28.03.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 40/14 vom 04.10.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Überall nur Verlierer
Euro-Rettung der EZB treibt Nord- wie Südeuropäer in den Niedergang

Während in Deutschland die Sparer unter den Maßnahmen der EZB leiden, sind es in Spanien die Arbeitnehmer. Unglücklich werden langfristig so alle.

Wovor Ökonomen seit Jahren gewarnt haben, ist nun erstmals mit harten Zahlen belegt worden. Einer Studie aus dem Hause des Allianz-Konzerns zufolge haben die Deutschen wegen der Euro-Niedrig- zinspolitik seit 2010 bereits 23 Milliarden Euro verloren. Zugute kam dies den Euro-Krisenländern, vor allem Spanien. Die Spanier konnten im gleichen Zeitraum einen Zugewinn von 54 Milliarden Euro verbuchen, gefolgt von den Italienern mit 39 Milliarden.

Ursache: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen weit unter die Inflationsrate gedrückt. Folge: Wer Geld auf Bankkonten hat, verliert real Jahr für Jahr Vermögen. Wer verschuldet ist, wird hingegen real beschenkt.

Die Deutschen sind überdurchschnittlich sparsam, aber nicht einmal jeder zweite wohnt in einer eigenen Immobilie, die Mehrheit mietet und hat ihr Vermögen auf der Bank statt in Stein. Anders in Spanien, dort leben 83 Prozent in den eigenen vier Wänden, dafür sind viele hohe Hypotheken zu variablen Zinsen eingegangen, deren Zinssätze nun im Keller sind.

Letztlich sorgt die EZB dafür, dass der zur Miete wohnende deutsche Sparer dem verschuldeten Eigentümer in einem Krisenland das Haus finanziert. Das ist offenbar gewollt: EZB-Chef Mario Draghi spricht davon, dass die Schuldenlast in den Krisenländern verringert werden müsse. Das gelingt auf Kosten der Deutschen, aber auch der Belgier, auf welche die höchste Pro-Kopf-Belastung entfällt.

Und es wird noch schlimmer. Die EZB hat ihren Leitzins unlängst erst noch einmal gesenkt, auf fast unsichtbare 0,05 Prozent – Allzeittief. Einer Schätzung zufolge werden die deutschen Sparer bis Ende 2018 astronomische 230 Milliarden Euro verlieren.

Glückliches Spanien? Kaum: Weil sie ihre Währung nicht mehr abwerten können, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, haben Millionen Menschen dort ihre Arbeit verloren, wächst vor allem eine hoffnungslose Jugend heran. Da ist die Entschuldung der Immobilie ein schwacher Trost, der kaum wahrgenommen wird.

Das Euro-System produziert so doppelt Verlierer. Wo die Währung zu hart ist, verlieren die Menschen ihre Arbeit. Wo sie zu weich ist, wie in Deutschland, verlieren sie ihr Erspartes.

Zudem setzt das Euro-System völlig falsche Anreize, nämlich zum weiteren Schuldenmachen. Dabei ist Verschuldung die Ursache der weltweiten Finanzkrise, nicht nur im Euro-Raum. Es ist unmöglich, über immer mehr Schulden wohlhabend zu werden. Traditionell sparsame Völker und Stämme wie die Schweizer oder die Schwaben haben es vorgemacht: Sparsamkeit ist die Basis für späteren Wohlstand, nicht Schuldenmacherei. Was die EZB, was das Euro-System hier stimuliert, ist der Weg in den sicheren Niedergang. Hans Heckel


Manipulation auf Anweisung
Programmbeirat kritisiert ARD-Berichterstattung zur Ukraine-Krise

Einsichtsfähigkeit sieht anders aus. Nachdem der Programmbeirat die Berichterstattung der ARD in Sachen Ukraine-Krise als „einseitig, lückenhaft und voreingenommen“ kritisiert hat, schaltet der WDR-Intendant Tom Buhrow auf stur. Der Vorwurf gehe „an die journalistische Ehre“, verteidigte er laut „Spiegel“ seine Kollegen. Diese leisteten „exzellente Arbeit“. Von einseitiger oder „tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen“ gerichteter Berichterstattung könne keine Rede sein. Ähnlich reagierte der ARD-Chefredakteur Thomas Baumann. Auch er wies den Vorwurf einseitiger Berichterstattung zurück und erklärte: „Es gab und es gibt zahlreiche Beiträge, Sendungen und Sondersendungen im Ersten Programm, die in der Summe die Lage in der Ukraine und die Ursachen der Krise differenziert und unter verschiedenen Aspekten thematisiert haben und thematisieren.“ Schlüssig widerlegen konnten Buhrow und Baumann die vom Programmbeirat erhobenen Vorwürfe indes nicht.

Der neunköpfige Programmbeirat ist beratend tätig und hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die ARD dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag gerecht wird. Ihm gehören Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Parteien an. In den Chefetagen der ARD-Sendeanstalten ist der Unmut über den Programmbeirat und insbesondere über die öffentliche Verbreitung seiner Kritik groß. Das ist kein Wunder, scheint die kritisierte Berichterstattung doch nicht die Folge journalistischer Schlamperei oder eigenmächtiger Manipulationen der Redakteure zu sein, sondern einer internen Anweisung von oben. Diese lautet, in der Berichterstattung „die westlichen Positionen zu verteidigen“ – offensichtlich auch dann, wenn es eindeutig zulasten der Wahrheit geht. J.H.

(siehe Seiten 5 und 8)


Frankreich in Terrorangst
»Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen« allerdings wenig überzeugend

Frankreich befindet sich im Alarmzustand. Seit das Land als einziger europäischer Verbündeter die USA bei ihren Luftschlägen gegen die Terrororganisation IS unterstützt, ist es in das Visier der Islamisten geraten. So hat der IS dazu aufgerufen, vor allem die „bösen und dreckigen Franzosen“ zu töten. Sorge bereitet der Regierung nicht nur diese Todesdrohung, sondern auch, dass aus Frankreich mehr Kämpfer für den IS als aus jedem anderen Land kommen. Premierminister Manuel Valls warnte vor Angst und Panik. Frankreich werde „vor dem Terror nicht zurückweichen“ und die Sicherheitsmaßnahmen „erheblich verschärfen“.

In der Praxis scheinen die verschärften Sicherheitsmaßnahmen indes nicht viel zu bewirken. Drei als hoch gefährlich eingestufte Dschihadisten konnten ungehindert nach Frankreich einreisen, weil die Polizei sie auf dem falschen Flughafen erwartete. Die drei waren am Dienstag vergangener Woche bei ihrer Rückreise aus Syrien in der Türkei verhaftet und nach Paris ausgewiesen worden. Der türkische Pilot weigerte sich jedoch, die drei Islamisten zu befördern, so dass sie in die nächste Maschine nach Frankreich gesteckt wurden. Deren Ziel allerdings war Marseille, wohingegen das Spezialeinsatzkommando der Polizei vergeblich in Paris-Orly wartete. Unterdessen konnten die drei gefährlichen Terroristen in Marseille ungehindert nach Frankreich einreisen und sich anschließend frei bewegen, obwohl sie auf der Fahndungsliste standen.

Als sich die Gesuchten auf Anraten ihres Rechtsanwalts der Gendarmerie stellen wollten, öffnete allerdings niemand. Die Polizeistation war geschlossen, die Beamten hatten bereits Feierabend gemacht. Erst später kam eine Streife vorbei, welche die drei verhaftete. J.H.


Jan Heitmann:
Ab nach Afrika!

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyens Aufruf an die Bundeswehr, sich für einen Einsatz nach Afrika zu melden, ist auf überwältigende Resonanz gestoßen. So hat sie innerhalb von nur 48 Stunden 2000 Freiwillige zusammenbekommen. Dass die Bundes- wehr aber auch in der Lage ist, diese und das erforderliche Material nach Afrika zu befördern, darf bezweifelt werden. Es gelingt ihr ja nicht einmal, sieben Fallschirmjäger in den Irak zu schaffen, wo diese kurdische Kämpfer an den von ihr mit reichlich Verspätung gelieferten Waffen ausbilden sollen. Tagelang saßen die Soldaten nach einer Zwischenlandung in Sofia fest, weil keine flugfähige Maschine aufzutreiben war. Es stellt sich die Frage, ob von der Leyen überhaupt weiß, wovon sie spricht, wenn sie andauernd von deutscher Verantwortung spricht und der Welt Unterstützungszusagen macht.

Dabei sollte die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt eigentlich wissen: Die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist in manchen Bereichen nicht mehr gegeben. Das betrifft vor allem das fliegende Gerät. Mehr als die Bundeswehr derzeit leistet geht mit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln nicht. Wer immer mehr verspricht und immer mehr von der Truppe fordert, ohne ihnen gleichzeitig mehr zu geben, macht sich deshalb lächerlich.

Um sich ein eigenes Bild von der Einsatzrealität unter den Bedingungen kreativer Mangelverwaltung zu machen, sollte die Ärztin von der Leyen sich einer Pflicht eines jeden militärischen Vorgesetzten, erinnern, die „Führen durch Vorbild“ lautet. Also: Melden Sie sich freiwillig. Und ab nach Afrika, Frau Doktor.


S. 2 Aktuell

Bisher nur ein laues Lüftchen
Offshore-Windparks bereiten viele Probleme, doch Werften, Zulieferer und Tourismus profitieren

Der glatte Siegeszug einer neuen Technologie sieht anders aus. Die Windparks in der Nordsee haben mit Startschwierigkeiten unterschiedlichster Art zu kämpfen.

Zuerst machten Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg es schwierig, Anschlusskabel von den Rotoren auf Hoher See zum Land zu verlegen, weil Munition von den Alliierten einfach ins Meer gekippt worden war und die Reste erst beseitigt werden mussten. So waren vor der Errichtung des ersten kommerziellen Windparks „Riffgat“ vor der Nordseeinsel Borkum beispielsweise 2,7 Tonnen Munition zu heben, bevor überhaupt mit den Unterwasserarbeiten begonnen werden konnte (siehe PAZ 34/2013). Dann wieder reagierten Betreiber und auch der Kapitalmarkt verunsichert wegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen um die Vergütung für die Offshore-Windenergie. Danach gab es Probleme mit den Konverterstationen, die den gewonnenen Wechselstrom in Gleichstrom umwandeln, um ihn verlustärmer über die vielen Kilometer zum Land zu leiten. Sie vertragen die windbedingten Spannungsschwankungen nicht. Ingenieure zeigen sich ratlos, denn das Problem trat erst auf, als alle 80 Windräder eines Parks zusammengeschaltet wurden. Zuvor hatten sie einwandfrei funktioniert.

Für die aufgetretenen technischen Probleme weiß auch Hans-Günter Eckel, Professor für Leistungselektronik an der Universität Rostock, noch keine einfache Lösung: „Wir brauchen Geduld, um es zu ergründen. Es gibt nicht eine einzige Ursache, sondern es handelt sich um eine vollständig neue und komplexe Technik. Es wurden viele Anlagen gleichzeitig gebaut, bevor die erste in Betrieb gegangen ist und die Erfahrungen daraus ausgewertet wurden.“ Die Suche geht also weiter.

Die Unsicherheit dämpft die Entscheidungen potenzieller Investoren. Laut Finanzexperten ist zwar genügend Kapital auf dem Markt vorhanden, die Zahl der Kreditgeber sei im Offshore-Bereich grundsätzlich gestiegen, und bei Anlegern wie Pensionskassen und Versicherungen hätten sich große Beträge angesammelt, die investiert werden müssten. Angesichts des allgemein niedrigen Zinsniveaus sollten also Offshore-Investitionen für solche Anleger attraktiv sein. Aber wegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen bleiben diese noch skeptisch. Denn lange Zeit war nicht klar, wie die Vergütungen aus der Off-shore-Windindustrie geregelt sein werden. Erst nachdem die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz am 1. August in Kraft getreten ist, steht fest, dass sich die Branche auf geringe Kürzungen bei der Vergütung einstellen muss. Windparkbetreiber, die während der ersten acht Jahre von einer erhöhten Anfangsvergütung von 19,4 Cent pro Kilowattstunde profitierten, sind erleichtert über eine Verlängerung dieses Satzes bis 2019. Für Anlagen, die nach dem 1. Januar 2018 in Betrieb gehen, soll eine jährliche Absenkung um durchschnittlich 0,5 Cent pro Kilowattstunde erfolgen. Nun muss sich zeigen, wie Investoren darauf reagieren.

Positive Auswirkungen hat der Ausbau der Windenergie auf die Werftindustrie. Die Unternehmen an der Küste haben Aufträge für den Bau von Fundamenten für Windturbinen, Umspannwerken für Landanschlüsse, Wohnplattformen für Wartungsteams und Versorgungsfahrzeuge erhalten.

Wellen und Salzwasser belasten die Anlagen auf hoher See deutlich stärker als Windturbinen an Land. Sie müssen deshalb intensiver gewartet werden. Dafür sind routinemäßig ein bis zwei Tage im Jahr geplant, wenn alles glatt läuft. Es können aber auch vier bis fünf Tage werden. Unvorhergesehene Ereignisse wie starke Stürme mit hohem Seegang können weitere Wartungsarbeiten erforderlich machen. Bei 80 Windrädern in einem Windpark wie „Meerwind Süd Ost“ nahe Helgoland müssen also täglich Schiffe mit Service-Personal zu den Windparks auf See aufbrechen und nach beendeter Arbeit am Abend wieder zurückkehren. An manchen Tagen allerdings laufen sie gar nicht erst aus. Denn bereits ab eineinhalb Metern Wellenhöhe darf aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu den Plattformen übergesetzt werden.

An der Betriebsbasis auf Helgoland werden diese Fahrzeuge von der Kaikante aus mit Werkzeug und Ersatzteilen beladen und betankt. Die Arbeitsplätze sind auf Jahre hinaus sicher. Die Betriebsdauer eines Offshore-Windparks liegt bei rund 20 Jahren. Helgolands Bürgermeister Jörg Singer streicht die Vorteile der Roten Insel gern heraus: „Von hier aus kann man schnell auf Schäden oder Probleme reagieren.“ Zu diesem Zweck hat das Unternehmen RWE Innogy eine Service- und Betriebsstation auf Helgoland gebaut. Sie umfasst ein rund 3000 Quadratmeter großes Areal im Südhafen mit einem zweigeschossigen Gebäude, in dem Lagerhalle, Büros und Werkstatt untergebracht sind. Dort arbeiten mehr als 50 Mitarbeiter.

Wenn die Technik so neuartig ist und mit Anlaufschwierigkeiten kämpft, dann stellt sich die Frage, wie die Natur auf diese Eingriffe reagiert. Das untersucht derzeit das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel (FTZ Büsum) unter der Leitung von Professor Stefan Garthe. Die Biologen markieren Seevögel, beispielsweise Basstölpel und Kurzschnabelgänse, um herauszufinden, wie sie den Eingriff der Technik in die Natur verkraften. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass Vogelschwärme bei ihrem Zug den Windparks ausweichen. Doch damit ist die Welt noch nicht in Ordnung. Denn bei dem weiteren Weg verbrauchen sie mehr Energie als notwendig und verlieren an Kondition. Die Folge sind erhöhte Sterblichkeit und geringere Bruterfolge.

Der Windpark „Meerwind Süd Ost“, 23 Kilometer nördlich von Helgoland, ist zwar bei klarer Sicht vom Oberland der Nordseeinsel tagsüber und besonders nachts wegen der Warnlichter gut zu erkennen. Die Touristen aber, die wegen der klaren Nordseeluft kommen, fühlen sich von der Technik mitten in der Natur nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil, viele von ihnen sind fasziniert. Dem Informationsbedürfnis soll ein Öffentlichkeitszentrum mit der Bezeichnung „Faszination Offshore“ Rechnung tragen. Die Reederei FRS Helgoline, mit deren Katamaran „Halunder Jet“ man von Hamburg und Cuxhaven aus auf die Insel gelangt, bietet zweimal im Monat Fahrten weiter bis zum Windpark an. Da stehen Touristen dicht gedrängt an Deck, um zu beobachten, wie Windpark-Tender Techniker für Installations- und Wartungsarbeiten auf die Turbinentürme bringen. Während der Touristen-Fahrt sind Mitarbeiter des Unternehmens Wind MW an Bord, um in einem Vortrag die Technik zu erläutern. Sie erzählen, dass die Nabe jeder Windturbine in 89 Metern Höhe angebracht ist und mit dem Windrad 149 Meter Höhe erreicht, dass allein die Leitungen zur Verkabelung des Windparks 107 Kilometer lang sind, 85200 Tonnen Stahl verbaut wurden und dass 288 Megawatt Strom erzeugt werden sollen, womit bis zu 360000 Haushalte versorgt werden können und bis zu einer Million Tonnen CO2 pro Jahr im Vergleich zu Kohlekraftwerken eingespart werden können.

Auch die Helgoländer Gastronomie hat sich auf das Thema eingestellt. Die im Unterland gelegene „Sansibar“ hat ihren Namen erweitert: „Sansibar Offshore Corner“ steht nun an der Tür. Die Betreiber können sicher sein, dass die Gäste Englisch verstehen. Viele Arbeiter, die dort ein Feierabend-Bier trinken, kommen aus Dänemark und Schottland.

Eigel Wiese


Notfalls auch gegen Brüssel
Sonderwirtschaftszonen in Schlesien und Pommern ziehen Investoren an

Dem Fiat-Konzern im oberschlesischen Tichau ist vor wenigen Monaten ein großer Coup gelungen, der selbst unter Kennern der Feinheiten im Rahmen des polnischen Wirtschaftsförderungssystems Verwunderung hervorruft. Es gelang ihm, sein gesamtes, 225 Hektar großes dortiges Werksgelände komplett zu einem Teil der Sonderwirtschaftszone Kattowitz erklären zu lassen und damit eine einmalige Chance zu bekommen, diese Ausweisung zur Verrechnung von Investitionskosten mit eigentlich anfallenden Steuerzahlungen zu nutzen. Aber der Konzern profitiert auch von anderen Vorrechten und Direktförderungen.

Die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen nach EU-Richtlinien ist grundsätzlich dafür bestimmt, Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen zu schaffen. Das Werk in Tichau jedoch bestand schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs zu Zeiten des staatlichen Autokonzerns FSM. Bis 1992 war es dessen Teilbetrieb, und in diesem wurde in Lizenz der Fiat-Kleinwagen 126p hergestellt. Danach wurde es unter der Bezeichnung „Fiat Auto Poland“ Teil des Turiner Fiat-Konzerns, der sich heute Fiat-Chrysler-Automobiles nennt.

Nachdem die Italiener 2012 infolge der Aussicht auf Starthilfen die Produktion des Kleinwagens Panda zurück nach Italien verlagert hatten und 1500 Arbeiter in Tichau entlassen wurden, blieb nur noch die Produktion der Modellreihen des Fiat 500, des Lancia Ypsilon und des Ford Ka in Schlesien. Es scheint also, als sollte eher ein weiterer Kapazitätsabbau verhindert werden, zumal die Konzernleitung in Richtung des wachsenden Marktes nach Asien blickt. Allerdings scheint die Regierung in Warschau dabei auch Vorkehrungen getroffen zu haben, um Einsprüche der EU-Kommission oder Klagen der Konkurrenten möglichst schon im Vorfeld unterbinden zu können. Sonderwirtschaftszonen zur Gewährung von Steuervorteilen gelten nämlich als nicht mit EU-Recht vereinbar, weshalb Warschau die dort gewährten Steuervorteile Ende 2011 offiziell abgeschafft hat.

Investoren in den polnischen Sonderwirtschaftszonen können mit erheblichen Steuernachlässen rechnen. Je nach Größe des Unternehmens, Höhe der investierten Mittel und Standort können, so die deutsche Außenwirtschaftseinrichtung German Trade Invest, zwischen 30 und 70 Prozent der Kosten verrechnet werden. Hierzu können sowohl neue Investitionen als auch Kosten für neueingestellte Mitarbeiter zählen. Die größten Nachlässe sind dabei in den schwächeren Regionen möglich. Mehrere dieser Sonderwirtschaftsregionen liegen in Schlesien und Pommern – nämlich in Liegnitz, Dammvorstadt von Frankfurt an der Oder, Landshut, Waldenburg, Kattowitz, Stolp und in der „Wirtschaftszone Pommern“ rund um Danzig.

Um die steuerlichen Begünstigungen nutzen zu können, müssen einige Bedingungen erfüllt werden. Mit der jeweiligen Sonderwirtschaftszone wird ein Investitionsabkommen abgeschlossen, das festgelegte Investitionen in Höhe von mindestens 100000 Euro enthält, die vollständig getätigt werden müssen. Daneben muss eine im Vorlauf vereinbarte Anzahl an Arbeitsplätzen geschaffen werden. Es dürfen darüber hinaus keine direkt mit der Investition verbundenen Vermögenswerte an Dritte übertragen werden und die wirtschaftliche Tätigkeit muss mindestens fünf Jahre lang aufrechterhalten werden, wobei sich die Mitarbeiterzahl im gleichen Zeitraum nicht verringern darf.

Um die Vorteile der Sonderwirtschaftszone noch in vollen Zügen ausnutzen zu können, sollten Unternehmen nicht zu lange zögern. Es ist nämlich denkbar, dass nach 2026 diese Förderoptionen auslaufen. Denn noch werden die polnischen Sonderwirtschaftszonen im internationalen Vergleich zu den besten der Welt gezählt.

Ali Özkök


MELDUNGEN

Ethikrat gegen Strafe für Inzest

Berlin – Der Deutsche Ethikrat plädiert mehrheitlich für eine Revision des Inzest-Paragrafen im Strafgesetzbuch. So soll der „einvernehmliche Beischlaf unter erwachsenen Geschwistern“ nicht mehr bestraft werden. Straflos sollen auch Geschwister bleiben, die eine sexuelle Beziehung unterhalten, wenn einer der beiden minderjährig, aber mindestens 14 Jahre alt ist und beide seit Längerem nicht in einer gemeinsamen Familie leben. Bei Geschwistern, die unter einem Dach aufwachsen, gebe es eine „biologische Inzesthemmung“. Fälle, die sich innerhalb einer familiären Lebensgemeinschaft abspielen und in denen ein Partner noch nicht volljährig ist, sollen weiter bestraft werden. Zum Inzest zwischen Eltern und erwachsenen Kindern äußerte sich der Ethikrat nicht. J.H.

 

Schweizer gegen gläsernen Bürger

Bern – Die Initiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre“ hat über 117000 Unterschriften eingereicht, um einen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen in der Schweiz zu verhindern. Der Initiative gehören Vertreter mehrerer Parteien, des Schweizerischen Gewebeverbandes und des Hauseigen-tümerverbandes an. Sie wollen den Schutz der finanziellen Privatsphäre in der Verfassung verankern und so verhindern, dass der gläserne Bürger in der Schweiz zur Realität wird. Aus ihrer Sicht genügt der in der Verfassung bereits verankerte Schutz der Privatsphäre nicht. Deshalb wollen sie die Verfassung um den Satz „jede Person hat Anspruch … auf Schutz ihrer finanziellen Privatsphäre“ ergänzen. Zudem solle eindeutig festgelegt werden, in welchem Fall Dritte in Steuersachen zur Auskunft gegenüber den Behörden über eine Person berechtigt sind. Die Initiatoren betonen, dass es ihnen ausschließlich um die Freiheitsrechte der Schweizer gehe und sie sicher seien, „mit dieser Regelung keine schweren Steuerdelikte zu schützen“. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Grüner Offenbarungseid
Friedrichshain-Kreuzberg: Ausgaben für »Flüchtlinge« gefährden soziale Einrichtungen

Bis zu zwei Millionen Euro kosten die „Flüchtlinge“, die eine Kreuzberger Schule besetzt halten. Das Geld kann nur mittels einer strikten Haushaltssperre zusammengekratzt werden.

Erstaunlich schnell bekommt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Konsequenzen seiner „Flüchtlingspolitik“ zu spüren. Weil die geduldete Besetzung der Gerhart-Hauptmann-Schule Millionenkosten verursacht, musste der Bezirk Anfang September eine Haushaltsperre verhängen: Sämtliche Maßnahmen, die Kosten verursachen, müssen seitdem überprüft und einzeln genehmigt werden.

Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner macht klar, was die verhängte Haushaltsperre konkret bedeutet. „Es gibt kein Klopapier mehr für Behörden, kein Bastelmaterial mehr in der Kita, keine Grünanlagenpflege und eine eingeschränkte Schulreinigung.“ Wansner fordert inzwischen, die Haushaltssperre in mehreren Gremien prüfen zu lassen.

In einer Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung und im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses müsse gefragt werden, „wo das Geld geblieben ist“. Klar ist zumindest so viel, dass der Umgang des Bezirksamts mit den Asylbewerbern einen entscheidenden Anteil an der eingetretenen Situation hat. An Kosten für die von zumeist afrikanischen Asylbewerbern besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule hatte der Bezirk ursprünglich 56000 Euro eingeplant. Tatsächlich anfallen werden bis zum Jahresende nun wohl geschätzte Zusatzkosten zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro. Ein Großteil davon entfällt auf einen Wachschutz, der verhindern soll, dass die Zahl der Besetzer auf dem Gelände der ehemaligen Schule weiter steigt.

Wie der Sprecher des Bezirksamts, Sascha Langenbach, bestätigt, wird die Haushaltssperre angesichts der hohen Kosten für die Hauptmann-Schule „besonders strikt“ gehandhabt. Bis Ende des Jahres müssen vom Papier bis zum Kuli alle Anschaffungen genehmigt werden. An Neueinstellungen, Bauprojekten und Schönheitsreparaturen ist überhaupt nicht zu denken.

Für das links-alternative Selbstverständnis besonders brisant: Der Bezirk muss sogar Jugendzentren den Geldhahn abdrehen. Vom Rotstift betroffen ist zum Beispiel das Jugendzentrum „Wasserturm Kreuzberg“. Im Jahr 1984 gegründet, ist der „Wasserturm“ im Kiez rund um die Bergmannstraße mittlerweile eine feste Institution.

Weil der Bezirk fest eingeplante Ausgaben plötzlich nicht mehr bewilligt, sieht der Leiter des Zentrums, Jochem Griese, die Einrichtung sogar in ihrer Existenz bedroht. „Wenn das länger so bleibt, werden viele Jugendliche gar nicht mehr kommen.“ Eine der konkreten Folgen der Haushaltssperre ist, dass vier Mitarbeiter, die bisher mit befristeten Verträgen auf Honorarbasis im „Wasserturm“ gearbeitet haben, gekündigt werden.

Eine der betroffenen Honorarkräfte ist Caglar Budakli. Vor Jahren noch als Gewalttäter einschlägig bei der Polizei bekannt, hat Budakli durch die Arbeit im Musikstudio des „Wasserturms“ neuen Halt gefunden. „Wenn die Jugendlichen erfahren, dass das Studio dicht ist, weil der Staat das Geld für die Besetzung der Schule ausgegeben hat, fühlen sie sich in ihren Vorurteilen, dass sich niemand für sie interessiert, doch erst recht bestätigt“, so Budaklis Einschätzung zur Rotstift-Politik von Kreuzbergs Grünen. Auch von Jugendarbeitern ist inzwischen ungewöhnlich deutliche Kritik am Umgang mit den Asylbewerberprotesten zu hören. Befürchtet wird, dass der an den Tag gelegte Langmut gegenüber den rund 40 Besetzern der Schule den gesamten Bezirk „gegen die Wand fahren lässt“.

Erste Anzeichen sprechen dafür, dass man selbst im Bezirksamt inzwischen begreift, in welche Sackgasse man sich manövriert hat. Man habe den Flüchtlingen indirekt zu verstehen gegeben, dass sie die Schule verlassen sollen, so Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach. Der erstaunlichen Kehrtwende ist eine weitere Eskalation auf dem Schulgelände vorrausgegangen. So hat eine Gruppe von 30 Besetzern versucht, sich gewaltsam Zutritt zu Kellerräumen zu verschaffen und auch Stahltüren zu einem gesperrten Gebäudeteil aufgebrochen. Wie vom Bezirksamt mitgeteilt wurde, ist außerdem Sicherheitspersonal nicht nur verbal attackiert und bedroht worden, sondern es hat auch einen gefährlichen Angriff gegeben. Wie durch Medienberichte bekannt wurde, hat anscheinend einer der Schulbesetzer kochendes Wasser aus dem Fenster geschüttet, als gerade zwei Wachschützer am Gebäude entlanggingen. Die beiden konnten sich nur durch einen Sprung zur Seite vor Verbrühungen retten. Während der Wachschutz Anzeige erstattet hat, verzichtete der Bezirk bislang darauf.

Abgerundet wird alles von Meldungen, die Asylbewerber würden auf dem Schulgelände Stichwaffen und Benzinkanister horten. Auch wenn nun selbst die Geduld des Bezirksamts erschöpft zu sein scheint – der letzte Wille, die Zustände aktiv zu beenden, fehlt noch immer. Für den Auszug sei keine Frist gesetzt worden, so Langenbach. Momentan noch undenkbar ist, dass der Bezirk die Polizei zur Räumung anfordert. Unverdrossen scheint man zu hoffen, dass sanfter Druck ausreicht, damit die Besetzer abziehen. So werden als Folge der eingetretenen Haushaltssperre ab Oktober keine freiwilligen Leistungen analog zum Asylbewerberleistungsgesetz mehr gezahlt. Außerdem soll die bislang regelmäßig von den Bewohnern zerstörte Einrichtung im Gebäude nicht mehr ersetzt werden. Norman Hanert


Lernstunde für die CDU
von Klaus Gröbig

Die CDU hat bei der Brandenburg-Wahl zwar aufgeholt. Der Anstieg von 19,8 auf 23 Prozent lässt die Christdemokraten aber weit davon entfernt sein, im Land die Führung zu übernehmen. Immerhin konnte die CDU die Linkspartei überholen. Das war 2009 noch ganz anders. Vergleiche hinken zuweilen, aber ein bisschen ähnelt die Situation in Brandenburg jener in Hamburg zwischen 1997 und 2001. Auch dort war die CDU chancenlos gegen eine überstarke SPD, bis der machthungrige CDU-Chef Ole von Beust Vabanque spielte. Zusammen mit einer neuen bürgerlichen Partei – der „Schill-Partei“ – bildete er einen Bürgerblock (einschließlich der FDP) gegen den Linksblock aus Rot-Grün. Die Aussicht auf einen grundsätzlichen Politikwechsel mobilisierte in erheblichem Maße enttäusche Wähler.

Die strategische Ausgangslage in Brandenburg ist eine andere – aber vergleichbar. Die Alternative für Deutschland hat hier erstmalig bewiesen, dass es möglich ist, das Wählerpotenzial der Linkspartei zu spalten. Die Wählerschaft der SED-Nachfolgepartei ist nicht homogen. Auf der einen Seite stehen Linksradikale, Hausbesetzer und Befürworter unkontrollierter Einwanderung, auf der anderen ehemalige Armee- und Volkspolizei-Angehörige und deren Umfeld. Letztere haben mit dem zuerst beschriebenen Personenkreis nichts gemein.

AfD-Landeschef Alexander Gauland ist der erste, der begriffen hat, dass diese Menschen eine neue politische Heimat suchen. Damit sind andere Mehrheiten auch in Brandenburg denkbar. Gauland kann der SPD dankbar sein, dass sie erneut mit der Linken koaliert. Damit wird der CDU klar vor Augen geführt, dass sie sich für die Zukunft nach Partnern rechts der Mitte umsehen muss, will sie in der Mark regieren.

Überall in der Republik sind „nichtlinke“ Mehrheiten erreichbar. Es liegt an der CDU, sie zu nutzen. Je häufiger sie in der Oppositionsrolle oder in „großen“ Koalitionen politisch nicht im Sinne ihrer Wähler agieren kann, desto größer wird der Druck. Unter diesem Gesichtspunkt wäre eine „Volksfrontregierung“ aus Linken, SPD und Grünen in Thüringen eine weitere Lehrstunde für die Christdemokraten. Nebenbei läge in einem Bürgerblock auch die einzige politische Chance für die von sinnvollen Inhalten weitgehend entleerte FDP. Ihre zwei Prozent Eigenleistung könnten bei ausreichend zusätzlichen „Leihstimmen“ einem Bürgerblock die Mehrheit sichern. Das war auch 2001 in Hamburg so.

Klaus Gröbig war bis 2000 Vorsitzender des damals mitgliederstärksten Kreisverbandes der Berliner FDP in Tempelhof


Bürgern eine Falle gestellt
Lawitz an der Oder: Boulevardblatt denunziert Bewohner

Die Landtagswahl in Brandenburg hat über den Einzug der AfD die politische Landschaft verändert. In den Grenzregionen im Osten der Mark holte die Partei teils deutlich mehr Stimmen als im Landesdurchschnitt – Grund für manche Medien, auf Spurensuche zu gehen.

Dass dabei mitunter Abneigung gegen die Bewohner und ihre Wahlentscheidung die Berichterstattung trübt, bewiesen Journalisten einer großen Berliner Boulevardzeitung. In Lawitz, einer Wählerhochburg der AfD, stellten sie ein falsches, offiziell wirkendes Bauschild für einen „Grenzzaun“ auf und „befragten“ dann Bürger vor Ort dazu.

„In Lawitz an der Oder erreichte die AfD mit Sicherheitsforderungen 28,1 Prozent bei der Landtagswahl. Wie groß ist das Bedürfnis nach einer neuen Mauer?“, fragte die Zeitung „B.Z.“ am 21. September in ihrer Internetausgabe. Seit rund sechs Wochen patrouilliert im kleinen Ort Lawitz eine von Bürgern selbst organisierte Streife gegen Einbrüche und Raub. Der Zusammenhang „neue Mauer“ und Wahlergebnis beziehungsweise Bürgerstreife bleibt trotzdem weit hergeholt, also halfen die Journalisten etwas nach: Sie setzen ein Schild. „Hier entsteht im Auftrag des Landes Brandenburg: Grenzzaun Oder-Spree“. Es trägt das offizielle Landeswappen, und so fand sich mindestens ein Rentner (76), der sich vor dem Schild ablichten ließ.

Inzwischen fühlen sich die Lawitzer von der Aktion betrogen, auch die Bürgermeisterin Gudrun Schmädicke. Die anderen Journalisten vom „Tagesspiegel“, dem Sender RBB und vom ZDF-„Länderspiegel“ habe sie gewähren lassen, „die kennt man als seriöse Medien, und in all ihren Beiträgen wurde klar formuliert, dass wir weder gegen Ausländer sind noch dass wir die Mauer zurück­wollen“, gibt die „Märkische Oderzeitung“ die Bürgermeisterin wieder. Die Journalisten des ZDF-„Länderspiegel“ hatten die Boulevard-Journalisten bei ihrer Inszenierung ertappt, stellten sie sogar zur Rede.

Viele der rund 630 Lawitzer sind empört. Von „Verscheißerung“ und „Frechheit“ ist die Rede. Eine Handhabe gegen die inszenierte Falschberichterstattung sehen Rechtsexperten nicht. Die Sprecherin des Deutschen Presserats, Edda Eick, rügte die Inszenierung scharf. Dass eine Zeitung Bürgern mit falschen Tatsachen eine Falle stellt, ist demnach im deutschen Journalismus absolut unüblich. SV


Bilderstürmer
Schon wieder Namensstreit provoziert

In Berlin-Charlottenburg fordern Piraten und Linke, das Viertel am Lietzensee umzuwidmen. Der Witzlebenplatz und die Witzlebenstraße, benannt nach einem preußischen General, sollen ihre Namen zwar behalten – allerdings soll mit Zusatztafeln künftig eine neue Namensgeberin zugeordnet werden. Das Gedenken an einen „Militaristen des 19. Jahrhunderts“ sei „nicht mehr zeitgemäß“, so die Begründung des Piratenpolitikers Siegfried Schlosser für den Antrag an die Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Straße und Platz am Charlottenburger Lietzensee erinnern bereits seit 1905 an Generalleutnant, Kriegs- und Staatsminister Karl Ernst Job Wilhelm von Witzleben (1783–1837), der den See samt Umgebung gekauft und zum Sommersitz mit öffentlichem Park gemacht hatte. Nach Vorstellung von Piraten und Linkspartei soll als neue Namensgeberin Margarethe von Witzleben (1853–1917) dienen, die als Gründerin einer Selbsthilfebewegung für Schwerhörige bekannt wurde und aus dem selben Geschlecht wie der bisherige Namensgeber stammt.

Ins Rollen gekommen war das Vorhaben durch die Initiative eines Bürgers, der anlässlich des 70. Jahrestags des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 eigentlich eine Ehrung des Widerstandskämpfers Erwin von Witzleben im Sinn hatte. Da die BVV bereits 2005 den Beschluss gefasst hat, Straßen in der Regel nur noch nach Frauen zu benennen, präsentierten „Piraten“ und Linke den neuen Vorschlag. Nachdem sich Fraktionsvertreter von CDU, SPD und Grüne inzwischen skeptisch geäußert haben, werden dem Antrag kaum Chancen bescheinigt. N.H.


Berliner Justizposse

Nach Informationen des „Spiegel“ hat es eine Berliner Staatsanwaltschaft mit dem Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität abgelehnt, Ermittlungen einzuleiten, wenn sich mögliche Verdachtsmomente aus Dokumenten in der Wirtschaftssprache Englisch ergeben. Im konkreten Fall war per Strafanzeige der Verdacht geäußert worden, dass ein Manager der Berliner Bundesdruckerei bei Geschäften in Venezuela in ein Geflecht von Scheinverträgen und Briefkastenfirmen verwickelt ist. Dem Bericht zufolge waren bei der Anzeige Dokumente in englischer und spanischer Sprache vorgelegt worden, die von der Staatsanwaltschaft unter Hinweis darauf, dass „die Gerichtssprache die deutsche Schriftsprache ist“, nicht berücksichtigt worden. Die „Einschaltung von Dolmetschern“ wird abgelehnt, wie aus dem Schreiben des Berliner Oberstaatsanwalts hervorgeht. Er ist als Leiter einer Abteilung unter anderem mit der Bekämpfung von Geldwäsche befasst. N.H.


S. 4 Hintergrund

Männer ohne Lobby
Wer sich als »Maskulist« offenbart, wird bestenfalls ignoriert

Die verschiedenen Strömungen der Männerbewegung haben es in der Öffentlichkeit schwer. Entweder hat sie keine Presse. Oder sie hat schlechte Presse.

Die realen Probleme der Männer interessieren kaum. Laut dem Statistischen Bundesamtes liegen sie vorne bei der Zahl der Opfer von Gewaltverbrechen, Selbstmörder sowie der Insassen von Strafanstalten und Nervenkliniken. Männer werden häufiger Opfer von Berufsunfällen. Und sie sterben im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen.

Die Fakten sind bekannt, geändert hat sich wenig. Aber Männer aller Couleur kämpfen für eine Gesellschaft, die ihren Problemen genauso viel Mitgefühl, Aufmerksamkeit und Ressourcen widmet wie den Problemen von Frauen.

Einer der bekanntesten Wortführer der feminismuskritschen Männerbewegung ist der Autor und Blogger Arne Hoffmann. Hoffmann bezeichnet sich als „linken Maskulinisten“. Er ist gegen das Beharren der Konservativen auf überkommener Männlichkeit und wirft Feministinnen ihre weit verbreitete Gleichsetzung von Männlichkeit mit Gewalt, Aggression oder sogar Rechtsradikalismus vor. Gleichzeitig dominierten feministische Stimmen das Gespräch über Weiblichkeit und Männlichkeit. Hoffmann will eine selbstbestimmte, zeitgemäße Männlichkeit: „Männer wollen sich schon ihre eigenen Konzepte machen.“

Ähnliche Positionen vertreten auch Vereine wie „Agens“ und „MANNdat“. Seit rund zehn Jahren ist „MANNdat“ aktiv. Der Verein gründete sich „aus der Wahrnehmung heraus, dass es keine Beteiligung von Männern am Geschlechterdiskurs gibt“, so Vereinsvorsitzender Andreas Krausser. Der Verein bezieht Stellung zu aktuellen Fragen und stellt die gängigen amtlichen Gleichstellungsberichte auf den Prüfstand. Mit einem eigenen Jungen- und Männer-Index dokumentiert der Verein die Situation von Jungen und Männern. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind männerdominiert. Frauenspezifische Krankheiten werden gut erforscht, Männerleiden wie Prostatakrebs dagegen mit wesentlich weniger Aufwand.

Eher aus der feministisch inspirierten Tradition kommt das 2010 gegründete Bundesforum Männer. In ihm haben sich 34 Organisationen mit längerer Vorgeschichte in der Männerarbeit zusammengeschlossen, so die katholische und evangelische Männerarbeit, der DGB sowie das Väternetzwerk. „Wir wollen in Berlin Lobbyarbeit für Männer machen“, sagt Vorstandsmitglied Hans Georg Nelles. Das Forum hält Kontakte in die Politik und zu staatlichen Institutionen. „Wir werden zu wichtigen Fragen auch gehört“, so Nelles. Allerdings läuft das Forum genauso gegen die Wand wie die viel geschmähten Männerrechtler. Als es um die Novellierung des Sorgerechts nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ging, setzte sich das Bundesforum dafür ein, dass unverheiratete Väter auf Antrag das Sorgerecht bekommen. Aber der Gesetzgeber entschied, dass die Frau das ablehnen kann.

Das Bundesforum setzt sich für den Dialog ein und bekennt sich zur Geschlechtergerechtigkeit. Männer und Jungen sollen besser gefördert und unterstützt werden. Allerdings müssen Männer ihre Rechte auch stärker wahrnehmen als in der Vergangenheit. „Wir als Männer haben das lange nicht gefordert“, so Nelles. Das gilt etwa auch für die Elternzeit, die Männer nur zögerlich nehmen.

Männer haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr wohl verändert. So stieg bis zum Aussetzen der Wehrpflicht die Zahl der Zivildienstleistenden, die ihr Mann-Sein eben nicht traditionell sahen. Auch wächst trotz beharrlichen Ignorierens durch Politik, Traditionalismus und Feminismus gleichermaßen die Zahl der Männer, die sich engagiert in die Erziehung ihrer Kinder einbringen. Politikern und Arbeitgebern, auch vielen Frauen, will nicht in den Kopf, warum Männer ihr Vater-Sein aktiv ausüben wollen. Nicht nur das wird sich ändern müssen. Friedrich List


Männermacht nur Mythos?
Bereits im 19. Jahrhundert Rolle des starken Geschlechts hinterfragt

Der Beginn der verschiedenen Männerbewegungen wird üblicherweise in den frühen 70er Jahren verortet. Damals artikulierten in vielen westlichen Ländern, angeregt durch die verschiedenen feministischen Strömungen, Männergruppen und Publizisten ihre Kritik an einem männlichen Rollenbild.

Tatsächlich reichen die Anfänge wesentlich weiter zurück. Einer der ersten Männerrechtler war der britische Sozialist und Journalist Ernest Belfort Bax, der in seinen Aufsätzen und Büchern erstmals um 1886 die Privilegierung von Frauen aus der oberen Mittelschicht und der Oberschicht kritisierte. Bax argumentierte gegen die unter dem Mantel der traditionellen Ritterlichkeit daherkommende Besserstellung von Frauen, gegen Richter, die Männer für dasselbe Verbrechen härter bestraften als Frauen, und die einseitige Festlegung des Mannes auf die Rolle als Versorger.

Nach dem Ersten Weltkrieg traten Junggesellenvereine auf den Plan, die sich gegen die höhere Besteuerung von alleinstehenden Männern wandten. Andere Gruppen, oft von Männern und Frauen gemeinsam getragen, richteten sich gegen Unterhaltsbetrug und die Erschleichung des sogenannten Kranzgeldes. Dabei strebten junge Frauen eine Verlobung an, brachten dann den Verlobten dazu, die Verlobung zu lösen, und verklagten ihn schließlich auf Erstattung des Kranzgeldes. Diese Vereine gab es in den USA und Großbritannien, aber auch etwa im Deutschen Reich und Österreich.

Erst im Zuge der Frauenbewegung formierten sich auch wieder Männergruppen. In Deutschland traten Autoren wie Volker Elis Pilgrim auf den Plan, die den Abschied von alten Rollenmustern forderten. Wie in den USA und anderswo entstand hier eine profeministische Männerbewegung. Sie verlor jedoch in den folgenden Jahrzehnten an Schwung; gleichzeitig entstand, angeregt durch den Autoren Robert Bly, die sogenannte mythopoetische Männerbewegung, die sich traditionelle Archetypen von Männlichkeit aus den klassischen Mythen wieder aneignen wollte. Mythopoetische Männergruppen sind bis heute aktiv, werden aber als unpolitisch kritisiert. Zudem entstanden auch viele christliche Männerinitiativen. Viele Männerbüros, die Bildungs- und Beratungsarbeit leisten, wurden damals gegründet.

1992 erschien Warren Farrells Buch „The Myth of Male Power“, zu Deutsch „Mythos Männermacht“. Mit diesem Buch begann die nichtfeministische Männerbewegung auf sich aufmerksam zu machen. Farrell und andere Autoren rückten die Nachteile des Mann-Seins in den Blick. Männer sterben früher als Frauen, arbeiten in den gefährlicheren Berufen, erhalten oft eine schlechtere Gesundheitsversorgung und sind wesentlich häufiger von Obdachlosigkeit betroffen. Die meisten Männer werden danach beurteilt, ob sie für die Gesellschaft nützlich sind. Sie sind eben keine Privilegienträger, sondern Verfügungsartikel. F.L.


Vom Hass zerfressen

Der Fall Elliot Rodger ist typisch für die seltsamen Wendungen, die die Kontroverse zwischen Männerrechtlern und Feministinnen in den USA inzwischen nimmt. Elliot Rodger war ein junger Mann aus gutem Haus, der in Isla Vista, einer Kleinstadt bei Los Angeles, lebte. Am 23. Mai erstach er zunächst seine drei schlafenden Mitbewohner. Er fuhr zu einem Studentinnenwohnheim und erschoss dort zwei junge Frauen. Er tötete vier junge Männer und verletzte Passanten. Als die Polizei ihn stellte, tötete er sich selbst.

Als Sohn eines etablierten Filmemachers ging es Rodger scheinbar gut. Aber der 19-Jährige hatte eine massive narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickelt und kam nicht damit zurecht, dass er kaum Freunde und noch nie eine Beziehung mit einer Frau gehabt hatte. Im Laufe des vergangenen Jahres begann er, seine Rache zu planen: Blonde Frauen hasste er, weil sie ihn ignorierten, und Männer, besonders die attraktiven und populären, zogen seinen Hass auf sich, weil sie bekamen, was seiner Meinung nach ihm zustand.

Er kaufte Handfeuerwaffen und Munition. Seine Rache kündigte er vorab im Internet an. Weil er auch Formulierungen aus der Männerrechtsszene nutzte, war für die feministischen Meinungsführerinnen der Fall klar: Rodger war ein Männerrechtler, der entsprechend seinen Überzeugungen gehandelt hatte, und männerpolitische Internetseiten wie „A Voice for Men“ somit mitschuldig. Eine Kundgebung gedachte der beiden erschossenen Studentinnen; über die erschossenen und verletzten Männer kein Wort.

Feministinnen lancierten eine Petition an das Weiße Haus, der US-Präsident möge „A Voice for Men“ und andere als Hassseiten verbieten lassen. Sie fand nur wenige hundert Unterstützer. F.L.


Zeitzeugen

Walter Hollstein – Der Soziologie-Professor gilt als einer der führenden Männerforscher im deutschen Sprachraum. Sein erstes Männerbuch erschien 1988. Bis 2005 leitete er das Institut für Geschlechter- und Generationenforschung an der Universität Bremen. Außerdem ist er Gutachter des Europarates für Männerfragen. Hollstein kritisiert die profeministische Grundhaltung in Politik und Medien, die die Probleme von Männern ignoriert.

Volker Elis Pilgrim – Der Schriftsteller und Publizist war in den 70er und 80er Jahren einer der prominentesten Figuren der profeministischen Männerbewegung. In seinen Büchern, etwa dem „Manifest für den freien Mann“, kritisierte er die tradierte Männlichkeit als zerstörerisch und wollte ihre Rollenvorgaben überwinden, indem weibliche Anteile stärker gewichtet wurden.

Warren Farrell – Mit dem 1993 erstmals erschienenen Buch „Mythos Männermacht“ legte der US-amerikanische Psychologe und Publizist die Grundlagen der heutigen Männerbewegung. Er gründete mit Gloria Steinem die Frauenorganisation NOW, musste diese aber verlassen, als er begann, sich für Männerbelange stark zu machen. Farrell setzt sich für das gemeinsame Sorgerecht ein und kritisiert das jungenfeindliche Bildungssystem in den USA.

Arne Hoffmann – Der Schriftsteller, Journalist und Blogger gehört zu den bekanntesten Vertretern der neueren deutschen Männerbewegung. Er betreibt den Blog „Genderama“ als Plattform des linken Flügels der Männerbewegung. Hoffmann engagiert sich gegen die Benachteiligung von Männern und einen männerfeindlichen Zeitgeist. Er thematisierte männliche Opfer von sexueller Gewalt und die Jungenkrise an deutschen Schulen.

Paul Elam – Der US-amerikanische Psychologe und Publizist betreibt seit 2009 „A Voice for Men“, die Internetseite der Männerbewegung im englischsprachigen Internet mit der größten Reichweite, die inzwischen wesentlich häufiger besucht wird als einschlägige feministische Seiten. „A Voice for Men“ produziert inzwischen Internet-Radio und Ableger in Australien, Indien und Italien sowie auf Farsi und Hebräisch.


S. 5 Deutschland

Gelbe Karte für Einseitigkeit
ARD-Verantwortliche lehnen Kritik des Programmbeirates ab – Sie wollen »westliche Positionen verteidigen«

Mit ARD und ZDF leistet sich Deutschland das finanziell am üppigsten ausgestattete öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt. Was die Sender als Gegenleistung für die Rundfunkgebühren abliefern, stößt allerdings zunehmend auf Ablehnung – bei den Zuschauern und mittlerweile auch intern bei den Rundfunkanstalten selbst.

Wie erst jetzt durch einen Bericht des Online-Magazins „Telepolis“ bekannt wurde, musste sich der ARD-Chefredakteur und Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur Thomas Baumann auf einer Sitzung des Programmbeirats im Juni scharfe Kritik an der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt gefallen lassen. Nach einer internen Medienanalyse war der Programmbeirat zu dem Schluss gekommen, dass die ARD „tendenziös“, „mangelhaft“ und „einseitig“ berichtet habe. Zwar hat der Beirat nur eine beratende Funktion, wenn das neunköpfige Gremium allerdings einstimmig feststellt, „wichtige und wesentliche Aspekte“ des Ukraine-Konflikts seien von den ARD-Redaktionen „nicht oder nur unzureichend beleuchtet“ worden, dann können dies die Verantwortlichen bei der ARD aber auch nicht völlig ignorieren – zumal, wenn die Kritik nach außen dringt, wie dies nun der Fall war.

Aufgabe des Programmbeirats der ARD ist es immerhin, die Interessen der Zuschauer gegenüber den Programmverantwortlichen zu vertreten, aber auch zu prüfen, ob die öffentlich-rechtlichen Sender den per Rundfunkgesetz erteilten Auftrag erfüllen. Anlass, im konkreten Fall die Berichterstattung des Ersten anhand „einer ganze Reihe von Beiträgen“ einer Prüfung zu unterziehen, war anscheinend eine Welle der Kritik von Zuschauern, die „Einseitigkeit“, „mangelnde Differenziertheit“ sowie „Lückenhaftigkeit“ bemängelt hatten.

Die daraufhin durchgeführte interne Medienanalyse – vom Beirat selbst als „ungewöhnlich“ bezeichnet –, scheint die Vorwürfe vollauf bestätigt zu haben. Die im Einzelnen aufgeführten Kritikpunkte kommen einer Ohrfeige für die ARD-Berichterstattung gleich, die eigentlich nicht einmal den leisesten Verdacht der Parteilichkeit und Voreingenommenheit aufkommen lassen sollte. So wird bemängelt, dass differenzierende Berichte über die Verhandlungen der EU über das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine gefehlt haben. Vermisst haben die Medienkontrolleure ebenso einen längeren Beitrag, in dem die tieferen Ursachen der Krise gründlich dargestellt worden wären. Bemängelt wurde gleichfalls die Nichtthematisierung der „politischen und strategischen Absichten der Nato“ bei der Osterweiterung. Unterbeleuchtet auch die Frage der Legitimation des „sogenannten Maidanrats“ und die „Rolle der radikal nationalistischen Kräfte, insbesondere von Swoboda“ sowie deren Aktivitäten beim Scheitern „der Vereinbarung zur Beilegung der Krise in der Ukraine vom 21. Februar“. Weitgehend unter den Tisch gefallen ebenso die Thematik „Verfassungs- und Demokratiekonformität“ der Absetzung Viktor Janukowitschs. Gefehlt haben in der Berichterstattung ebenso „belastbare Belege für eine Infiltration durch russische Armeeangehörige“ in der Ukraine und auch eine kritische Analyse von Politikern wie Julia Timoschenko und Vitali Klitschko.

Fraglich ist, ob die Schelte der Medienkontrolleure zu Konsequenzen führen wird. So ließ Baumann jegliche Einsicht vermissen. „Den Vorwurf einer einseitigen und tendenziösen Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt weise ich energisch zurück“, so der ARD-Chefredakteur gegenüber dem „Handelsblatt“. Auch andere wichtige Entscheidungsträger scheinen dies so zusehen. Wie das Internet-Magazin „Telepolis“ berichtet, sollen der Intendant Tom Buhrow und der Fernsehdirektor Jörg Schönenborn (beide WDR) intern offensiv dafür werben, in der Berichterstattung „die westlichen Positionen zu verteidigen“. Sollte dies zutreffen, ist die Frage naheliegend, wie die gebührenfinanzierte ARD das Gebot einer objektiven Berichterstattung eigentlich gewährleisten will.

Während sich Politiker der etablierten Parteien zu den bekannt gewordenen Vorwürfen des Programmbeirats bedeckt halten, kommt aus den Reihen der „Linken“ und der Alternative für Deutschland (AfD) scharfe Kritik: So sieht Sahra Wagenknecht („Die Linke“) ARD und ZDF „zwingend“ der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet. „Nur so sind die Zwangsgebühren, die von der gesamten Bevölkerung erhoben werden, zu rechtfertigen“, so Wagenknecht gegenüber dem „Handelsblatt“. Auch Alexander Gauland, Vize-Vorsitzender der AfD, kann die Kritik des Programmbeirates „sehr gut“ nachvollziehen. Er sieht in dem Fall „ein schönes Beispiel dafür, wie unser Rundfunkbeitrag für politische Zwecke missbraucht wird“.

Norman Hanert


»Die Luft ist einfach raus«
Piratenpartei vor dem Aus – Vergleiche mit AfD nicht angebracht

Der Absturz der Piratenpartei begann schleichend. Noch im Frühjahr 2012 war ihnen der Einzug in mehrere westdeutsche Flächenländer gelungen. Im August des gleichen Jahres zeigte eine Forsa-Umfrage immerhin noch sieben Prozent Zustimmung für die Netz-Politiker. Doch nur ein halbes Jahr später war es mit der Herrlichkeit bereits vorbei. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen Anfang 2013 scheiterten die „Piraten“ kläglich und spätestens mit der Gründung der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD) war klar, dass es mit einem Bundestagseinzug nichts werden würde. Und im laufenden Jahr setzte sich die Serie der Wahlniederlagen fort.

Damit geht eine neuerliche Austrittswelle einher. Hunderte Mitglieder haben ihre Mitgliedschaft gekündigt, mit dem Berliner Landeschef Christopher Lauer ist einer der letzten überregional bekannten Persönlichkeiten gegangen. 32000 Parteigänger zählten die „Piraten“ im Spätsommer 2012. Mittlerweile sind es zwar noch rund 26000, doch musste der Bundesvorsitzende Bernd Schlömer zugeben, dass von denen nur noch etwa 8500 stimmberechtigt seien, zwei Drittel würden ihren Beitrag verweigern.

In Berlin ist die Fraktion im Abgeordnetenhaus dezimiert, in Nordrhein-Westfalen sollen Austritte unmittelbar bevorstehen. Abgeordnete diskutieren offen darüber, ob sie in der Fraktion bleiben könnten, auch wenn sie aus der Partei austreten sollten. Es ist auch diese Form der Selbstbeschäftigung, die wohl das Scheitern der Partei verursacht.

Für den Politikwissenschaftler Christoph Bieber kommen die Auflösungserscheinungen nicht überraschend. Die „Amateur-Politiker“, so Bieber, welche die „Piraten“ zum Zeitpunkt ihres Eintritts in die Parlamente gewesen seien, hätten in den letzten gut zwei Jahren lernen müssen, wie schwierig die Arbeit in formalisierten Strukturen wie Parteien sei.

Das Konzept der Partei sei nicht aufgegangen, lautet Lauers Erklärung. „Die Erkenntnis, die mich letztlich zum Austritt gebracht hat, ist, dass dieses Scheitern, was wir jetzt erleben, im Grunde genommen in der Grundstruktur der Partei angelegt war“, sagte er gegenüber der „Welt“. Die Partei sei zu keinem Zeitpunkt politikfähig gewesen, „auf Themen wie die Euro-Krise hätten wir Antworten geben müssen“. Durch das Auftauchen der AfD sei klar geworden, „dass uns auch die Protestwähler abhandenkommen werden“.

Doch nicht nur diese sind abhanden gekommen, sondern auch Hunderte ehemaliger Funktionäre. Von Beginn an tat sich die Partei schwer damit, Autoritäten zu akzeptieren, gewählte Funktionsträger zu unterstützen. Mit Sebastian Nerz und Thorsten Wirth sind auch zwei ehemalige Bundesvorsitzende unter den Abtrünnigen. „Die Luft ist einfach raus“, sagte Wirth verbittert.

Richard Hilmer, Chef des einflussreichen Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap, gibt der Partei daher keine Chance mehr: „Das Thema ist durch, das muss man so deutlich sagen. Die Piraten haben es nicht verstanden, einen breiten Themenbereich aufzubauen.“ Voreilige Vergleiche mit der AfD will Hilmer daher auch nicht ziehen. „Die AfD ist programmatisch wesentlich breiter aufgestellt, als es die ,Piraten‘ von Beginn an waren. Und was noch viel wichtiger ist: Die AfD agiert deutlich professioneller.“

Peter Entinger


MELDUNGEN

Albigs Ärger mit den Frauen

Kiel – Von seiner parteilosen Schulministerin Waltraut Wende musste sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig trennen, weil sie wegen einer offensichtlich rechtswidrigen Versorgungsregelung in die Kritik geraten war, und wegen deren Nachfolgerin Britta Ernst (SPD) musste er jetzt den Zuschnitt seiner Ministerien ändern. Die bisherige Fraktionsgeschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Ernst ist die Ehefrau von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz. Dessen Bruder wiederum ist Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, das von der Wissenschaftsabteilung des Ministeriums für Schule und berufliche Bildung beaufsichtigt wird. Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, hat Albig den Wissenschaftsbereich nun dem ebenfalls sozialdemokratisch geführten Sozial- und Gesundheitsministerium zugeordnet. J.H.

 

55000 ohne Beitragsschulden

Berlin – Rund 55000 Menschen wurden seit August 2013 insgesamt 231,6 Millionen Euro an Beitragsschulden bei Krankenversicherungen erlassen. Ferner profitierten zahlreiche Versicherte davon, dass sie erhöhte Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 909,4 Millionen Euro nicht zahlen mussten. Das im August 2013 in Kraft getretene sogenannte Beitragsschuldengesetz soll es nicht versicherten Menschen ermöglichen, eine Krankenversicherung abzuschließen, ohne Kassenbeiträge, die sich seit Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht im Jahre 2007 automatisch angehäuft haben, nachzahlen zu müssen. Seit August 2013 gilt zudem für alle Beitragsrückstände ein einheitlicher Säumniszuschlag von einem Prozent. J.H.


S. 6 Ausland

Merkwürdige Zurückhaltung
Obwohl der Islamische Staat Israel als Feind Nummer 1 bezeichnet, hat er das Land bisher nicht attackiert

Erstaunlicherweise hat der Islamische Staat (IS) bislang nichts unternommen, um die angedrohte Vernichtung Israels in die Tat umzusetzen. Dies bietet Raum für allerlei Vermutungen.

Trotz der Tatsache, dass viele Muslime der Ansicht sind, Israel stelle eine Art von „Krebsgeschwulst“ dar, das um jeden Preis eliminiert gehöre, wird der jüdische Staat derzeit weder von der sonst so aggressiven Terrormiliz des Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi noch von der ebenfalls immer noch brandgefährlichen radikal-islamischen al-Kaida attackiert. Daran vermochte nicht einmal das Wiederaufflammen des Gaza-Konfliktes im Juli dieses Jahres etwas zu ändern. Letztendlich kam es lediglich zu einer Besetzung der syrischen Seite des Grenzübergangs Quneitra in der UN-Pufferzone auf den Golan-Höhen durch Rebellen der al-Nusra-Front, also eines Ablegers von al-Kaida. Außerdem sollen im Gaza-Streifen und in der Westbank sowie auch in Israel selbst geheime Zellen des IS entstanden sein, wofür es aber keinerlei konkrete Beweise gibt.

Andererseits stießen die Gotteskrieger zahlreiche explizite Drohungen aus. Beispielsweise verkündete al-Baghdadis wichtigstes Propagandamedium, die Zeitschrift „Dabiq“, Mitte August, seine Truppen würden jeden „niederschlagen, der als Hindernis auf dem Pfad in Richtung Palästina steht“ – es sei nur „eine Frage von Zeit und Geduld“, dass der Islamische Staat „Palästina erreicht, um die barbarischen Juden zu bekämpfen“. Und der IS-Sprecher Nidal Nuseiri fügte hinzu, die Vernichtung Israels rangiere in der Liste der Ziele des „Heiligen Krieges“ an alleroberster Stelle.

Hier offenbart sich eine enorme Diskrepanz zwischen Worten und Taten, wie sie eigentlich untypisch für den Islamischen Staat und al-Kaida ist. Das wiederum wirft die Frage auf, ob die Passivität der beiden Terrororganisationen wirklich nur aus dem Umstand resultiert, dass sie sowohl von der Hamas und der Fatah als auch von den palästinensischen Autonomiebehörden als Konkurrenz angesehen werden. Inzwischen mehren sich nämlich die Indizien, die auf eine geheime Zusammenarbeit zwischen radikalislamischen Gruppierungen und Israel hindeuten.

So residiert Issam Hattito, der den Widerstandskampf der syrischen Muslimbruderschaft organisiert, nicht etwa in Beirut oder Riad, sondern in Tel Aviv. Darüber hinaus existieren Hinweise auf Absprachen zwischen der israelischen Luftwaffe und islamistischen Rebellen in Syrien. Selbige traten in der Vergangenheit bezeichnenderweise oftmals genau dann zur Offensive gegen Baschar al-Assads Truppen an, wenn die israelische Luftwaffe Einsätze gegen diese flog. Und dann sind da noch die Meldungen der UN-Beobachter auf den Golan-Höhen, in denen von Materiallieferungen aus Israel und etwa 1000 verletzten Kämpfern aus den Reihen der syrischen Opposition die Rede ist, die über die Grenze gebracht und in israelischen Militärhospitälern behandelt worden seien, was kürzlich von einem Armee-Sprecher in Tel Aviv bestätigt wurde.

Nachdem die israelische Armee Ende September einen syrischen Kampfjet, der syrische Rebellen nahe der israelischen Grenze attackiert hatte, abgeschossen hatte, bezeichnete das syrische Staatsfernsehen die Aktion als „Teil von Israels Unterstützung für al-Nusra und den Islamischen Staat“.

Angesichts dieser und anderer Umstände unterstellen bereits Beobachter, dass nicht nur die „moderaten“ Kräfte in Syrien – sofern es solche überhaupt noch gibt –, sondern auch die in der Levante operierenden Terrormilizen Islamischer Staat und al-Kaida von Israel unterstützt oder gar gesteuert werden. Dahinter wiederum könnte das strategische Ziel stehen, den Mittleren Osten so lange zu destabilisieren, bis es zu einem Zerfall Syriens und des Iraks sowie dann später auch noch Saudi-Arabiens, Jordaniens und Ägyptens kommt, was quasi auf eine Balkanisierung der Region hinauslaufen würde. Von dem so entstehenden System schwacher und zerstrittener arabischer Kleinstaaten, die zudem mit einem unabhängigen ölreichen Kurdistan in Konkurrenz stünden, hätte Israel dann kaum noch etwas zu befürchten. Dazu käme der weitgehende Verlust der moralischen und materiellen Rückendeckung für die Palästinenser.

Ebenso wie in Tel Aviv scheinen auch in Washington die Hardliner das arabische Lager so weit als möglich zersplittern zu wollen, wie dies schon im Bernard-Lewis-Plan von 1992 vorgesehen war, der den Weg zur Neutralisierung des Panarabismus skizziert hat und anscheinend gerade wieder eine Renaissance erlebt. Andererseits jedoch gibt es in den USA ganz offensichtlich auch Kräfte, die kein weiteres Chaos in der Region wollen und auf die baldige Ausschaltung des Islamischen Staates sowie al-Kaidas im Irak und Syrien drängen, wobei sie sogar eine Annäherung an den Iran in Kauf zu nehmen bereit wären. Und das wiederum wird in Israel natürlich mit dem allergrößten Missvergnügen gesehen, aus der Sorge heraus, dass es dann zu US-amerikanischen Konzessionen an die Mullahs käme, was deren Atomprogramm beträfe.

Doch selbst wenn sich die Hardliner in Tel Aviv wie Washington durchsetzen sollten, müssten immer noch die Pläne der Türkei durchkreuzt werden, die den IS nachweislich unter der Hand unterstützt, um auf den Trümmern, die der Amoklauf der Dschihadisten hinterlassen wird, zur Hegemonialmacht im Mittleren Osten aufzusteigen.

Wolfgang Kaufmann


ESM soll es richten
Euro-Rettungsfonds jetzt für Investitionen?

Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge erwägt der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, mit Mitteln aus dem Euro-Rettungsfonds ESM klammen EU-Staaten bei Investitionen unter die Arme zu greifen. Auf der Suche nach öffentlichem Geld, das ohne Neuverschuldung verfügbar ist, sollen Experten Juncker auf den ESM aufmerksam gemacht haben. Wie es in Brüssel heißt, werde der ESM absehbar keine weiteren Kredite an klamme Länder zu vergeben haben, so dass ein großer Teil der Ausleihkapazität ungenutzt sei. Das im Euro-Rettungsfonds vorhandene, aber nicht genutzte Geld soll den bekannt gewordenen Plänen nach „zeitlich und anteilig begrenzt“ zum Anschieben von Investitionen genutzt werden. Konkret soll vorgesehen sein, einen Teil der ESM-Gelder in einen Investitionsfonds zu überführen, der unter dem Dach der Europäischen Investitionsbank EIB eingerichtet wird.

Aus Kreisen der EIB ist inzwischen bekannt geworden, dass die Investitionsbank tatsächlich den Auftrag erhalten hat, eine Liste von Investitionsmöglichkeiten vorzubereiten. Wird der Plan zur Zweckentfremdung des ESM Wirklichkeit, hätte Juncker ein gegebenes Versprechen faktisch durch einen Taschenspielertrick eingelöst. Kurz bevor er im Juli im Europaparlament zum neuen Kommissionspräsidenten gewählt wurde, hatte Juncker verkündet: „Es ist möglich, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen, ohne neue Schulden zu machen.“ Inzwischen hat er ganz konkret ein 300-Milliarden-Euro-Investitionspaket, auf das insbesondere Länder wie Italien und Frankreich gedrängt haben, angekündigt.

In Deutschland stoßen die Überlegungen, Gelder aus dem Euro-Rettungsfonds ESM vorübergehend als Investitionsmittel zu nutzen, auf Ablehnung. Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es zu den Plänen: Der ESM fungiere als Euro-Rettungsfonds und habe einen festgelegten Auftrag. Auch müssten „Änderungen am Vertrag, die wir ablehnen, von allen ESM-Ländern ratifiziert werden“. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) nennt die bekannt gewordenen Überlegungen aus Brüssel „in der Tat ein Konjunkturprogramm – aber nicht für Europa, sondern für die AfD“. N.H.


»Kuriose Olympiade der Genozide«
Kanadisches Menschenrechtsmuseum sorgt für heftige Proteste

Am 19. September wurde in Winnipeg, der Hauptstadt des Präriestaats Manitoba in Mittelkanada, das erste und weltweit einzige „Human Rights Museum“ eröffnet, zu dem Königin Elisabeth II. im Juli 2010 den Grundstein gelegt hatte. Doch statt eitel Freude gibt es massenhaften Protest. Die kanadische Regierung hat sogar eine Kommission gebildet, die sich mit der wachsenden Kritik auseinandersetzen soll.

Die Idee zu dem Projekt kam vom Winnipeger Media-Mogul Israel Izzy Asper, der, vom Wa-shingtoner Holocaust-Museum inspiriert, den Bau eines ähnlichen Museums zur Bewusstmachung der Gefahren von Rassismus und Antisemitismus anregte. Daraus wurde nach seinem Tode das Projekt eines von der kanadischen Regierung geförderten „Nationalen Menschenrechtsmuseums“. 350 Millionen Dollar hat das mit 400000 Artefakten und modernsten Techniken ausgestattete Museum bereits verschlungen, größtenteils Steuergelder, aber auch Spenden. 22 Millionen Dollar jährlich kostet die Unterhaltung, die die Regierung tragen muss, denn es handelt sich um ein „Nationalmuseum“.

Obwohl das Museum die positive Entwicklung der Zivilisation und Menschenrechte in den Vordergrund stellen sollte, wurde es tatsächlich zu einem „Museum des Grauens“, das in erster Linie an die Genozide der Menschheit erinnert.

Ursprünglich sollte das Museum nur dem Holocaust und dem tragischen Schicksal der Ureinwohner Nordamerikas gewidmet sein. Als aber der Ukrainische- und der Deutsch-Kanadische Kongress sowie eine Vielzahl ethnischer Gruppen gegen dieses verkürzte Konzept mit der Forderung protestierten, alle Genozide und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu berücksichtigen, wurde das Konzept erweitert. Aus den rivalisierenden Ansprüchen auf Präsentation in den Galerien des Museums wurde nach Zahl und Gewichtung der Massenmorde eine kuriose „Olympiade der Genozide“, wie der ukrainisch-kanadische Aktivist Lubomir Luciuk bemängelte, die zum Ärger vieler Interessengruppen den Holocaust über alle anderen Massenmorde stelle. Das Museum stellte daraufhin außer dem Mord an den Ureinwohnern Nordamerikas die fünf von Kanada anerkannten Genozide an den Juden, Armeniern, Ukrainern, den Bewohnern Ruandas und den Bosniern in Srebrenica in den Vordergrund.

Über die kanadischen Internierungslager der Zeit 1914 bis 1920 und während des Zweiten Weltkriegs, in denen deutsche und andere europäische Kanadier als Angehörige der „Feindmächte“ eingepfercht wurden, wird schamvoll mit einiger Zurückhaltung berichtet. Die Tafeln zum ukrainischen Holodomor, dem von Stalin befohlenen Hungergenozid, hängen zur Empörung des Präsidenten des Ukrainisch-Kanadischen Kongresses (UCC), Paul Grod, im Museum neben der Toilettenanlage.

Massenvertreibungen wie die der Deutschen wurden nicht berücksichtigt. Wohl werden die wichtigsten Etappen der Menschenrechtsentwicklung von der Magna Charta von 1215 bis zur UN-Menschenrechtsdeklaration von 1948 präsentiert. Dass auch der vorbildliche Multikulturalismus Kanadas zu den Werten der Menschheitsentwicklung gehört, haben die Kuratoren des Museums wohl vergessen.

Die supermoderne Museumsanlage in Form einer Muschel, die mit einem 100 Meter hohen „Turm der Hoffnung“ geschmückt ist, erntet Bewunderung wie auch viel Spott. Auch fragt man sich, was denn ein derartiges Museum, das Besucher aus aller Welt anziehen soll, in Winnpeg und somit in der tiefsten kanadischen Provinz soll. Als Hauptgrund für die Lage gilt die Initiative seines zufälligerweise in Winnipeg ansässigen, inzwischen verstorbenen Stifters Israel Asper. Nach dessen Wunsch sollte die Gedenkstätte das Stadtzentrum Winnipegs beleben. Wenigstens liegt die Prärie-Metropole in der strategischen Mitte Nordamerikas. Und in Winnipeg und nicht in der Hauptstadt Ottawa befinden sich die Zentralen der des Verbandes der Deutschkanadier und des besonders rührigen UCC, die das Museum und seine Exponate argwöhnisch beobachten. Und schließlich nicht zu vergessen: Der Museumsbau befindet sich auf „heiligem“ Boden der Indianer, auf einem Terrain, wo schon vor 4000 Jahren Menschen lebten. Dieser Tatbestand wiederum sorgt bei den Nachkommen der einst von den europäischen Einwanderern unterdrückten und dezimierten Ureinwohner für Empörung.

Hans-Joachim Hoppe


MELDUNGEN

Rederecht für EU-Politiker

Wien – Künftig dürfen EU-Abgeordnete bei Europa-Debatten im österreichischen Parlament sprechen. Die Koalition aus SPÖ und ÖVP hat einen entsprechenden Antrag eingebracht. Demnach darf pro Fraktion ein EU-Abgeordneter für fünf Minuten sprechen. Zudem sollen auch „herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik“ die Möglichkeit zu einem Redebeitrag im Nationalrat erhalten. Hierzu zählen der Uno-Generalsekretär sowie die Präsidenten des Europäischen Rats, der EU- Kommission und des EU-Parlaments. J.H.

 

Belohnung für MH17-Hinweise

Bad Schwartau – Im Auftrag eines nicht genannten Klienten hat die deutsche Wirtschaftsdetektei Wifka eine hohe Geldprämie für Hinweise zum Absturz des Flugs Malaysia Airlines MH17 in der Ostukraine ausgeschrieben. Die Detektei möchte nicht nur wissen, wer hinter dem Abschuss steckt, sondern auch, wer die Tat deckt, „auch wenn es sich um einen politisch, wirtschaftlich, militärisch versehentlichen Abschuss gehandelt haben sollte. Neben 30 Millionen Dollar für denjenigen, der den entscheidenden Hinweis auf die Verantwortlichen des mutmaßlichen Abschusses liefert, liegt von dem Auftraggeber auch das Angebot vor, Hinweisgebern eine neue Identität zu beschaffen. Das Geld ist in der Schweiz hinterlegt und wird in Zürich oder einem gewünschten neutralen Ort ausbezahlt. Nach Angaben des Wirtschaftsmagazins „Capital“ sind allein für die Annahme des Auftrags bereits 40000 Euro an den beauftragten Ermittler Josef Resch ausbezahlt worden. Zudem habe der Privatdetektiv bereits weitere 500000 Euro erhalten, die er im Erfolgsfall mit seinem Honorar verrechnen könne. N.H./J.H.


S. 7 Wirtschaft

Schöne teure Welt
Auf dem Weg zur Monopolstellung − Ausländische Internet-Unternehmen erobern deutsche Märkte

Während das chinesische Unternehmen Alibaba Rekordzahlen beim Börsenstart hinlegte, will Karstadt 2000 Stellen streichen und Häuser schließen. Beides steht in einem Zusammenhang.

Die Zahlen lassen einen schwindelig werden. Gut 25 Milliarden Dollar betrug der Emissionserlös bei der Aktienpremiere der chinesische Internetfirma Alibaba an der New Yorker Börse. Am Tag des Börsengangs wurde Alibaba-Gründer Jack Ma, der mit seiner Verkäuferplattform bereits ein Milliardenvermögen angehäuft hat, um weitere 900 Millionen reicher. Und mit 176,6 Milliarden Dollar ist der Online-Händler jetzt mehr wert als der US-Konzern Boeing oder der Internetgigant Amazon.

Dieser Raketenstart sollte aufhorchen lassen. Denn bis dahin verband man in Europa mit dem Namen „Ali Baba“ allenfalls den orientalischen Schatzsucher und die 40 Räuber. Mit dem Börsengang hat aber die Firma Alibaba nun die Grundlage für das „Sesam Öffne Dich“ des europäischen Marktes geschaffen. Denn 80 Prozent der Umsätze erzielte die Firma bislang in der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt: in China. Allein dort versendet das in Hangzhou ansässige Unternehmen, das weltweit 22000 Mitarbeiter beschäftigt, pro Jahr rund sechs Milliarden Pakete. Den Rest orderte die in aller Welt vertretene chinesische Diaspora. Mit dem Aktienerlös kann Alibaba-Chef Jack Ma nun sein nächstes Ziel ansteuern: die Eroberung der internationalen Märkte.

Denn bislang war Alibaba außerhalb von China und abgesehenen von Auslands-Chinesen so gut wie unbekannt. Bei dem Internetriesen handelt es sich um so etwas wie ein virtuelles Einkaufs­zentrum, bei dem viele eigenständige Läden eine bunte Produktpalette von Kleidermode bis Presslufthammern anbieten. Die deutsche Onlineseite german.alibaba. com steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Doch das wird mit Sicherheit nicht mehr lange so bleiben. Sollte Alibaba auf dem deutschen Markt Fuß fassen, wird das erhebliche Auswirkungen auf den Einzelhandel haben.

Selbst Angela Merkel hat die Gefahr des Kapitalabflusses ins Ausland erkannt. Beim Zentralverband des Deutschen Handwerks sagte die Kanzlerin kürzlich: „Wenn heute der Börsengang von Alibaba stattfindet, dann zeigt dies doch, das die Welt nicht schläft, dass chinesische große Unternehmen längst Global Player sind.“ Die Frage ist, ob der deutsche Einzelhandel eine Entwick­lung verschläft, die nicht mehr aufzuhalten ist. Die derzeitige Krise des Karstadt-Konzerns ist unter anderem eine Folge der In­ternetkonkurrenz. Kunden, die nur in die Geschäfte gehen, um Preise zu vergleichen, weichen anschließend auf die oft günstigeren Online-Händler aus, die ihnen die Ware in vielen Fällen sogar frei Haus liefern.

Tatsächlich leben Schnäppchenjäger dank des Internets derzeit noch in paradiesischen Zeiten. Es gibt kaum etwas, was es bei Ali-baba, Ebay, Amazon und Co. nicht billiger gibt als im Laden an der Straße. Auch andere Branchen müssen sich auf den Strukturwandel – Ökonomen sprechen in dem Zusammenhang von einem Paradigmenwechsel, der nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das soziale Leben verändert – einstellen. Das Taxigewerbe sieht sich Angriffen der US-Internetfirma Uber ausgesetzt, die Fahrgäste auch an private Fahrer vermittelt. Eine gerichtliche Auseinandersetzung darüber, ob auch in Deutschland Fahrer ohne Beförderungslizenz Fahrgäste aufnehmen dürfen, ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Doch es deutet sich eine Zukunftstendenz an, die juristisch schwer aufzuhalten sein wird. Und auch das Hotelgewerbe zittert vor Internetanbietern wie Airbnb, die günstige Privatunterkünfte vermitteln. In den USA haben große Hotelketten deswegen bereits Einbußen in Millionenhöhe zu verzeichnen, zumal sie ein vermietetes Hotelzimmer voll versteuern müssen, während Privatanbieter sich steuerlich noch in einer für sie günstigen Grauzone bewegen.

Tatsächlich sind Internetfirmen eher in der Lage, legale Steuerschlupflöcher auszunutzen, als stationär festgelegte Einzelanbieter. Unternehmen wie Ebay oder Amazon haben ihren europäischen Sitz im Steuerparadies Luxemburg, wo sie nur geringe Unternehmenssteuern abführen müssen für Gewinne, die sie in erster Linie außerhalb des Großherzogtums erzielen. Will Alibaba Europa erobern, wäre die Firma gut beraten, ebenfalls mit drei oder vier Scheinmitarbeitern von Luxemburg aus zu operieren. Dann wäre es nur noch ein kleiner Schritt, eine ähnliche Monopolstellung bei Gebrauchswaren einzunehmen, wie es Amazon auf dem Buchmarkt bereits tut. Besonders auf dem elektronischen Buchmarkt nutzt Amazon seine Marktmacht, um die Preise zu be­stimmen. Schon jetzt sieht man in einer New Yorker U-Bahn mehr Fahrgäste mit einem E-Reader − einem elektronischen Buch − in der Hand als mit einem gedruck­ten Exemplar. Schnäppchen sind bei den E-Readern längst nicht mehr zu machen, seitdem Amazon die Hand darüber hält.

Die digitale Umwälzung hat auch das Mediengeschäft erfasst. Europas einst größtes Zeitungshaus Axel Springer hat sich bereits von vielen wichtigen Druckerzeugnissen ge­trennt, um im Online-Journalismus die Meinungsherrschaft an sich zu reißen. Für die TV-An­stalten wird die US-Firma Netflix zu einem Problem, bei dem man sich via Internet individuell sein Serienprogramm zu­sam­menstellen kann. Nicht erst seitdem Netflix vor Kurzem seinen Videodienst in Deutschland gestartet hat, ist dessen Aktie im Höhenflug. Im letzten Jahr erzielte man einen Kursgewinn von 300 Prozent. Das macht Netflix zu einem ähnlichen Überflieger wie vor Jahren Google oder Facebook.

Doch anders als bei der Internetblase um die Jahrtausendwende herum, als etliche Internet-Neustarter überbewertet wurden, ehe sie Pleite gingen, ist nicht damit zu rechnen, dass die derzeitige Euphorie ebenso zerplatzt. Im Gegenteil, der Aufstieg der Giganten wird nicht aufzuhalten sein, weil sie jetzt genug Kapital in der Hand halten, um die Konkurrenz auszuschalten oder aufzukaufen und um somit später die Preise bestimmen können. Was jetzt noch günstig zu haben ist, kann bei zunehmender Monopolisierung im weltweiten Netz für die Kunden zukünftig sehr teuer werden. Harald Tews


Scheitert Gabriel an Ceta?
EU-Freihandelsabkommen mit Kanada offenbar nicht verhandelbar

In weiten Teilen der SPD ist der Transatlantische Freihandelsvertrag (TTIP) derart umstritten, dass vor dem Parteikonvent vom vorletzten Sonnabend ein Ausstiegsbeschluss aus allen TTIP-Verhandlungen nicht ausgeschlossen wurde. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist es jedoch auf dem Konvent gelungen, seine Partei in dieser Sache noch einmal auf Linie zu bringen. Dieses gelang ihm durch ein zusammen mit dem DGB entworfenes Positionspapier, dessen Inhalt ein bedingtes Ja ist. So wird beispielsweise der Verzicht auf die nicht nur von TTIP-Gegnern kritisierten Schiedsgerichte gefordert, vor denen Konzerne Staaten verklagen können.

Dass der Vizekanzler es geschafft hat, die SPD für das Kompromiss-papier zu gewinnen, könnte sich indes für ihn als Pyrrhussieg mit Folgen für seine politische Zukunft erweisen. Teil des auf dem Parteikonvent verabschiedeten Kompromisspapiers ist nämlich auch die Forderung, dass die dort aufgestellten Bedingungen für das Freihandelsabkommen mit den USA auch auf das entsprechende Abkommen mit Kanada Anwendung finden. Für die Forderung gibt es gute sachliche Gründe: So gilt Ceta als Blaupause für das noch viel größere TTIP-Abkommen mit den USA. Obendrein ist absehbar, dass sich mit Ceta für US-Unternehmen über kanadische Tochterfirmen eine Hintertür zum europäischen Markt auftut. So zweckmäßig es also ist, an Ceta und TTIP die gleichen Anforderungen zu stellen, so droht dieses doch Gabriel, in ernsten Konflikt mit Brüssel zu bringen.

Ein von Gabriels Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zwar zu dem Schluss, dass Brüssel den Vertrag mit Kanada nicht alleine abschließen dürfe, vielmehr alle 28 EU-Staaten Ceta ratifizieren müssten, doch die EU-Kommission vertritt die Ansicht, die Kompetenz zum Abschluss des Vertrages liege allein bei ihr. Zudem stellt sich die Kommission auf den Standpunkt, dass der Vertrag mit Kanada fertig ausgehandelt und unterschriftsreif sei. Vor diesem Hintergrund würden jegliche Nachverhandlungen den bisher ausgehandelten Vertrag insgesamt hinfällig machen.

Dieser Standpunkt der Kommission lässt mit Blick auf die noch laufenden Verhandlungen mit den USA Schlimmes befürchten. Wie bei TTIP hat die EU auch mit der kanadischen Regierung über fünf Jahre lang hinter verschlossenen Türen verhandelt. Zu Gesicht bekommen haben die europäischen Bürger den Vertragstext mit seinen 1500 Seiten Länge erst Ende September anlässlich des Kanada-Besuchs des scheidenden Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso.

Sollte sich die EU-Kommission mit ihrer Sichtweise durchsetzen, wonach der Vertrag unterschriftsreif ist, drohten Gabriel scharfe Angriffe vom linken Parteiflügel, mit denen er seine Hoffnungen auf eine Kanzlerschaft an der Spitze einer künftigen rot-rot-grünen Koalition wahrscheinlich begraben könnte. Darüber hinaus könnte die Erfahrung, bei dem sensiblen Thema Freihandelsvertrag von Brüssel vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein, auch unter den SPD-Genossen eine deutliche EU-Skepsis erwachsen lassen. N.H.


Mütterrente auch für Väter
Bei geschiedenen Eltern winkt Männern eine Besserstellung

Mit Wirkung vom 1. Juli dieses Jahres hat der Gesetzgeber eine verbesserte Bewertung von Zeiten der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt. Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, gab es bislang zwölf Kalendermonate Erziehungszeiten (gewissermaßen als Beitragszeiten) für einen der beiden Erziehungsberechtigten (meist die Mutter). Für Kinder, die nach dem 1. Januar 1992 geboren wurden, werden hingegen drei Jahre angerechnet.

Nun hat der Gesetzgeber einen Teil der unterschiedlichen Bewertung von Kindern angeglichen, indem nun Müttern von vor 1992 Geborenen 24 Kalendermonate angerechnet werden. Die in der öffentlichen Berichterstattung oft als „Mütterrente“ bezeichnete Neubewertung stellt somit immer noch keine Gleichstellung der Kindererziehungsleistungen unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder dar. Bei Bestandsrentnern wollen die Versicherungsträger versuchen, bis zum Jahresende alle betroffenen Renten neu zu berechnen.

Rentner, die ein Scheidungsverfahren durchlaufen haben, bei dem ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, müssen unter Umständen damit rechnen, dass ihre Renten neu berechnet werden. Im Scheidungsverfahren werden – pauschaliert betrachtet – die Rentenanwartschaften der Ehepartner während der Ehezeit ermittelt, gegenübergestellt und für den Zeitraum der Ehe ausgeglichen. Jener der Ehepartner, der die höheren Rentenanwartschaften erworben hat, muss Rentenanwartschaften an den anderen abgeben. Der Ausgleich wird auf der Grundlage von Rentenauskünften errechnet, welche die Versicherungsträger den Familiengerichten erteilen.

Sind Rentenauskünfte erteilt worden, die Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1992 enthalten, könnte ein Antrag beim Familiengericht sinnvoll sein, den Versorgungsausgleich neu zu berechnen. Allerdings werden in einem solchen Fall dann alle gesetzlichen Neuerungen berück-sichtigt, die seit dem Scheidungsurteil eingetreten sind. Die betrifft beispielsweise die inzwischen stark eingeschränkte Berücksichtigung von Renten steigernden Anrechnungszeiten wegen Schul-, Fachschul- und Hochschulbesuch. Bevor ein entsprechender Abänderungsantrag beim Familiengericht gestellt wird, könnte der Vergleich von entsprechenden, beim Versicherungsträger eingeholten, Rentenauskünften die Frage nach dem Nutzen eines Abänderungsantrages beantworten. Der geschiedene frühere Ehegatte ist dabei zur Mithilfe verpflichtet. Verweigert dieser die Mitwirkung, so könnte unter Umständen der beteiligte Versicherungsträger zu einer Auskunft verpflichtet sein. Bei Bestandsrentnern gilt eine Änderung der entsprechenden veränderten Zahlbeträge ab dem 1. des Folgemonats nach Antragstellung. Theo Maass


MELDUNGEN

Rekordentlassung bei Kaufland

Heilbronn – Gut 55000 Minijobber verlieren bundesweit ihre Stelle, weil die Warenhauskette Kaufland ihre 20 Millionen wöchentlich verteilten Werbeprospekte künftig nur noch über externe Dienstleister austragen lässt. Laut der Gewerkschaft „Ver.di“ handelt es sich „um die wahrscheinlich größte Massenentlassung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. J.H.

 

Airbus rechnet mit Zuwachs

Hamburg – Die Airbus Gruppe, der weltweit zweitgrößte Flugzeughersteller, erwartet für die kommenden 20 Jahre ein deutliches Wachstum im Luftverkehr. Nach Einschätzung der Unternehmensleitung würden bei einer jährlichen Zunahme von 4,7 Prozent im Passagierverkehr bis zum Jahre 2033 weltweit rund 31400 neue Flugzeuge für jeweils mehr als 100 Fluggäste benötigt. Das entspreche einem Potenzial von umgerechnet 3,6 Billionen Euro. Im Juli hatten mehrere Fluggesellschaften ihre gesamte Bestellung für den neuen Airbus A350 storniert. J.H.

 

Chefs sind unzufrieden

München – Die Stimmung in den deutschen Unternehmensleitungen ist angesichts der Auswirkungen der Ukraine-Krise so gedrückt wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr. Der vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung monatlich ermittelte Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft in Deutschland fiel im September erneut von 106,3 auf 104,7 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit April 2013. Die aktuelle Geschäftslage wurde erneut etwas weniger gut beurteilt als im Vormonat. Die Erwartungen für die nächsten sechs Monate fielen auf den tiefsten Stand seit Dezember 2012. J.H.


S. 8 Forum

Sintflut bleibt aus
von Wolfgang Thüne

Rund 120 Staats- und Regierungschefs und Fachminister waren der Einladung des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon zum teuersten Gipfel aller Zeiten gefolgt, um Geld für den „Grünen Klimafonds“ zu sammeln, damit das „Zweigradziel im globalen Klimaschutz“ erreicht wird. Eine Diskussion über Sinn und Unsinn fand nicht statt, denn für jeden Gast war die Redezeit auf vier Minuten beschränkt.

Dieser Gipfel war ein Beweis dafür, dass Politik zur Geisterbeschwörung tendiert und lieber emotionale Wunschvorstellungen bedient, statt logisch und rational Fakten zu analysieren, Lösungsvorschläge zu erarbeiten oder zu verwerfen. Dies trifft auch auf die Vereinten Nationen zu. Sie haben eine Unterorganisation, die Weltorganisation für Meteorologie in Genf, nach deren offizieller Definition „Klima“ vom Wetter abgeleitet wird! Ohne langjährige Wetterdaten lässt sich kein „Klima“, keine „Globaltemperatur“ berechnen, gibt es kein „Klima“. Schon gar gibt es kein „Globalklima“, sondern aufgrund der Wettervielfalt eine Klimavielfalt auf Erden.

Wer etwas am „Klima“ verändern wollte, müsste zuerst das Wetter verändern und lenken können. Folglich müsste man einen „Grünen Wetterfonds“ einrichten und Geld sammeln, um die „Wettergötter“ gnädig zu stimmen. Angesichts der Tatsache, dass das „Klima“ seit 17 Jahren eine „Klimapause“ eingelegt hat, trotz der angeblich höchsten CO2-Werte aller Zeiten, müsste das Wetter aus seinem Dornröschenschlaf gerissen werden. Das Wetter müsste wiederbelebt, mit Vitaminspritzen zu mehr Aktivitäten angeregt werden, damit die „Erderwärmung“, so wie es die Theorie erfordert, wieder in Schwung kommt. Die Vereinten Nationen müssten um Wetterspenden werben. Das Wetter schwächelt. Ihm fehlt die Dynamik, die Vitalität.

Das Wetter braucht eine Energiespritze. Aus eigener Kraft schafft es den Wärmeausgleich zwischen dem Äquator und den Polen nicht mehr. Nach Meinung der Klimaexperten sollte es an den Polen überproportional wärmer werden. Doch es wird stattdessen dort kälter. Die Eismassen nehmen zu anstatt zu schmelzen. Auch die „Sintflut“ droht auszubleiben. Höchste Zeit, dass der Allgemeinen Zirkulation wieder auf die Beine geholfen wird, zumal nun das Winterhalbjahr auf der Nordhemisphäre anbricht. Da täte eine verstärkte Warmluftzufuhr aus südlichen Breiten gut, auch um die Heizkosten im Winter niedrig zu halten.

Es wäre kaum auszudenken, wenn das Wetter wirklich eine „Wetterpause“ einlegen würde und wir plötzlich kein Wetter mehr hätten. Doch ohne Wetter hätten wir auch kein „Klima“ mehr, würde sich die Angst vor der „Klimakatastrophe“ verflüchtigen und die Vereinten Nationen könnten sich wieder wirklich sinnvollen Aufgaben widmen wie der Beilegung von Konflikten und Kriegen. Die Förderung von Frieden ist ihre ureigenste Aufgabe.


Verfilzung in neuer Dimension
von Norman Hanert

Wie der sprichwörtliche Rufer in der Wüste muss sich Emily O’Reilly, die Bürgerbeauftragte der Europäischen Union, mit ihrer kürzlich ausgesprochenen Warnung vorgekommen sein. Von den Medien wenig beachtet, hatte die EU-Ombudsfrau mehr Transparenz verlangt, wenn es um den Wechsel von EU-Personal in die Privatwirtschaft geht. Dass O’Reilly dabei ganz speziell Verhandlungen von Handelsverträgen angesprochen hat, dürfte kaum ein Zufall gewesen sein. Angesichts der Art und Weise, wie die EU-Kommission etwa die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA durchpeitscht, tut man gut daran, im Auge zu behalten, ob Beteiligte nicht nach einiger Zeit die Seiten wechseln. Weg von der EU und hin zu gut dotierten Posten bei Konzernen oder Lobby-Verbänden. Allein die kostspieligen Erfahrungen, welche die hiesigen Steuerzahler mit US-Subprime-Verbriefungen oder den Cross-Border-Leasing-Geschäften der deutschen Kommunen gemacht haben, wären Anlass genug, bei den Freihandelsverhandlungen mit den USA Sorgfalt vor Eile gehen zu lassen. Hält die EU-Kommission an ihrer Praxis von Geheimverhandlungen und ihrer Politik der vollen-deten Tatsachen fest, dürfte bald der Verdacht aufkommen, dass die „europäische Idee“ zunehmend als Deckmantel für ein System missbraucht wird, das in angelsächsischen Ländern unter dem Begriff „Crony Capitalism“ bekannt ist.

Die deutsche Übersetzung „Spezi-Wirtschaft“ deckt den Sinn nur unzureichend ab. Gemeint ist vielmehr eine Form legaler Korruption, die auf das gesamte politische und wirtschaftliche System übergreift. Kennzeichen sind eine zunehmende Verfilzung von Politik und Wirtschaft, Günstlingswirtschaft, Selbstbedienungsmentalität und Lobbyistenherrschaft, die zu einer Ausplünderung des Staatswesens und der Steuerzahler führt. In den USA wird Präsident Barack Obama vor allem von den oppositionellen Republikanern der Vorwurf gemacht, dem „Crony Capitalism“ zu neuer Blüte verholfen zu haben. Tatsächlich hat sich Obama bei der Besetzung von wichtigen Posten nicht gescheut, auf vormalige Investmentbanker zurückzugreifen. Hohe Spenden der Wall Street hatten wiederum ihren Anteil daran, dass er seine beiden Präsidentschaftswahlkämpfe finanzieren konnte. Bankenrettungspakete aus Steuergeldern runden das Bild ab.

Die Konstruktion der EU ist alles andere als ein Hindernis für die Herausbildung einer europäischen Variante eines „Spießgesellen-Kapitalismus“. Die EU-Kommission, eigentlich ein Exekutivorgan, hat faktisch einen Großteil der Gesetzgebungskompetenz für ganz Europa an sich gezogen. Dabei agiert sie nicht nur völlig intransparent – wie aktuell bei den Geheimverhandlungen zu den Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA deutlich wird –, sondern ist auch nur höchst mangelhaft demokratisch legitimiert. Eine gehöriges Maß

an Mitverantwortung für die Entwicklung tragen die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sie sich zugunsten Brüssels Stück für Stück selbst entmachtet. Nun, da die negativen Konsequenzen immer offensichtlicher zutage treten, werden die fehlenden Einflussmöglichkeiten regelmäßig als Begründung für eine vorgebliche Alternativlosigkeit der betriebenen Politik angeführt.


Frei gedacht
Deutschlands Medien: Im Würgegriff der Macht
von Eva Herman

Auf der ganzen Welt herrschen heute Lüge, Krieg, Terror, Hunger, Gewalt, Elend. Über die Gründe könnte man viel schreiben, doch ich möchte mich nur auf eine Gruppe der wichtigsten Mitverursacher konzentrieren: korrupte Journalisten. Ganz besonders in Deutschland. Anlass ist das so-eben erschienene Buch des ehemaligen „FAZ“-Korrespondenten Udo Ulfkotte: „Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken“. Der Autor nennt in unverblümter Offenheit Ross und Reiter in und hinter dem globalen Machtsystem, beschreibt geheime US-Zirkel, die das Medienkartell im Würgegriff haben: bestürzend, katastrophal, erschütternd!

Wie stellte schon der ehemalige Chefredakteur der „New York Times“, John Swinton, im Jahr 1880 fest: „Das Geschäft von uns Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, freiheraus zu lügen, zu verfälschen, zu Füßen des Mammons zu kriechen und unser Land und seine Menschen fürs tägliche Brot zu verkaufen … Wir sind die Werkzeuge und Vasallen reicher Menschen hinter der Szene. Wir sind die Marionetten, sie ziehen die Schnüre und wir tanzen.“ Swintons Feststellung damals wurde zur Prophezeiung, die Ulfkotte heute, 130 Jahre später, vor dem ungläubigen Blick des Lesers ausbreitet: Das weltweite Mediensystem ist längst durchsetzt von Unwahrheit, Propaganda und Vertuschung, Deutschland scheint besonders betroffen zu sein.

Der Ex-Korrespondent beschreibt in einem ausführlichen Unterkapitel die gewissenlosen Hebel, die schon vor über 70 Jahren angesetzt wurden, um das „höhere Ziel einer Amputation der deutschen Identität“ zu erreichen. Niemals wäre dies ohne den „vollen Einsatz“ der Medien möglich gewesen, ohne ihre teilweise gewissenlose und stets konsequente Propaganda-Linie. Der Autor lässt den Historiker und Nato-Experten Daniele Ganser zu Wort kommen, der Deutschland aufgrund seiner Einbindung in das Militärbündnis als „Vasallenstaat der USA“ bezeichnet. Ulfkotte ergänzt: „In Wahrheit geht es bei den ganzen transatlantischen Organisationen nur um Unterstützungsmaßnahmen für die Nato. Und die wird von den USA angeführt. Deutsche sind da nur die Vasallen.“

Spannend nachzulesen sind die Verbindungen deutscher Journalisten und Politiker zu den US-gesteuerten, transatlantischen Bündnissen, die über eine Art globale Allmacht zu verfügen scheinen. Ob es sich um die elitären Geheimzirkel wie die Bilderberger oder die Atlantikbrücke handelt oder um die noch weniger bekannte Trilaterale Kommission: All diesen verdeckt arbeitenden Riegen ist gemein, dass sie in ihren regelmäßig stattfindenden weltweiten Treffen die Netze immer enger knüpfen, um weitreichende politische Entscheidungen ihrer Auftraggeber, der globalen Finanzmacht, zu ermöglichen, die im Anschluss von den jeweiligen Politikdarstellern, den Verlagshäusern sowie Fernsehanstalten in die Tat umgesetzt werden müssen. Gleichgültig übrigens, ob die Bürger damit einverstanden sind (sie werden nicht gefragt), egal auch, ob es sich um für sie förderliche Maßnahmen (bislang niemals der Fall) oder um zerstörerische Entscheidungen (der Regelfall) handelt.

Wie gesagt, die Vertreter des hiesigen Medienkartells hängen an den Fäden der Großen wie willenlose Marionetten, Herz und Geist haben sie offenbar längst dem Mammon geopfert, der Sucht nach Geld, Prominenz und Anerkennung. Einige bekannte Namen aus einer ansehnlichen Liste dieser „Verräter“-Vertreter aus Politik und Medien, die Ulfkotte sorgfältig zusammenstellte, seien hier genannt, als da wären der frühere CDU-Schatzmeister Walter Leisler Kiep, der CDU-Politiker Friedrich Merz, Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Ex-Kanzler Helmut Schmidt und Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg vonseiten der Parteienvertreter. Aus den Medien sind gleich ganze Redaktionen mit Mitgliedern der geheimen Machtzirkel besetzt: „Doch nicht nur der umstrittene Josef Joffe (Mit-Herausgeber der ,Zeit‘), eine klagefreudige Spaßbremse, saß in der Vergangenheit bei den Bilderbergern mit am Tisch. Auch ,Zeit‘-Chef Theo Sommer sowie die Journalisten Matthias Naß (,Zeit‘) und Christoph Bertram oder der Verleger Hubert Burda und Springer-Chef Mathias Döpfner hatten keine Berührungsängste mit den Bilderbergern“, heißt es in dem Buch.

Wie betonte es der dort interviewte Medienfachmann Uwe Krüger, der zum Thema „Nähe der Journalisten zu den Bilderbergern und deren Verschwiegenheit über die konspirativen Treffen“ Folgendes feststellt: „Für eine gute Geschichte braucht man gute Quellen. Im Fall Bilderberg gibt es keine guten Quellen: Alle Teilnehmer haben versprochen zu schweigen, alle Nicht-Teilnehmer wissen nichts Konkretes. Normativ betrachtet sollte aber Bilderberg mehr in den Fokus der Öffentlichkeit kommen. Denn von hier geht ,soft power‘ aus, und hier werden globale Eliten sozialisiert und miteinander vernetzt.“ Wichtig ist in diesem Zusammenhang der abschließende Gedanke zum Thema: „Die Bilderberger sind eine Lobby-Organisation auf Nato-Kurs, welche die öffentliche Meinung im proamerikanischen Sinne beeinflussen soll.“

Doch all diese Machenschaften müssen sich eines Tages rächen. Der Verlust der Glaubwürdigkeit der Medien, die fatale Verliererrolle, in die diese zunehmend nun geraten, macht Ulfkotte an ganz unterschiedlichen Ursachen fest, die doch nur Bruchteile sein können, herausgebrochen aus einer riesigen Phalanx aus Korruption, Honorarhörigkeit, vorauseilender Liebedienerei sowie der völligen Abwesenheit von für stabile Persönlichkeiten notwendigen Charaktereigenschaften wie Courage und Wahrheitsliebe: „Wen wundert es da noch, dass einstmals angesehene Medienunternehmen heute im Internet immer öfter als ,Medienhuren‘ bezeichnet und etwa das ehemalige Nachrichtenmagazin ‚Spiegel‘ dort jetzt den unrühmlichen Spitznamen ,Der Speichel‘ abbekommen hat?“

Wer offenen Auges die Presseszene beobachtet, dem bleibt der fortschreitende Zerfall keineswegs verborgen, welcher ja bereits die Folge des unrühmlichen Tuns ist: Fast täglich erfahren wir von massivem Stellenabbau in Verlagshäusern und Rundfunkanstalten, „renommierte“ Tagesblätter werden eingestellt, abstürzende Verkaufszahlen und einbrechende Einschaltquoten vermeintlich wichtiger Informationssendungen schränken die Handlungsfreiheit der Berichtenden zunehmend ein und belasten ihr Selbstbewusstsein. Daneben macht sich wachsender Unmut in den Reihen der Leser und Zuschauer breit: Proteste und Widerspruch ergießen sich massenhaft über die einstigen „Edelfedern“. Das Internet macht’s möglich! Und der Widerstand lohnt sich. Nur deswegen schritt kürzlich der ARD-Programmbeirat ein und rügte den eigenen Sender wegen einer fatal einseitigen Berichterstattung zum Thema Russland-Ukraine. Doch sowohl ARD-Programmdirektor Thomas Baumann als auch WDR-Intendant Tom Buhrow wiesen die Kritik empört zurück (siehe auch Aufmacher Seite 5). Tja, es muss offenbar wohl noch härter kommen für die Kollegen.

Es versteht sich übrigens von selbst, dass dieses bemerkenswerte Enthüllungsbuch von den Hauptmedien bislang so gut wie nicht erwähnt wurde.

Udo Ulfkotte: „Gekaufte Journalisten“, Kopp Verlag, Rottenburg 2014, gebunden, 336 Seiten, 22,95 Euro


S. 9 Kultur

Regent unter Palmen
Der »Wohlgeratene«, so nannte sich August von Sachsen-Weißenfels, der in der Barockzeit eher durch Prunksucht auffiel

Dem ersten Herzog von Sachsen-Weißenfels ist anlässlich seines 400. Geburtsjubiläums eine um­fangreiche Ausstellungs-Trias ge­widmet. Gefeiert wird in Halle, Weißenfels und Freyburg.

Bereits mit 14 Jahren war August von Sachsen (1614−1680) Erzbischof von Magdeburg. Später war er außerdem noch Herzog von Sachsen-Weißenfels, Fürst von Sachsen-Querfurt und Graf von Barby. Er prägte in seinen Landen eine bemerkenswerte Ära, die anlässlich seines 400. Geburtstags der Vergessenheit entrissen wird. Halle, Weißenfels und Freyburg ehren den Jubilar mit Ausstellungen.

Die zentrale Schau wird im Kunstmuseum Moritzburg von Halle gezeigt, das Residenzstadt der Magdeburger Erzbischöfe war. Sie handelt vom Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648), konfessionellen Auseinandersetzungen, Leben, Kunst und Kultur am Hofe Augusts. Erstes zentrales Exponat ist die Urkunde von 1628, mit der das Domkapitel Magdeburgs den 14 Jahre alten Herzog August von Sachsen zum Erzbischof ernennt. Der katholische Kaiser Ferdinand II. erkannte die Wahl des protestantischen Erzbischofs zunächst nicht an.

Erst ab 1643 konnte August unumstritten in Halle residieren. Allerdings war er Magdeburgs letzter Erzbischof. Denn zu den Vereinbarungen des Westfälischen Friedens gehörte, dass das Erzstift Magdeburg nach Augusts Tod als nunmehr weltliches Herzogtum an Kurbrandenburg fällt. Das versinnbildlichen am Ende des Rundgangs die Porträtbüsten Augusts von Sachsen und seines Nachfolgers: Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg.

Die Schau erzählt Augusts Lebensgeschichte anhand von Kunstwerken, Kostbarkeiten des Kunsthandwerks und Dokumenten. Auf einem imponierenden lebensgroßen Gemälde tritt uns August als „Administrator“ des Erzstifts Magdeburg (um 1675) im Vollharnisch entgegen und präsentiert seine Bischofsmütze. Den Titel „Erzbischof“ hatte er nach seiner Heirat 1647 niedergelegt und den eines „Administrators“ (Verwalters) angenommen. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass die zu erwartenden Nachkommen − es wurden zwölf Kinder mit seiner ersten und weitere zwei mit seiner zweiten Gemahlin − einen erblichen Anspruch auf das geistliche Territorium erhoben.

Im Dom zu Halle befindet sich ein imposanter vierstöckiger Altar, dessen Gemälde neben christlichen Szenen den Stifter August mit Frau und Kinderschar verewigen. Übrigens hat er nie selbst ge­predigt oder andere sakrale Handlungen vorgenommen. Das überließ er doch lieber dem Hofprediger.

Zum ge­schnitzten Schmuck des Domal­tars ge­hören auch Palmen. Mit ihnen er­weist August der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ seine Reverenz, deren Vorsitzender er war. Zu ihrem Emblem hatten die dem Adel und dem Gelehrtenstand angehörenden Fruchtbringer die Kokospalme erkoren. Die Mitglieder gaben sich Kunstnamen. August war der „Wohlgeratene“.

Die Fruchtbringer hatten sich als erste Gesellschaft überhaupt der Pflege der deutschen Sprache verschrieben. Zu ihrem Programm gehörte, Fremdwörter einzudeutschen. Dabei tat sich besonders Philipp von Zesen hervor. Dem ersten freien Autor im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verdanken wir so treffliche Verdeutschungen wie „Weltall“ für „Universum“, „Be­sprechung“ für „Rezension“, „Aus­flug“ für „Exkursion“ und „Nachruf“ für „Nekrolog“.

Absolutes Prunkstück der Ausstellung ist der aus purem Gold gefertigte, 1380 Gramm schwere Münzbecher für Herzog August von Sachsen. Er gehört zur Gruppe der vier Hausbecher, die Kurfürst Johann Georg I. als Weih­nachtsgeschenk 1635 an seine Söhne verteilte. Nach dem Tod Johann Georgs I. 1657 übernahm jeder seiner vier Söhne die Regentschaft in einem Teil der kursächsischen Lande. Dadurch wurde August zum Herzog von Sachsen-Weißenfels.

Zur ersten nutzbaren Residenz im neuen Herzogtum Sachsen-Weißenfels ließ August das hoch über Freyburg an der Unstrut gelegene Schloss Neuenburg ausbauen. Die altehrwürdige An­lage wurde um 1090 vom Thüringer Grafen Lud­wig dem Springer ge­gründet, der auch die Wartburg erbauen ließ.

Eine Ausstellung im Schloss weist auf die Spuren hin, die August und seine Nachkommen in Form von Umbauten und Einrichtungsgegenständen hinterlassen haben. Dass die Neuenburg vor allem als Jagdschloss genutzt wurde, veranschaulicht eine zweite Ausstellung. Sie wird im Bergfried „Dicker Wilhelm“ ge­zeigt. Das Jagdregal war Privileg des Landesherrn und die Jagdlager eine damals mit großem „Halali“ begangene repräsentative Angelegenheit.

Das weithin sichtbar über den Dächern von Weißenfels aufragende Schloss Neu-Augustusburg ist das bedeutendste der von August hinterlassenen Architekturdenkmale. Den Grundstein zur monumentalen Dreiflügelanlage legte er 1660. Das zu DDR-Zeiten arg heruntergekommene Schloss wurde inzwischen zu drei Fünf­teln wieder hergerichtet und ist nun das größte und wichtigste Exponat der August gewidmeten Ausstellung. Sie informiert über die Dynastie, Territorien, Residenzen und Kultur des Herzogtums Sachsen-Weißenfels.

Nach Augusts Tod war zwar das Erzstift Magdeburg an Kurbrandenburg gefallen, aber in seinen Erblanden Sachsen-Weißenfels herrschten seine Nachkommen weiter, bis die Linie mit dem Tod Johann Adolphs II. 1746 erlosch. Die Territorien fielen zurück an Kursachsen und wurden 1815 von Preußen übernommen.

Wenig bekannt ist, dass Neu-Au­gustusburg die bedeutendste frühbarocke Schlosskirche Deutschlands aufweist. Das üppig ausgestattete Gesamtkunstwerk mit Hochaltar, Stuckaturen, Ausmalung sowie der bereits von Bach und Händel gespielten Orgel ist weitgehend im Original erhalten. Vor dem Altar be­findet sich eine Falltür, die ein roter Teppich bedeckt. Anlässlich der Aus­stellung wird er jeden Sonnabend beiseitegeschoben und die Tür ge­öffnet. Ein kalter Luftzug umweht die Besucher beim Abstieg in die Herzogsgruft. Viele Sarkophage weisen eine reich geschmückte Zinnummantelung auf. Unter dem mittleren Fenster steht derjenige Augusts, des Erzbischofs von Magdeburg und Herzogs zu Sachsen-Wei­ßenfels. Veit-Mario Thiede


Ein »unsichtbares Fluchtgepäck«
Völkerverbindend − Kulturstiftung der deutschen Vertrieben feierte in Bonn ihren 40. Geburtstag

Die Beendigung der institutionellen Förderung durch die Bundesregierung vor einigen Jahren war für die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen zwar schmerzhaft, bedeutete aber nicht ihr Ende. Das zeigen die zahlreichen Aktivitäten in ihrer nunmehr 40-jährigen Ge­schichte. Weiterhin führt die Kulturstiftung zahlreiche wissenschaftliche Ta­gungen durch, deren Ergebnisse in eigenen Publika­tionensreihen erscheinen. Hinzu kommen Ausstellungen, Vorträge und vieles mehr.

Grund genug, das ausgiebig zu feiern. In Bonn traf man sich jetzt zu einem Jubiläumsakt. Festredner und Bundestagsabgeordneter Hartmut Koschyk (CSU), der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, würdigte dabei, dass es für die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen stets eine Selbstverständlichkeit gewesen sei, bei ihrer Tätigkeit auch Partnerorganisationen aus dem östlichen Europa einzubeziehen.

Bei der jüngsten Jubiläumsveranstaltung wurden sowohl Meilensteine aus der 40-jährigen Geschichte der Einrichtung hervorgehoben, wie auch auf die aktuelle Problematik verwiesen und natürlich der Blick nach vorne gerichtet.

Dass sich unter den Ehrengästen neben dem Festredner Koschyk zahlreiche Persönlichkeiten des politischen, kulturellen, spirituellen und sozialen Lebens befanden, zeichnete die Kulturstiftung und deren Wirken in besonderer Weise aus. Für die Landsmannschaft Ostpreußen war der stellvertretende Sprecher Gottfried Hufenbach vertreten, der auch Kuratoriumsmitglied der Kulturstiftung ist.

Am 12. Juni 1974 wurde die Kulturstiftung in Stuttgart auf Ini­tiative von Herbert Czaja, Präsident des Bundes der Vertriebenen, und Karl Mocker, Staatssekretär im Innenministerium des Landes Baden-Württemberg, gegründet. Die überregionale Kultureinrichtung aller Vertriebenen hat sich von Anbeginn der wichtigen Aufgabe angenommen, im Sinne des Paragrafen 96 des Bundesvertriebenengesetzes das vielfältige Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Be­wusstsein der Deutschen und des Auslands lebendig zu erhalten und das in seiner Tradition stehende kulturelle Schaffen zu fördern. Ab 1990 widmete sie sich auch dem Austausch mit Forschungseinrichtungen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Heute verwirklicht die Kulturstiftung ihre Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit universitären Einrichtungen, Institutionen und Wissenschaftlern in Deutschland sowie unter anderem in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und den baltischen Staaten. Sie führt Forschungsprojekte, Fachtagungen und Symposien auf den Gebieten Staats- und Völkerrecht, Geschichte und Zeitgeschichte sowie Literatur und Kunstgeschichte durch.

Das kulturelle Erbe der historischen deutschen Ostgebiete und der deutschen Siedlungsgebiete in der Mitte, im Nordosten, Osten und Südosten Europas wird in Fachkreisen treffend als das „unsichtbare Fluchtgepäck“ der Vertriebenen bezeichnet. Es geht dabei allerdings nicht um eine Sonderkultur, sondern vielmehr um die Kultur ganz Deutschlands, an der Ostdeutschland einen beträchtlichen Anteil hat. Dieses Kulturerbe zu bewahren und weiterzuentwickeln, sich der eigenen kulturellen Identität zu vergewissern, gilt als wesentliche Voraussetzung für ein Gelingen des Dialoges der Deutschen mit den europäischen Nachbarn.

Der Vorstandsvorsitzende Hans-Günther Parplies stellte in seiner Ansprache fest: „Seit Gründung der Stiftung sind 40 Jahre vergangen, in denen sich die Welt, insbesondere aber Europa, entscheidend verändert hat. Die Stiftung hat diese Entwicklungen aufgenommen und ist diesen Weg mit stets wachem Geist mitgegangen bis zum heutigen Tag.“ Parplies fügte hinzu, dass sich der Stiftungsvorstand durchaus in der Tradition der Gründungsväter fühlt, wenn es um die Bewahrung des kulturellen Erbes mit Blick nach vorne geht. Schließlich definiere der Gesetzesauftrag laut Vertriebenengesetz eine Dauer-Aufgabe an die Politik, die auch in Zukunft richtungsweisend sei – so der Stiftungsvorsitzende.

In seiner Festansprache dankte Koschyk namens der Bundesregierung der Kulturstiftung, den Mitgliedern, deren Gremien, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vor allem aber auch den ehrenamtlichen Helfern sowie Spendern ganz herzlich und betonte: „Ihre Arbeit dient nicht nur der Sache der Vertriebenen, sondern ist und bleibt wertvoll für alle Deutschen und strahlt im besten Sinne auf ganz Europa aus.“ Dieter Göllner


MELDUNGEN

Malerei aus Siebenbürgen

Passau − Mit „Kunst aus Siebenbürgen – Maler der klassischen Moderne“ widmet sich das Mu­seum Moderner Kunst in Passau, Bräugasse 17, bekannten Künstlern aus dem Land der Siebenbürger Sachsen. Zu ihnen zählen Hans Mattis-Teutsch und Henri Nouveau sowie Künstler aus Klausenburg, deren Kunsthochschule 1925 gegründet worden war. Die Ausstellung präsentiert zirka 60 Gemälde und 50 Arbeiten auf Papier aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vorgestellt wird noch bis zum 23. November ein weitgehend unbekannter Aspekt der Klassischen Moderne, dessen späte Wiederentdeckung der langen Teilung Europas geschuldet ist. Infos unter www.mmk-passau.de. tws

 

Niinistö eröffnet Buchmesse

Frankfurt/Main − Die vom 8. bis 12. Oktober stattfindende Frankfurter Buchmesse steht unter dem Motto „Finnland.Cool“. Da Finnland diesmal Ehrengast ist, wird das finnische Staatsoberhaupt Sauli Niinistö die Leistungsschau der Verlage eröffnen. tws


S. 10 Geschichte

»Wir wollen raus!«
Tausende wollten mit, als vor 25 Jahren die Prager und Warschauer Botschaftsflüchtlinge mit der Bahn durch Dresden fuhren

Kurz vor der sogenannten Wende in der DDR kam es am Dresdner Hauptbahnhof zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Regimegegnern, wie es sie in dieser Form in Mitteldeutschland das letzte Mal am 17. Juni 1953 gegeben hatte. Auslöser der Zusammenstöße war der Versuch von Ausreisewilligen, in die Züge zu gelangen, welche die Prager Botschaftsbesetzer in den Westen brachten.

Im August 1989 flüchteten tausende Bürger der DDR in die bundesdeutschen Botschaften in Prag und Warschau, um so ihre Ausreise in den Westen zu erzwingen. Das führte zu hektischen Verhandlungen am Rande der UN-Vollversammlung in New York. In deren Verlauf einigten sich die Außenminister der vier involvierten Staaten Bundesrepublik Deutschland, DDR, Tschechoslowakei und Polen sowie der Sowjet­union darauf, die Botschaftsbesetzer ausreisen zu lassen, wobei die DDR darauf bestand, dass dies über ihr Territorium erfolgte, damit zumindest der Anschein einer legalen Ausbürgerung gewahrt blieb.

Also starteten ab dem Abend des 30. September 1989 sechs „Sonderreisezüge“ der Deutschen Reichsbahn mit jeweils zehn Waggons in Prag, um über Bad Schandau, Dresden, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) und Plauen nach Hof zu rollen – dazu kam ein weiterer Zug aus Warschau. Nach Angaben des bayerischen Grenzschutzkommandos Süd gelangten so 5490 Menschen in die Freiheit. Zuvor waren ihnen während des Lokwechsels in Reichenbach (Vogtland) sämtliche Personaldokumente abgenommen worden, wodurch die Ausreisenden zu „Staatenlosen ohne Papiere“ mutierten. Und natürlich hatten die DDR-Verantwortlichen auch für strenge Sicherheitsvorkehrungen entlang der Strecke gesorgt: Armee-Einheiten bewachten Bahnhöfe und Brücken, die Transport-Polizei schaute den Fahrdienstleitern und Stellwerksmeistern auf die Finger und die ohnehin schon penibel ausgesiebten Lokführer bekamen allesamt noch einen Aufpasser von der Reichsbahndirektion oder der Staatssicherheit.

Allerdings war das Problem damit nicht gelöst. Am 3. Oktober, also genau dem Tag, an dem die DDR-Presse den „Verrätern“ auf persönliche Anweisung von Staats- und Parteichef Erich Honecker hinterhergiftete, keiner im Arbeiter- und Bauernstaat weine ihnen eine Träne nach, befanden sich schon wieder um die 7000 DDR-Flüchtlinge auf dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft in Prag. Das machte einen erneuten Einsatz von acht „Sonderreisezügen“ nötig, der diesmal aber nicht so reibungslos verlief wie beim ersten Mal.

Einer der Gründe hierfür war die nunmehr erfolgte Schließung der Grenze zur Tschechoslowakei. Durch diese Maßnahme entstand bei vielen DDR-Bürgern der Eindruck, die Transporte, die demnächst von Prag aus gen Hof rollen würden, seien wohl die allerletzte passable Chance, in den Westen zu gelangen. Deshalb versammelten sich am frühen Abend des 4. Ok­tober 8000 Ausreisewillige auf und vor dem Dresdner Hauptbahnhof, um hier einen Halt der Züge und ihre Mitfahrt zu erzwingen. Etwa 2000 von ihnen kamen dabei aus Bad Schandau, wo ihnen die Weiterreise nach Prag verweigert worden war.

Den Protestierenden standen 800 voll aufgerüstete Bereitschaftspolizisten gegenüber, die martialisch mit den Schlagstöcken auf ihre Schilde trommelten, um die Menge einzuschüchtern. Nichtsdestotrotz schwante dem leichenblassen Chef der Dresdner Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei, Generalleutnant Willi Nyffenegger, dass diese Kräfte nicht ausreichen würden, um die Menge aufzuhalten. Deshalb holte er sich vom Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, die Genehmigung für den Einsatz von Wasserwerfern, der um 20.30 Uhr begann. Hierauf wiederum rissen die Regimegegner das Pflaster auf und warfen mit Steinen.

Gegen 21 Uhr spitzte sich die Lage noch weiter zu: Nun drängten sich bereits um die 20000 Menschen vor dem Bahnhof, denn inzwischen war der erste Zug in Prag abgefahren, was sich schnell herumsprach. Wenig später brannte ein Streifenwagen der Volkspolizei – von Demonstranten umgestürzt und angezündet. Und dann erhielt Nyffenegger um 22.06 Uhr auch noch die Hiobsbotschaft, dass „Rowdys“ die Leitstelle des Bahnhofs sowie den quasi sakrosankten Intershop gestürmt hatten, wo Westwaren für Westgeld gehandelt wurden. Hierdurch geriet der Dresdner Polizeichef komplett in Panik und forderte den Einsatz von Kampfgruppen sowie Armee-Einheiten.

Und tatsächlich sagte der DDR-Minister für Nationale Verteidigung, Heinz Keßler, um 23.15 Uhr militärische Verstärkung zu, wobei er dies interessanterweise gegen­über dem SED-Bezirksparteichef und späteren Linkspartei-Politiker Hans Modrow tat: Vier Bataillone der 7. Panzerdivision Dresden und der Offizierhochschule Löbau sowie 100 Angehörige der Militärakademie „Friedrich Engels“ und sieben Hundertschaften der örtlichen Betriebskampfgruppen sollten „für die Beherrschung der Lage am Dresdner Hauptbahnhof zum Einsatz kommen“. Tatsächlich jedoch marschierten am Ende nur die vorsorglich schon nach Dresden transportierten Offizierschüler an der Seite der Polizei auf, was die Sicherheitsorgane aber dennoch in die Lage versetzte, gegen Mitternacht in den Bahnhof vorzudringen, wo jetzt bloß noch etwa 3000 Unentwegte Widerstand leisteten. Die anderen hatten sich durch das später natürlich niemals eingehaltene Versprechen beruhigen lassen, sie könnten in ihrem jeweiligen Wohnbezirk einen Ausreiseantrag stellen, der binnen drei Tagen bearbeitet werde.

Nach der Räumung des Bahnhofs, bei der die Polizei zum Schluss auch Tränengas einsetzte, donnerte um 1.38 Uhr der erste Zug mit überhöhter Geschwindigkeit über die hochgelegenen südlichen Gleise. Dem folgten zwei weitere Transporte, bis man sich dann entschloss, die anderen fünf über Vojtanov und Bad Brambach nach Plauen laufen zu lassen.

Im Verlauf der Auseinandersetzungen am Dresdner Hauptbahnhof kam es zu 224 Festnahmen, wobei später viele der Verhafteten in den „Zuführungspunkten“ misshandelt wurden. Grund hierfür war nicht zuletzt das Bekanntwerden der Tatsache, dass es um die 60 verletzte Bereitschaftspolizisten gegeben hatte. Ebenso kursierten völlig gegenstandslose Gerüchte über schwere Zerstörungen in der Stadt sowie Lynchmorde an Angehörigen der Sicherheitskräfte.

Mit den Auseinandersetzungen um den Hauptbahnhof war die gewaltsame Phase der fälschlicherweise als „friedlich“ apostrophierten Revolution in Dresden auch noch nicht vorbei, denn in der Folgezeit knüppelte die hypernervöse Polizei immer wieder wahllos Menschenansammlungen in der Elbestadt nieder, bis dann am 8. Oktober endlich die Vernunft obsiegte und es gelang, einen offenen Dialog zwischen Vertretern der Staatsmacht und des protestierenden Volkes zu etablieren.

Wolfgang Kaufmann


Das Wort »verteufeln« geht auf ihn zurück
Nach üblen Folterungen wurde der Breslauer Quirinus Kuhlmann vor 325 Jahren in Moskau als Ketzer verbrannt

Schlesien zeichnete sich in der Frühen Neuzeit als Landstrich mit hoher religiöser Erregbarkeit aus. Das Sektenwesen blühte und Schlesien wurde so zur Heimat unzähliger religiöser Schwärmer, Mystiker und Theosophen, deren bekannteste Kaspar Schwenckfeld und Jakob Böhme waren. Am 25. Februar 1651 kam in Breslau auch der später ungemein wortgewaltige Barock­dichter und religiöse Schwärmer Quirinus Kuhlmann (Kühlmann) als Sohn des gleichnamigen Breslauer Bürgers und der Rosina geborene Ludewig zur Welt. Der Schüler des dortigen Magdalengymnasiums zog wegen seiner geistigen Begabung schon früh die Aufmerksamkeit seiner Lehrer in einem solchen Maße auf sich, dass der Rektor dem Jüngling angeblich prophezeite: „Du wirst entweder ein großer Theologe oder aber ein großer Ketzer werden.“

Zunächst allerdings erprobte sich der junge Quirinus in Breslau als frühreifer Dichter. Er verfasste poetische „Spiel-ersinnliche Grab­inschriften“ auf Persönlichkeiten der Vergangenheit und las nach eigener, wohl etwas übertreibender Angabe einen Großteil der damals 14000 Bücher zählenden Breslauer Ratsbibliothek durch. Mit 18 Jahren verfiel er in Breslau einer schweren (Nerven-)Krankheit und hatte dabei erste religiöse Visionen, in denen er sich als Heiliger sah. 1670 ließ sich Kuhlmann an der Universität in Jena formal als Student der Rechtswissenschaften einschreiben, verfasste aber seitdem pausenlos poetische Schriften und beschäftigte sich statt mit Rechtsfragen immer mehr mit tiefgründigen religiösen Studien. Ab 1673 studierte Kuhlmann im holländischen Leiden, vertiefte sich hier in die Schriften seines schlesischen Landsmannes Jakob Böhme und brach schließlich mit dem Protestantismus.

Er fühlte sich hinfort zum Propheten berufen und trat dabei als ungemein selbstsicherer Herold eines speziell durch ihn zu errichtenden Reiches der „Jesueliter“ beziehungsweise „Kuhlmänner“ auf. Sein Ziel war die Errichtung einer tief religiösen, die ganze Welt umspannenden „Kühlmonarchie“, eines wahrhaften Gottesreiches, dem sich alle Fürsten dieser Welt unterwerfen und beitreten müssen. Immer mehr lebte sich Kuhlmann in die Rolle als berufener Gottessohn ein und verfasste als streitbarer Fanatiker schwärmerische religiös-poetische Schriften wie seinen achtbändigen „Kühlpsalter“, der viele wichtige biografische Details enthält, aber auf den unvoreingenommenen Leser damals wie heute eigentlich nur überspannt-komisch wirkt. Doch Quirinus Kuhlmann glaubte unbeirrbar an seine Sendung, scharte Anhänger um sich und bereiste ab 1677 England und später auch Frankreich, um für sein „Kuhlmannstum“ zu werben. Über den Jesuiten Athanasius Kircher suchte er sogar den Papst in Rom zum Beitritt zu seinem neuen Gottesreich zu gewinnen, natürlich ergebnislos. Quirinus Kuhlmann reiste daher enttäuscht per Schiff von Marseille über Malta in das Osmanische Reich weiter, um nunmehr den türkischen Sultan Süleyman III. zu bekehren und für seine religiösen Ideen zu gewinnen. In Smyrna (Izmir), wo gerade die Pest ausgebrochen war, ließ sich Kuhlmann ausschiffen, wanderte nach Konstantinopel, verfehlte hier den Sultan und musste vor beginnender Verfolgung hastig außer Landes fliehen.

Nunmehr begab sich Kuhlmann nach Russland, um wenigstens das orthodoxe Zarenreich zu bekehren. Doch hier herrschten, wie so häufig, politische Wirren. Der spätere Zar Peter der Große war noch unmündig und dessen ältere Schwester Sofija führte die Regentschaft. Als Kuhlmann in Mos­kau wortgewaltig für seine Lehren warb, wurde er vom deutschen protestantischen Pastor Joachim Meincke beim Moskauer Patriarchen denunziert. Nach üblen Folterungen verbrannte man ihn schließlich am 4. Oktober 1689 in Moskau als Ketzer.

Lange galt Quirinus Kuhlmann nur als Geheimtipp für Leser von esoterischen und kabbalistischen Schriften. Ab den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschäftigten sich hin und wieder Literaturwissenschaftler und Philologen mit Kuhlmann und dessen hinterlassenen Werken. Immerhin sind ungemein viele von Kuhlmanns Wortschöpfungen in die deutsche Sprache eingegangen wie etwa „Angstgedränge“, „Christgesalbter“, „Hauptausjäter“, „Heuchelbeter“, „Irrtumsungeheuer“, „Seelensonne“, „Urbegierde“ und „Wolkenfarbe“. Selbst manche noch heute häufig gebrauchte Verben wie „verteufeln“ gehen auf Quirinus Kuhlmann zurück. Vermutlich aus propagandistischen Gründen ist die Mehrzahl der religiösen und poetischen Werke Kuhlmanns auf Deutsch verfasst. Nur für wenige Werke benutzte er Latein, die damalige Sprache der gelehrten Welt. In seinen lyrischen Werken zeigt Kuhlmann einen Wortreichtum und eine Formenspielerei, die in ähnlicher Form erst wieder von deutschen Poeten im 20. Jahrhundert aufgegriffen wurde. Im Jahr 2008 lobte die Zeitschrift für komische Literatur „Exot“ den „Quirinus-Kuhlmann-Preis für versehentlich komische Literatur“ aus, dessen erster Preisträger im gleichen Jahr der deutsche Schriftsteller Thomas Brussig wurde. Jürgen W. Schmidt


S. 11 Preussen

Gerechtigkeit nach allen Seiten
Vor 140 Jahren wurde in Königsberg das Wilhelms-Gymnasium gegründet

Am 15. Oktober jährt sich zum 140. Male der Tag, an dem eine der bekanntesten höheren Schulen Ostpreußens, das Wilhelms-Gymnasium in Königsberg, gegründet wurde. Bis dahin hatte neben den beiden städtischen Anstalten („Kneiphof“ und „Altstadt“) nur ein königliches humanistisches Gymnasium, das Friedrichskollegium, bestanden.

Aber die Bevölkerung der „Haupt- und Residenzstadt“ war so gewachsen, dass im Jahre 1874 eine zweite Schule gleicher Art vom Staate errichtet wurde. Ein nüchterner Bau aus gelben Klinkern entstand auf dem Hintertragheim Nr. 13; das zugehörige Gelände erstreckte sich bis zum Schlossteich, an dessen Ufer, idyllisch gelegen, das Haus des Schulleiters stand.

Erster Direktor wurde der aus derr Provinz Sachsen stammende 37-jährige Oberlehrer Karl Urban. In seinem Lehrerkollegium befanden sich von Morstein, Tieffenbach und der Vorschullehrer Schoen, die über 30 Jahre an der Anstalt wirkten. 1876 kam dann der Mathematiker Peters hinzu, der bis 1921 im Amte blieb und als Professor „i“ eine populäre Erscheinung an der Schule war.

Der zweite Direktor war Geheimrat Dr. Grosse, ein grauhaariger kleiner Herr mit weißem Kinnbart, der den Schulaspiranten freundlich über das Haar zu streichen pflegte, wenn sie furchtsam an der Hand ihrer Mütter oder Väter bei dem Schulgewaltigen angemeldet wurden. So freundlich der alte Herr zu den Kleinen sein konnte, so böse soll er den Großen gegenüber gewesen sein, wenn ihre Streiche gar zu schlimm waren. Es herrschten preußische Zucht und Ordnung während seiner Direktorenzeit von 1882 bis 1903.

Sein Nachfolger wurde Prof. Dr. Ernst Wagner, der schon früher als Oberlehrer am Wilhelms-Gymnasium gewirkt hatte. Unter seiner Leitung – er war Altphilologe – wurde die humanistische Tradition nicht nur bewahrt, sie wurde eher noch vertieft. Ihm war der Humanismus die Grundlage echter Menschen- und Wissensbildung, und manch einer der damaligen Schüler mag wohl während der Schulzeit mit seinen Eltern gehadert haben, weil sie ihn ausgerechnet in eine solche Schule geschickt hatten. Aber ebenso mag mancher Vater zu seinem Sohne gesagt haben: „Du kannst jetzt ruhig auf dein Gymnasium schimpfen, wenn du erst einmal eigene Söhne hast, dann wirst du sie auch wieder auf ein humanistisches Gymnasium schicken und nach Möglichkeit in das Wilhelms-Gymnasium.“ Und die Väter haben in den meisten Fällen Recht behalten. Der Direktor, wie überall „der Alte“ genannt, gab sein geliebtes Griechisch in den Primen, und es gelang ihm, wie selten einem Pädagogen, den Schülern wirklich die Schönheiten und Klarheiten des Griechentums so nahezubringen, dass es ihnen zum unverlierbaren Besitz wurde.

Das Gymnasium hatte wohl den größten und schönsten Schulhof in Königsberg. Ein besonderes Kleinod war der am Ende des Hofes terrassenförmig zum Schlossteich abfallende botanische Schulgarten mit einem Bassin, in dem Wasser- und Sumpfpflanzen wuchsen. Dieses kleine Mustergärtchen hatte der Vorschul- und spätere Gymnasiallehrer Kirbuß angelegt, eine unvergessliche Gestalt mit blondem Vollbart und von nie erlahmender Güte; ein Genie, denn er betreute nicht nur jahrelang die Nona, er gab auch Naturkundeunterricht bis zur Tertia, brachte den Quartanern die griechische Schrift bei und war außerdem ein hochmusikalischer Gesanglehrer für alle Klassen. Daneben fand er noch Zeit zur Leitung der angesehenen „Photographischen Gesellschaft“ und machte mit Pharmaziestudenten botanische Exkursionen. Zu jenen Alten gehörte auch der von allen Schülern geliebte Schuldiener Alex, ein Veteran von 1870/71, der an den Feiertagen stets im Bratenrock mit dem Eisernen Kreuz im Knopfloch an den Flügeltüren der Aula stand und die Pennäler freundlich mit „Guten Morgen, Herr Kollege“ begrüßte. Als er starb, folgten alle Lehrer und freiwillig alle Klassen seinem Sarge, denn er genoss gleichermaßen das Vertrauen der Lehrerschaft und der Schüler.

Mit wenigen Ausnahmen herrschte eine schöne Harmonie zwischen Lehrern und Schülern; denn Gerechtigkeit nach allen Seiten gehörte zu den Grundsätzen, die Direktor Wagner selbst walten ließ und die er auch von seinen Mitarbeitern verlangte. Das Wilhelms-Gymnasium stand in dem Ruf, die „feudalste“ Anstalt zu sein, weil der Anteil an Schülern aus den Kreisen der Großgrundbesitzer, Offiziere und höheren Beamten recht groß war. Aber es gab keine Bevorzugung, ob es sich um einen Sohn eines Adligen oder eines Handwerkers handelte, die Leistung und vor allem der Cha­rakter des Jungen waren maßgebend. Entsprechend dieser Zusammensetzung war der Anteil der Primaner und Sekundaner, die sich zur Offizierlaufbahn meldeten oder Juristen wurden, hoch; doch gab es eine große Zahl bedeutender Mediziner und auch Gelehrter wie den bedeutenden Mathematiker David Hilbert unter den Ehemaligen. Unter den Lehrern befand sich immer eine größere Zahl hervorragender Fachwissenschaftler; viele wurden auch Leiter anderer Schulen.

Als Direktor Wagner in den Ruhestand trat, folgten ihm Prof. Hans Timreck (1922–1929), bis dahin Direktor des Gymnasiums Marienwerder, und Walter August (1929–1938), bisher Studienrat am Stadtgymnasium in Königsberg. Letzter Direktor war Dr. Alfred Schmidt, der während des Zweiten Weltkrieges, da er zur Wehrmacht eingezogen war, zumeist von Oberstudienrat Dr. Walter Rasch vertreten werden musste. Von 1936 an verlor die Schule schrittweise ihren Charakter als humanistisches Gymnasium und wurde zu einer Oberschule des Normaltyps umgewandelt.

Im Jahre 1924 wurde das 50-jährige Bestehen der Schule in der durch ihren Bildschmuck berühmt gewordenen Aula gefeiert. Zu Hunderten hatten sich die ehemaligen Lehrer und Schüler an dieser Stätte versammelt, wo sie viele Jahre lang täglich die Morgenandacht mitgemacht hatten. Von den Wänden grüßten wieder die von den Malern Carl Steffeck und Emil Neide geschaffenen Werke, unter anderem die großen Gemälde „Einzug des Hochmeisters Siegfried von Feuchtwangen in die Marienburg“ und „Verkündung der neuen Agende durch Herzog Albrecht von Preußen“ sowie die kleineren, aber umso bekannter gewordenen Gemälde „Königin Luise mit ihren älteren Söhnen in Luisenwahl“ und „Fried­rich Wilhelm III. mit Freiherr von Stein und General York“; unter dem Letzteren war das berühmte Wort zu lesen, dass der Staat an moralischen Kräften das ersetzen müsse, was er an physischen verloren habe. Auf dem neu beschafften Steinway-Flügel spielte zu Ehren der im Ersten Weltkriege gefallenen Lehrer und Schüler der Pianist Rudolf Winkler, auch Schüler der Anstalt, in ergreifender Weise den Trauermarsch aus der As-Dur-Sonate von Ludwig van Beethoven. Noch einmal erklang die Stimme des alten Direktors Wagner, der in bewegenden Worten der Gefallenen gedachte: „Ich sehe sie alle noch einmal vor mich hintreten in ihrer blühenden Jugend und gebe ihnen noch einmal die Hand, ehe sie wieder in das Reich der Schatten hinabsteigen.“ Eine Ehrentafel, vom Zeichenlehrer und Kunstmaler Radtke gestaltet, wurde enthüllt.

Die Zahl der Gefallenen war außerordentlich hoch; so hatte der Abiturientenjahrgang 1913 von seinen 25 Abiturienten über die Hälfte verloren, und vom Rest waren kaum zwei bis drei unverwundet geblieben. Wohl keiner ahnte damals, dass auch die nachfolgenden Schülergenerationen noch einmal ein ähnliches Blutopfer würden bringen müssen, an das jedoch keine Ehrentafel in der Aula des ehrwürdigen Schulgebäudes mehr mahnen würde.

Im August 1944 sank das Wilhelms-Gymnasium nach fast 70-jährigem Bestehen bei einem eng­lischen Luftangriff in Trümmer. Im Januar 1945, als der russische Massenangriff Ostpreußen wieder vom Reiche abgeschnitten hatte, wurde der Unterricht eingestellt: Das Wilhelms-Gymnasium hatte zu bestehen aufgehört. E.B.


Als erstes griff er nach dem Buche
Der zwischen Schloten und Hochöfen aufgewachsene Schriftsteller Alfred Hein liebte die Wälder und Berge

Als die Mutter nach einem alten oberschlesischen Brauch dem Knaben an seinem ersten Geburtstag Geld, Salz, Brot und ein Buch vorlegte, da griff er nach dem Buche“, berichtete der Vater und schilderte Alfred Hein als einen stillen, versponnenen Jungen, der sich früh daran gewöhnte, Bücher zu lesen, und der früh zu dichten begann. Schon mit zwölf Jahren sah der spätere Autor seine Gedichte in Westermanns Monatsheften und anderen Zeitschriften gedruckt.

Alfred Hein wurde am 7. Ok­tober 1894 im oberschlesischen Beuthen geboren; er stammte aus einem Elternhaus, in dem die Musen gepflegt wurden, in dem geschrieben und musiziert wurde. „Es waren Stunden vollkommenster Harmonie, wenn Vater und Mutter vierhändig Sonaten von Beethoven und Clementi spielten“, berichtete Alfred Hein über die elterlichen Hausmusikabende. Sein Vater war der in Beuthen angesehene Heimatforscher und Konrektor Benno Hein.

Der Krieg von 1914 öffnete dem zwischen Schloten und Hochöfen statt in den Wäldern und Bergen, die er über alles liebte, Aufgewachsenen die Tore zur Welt. Der Berliner Exerzierplatz, der Rhein und die französische Westfront schufen die ersten überwältigenden Naturerlebnisse, die ihn Lerchen von Amseln und Eschen von Erlen unterscheiden ließen.

Mitten im grausigsten Kriegsgeschehen, in der Hölle von Verdun, überkam den jungen Meldeläufer 1916 das schnell zum Volkslied gewordene Gedicht „Eine Kompanie Soldaten“, das in der „Liller Kriegszeitung“ erschien, mehr als zehnmal vertont wurde, viele Male nachgedruckt, ins Französische übersetzt und zweimal preisgekrönt wurde. Das Lied bildete das Leitmotiv zu Alfred Heins zwölf Jahre später geschriebenem gleichnamigen Verdun-Roman, der auch ins Englische übersetzt wurde.

„Nach dem Kriege“, so erzählt Alfred Hein selbst, „ward ich Re­dak­teur bei der ,Hartungschen Zeitung‘ in Königsberg (Feuilleton). In meiner Freizeit schrieb ich lyrische Novellen und Gedichte, die auch gedruckt wurden („Die Lieder von Frieden“, „Der Lindenfrieden“, „Terzinen an die tote Isot“). 1923 wurde ich Leiter der Reichszentrale für Heimatdienst in Ostpreußen. Die waldeinsame, weltverlorene ostpreußische Landschaft schenkte mir die entscheidende naturhafte Verinnerlichung meines Wesens und ließ mich den durch die Kriegserlebnisse verlorengegangenen Glauben an das Leben und an Gott wiederfinden. 1929 kam ich nach Halle/Saale. Das mitteldeutsche Land wurde mir Heimat der Seele, wenn ich von den Kämpfen des Alltags ausruhen wollte, die besonders hart für mich wurden, nachdem ich 1931 meine staatliche Stelle ohne jede Pension verloren hatte.“

Ab 1933 lebte Alfred Hein als freier Schriftsteller in Berlin. Es war nicht leicht, mit Schreiben das Brot für fünf Personen zu verdienen. Neben der Tagesschriftstellerei entstanden Romane, Novellen, Jugendbücher, Hörspiele. Alfred Hein hatte 1943 gerade seinen neuen Roman „Evangelium der Berge“ begonnen, als er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Luftschutzdienst, Zahlmeisterlehrgang waren die Etappen. 1944 kam er bei den Landesschützen in Oberschlesien zum Kriegseinsatz, wo er die letzte Phase des Krieges erlebte.

Am 8. Mai 1945 geriet Alfred Hein in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er im November 1945 als Todkranker entlassen wurde. In einem Heimkehrerlazarett zu Halle an der Saale ist er am 30. Dezember 1945 verstorben.

Seinen literarischen Nachlass vertraute Alfred Hein seiner langjährigen Lebensgefährtin Annke-Margarethe Knauer an mit den Worten „Nie braucht mein Werk einsam zu rasten, die erste, die’s in sich aufnimmt, hält Gericht, indem sie zärtlich ihm den Weg bereitet, vielleicht in die Welt, immer in ihr Herz.“ Alfred Hein hatte Margarethe Knauer 1924 in Ostpreußen kennengelernt. Sie erzählte ihm von ihrem und ihrer Familie Kriegsschicksal 1915 bis 1918 in russischer Gefangenschaft, und schon stand für ihn fest, dass daraus ein Buch entstehen müsse. Und in der Tat: Auf ihre Aufzeichnungen ging sein 1931 im Thienemann-Verlag Stuttgart erschienenes Buch „Annke“ zurück. Die gemeinsame Arbeit an dem Buch war der Anfang einer Arbeits- und Lebenskameradschaft, die 20 Jahre bis zu seinem Tode währte. Nach seinem Tode gab sie aus seinem Nachlass unter anderem eine Neuausgabe des Verdun-Romans „Eine Kompanie Soldaten“, eine Lyrik-Auswahl „Unter den Sternen“ und eine Neuausgabe der Novelle „Verliebte Ferienreise“ heraus sowie einen „Zuhausmusik“ betitelten Band mit Geschichten, Gedichten, Betrachtungen und Briefen, dem, nachdem er vergriffen war, eine Taschenbuchausgabe mit dem Titel „Zu Haus in Oberschlesien“ folgte.

„Musik ist alles! O wäre es auch mein schmal und abseits blühendes Werk!“, sagte Alfred Hein. Alles, was er schrieb, sei es ein Roman, eine kleine Novelle oder ein Gedicht, baute er nach musikalischen Gesetzen auf. Immer wieder ergreifend in seiner Innigkeit, Musikalität und volksliederhaften Schlichtheit sind seine Verse. Wie singt und klingt es, wenn er dem Geheimnis der Birken nachspürt: „Birken sind wie Märchenspende süßverliebter Mädchenhände hingeweht die Waldallee. Wie sie mit dem Laubhaar kosen, ach, sie wissen um die Rosen, ach, sie wissen um das Weh …“ E.B.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Eher genutzt als geschadet

Zu: Faschismuskeule prallte ab (Nr. 38)

Die Überschrift greift zu kurz. Denn erstens hat gerade eine große Boulevardzeitung am Wahlsonntag in Thüringen sowie Brandenburg vor allem die Sozialismuskeule geschwungen. Was im Übrigen durch die damit verbundene Aufmerksamkeit der Partei Alternative für Deutschland (AfD) eher genutzt haben dürfte. Und zweitens ändern manchmal vielleicht sehr einseitige Medien wenig daran, dass die neue Alternative die zum Teil falschen Antworten für die Menschen durchaus bewegenden Fragen liefert.

Da zum Beispiel die Grenzkriminalität weniger eine Aussetzung des Schengener Abkommens als vielmehr eine deutlich intensivere Zusammenarbeit der örtlichen deutschen und polnischen sowie tschechischen Behörden erfordert bis hin zu gemeinsamen Polizei-Patrouillen. Weswegen man sich gegenüber den Nachbarn endlich stärker öffnen muss, zumal es hier noch erhebliche Luft nach oben gibt und jegliche Abgrenzung insbesondere immer der lokalen Wirtschaft schadet.

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

 

 

Widersprüchliche Klima-Ergebnisse

Zu: Doppeltes Desaster beim „Klimaschutz“ (Nr. 38)

Zum Thema Klimawandel werde ich als Zeitungsleser angesichts völlig widersprüchlicher Meldungen gerade mal wieder verwirrt. Einerseits lese ich in der PAZ, dass es „seit 1997 keine weitere Erhöhung der Globaltemperatur“ gab. Und dass sich „die arktische Eiskappe nun bereits seit zwei Jahren ausdehnt – und zwar in erheblichem Ausmaß“. Auch sei der Eispanzer nicht nur umfangreicher, sondern auch dicker geworden, und das Eis weise eine größere Dichte auf. Das klingt doch erfreulich.

Andererseits lese ich heute, nur zwei Tage später, in meiner Tageszeitung, den „Nürnberger Nachrichten“, zum Thema Klimagipfel: „Die letzten drei Jahrzehnte waren wärmer als alle vorhergegangenen seit 1850.“ Und weiter: „Der Temperaturanstieg wirkt am stärksten in der Arktis, wo Gletscher und Polkappen schmelzen.“

Ja, was denn nun? Wie können Fachleute zu solch unterschiedlichen Messergebnissen kommen? Wer irrt sich, oder wer lügt in welchem und wessen Interesse?

Klaus Plorin, Rückersdorf

 

 

Kollektiver Klima-Irrsinn

Zu: Doppeltes Desaster beim „Klimaschutz“ (Nr. 38)

Zeitgleich zu der Mitteilung in der PAZ, wonach die „die Eiskappen wachsen“, bringt beispielsweise die „Lausitzer Rundschau“ am 19. September auf der Titelseite die bebilderte Mitteilung „das Eis schwindet“. Danach ist die Nord-West-Passage eisfrei und die Ostsibirische See bis über 85 Grad nördlicher Breite abgetaut. Die eingezeichneten Linien fordern zum Denken auf.

Um 4200 Seemeilen vom Atlantik in den Pazifik einzusparen, braucht man nur nördlich um Kanada zu fahren, und durch die Nord-Ost-Passage spart man sogar noch viel mehr. Die USA haben wohl schon einmal versucht, einen kleinen Konvoi durch die Nord-West-Passage − mit Eis­brechern, warum eigentlich? − hindurchzukämpfen.

Übrigens wird der Seeweg auch im Internet als eisfrei beschrieben. Aber warum wird dann jede einzelne Bewältigung wie eine Heldentat aufgelistet? Warum eigentlich bezahlen die Reeder bei dem unnötigen Umweg durch den Panamakanal die Zeit und auch mehrere hunderttausend Dollar Gebühren?

An klaren Tagen kann man südlich von Berlin bis zu 16 Kondensstreifen gleichzeitig zählen. Ein Interkontinentalflug verbraucht etwa 100 Tonnen Kerosin. Das entsprechende Kohlendioxid wird auch dann über der Troposphäre ausgestoßen, wenn Klimaschützer von Konferenz zu Konferenz fliegen, um die etwa sieben Gramm eines Fahrzeugs auf der Erdoberfläche einzusparen, wo es ohnehin von der Assimilation beseitigt wird. Wir scheinen in einer Zeit des kollektiven Irrsinns zu leben, wenn tatsächlich wahr sein sollte, was derzeit ziemlich gleichgeschaltet durch die Medien läuft.

Sven von Erichsen, Lebusa

 

 

Ein gutes Beispiel

Zu: Wer sein Kind liebt, geht in den Knast (Nr. 38)

Endlich, nach vielen Jahrzehnten teils namenloser Berichterstattung über gutes oder verwerfliches Handeln von Institutionen und Organisationen, ringt sich mit der PAZ-Autorin Eva Herman jemand durch und fügt in ihrem Artikel den beschriebenen Geschehnissen die Namen der eigentlich handelnden Menschen und damit den eigentlich Verantwortlichen hinzu.

Sehr hilfreich sind dann auch noch die am Ende des Kommentars angefügten E-Mail-Adressen, worüber der Leser diese verantwortlichen Menschen kurz und bündig direkt erreichen kann. Wenn doch auch die anderen Redaktionsmitglieder diesem für den Leser hilfreichen Beispiel folgen könnten, wäre die PAZ perfekt. Danke Frau Herman!

Klaus-Peter Steinwender, Hilden

 

 

Nicht die Vergangenheit, dafür aber die Gegenwart ist änderbar

Zu: „Geschichte ist irreversibel“ (Nr. 37)

Als gelernter Geschichtslehrer und Autodidakt speziell betreffs der Weltkriegsära kann ich nur zustimmen: Der Erste Weltkrieg war kein Versehen oder eine Verkettung unglücklicher Umstände. Denn wenn er nicht gewollt gewesen wäre, hätte man ihn spätestens nach der Erstarrung der Fronten im Herbst 1914 abgebrochen. Der Krieg war ein vor allem von Großbritannien, Russland und Frankreich zielstrebig herbeigeführtes Ereignis.

London war der Regisseur der politisch-militärischen Bündnisse, doch vermied es diplomatisch und propagandistisch meisterhaft den Eindruck einer aggressiven Allianz gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn. Nein, man verteidigte sich nur gegen den preußisch-deutschen „Militarismus“, auch wenn die Triple-Allianz 1914 in fast allen Bereichen militärisch hoch überlegen war und die Rüstung noch weiter ausbauen wollte.

Hingegen fiel der deutsche Entschluss, die Triple-Allianz in der Julikrise 1914 zu sprengen beziehungsweise nach dem Scheitern dieses Plans, kriegerisch gegen Russland und Frankreich vorzugehen, erst nach der vollendeten politischen Einkreisung und nach der Generalmobilmachung des Zarenreichs. Die einzige wirkliche „Aggression“ des zweiten deutschen Reiches war sein raketenhafter Aufstieg in Wirtschaft, Handel und Wissenschaften, so dass es kontinentale Hauptmacht wurde.

Man könnte also den Schuldvorwurf umkehren, doch ist „Schuld“ trotz der Nürnberger Prozesse keine geschichtswissenschaftliche Kategorie, sondern entweder eine politisch-propagandistische oder eine der persönlichen Wertung solcher Historiker, die vor allem Richter spielen oder eine Gesinnung verbreiten wollen. Andererseits bleibt es dabei, dass der Erste Weltkrieg die Ursprungskatastrophe für Europa insgesamt gewesen ist, mögen auch einige neu gegründete Staaten Ostmitteleuropas zunächst davon profitiert haben.

Andere hingegen wie Jugoslawien und die Tschechoslowakei erwiesen sich dermaßen als Fehlkonstrukte, dass sie bereits zwischen 1939 und 1941 untergingen. Der Krieg war der Auslöser für die Machtübernahme der Kommunisten in Russland, für das verhängnisvolle Versailler Diktat, die Durchsetzung der NS-Diktatur und damit auch für den Zweiten Weltkrieg, für Jalta und Potsdam und damit für die Aufteilung Europas in einen Machtbereich der USA und in einen der Sowjetunion.

Wenn wir heute einen Aufstieg der „Ismen“ erleben − die Sorgen des Autors für die Gegenwart sind berechtigt − dann weil die Europäische Union zur zentralistischen Zwangsbeglückung entartet ist, Staaten gegen jede Räson wenig gegen außereuropäische Armutseinwanderer tun, die Verarmung süd- und osteuropäischer Länder durch eine falsch konzipierte Währung hinnehmen oder ebenso Geburten-Verweigerung, das heißt aber Zukunftsverweigerung, als unveränderliches Schick­sal hinstellen.

Wenn die Politiker fortfahren, sich vor allem als Lobbyisten eines fast schrankenlosen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neoliberalismus zu gebärden oder nur verbale Beruhigungspillen verabreichen, statt als Sachwalter ihrer Nationen aufzutreten, dann kann der Wind, den sie gesät haben, zu einem Sturm anwachsen, gegen den dann auch keine paramilitärische europäische Eingreiftruppe etwas ausrichten wird. Im Vergleich zu den noch herrschenden Eliten sind hingegen viele Forderungen der gemäßigt „rechtspopulistischen“ Parteien ein dringend notwendiges Korrektiv und geradezu eine Fundgrube für politisches Maß und Vernunft. Ja, Geschichte, die geschehen ist, ist irreversibel, doch die gegenwärtigen Krisen sind es nicht, auch wenn man manchmal alle Hoffnung ob der Torheit der Regierenden aufgeben möchte.

Rudolf Kraffzick, Hanau


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Keine Mittel für maroden Südbahnhof
Königsberger Eisenbahn beklagt Rückgang des Pendelverkehrs – und beschäftigt zu viele Kontrolleure

Der Königsberger Südbahnhof muss dringend renoviert werden. Eine Überprüfung ergab, dass das Dach undicht ist. Doch statt Mittel für die Restaurierung einzuplanen, gibt die Königsberger Eisenbahngesellschaft viel Geld für Kontrollen aus.

Das Moskauer Amtsgericht hat die Städtische Eisenbahngesellschaft angewiesen, die bei einer turnusmäßigen Überprüfung des Königsberger Südbahnhofs festgestellten Mängel am Gebäude bis zum 1. März nächsten Jahres zu reparieren. Doch bis jetzt ist unklar, ob die Eisenbahndirektion den Anweisungen des Gerichts Folge leisten kann. Denn in letzter Zeit beklagt die Eisenbahngesellschaft einen Rückgang des Vorortverkehrs, fordert zusätzliche Subventionen von der Gebietsregierung und reduziert derweil die Zahl der regelmäßigen Zugverbindungen.

Der Südbahnhof ist eines der ersten Gebäude, das Bahnreisende erblicken, wenn sie in Königsberg ankommen. Das Bahnhofsgebäude ist nicht nur deshalb von historischem Wert, weil es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erbaut wurde, sondern auch, weil seine Säle und Bahnsteige nicht selten Kulissen bekannter russischer Kinofilme waren.

Der Bahnhof wurde 1929 erbaut. Heute umfasst er eine Fläche von 15000 Quadratmetern. Ungeachtet dessen, dass Königsberg zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt war, hatte die Stadt lange Zeit keinen Bahnhof, der die Funktion eines Hauptbahnhofs wahrnahm. Zwar gab es schon vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs Pläne für den Bau eines Hauptbahnhofs, doch wurden diese aus verständlichen Gründen verschoben, so dass der Bau erst in den 1920er Jahren begann.

Beim Sturm auf Königsberg 1945 gab es auf dem Gelände des Bahnhofs erbitterte Kämpfe, infolge derer der Bahnhof beschädigt wurde. Erst 1949 wurde er nach Reparaturarbeiten wieder eröffnet.

2003 wurden dann die Fassade und die inneren Säle des Bahnhofs renoviert. Das Bahnhofsgebäude besteht aus einer Stahlkonstruktion, die mit Ziegeln verkleidet wurde. Bei einer turnusmäßigen Untersuchung des Gebäudes stellte die Verkehrsbehörde fest, dass das Dach undicht ist. Im Wartesaal, in den Gängen und im unterirdischen Tunnel haben sich durch das beschädigte Dach Leckagen gebildet. Zugpassagiere müssen mit Pfützen und rutschigen Stufen rechnen.

Statt die aus dem Gebietshaushalt bereitgestellten Mittel für die Restaurierung des Bahnhofs zu verwenden, leistet die Eisenbahngesellschaft sich jedoch ein umständliches Kontrollsystem, das etwas Groteskes hat: Erwirbt jemand an der Kasse des Südbahnhofs eine Fahrkarte für einen Vorortzug, muss er zunächst eine der elektronischen Schranken passieren, die vor ein paar Jahren aufgestellt wurden. An den Schranken stehen Mitarbeiter, die den Reisenden beim Scannen der Fahrkarten helfen.

Der Alltag zeigt, dass diese Methode wenig effektiv ist, da sich gerade in den Sommermonaten Schlangen bilden. Die elektronischen Schranken können entweder die Tickets nicht richtig lesen oder sie funktionieren überhaupt nicht. Verärgerte Passagiere streiten mit den Bahnangestellten. Haben die Reisenden diese erste Hürde überwunden, erwartet sie bereits die nächste. Kaum dass der Zug sich in Bewegung setzt, erscheinen Kontrolleure in Begleitung von speziellem Schutzpersonal, um erneut die Fahrkarten zu kontrollieren. Dabei war die Aufstellung der elektronischen Schranken eigentlich zur Einsparung der Zugkontrolleure gedacht.

Doch mit einer Doppelkontrolle war es der Leitung des Vorortverkehrs offensichtlich noch nicht genug. Sie führte noch eine dritte Stufe der Kontrolle ein, und zwar die Überprüfung der Kontrolleure. Das heißt, unmittelbar, nachdem die Kontrolleure alle Passagiere auf gültige Fahrscheine überprüft haben, gehen sogenannte Inspektoren noch einmal durch die Waggons und zwar zu Dritt.

Sie folgen buchstäblich den Kontrolleuren auf den Fersen und wiederholen deren Arbeit. Die letzte Kontrollhürde erwartet die Passagiere am Zielbahnhof. Über Lautsprecher werden sie darüber informiert, dass sie ihre Fahrscheine am Ausgang bereit halten sollen, um das Bahnhofsgelände verlassen zu können. Ergänzt werden die Aktivitäten der Kontrollorgane von neuen hohen Zäunen, die um die Bahnhofsgelände herum gezogen wurden.

Wenn man bedenkt, dass ein Zugfahrschein für eine Fahrt von Königsberg nach Cranz umgerechnet nicht mal einen Euro kostet, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie gerechtfertigt ist solch eine Kontrollwut unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten? Selbst wenn die Vielzahl an Kontrolleuren hin und wieder einen Schwarzfahrer erwischt, ist es unwahrscheinlich, dass sich der Aufwand lohnt. Rechnet man die Kosten für die Installation der Lichtschranken zu den Gehältern der Kontrollkräfte hinzu, erscheint das Ganze völlig sinnlos. Der einzige positive Effekt ist, dass auf diese Weise Arbeitsplätze entstehen.

Es verwundert nicht, dass bei einer solchen Verwendung der Mittel das Geld für die Restaurierung des Hauptbahnhofs nicht reichen kann. Jurij Tschernyschew


»Eine Perspektive, die uns alle verbindet«
Das Museum Friedländer Tor in Königsberg schildert unter Einbeziehung der Vorkriegsbewohner deren Alltag

Das Museum Friedländer Tor hat eine Ausstellung mit dem Titel „Geschichte in Gesichtern – Gesichter in der Geschichte Königsbergs“ im Rahmen des internationalen Projekts „Museum über Grenzen hinweg“ eröffnet. Sie wurde im Rahmen des Programms „Zeugnisse“ erstellt und erzählt vom Alltag der Bewohner Königsbergs und Elbings.

Es werden Fotografien aus den Familienarchiven von Interviewten und andere Gegenstände aus der Vorkriegszeit gezeigt, und auch ein Dokumentarfilm mit Interviews mit Bewohnern der beiden Städte, die damals noch Kinder waren, werden vorgeführt. Im Film berichten die wenigen Zeitzeugen von ihren Kindheitserinnerungen im Leben der Vorkriegszeit in Elbing und Königsberg. Sie erzählen von Familienfeiern, die Gerichte, die es zum Mittagessen gab, wie sie ihre Freizeit verbracht haben und welche Spiele sie mit Gleichaltrigen gespielt haben. Die gesammelten Erinnerungen zeichnen ein Gesamtbild des Lebens im nördlichen Ostpreußen vor dem Krieg.

Museumsdirektorin Marina Jadowa begrüßte die Gäste: „Ich möchte die Geschichte der Stadt aus einer Perspektive, die uns alle verbindet und eint, nämlich der Liebe zu der Stadt, betrachten. Wir möchten, dass die jungen Königsberger eine Vorstellung davon bekommen, was die Menschen, die hier vor dem Krieg lebten, bewegt hat und welche Ideen sie hatten.“

Während der Ausstellungeröffnung hatten die Gäste aus der Bundesrepublik die Gelegenheit, sich mit der ständigen Ausstellung des Museums bekannt zu machen und sich den virtuellen Spaziergang durch Königsberg anzusehen.

Eine ähnliche Ausstellung werden die Projektpartner im archäologischen und historischen Museum von Elbing zeigen. Das Zweijahres-Budget beträgt 3,9 Millionen Euro. Die Ausstellung wurde im Rahmen des Projekts „Museum ohne Grenzen“ erstellt und mittels des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI) finanziert. Das ENPI ist ein Finanzierungsinstrument der Europäischen Union. Es ist die wichtigste Quelle für die Finanzierung der 17 Partnerländer (inklusive Russland) der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP). Die ENP ist ein Programm der EU, das 2004 von der EU-Kommission als Strategiepapier vorgelegt wurde. Strategisches Ziel der ENP ist es, einen „Ring stabiler, befreundeter Staaten“ um die EU herum zu etablieren. Das Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument ersetzt die Kooperationsprogramme TACIS (Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States) für die osteuropäischen Partnerländer und MEDA (Mésures d’accompagnement financières et techniques) für die Partnerländer im Mittelmeerraum. Für den Zeitraum 2007 bis 2013 betrug die gesamte Mittelzuweisung für das ENPI fast zwölf Milliarden Euro.

Bei der Ausstellungseröffnung waren auch Gäste aus der Bundesrepublik zugegen, hauptsächlich Ostpreußen. Unter ihnen waren auch Teilnehmer des Dokumentarfilms, die durch ihre Mitarbeit zur Verwirklichung des Museumsprojekts beigetragen hatten. J.T.

Die Ausstellung „Geschichte in Gesichtern“ ist noch bis zum 20. Dezember im Museum Friedländer Tor, ul. Dzerschinskogo 30, Königsberg, Telefon 007 (4012) 644020 zu sehen.


Störungen des Verkehrs

Straße Nr. S7: Verkehrsknoten: Elbing Ost [Elblag Wschód], Baustelle. Straße Nr. 16: Bergfriede [Samborowo] – Wirwajdy, Baustelle; Nikolaiken [Mikołajki], Baustellen; Kreuzborn [Krzyzewo] – Reiffenrode [Prawdziska], Baustelle. Straße Nr. 16c: Allenstein [Olsztyn] – Wartenburg [Barczewo], Baustelle. Straße Nr. 22: Elbing [Elblag] – Rehfeld [Grzechotki], Baustelle. Straße Nr. 51: Hermenhagen [Osieka] – Lauterhagen [Samolubie], Baustelle. Straße Nr. 57: Klein Schöndamerau [Trelkówko] – Eichtal [Debówko], Baustelle; Ortelsburg [Szczytno], Erneuerung der Straßen. Straße Nr. 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig. Straße Nr. 58b: Johannisburg [Pisz], Czernieckiegostraße, Baustelle. Straße Nr. 59: Rhein [Ryn] – Weydicken [Wejdyki], Baustelle. Straße Nr. 63: Primsdorf [Prynowo], Renovierung der Brücke; Angerburg [Wegorzewo], Erneuerung der Bürgersteige; Arys [Orzysz] – Johannisburg [Pisz], Baustelle. Straße Nr. 65: Prostken [Prostki] – Bogusze, Baustelle.

PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

manche würden es wohl ein perfektes „timing“ nennen – ich bezeichne es lieber als glückliche Fügung, dass wir ausgerechnet in Folge 37 das Bild von der Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus der Patronatskirche von Coadjuthen brachten. Denn an dem Wochenende fand gerade das große Treffen der ehemaligen Bewohner dieses memelländischen Kirchspiels in Hannover statt – mit einer Beteiligung, die alle Erwartungen übertraf. Man kann es kaum glauben, aber von den bisherigen 17 Treffen der Coadjuther war dieses mit 50 Teilnehmern das größte überhaupt, zehn neue Heimatfreunde konnte Günter Uschtrin begrüßen. Dabei stellte sich zur Überraschung aller Anwesenden heraus, dass allein fünf Nachfahren des ehemaligen Coadjuther Arztes Dr. Ludwig Siehr gekommen waren, die sich in dieser Gruppierung zum ersten Mal seit 70 Jahren persönlich begegneten. Sie hatten zwar voneinander gewusst, aber es war bisher nie zu einem Familientreffen gekommen, das nun als „Treffen im Treffen“ gefeiert wurde. Das Programm konnte sich aber auch sehen und hören lassen, denn zwei aktuelle Ereignisse, die sich in den letzten zwölf Monaten in Coadjuthen ereigneten, lebten in Wort, Bild und Kirchenmusik noch einmal auf: die Anbringung der historischen, zweisprachigen Gedenktafel im Kirchen-Inneren sowie die Montage und Fertigstellung der aus Hagen/Westf. gespendeten Kirchenorgel durch den deutschen Orgelbauer Jörg Naß aus Rheine. Dieser hatte den Verlauf und die Stimmung der feierlichen Orgelweihe in Ton und Bild festgehalten und konnte nun das Treffen mit dieser Dokumentation bereichern. Das veranlasste eine 83-jährige Coadjutherin zu einem spontanen Bericht über ihre Eindrücke von der Orgelweihe und über die Gefühle, die sich seit der Vertreibung aus ihrem Heimatort in ihr aufgestaut hatten. Nach über 70 Jahren war sie nun an dem Ort, wo sie zuletzt den kirchlichen Segen empfangen hatte. Coadjuthen lebt: Das spürte man in allen Darbietungen, zu denen auch ein Bericht unseres Heimatfreundes Bernd Dauskardt über seine Erfahrungen mit anderen noch vorhandenen memelländischen Kirchen beitrug. Danach zeichnet sich die Patronatskirche von Coadjuthen durch Besonderheiten aus, die nirgendwo sonst zu finden sind: die Bewahrung der Ursprünglichkeit der 1734 erbauten Patronatskirche und die damit verbundenen Zeugnisse deutscher Herkunft. Dazu gehören die Gefallenentafeln aus vier Kriegen, das Altarbildnis, das Taufbecken, das Gestühl, aber auch die im Wesentlichen unversehrte Friedhofskultur auf dem Kirchengelände. Herr Dauskardt betonte, dass die Bewahrung und Restaurierung dieser Zeugnisse deutscher Kirchenkultur den Verantwortlichen in Litauen nicht hoch genug anzurechnen sei: „Wo findet man heute so etwas in Deutschland oder anderswo?“

Und da wären wir wieder bei dem Thema „Gedenktafeln“, das – ausgehend von der geretteten und restaurierten Gefallenentafel in Seegertswalde, über die wir in Folge 37 berichteten – die Frage nach weiteren erhaltenen Tafeln in ostpreußischen Kirchen aufwarf. Da sind bereits einige Zeugnisse zusammen gekommen, über die Herr Siegfried Neckritz, der die Frage gestellt hat, sicher staunen wird. Fast umgehend meldete sich Herr Gerhard Prengel, der in einem „Reiseführer Ostpreußen“ die Angaben über weitere Kirchen entdeckte, in denen Gedenktafeln an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnern. So in den noch heute als evangelische Gotteshäuser genutzten Kirchen in Weißuhnen, etwa acht Kilometer nördlich vom Niedersee gelegen, und in Passenheim. In letzterer sind auch Gedenktafeln für die in den Befreiungskriegen Gefallenen der Gemeinde vorhanden. Auch in dem heute als Methodistenkirche genutzten Gotteshaus in Gilgenburg befindet sich neben dem Altar eine Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.

Das bestätigt auch Frau Ute Eichler, die nicht nur auf diese Tafel hinweist, sondern auch auf eine weitere in der evangelischen Kirche in Osterode. Und wir müssen noch einmal in das Memelland zurückkehren, denn dort entdeckte Ute Eichler kürzlich in der Kirche von Kinten [Kintai] zwei gut erhaltene Gedenktafeln mit vielen darauf verzeichneten Namen, von denen sie Abbildungen gemacht hat.

Es gibt schon manchmal eigenartige Zufälle – anders kann man es wohl nicht nennen, denn dass wir ausgerechnet jetzt, da dieses Thema so eingehend von uns behandelt wird, eine Anfrage aus Allenstein bekommen, die sich ebenfalls mit einer Gedenktafel beschäftigt, dürfte in keinem direkten Zusammenhang mit unserer Veröffentlichung stehen. Kein Relikt aus der Vorkriegszeit, das sich in einer Kirche befindet, sondern um eine Tafel, die im Allensteiner Rathaus entdeckt wurde. Jahrzehntelang war sie unter einem Teppich versteckt, jetzt soll sie restauriert und wieder aufgestellt werden. Es handelt sich um eine halbkreisförmige Tafel, über die auf rotem Untergrund bogenförmig eine Inschrift läuft. Links befindet sich der Block mit den Namen der Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg. Es soll sich um Angehörige des Allensteiner Magistrats handeln, deren Namen hier ehrenvoll bewahrt bleiben sollten, was ja nun nach der Entdeckung weiterhin geschehen wird. Leider ist die Tafel an einigen Stellen verwittert oder beschädigt, besonders im unteren Bereich, in dem sich die Namen befinden. Und gerade sie sind für die Restaurierung wichtig, wie aus der E-Mail von Frau Joanna Black aus Allenstein hervorgeht. Die Büroleiterin des Verbandes der Deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren hofft, dass sie über uns Allensteiner findet, die helfen können, die nur noch bruchstückhaft vorhandenen Namen zu identifizieren. Zu diesem Zweck übersandte sie uns einige Abbildungen, die aber nicht sehr hilfreich sein dürften, weil selbst die vollen Namen kaum zu erkennen sind, wie aus dem veröffentlichten Foto ersichtlich ist. Ich habe nun versucht, die lesbaren Namen wie auch die Bruchstücke so gut wie möglich zu enträtseln – meinem Augenarzt sei Dank! – und dies ist das Ergebnis:

Witt Johann, Gef. / Schumann Josef Gef. / Hinzmann August verm. / Sindpowski Josef verm. / Skribski Johann Gef. / Schmidt Emil Gefr. / Roesler Rudolf Gefr. / Brozi August Gefr. / Neumann Franz / Schiwek August. Erkennbar sind noch die Vornamen Eugen, Leopold und Karl, die Nachnamen sind unleserlich. Es gilt nun herauszufinden, ob es noch Nachkommen aus diesen Familien gibt, die mit Informationen über die damals beim Allensteiner Magistrat beschäftigt gewesenen, im Ersten Weltkrieg Gefallenen oder Vermissten etwas sagen könnten. Sehr hilfreich wäre es, wenn sich in irgendeiner Publikation aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine Abbildung von dieser großen Gedenktafel, die durch ihre rote Farbe besonders auffällig ist, finden würde. Vielleicht kann sich auch jemand an den Künstler erinnern, der diese reich verzierte Tafel geschaffen hat. Frau Joanna Black ist in Allenstein unter der Telefon-/Faxnummer 48895235680 und über die E-Mail-Adresse: biuro@zsnwim.eu zu erreichen. Zuschriften können aber auch an unsere PAZ-Adresse gerichtet werden.

Frau Eichler konnte uns aber noch mehr mitteilen, denn sie hat sich sehr gefreut, den Namen des Bildhauers Georg Fuhg wieder einmal in der PAZ zu lesen, denn der Beitrag in der Folge 36 interessiert sie auch aus ganz bestimmtem Grund, der uns nun wieder sehr interessiert. Georg Fuhg starb 1976 in Neumünster, der Patenstadt von Lötzen. Das sich dort befindende Lötzener Heimatmuseum, von Frau Ute Eichler mit großem Engagement betreut, bewahrt einige seiner Arbeiten und kann auch durch Verbindung zu der Tochter des Bildhauers, Dorelise Putzar, zur Verfügung gestelltes Material Auskunft geben über Leben und Werk des Künstlers. Nun hatte Frau Eichler einen Gesprächstermin beim Stadtpräsidenten von Neumünster, Friedrich Wilhelm Strohdiek, um ihm ihre Idee der Umsetzung eines Werkes dieses bedeutenden, aus Ostpreußen stammenden Bildhauers vorzutragen und ihn dafür zu gewinnen: Die auf einem Kasernengelände in Boostedt stehende Fuhg-Plastik sollte nach Neumünster geholt und in der dortigen Böcklersiedlung aufgestellt werden. Es besteht die Hoffnung, dass dieses Vorhaben gelingt, und wir wünschen Frau Eichler viel Glück für die Realisierung.

Und noch eine Überraschung haben wir für die Lötzener Archivarin am Ende unserer Kolumne. Denn unsere Ostpreußische Familie spurt wie immer, ich möchte fast sagen: immer eifriger! Da wurde der lang gehegte Wunsch unseres Königsberger Landmannes Gerhard Thal erfüllt: Er ließ mir mitteilen, dass er das gesuchte Buch „Die Grenzen der Sowjetmacht“ von Prof. Starlinger erhalten habe. Das hätte ich nicht gedacht, jedenfalls nicht so schnell. Herrn Prof. Dr. H. Jeroch in Leipzig konnte ich ja selber mit einem Fachbuch über Ostpreußische Geflügelzucht aus den 30er Jahren überraschen, er bekam aber auch von Herrn Johannes Kraemer ein Heft „Ostpreußisches Geflügelzuchtbuch“ zugesandt. So besitzt er schon kurz nach seiner Anfrage geeignetes Material für den polnischen Wissenschaftler in Allenstein, der ihn darum gebeten hatte. Und Frank Schneidewind kann – nach dem von ihm gespendeten Roman „Der Markt zu Heckenbruch“ von Hansgeorg Buchholtz – Frau Ute Eichler mit einem anderen Werk des Dichters überraschen, das er durch Zufall entdeckt hat und das er ihr gerne für das Lötzen-Archiv überlässt: „Der Schnitter griff zur Sense“, Tannenberg-Novellen, 1939 bei Gräfe und Unzer erschienen. Sie ist eben ein feinmaschiges Netzwerk, unsere Ostpreußische Familie.

Eure Ruth Geede


Die Kinder Königsbergs rufen zur Dokumentation auf
Jede aufgeschriebene Erinnerung ist ein untrügliches Zeitzeugnis

Wir werden noch weiter darüber berichten – so hatte ich den Beitrag über die „Königsberger Kinder“ in Folge 34 abgeschlossen. Denn in diesem Bericht war der Aufruf an alle sich angesprochen fühlenden Leserinnen und Leser enthalten, ihre Erlebnisse aus den schweren Jahren im russisch besetzten Gebiet aufzuschreiben, weil diese für eine geplante Dokumentation benötigt wurden. Der Gedanke, diese Schicksale in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zu übermitteln, hatte schon lange in der Gruppe geschwelt – auf dem letzten Treffen in diesem Frühsommer erfolgte die Initialzündung, denn die Verwirklichung erlaubt keinen Aufschub, die Zeit kennt keine Gnade. „Wir kämpfen gegen die biologische Uhr“, sagt der in Königsberg geborene Publizist Lutz Radtke, Motor für die Realisierung dieses Projektes. Zusammen mit seinem Königsberger Landsmann Carl Georg Kleppe betreut er die Dokumentation, deren Erstellung doch einige Verzögerungen mit sich bringt, da manche Kriterien bei der Planung wohl zu wenig berücksichtigt oder in dem „Aufruf an die verlassenen Kinder von Königsberg und Umgebung“ nicht eingehend behandelt werden konnten.

Dieser von uns in Folge 34 veröffentlichte Aufruf war an „alle ehemaligen Mitbürger, die in dunkler Zeit als Kinder im Raum Königsberg gelebt haben“, gerichtet. Damit wurde der angesprochene Kreis zu eng gezogen, und zwar in zweifacher Hinsicht. Gemeint ist das nördliche Ostpreußen, denn einige der verlassenen Kinder wurden von den Russen in außerhalb von Königsberg liegenden Heimen untergebracht oder sie kamen mit erwachsenen Gefangenen in Arbeitslager. Die andere Begrenzung in diesem Aufruf, die unbedingt einer Erweiterung bedarf, liegt in der Wortwahl „als Kinder“. Einbezogen werden müssten auch die Heranwachsenden und diejenigen stillen Helfer, die sich um die elternlosen Kinder gekümmert haben, soweit es in ihren Kräften lag, wie jene Schwester Dorle, von der wir in unserer Kolumne berichteten und die nach dem Wiederfinden im Westen noch lange mit ihren ehemaligen Schützlingen in Verbindung stand.

Dass diese Erweiterung notwendig ist, beweist der Anruf eines älteren Herrn bei Frau Ingrid von der Ohe in Reppenstedt, in deren Händen die Koordination dieses Projektes liegt. Er berichtete sehr bewegt von seiner 1903 geborenen Tante, die sich im zerstörten Königsberg aufopfernd um kranke Kinder kümmerte – aber nie darüber gesprochen hat. Das Wenige, was der Anrufer über diese Königsberger Jahre seiner Tante weiß, will er nun nach dem klärenden Gespräch mit Frau von der Ohe notieren.

Und damit haben wir schon ein weiteres wichtiges Thema angesprochen. Diejenigen. die diese bitterste Zeit ihres Lebens im Chaos der Nachkriegsjahre in der Heimat erleben mussten, haben nie oder nur wenig darüber gesprochen. Und fällt das Sprechen schon schwer – noch viel belastender ist das Schreiben durch den Zwang, noch einmal das Erlebte bis in alle Einzelheiten aus der Vergangenheit zu holen. Da wird viel Verdrängtes spürbar und hindert am Aufzeichnen. So dauert es schon eine gewisse Zeit, bis man einiges zu Papier gebracht hat. Und hier waren die Vorgaben für die erwarteten Mitwirkenden aus der älteren Zielgruppe irreführend. „Sie schreiben Ihre Erlebnisse auf – etwa 20 Seiten lang, eineinhalbzeilig oder handschriftlich.“ Selbst wer den Vorsatz gefasst hatte, sich an diesem Buchprojekt zu beteiligen, scheute schon vor der Seitenzahl zurück. Wer soll als älterer Mensch, der keine Schreibmaschine oder PC, auch keine helfende Kraft zur Verfügung hat, eine solch umfangreiche Arbeit leisten können? Und dazu noch „möglichst bald“, wie im Aufruf vermerkt war. Da musste zurückgeschraubt werden, und deshalb heißt es jetzt im korrigierten Aufruf: „Mit Rücksicht auf das Alter der Autoren wird auf sämtliche Vorgaben zu den Berichten verzichtet. Handschriftlich oder gedruckt – alles ist willkommen!“ Das bedeutet: Man kann auch eine kleine, mit der Hand geschriebene Erinnerung beisteuern, es brauchen also keine seitenlangen Erzählungen zu sein, umso vielfältiger und damit informativer wird dann das Buch. Ich möchte hierfür ein kleines Beispiel nennen: In Folge 39 habe ich auf die erfreuliche Resonanz hingewiesen, die der Autor Heinz Timmreck aufgrund unserer Veröffentlichung seiner Bitte um Mitarbeit an seinem neuen Buch „Flucht mit der Bahn 1944/45“ erhalten hat. Das wird sich – genau wie sein erstes Buch – in einer Mischung aus längeren Aufzeichnungen und Kurzberichten wieder als überaus inhaltsreich erweisen.

So bitten wir noch einmal unsere Leserinnen und Leser, die sich angesprochen fühlen, ihre Erinnerungen zu Papier zu bringen – in welcher Form auch immer. Und fordern die Leser aller Altersgruppen auf, denen zu helfen, die sich gerne mitteilen möchten, aber es nicht können – also Schreibhilfe! Vielleicht liegen dann beim nächsten Treffen der Initiatoren, zu denen Frau Hannelore Neumann zählt, Mitte dieses Monats in Frankfurt schon einige Beiträge aus unserem Leserkreis vor. Nach wie vor sind diese zu richten an Frau Ingrid von der Ohe, Mittelweg 6 in 21391 Reppenstedt, Telefon (04131) 63202.

R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Neumann, Charlotte, geb. Schirmacher, aus Sorgenau, Kreis Samland, am 5. Oktober

ZUM 98. GEBURTSTAG

Bartel, Erna, geb. Siebert, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 10. Oktober

Ilkow-vel-Olynyk, Wanda, geb. Eckert, aus Schulzenwiese, Kreis Elchniederung, am 9. Oktober

Schaffner, Bruno, aus Gutweide, Kreis Ebenrode, am 10. Okto-ber

ZUM 97. GEBURTSTAG

Reitmeyer, Hildegard, geb. Manzau, aus Gut Birkenwalde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 20. September

ZUM 95. GEBURTSTAG

Bittlingmayer, Klara, geb. Jonseck, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 10. Oktober

Hass, Hildegard, geb. Nitschkowski, aus Lyck, am 10. Oktober

Jucknischke, Gertrud, geb. Makowka, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 10. Oktober

Templin, Rosemarie, geb. Becker, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 2. Oktober

Ullrich, Hildegard, geb. Tuttas, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 9. Oktober

ZUM 94. GEBURTSTAG

Jocksch, Eva, geb. Janz, aus Gilgetal, Kreis Elchniederung, am 6. Oktober

Müller, Waltraut, geb. Lasarzik, aus Treuburg, am 6. Oktober

Wagner, Ursula, aus Leipzig, am 6. Oktober

ZUM 93. GEBURTSTAG

Falk, Ruth, geb. Rietenbach, aus Weißensee, Kreis Wehlau, am 9. Oktober

Gelszus, Charlotte, geb. Tobehn, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 4. Oktober

Kaehler, Brigitte, aus Neidenburg, am 8. Oktober

Klagge, Luise, geb. Becker, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 5. Oktober

Mast, Erna, geb. Meyhöfer, aus Seedranken, Kreis Treuburg, am 6. Oktober

Neuhäuser, Margot, geb. Wermke, aus Stradaunen, Abbau, Kreis Lyck, am 5. Oktober

Putzek, Herbert, aus Soltmahnen, Kreis Lötzen, am 9. Oktober

Ruben, Irene, geb. Kuhr, aus Loye, Kreis Elchniederung, am 5. Oktober

ZUM 92. GEBURTSTAG

Bergatt, Max, aus Rauschen, Kreis Samland, am 5. Oktober Fratzke, Herbert, aus Wehlau, am 6. Oktober

Gebauer, Frieda, geb. Oehlert, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 7. Oktober

Mahlo, Margret, geb. Mehl, aus Treuburg, am 4. Oktober

Pehrs, Hildegard, geb. Guddusch, aus Schillen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 10. August

Pikies, Gertrud, geb. Niedenthal, aus Neuhof, und Adlig Wolla, Kreis Lötzen, am 8. Oktober

Walendie, Wilhelm, aus Graiwen, Kreis Lötzen, am 6. Oktober

ZUM 91. GEBURTSTAG

Augustat, Alfred, aus Stadtfelde, Kreis Ebenrode, am 4. Oktober

Böhnke, Horst, aus Petersdorf, Kreis Wehlau, am 8. Oktober

Fricke, Karl-Heinz, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 7. Oktober

Greulich, Irmgard, geb. Ambras, aus Herdenau, Kreis Elchniederung am 4. Oktober

Jelonnek, Margarete, geb. Kutzinski, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 7. Oktober

Jessat, Otto, aus Schirrau, Kreis Wehlau, am 5. Oktober

Kriese, Margarete, geb. Löper, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 6. Oktober

Missun, Charlotte, geb. Trucks, aus Peterswalde, Kreis Elchniederung, am 8. Oktober

Pruß, Ewald, aus Rehbruch, Kreis Ortelsburg, am 4. Oktober

Puppe, Ruth, geb. Walter, aus Ginkelsmittel, Kreis Elchniederung, am 6. Oktober

Salomon, Lothar, aus Windkeim, Groß Windkeim, Kreis Heiligenbeil, am 6. Oktober

Schwarz, Ida, geb. Deutschendor, aus Wilpen, Kreis Ebenrode, am 8. Oktober

Teuber, Frieda, geb. Bittrich, aus Grünweide, Kreis Ebenrode, am 7. Oktober

ZUM 90. GEBURTSTAG

Baatz, Fritz, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 6. Oktober

Denner, Elfriede, aus Lyck, am 6. Oktober

Grikschat, Paul, aus Gowarten, Kreis Elchniederung, am 10. Oktober

Hindersinn, Lieselotte, geb. Bubritzki, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 10. Oktober

Kowalski, Horst, aus Pilgramsdorf, Kreis Neidenburg, am 5. Oktober

Lenkreit, Fritz, aus Ellerau, Kreis Ebenrode, am 5. Oktober

Mathes, Irmgard, geb. Brzoska, aus Walden, Kreis Lyck, am 5. Oktober

Römer, Hilde, aus Krupinnen, Kreis Treuburg, am 8. Oktober

Sakrewski, Hans, aus Waldburg, Kreis Ortelsburg, am 9. Okto-ber

Schulz, Elfriede, geb. Breitmoser, aus Neusiedel, Kreis Tilsit-Ragnit, am 8. Oktober

Stolzke, Waltraud, geb. Friedel, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 10. Oktober

Ulrich, Else, geb. Schulz, aus Juditten, Kreis Samland, am 8. Oktober

ZUM 85. GEBURTSTAG

Bachler, Heinz, aus Tannenmühl, Kreis Ebenrode, am 10. Okto-ber

Betty, Karl, geb. Haller, aus Kussen, Kreis Schlossberg

Bodenburg, Gerda, geb. Hömke, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 5. Oktober

Daniele, Ursula, geb. Makossa, verwitwete Saikowski, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 7. Ok-tober

Dietze, Ellinor, aus Windberge, Kreis Ebenrode, am 9. Oktober

Domnik, Horst, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 3. Oktober

Ellmers, Ingeborg, aus Elbing, am 6. Oktober

Frase, Waldemar, aus Babeck, Kreis Treuburg, am 4. Oktober

Gilster, Waltraut, geb. Butzkies, aus Eckwalde, Kreis Elchniederung, am 10. Oktober

Grell, Frieda, geb. Kohn, aus Uderhöhe, Kreis Wehlau, am 5. Oktober

Grohs, Günther, aus Kastaunen, Kreis Elchniederung, am 9. Oktober

Hasner, Renate, geb. Wenig, aus Königsberg, am 6. Oktober

Heine, Gisela, geb. Kapitzki, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 7. Oktober

Kaes, geb. Czinczel, aus Weinoten, am 5. Oktober

Kowalewski, Oskar, aus Groß Retzken, Kreis Treuburg, am 6. Oktober

Krogull, Lothar, aus Wappendorf, Kreis Ortelsburg, am 10. Okto-ber

Kück, Gerda, geb. Gepenies, aus Stolzenau, Kreis Ebenrode, am 5. Oktober

Kuhli, Eva, geb. Wiechert, aus Polennen, Kreis Samland, am 6. Oktober

Löffler, Gerda, geb. Rekitte, aus Freiwalde, Kreis Mohrungen, am 4. Oktober

Matzeit, Horst, aus Adlig Linkuhnen, Kreis Elchniederung, am 8. Oktober

Meyer, Gerda, geb. Wohlgetan, aus Wormen, Kreis Preußisch Eylau, am 4. Oktober

Mlinarzik, Elsbeth, aus Schwentainen, Kreis Treuburg, am 7. Oktober

Picard, Irma, geb. Szeszkewitsch, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 5. Oktober

Schadwinkel, Franziska, geb. Knieper, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 7. Oktober

Schmidt, Erika, geb. Helmke, aus Transsau, Kreis Samland, am 7. Oktober

Schött, Rudolf, aus Alt Passarge, Kreis Heiligenbeil, am 7. Okto-ber

Stubbe, Gisela, geb. Buttgereit, aus Wehlau, am 10. Oktober

Tewes, Lilly, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 6. Oktober

Tobies, Harry, aus Königsberg, am 4. Oktober

Tröster, Annemarie, geb. Schöttke, aus Zimmerbude, Kreis Samland, am 6. Oktober

Wegner, Lieselotte, geb. Zielke, aus Wargienen, Kreis Wehlau, am 6. Oktober

Wischnowski, Ernst, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 5. Oktober

ZUM 80. GEBURTSTAG

Altrock, Herbert, aus Pillau, Kreis Samland, am 10. Oktober

Bodtländer, Gerda, geb. Borowsky, aus Stadtfelde, Kreis, Ebenrode, am 5. Oktober

Boje, Dr. Rolf, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 8. Oktober

Brandhorst, Brigitte, geb. Barwig, aus Saalfeld, Kreis Mohrungen, am 4. Oktober

Cwikla, Ulrich, aus Lyck, am 8. Oktober

Czierlinski, Willi Reinhold, aus Waldburg, Kreis Ortelsburg, am 4. Oktober

Erdt, Margarete, geb. Meier, am 5. Oktober

Glaß, Siegfried, aus Wehlau, am 6. Oktober

Hartmann, Hans, aus Kumehnen, Kreis Samland, am 5. Oktober

Heye, Wilhelm, aus Hoya, am 6. Oktober

Jakubowski, Günter, aus Lyck, am 5. Oktober

Janz, Siegfried, aus Skuldeinen, Kreis Elchniederung, am 7. Ok-tober

Jeglinski, Wolfgang, aus Rotbach, Kreis Lyck, am 7. Oktober

Kalusche, Gisela, geb. Buddus, aus Ibenburg, Kreis Elchniederung, am 4. Oktober

Kateczewski, August, geb. Seputis, aus Treuburg, am 8. Ok­tober

Konarski, Gerda, geb. Wengelnik, aus Gartenau, Kreis Neidenburg, am 4. Oktober

Kröger, Inge, geb. Penner, aus Gollen, Kreis Lyck, am 6. Ok­tober

Lukas, Klaus aus Seerappen, Kreis Samland, am 7. Oktober

Nowak, Brigitta, geb. Hoffmann, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 8. Oktober

Pasternak, Eberhard, aus Grünau, Kreis Lötzen, am 8. Ok­tober

Patz, Rüdiger, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 7. Ok­tober

Paul, Hans, aus Kalkhof, Kreis Treuburg, am 5. Oktober

Porgorzelski, Gerhard, aus Bärengrund, Kreis Treuburg, am 4. Oktober

Ramminger, Irene, geb. Weis, aus Königsberg, am 7. Oktober

Riemann, Hans-Georg, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 6. Oktober

Schlupp, Klaus, aus Wilkendorf, Kreis Wehlau, am 7. Oktober

Sprenger, Margot, geb. Peikert, aus Ebenrode, am 4. Oktober

Stinka, Ewald, aus Großschmieden, Kreis Lyck, am 9. Okto-ber

Strojna, Ilza, am 5. Oktober

Sulewski, Gerhard, aus Scharfenrade, Kreis Lyck, am 5. Ok­tober

Wielgomas, Lieselotte, geb. Matheuszik, aus Vierbrücken, Kreis Lyck, am 8. Oktober

Ziemes, Edith, geb. Wengorsch, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 6. Oktober

ZUM 75. GEBURTSTAG

Bolz, Karl Heinz, aus Tawellenbruch, Kreis Elchniederung, am 3, Oktober

Franz, Beatrix, geb. Bojahr, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 6. Oktober

Geißler, Marianne, geb. Redetzky, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 5. Oktober

Grundwald, Detlef, aus Wehlau, am 6. Oktober

Katmann, Christel, geb. Goetzie, aus Schackwiese, Kreis Elchniederung am 10. Oktober

Niemann, Helga, aus Scharnau, Kreis Neidenburg, am 9. Okto-ber

Neumann, Werner, aus Eichkamp, Kreis Ebenrode, am 8. Oktober

Pätz, Marianne, geb. Kolkowski, aus Argemünde, Kreis Elchniederung am 9. Oktober

Preuschat, Werner, aus Ortelsburg, am 5. Oktober

Pucks, Gerhard, aus Watzum, Kreis Samland, am 10. Okto­-ber

Remus, Helga, geb. Piotrowski, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 7. Oktober

Scheller, Viktoria, geb. Stantien, aus Milchhof, Kreis Elchniederung am 5. Oktober

Sziede, Fritz, aus Neuendorf, Kreis Wehlau, am 5. Oktober


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Göppingen – Herbst - und Jubiläumsfeier – Im August 1949 wurde die Kreisgruppe in Göppingen gegründet. Dieses 65-jährige Jubiläum feierte die Gruppe anlässlich ihres Herbstfestes am 13. September in der Göppinger „Frisch-Auf“ Gaststätte. Der 2. Vorsitzende, W. Korn, konnte eine große Anzahl Besucherinnen und Besucher begrüßen, ganz besonders herzlich wurde Uta Lüttich, die Landesvorsitzende der Ost- und Westpreußischen Frauengruppen in Baden-Württemberg willkommen geheißen.

In Korns Rückblick auf die Geschichte und die Ereignisse, die zur Gründung führten, wurden alte bekannte Namen und Geschehnisse allen wieder lebendig vor Augen geführt. Er ließ die verschiedenen Vorsitzenden, die zahlreichen kulturellen und gesellschaftlichen Ereignisse, die oft wechselnden Versammlungsstätten in anschaulicher Weise Revue passieren. Er sprach aber auch die durch Tod oder Wegzug immer wieder schwankenden Mitgliederzahlen an. Heute umfasst die Göppinger Kreisgruppe nur noch zirka 55 Mitglieder, wobei die Frauengruppe mit über 30 den größten Anteil einbringt. Deren Vorsitzende Vera Pallas wurde für ihre 25-jährige Mitgliedschaft und für ihre vielseitigen Aktivitäten von Uta Lüttich die silberne Ehrennadel der Bundeslandsmannschaft Ostpreußens sowie mit der Überreichung einer Urkunde geehrt.

Bei ihrem Grußwort führte Lüttich aus, dass wir zwar unsere Heimat verloren, aber niemals vergessen haben. Viele reisen heute, sofern es die Gesundheit noch zulässt, in die Heimat zurück. Aber auch die Kinder und Enkel der damals Vertriebenen reisen gerne auf den Spuren der Ahnen in dieses wunderbare Land. Lüttich zeichnete ein großes eindrucksvolles Bild von der Geschichte Ostpreußens, vom Krieg, und seinem Ende, das eigentlich erst am 9. November 1989 Wirklichkeit wurde.

Mit ihren Glückwünschen an die Göppinger Landsmannschaft und der Überreichung eines Geschenkgutscheines schloss Lüttich ihr Grußwort. Korn bedankte sich herzlich bei ihr für die tiefgreifenden Ausführungen und den Gutschein, dann bei Vera Pallas für ihr großes Engagement für die Frauengruppe, und bei Ina Meister für die schriftlichen Aktivitäten, wie die Verfassung der Einladungsschreiben und der schön gestalteten Tischvorlagen. Eine ganz besondere Erwähnung verdiente nun ein treues Gründungsmitglied der Göppinger Gruppe: Hildegard Steinert. Herr Korn überreichte ihr unter anhaltendem Beifall die Ehrenurkunde der Landsmannschaft für 65 Jahre Mitgliedschaft. Alle geehrten Damen erhielten von Frau Korn eine wunderschön gebundene Rose überreicht. Zum Abschluss des offiziellen Teils standen alle auf, reichten sich die Hände, und sangen gemeinsam das Ostpreußische Heimatlied „Land der dunk­len Wälder“. Danach ging es weiter mit Gedichten, Sketchen und lustigen, aber auch besinnlichen Geschichten aus der verlorenen Heimat. Als „Herbstgruß“ überreichten Mitglieder an die Anwesenden selbstgebackenen „Radarkuchen“ (ein spezielles Schmalzgebäck), von Hand geformte Marzipankartoffeln sowie einen „Pillkaller“. Mit dem gemeinsamen traditionellen Grützwurstessen klang das Herbst- und Jubiläumsfest aus.

Ludwigsburg – Dienstag, 21. Oktober, 15 Uhr, Krauthof, Beihinger Straße 27: Herbstfest.

Stuttgart – Sonnabend, 4. Okto-ber, 13 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal: Herbstfest der Kreisgruppe mit dem Trio Jurewitz, Hohler, Karle, ein heimatliches, festliches Programm. – Freitag, 10. Oktober, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Gr. Saal, Schloßstraße 92: Kulturelle Veranstaltung der LM Westpreußen, Gäste sind herzlich eingeladen. – Dienstag, 21. Okto­ber, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Kleiner Saal, Schloßstraße 92: Heimatnachmittag mit Uta Lüttich. „Herbst und Erntedank“ mit kleinem Erntetisch. Gäste sind herzlich eingeladen.

Ulm/Neu-Ulm – Sonntag, 5. Oktober, 14.30 Uhr, Auferstehungskirche Böfingen: Heimatgottesdienst. – Sonntag, 12. Okto­ber, 14.30 Uhr, Ulmer Stuben: Erntefest der Ost- und Westpreußen. Es gibt einen Erntetisch, besinnliche und heitere Vorträge, Lieder des BdV-Chors und Lieder zum Mitsingen. Gäste sind herzlich willkommen. – Sonnabend, 18. Oktober, 14.30 Uhr, Ulmer Stuben: Monatliches Treffen.

Weinheim – Mittwoch, 8. Okto­ber, 14.30 Uhr, Café Wolf: Treffen der Frauengruppe. „Vergiß die Heimat nicht“. „Denk an den Strom, der in der Heimat fließt/Denk an den Wald, der Dicht von daher grüßt/Denk an die Sonne, die am Meer gelacht/Denk an die Jugend, die Du dort verbracht.“ Die Teilnehmerinnen wollen an diesem Nachmittag Erinnerungen austauschen und mit Liedern und Gedichten der Heimat gedenken. Anschließend Bericht vom Tag der Heimat am 21. September in Stuttgart und am 28. September in Heidelberg.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Ansbach – Sonntag, 5. Oktober, 14.30 Uhr, Orangerie: Tag der Heimat 2014. Festredner: Professor Manfred Kittel, Direktor der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, Berlin. – Freitag, 10. bis Sonntag, 12. Oktober: Gemeinsamer Jahresausflug nach Lüneburg. Busfahrt nach Lüneburg mit Besuch des Ostpreußischen Landesmuseums und in das Kaiserbad Pyrmont. – Sonnabend, 18. Oktober: Jahreshauptversammlung des Bundes der Vertriebenen. Busfahrt zum Ostlandkreuz bei Bad Windsheim, anschließend nach Ipsheim, dort Jahreshauptversammlung und Weinprobe.

Bamberg – Mittwoch, 15. Okto-ber, 15 Uhr: Erntedankfeier.

Ingolstadt – Sonntag, 19. Okto-ber, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchner Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Kitzingen – Freitag, 17. Oktober, 14.30 Uhr, im Bären, Kleinlangheim: Erntedankfeier. Fahrt dorthin nicht mit dem Bus, sondern es werden Fahrgemeinschaften gebildet, deshalb unbedingt anmelden unter Telefon (09321) 4405.

Landshut – Sonnabend, 4. Ok-tober: Ausflug zum Ahornboden in der Eng. Busfahrt. – Dienstag, 21. Oktober, 14 Uhr, Insel: Zusammenkunft der Gruppe. Kleine Philosophie über den ostpreußischen Humor.

München – Freitag, 10. Oktober, 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Zusammenkunft der Frauengruppe.

Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Graf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Bartenstein – Sonnabend, 4. Oktober, 14 Uhr, Rathaus Zehlendorf, Zimmer 21, Kirchstraße 1–3, 14163 Berlin: Erntedankfest mit Tombola. Anfragen bei Elfriede Fortange, Telefon (030) 4944404.

Frauengruppe – Mittwoch, 8. Okto­ber, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Treffen der Frauengruppe zum Erntedankfest. Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Königsberg/-Samland/Labiau – Freitag, 10. Oktober, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin: Treffen der Gruppen. Informationen bei Prof. Wolfgang Schulz, Telefon (030) 2515995.

Heilsberg/Rößel – Sonnabend, 11. Oktober, 15 Uhr, Seniorenfreizeitstätte „Maria Rimkus Haus“, Gallwitzallee 53, 12249 Berlin: Erntedankfeier. Anfragen für Heilsberg bei Benno Boese, Telefon (030) 7215570, für Rößel bei Ernst Michutta, Telefon (05624) 6600.

Rastenburg – Sonntag, 12. Oktober, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Erntedankfest. Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Pillkallen/Stallupönen – Donnerstag, 16. Oktober, 14 Uhr, Haus des Älteren Bürgers, Werbellinstraße 42, 12053 Berlin: Treffen der Gruppe. Anfragen bei Helga Rieck, Telefon (039888) 529000.

Tilsit-Ragnit/-Tilsit-Stadt – Sonnabend, 18. Oktober, 15 Uhr, Ratskeller Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 102, 10585 Berlin: Treffen der Gruppe. Anfragen bei Hermann Trilus, Telefon (03303) 403881.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Im April nächsten Jahres plant die Gruppe eine Fernreise für ihre Mitglieder und Freunde nach Namibia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika. Nach einem Direktflug mit der Condor ab Frankfurt nach Windhuk beginnt eine Rundreise zu allen wichtigen Sehenswürdigkeiten, insbesondere auch in die Nationalparks, dem Etoscha-Nationalpark, die Walfischbucht, das Ovamboland und in die Region um den Waterberg. Die Unterbringung erfolgt in der Regel in sehr gut eingerichteten Lodges mit Halbpension. Die Reise findet vom 9. bis 21. April 2015 statt. Telefonische Nachfragen zur Reise sind an den Vorsitzenden der Gruppe, Heinrich Lohmann, unter der Rufnummer (04231) 62626 zu richten (ab 19 Uhr).

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Donnerstag, 23. Oktober, 15 Uhr, Haus der Heimat, Saal, Teilfeld 8: Gruppenleitertreffen.

KREISGRUPPE

Gumbinnen – Sonnabend, 18. Oktober, 14 Uhr, Restaurant Lackemann, Litzowstieg 8 (Nähe Einkaufs-Center Quarree, Pkw-Parkhochhaus vorhanden), U1 bis Wandsbek-Markt; dann fünf Minuten Fußweg durch Hausdurchgang. Anmeldung erforderlich bis 15. Oktober bei Schriftführerin Hilde Jansen-Kaydan, Rathenaustraße 53, 22297 Hamburg, Telefon (040) 517931: Gemeinsames Treffen mit der Heimatkreisgruppe Heiligenbeil mit gemeinsamen Programm. Siehe auch Inserat der Heimatgruppe Heiligenbeil. Der Vorstand freut sich auf ein Wiedersehen. Gäste sind herzlich willkommen.

Heiligenbeil – Sonnabend, 18. Oktober, 14 Uhr, Restaurant Lackemann, Litzowstieg Ecke Hinterm Stern: Die Kreisgruppe feiert ihr Herbstfest. Hierzu sind alle Mitglieder und Freunde der Gruppe herzlichst eingeladen, bei Kaffee und Kuchen wollen die Teilnehmer einige gesellige und fröhliche Stunden miteinander verbringen mit einem Vortrag der Polizei Hamburg über seniorenbezogene, kriminalpräventive Themen wie zum Beispiel: „Enkeltrick, Trick­betrug an der Haustür. Enkeltrick? Kenne ich. Falle ich nicht drauf rein! Trickbetrüger an meiner Haustür? Ich bin doch nicht blöd!“ Die Meinung der Gesellschaft über die Opfer dieser Straftaten ist oft nicht positiv. Und doch kann es grundsätzlich jedem passieren! Warum ist das so? Wie gehen die Täter vor und wie kann ich mich schützen? Ein Vortrag im Dialog und zum Verständnis für Senioren. Da dies in letzter Zeit wieder ein ganz aktuelles Thema ist, konnte die Gruppe das Kriminalpräventive Team der Polizei Hamburg für einen Vortrag gewinnen. Anmeldung bei Lm. Konrad Wien, Telefon (040) 53254950, bis 15. Oktober 2014. Das Restaurant Lackemann ist erreichbar über den Durchgang Hinterm Stern zwischen Wandsbek Quarree und Hotel Tiefenthal, gegenüber der U-Bahnstation Wandsbek Markt.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Königsberg – 35 Jahre Stadtgemeinschaft Königsberg – Die Stadtgemeinschaft Königsberg, Gruppe Hamburg beging am 12. September ihre 35-jährige Jubiläumsfeier zwecks Wiederbegründung bei reger Beteiligung. Nach Begrüßung der Königsberger und Freunde der Stadt durch die 1. Vorsitzende Brigitte Reimer, dem Entzünden der Königsberger Kerze und dem Ostpreußenlied hielt der 1. Vorsitzende der Landesgruppe, Hartmut Klingbeutel, einen Vortrag über die Arbeit der Landsmannschaft und ehrte die verstorbenen Mitglieder. Ursula Zimmermann, ehemalige Vorsitzende und jetziges Ehrenmitglied der Stadtgemeinschaft, sprach über ihre langjährigen Aktivitäten innerhalb der 35 Jahre. Gedichte von Agnes Miegel wurden vorgetragen. Der Alleinunterhalter Bernd Krutzinna (BernStein) erfreute mit Gesang über die ostpreußische Heimat.

Osterode – Sonnabend, 11. Oktober, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572, unmittelbar am U- und S-Bahnhof Ohlsdorf: Erntedankfeier. Nach der gemeinsamen Kaffeetafel singen die Teilnehmer Lieder zum Erntedank. Eine Spende für den Erntetisch wird gerne entgegengenommen. Gäste sind willkommen. Eintritt frei.

SALZBURGER VEREIN

Sonnabend, 11. Ok­to­ber, 13 Uhr, Hotel „St. Raphael“ in Hamburg, Adenauerallee 41: Treffen der Gruppe mit Bildvortrag von Christoph Hinckelmann, Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg: „Glanzlichter aus der Natur Ostpreußens“. Gäste sind herzlich willkommen.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Darmstadt/Dieburg – Sonnabend, 11. Oktober, Luise- Büchner-Haus, Grundweg 10, Darmstadt-Kranichstein: Erntedankfest. Alle Mitglieder sind herzlich eingeladen. Auch Gäste sind, wie immer, recht herzlich willkommen. Begleitet wird dies musikalisch, bei Kaffee und Kuchen, vom Weiterstädter Seniorensingkreis. Rückblickend auf das Treffen am 13. September fand gegenüber der Vorankündigung des Vortrages über die Werke des ostpreußischen Dichters Ernst Wiechert anlässlich dessen 100. Todestages ein Vortrag zur Erinnerung an den ebenfalls 100-jährigen Einfall des russischen Militärs in Ostpreußen und den sich daraus entwickelnden Kriegshandlungen im Verlaufe des Ersten Weltkrieges statt. Hannelore Neumann und Gerhard Schröder schilderten das Geschehen dieser Zeit mit aufschlussreichen Worten und Bilddokumentation. Für ihre Mühen ernteten sie große Anerkennung und Beifall.

Gelnhausen – Sonntag, 12. Ok­to­ber, 10 Uhr, Martin Luther Kirche, Bad Orb: Heimatgottesdienst. Wenn die Glocken die Einwohner und Kurgäste zum Sonntagsgottesdienst rufen, werden auch zahlreiche Vertriebene, Flüchtlinge und Spätaussiedler anreisen. Besonders für unsere Landsleute aus Ostpreußen und Schlesien ist es ein besonderer Tag, indem sie an das gemeinsame Schicksal mit den Glocken gedenken. Im Krieg 1944 wurden die Glocken aus ihrem Heimatturm brutal herausgerissen, mit dem Ziel, sie nach dem Einschmelzen zu Munition umzugestalten. Nach dem Neuaufbau des im Krieg durch eine Fliegerbombe ausgebrannten Kirchturms der Martin Luther Kirche in Bad Orb wurden im Jahre 1953 die aus Reichenstein (Schlesien) und Pillkallen (Ostpreußen) stammenden Glocken aufgehängt. So fanden die schon auf dem „Glockenfriedhof“ in Hamburg stehenden Glocken eine neue Heimat, wie viele unserer Heimatleute auch. Der besondere Augenblick ist das einzelne Läuten „ihrer Glocken“ sowie das Singen des Ostpreußen-Liedes „Land der dunklen Wälder“.

Wiesbaden – Dienstag, 14. Ok­to­ber, 15 Uhr, Haus der Heimat, Wappensaal, Friedrichstraße 35: Treffen der Frauengruppe zur Erntedankfeier. – Donnerstag, 16. Oktober, 12 Uhr, Gaststätte Haus Waldlust, Ostpreußenstraße 46, Wiesbaden-Rambach: Stammtisch. Serviert wird Grützwurst. Es kann auch nach Speisekarte bestellt werden. Wegen der Platz- und Essensdisposition bitte unbedingt anmelden bis spätestens 10. Oktober bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844038.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Buxtehude – Sonntag, 5. Okto-ber: Theaterfahrt zur Dittchenbühne in Elmshorn. Gespielt wird „Der Hauptmann von Köpenick“. Busabfahrt: 13 Uhr Stade/Hahle, 13.30 Uhr Horneburg/B73, 13.45 Uhr Buxtehude Stader Straße (Waldburg und Denkmal), 13.55 Buxtehude Bahnhofstraße/Marktkauf, 14 Uhr ZOB Buxtehude, 14.15 Uhr Neu-Wulmstorf/B73/Hauptstraße. Einsteigestellen zwischen Stade und Buxtehude mit Uhrzeit werden bei der Anmeldung angesagt. Die Kosten für Busfahrt, Kaffeegedeck und Eintritt betragen 26 Euro pro Person. Anmeldung bis spätestens 26. September bei Wolfgang Weyer, Telefon (04161) 3406. – Freitag, 17. Oktober, 14.30 Uhr, Inselrestaurant, Stade: „Ostdeutsche Dichter und Denker“. Die Gruppe erinnert mit Liedern, Lesungen und Gedichten an die Geistesgrößen der Heimat. Die Kosten für Eintritt und Kaffeegedeck betragen zehn Euro pro Person. Das Inselrestaurant ist vom Stader Bahnhof in sechs Minuten Fußweg zu erreichen. Anmeldung bitte bis zum 10. Oktober bei Wolfgang Weyer, Telefon (04161) 3406.

Hannover – Freitag, 17. Oktober, 14 Uhr, Ihmeblick: Treffen mit den Heimatfreunden der Pommerngruppe zum kleinen Erntedankfest. Um Anmeldung wird gebeten unter Telefon (05101) 2530.

Helmstedt – Donnerstag, 9. Ok-tober, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Monatstreffen der Gruppe.

Osnabrück – Freitag, 17. Okto­ber, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe. – Dienstag, 21. Oktober, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln. – Donnerstag, 30. Oktober, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Literaturkreis.

Rinteln – Donnerstag, 9. Okto­ber, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Monatstreffen. Nach gemeinsamem Kaffeetrinken und Plachandern wird Joachim Berg Filmausschnitte über die Heimat der Vorfahren zeigen. Der Eintritt ist frei, auch Freunde, Verwandte und interessierte Gäste aus Nah und Fern sind herzlich willkommen. Weitere Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 5386 oder über: rebuschat@web.de.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bielefeld – Sonnabend, 4. Ok-tober: Erntedankfest mit Kaffeetafel und Verlosung. – Montag, 6. Oktober: Frauengruppe der Ost- und Westpreußen. Alle Veranstaltungen beginnen um 15 Uhr in der Wilhelmstraße 13 33602 Bielefeld. – Donnerstag, 9. Oktober: Gesprächskreis Ostpreußisch Platt. – Donnerstag, 16. Oktober: Heimatliteraturkreis. Alle Veranstaltungen beginnen um 15 Uhr in der Wilhelmstraße 13 33602 Bielefeld.

Bonn – Dienstag, 7. Oktober, 18 Uhr, Haus am Rhein, Elsa-Brandström-Straße 74: „Der Weg zum Ersten Weltkrieg und die Politik der Ententemächte gegenüber dem Dritten Reich“. Referent: Dr. Mario Kandil.

Dortmund – Montag, 20. Okto-ber, 14 bis 17 Uhr, Heimatstube, Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße: Monatstreffen der Gruppe.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Ennepetal – Sonnabend, 11. Oktober, 15 Uhr (Einlass 14 Uhr), Restaurant Rosine, Ennepetal Voerde, Eingang Bergstraße 4−6: Traditionelles Erntedankfest mit Essen, Tanz und Tombola. Eintrittspreis fünf Euro. Als Gast ist der stellvertretende Bürgermeister Manfred Drabent eingeladen. Es singt der Ostdeutsche Heimatchor Hagen unter der Leitung von Ingrid Struck. Um Tanz und zur musikalischen Unterhaltung spielt Arnold Kubitza aus Hagen. Anmeldungen erbeten bei Gerhard Sadlowski, Kampershausweg 10, Telefon (02333) 75137, oder M. Gräf, Dr. Siekermann-Weg 28, Telefon (02333) 5766. Eine große Tombola wartet auf glückliche Gewinner. Präsente für die Tombola werden gerne entgegengenommen. Gäste sind willkommen. – Donnerstag,

16. Oktober, 18 Uhr, Heimatstube, Archivgebäude Kirchstraße 52 (Grundschule Harkort): Monatsversammlung.

Gütersloh – Donnerstag, 9. Ok-tober, 15.30 Uhr, Gütersloher Brauhaus, Unter den Ulmen: Treffen der Frauengruppe. – Sonnabend, 11. Oktober, 20 Uhr (Einlass 19 Uhr), Spexarder Bauernhaus, Lukasstraße 14: Herbstfest. Eintritt 7/10 Euro. Wer möchte, der kann auch in Dirndl, Tracht oder Lederhose kommen. Infos unter marianne.bartnik@t-online.de oder telefonisch unter (05241) 29211.

Mülheim – Dienstag, 14. Okto-ber, 15 Uhr, Bürgergarten: Mitgliederversammlung mit einem Referat der Vorsitzenden. Abschluss wird das traditionelle Königsberger-Klopse-Essen sein.

Neuss – Sonntag, 5. Oktober, 15 Uhr (Einlass 14 Uhr), Marienhaus, Kapitelstraße 36: Erntedankfest der Ostpreußen mit Gedichten, Liedern und Tanz unter der Erntekrone.

Wesel – Sonnabend, 11. Okto-ber, 17 Uhr, Heimatstube, Kaiserring 4: Erntedankfest mit verschiedenen Darbietungen. Die beliebte Tombola steht natürlich auch auf dem Programm. Für das leibliche Wohl ist gesorgt. Anmeldungen bis zum 30. September bei Paul Sobotta, Telefon (0281) 45657 erbeten.

Witten – Montag, 20. Oktober, 15 Uhr, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Erntezeit in Ostpreußen (Mohn und Leim). Königsberger-Klopse-Essen.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Sonnabend, 4. Oktober, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44, 55116 Mainz: Erntedankfest. Gaben für den Erntetisch werden gern entgegengenommen. – Donnerstag, 23. Oktober, 15 Uhr, Treffpunkt vor dem Restaurantschiff am Rheinufer Mainz-Kastel: Spaziergang am Kasteler Ufer mit Einkehr in das Schiffsrestaurant.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

Limbach-Oberfrohna – Sonnabend, 11. Oktober, 14 Uhr, Eschemuseum: Die Kreisgruppe feiert ihr traditionelles ostpreußisches Erntedankfest. Zu diesem Fest werden schon gemeinsam Vorbereitungen getroffen. Mit Freude und guten Ideen will die Gruppe einen Tag vorbereiten, der allen noch lange in Erinnerung bleiben soll. Der gemischte Chor „Langenberg“ wird im kulturellen Teil unterhalten und die Teilnehmer dürfen fröhlich mitsingen. Eine Kindergruppe von der Gerhart-Hauptmann-Schule führt durch ein abwechslungsreiches Programm. Es ist hausgeschlachtete Wurst im Angebot. Alle Landsleute und Gäste sind herzlich eingeladen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Gardelegen – Freitag, 17. Okto-ber, 12 Uhr, Waldgaststätte Lindenthal: Erntedank- und Schlachtefest.

Magdeburg – Dienstag, 7. Okto­ber, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 10. Oktober, 15 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises. – Sonntag, 12. Oktober, 14 Uhr, Sportgaststätte Spielhagenstraße: Erntedank. – Freitag, 24. Oktober, 15 Uhr, TuS, Zielizter Straße: Treffen des Singekreises.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad Malente – Sonntag, 5. Ok-tober, 15 Uhr, Maria-Magdalenen-Kirche: Erntedankfeier. Die Anmeldung ist bis zum 29. September im Blumenhaus Franck (Inhaber R. Dluzak) in der Bahnhofstraße 26 vorzunehmen. Um zahlreichen Besuch wird gebeten. Gäste sind herzlich willkommen. Im Anschluss findet im Haus der Kirche, Janusallee 5, ein gemütliches Beisammensein bei Kaffee und Kuchen statt, wobei jeder durch Beiträge (Lesungen, Lieder) zum Gelingen des Nachmittags beitragen kann.

Burg/Fehmarn – Dienstag,

14. Oktober, 15 Uhr, Haus im Stadtpark: „Erntedank – der Dank an Gott für die Ernte“. Unter diesem Motto feiert die Landsmannschaft in Burg das Erntedankfest. Ein gemütliches Beisammensein bei Kaffee und Kuchen an herbstlich geschmückten Tischen, wobei hier jeder durch Beiträge zum Gelingen des Nachmittags beitragen kann. Hierzu sind alle Mitglieder und Freunde der Gruppe herzlich eingeladen.

Flensburg – Sonntag, 5. Okto-ber, 11.15 Uhr, St. Michaelkirche, Am Ochsenmarkt: Erntedankfest mit anschließendem Mittagessen. Bushaltestellt im Nahbereich.

Neumünster – Mittwoch, 8. Oktober, 15 Uhr, Restaurant am Kantplatz: Erntedank-Nachmittag. Die Teilnehmer erinnern sich an Erntedanksitten und -bräuche auf dem ostpreußischen Bauernhof. Gäste sind herzlich willkommen.

Pinneberg – Sonntag, 12. Okto-ber, 12 Uhr: Preußische Tafelrunde mit Vortrag. Informationen unter Telefon (04101) 62667 oder (04101)73473.

 

THÜRINGEN

Vors.: Edeltraut Dietel, August-Bebel-Straße 8 b, 07980 Berga an der Elster, Tel. (036623) 25265.

Eisenach – Sonnabend, 11. Ok­tober, 14 Uhr, Insterburger Heimatgruppe Thüringen, Rot-Kreuz-Weg 1: Filmvortrag über Ostpreußen. – Dienstag, 14. Oktober, 14 Uhr, Rot-Kreuz-Weg 1: Heimatnachmittag der Ost- und Westpreußen.

Meiningen – Freitag, 10. Okto­ber, 14 Uhr, Wolkenlos: Erntedankfest der Ostpreußen.


S. 18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ALLENSTEIN STADT

Kreisvertreter: Gottfried Hufenbach, Danziger Str. 12, 53340 Meckenheim. Geschäftsstelle: Stadtgemeinschaft Allenstein, Vattmannstraße 11, 45879 Gelsenkirchen, Telefon (0209) 29131 und Fax (0209) 4084891, E-Mail: Stadt-Allenstein@t-online.de

Das 59. Jahrestreffen der Stadtgemeinschaft Allenstein findet vom 10. bis 12. Oktober statt und steht unter dem Motto „60 Jahre Allenstein in Gelsenkirchen“. Eröffnet wird das Treffen am Freitagnachmittag mit der Versammlung der Stadtvertreter, die die Berichte des Vorstandes entgegennehmen. Am Abend treffen sich ehemalige und heutige Bewohner unserer Heimatstadt zu einem gemütlichen Beisammensein im Restaurant Dubrovnik neben dem Hans-Sachs-Haus.

Der Sonnabend beginnt um 10.45 Uhr in der Propsteikirche mit einer ökumenischen Andacht und der Kranzniederlegung an der Gedenktafel für alle verstorbenen Allensteiner. Anschließend besteht Gelegenheit, den Treudank, das Allensteiner Heimatmuseum in der Vattmannstraße, zu besuchen. Ab 13 Uhr trifft man sich gemeinsam mit der Kreisgemeinschaft Allenstein im Schloss Horst. Neben einem reichhaltigen Angebot an Büchern und Informationen über Allenstein und Ostpreußen ist auch eine Ausstellung zum Thema Tannenberg 1914 zu besichtigen.

Um 15 Uhr findet in der Glashalle des Schlosses die Feierstunde statt, die von der Trinity Brass, dem Bläser- und Posaunenchor Gelsenkirchen-Erle unter der Leitung von Hans-Günter Nowotka musikalisch umrahmt wird. Als Gäste erwarten wir neben Vertretern der Partnerstädte Gelsenkirchen und Allenstein zahlreiche Angehörige der deutschen Minderheit aus Allenstein. Anschließend spielt Andreas Kokosch beliebte Oldies zum Tanz und zur Unterhaltung. Wer es ruhiger mag, kann sich auch zum Schabbern in den Rittersaal oder den Garten zurückziehen. Mit dem Besuch der Gottesdienste am Sonntagvormittag geht das Treffen zu Ende.

Schon 1948 hatten sich in Berlin, Hamburg und Rendsburg die ersten Gruppen von Allensteinern gebildet, die sich zunächst unregelmäßig, aber bald regelmäßig trafen, und 1950 wurde der erste Heimatkreis in Berlin gegründet. Es entstanden auch bereits erste überregionale Verbindungen, die im Wesentlichen durch drei Ereignisse gefördert wurden.

Zum Ersten erschien 1948 der erste „Allensteiner Brief“. Er wurde von Pfarrer Kewitsch herausgegeben, wurde freudig begrüßt und bald zu einer festen Einrichtung. Zum Zweiten erschien 1950 als Broschüre die „Geschichte der Stadt Allenstein 1348 bis 1948“ von Anton Funk. Dies war eine kurze, aus dem Gedächtnis niedergeschriebene und durch die Ereignisse vor und nach dem Kriegsende ergänzte Zusammenfassung seiner von ihm bereits 1943 fertiggestellten „Geschichte der Stadt Allenstein von 1348 bis 1943“. Das Manuskript war zu diesem Zeitpunkt verschollen und wurde erst später durch einen glücklichen Zufall wieder entdeckt. Und drittens wurde das „Goldene Buch“ der Stadt Allenstein, in dem seit der Gewerbeausstellung im Jahre 1910 alle herausragenden Ereignisse im Leben der Stadt festgehalten worden waren, unter ganz ungewöhnlichen, geradezu wunderbaren Umständen aufgefunden und gelangte wieder in den Besitz der Allensteiner.

Es fehlte aber noch das neue gemeinsame „Zuhause“, und so wurde im kleinen Kreis häufig der Gedanke einer Patenschaft erörtert und dabei auch die Stadt Gelsenkirchen genannt. Im Februar 1952 schlug der Vertriebenenbeirat der Stadt Gelsenkirchen die Stadt Allenstein als erste Wahl für eine Patenschaft vor, die im November desselben Jahres durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen und am 1. Januar 1953 urkundlich bestätigt wurde. Die feierliche Übergabe der Patenschaftsurkunde an die ehemaligen Bewohner der Stadt Allenstein erfolgte am 24. April 1954 im Schloss Berge in Gelsenkirchen-Buer. Im gleichen Jahr fand das erste Treffen in Gelsenkirchen statt, an dem 7000 Allensteiner zusammenkamen, um die Patenschaft und das 600-jährige Bestehen ihrer Heimatstadt zu feiern.

Wie die Urkunde ausweist, geschah die Wahl des „Patenkindes“ nicht zufällig. Viele der Ostpreußen, die im 19. Jahrhundert auf der Suche nach Arbeit ins Ruhrgebiet kamen und zur Entwick­lung Gelsenkirchens beigetragen haben, kamen aus dem Raum Allenstein, und die Vereinsgeschichte des FC Schalke 04 und die Namen seiner Spieler sind ein Beleg für die zahlreichen Bande. Dr. Zülch, der damalige Erste Stadtvertreter, konnte auf einer Sitzung der Gelsenkirchener Karnevalsgesellschaft „Piccolo“ im Jahre 1961 daher auch glaubhaft nachweisen, dass die 17000 Allensteiner, die in den Jahren 1880 bis 1904 in Gelsenkirchen sesshaft wurden, bei dem allgemein bekannten Kinderreichtum der Ostpreußen so viele Nachkommen hinterlassen hätten, dass quasi jeder Einwohner Gelsenkirchens ein Allensteiner sei.

1955 erfolgte die Gründung der „Kreisgemeinschaft Stadt Allenstein“ und der Eintrag in das Vereinsregister. Dank der Hilfe der Stadt Gelsenkirchen verfügte sie bereits über eine eigene Geschäftsstelle. Auch die Patenschaften im schulischen und sportlichen Bereich entwickelten sich ganz ausgezeichnet.

Zu einem besonderen Symbol der Patenschaft wurde die in den Boden des Foyers des „Musiktheaters im Revier“ eingelassene Bronzeplatte, die an das südostpreußische Landestheater in Allenstein „Der Treudank“ erinnert. Sie wurde im Jahre 1990 in Anwesenheit des Sohnes des Erbauers August Feddersen und auf den Tag genau 65 Jahre nach der Einweihung dieses als Dank für das Abstimmungsergebnis errichteten Bauwerks eingeweiht.

Ihre Verbundenheit mit der Patenstadt brachten die Allensteiner auch durch eine in der Propsteikirche angebrachte Gedenktafel zum Ausdruck, die mit der Inschrift „Wir haben hier keine bleibende Statt ...“ aus Hebräer 13 dem Gedenken der verstorbenen Landsleute gewidmet ist.

Ende 1992 folgte der Patenschaft eine Städtepartnerschaft zwischen Gelsenkirchen und dem nun polnischen Allenstein. Dem guten Verhältnis zwischen Gelsenkirchen und der Stadtgemeinschaft tat dies keinen Abbruch, denn auch die Stadtgemeinschaft richtete nach der politischen Wende ihr Augenmerk verstärkt nach Osten. Neben die Verpflichtung, den Zusammenhalt zwischen den ehemaligen Bewohnern Allensteins zu erhalten, trat nun die Aufgabe, die in Allenstein verbliebenen Landsleute, die sich endlich zu ihrer deutschen Abstammung bekennen konnten, zu unterstützen.

Ein besonderes Projekt der Stadtgemeinschaft ist das Haus der deutschen Minderheit in Allenstein, das „Haus Kopernikus“. Es wurde mit Spendengeldern der Stadtgemeinschaft erworben und vor allem mit Zuwendungen der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und des Freistaates Bayern renoviert. Das Haus hat sich zu einem Mittelpunkt der deutschen Minderheit im südlichen Ostpreußen und zu einem Ort deutsch-polnischer Begegnung entwickelt.

Zum 50. Jahrestag der Übernahme der Patenschaft haben die Stadt Gelsenkirchen, die Stadt Allenstein [Olsztyn] und die Stadtgemeinschaft eine Vereinbarung unterzeichnet, in der sie ihren Willen bekräftigen, die gute Zusammenarbeit der vergangenen Jahre fortzusetzen und neben Projekten im Rahmen der Städtepartnerschaft vor allem die Begegnung zwischen deutschen und polnischen Jugendlichen zu fördern. Gottfried Hufenbach

 

BRAUNSBERG

Kreisvertreter: Manfred Ruhnau, Tel.: (02241) 311395, Fax (02241) 311080, Bahnhofstraße 35 b, 53757 Sankt Augustin. Geschäftsstelle: Stadtverwaltung Münster, Patenstelle Braunsberg, Frau Jostenmeier, 48127 Münster, Tel.: (0251) 4926051.

Sonnabend, 4., Sonntag, 5. Ok­to­ber, Johanniter Akademie, Wei­ßenburg-Straße 60−64, Münster.

Aus Ostpreußen erwarten wir von Braunsberg [Braniewo] Bürgermeister Mrozinski, seinen Stellvertreter Herrn Maziarz und den Stadtratsvorsitzenden Herrn Barycki. Diese drei Personen sind von unserer Patenstadt Münster zu unserem Jubiläum eingeladen. Von uns, der Kreisgemeinschaft Braunsberg sind weitere fünf Personen eingeladen und werden daran teilnehmen: Es sind Domherr André Schmeier, Irene Kasza, Lidia Necio, Jerzy Butkewicz und Zbigniew Kendzora. Zu dieser Jubiläumsveranstaltung sind alle Braunsberger aus der Stadt und dem Landkreis Braunsberg herzlich eingeladen.

Bitte melden Sie sich an in der Johanniter Akademie in Münster unter Telefon (0251) 97230145 zum Kreistreffen in Münster.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Auch in diesem Jahr fanden sich die Ostpreußen des Kreises Elchniederung zu ihrem Kreistreffen, das immer gleichzeitig auch Mitgliederversammlung ist, zusammen. Veranstaltungsort war wieder das Hotel Esplanade in Bad Nenndorf.

Das Kreistreffen begann am Freitag mit der Delegiertenversammlung, zu der sich im öffentlichen Teil auch einige Mitglieder als Zuhörer gesellten. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Delegiertenversammlung auf den Vorbereitungen für das 60-jährige Bestehen der Patenschaft mit Bad Bentheim, welches 2015 gefeiert wird. Außerdem wurde Barbara Dawideit, die nach dem Tod von Hartmut Dawideit vom Vorstand als Geschäftsführerin eingesetzt worden war, von den Delegierten als zweite stellvertretende Vorsitzende gewählt. Zeitgleich zur Versammlung wurden im Untergeschoss des Festsaales bereits Filme und Fotos von verschiedenen Heimatreisen gezeigt. Wolfgang Nienke hatte dazu in bewährter Weise die nötige technische Ausstattung aufgebaut.

Am Sonnabend trafen nach und nach immer mehr Mitglieder der Kreisgemeinschaft ein, so dass Kreisvertreter Manfred Romeike am Nachmittag bei der Eröffnung des Treffens über 80 Gäste begrüßen konnte. Nach der Übermittlung von verschiedenen Grußworten und der Totenehrung gab er einen kurzen Abriss über die Ereignisse des zurückliegenden Jahres. Er erwähnte auch die Mitglieder der Kreisgemeinschaft, die den Weg nach Bad Nenndorf nicht mehr auf sich nehmen können. Für sie ist der Heimatbrief umso wichtiger, um am Austausch von Erinnerungen teilhaben zu können. Der Kreisvertreter verband dies mit einem Aufruf, weiterhin Beiträge für den Heimatbrief an die Redakteurin zu schicken. Weiterhin berichtete er über das plötzliche Versterben des Geschäftsführers Hartmut Dawideit im Juni. Bereits im Frühjahr hatte der Vorstand beschlossen, ihn für sein langjähriges Engagement mit der Silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft Ostpreußen auszuzeichnen. Der erste stellvertretende Vorsitzende, James-Herbert Lundszien, führte diese nun posthume Ehrung mit bewegenden Worten durch.

Anschließend berichtete der Vorsitzende der Delegiertenversammlung, Dr. Günter Spilgies, über die Ergebnisse der Delegiertenversammlung vom Vortag. Er informierte über die wirtschaftliche Situation der Kreisgemeinschaft und betonte, dass das Spendenaufkommen noch ausreichend sei zur weiteren Finanzierung des Heimatbriefes. Danach fand eine kurzfristig angesetzte Wahl statt. Ines Laue stellte sich vor und erläuterte ihre Beweggründe, den Kirchspielvertreter für Kreuzingen und Gowarten, Dieter Wenskat, in seiner Arbeit unterstützen zu wollen. Sie wurde von den Mitgliedern ohne Gegenstimmen und Enthaltungen zur stellvertretenden Kirchspielvertreterin für Kreuzingen gewählt.

Nach diesem offiziellen Teil gab es ausreichend Gelegenheit, Freunde und Bekannte zu treffen, zu plachandern und Erinnerungen auszutauschen. Der Abend klang mit musikalischer Untermalung und Gelegenheit zum Tanz aus. Am Sonntagmorgen bestand wie in jedem Jahr die Möglichkeit, am Gottesdienst in der evangelischen Kirche von Steinhude teilzunehmen.

 

KÖNIGSBERG LAND

Kreisvertreterin: Gisela Broschei, Bleichgrabenstraße 91, 41063 Mönchengladbach, Telefon (02161) 895677, Fax (02161) 87724. Geschäftsstelle: Im Preußen-Museum, Simeonsplatz 12, 32427 Minden, Telefon (0571) 46297, Mi. Sa. u. So. 18-20 Uhr.

Mit dem Ostpreußenkalender der Heimatkreisgemeinschaft Landkreis Königsberg durch das Jahr 2015! Liebe Landsleute, liebe Freunde Ostpreußens, für das Jahr 2014 beginnt das letzte Quartal. Deshalb ist es Zeit, unseren Ostpreußenkalender für das Jahr 2015 anzubieten. Das erfreulich gute Echo der letzten Jahre hat uns dazu bewogen, wieder einen Kalender aufzulegen. Auch für diesen Kalender hat uns Lorenz Grimoni, der Leiter des Museums Stadt Königsberg, aus seiner reichen Sammlung von Bildnissen unserer Heimat für jeden Monat des neuen Jahres ein typisches Motiv auswählen lassen. Dafür danken wir herzlich, denn nur durch die Überlassung dieser Bilder war es uns möglich, einen solchen Kalender zu gestalten. Wir glauben, dass dieser Kalender Ihnen auf dem Weg durch das Jahr 2015 viel Freude bereiten wird, Ihnen Heimatliches in das Gedächtnis holt, Sie vielleicht sogar zu einer Reise in das auch heute schöne Land anspornen wird. Mit Ihrer Spende beim Erwerb dieses Kalenders unterstützen Sie die Arbeit der Heimatkreisgemeinschaft Landkreis Königsberg (Pr) e.V. Deshalb danken wir allen Landsleuten und Freunden Ostpreußens, die uns durch ihre Spenden helfen. Wir sehen darin auch eine Anerkennung unserer ehrenamtlich geleisteten Arbeit und sind ermutigt, auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren (Konto Heimatkreisgemeinschaft Landkreis Königsberg bei der Sparkasse Minden-Lübbecke, Kontonummer: 6400 6885, BLZ 490 501 01). Der Kalender (Format DIN A4) kann bestellt werden bei Gisela Broschei, Bleichgrabenstraße 91, 41063 Mönchengladbach, Telefon (02161) 895677, oder bei Karl Mückenberger, Neißestraße 13, 32425 Minden, Telefon (0571) 46297. Der Preis einschließlich Porto beträgt, wie in den letzten Jahren, 12 Euro. Bei dieser Gelegenheit möchten wir an den bereits im Sommerheft „usS“ angekündigten Lichtbildvortrag von Dr. Jörn Barfod, Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg, erinnern, der am 10. Oktober, 16 Uhr, im Preußen-Museum in Minden stattfindet. Gisela Broschei

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Sonnabend, 18. Oktober: Das Lötzener Heimatmuseum in der Sudetenlandstraße 18 H (Böcklersiedlung) in der Patenstadt Neumünster hat von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Gelegenheit, die Dauerausstellung über „die Perle Masurens“ zu besuchen und die Sonderausstellung „Mein Hauptweg, meine Nebenwege“, Kunstwerke von Elena Steinke (Königsberg, Breklum), zu sehen.

Um 16.15 Uhr beginnt die Veranstaltung anlässlich des 50. Todestages von Agnes Miegel: „Na, man ist nicht ungestraft Deutsche.“ Eine Annäherung an Leben und Werk (durch Ute Eichler) und die Darstellung persönlicher Erinnerungen an die Dichterin (von Eberhard Steinke, Breklum). Eintritt frei.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

In Tilsit gab es früher zehn Friedhöfe der verschiedensten Glaubensgemeinschaften. Sie alle existieren nicht mehr. Stellvertretend für die verschwundenen Begräbnisstätten ist nun auf dem Areal des ehemaligen Brackschen Friedhofs in einer anmutigen Parklichtung ein Kreuz errichtet worden. Eine marmorne Gedenktafel erinnert an die einstigen Friedhöfe und an die vielen deutschen Tilsiter, die dort in heimatlicher Erde ihre letzte Ruhe fanden.

Hans Dzieran und Siegfried Dannath-Grabs, die anlässlich des Stadtfestes in Tilsit weilten, gedachten an der gerade erst entstandenen Ruhestätte der toten Tilsiter und legten in stillem Gedenken einen Kranz der Stadtgemeinschaft nieder. Sie sprachen der Ex-Stadtpräsidentin und Geschäftsführerin von „Einiges Russland“ Jelena Sokolowa Dank und Anerkennung aus. Durch den ehrenamtlichem Freizeiteinsatz ihrer Jugendgruppe „Molodaja Gwardia“ konnte das Projekt zur Verwirklichung gebracht werden.

Durch die zentrumsnahe Lage wird die würdige Erinnerungsstätte mit dem Kreuz künftig für alle Tilsiter Besucher ein Ort des Verweilens sein, an dem sie ihrer in Tilsit beigesetzten Vorfahren gedenken können.


S. 19 Heimatarbeit

Erstes russisches Mitglied
Prussia arbeitet mit Königsberger Museum zusammen

Am 18. September fand im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin die Eröffnung der Ausstellungen „Der Erste Weltkrieg. Sichtweise ein Jahrhundert danach“ und „Der Große und Vergessene Erste Weltkrieg. Seiten der Erinnerung“ statt. An der Veranstaltung nahmen Wissenschaftler, Diplomaten, Medienvertreter, Mitarbeiter des Berliner Stadtmuseums sowie russische und deutsche Interessierte teil. Im Rahmen der offiziellen Eröffnung sprach der Präsident der Prussia, Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde Ost- und Westpreußens e.V., Hans-Jörg Froese, ein Grußwort. In diesem Rahmen überreichte er dem anwesenden Direktor des „Kaliningrader Museums für Geschichte und Kunst“, Sergej Alexandrowitsch Jakimow, für das Museum die Ernennungsurkunde zum Mitglied der Gesellschaft. Die Urkunde wurde anhand einer Vorlage der vormaligen Altertumsgesellschaft Prussia gestaltet und nunmehr verwandt. Zur Freude beider Seiten handelt es sich um die erste Mitgliedschaft einer Institution aus Russland in der Prussia-Gesellschaft.

In der Ausstellung, die von der Museumsvereinigung „Museen Moskaus“ zusammen mit dem Berliner Stadtmuseum zum Thema „Der Erste Weltkrieg. Sichtweise ein Jahrhundert danach“ vorbereitet wurde, werden Agitationsplakate aus dem Ersten Weltkrieg präsentiert. Plakate sind eine spezielle Richtung der Kunst, ein Instrument zur Beeinflussung der Menschen mit Hilfe von Elementen des grafischen Designs einerseits und politischer Kunst andererseits. Sie erlauben es, die Sicht auf die Ereignisse von zwei entgegengesetzten Seiten auszuwerten. In der Ausstellung wurden seltene Fotografien aus der Sammlung des militärhistorischen Museums für Artillerie, Ingenieur- und Fernmeldeeinheiten Sankt Petersburg, des Nationalen Historischen Museums Weißrusslands und des Staatlichen Literarischen Museums von Weißrussland präsentiert. EB

„Der 1. Weltkrieg. Sichtweise ein Jahrhundert danach“ ist noch bis zum 30. Oktober zu sehen. „Der Große und Vergessene Erste Weltkrieg. Seiten der Erinnerung“ hat bis zum 5. Oktober geöffnet.

Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur, Friedrichstraße 176-179, 10117 Berlin, Telefon (030) 20302252. Öffnungszeiten des Hauses: Mo-Fr., 10 bis 20 Uhr, Sa/So., 12 bis 18 Uhr. Öffnungszeiten der Ausstellungen: Di-Fr, 14 bis 19 Uhr, Sa/So., 12 bis 18 Uhr.


Schätze in Burgdorf
Heimatstube Heiligenbeil stellt sich vor

Im Jahr 2007 wurde die Heimatstube der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil in Burgdorf in der Wilhelmstraße 2 A eröffnet.

Da bis heute niemand gefunden werden konnte, der das Amt des Archivars übernehmen möchte, ist die Kreisgemeinschaft Heiligenbeil immer noch auf der Suche. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, die Heimatstube regelmäßig zu öffnen. Das geschieht zurzeit nur zum jährlichen Hauptkreistreffen Anfang September, das seit vielen Jahren im Veranstaltungszentrum in der Sorgenser Straße 31 in Burgdorf stattfindet.

An den Veranstaltungstagen ist die Heimatstube jeweils für zwei Stunden für Besucher geöffnet. In jedem Jahr wird eine kleine Ausstellung vorbereitet, die im letzten Jahr unter dem Thema „Flucht und Vertreibung“ gestaltet wurde. Der Hauptgrund für dieses Thema war die Herausgabe des neuen Buches „Keine Zeit für Trauer – keine Zeit für Tränen“. Im Jahr 2012 stand die Ausstellung unter dem Thema „Kirche“ und alles, was damit zu tun hat wie zum Beispiel Kirchenmodelle, Geburtsurkunden, Konfirmationssprüche, Gesangbücher, Bibeln, Taufkleidchen. Die Vorbereitung und Gestaltung der Ausstellungen geschieht in der Hauptsache durch Ilse Thomann, Fotoarchivarin der Kreisgemeinschaft, die sehr gute Ideen bei der Gestaltung mit einbringt.

Der Bestand der Heimatstube setzt sich vorwiegend aus Objekten der Mitglieder zusammen, ergänzt durch einzelne spätere Ankäufe. Es gibt eine Textilsammlung, bestehend aus Leinen, Aussteuerwäsche und Handarbeiten wie Häkeldeckchen und Klöppelwaren, eine Anzahl von Gemälden und Druckgrafiken, Porzellan und Keramik aus Hotels in Heiligenbeil, Bierflaschenverschlüsse und Andenkenporzellan. Weiter existiert eine Sammlung von alltäglichen Gebrauchsgütern und Erinnerungsgegenständen wie Fliesen, Kacheln, Dachziegeln sowie eine Sammlung von Orts-, Straßen- und Firmenschildern aus der Heimat. Vom Handwerk zeugen Drechslerwaren wie eine Heiligenbeiler Spielzeugbüchse aus Wacholderholz.

Hervorzuheben sind die rund 20 Modelle von Gebäuden, Schiffen und Ortsansichten sowie Darstellungen zu Sagen und Schwänken aus Natangen. Es sind verschiedene Kirchenmodelle sowohl der Heiligenbeiler als auch der Zintener Kirche vorhanden.

Darüber hinaus befinden sich in der Heimatstube umfangreiche Dokumentationen aus dem Kreis Heiligenbeil, Orts- und Lagepläne, Chroniken, Urkunden unterschiedlichster Art, Erlebnisberichte, Zeugnisse, alte Zeitungen, Bücher und vieles mehr. B.S.

Ansprechpartner: Elke Ruhnke, Im Bökel 76, 42369 Wuppertal, Telefon (0202) 461613, E-Mail: ruhnke@kreisgemeinschaft-heiligenbeil.de, oder Brunhilde Schulz, Zum Rothenstein 22, 58540 Meinerzhagen, Telefon (02354) 4408, E-Mail: brschulz@dokom.net


S. 20 Heimatarbeit

»Ostpreußen begeistert die Besucher«
Fördervereine luden zur gemeinsamen Vortragsveranstaltung ins Ostpreußische Landesmuseum

In Lüneburg gibt es etwas Einzigartiges: das Ostpreußische Landesmuseum. Hier gibt es ein Dreivierteljahrtausend ostpreußischer Geschichte, Landschaft und Kultur unter einem Dach zu bestaunen. Das Haus ist das einzige Museum in Deutschland, das das reiche Erbe, aber auch die Gegenwart und Zukunft Ostpreußens und deren Bedeutung für Deutschland und Europa in ihrer Gesamtheit thematisiert. Als zentrale Einrichtung für die Sammlung, Bewahrung, Erforschung, Präsentation und Vermittlung des Kulturgutes aus und von Ostpreußen nimmt es eine besondere Stellung in der deutschen Museumslandschaft ein.

Als gemeinnützige Kultureinrichtung ist das von der Ostpreußischen Kulturstiftung getragene und überwiegend vom Bund und dem Land Niedersachsen finanzierte Museum auch auf finanzielle Zuwendungen von privater Seite angewiesen. Deshalb, und auch, um allgemein zur Erhaltung und Pflege des kulturellen Erbes Ostpreußens beizutragen, wurde bereits 1965 der „Förderkreis Ostpreußisches Jagdmuseum e.V.“ gegründet, der seit dem Tod des Museumsgründers 1974 den Zusatz „Hans-Ludwig Loeffke Gedächtnisvereinigung“ führt. Auch der später gegründete Verein „Freunde des Ostpreußischen Landes- und Jagdmuseums“ hat sich die finanzielle und ideelle Förderung des Museums zum Ziel gesetzt.

Anlässlich des 40. Todestages des Museumsgründers Forstmeister Hans-Ludwig Loeffke luden am Montag vergangener Woche beide Fördervereine zu einer gemeinsamen Vortragsveranstaltung mit dem aus Königsberg stammenden Fotografen, Buchautor und Architekten Christian Papendick nach Lüneburg ein. Bei der Begrüßung konnte sich Barbara Loeffke, die als Vorsitzende des Förderkreises seit vielen Jahren das Werk ihres Mannes fortführt, über ein bis auf den letzten Platz besetztes Museums-Foyer freuen. Nach der musikalischen Einstimmung durch die Böhmsholzer Jagdhornbläser ließ Loeffke kurz die Geschichte des Museums Revue passieren, dankte allen früheren und gegenwärtigen Förderern und bat auch für die Zukunft um ideelle und materielle Unterstützung. Eckhard Pohls, CDU-Bundestagsabgeordneter aus der Region, der wegen parlamentarischer Verpflichtungen nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte, schloss sich dieser Bitte in dem von ihm übermittelten Grußwort an und betonte die besondere Stellung des Ostpreußischen Landesmuseums als Bewahrer der Erinnerung an Geschichte, Landeskunde und Kultur Ostpreußens.

Als Hausherr dankte der Museumsdirektor Joachim Mähnert den beiden Fördervereinen und allen Freunden des Hauses für ihre jahrzehntelange Unterstützung. Zugleich würdigte er die Pioniertat des Museumsgründers und seiner Unterstützer und betonte, dass deren Werk nach dem Abtreten der Erlebnisgeneration eine zentrale Rolle zukomme, wenn Ostpreußen nicht eine „kleine Anekdote deutscher Geschichte“ werden solle. Zufrieden konnte er feststellen: Ostpreußen begeistert die Besucher.

Das Leben und Wirken des Museumsgründers waren das Thema der Ausführungen von Horst Buschalsky. Als Leitender Forstdirektor war er prädestiniert, sich in den „Forstmann aus Neigung und Leidenschaft“ Hans-Ludwig Loeffke hineinzuversetzen und den Zuhörern dessen „Leben für Wild, Jagd und Wald in Ostpreußen“ anschaulich nahezubringen. Dabei spannte er den Bogen von der Ausbildung und Tätigkeit des Tilsiters im Preußischen Forstdienst über dessen Neuanfang nach der Vertreibung, sein selbstloses Engagement für seine Landsleute bis zu Gründung und Aufbau des 1957 aus einer weit beachteten Jagdausstellung hervorgegangenen Museums, das heute weit mehr als nur das „grüne Ostpreußen“ zeigt.

Sehr persönlich geprägt waren die Ausführungen von Christian Papendick. Neben der launigen Schilderung einiger Erinnerungen an das Ostpreußen vor Flucht und Vertreibung trug der Träger des Kulturpreises der Landsmannschaft Ostpreußen Passagen aus seinem Bildband über das Nördliche Ostpreußen vor. Auf diese Weise nahm er seine Zuhörer mit auf eine Reise in ein „Land zwischen Zerfall und Hoffnung“, so der Titel des Buches. Dass Erzählung und Lesung immer wieder mit kurzen architektonischen Exkursen angereichert wurden, nahmen die Zuhörer gern an.

Zum Abschluss der Veranstaltung überreichte der Förderkreis Ostpreußisches Jagdmuseum dem Haus eine Büste des Ännchen von Tharau, jener ursprünglich in samländischem Niederdeutsch seit bald vier Jahrhunderten besungenen Tochter Ostpreußens. Die Büste ist eine Detailstudie der 1989 neu geschaffenen Figur des Ännchens, die seitdem wieder den Simon-Dach-Brunnen in Memel ziert. Der Simon-Dach-Brunnen wurde 1912 in der Memeler Altstadt errichtet. Seine originale Brunnenfigur gilt seit 1945 als verschollen. Im Jahre 1988 gaben Memeler Bürger und ihre deutschen Freunde bei dem Bildhauer Harald Haake eine Bronzefigur in Auftrag, die dieser nach alten Abbildungen schuf. Im Ostpreußischen Landesmuseum hat das Abbild dieses Zeugnisses ostpreußischer Kultur und Geschichte einen würdigen Platz gefunden.

Jan Heitmann


Dem Volk aufs Maul geschaut

Felix Arndt, Pfarrer i. R. hat „Worte aus Ostpreußen“ in „3300 Wörter und Redensarten, damit nicht ganz vergessen wird, wie man in Ostpreußen schabbern konnte“, zusammengetragen. Die PAZ setzt die Vokabeln in loser Folge mit Teil 24 fort:

geh-geh oder: goa-goa = Ausdruck ungläubigen Zweifelns

es geht, es ging = halbe Anerkennung auf die Frage „wie war es“

er „geht“ mit ihr = zwei haben sich gern

das ganze Gesums = alles, was dazugehört, der persönliche Besitz

i Gott bewahre! (i bewahre!) = energische Ablehnung, Leugnung

Mann Gottes! = Tadel voller Ablehnung

ach du grieses Katerchen = verlegene Überraschung, Staunen

du bist nicht ganz beim Groschen = du bist geistig nicht auf der Höhe

nicht gehauen, nicht gestochen = wenn etwas nicht taugt

etwas „geht wie geschmiert“ = etwas geht flott

früh gesattelt, spät geritten = zu frühe Vorbereitung lohnt nicht

H

Haafke =  Habicht

Hacheln = Getreidegrannen

Handspirgel (-spirkel)  = Gebratenes Fleisch zum Mitnehmen auf’s Feld

wir hätten =  wir hatten

hagelnagelneu =  ganz neu

halbgar =  geistig nicht auf der Höhe oder angeberisch

Hälschen = Hals- und Brustwärmer

hamschen = schnappen, raffen

Handschkes = Handschuhe

es hapert = es gibt Hindernisse

ein Happche dammlig = hartnäckig verbohrt, ein bisschen komisch

Happchen, Happs = kleiner Bissen

happig = hastig, habgierig, zu viel


S. 21 Lebensstil

Helle Freude
Für Leipzig ist der 9. Oktober ein Feiertag − Die Stadt feiert die Montagsdemonstration vor 25 Jahren mit einem Lichtfest

Mit der Nacht der Kerzen auf dem Nikolaikirchhof versammelten sich schon 2007 und 2008 tausende Leipziger zur Erinnerung an die Friedliche Revolution auf dem Nikolaikirchhof. 2009 weitete sich die Gedenkfeier als Lichtfest zu einem künstlerisch anspruchsvollen Aktionsweg entlang der historischen Demonstrationsstrecke aus. Zum Jubiläum umfasst es erstmals den gesamten Innenstadtring.

Kein anderer Ort, keine andere Stadt steht so exemplarisch und authentisch für die Friedliche Revolution wie Leipzig. Leipzig war immer eine selbstbewusste Bürgerstadt. Nur so sind der Mut, die Tatkraft und die Beharrlichkeit zu erklären, mit denen die Leipziger den Staat zu Reformen drängten und auch heute noch kritisch begleiten.

Im Mittelpunkt des Protestes zu DDR-Zeiten stand die dem Schutzpatron der Kaufleute geweihte Nikolaikirche. Bei der Stadtgründung 1165 an der Kreuzung von zwei Handelswegen erbaut, blickt Leipzigs mit 63 Metern Länge und 43 Metern Breite größte Kirche 2015 auf 850 Jahre Bau- und Glaubensgeschichte zurück. Von dem Gotteshaus im Herzen der Altstadt gingen über die Jahrhunderte immer wieder entscheidende Impulse aus: 1539 fand hier Leipzigs erster offizieller evangelischer Gottesdienst statt und damit die Einführung der Reformation in der Stadt. 1723 trat Johann Sebastian Bach als Director musices der Stadt Leipzig hier sein Amt an und viele seiner Werke erlebten in der Kirche ihre Uraufführung.

Im Zuge der Friedensdekade 1980 hielten seit 1982 Umwelt- und Menschenrechtsgruppen ununterbrochen montags Friedensgebete in dem Gotteshaus ab. Aus dem Dialog über die bedrückenden geistigen, politischen und wirtschaftlichen Zustände in der DDR entwickelte sich im Laufe des Jahres 1989 ein nicht mehr aufzuhaltender, immer öffentlicher werdender Pro­test. An der ersten auf das Montagsgebet folgenden Demonstration am 15. Ja­nuar 1989 nahmen 500 Bürger teil. Es gab 53 Festnahmen. Am 9. Oktober 1989 waren es über 70000 − ohne Festnahmen.

Das war der Dammbruch. Zum Auftakt am 7. Oktober, dem 40. Jahrestag der DDR, hatten Uniformierte noch stundenlang auf friedliche Protestler eingeschlagen und zu Hunderten in Lastwagen abtransportiert. Zwei Tage später griffen die 8000 aufgebotenen bewaffneten Sicherheitskräfte nicht ein. Als „Wunder“ be­zeichnete das der im Juni verstorbene Christian Führer, der damalige Gemeindepfarrer der Nikolaikirche und Schlüsselfigur der Friedlichen Revolution. Eine gewaltsame „chinesische Lösung“ wie vier Monate zuvor auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking fand nicht statt. Das war der Durchbruch für den Fall der Mauer am 9. November 1989.

2008 wurde in Leipzig be­schlossen, den 9. Oktober zum städtischen Feiertag zu erheben. Seit 2009 bildet das Lichtfest zu diesem Anlass ein vielschichtiges Format des Erinnerns und Kommentierens und den emotionalen Höhepunkt im Rahmen der zahlreichen Gedenkveranstaltungen. Zum Jubiläum erstreckt sich der aus Lichtkunst, Video, Musik, Tanz und Performance gestaltete Parcours erstmals über den kompletten, 3,6 Kilometer langen Innenstadtring.

Als zentraler Treffpunkt dient der Augustusplatz. Hier stimmen bereits tagsüber Live-Übertragungen des Festaktes und des Friedensgebetes sowie Informationen zu den Installationen auf das Lichtfest ein. Zum Auftakt sind alle Besucher eingeladen, aus 25000 Kerzen den Schriftzug „Leipzig 89“ erstrahlen zu lassen, bevor der Rundgang startet, zu dem neben Bundespräsident Joachim Gauck die Staatspräsidenten Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei eingeladen sind.

Jürgen Meier, künstlerischer Leiter des Festes, zum Gesamtkonzept: „Wir haben international agierende Künstler eingeladen, ihre Sicht auf die Friedliche Revolution zeitgemäß darzustellen … Jedes Thema ist einem ganz speziellen Ort entlang des Rings zugeordnet.“

Dabei liegen historischer Rück­blick und aktuelle Realität dicht beieinander. Denn die Auseinandersetzung mit Hoffnung und Enttäuschung, Isolation und Gemeinschaft oder die Frage nach der wirtschaftlichen Dimension im individuellen und gesellschaftlichen Prozess der demokratischen Entwick­lung ist längst nicht beendet, wie der Blick auf die insgesamt 16 Stationen zeigt.

Genauso wie das Thema Kontrolle und Überwachung, das spätestens seit den Snowden-Enthüllungen aktueller ist denn je. Die Künstlergruppe „westfernsehen“ und die Schweizer Mediengruppe Bitnik setzen sich in ihren Projekten Beobachtungsraum I und II gleich zu Beginn des Rundganges damit auseinander. Die einen digital, die anderen, indem sie verborgene Bilder von Überwachungskameras, die in nahezu jeder Stadt generiert werden, in den öffentlichen Raum zurück­werfen.

Jonathan Richer aus Leipzigs Partnerstadt Lyon mahnt in seinem Videomapping „I vote, I build!“, dass Wahlfreiheit, die zentrale Errungenschaft der Friedlichen Revolution, zugleich Verpflichtung und Verantwortung ist. Zum Thema Reisefreiheit, ein weiterer Herzenswunsch der Demonstranten von einst, führt das Leipziger Ballett unter der Leitung von Mario Schröder im Transitraum am Hauptbahnhof Ausschnitte aus „PAX 2014“ auf – nicht ohne kritische Fragestellung.

Bleibend und auf das historische Ereignis be­zogen sind dagegen die Denkmale auf dem Nikolaikirchhof. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchten dort 146 in das Bodenpflaster des Platzes eingelassene Leuchtelemente für drei Stunden nach dem Zufallsprinzip in den Farben Blau, Grün und Magenta nacheinander auf. Die Lichtinstallation „Public Lights“ von Tilo Schulz und Kim Wortelkamp symbolisiert das Zusammenkommen zu einer friedlichen Versammlung.

Daneben steht seit 2003 auch ein Brunnen auf dem Platz, dessen Entwurf aus dem Londoner Architekturbüro von David Chipperfield stammt. Die sommers randvoll mit Wasser gefüllte Granitschale von 3,30 Metern Durchmesser symbolisiert die politische Situation in der DDR 1989, in der „jeder Tropfen das Fass zu Überlaufen bringen konnte“.

Eindrucksvollstes Denkmal aber ist die seit 1999 auf der Ostseite des Platzes aufgestellte Replik einer der herrlichen klassizistischen Säulen der Nikolaikirche. Mit dem Palmwedel an ihrer Spitze – ein Symbol des Friedens – erinnert sie an den unblutigen Charakter der Revolution. Gleichzeitig trägt sie den Gedanken des Aufbruchs der Menschen im Herbst 1989 symbolisch aus der Kirche in den öffentlichen Raum hinaus. Helga Schnehagen

Ablauf am 9. Oktober: 11 bis 13 Uhr, Gewandhaus: Politischer Festakt mit Rede zu Demokratie von Joachim Gauck, Live-Übertragung durch das ZDF sowie über die Leinwand auf dem Augustusplatz. 17 bis 18.30 Uhr, Nikolaikirche: Friedensgebet, Live-Übertragung durch den MDR sowie über die Leinwand auf dem Augustusplatz. 19 bis 23 Uhr, Augustusplatz und Innenstadt­ring: Lichtfest Leipzig.


Vorsicht Tier
Ob Bären, Wölfe oder Wildschweine − in Europas Wäldern vermehren sich immer mehr Wildtiere, vor denen man auf der Hut sein sollte

Salzwasser-Krokodile, die in Australien Menschen fressen, Löwen, die in Afrika in Safari-Camps eindringen, Grizzlys, die in Nordamerika Wanderer töten − meist liegt der Ort des Geschehens fernab von Europa, wenn Touristen für unvorhergesehene Begegnungen mit wilden Tieren mit dem Leben bezahlen. Doch auch in Europa kommt es immer wieder zu fatalen Zu­sammenstößen zwischen Mensch und wildem Tier. Mal sind es Unwissenheit oder das Ignorieren von Verhaltensregeln, mal Übermut, was Naturfreunde oder Abenteurertouristen ins Verderben lotst. Die Palette an europäischer Fauna, die dem Menschen in der Natur gefährlich werden kann, reicht von hochgiftigen Schlangen bis zu alten Bekannten aus den Tagen der Märchen-Brüder Grimm.

Beispiel Schlangen: Mitteleuropas giftigstes Reptil ist die Aspis-Viper. In Deutschland kommt sie nur in Teilen des Südschwarzwaldes vor, in den Schweizer Alpen ist sie weit verbreitet. 2013 starb in Südfrankreich ein deutscher Schlangendompteur an Bissen der Viper während einer Show, die den Zuschauern die Angst vor Schlangen nehmen sollte. Schwächer ist das Gift der in fast ganz Europa heimischen Kreuzotter. Todesfälle sind rar. 2004 starb eine 81-jährige Frau auf Rügen nach einem Biss.

Für Urlauber in Europa gilt: Je weiter südlich, desto gefährlicher die Schlangenarten. Europas am meisten gefürchtetes Reptil ist die auf Zypern heimische Levanteotter, deren Biss unbehandelt in jedem dritten Fall zum Tod führt, oft auch zur Amputation. Früher trugen Zyperns Bauern auf den Feldern hüfthohe Lederstiefel zum Schutz gegen die Bodenviper. Wanderer können ihr heute im Troodos-Gebirge begegnen und sollten − wie überall, wo Giftschlangen sind − fest auftreten und beim Klettern nicht blindlings in Felsspalten fassen.

Heimat mehrerer Vipernarten sind − neben der Türkei − die Balkan-Länder. Das Urlaubsland Kroatien wartet zum Beispiel mit Kreuzotter, Wiesenotter und der in seltenen Fällen für den Menschen tödlichen Sandotter auf. Zwar fliehen fast alle Reptilien bei Gefahr, im Falle einer un­glück­lichen Kollision können aber knöchelhohe Wanderstiefel und Fußball-Schienenbeinschoner den Unterschied ausmachen.

Gegen einen anderen Bewohner Kroatiens hilft gutes Schuhwerk nicht: den Braunbären. In Kroatiens Bergen leben rund 800, im waldreichen Bosnien-Herze­gowina gleich 2800. Noch mehr Bären gibt es in Europa nur in Russland und Rumänien. Riskant sind vor allem Begegnungen mit Bärinnen, die Junge mit sich führen − oder wenn ein Hund dabei ist, denn den betrachtet eine Bärin als Wolf, der ihre Jungen reißen will. 2008 wurde in den rumänischen Karpaten ein deutscher Tourist von einem Bären schwer verletzt, der in dessen Zelt nach Fressbarem suchte.

Todesfälle durch Bären gibt es auf dem Balkan hin und wieder. Ein Brennpunkt ist die Karpatenstadt Brasov. Aus dem direkt angrenzenden Wald dringen dort nachts Bären im Stadtteil Racadau zu den Müllcontainern vor und durchstöbern sie nach Lebensmit­teln − ein Spektakel, das laufend Touristen anlockt. Fachleute raten Wanderern bei Kontakt mit Meister Petz, Lärm zu machen, den Tieren nicht in die Augen zu sehen und − wenn ein Angriff erfolgt − sich auf den Bauch zu legen und tot zu stellen.

Um einem anderen Schwergewicht zu begegnen, muss kein Europäer weit reisen: Gemeint ist das − bis auf den Norden Skandinaviens − allgegenwärtige Wildschwein. Von der „Vermaisung“ weiter Landstriche gepäppelt, macht sich das Schwarzwild breit und drängt sogar in die Städte, so nach Berlin − und das mit Folgen. Im Januar 2014 starb ein 81-Jähriger nach einem Wildschweinangriff in Berlin an einer Herzattacke. 2008 tötete ein angeschossener Keiler in einem Maisfeld bei Potsdam sogar einen Jäger. Wer in Wäldern mit Wildschweinen ganz sicher sein will, sollte keinen Hund mit­führen − und nie zwischen Bache und Frischlinge geraten. Ansonsten gilt: Abstand halten.

Ein Raubtier, das seit Jahrhunderten für Gänsehaut sorgt, ist der Wolf. Seit rund zehn Jahren ist Isegrim in Teilen Deutschlands wieder heimisch. In Österreich sind es nur eine Handvoll Tiere, in die Schweiz wandern Wölfe schon seit 1995 von Italien und Frankreich aus wieder ein.

Seine Gefährlichkeit für den Menschen wird oft dramatisiert oder verharmlost. In Europa kamen in den letzten 50 Jahren nach Berichten neun Menschen durch Wolfsattacken um, in fünf Fällen wurde Tollwut nachgewiesen. In Deutschland gab es seit der Rückkehr des Wolfs keine Angriffe auf Menschen. Früher war der Wolf tatsächlich oft eine Gefahr, vor allem in bitterkalten Wintern, wenn die Rudel Hunger litten. In Finnland sollen Wölfe von 1879 bis 1882 insgesamt 35 Kinder getötet haben − Haupttäterin war eine alte Wölfin mit schlechten Zähnen. Ähnliche Ereignisse sind aus Estland, Frankreich und Russland bekannt. Der Rückgang der Opferzahlen hat Gründe: die Entwicklung des Tollwut-Impfstoffes, Landflucht und die Zunahme von Beutetieren, vor allem von Rotwild. Auch werden heute in Europa kaum noch Kinder als Hüter von Nutztieren eingesetzt. Kai Althoetmar


S. 22 Neue Bücher

Besser als sein Ruf
Der Kapitän der »Bounty«

In einem Hollywoodschinken hat die „Bounty“ überlebt. Ihr Kapitän wird hierin als Tyrann dargestellt. Wie wenig diese Charakterisierung jedoch den Tatsachen entspricht, schildert die neue Biografie des William Bligh von Jann M. Witt. Der Autor ist Historiker des Deutschen Marinebunds am Ehrenmal in Laboe. Er zeichnet ein lebensvolles Bild des harten Dienstes in der britischen Marine. „... selbst in Kriegszeiten starben mehr Seeleute an Krankheiten und Unfällen als im Gefecht.“

James Cook wusste durch regelmäßige Sauerkrautgaben seine Mannschaften vor Skorbut zu bewahren. Wie dieser begann auch Blighs das Seemannshandwerk von unten auf zu erlernen. 1776 trat er bei dem großen Mann als Navigationsoffizier in Dienst. Auf der Reise mit der „Resolution“ wurde Cook von den Hawaiianern ermordet, weil ihn seine Offiziere im Stich ließen. Dieses Ereignis prägte auch Bligh.

Wie ein Abenteuerroman liest sich diese Biografie. Die Tatsachen des bewegten Lebens sind selbst ohne den verklärenden Mythos noch fesselnd genug. Auch wenn der Autor vieles geraderückt hat, werden Gefahr und Heldentum dadurch nicht geringer. Es war eine harte Zeit mit gewaltigen Herausforderungen, die Witt in einer bilderreichen Sprache wiedererstehen lässt. Anmerkungen und Worterklärungen bringt er im Anhang, um den Textfluss nicht zu unterbrechen.

Stiftend für das Charakterbild bleibt das zentrale Ereignis dieses Lebens. Die „Bounty“ sollte 1787 Brotfruchtschößlinge aus Tahiti bringen und zugleich dort die Gewässer erkunden. Konflikte mit den Einheimischen werden zum Anlass der Katastrophe. Als sich der Landungstrupp bedrängen und bestehlen lässt, wird der Kapitän ungehalten. Auch kommt es zum Streit mit dem von Bligh protegierten 24-jährigen Oberbootsmann Fletcher Christian. Dieser erwägt die Flucht mit einem selbstgebauten Floß. Die Seeleute reden ihm das aus und machen ihn zum Anführer einer Meuterei, in deren Zuge der Kapitän und seine Anhänger auf einer Barkasse ausgesetzt werden. Doch sie überleben und finden den Weg bis Timor: ein Beispiel für die außergewöhnlichen Navigationsfähigkeiten des Kapitäns.

Im Prozess gegen einige der gefangenen Meuterer wird der abwesende Bligh später sogar verunglimpft. Doch statt diese Verleumdungen juristisch niederzuschlagen, bewährte dieser sich in der Schlacht von Kopenhagen unter Nelson. So konnte die Polemik gegen ihn Langzeitwirkung entfalten. Zweimal noch entflammt gegen den Kapitän Aufruhr. Witt schildert ihn als einen Mann, den schlechte Erfahrungen miss-trauisch gemacht haben. Dass er gegen jede Form von Pflichtvergessenheit äußerst unduldsam war, machte ihn nicht beliebter.

Das Buch ist keine Reinwaschung des Verleumdeten durch die Feder eines Marinehistorikers. Der Autor wägt maßvoll die problematischen Seiten der Persönlichkeit gegen seine Fähigkeiten und Verdienste ab.

Bligh ist der Entdecker von einem Dutzend pazifischer Inseln. Wegen seiner Verdienste in der Navigation und Botanik wurde er Mitglied der Royal Society.

Sebastian Hennig

Jann M. Witt: „Die Bounty war sein Schicksal. Das abenteuerliche Leben des William Bligh“, Primus Verlag, Darmstadt 2014, gebunden, 192 Seiten, 19,95 Euro


Vor Zieleinlauf ertrunken
Das Schicksal der somalischen Olympiateilnehmerin Samia Yusuf Omar

Man hat sich schon daran gewöhnt: Regelmäßig wird vermeldet, dass im Mittelmeer einmal mehr Afrikaner bei ihrer illegalen Einreise nach Europa ertrunken sind. Die Einzelschicksale, die dahinter stehen, werden selten publik. Giuseppe Catozzella, der in Italien bereits mit Publikationen über das Agieren der kalabrischen Mafia für Aufsehen sorgte, hat nun mit „Sag nicht, dass du Angst hat“ die Geschichte der Somalierin Samia Yusuf Omar recherchiert und niedergeschrieben. Die 1991 Geborene und 2012 im Mittelmeer Ertrunkene ist jedoch keine Unbekannte: 2008 lief die Sprinterin bei den Olympischen Spielen in Peking und ist derzeit Heldin des täglichen Cartoons der „FAZ“.

Für das vorliegende Buch hat der Italiener deren in Finnland lebende ältere Schwester Hodan und einige Weggefährten der Sportlerin befragt. Herausgekommen ist ein zu Herzen gehender, aber keineswegs kitschiger Roman.

Samia begeisterte sich bereits im Alter von acht Jahren für das Laufen. Schon früh träumte sie davon, dem in ihrer Heimatstadt Mogadischu geborenen Leichtathleten Mo Farah nachzueifern, der für Großbritannien zahlreiche internationale Wettkämpfe gewonnen hatte. Als sie im Alter von zehn Jahren einen Stadtlauf gewann, erkannten auch ihre Eltern, dass ihre Tochter Talent hat, und hinderten sie nicht daran, ihrer Neigung nachzugehen, auch als die im Land immer mehr Einfluss gewinnenden Islamisten das Hobby des Mädchens verurteilten. Wobei die Förderung allein darin bestand, ihr das Laufen nicht zu verbieten, andere Möglichkeiten der Förderung waren in einem Land wie Somalia nicht möglich. Selbst als das somalische Olympische Komitee Samia entdeckte, war das Mädchen weit von einem Profitraining entfernt.

Catozzella schildert aber nicht nur Samias sportliche Karriere, sondern auch die Beziehungen innerhalb der Familie und zu ihren Freunden. Zudem vermittelt er einen nachvollziehbaren Eindruck davon, wie das Leben in Mogadischu aussieht. Mit der Machtergreifung der Islamisten mussten plötzlich sich alle Frauen verhüllen und Männer lange Gewänder tragen. Die Al Shabaab verbot zudem Musik, was Samias ältere Schwester Hodan, eine Sängerin, dazu veranlasste, illegal nach Europa auszuwandern. Da Hodans Flucht erfolgreich verlief, sah auch Samia später darin die einzige Möglichkeit, ihrer Leidenschaft zu folgen. 2008 war sie noch für ihr Land bei den Olympischen Spielen gestartet, doch da sich

die Lage weiter verschlechterte, rückte eine Teilnahme 2012 in London in weite Ferne. Zudem wurde Samias geliebter, als äußerst tolerant dargestellter Vater von Islamisten ermordet, so dass sie nichts mehr in ihrem Heimatland hielt. Dank einer US-Journalistin gelangte sie nach Äthiopien, doch da die notwendigen Papiere aus Mogadischu nicht zeitnah übersandt wurden, ließ das dortige Olympische Komitee sie vorerst nicht professionell trainieren.

Der Autor macht aber deutlich, dass Samia, getrieben von der Hoffnung, 2012 bei Olympia zu starten, nicht warten wollte, dass die Papiere noch kommen. Aus irgendeinem Grund muss sie geglaubt haben, dass sie es in Europa einfacher haben würde, und so wandte sie sich an Schlepper. Was Catozzella über die „Reise“ berichtet, ist mit „grauenhaft“ noch untertrieben beschrieben. Tagelang ineinander verkeilt auf der Ladefläche von Jeeps abseits von Straßen, verbrachten die ihr Glück Suchenden in der Hand der Schlepper, die ständig mehr Geld einforderten, die damit drohten, sie sonst irgendwo in der Wüste auszusetzen und die Menschen schlechter als Tiere behandelten.

Warum Samia, die nur mit viel Glück lebend Libyen erreichte, sich auf die noch gefährlichere Reise über das Mittelmeer einließ, zumal eine Olympiateilnahme zu dem Zeitpunkt bereits ausgeschlossen war, kann Catozzella jedoch nicht schlüssig klären. Bel

Giuseppe Catozzella: „Sag nicht, dass du Angst hast“, Knaus, München 2014, gebunden, 251 Seiten, 14,99 Euro


So macht Verdauung Spaß
Bestseller »Darm mit Charme« hat die vielen Leser verdient

Von der Medizinstudentin zur Bestsellerautorin: Giulia Enders forschte für ihre Doktorarbeit am Institut für Mikrobiologie in Frankfurt am Main. Die angehende Medizinerin gewann mit ihrem daraus resultierenden Vortrag „Darm mit Charme“ einen Freiburger Wissenschaftspreis. Im Frühjahr veröffentlichte sie nun ein ganzes Buch mit demselben Titel und erhielt ein sehr positives Medienecho, das neugierig macht. So bringt die junge Autorin das Thema Verdauung dem Leser mit viel Witz und Charme näher. So manches Stirnrunzeln kann sich der Leser bei den anschaulichen Comic-Zeichnungen zwar nicht verkneifen, doch stellt sich am Ende die Frage, warum der Verdauungsvorgang in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema darstellt, während gleichzeitig Sex Dauergesprächsthema ist. Zwar ist es in Ordnung, verlauten zu lassen, dass man Magenprobleme hat. Dass es sich aber eigentlich um Funktionsstörungen des Darms handelt, lässt man lieber unerwähnt.

Die Autorin beschreibt anschaulich, wie ein menschliches Wesen bereits im Mutterleib aus ursprünglich drei Abschnitten entsteht. Über den ersten Abschnitt – Gehirn und Rückenmark – darf man in aller Öffentlichkeit diskutieren, und auch der zweite Abschnitt – das Herz – sorgt für regen Gesprächsstoff. Aber der dritte Abschnitt – der Darm –, den sollte man beim gepflegten Abendessen lieber nicht aufs Tableau bringen. Schließlich möchte keiner darüber nachdenken und schon gar nicht darüber sprechen, dass man das köstliche Essen, das gerade verspeist wird, in wenigen Stunden wieder über das entgegengesetzte Körperende im WC verschwinden wird.

Gnadenlos erläutert Enders dem Leser in humorigen Worten auch den Vorgang des „sich Übergebens“, des „sauer Aufstoßens“, wie eine Verstopfung entsteht und wie sie sich am besten bekämpfen lässt. „Auch der Magen kann stolpern. Der Grund für Aufstoßen ist auch nicht anders als beim Stolpern: Es sind die Nerven. Sie regulieren die Muskulatur. Wenn die Sehnerven eine Stufe nicht wahrnehmen, werden die Beinnerven falsch informiert, unsere Beine laufen, als ob es kein Hindernis gäbe: Wir stolpern. Wenn unsere Verdauungsnerven falsche Infos bekommen, halten sie die Magensäure nicht auf und lassen sie im Rückwärtsgang losfahren.“

Am Ende des Buches wird mancher Leser vielleicht mehr über den Darm und die damit verbundenen Vorgänge wissen, als ihm lieb ist, aber er wird auch eine ganze Ecke schlauer sein, was den eigenen Körper betrifft und wie die Signale, die man von ihm empfängt, zu deuten sind. Hat man bei einem lauten Magenknurren sonst hektisch zu einem Snack gegriffen, so kann man sich in Zukunft entspannt zurücklehnen und sich über einen frisch gereinigten Dünndarm freuen. „Darm mit Charme“ ist großartige und lehrreiche Unterhaltungslektüre. Vanessa Ney

Giulia Enders: „Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ“, Ullstein, München 2014, gebunden, 288 Seiten, 16,99 Euro


In Liebesdingen kein Ehrenmann
Schiller und die Frauen: Am Ende suchte er sich die zu seinen Karrierewünschen passende Gattin

Zeitgleich mit dem sehenswerten Film „Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf, in dem das Dreiecksverhältnis zwischen Friedrich Schiller und den Schwestern Charlotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz (später von Wolzogen) aufgerollt wird, hat der Insel Verlag eine neue Ausgabe von Ursula Naumanns exzellentem Buch über denselben Stoff auf den Büchermarkt gebracht. Ebenso wie bei der ersten Ausgabe von 2004 trägt es den Titel „Schiller, Lotte und Line“. Naumanns kurzweiliger, attraktiv bebilderter Historienschmöker ist für ein breites Lesepublikum zugeschnitten, genügt aber auch fachwissenschaftlichen Ansprüchen. Zeitlich liegen die Jahre 1788 und 1789 im Fokus und damit die Zeitspanne von Schillers Begegnung mit den Schwestern von Lengefeld/von Beulwitz in Rudolstadt bis zu seiner Verehelichung mit Charlotte von Lengefeld im Februar 1790.

Umrahmt ist diese in der älteren Forschung verschwiegene Ménage à trois von einem kurzen biografischen Abriss der drei Hauptakteure sowie einer Wertung der zeitgenössischen Stimmen nach Schillers Tod durch die Autorin.

Sinnigerweise beginnt ihr Buch mit einer Volkslegende aus Thüringen, in der von einer glück-lichen Ehe zu dritt in der Epoche der Kreuzzüge erzählt wird. Im vorliegenden Fall wurde eine Person unglücklich, und zwar diejenige, die viele aus Schillers Umkreis nicht nur sympathischer fanden, sondern die überdies mit vielen Talenten begabt war, nämlich Caroline von Beulwitz, die ältere der Lengefeld-Schwestern. Wie der andere große Vertreter der Weimarer Klassik, Goethe, hatte sich Schiller letztendlich für eine gefühlsschlichte Frau als Gattin entschieden, wofür die Biografen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts noch vollstes Verständnis hatten. Wo hingegen Naumanns Sympathien liegen, bleibt dem Leser nicht verborgen. Ebenso äußerte Wilhelm von Humboldt, der Schiller 1789 kennenlernte, nach Schillers Eheschluss mit der jüngeren der Lengefeld-Schwestern gegenüber seiner Verlobten Caroline von Dacheröden tief empfundenes Bedauern. Schillers Verhalten war ihm unerklärlich.

Unsere Kenntnis über das Liebesverhältnis zwischen dem Verfasser von „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ und den beiden Schwestern, Töchter der verwitweten Rudolstädter Hofdame Louise von Lengefeld mit vielfältigen Beziehungen auch zur Weimarer Hofgesellschaft, stammt größtenteils von Briefwechseln und Tagebucheintragungen, teils von Schiller selbst, teils von Personen aus seinem Umfeld, doch die Quellen sind mitunter nicht leicht zu interpretieren.

Das vorliegende Buch fußt auf einer Fülle von Quellenzitaten. Auf dieser Basis blättert die Autorin die Geschichte des Beziehungsdramas Seite für Seite auf. Köstlich sind nicht nur Einzelheiten aus den schriftlichen Überlieferungen, sondern auch manche Anmerkungen der Autorin, die so hervorhebt, was man ansonsten überlesen hätte.

Schiller nahm bei den Schwestern die Kultivierung von Seele und Geist in die Hand: „Das Programm der später als ‚deutsch‘ sprichwörtlich gewordenen Innerlichkeit, ein Schuss männlich-orientalischen Despotismus, der die Frauen im Haus halten möchte …“. Über sein intensives Streben nach einer passenden Partie erstattete er Christoph Wieland in Weimar und seinem Freund Christian Gottfried Körner in Dresden häufig Bericht. Als das Ziel erreicht war, begann, wie Naumann es nennt, sein Rufmord an Charlotte von Kalb. Die mehrjährige Beziehung zwischen dem Dichter und der unglücklich verheirateten jungen Frau war seit Frühjahr 1787 unterbrochen. Im Januar 1789 erfolgte die Ernennung Schillers zum außerordentlichen Professor der Philosophie in Jena. Sie wurde ins Werk gesetzt durch seine Förderer, die mehrheitlich weiblich waren, jedoch ohne den Einfluss Goethes womöglich nichts erreicht hätten. Im August 1789 verlobten sich Schiller und Lotte heimlich, und ab September desselben Jahres datiert „die Chronik des Verrats“ an Charlotte von Kalb, deren Ruf in der Nachwelt Schiller ruiniert habe, so Naumann.

Caroline von Wolzogen hat ihre Briefe an Schiller aus dieser Zeit verbrannt. In ihrer Biografie „Schillers Leben“ von 1830 entwarf sie ein glattgeschliffenes Bild von ihrer Beziehung zu dem damals schon von der Nachwelt hoch verehrten Dichter bis zu dessen Verehelichung mit ihrer Schwester. Dagmar Jestrzemski

Ursula Naumann: „Schiller, Lotte und Line. Eine klassische Dreiecksgeschichte“, Insel Verlag, Berlin 2014, broschiert, 195 Seiten, 8,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Erfolgreich verschüttet / Warum Zusammenhänge verdeckt bleiben müssen, was Journalisten besser nicht fragen, und warum wir nichts mehr melden sollten

Von der Schule an hat man uns gelehrt, dass wir „die Zusammenhänge erkennen“ sollen, wenn wir verstehen wollen, was um uns herum los ist. Wer die Zusammenhänge enttarnt habe, der kenne auch bald die Ursachen eines Problems und komme der Lösung schon ganz nahe, so das verlockende Versprechen.

Umgekehrt funktioniert das natürlich ebenso gut: Wer die Zusammenhänge verkleistert, sorgt dafür, dass die Ursache eines Problems im Dunkeln bleibt und damit eine Lösung außer Reichweite gerät.

Vielleicht haben Sie sich auch schon gewundert, warum in letzter Zeit alle möglichen Probleme täglich immer größer werden, während wir den Eindruck haben müssen, dass alle Energie darauf verwandt wird, um den heißen Brei herumzureden. Da haben wir etwa den raschen Vormarsch der Milizen des mörderische „Islamischen Staats“ (IS) in Syrien und Irak, die auf direktem Draht mit der rasant wachsenden Islamisten-Szene in Europa und Deutschland verbunden sind. Warum stellt sich den Islamisten in Deutschland keiner beherzt entgegen?

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi gibt einen Hinweis auf die Wurzel des Versagens. Man dürfe den IS gar nicht als „radikal-islamisch“ bezeichnen. Denn auf diese Weise würde man diese Terroristen als Vertreter der islamischen Religion darstellen. Doch „dies ist eine Zuweisung, die die Muslime hier in Deutschland in ihrer Ehre berührt“, so Fahimi nach einer Sitzung der SPD-Spitze.

Interessant. Wenn die IS-Terroristen ihre Motivation nicht aus dem Koran ziehen, woher dann? Aus Karl Mays „Durchs wilde Kurdistan“? Ach nein. Gewiss ist es eine „tiefsitzende Diskriminierungserfahrung“, die sie zu Gewalttätern machte, das klappt immer, in diesem Falle so: Weil ein radikaler Moslem von einem anderen Menschen als radikaler Moslem bezeichnet wurde, fühlte er sich diskriminiert. Das hat ihn derart aus der Bahn geworfen, dass er keinen Ausweg für seine gequälte Seele sah, als Christen, Jesiden oder andersgläubigen (etwa schiitischen) Moslems den Kopf abzuschneiden.

Sind die Ursachen und Zusammenhänge erst einmal derart erfolgreich verschüttet, ist ein Kampf gegen den Islamismus völlig unmöglich. Genau darum geht es Fahimi. „Radikal islamisch“ sei für strenggläubige Muslime nämlich gar nichts Negatives, belehrt sie uns. Das ist also etwas Gutes, soll das wohl heißen.

Toll, was? So hat die SPD-Generalin nicht nur den Zusammenhang zwischen IS und Islam unkenntlich gemacht, sie hat gleich auch noch islamischen Radikalismus reingewaschen. Die Sozialdemokraten sind weit gekommen.

Und so sieht das dann in der Praxis aus: „Spiegel TV“ hat sich an die Fersen eines nach Deutschland zurückgekehrten mutmaßlichen IS-Kämpfers geheftet. Der Sprecher der deutschen Moschee, in welcher der junge Mann zuvor ein- und ausgegangen war, zog einen klaren Strich zwischen seine Leute und die Terroristen. Man verabscheue, was der Kerl getan habe, denn „es ging ja Moslems gegen Moslems, und das kann ja schon gar nicht im Sinne des Islam sein“, sagte der Moschee-Sprecher den „Spiegel“-Leuten in die Kamera.

Ein bösartiger Journalist hätte spitz zurückgefragt, was diese Formulierung zu bedeuten habe: Wenn es nicht gegen andere Moslems, sondern gegen Christen, Juden et cetera gegangen wäre, dann wäre es nicht so schlimm? Selbstverständlich haben die „Spiegel“-Leute diese hässliche Frage nicht gestellt. Auch „kritischer Journalismus“ muss schließlich seine Grenzen kennen. Hätten sie es doch gefragt, und der Mann wäre ins Schlingern gekommen, hätte uns Frau Fahimi sicherlich davor gewarnt, den Moschee-Sprecher in die Nähe des Islam zu rücken, weil das „die Muslime hier in Deutschland in ihrer Ehre ...“

In Berlin brodelt derzeit noch ein anderes Phänomen, das unter die Kategorie „Hat nichts zu tun mit ...“ fällt. Eine linke Terrorwelle rollt durch einige Stadtteile, vor allem Kreuzberg. Opfer wurden bislang einfache Gewerbetreibende, eine Boutique oder ein kleiner Blumenladen und auch Privatwohnungen. Laut dem Extremismusforscher Uwe Backes läuft das ab wie bei den Neonazis mit ihren „national befreiten Zonen“: Die Linken wollten eine Gewaltherrschaft in ihrem Kiez errichten, in der sie das Sagen haben und nicht die Organe des demokratischen Rechtsstaats. Dafür bekam Backes gleich mal einen eindeutigen Drohbrief von den Linken.

Linken? Von der Linkspartei wurde klagestellt, dass es für das Treiben der Extremisten keinerlei politisches Motiv geben könne – schon wieder wird ein offensichtlicher Zusammenhang aus dem Blick­feld verbannt.

Besonders eif­rig tun sich die Stadtteil-Terroristen hervor als Unterstützer der „Flüchtlinge“. Die „Flüchtlinge“ wiederum stehen in keinerlei Zusammenhang zur gestiegenen Zahl von Straftaten in ihrem Umfeld.

In Kreuzbergs Görlitzer Park haben daher laut Meldung „Personen“, nicht „Asylbewerber“, ein Kamerateam mit einem Messer bedroht und massiv bedrängt. Selbstverständlich verraten wir nicht, um was für „Personen“ es sich handelt. Das könnte „Vorurteile“ schüren und Rassismus Vorschub leisten.

Wehe, es verplappert sich einer. Der pommersche „Nordkurier“ hat das vorsätzlich getan und dafür heftig Dresche bezogen. Er hatte gemeldet, dass zwei tsche­tschenische Brüder vor einem Asylbewerberheim mit einem Messer bewaffnet auf einen Afghanen losgegangen seien, weil der Kontakt zu ihrer 14-jährigen Schwester gesucht haben soll.

Diese Meldung hat ein Mitglied der Sprecherrats des Bündnisses „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ zutiefst erbost. Der „Nordkurier“ hätte die Nationalität der Männer verschweigen müssen. Außerdem finde er es bedenklich, dass das Asylbewerberheim als Tatort genannt worden sei. Der Mann vom bunten Bündnis hat auch gleich eine Alternativ-Meldung entworfen. Unter der Überschrift „Männer geraten in Streit“ hätte es heißen sollen: „In einem Wohnblock in Drögeheide ist die Polizei erneut im Einsatz gewesen. Wegen eines Mädchens sind zwei Männer in Streit geraten.“ Der „Nordkurier“ nennt das „Nicht-Berichterstattung“.

Manchem geht selbst diese „Nicht-Berichterstattung“ noch lange nicht weit genug ins Nichts. Wieso werde erwähnt, dass es Männer gewesen seien, fragt einer. Sei das nicht „männerfeindlich“? Und warum der Ort? Diskriminiere das nicht immer auch Orte, Länder, Staaten? Am Ende müsste die Meldung eigentlich lauten: Personen sind über ein Mädchen in Streit geraten, die Polizei griff ein. Wo? Wer? Warum? Muss alles wegzensiert werden, sonst sieht noch jemand einen Zusammenhang.

Am besten sollten wir gar nicht melden, wo Asylbewerberheime stehen. Denn von etlichen Orten berichten Nachbarn solcher Unterkünfte, dass die Kriminalität spürbar zugenommen habe, seit die „Flüchtlinge“ da seien.

Von dieser simplen Feststellung bis zu dem durch und durch rassistischen Verdacht, dass die zusätzliche Kriminalität auch nur irgendetwas mit den Neuankömmlingen zu tun haben könnte, ist es nur ein kurzer Weg.

Dem kann am besten vorgebeugt werden durch konsequentes Verschweigen der Domizile. Aber die Leute merken es doch, dass sich die Sicherheitslage in ihrer Umgebung plötzlich verändert hat, seit diese Menschen da sind!

Ja, die Leute vor Ort. Aber wen interessieren die denn schon? Die meisten Deutschen haben keine „Flüchtlinge“ in ihrer Umgebung und nehmen die Sache daher erfreulich anders wahr. Laut ARD-Deutschlandtrend ist die Mehrheit im Lande dafür, dass wir noch mehr aufnehmen sollen. Na also, klappt doch. Nicht klappen tut es für echte, ehrliche politisch Verfolgte, die sich mit sonst wem in einen Topf geworfen sehen. Aber auch hier heißt es eben: Wen interessieren die denn?


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Ex-Politiker sahnen ab

Venedig – Für Ärger sorgen in Italien die Bezüge ehemaliger Politiker. In Venetien übersteigen die Ausgaben für die Ausgeschiedenen, die oft noch weit vor dem Rentenalter Vorschüsse von mehr als einer Million Euro erhalten, mittlerweile die Kosten, welche die aktiven Politiker verursachen. Die Ruheständler weigern sich trotz massiver Proteste, auch nur einen Teil der üppigen Bezüge zurückzuerstatten. H.H.

 

EU gängelt Ehrenamtliche

Brüssel – Für Aufregung unter ehrenamtlich Tätigen hat eine neue EU-Richtlinie gesorgt. Danach werden Personen, die selbstgebackenen Kuchen für karitative Zwecke auf einem Basar verkaufen, künftig als „Lebensmittelunternehmer“ eingestuft. Daher müssen sie schriftlich erklären, ob etwa Eier, Nüsse oder Milchprodukte in der Backware enthalten sind oder andere Stoffe, gegen die jemand allergisch sein könnte. Karitative Verbände äußerten sich entgeistert. H.H.

 

Der Lord soll fort

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben ihre Messer gewetzt. Dieser Tage müssen sich die designierten EU-Kommissare den bohrenden Fragen der Parlamentsausschüsse nach Struktur und Geschäftsbereichen ihrer Ressorts sowie nach ihren persönlichen Kompetenzen stellen. Als ausgesprochener Problemkandidat, der bei der Anhörung noch am ehesten durchfallen könnte, gilt aus Sicht einflussreicher Abgeordneter der Brite Jonathan Hill. Das ihm zugedachte Ressort Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmärkte sei für den Vertreter eines Landes mit Plänen, wie sie das Vereinigte Königreich habe, unpassend.

An der Qualifikation des 1960 geborenen Historikers mit Eliteausbildung scheint man dagegen keine Zweifel zu hegen. Beruflich im Verlags- und Werbegeschäft verwurzelt, wechselte er von der Privatwirtschaft immer wieder für kurze Zeit in den politischen Raum, wo er als Berater und Referent von konservativen Spitzenpolitikern arbeitete, bevor er im Jahre 2010 als Parlamentarischer Unterstaatssekretär im Bildungsministerium selbst zum Berufspolitiker wurde. Im gleichen Jahr wurde Hill zum Baron of Oareford geadelt und auf Lebenszeit Mitglied des britischen Oberhauses, dessen Führer er seit Anfang 2013 ist. Dort gehört er der konservativen Fraktion der Tories an.

Seine Ablehnung sei nicht gegen seine Person gerichtet, sondern sei Ausdruck einer klaren Botschaft: kein Brite auf diesem Posten. Das würde eine andere Zuteilung der Geschäftsbereiche innerhalb der EU-Kommission erfordern. Zudem könnte eine Ablehnung weitreichende Konsequenzen für die Bemühungen haben, Großbritannien in der EU zu halten. J.H.


MEINUNGEN

Pfarrer Peter Ruch aus Küssnacht (Schweiz) kritisiert in der Zeitschrift „Blick“ (20. September) Sozialleistungen für Zuwanderer, die mit Nächstenliebe nichts zu tun hätten:

„Würden wir den Einwanderern keine staatliche Hilfe zukommen lassen, wie dies in Amerika der Fall ist, dann könnte jeder in die Schweiz kommen. Aber er müsste selber für sich aufkommen. Die, die das nicht schaffen, würden das Land wieder verlassen. Das wäre die richtige Art der Einwanderung. Die USA erreichen eine viel bessere Integration als die europäischen Länder.“

 

 

Der syrisch-orthodoxe Erzbischof des irakischen Mossul, Nicodemus Daoud Sharaf, wehrt sich im Gespräch mit der „Tagespost“ (24. September) gegen die Behauptung, der IS habe nichts mit dem Islam zu tun:

„Es ist eine große Lüge zu behaupten, der Islam sei eine Religion des Friedens. Das stimmt nicht. Dazu muss man nur in den Koran und die Hadithen blicken, die Wort und Beispiel Mohammeds überliefern. Dann sieht man, dass der Islam schon in seiner Gründungszeit den Christen und Andersgläubigen nur drei Möglichkeiten gelassen hat: Entweder sie konvertieren zum Islam, zahlen die Kopfsteuer oder nehmen den Tod in Kauf. Wo ist der Unterschied zu dem, was IS jetzt in Mossul und anderswo gemacht hat? Ich sehe keinen.“

 

 

Martin Reinhardt, CDU-Mitglied sowie Gründer und Sprecher des Konservativen Netzwerks, zum wahren Kern linker Kampagnen „gegen Rechts“ in „Freie Welt“ (25. September):

„Es geht nicht um den legitimen sowie notwendigen Kampf gegen Extremismus jeglicher Couleur. Es geht um den illegitimen Kampf gegen den Andersdenkenden, der sich zwar auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung befindet, aber dummerweise auf dem vermeintlich rechten Teil des Bodens.“

 

 

Der tschechische Ökonom Tomas Sedlacek warnt im „Cicero“ (26. September) davor, die Schuldenkrise mit noch mehr Schulden zu bekämpfen, weil das so erzeugte „Wachstum“ nur eine Illusion sei, die unsere Stabilität zerstöre:

„Das Argument lautet immer: Wir müssen uns jetzt höher verschulden, um die Wirtschaft anzuregen, damit wir später unsere Schulden einfacher abtragen können. Schulden mit noch mehr Schulden zu bekämpfen hat etwas Manisches. Das ist ungefähr so, als wenn Sie für einen Alkoholiker, der mit seinem Kater kämpft, ein wirksameres Schmerzmittel entwickeln. Kurzfristig helfen Sie ihm mit der Medizin, aber langfristig wird sein Alkoholproblem noch schlimmer.“

 

 

Die „Bild“-Zeitung (29. September) zitiert aus dem Buch des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky „Die andere Gesellschaft“:

„Wenn ... der Durchschnittslohn eines Arbeiters in Bulgarien bei 180 bis 200 Euro liegt, in Deutschland hingegen allein das Kindergeld für eine Familie mit drei Kindern ein Mehrfaches beträgt, dann muss man sich über den Impuls zum Kofferpacken nicht wundern.“