Juli

Funk, Bruno, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 29. Juli

Glang, Roselinde, geb. Broszio, aus Rautenburg, Kreis Elchniederung, am 27. Juli

Gollub, Ernst-August, aus Albrechtsfelde, Kreis Treuburg, am 30. Juli

Grätsch, Klaus, aus Grenzberg, Kreis Elchniederung, am 31. Juli

Graf, Wilfried, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 1. August

Harms, Hilde, geb. Peter, aus Schellend, Kreis Ebenrode, am 29. Juli

Hübner, Annegret, aus Ebenrode, am 31. Juli

Mohr, Waltraut, geb. Wnuck, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 19. Juli

Pfeiler-Iwohn, Christa, aus Kreis Samland, am 29. Juli

Pihsarek, Karl-Heinz, aus Kalgendorf, Kreis Lyck, am 1. August

Reimitz, Waltraut, geb. Schwabe, aus Haldenau, Kreis Ebenrode, am 30 Juli

Rentz, Inge, geb. Teichert, aus Keipern, Kreis Lyck, am 1. August

Scheidemann, Wolfgang, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 24. Juli

Schulz, Ulrich, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 23. Juli

Simoneit, Winrich, aus Sköpen, Kreis Elchniederung, am 1. August

Stibe, Margarete, geb. Stenzel, aus Großalbrechtsort, Kreis Ortelsburg, am 27. Juli

Struppek, Arno, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 1. August

Warda, Kurt, aus Lyck, am 1. August

Weikam-Nowotsch, Inge, aus Erlental, Kreis Treuburg, am 27. Juli

ZUM 75. GEBURTSTAG

Balzer, Edith, geb. Hecht, aus Rudau, Kreis Ortelsburg, am 27. Juli

Böttcher, Kurt, aus Amtal, Kreis Elchniederung, am 25. Juli

Breede, Harald, aus Groß Nuhr, Kreis Wehlau, am 26. Juli

Damjonat, Siegfried, aus Groß Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 30. Juli

Dziersk, Hildegard, geb. Lipinski, aus Passenheim, Kreis Ortelsburg, am 30. Juli

Feller, Ingrid, geb. Weber, aus Groß Trakehnen, am 29. Juli

Glagau, Helga, geb. Apelt, aus Groß Ponnau, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Klein, Richard, aus Kortmedien, Kreis Wehlau, am 30. Juli

Koschinat, Wolfgang, aus Stobingen, Kreis Wehlau, am 31. Juli

Kramber, Ingrid, geb. Färber, aus Weißensee, Kreis Wehlau, am 1. August

Kraska, Günter, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 30. Juli

Meyer, Ursula, geb. Gassner, aus Nassenfelde, Kreis Elchniederung, am 29. Juli

Plaumann, Klaus, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 30. Juli

Rosowski, Heinz, aus Hügelwalde/Waldsee, Kreis Ortelsburg, am 28. Juli

Schmidt, Ursula, geb. Lunkowski, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, am 28. Juli

Schönke, Anna, geb. Zwetz, aus Poppendorf, Kreis Wehlau, am 29. Juli

Stern, Brigitte, geb. Groebert, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 27. Juli

Umierski, Erika Laura, geb. Kolpatzik, aus Neuwiesen, Kreis Ortelsburg, am 31. Juli

Will, Ingrid, geb. Hoppe, aus Wehlau, am 27. Juli


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Stuttgart – Dienstag, 5. August, 17 Uhr, Schlossplatz, Gedenktafel: Charta-Feier. Die Gruppe bittet um zahlreiche Teilnahme.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

München – Sonnabend, 26. Juli, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Vortrag von Gisela Holz „Der Weißstorch in Ostpreußen“. Zu Beginn gemeinsame Kaffeetafel.

Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Gräf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Sonnabend, 26. Juli, 10.30 bis 16 Uhr, Stadthalle Winsen (Luhe), Luhdorfer Straße 29, 21423 Winsen, Telefon (04171) 73118: Ostpreußentreffen 2014. Programm siehe unter Kreisgemeinschaft Schloßberg/Pillkallen.

KREISGRUPPE

Elchniederung – Mittwoch, 30. Juli, 14 Uhr, Haus Lackemann, Hamburg-Wandsbek: Treffen der Gruppe zu einem fröhlichen Sommernachmittag mit gemeinsamen Erinnerungen, Vorträgen und Liedern. Gäste sind herzlich willkommen.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Königsberg – Dienstag, 12. August: Die Gruppe lädt herzlich zu ihrem Sommerausflug an die Ostsee ein. Besuch des Vogelparks Niendorf/Timmendorfer Strand. Mittagessen, Sapziegang an der Ostsee, Kaffeetrinken. Kosten zirka 45 Euro. Abfahrt 9 Uhr, Hamburg-Moorweide. Gäste sind herzlich willkommen. Anmeldungen bitte baldmöglichst an Brigitte Reimer, Telefon (040) 873495.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Bergstraße – Ostseedeutsche auf Expedition – Am 9. Juli morgens früh startete eine recht ansehnliche Gruppe der Landsmannschaft der Ostseedeutschen – Kreisgruppe Bergstraße aus Lorsch, Heppenheim und Bensheim zu einer Expedition (so verspricht der Prospekt der Stadt Andernach) in die Tiefen der Erde um das Naturphänomen Kaltwasser Geysir zu entdecken. Die Expedition ist dreiteilig: Erlebniszentrum, Schifffahrt und Geysir.

Bevor die überaus interessante Tour beginnen kann wird im „Franziskaner“ in der Altstadt Andernachs eine reichhaltige Mahlzeit zu sich genommen. Dann geht es los – gefühlte 4000 Meter unter die Erde, dem Ursprung des Geysirs entgegen. Hier begegnet man einem Kohlendioxid-Molekül, das die Gruppe auf seinem Weg vom Magma in die Atmosphäre begleiten wird. Auf dieser Reise erfährt man, was passiert, wenn das aufsteigende CO2 das Grundwasser trifft und schließlich als der Welt höchster Kaltwassergeysir (Guiness Buch der Rekorde) aus der Erde ausbricht. Die Ausbruchstelle ist das Namedyer Werth, ein Naturschutzgebiet auf einer Halbinsel im Rhein. Um dort hinzukommen beginnt der zweite Teil der Expedition, eine kurze Schifffahrt. Dort steigt alle zwei Stunden eine 50 bis 60 Meter hohe Fontäne in die Höhe – ein beeindruckendes Erlebnis. Mit dem Schiff wird dann wieder die Rückfahrt nach Andernach angetreten bei Kaffee und Kuchen.

Leider war ausgerechnet an diesem Tag das Wetter regnerisch, was aber niemanden der Reiseteilnehmer daran hinderte, das Erlebte zu genießen und sich auf zukünftige Tagesausflüge der „Ostseedeutschen“ zu freuen. Reinhard Sablowski, der stellvertretend für Brigitte Sattler, die leider an der Reise nicht teilnehmen konnte, sich bei Marianne Voss, die für die Organisation und Durchführung zuständig war, bedankte, freute sich über die gute Resonanz und versprach auch in Zukunft allen Freunden und Mitgliedern ein reichhaltiges Programm im Jahresverlauf. Die nächsten anstehenden Termine sind die Mitwirkung am Sommerfest der Kulturgemeinschaft Heppenheim am Sonntag, 8. September, am Haus der Vereine. Der Verein wird sich wieder in Form einer Ausstellung darstellen. Es folgt die 54. „Preußische Tafelrunde“ am Freitag, 8. Oktober, im „Alleehotel – Europa“ Bensheim. Im Dezember ist der Besuch eines Musicals in Erbach/Odw geplant. Sebstverständlich wird es auch wieder eine Advents-/Weihnachtsfeier geben. Zu allen Veranstaltungen sind nicht nur Mitglieder, sondern auch ein interessiertes Publikum, das sich für die Kultur des deutschen Ostseeraumes interessiert eingeladen. Bitte beachten Sie die Hinweise in der örtlichen Presse!

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Buxtehude – Sonnabend, 26. Juli, 9 Uhr, Stadthalle Winsen (Luhe), Luhdorfer Straße 29, 21423 Winsen, Telefon (04171) 73118: Teilnahme am kleinen Ostpreußentreffen in Eigenregie.

Helmstedt – Donnerstag, 14. August, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Treffen der Gruppe.

Lüneburg – Die Bezirksgruppe lud unlängst ins Restaurant Krone zur Delegiertenversammlung ein. Der Vorsitzende, Manfred Kirrinnis, begrüßte die Delegierten der örtlichen Gruppen, die Vorstandsmitglieder, Kassenprüfer und Gäste sowie die Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen, Dr. Barbara Loeffke. Die Ehrung der Verstorbenen ist durch den Stellvertretenden Vorsitzenden, Gerold Plewa, vorgenommen worden. Dazu wurde eine Gedenkminute eingelegt.

Dr. Barbara Loeffke übermittelte als Vorsitzende die Grüße der Landesgruppe Niedersachsen. Im Anschluss berichtete sie von den geplanten Erweiterungen und Modernisierungen im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg. Der Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum wird diese Arbeiten nach seinen Möglichkeiten finanziell unterstützen. Der Stellvertretende Vorsitzende, Wolfgang Weyer, stellte die geplante Fahrt zum Deutschlandtreffen nach Kassel mit zusätzlichem Rahmenprogramm vor, die er für seine Gruppe in Buxtehude und mehrere weitere Gruppen innerhalb der Bezirksgruppe Lüneburg organisiert hat.

Mit dem Verdienstabzeichen und dazu gehörender Urkunde wurde Regina Tödter durch die Landesgruppenvorsitzende und den Bezirksgruppenvorsitzenden geehrt. Sie war bis zu ihrem berufsbedingten Ausscheiden in diesem Jahr zwölf Jahre Vorsitzende der Gruppe Ebstorf, einer landsmannschaftlichen Gruppe mit Chor und Theaterensemble. Zudem war sie innerhalb dieses Zeitraums sechs Jahre Kassenprüferin der Bezirksgruppe Lüneburg. Im Vorstands- und Geschäftsbericht ging Manfred Kirrinnis auf die Veranstaltungen im abgelaufenen Jahr ein, die er in seiner Funktion als Bezirksgruppenvorsitzender besuchte und von Zuschriften, die ihn erreichten. Daran schlossen sich die Berichte von Kassenwart Walter Osten und Kassenprüfer Arnold Borkowitz an. Dem Antrag auf Entlastung gab die Versammlung statt. Auf der Tagesordnung standen in diesem Jahr Neuwahlen für Vorstand und Kassenprüfer für eine dreijährige Amtszeit. Dazu wurde Regina Tödter das Amt der Wahlleiterin übertragen. Mehrheitlich oder einstimmig gab es eine Wiederwahl für: Manfred Kirrinnis (Vorsitzender), Wolfgang Weyer (Stellvertretender Vorsitzender), Gerold Plewa (Stellvertretender Vorsitzender), Walter Osten (Kassenwart/Geschäftsführer), Uwe Jäckel (Beisitzer/

Schriftführer), Christa Harms (Beisitzerin) und Roland Schluff (Kassenprüfer). Neu als Kassenprüfer wurden Heinz Kutzinski (Ebstorf) und Gerhard Neumann (Bad Fallingbostel) gewählt. Der Dank galt dem aus dem Amt ausgeschiedenen Vorstandsmitglied Gretel Gruze und den bisherigen Kassenprüfern Arnold Borkowitz und Gerhard Böttcher.

Osnabrück – Dienstag, 29. Juli, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft. – Donnerstag, 31. Juli, 9.30 Uhr: Tagesausflug nach Burg Brüggen und Kamp-Lintfort.

Gütersloh – Donnerstag, 14. August, 15.30 Uhr, Gütersloher Brauhaus, Unter den Ulmen: Treffen der ostpreußischen Frauengruppe. – Ostpreußischer Singkreis: Die Treffen finden zurzeit einmal im Monat von 15 bis 17 Uhr in der Elly-Heuss-Knapp-Schule, Moltkestraße 13, statt. Kontakt und Informationen: Renate Thamm, Telefon (05241) 40422.

Hemer – Nachruf auf Ruth Fischer – Ruth Fischer, geb. Schlüter wurde am 8. Februar 1932 in Königsberg geboren. Ihre Heimatstadt musste sie im Kindesalter verlassen. Nach der Flucht fand sie im Sauerland ein neues Zuhause. In Hemer heiratete sie im Jahr 1951 Friedrich Fischer, eine Tochter und ein Sohn bildeten die Familie. Ihren Weg zur Landsmannschaft Ost- und Westpreußen fand sie 1984. Innerhalb der örtlichen Gruppe engagierte sie sich, so dass ihr einzelne Aufgaben durch Wahlen übertragen wurden. Von 1990 bis 2002 übte sie verschiedene Funktionen im Vorstand der Gruppe aus: Anfangs als Schriftführerin, von April 1994 bis April 2002 als Vorsitzende. In dieser Funktion konnte sie 1995 eine Ausstellung zum Thema „50 Jahre nach Flucht und Vertreibung“ in Hemer (Sparkasse) organisieren. Eine erste Chronik über die landsmannschaftliche Arbeit in Hemer erschien 1999 zum 50-jährigen Bestehen der Gruppe. Im gleichen Jahr konnte sie in Zusammenarbeit mit Clemens Reimann, Landsmannschaft Nieder- und Oberschlesien Hemer sowie der Stadt Hemer eine Erinnerungsstätte im Friedenspark der Stadt errichten. Diese Erinnerungsstätte ist seitdem fester Bestandteil der städtischen Veranstaltungen zum Volkstrauertag, Ausrichter sind die Landsmannschaften Ost- und Westpreußen sowie Nieder- und Oberschlesien.

Die Verbindung mit dem örtlichen Bürger- und Heimatverein in Hemer war für sie gleichfalls wichtig. Der Bürger- und Heimatverein Hemer hatte bereits früh einen Ausstellungsbereich seinen neuen Bürgern gewidmet. Dieser Ausstellungsbereich wurde von ihr weiter gepflegt und mit Exponaten bestückt. Ruth Fischer stellte ihre Funktion 2002 aus gesundheitlichen Gründen zur Verfügung. Nachdem sich anfangs kein wählbarer Vorstand finden konnte, brachte sie sich ein, um zum Fortbestand der Gruppe ihren Beitrag zu leisten. Ausgezeichnet wurde Frau Fischer mit dem Silbernen Ehrenabzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen. Neben ihren Aufgaben in der landsmannschaftlichen Arbeit übernahm sie Verantwortung innerhalb des Bundes der Vertriebenen und leitete den Kreisverband Iserlohn in der Wahlperiode 1995/1997. Ruth Fischer verstarb am 5. Juli 2014 in Hemer. Wir werden Frau Fischer stets in unserem Gedächtnis bewahren.

Mülheim an der Ruhr – Dienstag, 12. August, 14.45 Uhr, Wasserbahnhof Mülheim: Schiffsausflug nach Kettwig.

Siegen – Sonnabend, 9. August, 10 Uhr, Treffpunkt Wanderparkplatz „Alte Schanze“, 50 Meter vor dem Orteingangsschild Hohenhain: Der Bund der Vertriebenen lädt alle Landsmannschaften zum Wandertag ein. Wanderung im Bereich eines noch gut zu erkennenden Bodendenkmals, einer mittelalterlichen Grenzanlage. Der Wanderweg führt von dort weiter zum „Dreiherrenstein“. Es handelt sich um historische Grenzsteine dreier Herrschaftsgebiete: a) Nassau-Oranien-Siegen, b) Herzogtum Westfalen c) Wildenburg mit den Hatzfelde. Weiterer Verlauf: Wanderung zum „Hühnerkamp“. Bauer Zielenbach erwartet die Gäste. Führung durch seine Landwirtschaft mit 150 Milchkühen, der weitere Weg führt nach Hohenhain, Mittagessen im Restaurant Alte Schanze um zirka 12.30 Uhr. Nach der Mittagspause folgt die Fahrt nach Krottorf, Besuch des Wasserschlosess Krottorf mit seinem Parkgelände und der Wasserschlossanlage. Ab zirka 16 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen in der Gaststätte „Wildenburger Hof“. Auskünfte unter Telefon (02734) 3535 und (0271) 57451. – Dank Spenden der Landesgruppe NRW und anderer landsmannschaftlicher Spender konnten erneut finanzielle Hilfen und Paketsendungen an alte und kranke Landsleute in die Heimatgebiete mitgegeben werden. Für die Empfänger ist es eine große Hilfe und das Gefühl nicht vergessen zu sein. Die ehemalige Vorsitzende Thilde Utikal (Königsbergerin) leitete die Kreisgruppe und Frauengruppe der Landsmannschaft über 20 Jahre. Sie führte bereits soziale Arbeit mit Mitglieder-Unterstützung durch, verbunden mit Besuchen im südlichen Ostpreußen bei verbliebenen Landsleuten. Der Kulturwart, seit Mitte der 70er Jahre in die landsmannschaftliche Arbeit eingebunden, führte diese Betreuungsarbeit weiter mit persönlichen Kontakten nach Ostpreußen. Die Büchersammlung in der Ostpreußenstube, in den BdV-Räumen in Siegen, Seilereiweg 19, konnte erneut durch einige beachtliche Bücherspenden erweitert werden. Die BdV-Geschäftsstelle ist jeweils mittwochs von 10-12 Uhr geöffnet. Auskünfte unter Telefon (02738) 8847.

 

RHEINLAND-PFALZ

aVors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Freitag, 5. August, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Oldesloe – Nach Begrüßung der Juli-Runde der Ost- und Westpreußen sprach Gisela Brauer Ereignisse aus der Zeit von 1914 bis 2014 an. Sie ging dabei auf den Ersten Weltkrieg ein und auf den Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919. In ihrem Text „Die Fahrt durch den Polnischen Korridor“ schildert sie, wie sie in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Kind mit ihren Eltern die Reisen nach Pommern auf dieser Transitstrecke erlebte – abgeschlossene Waggons, zugezogene Fenstervorhänge, schweigende Mitreisende, polnische Bahnbeamte, die höflich und korrekt die Fahrkarten kontrollierten. Auf Anregung von Katharina Makarowski, dass die Teilnehmer einmal ihr Hobby vorstellen sollten, hatte Boris Makarowski seine wunderschönen Fotos von Havelberg mitgebracht, außerdem zeigte er Aufnahmen von der Blumenpracht in seinem Garten. Fotografieren und Gartengestaltung sind für den studierten Landwirt mehr als ein Hobby. Karla Baltrusch zeigte ihre zauberhaften Strickarbeiten: Jacken, Pullover, Westen in verschiedenen Farben und Mustern. Außerdem ist sie eine leidenschaftliche Gartenfreundin. Nach der Aussprache mit eigenen Erlebnissen in der Heimat wurde über Erfahrungen an der ehemaligen DDR-Grenze gesprochen. Abschließend wurde festgestellt, dass die derzeitige Erlebnisgeneration so viel erlebte, wie keine Generation davor und danach. Geburtstagskinder des Monats waren Karla Baltrusch, Hildegard Neppessen und Ulrich Klemens.

Flensburg – Freitag, 8. August, 15 Uhr: Besichtigung und Führung durch das Schifffahrtmuseum mit Kaffeerunde. Ausstieg: Bushaltestelle schräg gegenüber dem Haus. Kosten pro Person 4 Euro zuzüglich Kaffee und Kuchen. Die Kosten für die Führung trägt die Gruppenkasse.


S. 17-18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ANGERAPP (DARKEHMEN)

Kreisvertreterin: Edeltraut Mai, Weißdornweg 8, 22926 Ahrensburg, Telefon (04102) 823300, Internet: www.angerapp.com

Gemäß unserer Satzung dauert die Amtszeit des Kreistages der Kreisgemeinschaft Angerapp vier Jahre. Da die letzte Wahl 2010 stattfand, muss in diesem Jahr am 30. August 2014 neu gewählt werden. Der Kreistag ruft daher alle Mitglieder der Kreisgemeinschaft Angerapp auf, sich an der Wahl zu beteiligen. Aktiv und passiv wahlberechtigt ist jedes volljährige Mitglied. Nur wer in der Heimatkreiskartei eingetragen ist, ist Mitglied. Für die zu wählenden 12 Kreistagsmitglieder wird um die Benennung von geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten gebeten. Wahlerklärungen mit der schriftlichen Zustimmung der vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten müssen bis zur Ausschlussfrist am 20. August 2014 an die Kreisvertreterin Edeltraut Mai, Weißdornweg 8, 22926 Ahrensburg, erfolgt sein. Die Wahlerklärungen müssen unter anderem Vorname(n), Namen (auch Geburtsname), Geburtsdatum, jetzige Anschrift und Telefonnummer, enthalten. Dem bisherigen Kreistag gehören an: Wolfgang Dannowski, Brigitte Gehre, Heinz Hohmeister, Lothar Kapteinat, Edeltraut Mai, Elona Mai, Fritz Pauluhn, Siegfried Raudonat, Dietrich Rose, Gitta Schawohl, Otto Steinbacher, Heinz Voss. Für die Gruppe Berlin als außerordentliches Mitglied: Ruth Müller.

 

BRAUNSBERG

Kreisvertreter: Manfred Ruhnau, Tel.: (02241) 311395, Fax (02241) 311080, Bahnhofstraße 35 b, 53757 Sankt Augustin. Geschäftsstelle: Stadtverwaltung Münster, Patenstelle Braunsberg, 48127 Münster, Tel.: (0251) 4926051.

30 Teilnehmer machen sich per Bus auf den Weg in die Heimat. Das 10. Kreistreffen wird in Braunsberg stattfinden. Am Sonntag, 29. Juni, werden wir von Bürgermeister Mrozinski an der Katharinen Kirche zu Braunsberg erwartet und begrüßt. Alle Mitreisenden bekommen eine Platte vom Bürgermeister mit dem Aufdruck, 10. Jahrestreffen der ehemaligen Braunsberger in Braunsberg. Ein herzlicher Empfang. Das Ehepaar Gertrud und Herbert Begett wird besonders geehrt mit einer Urkunde, dass es 35 Mal Braunsberg besucht hat. Große Freude für Beide. 15 Teilnehmer wohnen im Hotel „Kristal“ in Braunsberg, die anderen 15 Teilnehmer wohnen im Hotel „Kopernik“ in Frauenburg.

Ein Besuch in Marienburg mit Führung durch die Burg wird gerne angenommen, es ist ein großes Erlebnis. Wir fahren zurück nach Elbing, gehen durch die Nikolaikirche und schauen uns den Hafen an, werden auf dem eigenen Bauernhof der Familie Mross mit Kaffee und Kuchen erwartet, unweit von Tolkemit, wo sie zikra 60 Schafe (ostpreußische Skudden) besitzt, die der Sohn Joachim dort wieder eingeführt hat. Ferien auf dem Bauernhof kann man dort buchen, mehrere Zimmer stehen zur Verfügung.

Eine Rundfahrt durch den Kreis Braunsberg führt uns dieses Jahr nach Mehlsack, wir schauen uns die große fünfschiffige Kirche an und besichtigen das Priesterseminar der Steyler Missionare. Essen dort zu Mittag und machen anschließend einen Abstecher nach Langwalde, meinem Geburtsort.

Dieser Ort wird dieses Jahr 700 Jahre alt und ich werde zu dieser Feier eingeladen. Nehmen mit drei ehemaligen Einwohnern Anfang September 2014 daran teil.

Weiter geht es nach Pettelkau zur Kirche mit Gottesdienst, in der unser Ehrenvorsitzende Gerhard Steffen 2012 beigesetzt worden ist. Pfarrer Tadeusz Rudzinski ist erfreut über unseren Besuch, dies aber ist sein letzter Arbeitstag, sein Bischof hat ihn pensioniert, aber er bleibt weiterhin in Pettelkau.

Am nächsten Tag erfolgt die Besichtigung des Frauenburger Domes mit Orgelkonzert und ein Besuch unseres Gedenksteines am Frischen Haff. Danach per Schiff Überfahrt nach Kahlberg, wo mitten auf dem Haff angehalten wird für eine kurze Andacht mit Domherrn André Schmeier, um der Toten zu gedenken, die auf der Flucht über das Haff 1945 umgekommen sind. Ein Blumengebinde wird ins Wasser gegeben.

Am nächsten Tag geht die Reise weiter nach Masuren, erst nach Allenstein zum Kopernikushaus, dem Sitz der deutschen Gruppe vor Ort. Dort berichten Renate Barzewski und die Vorsitzende Christina Plocharski bei Kaffee und Kuchen, über die Arbeit der deutschen Minderheit. Weiter geht es nach Nikolaiken, wo wir zwei Nächte bleiben. Es folgen am nächsten Tag die Stakenfahrt auf der Kruttinna, ein Besuch des Ernst Wiechert Hauses und ein Besuch des Bauernmuseums von Frau Dixi.

Am 5. Juli geht es weiter zur Klosterkirche Heilige Linde mit Orgelkonzert. Mit dem Bus geht es nach Wuttrienen, wo uns ein Gottesdienst erwartet mit dem Nuntius in Polen und Erzbischof Dr. Wojciech Ziemba aus Allenstein. Anschließend erwartet uns ein Höhepunkt unserer Reise, als ein Gedenkstein der Kreisgemeinschaft Braunsberg e.V., für den Begründer der Stadt Braunsberg, Bischof Heinrich Fleming im Beisein vieler Geistlichkeiten eingeweiht wird. Die Laudatio zu dieser Person wird von mir vorgetragen und im Anschluss von Domherrn André Schmeier gleich ins polnische übersetzt. Zurück geht es nach Braunsberg und Frauenburg, wo wir noch einmal übernachten.

Am Sonntag verlassen wir das Ermland und fahren nach Danzig. Unser Reiseleiter Darius macht einen Rundgang mit uns durch die Altstadt mit Ziel Krantor. Nächstes Ziel ist die Marienkirche mit Besichtigung. Weiter geht es Richtung Markt, vorbei am Rathaus, am Neptunsbrunnen zum Grünen Tor. Einem Stunde Freizeit wurde angesagt, um dann per Bus zum Dom nach Oliwa zu fahren, um dort ein Orgelkonzert zu hören.

Es geht weiter per Bus nach Zoppot um den schönen, über 500 Meter langen Seesteg entlang zu spazieren. Der Tag neigt sich dem Ende und wir steuern das Hotel „Dom Muzyka“ an, unweit der Altstadt, wo wir eine Nacht bleiben.

Der nächste Tag führt uns durch Westpreußen und Pommern mit Ziel Stettin, wo wir unsere letzte Übernachtung haben. Machen Halt an der Hakenterrasse mit herrlichem Ausblick zum Hafen. Weiter geht es per Bus zur Stadtrundfahrt. Ziel ist das schöne Stadtschloss. Das Hotel „Raddison“ erwartet uns zur letzten Übernachtung. Nach dem Abendessen wird noch das „Café 22“ besucht, um einen Überblick über Stettin zu genießen. Am nächsten Morgen wird zeitig die Stadt verlassen, um die Zusteigestellen der Hinfahrt zu erreichen. Eine gelungene Reise unserer Kreisgemeinschaft Braunsberg e. V., die viele Eindrücke und Erlebnisse beinhaltet. Manfred Ruhnau

 

EBENRODE (STALLUPÖNEN)

Kreisvertreter: Dr. Gerhard Kuebart, Schiefe Breite 12a, 632657 Lemgo, Telefon (05261) 8 81 39, E-Mail: gerhard.kuebart@ googlemail.com.

Erinnerung und herzliche Einladung zu unserem diesjährigen Hauptkreistreffen am 25./26. Juli 2014 in der Stadthalle von Winsen/Luhe, Luhdorfer Straße 29. Da wir weniger werden, ist es wieder zusammen mit den Schloßbergern und mit den umliegenden Landesgruppen als regionales Ostpreußentreffen geplant, wozu alle Freunde unserer Heimat und Kultur erwartet werden. Die Heimatstuben sind am Freitag von 11 bis 15 Uhr und am Sonnabend von 16.30 bis 18.30 Uhr geöffnet. Am Freitag gibt es eine öffentliche Kreistagssitzung von 17 bis 19 Uhr, am Abend Filme über die Heimat und gemütliches Beisammensein. Am Sonnabend, 9.30 Uhr, Kranzniederlegung am Ehrenmal mit Pfarrer i.R. Kurt Perrey, um 10.30 Uhr beginnt die Feierstunde mit musikalischen Darbietungen, Andacht und einem Vortrag über die Zukunft unseres Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg. Nach der Möglichkeit zum gemeinsamen Mittagessen gibt es am Nachmittag ein Programm mit dem Ostpreußenchor Hamburg, der Volkstanzgruppe Winsen und einen Auftritt der Parforcehornbläser. Wir beenden das Treffen mit unserer Mitgliederversammlung ab 16.15 Uhr, wo unter anderem die Einzelheiten des Programms der Feier 100 Jahre Patenschaft Stallupönen-Ebenrode mit Kassel am 30./31. Mai 2015 besprochen werden. Zahlreiches Erscheinen erbeten.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Hartmut Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Einladung und Programm für das Kreistreffen und die Mitgliederversammlung der ehemaligen Bewohner des Kreises Elchniederung und deren Nachfahren sowie aller Freunde Ostpreußens: vom 12. bis 14. September 2014 in Bad Nenndorf Hotel „Esplanade“ (05723) 798110 Bahnhofstraße 8, 31542 Bad Nenndorf.

Freitag, 12. September, ab 14 Uhr: Eröffnung des Tagungsbüros Foyer, ab 14 Uhr Delegierten-Versammlung im Hotel, ab 14 Uhr Treffen im Restaurant, 16 bis 18 Uhr, im Keller: Film- und/oder Diavorträge Leitung: W. Nienke.

Sonnabend, 13. September, 9 Uhr: Eröffnung des Tagungsbüros, ab 9.30 Uhr Treffen im Restaurant, 10 bis 12 Uhr, im Keller: Unser Bildarchiv/unsere Homepage/Film- und/oder Diavorträge Leitung: W. Nienke, 12 Uhr Mittagessen im Restaurant, 14 Uhr Eröffnung der Mitgliederversammlung durch den Vorsitzenden M. Romeike: Totenehrung, Berichte über die Kreisgemeinschaft und Kirchspielgebiete sowie Wahlen. 16 Uhr: Im Restaurant gemütliches Beisammensein, Plachandern, 16 bis 18 Uhr, im Keller: Weitere Bilder, Filme, Bilderfassung (scannen) Leitung.: W. Nienke, ab 18 Uhr Musikalische Unterhaltung.

Sonntag, 14. September, ab 10 Uhr: Gottesdienst in der Kirche Steinhude, Besuch des Agnes-Miegel-Hauses und Ausklang im Hotel. Wie bei allen Treffen steht das freundschaftliche Wiedersehen unserer Landsleute im Mittelpunkt unserer Bemühungen, und Sie werden feststellen, dass alles, was Ihrer Bequemlichkeit dient, in Bad Nenndorf vorhanden ist. Mittelpunkt unseres diesjährigen Treffens ist das Hotel Esplanade in Bad Nenndorf. Hier spielt sich das Treffen ab zwischen alten und neuen Freunden, hier werden nicht nur Bildbände, Bücher, Heimatbriefe und Kartenmaterial zum Kauf angeboten, hier sind auch wieder die Kirchspielvertretung und Heimatkreisdatei vertreten in der Hoffnung, dass es, wie in den vergangenen Jahren, wieder viele Landsleute gibt, die zum ersten Mal an einem Treffen teilnehmen und Auskunft geben können über Landsleute, die bisher für uns verschollen sind. Wir haben versucht, an alles zu denken, was Ihnen den Aufenthalt in Bad Nenndorf so angenehm wie möglich macht. Nutzen Sie diese umfangreichen Vorarbeiten und kommen Sie zum Treffen. Wir freuen uns auf ihr Kommen und erwarten Sie. Anmeldungen befinden sich im Heimatbrief, Sie können sich auch direkt an die Geschäftsstelle wenden.

 

HEILIGENBEIL

Kreisvertreterin: Elke Ruhnke, Im Bökel 76, 42369 Wuppertal, Tel.: (0202) 46 16 13. E-Mail: ruhnke@kreis-gemeinschaft-heiligenbeil.de. Stellvertreter: Christian Perbandt, Im Stegfeld 1, 31275 Lehrte, Tel.: (05132) 57052. E-Mail: perbandt@kreisge­meinschaft-heiligenbeil.de. 2. stellvertretender Kreisvertreter: Bernd Schmidt, Heideweg 24, 25578 Dägeling, Telefon (04821) 8 42 24. E-Mail: Schmidt.ploessen@gmx.de. 2. Schriftleiterin: Brunhilde Schulz, Zum Rothenstein 22, 58540 Meinerzhagen, Tel.: (02354) 4408, E-Mail: brschulz@dokom.net. Internet: www. kreisgemeinschaft-heiligenbeil.de

Es wird Zeit, die Koffer zu packen. Unser Kreistreffen in Burgdorf steht vor der Tür. Kommen auch Sie am 6. und 7. September in das Veranstaltungszentrum Burgdorf bei Hannover. Wir freuen uns auf Sie.

Programm: Sonnabend, 6. September, 9 Uhr: Öffnung des Veranstaltungszentrums Burgdorf, Sorgenser Straße 31. 11 Uhr: Gedenkminute und Niederlegung von Blumen am Gedenkstein im Park. Ab 10.45 Uhr fährt ein Bus vom Veranstaltungszentrum hin und zurück. 12 Uhr: Öffentliche Mitgliederversammlung der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil im Saal des „Haus der Jugend“. 14 Uhr: Öffnung der Heimatstube und des Archivs in der Wilhelmstraße 3a. Pendelverkehr vom Veranstaltungszentrum zur Heimatstube von 13.45 bis 16 Uhr. 16.30 Uhr: „Neues vom Dienstmädchen Auguste Oschkenat aus der Großstadt“. Heimatbriefe von Dr. Alfred Lau, vorgetragen von Ilse Thomann. 18.30 Uhr: Gemütliches Beisammensein.

Sonntag, 7. September: 9 Uhr: Öffnung des Veranstaltungszentrums. Zirka 10 Uhr: Platzkonzert der Schützenkapelle „Gehrden“. 11 Uhr: Feierstunde im Saal des „Haus der Jugend“. Begrüßung Kreisvertreterin (Elke Ruhnke). Ostpreußenlied. Totenehrung (Christian Perbandt, stellvertretender Kreisvertreter). Choral von Leuthen (Nun danket alle Gott…). Ilse Thomann: „Zuhause: was ist zuhause?“. Grußworte. Festansprache: Ottmar Strehler, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Hannover, Thema: Arbeit des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge in Ostpreußen. Instrumentalstück. Schlusswort (Elke Ruhnke, Kreisvertreterin). Deutschlandlied 3. Strophe. 13.30 Uhr: Öffnung der Heimatstube bis 15 Uhr. Es ist ein Pendelverkehr hin und zurück eingerichtet. 16 Uhr: Offizielles Ende des Hauptkreistreffens. Änderungen vorbehalten

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Ende Januar 1945 sollen sowjetische Soldaten etwa 70 Landsleute und einen deutschen Soldaten in Zielhausen erschossen haben. Dieser Sachverhalt war bisher dem Vorstand der Kreisgemeinschaft Lyck und auch sonst nicht bekannt. Das Ganze liegt im Dunklen. Die Getöteten wurden unmittelbar neben dem Dorffriedhof von Zielhausen beerdigt. An diesem Massengrab steht ein Holzkreuz. Daran befand sich lange Zeit ein Verzeichnis mit den Namen der dort Beerdigten. Das Holzkreuz ist mittlerweile brüchig, und das Verzeichnis der Getöteten ist verschwunden. Nun möchte ein polnischer Bürger, was man nicht hoch genug einschätzen kann, das Kreuz erneuern und einen Findling als Erinnerungsstein aufstellen. Die Kreisgemeinschaft Lyck wird dieses Vorhaben unterstützen.

Möglicherweise handelt es sich bei den Getöteten um Landsleute aus verschiedenen Dörfern des östlichen Kreises Lyck, die im Oktober 1944 in den Kreis Allenstein evakuiert wurden. Einige dieser Landsleute wurden im Januar 1945 aufgefordert, mit ihren Pferdewagen nach Hause zu fahren, um Futter für die Pferde zu holen. Vielleicht wurden diese Menschen von der anrückenden Front überrollt und fanden so ihren Tod. 1945 wurde das Dorf Zielhausen aus bisher unbekannten Gründen vollständig zerstört. Steht die Zerstörung des Dorfes im Zusammenhang mit dem Massaker? Sollten Spuren vernichtet werden? Wer hat die Getöteten beerdigt? Fragen, die auf Beantwortung drängen.

Wer etwas zu diesem Thema beitragen kann, berichte dieses schriftlich der Kreisvertreterin Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten. E-Mail: Bwiesensee@aol.com Es kann sein, dass es einige Familien gibt, die noch vermisste Angehörige mit ungeklärtem Schicksal haben.

 

OSTERODE

Kreisvertreter: Prof. Dr. Edgar Steiner, Friedrich-Hegel-Straße 18, 15230 Frankfurt (Oder), Tel. (0335) 539096, E-Mail: Prof.steiner@arcor.de. Geschäftsstelle: Postfach 1549, 37505 Osterode am Harz, Telefon (05522) 919870. KGOeV@t-online.de; Sprechstunde: Di. 9–12, Do. 14–17 Uhr.

Am 13. September findet anlässlich des Hauptkreistreffens in Osterode am Harz um 14 Uhr in der Stadthalle, Garderobenkeller, unsere diesjährige Mitgliederversammlung statt. Die Tagesordnung lautet wie folgt: 1. Eröffnung, 2. Genehmigung der Niederschrift über die Mitgliederversammlung am 21. September 2013 in Osterode am Harz, 3. Entgegennahme des Jahresberichtes des Kreisvertreters, 4. Entgegennahme der Jahresrechnung 2013, 5. Bericht der Rechnungsprüfer, 6. Genehmigung des Jahresberichts des Kreisvertreters und der Jahresrechnung, 7. Erteilung der Entlastung des Vorstandes, 8. Beratung und Beschlussfassung über die Zukunft der Kreisgemeinschaft, 9. Verschiedenes. Ich bitte um zahlreiches und rechtzeitiges Erscheinen. Prof. Dr. Edgar Steiner

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Anlässlich der Eröffnung der Geschichtsroute „Vom Tilsiter Frieden zur Konvention von Tauroggen“ fand im Tilsiter Stadttheater eine Historikerkonferenz statt. Wissenschaftler aus Russland und den benachbarten EU-Staaten traten mit interessanten Vorträgen auf. Leider war die Bundesrepublik wegen der Absage deutscher Historiker nur durch Vorstandsmitglieder der Stadtgemeinschaft Tilsit vertreten, die von den Organisatoren und Teilnehmern herzlich begrüßt wurden. Die Stadtgemeinschaft Tilsit hatte das Entstehen der Geschichtsroute einschließlich der Wiedererrichtung des Denkmals der Königin Luise tatkräftig begleitet. In seiner Grußansprache versicherte Hans Dzieran, dass die alten Tilsiter die Bemühungen der Stadt-administration und des Museums für Stadtgeschichte, den geschichtlichen Reichtum der Stadt zu entdecken und zu präsentieren, auch weiterhin unterstützen werden. Hier wachse eine Generation heran, die keine Berührungsängste mit der jahrhundertealten preußischen Geschichte hat, die den geschichtsträchtigen Boden, auf dem sie lebt, in seiner historischen Dimension erkennt und viel tut, um das Erbe zu pflegen und es auch touristisch zu vermarkten. Auf der Geschichtsroute „Vom Tilsiter Frieden zur Konvention von Tauroggen“ werde europäische Geschichte geatmet und der Tag werde kommen, an dem der Stadt Sowjetsk ihr alter Name Tilsit und damit ihre historische Würde zurückgegeben wird.


Unaufhaltsam
Historiker Wagner erforscht Ostpreußen

Der Berliner Architekt Wulf D. Wagner ist Autor zahlreicher Bücher überdie Geschichte ostpreußischer Güter und Schlösser. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildet eine zweibändige Bau- und Kulturgeschichte des Königsberger Schlosses, das Wagner als „Ort geistesgeschichtlicher Begegnungen“ bezeichnet. Über seine Arbeit sprach der prämierte Historiker mit der PAZ:

PAZ: Schon als Schüler haben Sie mit Forschungen zu ostpreußischen Bauernhöfen und Gutshäusern begonnen. Ihnen lag „das Wissen, um das was war“ am Herzen. Was hat Sie getrieben, sich mit diesem für junge Menschen doch ungewöhnlichen Thema zu befassen?

Wagner: Eindeutig meine Liebe zu alten Gebäuden. Ich wusste schon als Kind, dass ich Architekt werden wollte. Mein Interesse vor allem an Schlössern und Burgen ließ mich durch Zufall Carl von Lorcks Buch über die ostpreußischen Gutshäuser entdecken und damit war meine Liebe zu diesem Land – von dem ich so gut wie nichts wusste – schon als Schüler geweckt. Ostpreußische Vorfahren habe ich keine. Es dauerte noch eine Weile, bis ich verstand, das Architektur und Geschichte zusammengehören, ich mich also auch in Letztere vertiefen musste.

PAZ: Neben den ostpreußischen Gutshöfen und ihrer Diplomarbeit zum Wiederaufbau der Dominsel in Königsberg ist es in den vergangenen Jahren vor allem das Königsberger Schloss gewesen, mit dem Sie sich eingehend befasst haben. Was bewegte Sie, sich mit einem Gebäude zu beschäftigen, das es seit Jahrzehnten nicht mehr gibt?

Wagner: Auch hier kann ich bis in meine Schulzeit zurückgehen: Die Zerstörung unserer Städte und damit des – für mich – wesentlichen Bestandteils unserer Kultur hat mich von jeher mit unaussprechbarer Trauer berührt. Bis heute kreist mein Denken um diese Verluste. Als ich ein erstes Bild vom Königsberger Schloss sah, hat es mich gleich fasziniert. Mein Buch zum Schloss ist ein gedanklicher Wiederaufbau dieses zwar nicht besonders schönen, aber geschichtlich herausragenden Bauwerks. Mein Buch endet nicht von ungefähr mit Gedanken zu einem Wiederaufbau.

PAZ: Gab es bei Ihren Forschungen zur ostpreußischen Baugeschichte besondere Hindernisse zu überwinden, bedenkt man, dass Sie über Grenzen hinweg arbeiten müssen oder viele Unterlagen im Krieg vernichtet wurden?

Wagner: Es gab Hindernisse, aber wer mich kennt weiß, dass mich diese nicht bremsen. Meine Arbeit begann laienhaft, meine vielen Fragen stießen auf Ablehnung einzelner ostpreußischer Familien, andere jedoch haben mit Begeisterung mit mir zusammengearbeitet. So ist mein großes Archiv zu ostpreußischen Gütern angewachsen. Vieles davon wäre heute nicht mehr zu erfragen.

Ich habe zwar Kontakte nach Polen, Russland und Litauen, aber ich befasse mich mit der Zeit vor 1945, dazu liegen die Quellen bei den Ostpreußen oder vor allem im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin.

Die archivalischen Verluste sind bei den Gutsarchiven gewaltig, aber das umfangreiche Königsberger Staatsarchiv ist gerettet und heute im genannten Archiv in Berlin, da kann ich noch Jahrzehnte forschen.

Anfangs war mein Thema völlig unzeitgemäß, doch nach 1990 hat sich dies geändert. Dass ich für manchen studierten Historiker als Architekt dennoch ein Außenseiter bleibe, interessiert mich ebensowenig wie „vorgeschriebene“ Sichtweisen auf unsere Geschichte oder zum Beispiel die Gutsbesitzerschicht. Durch ältere Ostpreußen habe ich gelernt, den Blick stets weit und offen zu halten. Dies setzt ständiges Lesen voraus, um verschiedene Sichtweisen kennenzulernen und so hoffentlich Einseitigkeiten zu vermeiden; seit einiger Zeit lerne ich zum Beispiel Italienisch, auch um mir die wichtige Literatur zu Architektur und Geschichte zu erschließen.

Meine Arbeit befasst sich mit einer großartigen Kulturlandschaft, und man kann – so hoffe ich – von meiner Begeisterung für Ostpreußen angesteckt werden, egal welche politischen oder sozialen Ansichten man ansonsten vertritt.

PAZ: Der erste Band über die Bau- und Kulturgeschichte des Schlosses von 1255 bis 1740 ist 2008 erschienen, der zweite 2011. Hier beschreiben Sie das Schick-sal des Schlosses bis ins 20. Jahrhundert. Sind damit Ihre Königsberger Forschungen abgeschlossen?

Wagner: Gewiss nicht. Mittlerweile sind weitere Aufsätze erschienen und ich lege seit Jahren eine Sammlung für eine Stadtbaugeschichte Königsbergs an. Wann dieses Projekt konkreter umgesetzt wird, vermag ich nicht zu sagen, aber einmal werde ich es machen. Vorher habe ich andere Aufgaben: Mein Truntlack-Buch, die sicherlich erste umfassende preußische Gutschronik, ist gerade erschienen, ein dritter Band dazu in Planung (eine Kirchenbuchauswertung zu den Untertanen). Mein größtes Projekt wird ein Handbuch der ostpreußischen Güter werden, von dem ich hoffe, alsbald einen ersten Band für das Samland vorlegen zu können.


S. 19 Heimatarbeit

Sergej, der Sammler, und die deutsche Geschichte
Öde und Wildnis im Zentrum Pillkallens: In der im Krieg mehrfach eroberten Stadt erinnert nur noch wenig an die Vergangenheit Ich werde ihn nicht vergessen, Sergej, den alten russischen Baggerfahrer.

In Pillkallen lebt er, weit weg von Königsberg, in der ärmsten Gegend des Königsberger Gebietes. Pillkallen – keine andere Stadt in Ostpreußen hat der Krieg so getroffen, keine andere Stadt wurde so umgepflügt und verwüstet. Erobert von den Russen, zurückerobert von der Wehrmacht, und wieder eingenommen von der Roten Armee. Da blieb kaum ein Stein auf dem anderen.

Eine schmucke, blühende Kreisstadt war das bis zum Krieg, mit allem, was zu einer deutschen Kreisstadt dazugehört. Heute, da ist Dobrowolsk eine ländliche Siedlung, ohne Stadtrechte, Kühe und Schafe weiden im einstigen Stadtzentrum. Wo einst die Kirche stand, erhebt sich nun ein gewaltiges Denkmal: Ewiger Ruhm unseren Helden. Rund um das Denkmal Ödnis und Leere.

Sergej, jahrzehntelang hat er dort Bagger gefahren, Häuser mit abgerissen, Baugruben ausgeschachtet, Löcher, die der Krieg gerissen, zugeschüttet. Er hat eine Leidenschaft, über die viele Russen denken: „Der ist verrückt.“ Er sammelt. Er sammelt alles, was an die Deutschen erinnert. Sein Haus ist zum Museum geworden, vollgestopft sind die Zimmer, bis an die Decken.

Hier, in diesem kleinen Haus, da ist alles zu finden, was an die deutsche Vergangenheit dieses bis heute so schwer gezeichneten Ortes erinnert. Blech- und Emailleschilder: Kraftpost Haltestelle – Kreissparkasse zu Pillkallen, Nebenstellen: Lasdehnen, Schirwindt – Vorsicht, Lebensgefahr, Leitung nicht berühren – Werbetafeln für Persil und Juno-Zigaretten. Stahlhelme, Münzen, Bierkrüge und Aschenbecher mit Aufdruck, Straßenschilder und Küchengeräte: alles fein aufgereiht. Wandteller mit einem Bild von Kaiser Wilhelm II. oder Hindenburgs, des Befreiers von Ostpreußen. Und so viele Bruchstücke von Tellern, die den Geist ihrer Zeit atmen: Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur Deutsche! Die Suppe ist ein gut Gericht, nur Suppenkaspar isst sie nicht! Die Lieb und Treu ist steuerfrei! Nur einmal blüht im Jahr der Mai, die Liebe ist jeden Morgen neu.

Lange haben wir uns unterhalten. Ich bin der erste Deutsche, der ihn 2014 besucht, sagt er traurig, und es war schon der 20. Juni. Ich konnte ihm erklären, was das auf den rostigen Erkennungsmarken bedeutet: RAD. Seine Sammlung ganzer und zerbrochener Erkennungsmarken des RAD hat er mir anvertraut, ich werde sie an die Kriegsgräberfürsorge weiterleiten – vielleicht kann so ein Schicksal nach Jahrzehnten geklärt werden. Bedrückt, eigentümlich bewegt hat mich seine Sammlung.

Verschwunden sind so viele Zeugnisse der jahrhundertelangen deutschen Geschichte dieser Stadt, und der kümmerliche Rest, er findet sich aufgereiht in seiner Wohnung.

Was bleibt von uns? So geht es mir durch den Kopf, als wir uns verabschiedet haben. Was bleibt? Diese Frage lässt mich nicht mehr los, in diesem Juni 2014 in Ostpreußen. Die Gräber von Generationen von Deutschen, geplündert und eingeebnet wurden sie. Aber die Denkmäler, die an unsere „Helden“ von 1914–1918 erinnern, sie haben die Russen merkwürdigerweise nicht angetastet. Unseren Helden – niemals vergessen! Gut lesbar auf einem wuchtigen Stein steht es geschrieben. Sie sind doch schon längst vergessen.

So viele Gotteshäuser, als Ruine stehen sie da, als Lager genutzt, als Platz für das Vieh. Manchmal noch eine deutsche Inschrift gut lesbar. Dachpfannen erinnern daran: Dieses Haus haben Deutsche gebaut. Ich sehe Reste gesprengter Brücken, Schienen, die im Nichts enden, Ackerland, das zum Sumpf geworden ist.

Nirgendwo sonst in Europa ist eine Kulturlandschaft so erbarmungslos verwüstet und seiner Menschen beraubt worden – ohne dass etwas Gutes, Neues an die Stelle des Alten getreten ist.

Was bleibt? Erinnerungen verblassen, die Zahl derer, deren Wiege hier einst stand, sie schrumpft unaufhaltsam, die Jungen wollen vom Leben und Leiden der Alten nichts oder kaum etwas wissen. So viele, die hier umgekommen sind, und niemand hat sie begraben. So viele, die das Grauen vor 70 Jahren bis heute verfolgt. Menschen mussten büßen, was sie nicht zu verantworten hatten. Menschen wurden verschleppt, der Heimat beraubt, nichts sollte mehr an sie erinnern.

Was bleibt? Menschen können uns alles nehmen, können Geschichte restlos auslöschen. Was bleibt, von mir, von meinem Leben? So fragen wir, wenn wir auf unseren Weg zurückblicken, wenn wir die Gipfel und auch die Trümmer unseres Lebens vor Augen haben

Antwort, tröstliche Antwort, die finde ich nur im Glauben, der unsere Väter und Mütter getragen hat. „Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“. Voller Vertrauen hat der Verfasser des 23. Psalmes diese Worte gebetet.

Wir haben eine letzte Heimat, die kann uns keiner rauben. Es gibt eine Geborgenheit, die bleibt uns, auch wenn Menschen uns alles nehmen, was uns Heimat war und uns geborgen hat. Spuren der irdischen Heimat, sie verwehen, können brutal getilgt werden. Die Heimat, die Gott uns schenkt, sie bleibt. Wer seine Heimat bei Gott gefunden hat, für den wird es leichter, trotz aller Abschiede und Verluste weiter zu leben. In Gottes Herz, in Gottes Haus ist Platz für jeden von uns – in dieser Zeit und für alle Zeit. Wohl dem, der darauf baut.

Martin Lipsch, Pfarrer in Solingen


S. 20 Heimatarbeit

Kirche ohne Pastoren
Fachtagung über Ökumene in Niederschlesien nach Vertreibung der Geistlichen

Heraus aus der Vergessenheit – ‚Unfreiwillige‘ Ökumene in Niederschlesien nach 1945“ war der Titel der jüngsten Fachtagung, die im Haus Schlesien in Königswinter stattgefunden hat. Die Bonner Historikerin Inge Steinsträßer und Nicola Remig, die Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums für schlesische Landeskunde, erarbeiteten und organisierten in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk Rhein-Sieg-Kreis, der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis An Sieg und Rhein, der Volkshochschule Siebengebirge und der Kulturreferentin für Schlesien ein umfangreiches Tagungsprogramm.

Die weitgehend unbekannte Phase der unmittelbaren Nachkriegszeit hinter dem „Eisernen Vorhang“ wurde konfessionsübergreifend mit evangelischen und katholischen Wissenschaftlern sowie Zeitzeugen aus Deutschland und Polen beleuchtet. Eine zweisprachige Dokumentarausstellung unter dem Motto „Wir wollen nicht vergessen sein“ ergänzte die spannende Thematik aus der Zeit von 1945 bis 1958. Die Resonanz der rund 60 Tagungsteilnehmer war durchweg positiv.

Steinsträßer, die sich als Tagungsleiterin und Initiatorin des Themas nicht zuletzt durch ihre Dissertation über Pater Nikolaus von Lutterotti aus dem Niederschlesischen Kloster Grüssau als kompetente Kennerin der Materie ausgezeichnet hat, verriet, dass der ausschlaggebende Anlass für die Fachtagung im Haus Schlesien die seit 2007 laufende Reformationsdekade ist. Im Lutherjahr 2017 wird die Veranstaltungsreihe ihren Höhepunkt finden. Mit der Dekade zeichnen Kirche und Staat zusammen in zehn Themenjahren den Weg hin zum 500-jährigen Reformationsjubiläum 2017 nach.

Haus Schlesien hat das Motto aufgegriffen und sich das Ziel gesetzt, die historische, politische sowie konfessionelle Situation im Niederschlesien der Nachkriegszeit näher zu betrachten. Von Steinsträßer kam die Anregung und Empfehlung, im Rahmen der Fachtagung die konfessionelle und religiöse Situation der Zeit nach 1945 speziell im Waldenburger Bergland näher zu untersuchen.

Im südlichen Niederschlesien wurde nach Kriegsende eine große Anzahl Deutscher, vor allem Facharbeiter im Bergbau und in der Textilindustrie, von der Aussiedlung beziehungsweise der Vertreibung zurück gehalten. In den Kreisen Waldenburg und Landeshut handelte es sich um eine Gruppe von etwa 30000 Deutschen. Demgegenüber wurden jedoch die überwiegend der evangelischen Konfession angehörenden Pfarrer und der Großteil der Bevölkerung im Jahre 1945/46 vertrieben. So entstand aus der Not der Lage vielerorts eine pragmatische Lösung in der Seelsorge der verbliebenen deutschen evangelischen und katholischen Christen. Die Ökumene im Sinne gemeinsamer karitativer Aktionen, Gebetseinheiten, Kirchentage oder anderer Aktivitäten hatte bis dahin nicht stattgefunden. Doch das gemeinsame Schicksal im polnisch gewordenen Schlesien, der Verlust der staatsbürgerlichen Rechte sowie einer angemessenen Entlohnung und sozialen Absicherung, ließ die gemischt konfessionelle deutsche Restbevölkerung zu einer Ökumene zusammenfinden. Christliches Denken und Handeln erforderten auch ein Überwinden der Gegensätze zu den nach Schlesien umgesiedelten Polen.

Wissenschaftler, Historiker und Zeitzeugen berichteten im Rahmen der Tagung und der Diskussionsrunden über den zeitgeschichtlich wichtigen Hintergrund und boten wertvolle Impulse für die heutige ökumenische Konstellation. In ihrem Vortrag „Zur Situation der deutschen Restbevölkerung in Schlesien 1945 und in den Jahren danach“ beschäftigte sich Steinsträßer mit Themen der Evakuierung beziehungsweise Flucht der schlesischen Bevölkerung aus ihrer angestammten Heimat sowie mit der Lage der in Niederschlesien verbliebenen deutschen Familien. „Nach offiziellen Angaben lebten 1950 in Niederschlesien noch 51578 Deutsche. Etwa seit 1948 ließ sich ein Wandel zum Besseren im Verhältnis der polnischen Zuwanderer und der deutschen Restbevölkerung registrieren. Dazu trug auch der gemeinsam empfundene politische Druck bei. Bei den Polen verminderten sich allmählich die kriegsbedingten Ressentiments, und bei der deutschen Restbevölkerung führte das jahrelange Zusammenleben mit den polnischen Neubürgern zum Abbau mancher Vorurteile“ – so die Referentin.

Einen Überblick über Laien in der Seelsorge, die Arbeitsbedingungen und -schwerpunkte in der evangelischen Pastoral bot Manfred Richter aus Hildesheim. Studiendirektor i.R. Peter Börner aus Siegburg wiederum stellte die Betreuung der verwaisten evangelischen Gemeinde Bunzlau durch den Erzpriester Paul Sauer in den Fokus seines Referates.

Pfarrer Ulrich Hutter-Wolandt aus Berlin sprach über „Kirche ohne Pastoren. Zur Situation der deutschen evangelischen Kirche in Niederschlesien nach 1945“. Um „Wandernde ‚Hirten‘ und ‚pilgernde‘ Herde. Die deutschen katholischen Restgemeinden in Niederschlesien nach 1945“ ging es im Referat von Privatdozent Michael Hirschfeld aus Vechta.

Auf Fragen wie „Welche Auswirkungen hatte die ‚unfreiwillige‘ Ökumene auf das Gemeindeleben?“ oder „Lässt es sich nachweisen, ob der Glaube der Einzelnen fester und offener geworden ist?“ ging Professor Joachim Köhler aus Tübingen in seinem Vortrag „Entwicklung ökumenischer Ansätze in Schlesien im 19. und 20. Jahrhundert“ ein.

Auch wenn Doris Stempowska, die Vorsitzende der Deutsch-Sozial-Kulturellen Gesellschaft in Waldenburg, und Jerzy Kosmaty nicht persönlich in Königswinter dabei sein konnten, lieferte ihr Textbeitrag eine solide Grundlage für das rege Zeitzeugengespräch.

Zu den Kooperationspartnern, die das gemeinsame Projekt großzügig unterstützt haben, gehört die Kulturreferentin für Schlesien, Annemarie Franke. Neben finanzieller Unterstützung ergriff sie auch die Initiative, das Thema im kommenden Jahr in Polen fortzuführen. Dieter Göllner


Kugelige Leckerei
Kochbuch stellt Knödel einmal anders vor

Die meisten verbinden mit Knödeln nur den Griff zum Pappkarton im Supermarktregal. Dass man diesen Gaumenschmaus auch selber herstellen kann, ist mit der Zeit fast vergessen worden. Wenige haben noch ihren Großmüttern beim Klöße-Drehen zugeschaut, um dann das fertige Ergebnis, eingetaucht in leckere Sauce, zu verschlingen. Dem kann nun abgeholfen werden.

Ingrid Pernkopf, die seit 1989 mit ihrem Mann das elterliche Gasthaus „Grünberg am See“ in Österreich führt, ersetzt allen Koch-Banausen im Nachhinein die Oma am Herd, der wir über die Schulter sehen dürfen. Ganz frisch „gekocht“ im Pichler-Verlag erschien „Das Beste aus der Knödelküche“ und wartet mit Rezepten von pikant bis süß auf.

Und wie immer bei der Meisterköchin, wird der Wissbegierige nicht nur in kulinarischer Hinsicht befriedigt. Man erfährt alles über die kugeligen Delikatessen: welche Rolle spielt das Ei, die jeweilige Füllung? Wie kocht man Klöße richtig, was ist zu tun, wenn der Teig misslingt und wohin mit den Resten? Nach dieser Einführung geht es an die Töpfe und man staunt nicht schlecht, dass Klöße, wie sie im Norddeutschen heißen, auch mal aus Brandteig hergestellt werden können. Gleich anschließend geht es ans Eingemachte: die Füllungen. Brennnessel-, Garnelen-, Gemüse-, Mohn- und Steinpilzfülle, kann man sich ja noch vorstellen, aber was ist mit „Kärntner Holzfällerfülle“ gemeint?

Dass man die Kugeln auch in die Suppe geben kann, hat man sich schon denken können. Dass sie aber als Vorspeise und dem Hunger für zwischendurch dienlich sind, ist neu. Der Appetit wächst mit jedem Abbild der köstlichen „Knöderln“. Springen sie einem doch fast in den Mund, durch die gelungenen Abbildungen des Fotografen Peter Barci. Gleich zu Beginn möchte man sich sofort eine Kuchengabel holen, um in das Foto eines fluffigen Desserts aus Topfenknödeln mit Krokantbröseln zu stechen. Doch leider: Vor dem Genuss muss man selber zum Kochtopf greifen. Auch bei den Saucen lässt einen die Autorin nicht allein in der Küche stehen.

Im Kapitel „Was den Knödel schmückt und veredelt“, weiht sie die Leser in Saucen-, Kraut-, und Bröselrezepte ein. Ein Glossar im Anhang ergänzt das Kochbuch. Wer begeisterte Blicke ernten möchte, lädt seine Gäste zu Bierfleischknödeln als Hauptgericht und gefüllten Nussknödeln mit Weintrauben zum Dessert ein. Es könnten aber auch „Gebackene Mühlviertler Speckknödel“ und süße Kapuzinerknödel sein. Wer die Wahl haben möchte, sollte sich das „Beste aus der Knödelküche“ von Ingrid Pernkopf in den Küchenschrank stellen.

Silvia Friedrich

Christoph Wagner/Ingrid Pernkopf: „Das Beste aus der Knödelküche. Rezepte von pikant bis süß“, 192 Seiten, 19,99 Euro


S. 21 Lebensstil

Die tierischen Holzfäller sind zurück
Lange galt der Biber als in unseren Breiten weitgehend ausgerottet, doch Tierschutzprojekte haben Trendwende bewirkt

Auch dank dreier masurischer Biber-Pärchen erlebt die Tierart in der Bundesrepublik Deutschland eine unerwartete Renaissance.

1877 erschlugen Fischer am Niederrhein, wie es im Nachhinein lange hieß, den letzten Biber auf deutschen Boden, was wie das Aus für das größte Nagetier der Welt – bis 1,35 Meter Länge, bis 36 Kilo Gewicht, bis zwölf Jahre Lebenserwartung − nach 600000 Jahren Dasein in unseren Gefilden klang. Und nicht nur in unseren Breiten sah es lange für die Art schlecht aus: Im riesigen Russland lebten um 1920 nur noch rund 900 Biber, später zählte man in ganz Europa acht Reservate, darunter die Elbtalaue um Dessau (Sachsen-Anhalt), wo sich knapp 1000 Tiere gehalten hatten − trauriger Rest von 100 Millionen, die Jahrhunderte zuvor die nördliche Paläarktis bevölkert hatten.

Details weiß Dr. Lutz Dalbeck, Deutschlands führender „Beverarius“ (wie Biber-Heger bei karolingischen Königen hießen), der mit einem Team im Eifelstädtchen Nideggen eine „Biologische Station“ betreibt. Er weiß um die Beliebtheit der Tiere in der Vergangenheit. Bei jungsteinzeitlichen Pfahlbauten fand man Knochenreste von Bibern, die neben Fischen wichtigste Beutetiere waren. Im frühen Mittelalter galt der Biber selber als „Fisch“, war also als Fastenspeise erlaubt. 1558 erschien das vierbändige „Thierbuch“ des Schweizers Conrad Gesner, dessen längstes Kapitel auflistet, was man mit Biberfell,

-zähnen, -fleisch und -hoden (das angebliche Aphrodisiakum „Bibergeil“) Wunderbares anfangen könne. Auf den Märkten von Nowgorod war ab dem 12. Jahrhundert Biberfell mehr wert als der „königliche“ Zobel, im 18. Jahrhundert wurden jährlich 200000 Biberfelle aus der „neuen Welt“ allein nach London geliefert. Vor diesem Raubbau kapitulierte der Biber, der ab 1820 in deutschen Landen kaum noch vorkam, obwohl er amtlich bis 1976 als „jagdbares Tier“ galt.

Seit etwa 30 Jahren ist der Biber in Europa streng geschützt, selbst seine Bauten und Dämme sind tabu, da sie laut EU-Wasserrahmenrichtlinien Hochwasser regulieren, Schmelzwasser zurückhalten, Grundwasserbildung fördern, wie Dr. Dalbeck und seine Kollegen bestätigen. Im Hürtgenwald in ihrer Nachbarschaft wurden um 1980 Biber ausgesetzt, die sich so gut einlebten – jährliche Zuwachsrate sechs bis zehn Prozent –, dass es in ein paar Jahren westlich des Rheins ein geschlossenes Biberareal geben wird. 2010 wurden 8000 „deutsche“ Biber gezählt, die meisten an der Mittelelbe und am Niederrhein, allerdings kein Vergleich mit den 300000, die Russland zur selben Zeit stolz meldete.

In Dalbecks Fachbibliothek steht das Kultbuch der Biberexperten „Der Biber der alten und neuen Welt“, im russischen Original verfasst von Wadim Djoschkin (1930–2010) und Wladimir Safonow (*1935), zwei Zeugen eines Biber-Erfolgsgeheimnisses. Djoschkin war die Seele des „Biberreservats“, das 1923 im südrussischen Wo-ronesch entstand. Weitere Reservate kamen 1925 in Weißrussland und 1929 im sibirischen Tjumen hinzu, wo man vergeblich auf profitable Pelztierzucht hoffte. Djoschkin setzte auf Wiederansiedlung von Tieren, etwa kanadischer Biber in Woronesch, was auch Vergleichs-möglichkeiten zu europäischen Bibern erlaubte. Das Unternehmen war ein internationaler Erfolg, selbst in der Mongolei wurden die „Woronescher“ heimisch. Deren Stafette übernahmen später Polen mit der Biberfarm Popielno, durch ostpreußische Vorarbeit dazu prädestiniert: Im masurischen Popiellnen/Spirding, arbeitete bis 1945 ein zoologisches Forschungszentrum der Universität Königsberg. Später kamen von hier drei Biber-Pärchen, die nach 1980 die Biber-Renaissance in der Nord-Eifel begründeten.

Inzwischen sind Biber fast bis an die Haustür des Verfassers gelangt, denn er wohnt an dem linksrheinischen Flüsschen Erft und kann per abendlicher Radtour diese dämmerungsaktiven Tiere beobachten. Das Bild böte sich auch in Berlin oder Moskau, wo Biber ebenfalls wieder heimisch sind. „Biber“, sagt Dalbeck, „sind eine Tierart, die ihre Umwelt so gestaltet, wie sie sie braucht, was zu Interessenskonflikten mit Menschen führen kann (überschwemmte Wiesen, gefällte Obstbäume), aber ihr wasserbaulicher Nutzen überwiegt, wie Studien aus Belgien nachwiesen. Biber brauchen Gewässer mit ganzjähriger gemächlicher Wasserführung, wobei die Sauberkeit des Wassers nicht so wichtig ist, sie verlangen Grünes im Sommer und Gehölz als Winternahrung.“

Auch die akribischen Forscher von Woronesch haben genau hingeschaut: Biber sind umsichtige Architekten, bauen und erweitern ihre „Burgen“ mit mehreren „Kammern“, die nur unter Wasser erreichbar sind und die sie peinlich sauber halten. Sie bauen nie mit Steinen, aber einen zwölf Zentimeter dicken Baum kippt der Biber in 40 Minuten an eingenagter Sanduhren-Taille.

Was Biber weiter auszeichnet, haben der Deutsche Dalbeck, der Russe Wadim Gudkow und andere zum liebenswerten „Porträt“ gefügt. Biber sind „schweigsam“, da sie außer knisterndem Nagen und Platschen mit der „Kelle“, dem breiten Schuppenschwanz, keinerlei Geräusche erzeugen. Sie sind reine Vegetarier, auf deren Speisezettel rund 150 Arten Pflanzen stehen, ganz oben Pappeln, in eisigen Notzeiten auch Nadelhölzer, Kiefer häufiger, Fichte und Tanne seltener. Biber-Paare sind treu und treu sorgende Eltern. Mit zweieinhalb Jahren werden sie geschlechtsreif, suchen sich Partner, bei denen sie ein Leben lang bleiben. Paarung ist im Januar, nach 105 Tagen Tragezeit bringt die Biberin, die etwas größer als das Männchen ist, im Mai oder Juni Biberchen mit 600 Gramm Gewicht zur Welt – vier bis fünf in wenig besiedelten Regionen, anderswo wie in der Eifel zwei. Ab den ersten Tagen können die Kleinen sich im Wasser halten, bald auch tauchen. Zwei Monate lang werden sie gesäugt, knabbern aber schon nach zwei Wochen am Grünzeug. Und alle Jahre ist „Schichtwechsel“: In der „Burg“ leben Eltern samt diesjährigem und vorjährigem Nachwuchs – kommen neue Kinder, müssen die ältesten ausziehen und sich vier, fünf Kilometer entfernt niederlassen. Das ist der „Motor“ der Biberteich-Kaskade, den Dalbeck und sein Team erfreut kartografieren.

Der Biber wird nicht mehr gejagt oder erschlagen. Sein letzter Feind ist der Verkehr, dem er sich mitunter in selbstmörderischer Sturheit stellt: Unlängst überrollte im Rothaargebirge eine Regionalbahn im Schritttempo zwei Biber, die gerade verbissen einen Gebietsstreit austrugen. Insgesamt sind die Verluste zwar relativ hoch, aber nicht so gravierend, dass sie den Bestand gefährden. Wolf Oschlies


Adel zum Bestaunen
Vielseitige Ausstellung über Niederlausitzer Markgrafen und mehr

Im Europäischen Parkverbund Lausitz sind die insgesamt vier Schlösser und Parks des Grafen Brühl in Forst und Pförten [Brody] und des Fürsten Pückler in Branitz und Muskau zusammengeschlossen. Durch den Muskauer Park verlief 1945 die deutsche Verteidigungslinie, anschließend teilte ihn die Oder-Neiße-Grenze. Das Schloss wurde geplündert und abgebrannt. Zwischen 1995 und 2011 fand eine umfassende Restaurierung statt. Seit 2004 gehört die Anlage beiderseits der Neiße zum Unesco-Weltkulturerbe. Weit weniger ausgedehnt ist der Park in Branitz, der Pücklers Vermächtnis darstellt. Nach und nach werden dort die Räume in den ursprünglichen Zustand versetzt. In der zweiten Etage ist bereits das Arbeitszimmer der Lucie von Hardenberg zu sehen. In den angrenzenden Räumen zeigt der Parkverbund jetzt die Ausstellung „Herrschaftszeiten. Adel in der Niederlausitz“. Sie zeigt eine Vielzahl von Leihgaben, darunter auch der Familie zu Lynar, die ab 1621 und nun wieder seit 1991 im Besitz des Schlosses Lübbenau ist. Porträts ihrer Ahnen von der Hand Antoine Pesnes und Anton Graffs sind zu sehen. Kostbarstes Werk der Ausstellung ist das Porträtgemälde des „Philipp Graf zu Solms“ von der Hand Lucas Cranachs des Älteren aus dem Bestand des Bautzener Stadtmuseums. Die Standesherren waren der Niederlausitz sehr treu. Von den acht Familien, die 1828 herrschten, gab es im 20. Jahrhundert noch sechs. Am 31. Dezember 1927 wettert die „Berliner Morgenzeitung“ gegen das Markgrafentum Niederlausitz und fordert „mit dem mittelalterlichen Gerümpel vor den Toren Berlins aufzuräumen“.

Das pergamentne „Privilegum Ferdinandeum“ aus dem Potsdamer Landeshauptarchiv liegt in der Vitrine neben dem altersdunklen Ölgemälde mit dem Bildnis des Kaisers aus dem Nationalmuseum Breslau. Der Luckauer Landrat von Manteuffel hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einem Künstler alle Markgrafen der Niederlausitz zeichnen lassen. In einer langen Reihe ziehen sich die Häupter durch den Korridor des Schlosses. Karl IV. fügte 1367 die Markgraftschaft zum Böhmischen Königreich. Hans von Polenz war 1413 bis 1437 Pfandnehmer des Landes. Ihm gelang es, mit den Hussiten einen Territorialfrieden für die Lausitz auszuhandeln. Ab dem Prager Frieden von 1635 bis 1815 blieben die Gebiete beim Haus Wettin. Die Sachsen streckten 1779 einmal vergeblich die Hand nach der Niederlausitz aus. Doch der Frieden von Teschen nach dem Spanischen Erbfolgekrieg befriedigte ihr Verlangen nach den habsburgischen Besitzungen nicht. Zum Wiener Kongress wurde das Markgrafentum Niederlausitz dann aufgelöst und der Provinz Brandenburg angeschlossen. Bis zu dessen Aufteilung zwischen den Besatzungszonen war es Teil des Staates Preußen.

Die Uniformen der Landstände sind zu sehen, in denen sie im 1717 erbauten Ständehaus in Lübben tagten. Das Gebäude birgt heute noch das Landratsamt Dahme-Spreewald. Die einzelnen Standesherrschaften werden vorgestellt: Lieberose, Lübbenau, Straupitz, Gross Leuthen, Forst-Pförten, Amtlitz und Muskau. Viele Standesherren haben Geschichte geschrieben und mitgestaltet. Im Schloss Lübben trafen sich auch die Verschwörer des 20. Juli 1944. Wilfried Graf zu Lynar musste dies im gleichen Jahr mit dem Leben bezahlen. Die Familie wurde enteignet.

Parallel zur Ausstellung im Schloss ist im Marstall die Fotoausstellung der Brandenburgischen Landeszentrale für Politische Bildung „Heimat verpflichtet. Märkische Adlige – eine Bilanz nach 20 Jahren“ zu sehen. Die Präsentation über die Standesherrschaft Forst-Pförten in der Stadtkirche St. Nikolai in Forst ist Teil dieser zweiten grenzüberschreitenden Ausstellung des Verbunds. In Muskau und Pförten werden die Besucher zu den Dauerausstellungen zum Thema geladen. Sebastian Hennig

„Herrschaftszeiten. Adel in der Niederlausitz“ auf Schloss Branitz bis 31. Oktober. „Herrenzeiten. Sieben Jahrhunderte Standesherrschaft Forst-Pförten“ in Forst (Lausitz), Promenade und Stadtkirche St. Nikolai, bis 31. Oktober.


Da steht ein Elch in der Flur
Brandenburg: Freude über eingewanderten Großhirsch ist begrenzt

Es herrscht Stau auf der Straße im Kreis Oder-Spree, einige Autofahrer beginnen zu fluchen, denn der Grund ist zuerst nicht erkennbar. „Ist das ein Esel?“, fragt sich Claudia Wehowsky aus Fürstenwalde später im Vorbeifahren. Sie saß diesen Mai im dem ungewöhnlichen Stau fest. Nein, es war ein Elch, den sie mit dem Mobiltelefon fotografierte. Die 46-Jährige lieferte damit den Beweis, nach dem der örtliche Förster schon lange fährtenlesend fahndete. Elche kommen vermehrt in die Mark, quasi als Touristen, der schönen stillen Wälder wegen. Das schafft „unausweichliche Konflikte“, argwöhnen die Behörden.

Der „Kelch mit dem Elch“ beschäftigt somit nicht nur Danny Kaye als „Sir Giacomo“ in der US-Komödie „Der Hofnarr“ von 1955, auch in Brandenburg sorgt das Großtier neuerdings für Verwechslungen. Während der schusselige Giacomo sich im Film einzuprägen versucht, dass im „Kelch mit dem Elch der Wein gut und rein“ ist, und nicht das Gift, hat Brandenburgs Politik sich einen Reim auf die von östlich der Oder einwandernden Großhirsche gemacht. Ein entsprechender „Elch-Managementplan“ schüttelt den Verstand seiner Leser ebenso durch, wie seinerzeit der Schüttelvers im Ritterturnier à la Hollywood: „Der vorliegende Elch-Managementplan klärt in erster Linie über die tatsächlichen Verhältnisse in Brandenburg auf und erläutert Handlungsmöglichkeiten für den zukünftigen Umgang mit dem Großsäuger.“ Der „Großsäuger“ schert sich nämlich herzlich wenig um den Straßenverkehr, bleibt im Zweifelsfall ruhig stehen, denn er sieht in Fahrzeugen keine Gefahr. Hinzu komme die „Wildschadensproblematik“. Von 1991 bis heute sichteten Menschen die weltweit größte Hirschart zwischen Prenzlau und Cottbus gut 100-mal, so Brandenburgs Agrarministerium. „Direkt oder mit Umwegen über Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen“ gelangen sie in das Bundesland. Ein Förster ertappte die großen Tiere jüngst schon beim Schwimmen durch den Oder-Spree-Kanal.

Das 72-seitige Elchmanagement der Obersten Jagdbehörde (OJB), gültig bis 2018, zielt auf „Schaffung eines Regelwerkes, das die Grundlagen für ein möglichst konfliktarmes Miteinander enthält“. Die Trughirsche, deren „normaler Aktionsraum 50 bis 200 Quadratkilometer“ beträgt, beschreibt der Plan als „gemein friedfertig, gesellig und leicht zähmbar“. Sie sehen in Deutschland einer ganzjährigen Schonzeit entgegen. Der „Jagdausübungsberechtigte“ darf sich Unfalltiere holen, weniger dankbar dürfte seine Aufgabe sein, „das eingewechselte Tier herauszutreiben“, wenn es sich in umzäunten Bereichen wie Obstplantagen zu schaffen macht.

Waren Elche früher in der Mark vor allem im Herbst gesichtete „Wanderelche“, lässt das Erscheinen der Tiere im Frühjahr dieses Jahres auf mehr hoffen. Uralten Wanderrouten folgend bewegen sie sich nun gen Westen, einige gelangten kürzlich sogar bis in die Wälder vor Berlin. Während also die Hauptstädter zum Einkaufen in die Republik Polen fahren, kommen die Elche von dort zum Entspannen außerhalb der wachsenden Elch-Populationen Osteuropas auf die Hauptstadt zu. Einen Plan braucht er dazu genauso wenig wie Management, solange nur die Schonzeit anhält. SV


S. 22 Neue Bücher

Versuch einer Rettung
Die Bedeutung von Vätern

Frauenquote, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Gleichberechtigung; bei all diesen Themen stehen Frauen im Fokus des Interesses. Und wenn es um Familie geht, dreht es sich schwerpunktmäßig auch um Frauen, die Männer spielen meist nur eine Nebenrolle. Dies gilt jedoch nicht für Peter Ballnik. Bei dem Psychotherapeuten steht der Mann im Mittelpunkt und hier in seiner Funktion als Vater. „Vaterseelenallein. Warum Kinder einen Vater brauchen und wohin es führt, wenn er fehlt“ lautet der Titel seines neuen Buches. Und tatsächlich dringt er mit dem Thema in eine Lücke, denn die Bedeutung von Vätern spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine viel kleinere Rolle als in der Realität. „Während Frauen und Mütter in der Champions League der öffentlichen Aufmerksamkeit spielen, sind die Väter offenbar in die Kreisliga abgestiegen“, kommentiert der Autor die Situation.

So ansprechend der Ansatz von Ballniks Publikation auch ist, um so größer ist die Enttäuschung, da er sich zu oft entweder in Allgemeinplätzen oder in Details verliert. Das mag daran liegen, dass Ballnik in seiner Berufspraxis nur die kaputten Fälle kennenlernt, denn schließlich gehen nicht jene zum Therapeuten, die sich gut fühlen, aber auch sie können infolge von Vaterlosigkeit leiden.

Und so kommt es, dass der Autor mit Vaterlosigkeit Extreme in Verbindung bringt. So betont er, dass 85 Prozent der Gefängnisinsassen keinen präsenten Vater erlebt hätten, die meisten Amokläufer, aber auch Tyrannen wie Hitler und Stalin keinen Vater oder ein gestörtes Verhältnis zu ihm gehabt hätten und dass Karl-Theodor zu Guttenberg bestimmt bei seiner Doktorarbeit gepfuscht habe, weil er und sein Vater laut eigener Aussage wie Brüder zusammengelebt haben, dieser also keine Vorbildfunktion innehatte. Immerhin hebt Ballnik hervor, dass allein der Umstand, einen Vater zu haben, keine Garantie sei, denn habe schon dieser ein „eingeschränktes Gewissen“, gebe er dieses oft an seinen Nachwuchs weiter.

„Menschen, die keine innere Heimat haben, können auch keine äußere Heimat entwickeln. Eltern, vor allem Väter, helfen Kindern dabei, diese innere Heimat immer mehr nach außen zu führen, so dass sie sich als Jugendliche und Erwachsene in der Welt zu Hause fühlen können“, lautet eine kluge Erkenntnis des Autors. Aber dass Jungen von ihren Vätern lernen, sich körperlich auseinanderzusetzen, verwundert. Jungs rangeln mit Brüdern und Freunden, aber mit Vätern? Und wo bleiben die Töchter in Ballniks Ausführungen? Sie kommen hier zu kurz, dabei hilft es auch bei ihrer Charakterbildung, wenn sie einen sie liebenden Vater haben, der als Vorbild fungiert.

Ballnik hebt hervor, wo Väter als Vorbilder dienen, und stellt männliche Jugendliche aus seiner Praxis vor, die ohne Vater aufgewachsen sind, und was das für diese für Folgen hatte. Er zeigt auf, wie Väter nach dem Zweiten Weltkrieg oft Probleme hatten, eine warmherzige Beziehung zu ihren Kindern aufzubauen, und wie sie auch heute durch fehlende Kommunikation den Draht zu ihrem Nachwuchs verlieren können.

Nach der Lektüre hat man über viele Einzelfälle gelesen und auch viele Verallgemeinerungen zur Kenntnis genommen, doch ein überzeugendes Gesamtbild konnte der Autor nicht entwerfen. Bel

Peter Ballnik: „Vaterseelenallein. Warum Kinder einen Vater brauchen und wohin es führt, wenn er fehlt“, adeo, München 2014, geb., 282 Seiten, 17,99 Euro


Vieles erscheint faul
Auf subtile Art decken Autoren Ungereimtheiten in Sachen NSU auf

Zumindest vorläufig kann das Buch „Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU“ für sich beanspruchen, als das Standardwerk in Sachen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zu gelten. In einem saloppen Stil geschrieben, dennoch akribisch vorgehend, rekonstruieren die Autoren Stefan Aust und Dirk Laabs sowohl den Weg der Terrorgruppe, als auch das Versagen von Polizei und Verfassungsschutz. Enttäuscht dürften die Leser sein, die vom umfangreichen Werk fertige Antworten erwarten. Das Buch präsentiert einen Berg von Fakten und offenen Fragen, überlässt es allerdings dem Leser, daraus seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Dieser Ansatz entzieht von vornherein dem gern gebrauchten Totschlagargument „Verschwörungstheorie“ den Boden. Mehr noch. Indem der Leser ausgestattet mit zahlreichen Informationen quasi selbst in die Rolle eines Ermittlers schlüpfen kann, wird das Buch zu einer extrem spannenden Lektüre.

Dass am Ende ein Werk mit über 800 Seiten zustande gekommen ist, macht deutlich, wie hoch in Sachen NSU noch immer der Klärungsbedarf ist. Keine zufriedenstellende Erklärung gibt es etwa für die auffallend uneinheitliche „Handschrift“ der Straftaten, die dem NSU zugeschrieben werden. Dilettantisch ausgeführten Banküberfällen stehen Morde gegenüber, die so kaltblütig und präzise ausgeführt wurden, dass Ermittler von einem professionellen Auftragsmörder oder einem ehemaligen Elitesoldaten als Täter ausgingen. Bis heute rätselhaft ist ebenso, was am 25. April 2007 in Heilbronn passierte, als die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen wurde. Beide Autoren schließen eine Zufallstat fast aus. Die im Buch präsentierten Details machen deutlich, dass die Milieus von Opfer und Tätern sich erstaunlich nahe gewesen sind. Dass vieles an den Vorgängen in Heilbronn noch immer unklar ist, liege an den Polizisten vor Ort, die „ganz offensichtlich Teile der Wahrheit zurückhalten“.

Ausführlich eingegangen wird ebenso auf den Mord an Halit Yozgat, der am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde. Ein Verfassungsschutzagent war vor Ort und will nicht bemerkt haben, dass Yozgat tot hinter dem Tresen seines Ladens lag. Mehrere Male vernahmen die Richter im NSU-Prozess in München den Verfassungsschützer und eigentlich „glaubt ihm kein Mensch, dass diese Geschichte stimmt“, so Aust in einem Interview.

Neben der systematischen Auflistung solcher Punkte geben Aust und Laabs auch einen guten Einblick in die Neo-Naziszene in Deutschland. Eingegangen wird dabei nicht nur auf das Innenleben von Organisationen wie den „Thüringer Heimatschutz“, „Blood & Honour“ und den Ku-Klux-Klan, sondern auch auf ein Phänomen, das in der Berichterstattung sonst kaum auftaucht: Teile der Szene sind verbandelt mit dem Milieu ganz gewöhnlicher Krimineller – von osteuropäischen Autodieben bis hin zu deutschen Zuhältern.

Aufschlussreich ebenso die Abrechnung der Autoren zum Agieren staatlicher Behörden in Sachen NSU. Anders als oft behauptet, war der Verfassungsschutz nicht auf dem rechten Auge blind, sondern über zahlreiche V-Leute erstaunlich nah an der rechten Szene und auch am NSU-Trio dran, so das gezogene Fazit. Deutlich wird in diesem Zusammenhang das Thema Aktenvernichtung bei den Sicherheitsbehörden angesprochen. Erinnert wird unter anderem an den inzwischen fast vergessenen Umstand, dass nur wenige Stunden, nachdem sich Beate Zschäpe der Polizei gestellt hatte, beim Bundesamt für Verfassungsschutz bereits die Anordnung zum Aktenschreddern erteilt wurde. Warum es schwerfällt, dabei an reinen Zufall zu glauben, macht ein Zitat am Ende des Buchs deutlich: „Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren“, so der Geheimdienstkoordinator und ehemalige Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Klaus-Dieter Fritsche vor dem NSU-Ausschuss des Bundestages.

Zu wünschen gewesen wäre dem Buch ein etwas sorgfältigeres Lektorat, mit dem sich einige ungenaue Formulierungen hätten vermeiden lassen. Nichtsdestotrotz ist „Heimatschutz“ mit der Fülle der zusammengetragenen Fakten – darunter auch bisher unbekannten Details, etwa zum Heilbronner Polizistenmord – ein sehr lesenswerter Gesamtüberblick in Sachen NSU.

Norman Hanert

Stefan Aust und Dirk Laabs: „Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU“, Pantheon-Verlag, München 2014, geb., 864 Seiten, 22,99 Euro


Mehr als nur Adressmaterial
Wer hat was in der Sicherheitspolitik zu sagen? Handbuch hilft

Für jeden, der sich mit deutscher Sicherheitspolitik beschäftigt, ist das seit 1978 erscheinende, regelmäßig aktualisierte und nunmehr in 19. Ausgabe vorliegende „Handbuch der Bundeswehr“ ein unverzichtbares Nachschlagewerk über Politiker, Militärs, Beamte und Unternehmer, die im Verteidigungsbereich der Bundesrepublik Deutschland tätig sind.

Den ersten Teil bilden die Lebensläufe von Parlamentariern, Offizieren im Generals- und Admiralsrang sowie Beamten und Angestellten in vergleichbaren Rängen und Dienststellungen. Darüber hinaus werden Repräsentanten der Verteidigungsindustrie vorgestellt. Umfangreiche Stellenbesetzungs- und Anschriftenlisten sowie das vollständige Kontakt- und Adressmaterial für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr und der Nato geben zugleich einen Überblick über den aktuellen Aufbau der Bundeswehr. Der weiterführenden Information dienen Angaben über den Verteidigungshaushalt, sicherheitspolitische Verbände und Gesellschaften, europäische Organisationen und Institutionen, bundeseigene Unternehmen, ausgewählte Garnisonen der Bundeswehr sowie Firmen aus der Verteidigungsindustrie. Derjenige, dem das Wälzen dicker Bücher nicht liegt, kann sich der beiliegenden CD bedienen.

Bei allem Wert des Handbuches als Arbeitsmittel kann der Herausgeber ein Manko beim besten Willen nicht beseitigen: Die Fluktuation im militärischen Bereich ist so hoch, dass manche Stelle mittlerweile anderweitig besetzt ist als bei Drucklegung. Auf seine einführenden Worte hätte der Herausgeber übrigens verzichten sollen, handelt es sich dabei doch hauptsächlich um einen schon degoutant zu nennenden Kotau vor der Kanzlerin, der Bundesverteidigungsministerin und deren Vorgängern. Jan Heitmann

Manfred Sadlowski (Hrsg.): „Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie 2013/2014“, Bernard & Graefe, Bonn 2014, geb., 928 Seiten, 92 Euro


Einmal kein Gesinnungskitsch
Totalitarismusforschung: Wie laut Jacob Fleischer Sozialismus und Faschismus zusammenhängen

Seit 1993 arbeitet in Dresden das der Technischen Universität angegliederte Hannah-Arendt-Institut. Dass hier Ideologiengeschichte und Totalitarismusforschung als präzise Wissenschaft betrieben werden und nicht als Gesinnungskitsch ist jenen ein Dorn im Auge, die sich nur gebräuchliche Vorlagen für politische Phrasen davon erwarteten. Nach wie vor ist es jenen ein Ärgernis, wenn die beiden großen zivilisatorischen Entgleisungen des 20. Jahrhunderts, Kommunismus und Faschismus, nicht nur gemeinsam betrachtet, sondern auch aufeinander bezogen werden.

Auf beispielhafte Weise tat das der israelische Historiker Jacob Talmon in seiner „Geschichte der totalitären Demokratie“. In der Reihe „Wege der Totalitarismusforschung“ hat nun Uwe Backes, stellvertretender Leiter des Dresdner Instituts, das gewaltige dreibändige Hauptwerk Talmons herausgegeben. Die Edition stellt zugleich eine eindrucksvolle Rechtfertigung der Institutsarbeit dar.

Als Yaakov Fleischer wurde der Forscher 1916 in Rypin nahe Thorn geboren. 1934 wanderte er nach Jerusalem aus. In den „Schlussfolgerungen“ des dritten Bands berichtet er, wie die Mos-kauer Prozesse von 1937/38 zum Auslöser seiner Studien darüber wurden, wie „das Versprechen einer perfekten direkten Demokratie in der Praxis die Form einer totalitären Diktatur annimmt“. Der erste Band „Die Ursprünge der totalen Demokratie“ erforscht die Französische Revolution. Darauf folgt in Band II. eine Untersuchung „Politischer Messianismus – die romantische Phase“, worin „Sozialistischer Messianismus“ und „Messianischer Nationalismus“ jeweils umrissen und anschließend in ihren „Konfrontierungen“ beschrieben werden. Der letzte und umfänglichste Band beschäftigt sich dann mit der schrecklichen Konklusion der beiden Spielarten im 20. Jahrhundert. Als er 1981 posthum herauskam, hatte die Totalitarismusforschung einen denkbar schlechten Stand. So kommt es, dass dieser Band nun erst auf Deutsch vorliegt. Die Auflösung des kommunistischen Lagers hat unterdessen nicht nur dort neue Einblicke in die Tatsachen geschaffen auch im Westen hat sich die Situation geändert. Die ausgesetzte Spannung des Kalten Kriegs ließ die erprobten Selbstwertbehauptungen des freien Lagers gleichermaßen ins Leere laufen. Und in letzter Zeit zeichnet sich wieder eine bedenkliche Tendenz der Demokratie ins Totale ab. Der Ausblick des Autors erweist sich auch als prophetisch im Hinblick auf die Rolle Chinas auf dem schwarzen Kontinent sowie die Zuwanderungsströme nach Europa betreffend.

Das umfängliche Werk ist leicht fasslich geschrieben. Eine Vielzahl bewegender Einzelheiten wird darin zu einem großen Panorama gereiht. Der ungewöhnlich sachliche Blick verblüfft, so wenn die deutsche Revolution von 1918 beschrieben wird als „Unfall, das Nebenprodukt einer nationalen Katastrophe“. Viele Urkunden, so die französische Pamphletistik des späten 18. Jahrhunderts wurden vom Herausgeber im Original aufgestöbert und nachvollzogen. Bemerkenswerte Einlassungen gelten den russischen Narodniki und Tertoristen sowie dem jüdischen Proletariat und dem Arbeiterbund im Zarenreich. Zudem wird die Entwicklung der Ideologie des Faschismus aus dem Sozialismus und Pazifismus des frühen Mussolini gezeichnet.

Im Kapitel über das Wiener „granitene Fundament“ Hitlers trifft Talmon dann genau jene Feststellung über den Nationalsozialismus, die vor Jahrzehnten in Deutschland in den fruchtlosen Historikerstreit führte: „Diese Entwicklung fand vorrangig als Antwort auf eine Ideologie statt, die sich selbst als revolutionär par exellence ausrief und von anderen auch so gesehen wurde: den marxistischen Sozialismus.“ Talmon hält zudem fest, dass nicht nur der Sozialismus eine internationale Bewegung war, sondern auch die Reaktion auf ihn weit über die Landesgrenzen hinaus Zuspruch fand. Sebastian Hennig

Jacob Talmon: „Die Geschichte der totalitären Demokratie. Band I bis III“, herausgegeben von Uwe Backes, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013, geb., 1746 Seiten, 175 Euro


Weitere Titel

Werner Alex: „Sicht des Affen. Gedanken aus der Zeit der Jahrtausendwende“, KFV, Aachen 2014, brosch., 238 Seiten, 17,80 Euro

Heidi Kühn-Bode: „Pommern, meine Liebe“, IFB Deutsche Sprache, Paderborn 2014, broschiert, 228 Seiten, 12,50 Euro

Hermann Josef Roth: „Banker und Bankerte“, IFB Deutsche Sprache, Paderborn 2013, broschiert, 230 Seiten, 13,50 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Eins, zwei, drei! / Warum die »Antifa« zum neuen Judenhass schweigt, wie Udo van Kampen sich blamiert, und wieso die Wirtschaft bald wieder wächst

Manchen Leuten muss man alles dreimal sagen. Gideon Böss fragt, wo denn die „Antifa“ bleibe angesichts der judenfeindlichen Demos in Deutschland und Europa (siehe „Meinungen“). Er kommt der Antwort bestenfalls nahe: Da es „Migranten“ seien, die da ihren Judenhass hinaus brüllen, kämen die Linksradikalen mit der Sache nicht zurecht.

Stimmt schon, ist aber höchstens die halbe Wahrheit. Die ganze lautet: Den „Antifaschisten“ sind die Juden und deren Feinde vollkommen schnuppe. Hitler ist ihnen wichtig, denn er bildet die Grundlage ihres Seins und Tuns. Der Mann aus Braunau gilt heute als das absolute Böse. Und da sind wir uns doch einig: Wer unentwegt gegen das absolute Böse kämpft, der darf nicht zimperlich sein. Hitler ist sozusagen der Jagdschein der extremen Linken, die sich daher „Antifa“ nennt. Mit dem Lappen in der Tasche darf sie ihre Gegner nach Belieben diffamieren, schikanieren, einschüchtern und bei Bedarf auch mal zusammenschlagen. Sind dann eben alles Nazis und „sollen sich angesichts der deutschen Geschichte nicht wundern, wenn ...“

Islamistische Judenhasser zählen aber nicht zu den Gegnern der linksextremen „Antifa“. Vielmehr haben beide einiges gemeinsam; sie verachten und bekämpfen Deutschland, seine abendländische Kultur, seine Traditionen, seine freiheitliche Ordnung, seine Demokratie und seine Menschen. Also warum sollten sie gegeneinander kämpfen, warum die „Antifa“ gegen Islamisten vorgehen, lieber Herr Böss?

Allerdings ist man auf Seiten der Dunkelroten bemüht, das offensichtlich Gewordene möglichst schnell wieder im Nebel zu versenken. Es ging mancherorts aber auch allzu toll her. In Essen hatte die Linksjugend, Jugendorganisation der Linkspartei, zur Versammlung gebeten. Dort pumpten sich auch zahlreiche Islamisten mit Wut voll. Als dann bekannt wurde, dass sich in einiger Entfernung ein paar Israelfreunde zusammengefunden hatten, raste der Mob los und versuchte, „Adolf Hitler! Adolf Hitler!“ skandierend, über die wirklichen oder vermeintlichen Juden herzufallen. Auch gereckte rechte Arme waren zu sehen.

Das kam sehr ungelegen, zumal zum Schluss nicht einmal mehr die Staatssender ihre schützende Hand über das Geschehen legen konnten. Als es auf Deutschlands Straßen schon längst richtig zur Sache ging „gegen die Juden“, verlegten sich die öffentlich-rechtlichen Abendnachrichten zunächst noch auf Berichte über Attacken gegen israelische Einrichtungen in der Türkei. Irgendwann aber ging das nicht mehr, und sie mussten leider auch über den migrantischen Judenhass in Deutschland berichten.

Immerhin will die Polizei jetzt mit Hilfe des Demonstrationsrechts dafür sorgen, dass die übelsten Hetzparolen nicht mehr gerufen werden. Das hat zwei Vorteile: Erstens müssen wir das dann nicht mehr hören. Zweitens können die deutschen Staatssender nach einer gewissen Schamfrist wieder von „friedlichen israelkritischen Kundgebungen, die nichts mit Antisemitismus zu tun haben“ reden, weil der markante Judenhass von der Oberfläche verschwunden sein wird.

Nach ein paar weiteren Restaurierungsarbeiten wird das bunte Bild der heilen Multikulti-Welt wieder in altem Glanz erstrahlen. Wie heil die Welt der Staatsmedien ist, das haben wir anlässlich des Geburtstags unserer Kanzlerin erfahren.

Udo van Kampen, ZDF-Korrespondent bei der EU, gestaltet seine Berichterstattung schon seit langem nach dem Motto: Alles ist gut in Brüssel – und wer was anderes behauptet, ist ein Europahasser, ein Spinner, Populist oder noch was Schlimmeres. Wo andere politische Journalisten ihr Gegenüber durch das Säurebad bohrender Fragen ziehen, da verbreitet Udo van Kampen die Kuscheligkeit von „Rote Rosen“.

Diesen Hofberichterstatter überbietet an schleimiger Beflissenheit niemand, möchte man meinen, nicht wahr? Doch, einer kann das: er selbst. Ja, Udo van Kampen hat es geschafft, sich wahrhaft selbst zu übertreffen.

Auf der Mitternachts-Pressekonferenz in Brüssel mit Angela Merkel wollte er die versammelte Weltpresse allen Ernstes dazu ani­mieren, der Bundeskanzlerin ein Ständchen zu ihrem Jubeltag zu bringen. Also stand er auf, bat alle zum Mitsingen und legte los „Eins, zwei, drei – Happy Birthday, liebe Bundeskanzlerin, Happy ...“ und so weiter.

Natürlich stimmte niemand ein, keiner stand mit ihm auf, er muss­te ganz allein zu Ende singen. Um ihn herum bloß Beklemmung, bedrücktes Schweigen. Und leiser Spott, der schon bald lauter wurde. Die BBC stellte den beispiellos peinlichen Vorfall sogar ins Internet. Dort steht diese Szene von geradezu nordkoreanischer Unterwürfigkeit als Denkmal der „kritischen Distanz“, welche unsere Staatssender angeblich zur Politik wahren.

Allerdings wird es für Udo van Kampen und die Seinen immer schwieriger, die Welt der EU rosarot zu malen. Frankreichs Wirtschaft stürzt immer tiefer, die Briten reden übers Austreten, in den Südländern knirscht es schon wieder – siehe Portugals drohende Großbanken-Pleite – und selbst die deutsche Wirtschaft gibt unscharfe Signale. Irgendwann lassen sich die schlechten Zahlen nicht mehr durch schöne Worte wegsabbeln. Die öffentliche Rede kann sich ja nicht unendlich weit von jenen Zahlen entfernen, welche die harte Wirklichkeit spiegeln.

Das hat man auch in Brüssel erkannt und messerscharf geschlossen: Dann müssen wir eben die Zahlen von der Wirklichkeit abkoppeln. Gedacht, getan: Ab September werden die Wachstumsdaten durch einen Trick wieder besser, was alle als „Zeichen des Aufschwungs“ deuten dürften.

In Wahrheit ist es eine Täuschung. Ab dem 1. September rechnen die Statistiker auch die sogenannte „Schattenwirtschaft“ mit zur Wirtschaftsleistung, wie Dagmar Metzger, Christian Bayer und Steffen Schäfer in ihren allwöchentlichen „Freitagsgedanken“ im Internet aufgespießt haben. Sollten also Prostitution, Drogenhandel oder Schwarzarbeit zunehmen, weist die EU das künftig stolz als „Wirtschaftswachstum“ aus.

Das einzig Problematische daran ist eigentlich das Allerbeste: „Schattenwirtschaft“ zeichnet ja gerade aus, dass es gar keine Zahlen gibt, weil die Betreiber dieses „Wirtschaftszweigs“ ihr Tun geheim halten, um der Steuer oder gar der Strafverfolgung zu entgehen. Deshalb wird die Entwick­lung der Schattenwirtschaft einfach „geschätzt“, wobei man natürlich jede Menge Spielraum hat, wie Metzger und ihre Kollegen betonen.

Kurzum: Künftig werden „Experten“ über den Daumen peilen, wie stark unsere Wirtschaft „gewachsen“ ist. Wenn deren Abstand zur den herrschenden Politikern in etwa dem von Udo van Kampen entspricht, können wir uns auf ganz wundervolle Konjunkturverläufe freuen.

Und das ist nicht nur im Wahlkampf hilfreich. An der Jahreswirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), bemessen die Politiker auch die Schuldentragfähigkeit ihrer Staaten, heißt: Je höher das BIP, desto mehr neue Kredite kann die Regierung aufnehmen.

Sollte beispielsweise der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg nach seiner Schätzung zu dem Schluss kommen, dass im abgelaufenen Halbjahr an der Reeperbahn zehn Prozent mehr Nümmerchen geschoben worden sind als im Vorjahreszeitraum, erhöht sich entsprechend sein Spielraum, um die Elbstadt noch tiefer in die roten Zahlen zu stürzen. Diskret, wie die Hanseaten sind, wird niemand fragen, woher die Experten des Senats das mit den Nümmerchen überhaupt wissen. Über so etwas spricht man nicht in Hamburg und bezahlen werden am Ende sowieso die Sparer und Steuerzahler, ob in dem Stadtstaat oder anderswo. Bis dahin sollte es nur möglichst gut aussehen, und dafür ist ab 1. September noch besser gesorgt.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Als »Bullen« beschimpft

Berlin – Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg ist in die Kritik geraten, weil ein Zuhörer und der Grünen-Fraktionschef Jonas Schemmel auf einer BVV-Sitzung Polizisten als „Bullen“ bezeichnen konnten, ohne dafür gerügt zu werden. Dass beide ungeschoren blieben, rechtfertigt BVV-Präsidentin Kristine Jaath (Grüne) damit, dass eine Zurechtweisung „zur Eskalation geführt“ hätte. H.H.

 

Von Linken ins Koma geprügelt

Nürnberg – Im Nürnberger Hauptbahnhof wurde ein 41-Jähriger Mann türkischer Herkunft von zwei 20- und 33-jährigen Linksextremisten ins Koma geprügelt, weil er eine Reichskriegsflagge geschwenkt hat. Dabei soll er „rechtsradikale Parolen“ gegrölt haben, so örtliche Medien. Um welche Worte es sich dabei konkret handelte, wurde nicht erwähnt. Die Reichskriegsflagge ist ein Relikt der Kaiserzeit und nicht verboten. H.H.

 

Gefährliche Einstiegsdroge

Ist es ein Aufbruch oder der Versuch eines Neuanfangs? Der zum Islam konvertierte Deutsche Pierre Vogel hat bei einer Kundgebung in Hamburg vor einigen Tagen mitgeteilt, dass er plane, von Nordrhein-Westfalen nach Hamburg-Wilhelmsburg umzuziehen. Der 36-jährige bekennende Salafist erregt bei seinen Kundgebungen stets öffentliches Interesse. „Wir möchten die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass die Versammlung auf dem Hachmannplatz keine harmlose Veranstaltung ist“, so der Hamburger Verfassungsschutz. „Die Organisatoren sind Salafisten und deren Gesellschaftsmodell ist mit unseren demokratischen Werten absolut unvereinbar. Zudem haben wir Erkenntnisse, dass Pierre Vogel die Nähe zur dschihadistisch-salafistischen Szene sucht.“

Doch inzwischen ist die Frage berechtigt, ob die Einschätzung von Vogel als einem der bedeutendsten Hassprediger hierzulande nicht einer Überschätzung gleichkommt. Bei seinen letzten großen Kundgebungen kamen stets nur einige hundert Anhänger, dafür aber viel Polizei und auch immer wieder Gegendemonstranten. All das hat dafür gesorgt, dass der ehemalige Boxer und Lehramtsstudent sich zahm geben muss. Mit der Zunahme seiner Bekanntheit nahm quasi seine Bedeutung bei den radikalen Salafisten ab. In Zeiten, in denen Islamisten aus Deutschland in Scharen in den Dschihad nach Syrien oder in den Irak ziehen, ist der Konvertit Vogel einem zahmen Lämmchen gleich. Zwar bezeichnet er gefallene Dschihadisten als Märtyrer, doch da er im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden steht, weiß er, dass er gewisse Grenzen nicht überschreiten darf.

Vogel jedoch als harmlos abzutun, wäre wiederum gefährlich. Er ist sozusagen die Einstiegsdroge für alle jene, die als Anhänger des Salafismus infrage kommen. Bel


MEINUNGEN

Gunnar Schupelius rechnet in der „B.Z.“ vom 16. Juli mit dem Versagen der Berliner Landespolitik angesichts der „Flüchtlings“-Problematik ab:

„Aus Angst und Feigheit vor den Besetzern und ihren linksradikalen Milizen in den Straßen von Kreuzberg wurden alle Regeln auf den Kopf gestellt. Und dann klopften sie sich am Ende noch gegenseitig auf die Schulter, dass der Polizeieinsatz so schön friedlich beendet werden konnte, und fuhren in den Urlaub. Drahtzieher dieser absichtlichen Gesetzesverletzungen sind die Grünen, die dem illegalen Besetzertum huldigen und ein gestörtes Verhältnis zu Recht und Ordnung haben. Und ein ganzer Senat aus SPD und CDU kriecht ihnen hinterher. Das darf alles nicht wahr sein!“

 

 

Ingo Narat nimmt sich im „Handelsblatt“ vom 18. Juli des Wunsches einiger Verbraucherschützer an, der Gesetzgeber möge doch Provisionsberatung bei Finanzprodukten verbieten:

„Es lohnt der Blick nach Großbritannien. Die Briten haben ein Provisionsverbot. Dort findet Beratung kaum noch statt. Das ist ein Schlag für die Vermögensbildung. Die Aufsicht sollte zur Besinnung kommen. Der Verbraucher muss zwar geschützt werden. Doch Wahlfreiheit bei Kosteneinblick reicht, Entmündigung ist der falsche Ansatz.“

 

 

Stephan Kramer, Ex-Generalsekretär des Zentralrats der Juden, nimmt die antijüdischen Ausschreitungen zum Anlass, das Vorgehen der deutschen Staatsmacht bei Demonstrationen generell zu kritisieren. Gegenüber der „Welt“ (22. Juli) sagte er:

„Es kann nicht sein, dass man einerseits gewalttätige Demonstranten gewähren lässt und auf der anderen Seite friedliche Demonstranten mitgeteilt bekommen, dass sie selber schuld sind, wenn sie sich dort aufhalten. Das ist eine Bankrotterklärung der Polizei und der Politik.“

 

 

Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret zeigt in der „Wirtschaftswoche“ vom 17. November auf, wo er die Grenzen der EZB für überschritten hält: 

„Ich bin der Auffassung, dass der Kauf von forderungsbesicherten Wertpapieren kein Instrument der Geldpolitik ist. Zentralbanken sollten den Banken nicht die Kreditrisiken abnehmen. Die EZB darf nicht zur Bad Bank des Euro-Raums werden.“

 

 

Gideon Böss fragt sich in seinem Blog am 22. Juli nach den judenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland, warum die „Antifa“ schweigt:

„Gegen so einen echten Deutschen zu demonstrieren, hat was Befreiendes, weil man damit den Widerstand gegen Hitler nachholen kann. Es ist zwar nur Event-Antifaschismus, aber immerhin. Gegen muslimische Judenhasser zu demonstrieren überfordert den tapferen Antifaschisten hingegen völlig, weil Moslems doch Migranten sind und Migranten die Opfer von Nazis, die wiederum die Antisemiten sind. Wie kann es dann also sein, dass auch ein Deutscher, dessen Vorfahren aus Anatolien, Ramallah oder Beirut kamen … nein, das ist der Antifa nicht geheuer.“