19.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 42/14 vom 18.10.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Realitätsschock
Wirtschaftsfeindliche Politik der letzten Jahre droht nun durchzuschlagen

Die deutsche Wirtschaft verzeichnet einen radikalen Einbruch. Nun rächen sich die Versäumnisse und Fehler der Politik in den vergangenen Jahren.

Den Ökonomen fuhr der Schreck in die Glieder, die Börsenkurse schmierten ab: Wie seit dem Krisenjahr 2009 nicht mehr ist die deutsche Industrieproduktion eingebrochen. Es droht eine schmerzhafte Rezession wie vor fünf Jahren.

Oder gar Schlimmeres? Einiges ist heute anders als 2009. Damals ging die Wirtschaftsleistung zwar blitzartig um fünf Prozent zurück, mehr denn je seit Gründung der Bundesrepublik. Doch erholte sich Deutschland danach fast ebenso rasant, kam weitaus zügiger und schrammenfreier aus dem Tal als der Durchschnitt der großen Industrienationen.

Der Grund für die rasche Erholung war schnell ausgemacht. Die Deutschen hatten sich einige Jahre zuvor harte Reformen zugemutet, was sie befähigte, die Herausforderung besser zu meistern als andere.

Genau das ist heute anders. Reformen, welche die deutsche Wirtschaftskraft stärken könnten, wurden versäumt. Stattdessen marschiert die Politik seit Jahren in die entgegengesetzte Richtung. So hat beispielsweise die Rente mit 63 die Einsicht verdrängt, dass ein immer älteres Volk unmöglich immer früher in den Ruhestand gehen kann, ohne damit entweder die Beitragszahler weiter zu belasten oder die Stabilität seines Rentensystems zu gefährden.

Zu solchen Fehltritten gesellen sich ideologisch motivierte Bubenstücke, die ans Fundament der deutschen Stärke gehen. Die halsbrecherische Energiewende hat das Vertrauen in die Verlässlichkeit und das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Politik schwer erschüttert.

Nun soll Kraftwerksbauern sogar der Export konventioneller Kraftwerke praktisch unmöglich gemacht werden (siehe S. 2). Die weltweit bewunderte Rüstungsbranche darbt ebenfalls unter dem Diktat der Politik. Die unsinnigen Russland-Sanktionen, die kaum eine Nation so sehr treffen wie Deutschland (die USA dagegen kaum), tun ihr Übriges zur Beschleunigung des Niedergangs. Die Ausgaben für Investitionen in wichtigen deutschen Industriebranchen hinken schon seit einiger Zeit hinter den Abschreibungen her – für Ökonomen ein Vorzeichen für bevorstehende Produktionsverlagerungen ins Ausland.

Schließlich tauchen mit der neuen Krise alte Bekannte wieder auf: Die Euro- und Finanzkrise, die die Welt 2009 hinabriss, ist nicht gelöst, sondern mit allerlei teuren Tricks bloß verkleistert worden. Dabei allerdings haben die Akteure die Fallhöhe, von der aus es nun in die Tiefe gehen könnte, gewaltig vergrößert.

Europa und besonders Deutschland droht ein brutaler Realitätsschock. Die Fehler, die in den vergangenen Jahren aufgetürmt worden sind, warten nur darauf, mit Urgewalt aus dem Dickicht der Beschönigungen und Illusionen hervorzutreten. Hans Heckel


Ankara treibt ein falsches Spiel
Türkei schickt Panzer an die Grenze zu Syrien, tut aber nichts gegen den blutigen Terror des Islamischen Staats

Das Hin und Her der Gespräche zwischen Washington und Ankara über die Nutzung des türkischen Militärflugplatzes Incirlik durch die US-Luftwaffe nimmt groteske Züge an. Es wird immer deutlicher, dass die türkische Staatsführung den hochgefährlichen Islamischen Staat (IS) lieber als Nachbarn hat als eine kurdische Autonomieregion, von der auch für die Türkei keine Gefahr ausginge. Sie hofft offensichtlich darauf, dass der IS das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad beseitigt, bei der Gelegenheit die Kurden in Syrien niederhält und damit den Export kurdischer Autonomiebestrebungen in die eigene Kurdenregion unterbindet. Dafür spricht auch das falsche Spiel Ankaras, einerseits Panzer an der Grenze zu Syrien aufmarschieren zu lassen, andererseits das eigene Territorium dem IS ungehindert als Rückzugs- und Rekrutierungsraum zu überlassen.

Dabei könnte die Türkei als unmittelbarer Nachbar der umkämpften Gebiete im Kampf gegen den IS eine Schlüsselrolle spielen. Sollte sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan doch noch eines Besseren besinnen, wäre er allerdings gut beraten, von der Ermächtigung des Parlaments, Militäreinsätze in den Nachbarstaaten Syrien und Irak durchzuführen, nur sehr umsichtig Gebrauch zu machen. Denn der Einsatz von Bodentruppen würde keinen automatischen Erfolg versprechen. Ihr Kampf gegen die Kurden hat gezeigt, dass die türkische Armee gegen Guerillakämpfer nur wenig ausrichten kann.

Mit dem in Afghanistan geführten asymmetrischen „Krieg gegen den Terror“ hätte der Einsatz ohnehin nicht mehr viel zu tun, denn die Terrororganisation IS ist dabei, auf dem Gefechtsfeld wie ein staatlicher Akteur aufzutreten – straff organisiert und dank reicher Beute aus syrischen und irakischen Arsenalen gut ausgerüstet. Die Türkei verfügt zwar über die nach den USA zweitgrößten Streitkräfte aller Nato-Staaten, aber ihr Großgerät ist hoffnungslos veraltet. Von den rund 3600 Kampfpanzern sind 1400 vom US-amerikanischen Typ M48, 1000 vom Typ M60 und 400 vom deutschen Typ Leopard 1. Derartige Kampffahrzeuge findet man bei den anderen Nato-Mitgliedern schon seit Jahren nur noch im Militärmuseum. Auch beim sonstigen Großgerät sieht es nicht viel besser aus. Somit wäre der IS den türkischen Streitkräften nicht nur im asymmetrischen Kampf, sondern auch im klassischen Gefecht ein gefährlicher Gegner.

Ein UN-Mandat zu einer militärischen Intervention auf syrischem Boden steht schon allein wegen des zu erwartenden Vetos Russlands nicht zur Debatte. Sollte das Nato-Mitglied Türkei einen militärischen Alleingang wagen, könnten sich Russland und der Iran zu einem Eingreifen an der Seite Assads provoziert fühlen. Damit wäre das transatlantische Bündnis automatisch mit im Spiel, der Konflikt in eine neue, endgültig weltpolitische Dimension getreten. Deshalb sind es bisher auch nur die Kurden, die ausgerechnet von ihrem traditionellen Gegner Ankara den Einsatz von Bodentruppen gegen den IS fordern, was sie bevorzugt in deutschen Städten und keineswegs gewaltfrei tun, wie es ihrem Anliegen am dienlichsten wäre (s. Leitartikel). Dadurch wird sich die türkische Staatsführung gewiss nicht zum militärischen Eingreifen gezwungen sehen. Was sie aber tun kann, ja angesichts der furchtbaren Bilder aus den umkämpften Gebieten tun muss, ist, alles zu unterlassen, was dem blutigen Treiben des IS Vorschub leistet. Stattdessen sollte das Nato-Mitglied Türkei alles zur Unterstützung der auch von seinen Bündnispartnern getragenen Anti-IS-Koalition tun. Dazu gehört als erster Schritt, dass sie den USA endlich eine Luftwaffenbasis zur Verfügung stellt. J.H


Jan Heitmann:
Gewaltimport

Was uns die vom Bundespräsidenten und seinem Vorgänger geradezu übereifrig propagierte „Bunte Republik Deutschland“ beschert, müssen wir derzeit erleben: Hunderte Kurden und Salafisten gehen mit gefährlichem Mordwerkzeug aufeinander los, greifen Polizisten an, verwüsten unsere Straßen. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass die Gewalt mit jedem Geländegewinn, den die islamistische Terrororganisation IS erzielt, zunehmen wird. So also sieht die von unseren Politikern gepriesene kulturelle und ethnische Vielfalt aus, die uns angeblich so bereichert. Das ist importierte Gewalt, möglich gemacht durch offene Grenzen und eine ins Perverse gesteigerte „Willkommenskultur“.

Auf der einen Seite stehen die Kurden, die in ihrer Heimat angesichts der bestialischen Mordtaten des IS zu Recht um ihr Leben fürchten. Deshalb gewähren wir ihnen als Flüchtlinge unseren Schutz. Allerdings sympathisieren viele von ihnen mit der PKK, die ihrerseits in Deutschland als Terrororganisation gilt und daher verboten ist. Dass sie unseres Schutzes tatsächlich nicht würdig sind, stellen sie gerade überzeugend unter Beweis. Auf der anderen Seite stehen ihre Verfolger, blutgierige Dschihadisten, die selbst nicht verfolgt werden und trotzdem von unserer „Willkommenskultur“ profitieren. Beide Gruppen tragen ihren Konflikt ungehindert in unser Land. Das muss ein Ende haben und geht am besten, wenn man sie schnellstens ausweist oder, besser noch, gar nicht erst ins Land lässt. Alles andere ist ein fruchtloser Akt der Hilflosigkeit, mit dem diese gefährlichen Folgen der ungezügelten Zuwanderung nicht zu beheben sind. Und letztlich ist es auch noch politisch verlogen.


S. 2 Aktuell

Gefangen im Netz der Abhängigkeiten
Berlins Kritik an Pekings Umgang mit Menschenrechten bleibt folgenlos

Die Wirtschaftsbeziehungen standen auch bei den dritten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im Vordergrund. Unternehmensvertreter unterzeichneten milliardenschwere Verträge. Die Regierungen verabschiedeten ein umfangreiches 110-Punkte-Aktionsprogramm.

Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang kam mit 14 Ministern und einer über 100-köpfigen Delegation nach Berlin. Konsultationen auf Kabinettsebene pflegt Peking mit keinem anderen Land. Mit keiner anderen Diktatur pflegt auch Berlin so enge Beziehungen. In Menschenrechtsfragen gibt es dabei nicht den geringsten Fortschritt. Chinas Bedeutung für den deutschen Außenhandel wächst weiter. Deutschland ist Chinas wichtigster Handelspartner in der EU. Die häufigen Begegnungen mit deutschen Spitzenpolitikern nannte Li Keqiang „die Lokomotive“ für die Zusammenarbeit zwischen China und Europa.

Parallel zu den Regierungskonsultationen fand in Berlin ein Wirtschaftsforum mit über 500 Unternehmern aus beiden Ländern stand. In dessen Rahmen wurden 30 Wirtschaftsabkommen mit einem Volumen von über zwei Milliarden Euro unterzeichnet. Dazu gehören Vereinbarungen von Airbus über die Lieferung von 70 Flugzeugen der A-320-Baureihe, die Verlängerung des Volkswagen-Joint-Ventures, eine Erweiterungsinvestition von Daimler und ein Joint-Venture zwischen der Deutschen Telekom und China Mobile. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte, noch immer gebe es „umfangreiche Beschränkungen“ für deutsche Firmen in der Volksrepublik, zum Beispiel durch den Joint-Venture-Zwang, Benachteiligungen bei öffentlichen Ausschreibungen oder unfreiwillige Auflagen zum Technologietransfer.

Die deutschen Direktinvestitionen in China beliefen sich 2013 auf elf Milliarden US-Dollar, chinesische Direktinvestitionen in Deutschland auf knapp eine Milliarde US-Dollar. Es gibt einen signifikanten Anstieg chinesischer Investitionen und eine zunehmende wirtschaftliche Verflechtung. China ist seit 2013 größte Handelsnation und hat die weltweit höchsten Devisenreserven. Für dieses Jahr rechnet Peking mit einem Wirtschaftswachstum zwischen sieben bis 7,5 Prozent. 2013 lag China im deutschen Außenhandel bei den Einfuhren auf Platz zwei nach den Niederlanden, vor Frankreich und den USA. Bei den deutschen Ausfuhren lag China 2013 an fünfter Stelle. 2013 betrugen die Importe aus China rund 73 Milliarden Euro, die deutschen Ausfuhren ins Reich der Mitte 67 Milliarden Euro.

Wie eine Umfrage der Europäischen Handelskammer in China ergab, ringen europäische Firmen dort mit zunehmend härteren Bedingungen. 48 Prozent der befragten Unternehmen prüfen verstärkt Alternativen zu Investitionen in China. Noch bleibt das Land als Absatzmarkt für Deutschland unersetzbar.

Als größte Herausforderungen für deutsche Unternehmen werden steigende Lohnkosten, das Finden und Halten qualifizierter Mitarbeiter, ein langsames Internet, Bürokratie und der Schutz des geistigen Eigentums genannt. Experten erwarten vermehrte Spannungen im China-Geschäft, auch weil das Land zunehmend als ernst zu nehmender Wettbewerber unter anderem im Maschinenbau oder bei der E-Mobilität auftritt.

Beim Regierungstreffen wurde ein detailliertes Programm („Aktionsrahmen“) mit 110 Punkten für die künftige Zusammenarbeit aufgelistet. Das 28-seitige Papier verdeutlicht, wie breit die deutsch-chinesische Zusammenarbeit längst ist. Bisher gibt es 60 regelmäßig stattfindende „Dialogformate“ zwischen den Regierungen beider Länder. 2015 soll ein von den Außenministern geführter „Deutsch-chinesischer außen- und sicherheitspolitischer Dialog“ unter Beteiligung von Vertretern der Verteidigungsministerien hinzukommen. Auch zwischen den Staatssekretären soll es regelmäßige politische Konsultationen geben, ferner „Konsultations- und Austauschformate“ auf der Ebene der Abteilungsleiter in den Bereichen politische Planung, Rüstungskontrolle, konsularische Fragen und Cyber-Dialog. Visaverfahren sollen vereinfacht und beschleunigt werden.

Über den Konfliktfall Ukraine heißt es in dem Papier: „Beide Seiten respektieren die Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine.“ Zu mehr als der Vokabel „respektieren“ war die chinesische Seite offenbar im Hinblick auf Russland nicht bereit; „gefordert“ wird die Wiederherstellung der vollen Souveränität der Ukraine über ihr Territorium nicht. Unmittelbar nach seinem Deutschlandbesuch reiste der chinesische Ministerpräsident weiter nach Mos-kau.

Das 110-Punkte-Programm lässt kaum ein denkbares Feld der Zusammenarbeit unberück-sichtigt, angefangen von Landwirtschaft und Ernährung, Urbanisierung, Umweltschutz, Verkehrssystemen, Bildung bis hin zur Meeresforschung. Und dies oft sehr detailliert: Das Kapitel Gesundheit und soziale Sicherung nennt etwa auch die Rettungs- und Notfallmedizin einschließlich des Aufbaus eines integrierten Rettungssystems in China. Ferner die Gleichstellung öffentlicher Medizindienstleistungen für Wanderarbeiter. Kurios ist die eigens genannte „Verstärkung der Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Ausbildung von Nachwuchsfußballern“. Anscheinend hoffen die Chinesen, ihre fußballerische Performance durch Nachhilfe vom Fußballweltmeister steigern zu können.

Als Li Keqiang in der Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel eine kritische Frage zu den aktuellen Vorgängen in Hongkong gestellt wurde, erklärte er diese zu einer „inneren Angelegenheit“ Chinas, was andere Länder zu respektieren hätten. Der Asienexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, erklärte: „Glänzende Handelsbilanzen und joviale Auftritte der chinesischen Staatsführung im Ausland dü̈rfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im eigenen Land mit eiserner Faust regiert.“ Michael Leh


Gefährliche Verharmlosung
Der Westen ist keineswegs auf Ebola vorbereitet

Die Ebola-Epidemie, die seit Ende Februar in Westafrika wütet, ist definitiv außer Kontrolle. Davon zeugen sowohl die mittlerweile über 4000 Toten in sechs Ländern als auch die Ausrufung des Internationalen Gesundheitsnotstandes durch die Weltgesundheitsorganisation WHO, die noch im April von einem „relativ überschaubaren Herd“ sprach und vor Panikmache warnte. Letztere Fehlschätzung ist freilich nicht der Grund dafür, dass der Ausbruch des Jahres 2014 so ganz anders verläuft als die bisherigen 20 Epidemien seit der Entdeckung des Virus im Herbst 1976. Vielmehr resultiert dies aus der Verlagerung des Seuchenzentrums vom Kongo nach Westafrika, wo sowohl die Bevölkerungsdichte als auch die Mobilität der Menschen deutlich höher sind. Dazu kommen permanente Mutationen des Virus.

Jedenfalls droht nun die weltweite Ausbreitung von Ebola. Zum einen, weil Erkrankte problemlos aus Afrika ausreisen können – das belegt der Fall des Liberianers Thomas Eric Duncan, der nun in Dallas starb. Zum anderen holen die westlichen Staaten die Infizierten aber auch selbst ins Land, was genauso brandgefährlich ist, wie die erste Ansteckung mit Ebola auf europäischem Boden zeigt: Am 25. September infizierte sich die spanische Pflegerin Teresa Romero bei der Reinigung eines Krankenzimmers. Aber selbst dieses Ereignis hält die Verantwortlichen in der Bundesrepublik nicht davon ab, weiterhin ausländische Ebola-Patienten einfliegen zu lassen. Nach den zwei Ärzten aus dem Senegal und Uganda wird nun auch noch ein UN-Mitarbeiter aus dem Sudan in Deutschland behandelt.

Wer deswegen Bedenken äußert, bekommt zu hören, die Übertragung von Ebola erfordere den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Doch inzwischen musste die WHO eingestehen, dass eine Ansteckung auch auf indirektem Wege über kontaminierte Oberflächen sowie durch Husten oder Niesen erfolgen könne. Zudem wurden asymptomatische Ebola-Infektionen bekannt, bei denen Menschen das Virus in sich tragen und weitergeben, ohne selbst daran zu erkranken. Und zu guter Letzt ist da noch das Märchen von den bestens geschulten Ärzten. Die sind oft weniger kompetent als behauptet, sonst hätten sie Romero und Duncan nicht zunächst mit Paracetamol beziehungsweise Antibiotika nach Hause geschickt. Ebenfalls bezeichnend ist der Umstand, dass inzwischen schon 250 Angehörige des medizinischen Personals der Seuche zum Opfer fielen, darunter acht hochkarätige Experten für Ebola.

Und was passiert bei einer größeren Panne während der Behandlung von Ebola-Patienten hierzulande? Oder wenn der erste Infizierte aus dem Flieger steigt, so wie Duncan in den USA? Immerhin hatte dieser „Patient Null“ in kürzester Zeit engeren Kontakt zu rund 100 Menschen, die nun alle auf eine mögliche Ansteckung hin beobachtet werden müssen und von denen auch schon der erste erkrankt ist. Die Bundesrepublik verfügt nämlich nur über 50 Plätze in Sonderisolierstationen. Unter diesen Umständen sollten zumindest Einreisebeschränkungen durchgesetzt werden und weitere großspurige Gesten gegenüber dem Ausland unterbleiben. W. Kaufmann


Regeln für Islam
Österreich plant neues Gesetz

Während die bundesdeutsche Politik im Umgang mit dem Islam bisher vor allem auf einen Dialog im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz (DIK) setzt, geht man in Österreich einen anderen Weg. Ein Entwurf für ein neues Islamgesetz, den Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) vor Kurzem vorgestellt haben, sichert den Muslimen einen gesetzlichen Schutz zu, wie ihn auch andere gesetzliche Religionsgesellschaften genießen. Klar aufgezeigt werden aber auch Regeln und Pflichten.

So ist für islamische Gemeinschaften die Verpflichtung vorgesehen, die österreichische Rechtsordnung einzuhalten. Die Verbreitung religiöser Lehren soll zudem nur noch anerkannten Religionsgesellschaften erlaubt sein. Dabei soll die staatliche Anerkennung entzogen werden können, wenn keine positive Grundeinstellung mehr gegenüber Staat oder Gesellschaft besteht oder die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit gefährdet wird. Geplant ist ebenso die Vorgabe, dass islamische Funktionsträger bei einer strafrechtlichen Verurteilung von mehr als einem Jahr oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit von der Religionsgesellschaft abberufen werden müssen. Vorgesehen ist zudem die Pflicht, in der Lehre wesentlichen Glaubensquellen in deutscher Sprache darlegen zu müssen.

Wohl die einschneidendsten Folgen dürfte die Regelung haben, dass islamische Einrichtungen und deren Personal nicht dauerhaft aus dem Ausland finanziert werden dürfen. Dies soll eine Einflussnahme auf die in Österreich ansässigen Muslime durch Länder wie die Türkei oder Saudi-Arabien unterbinden. Bislang sind von den rund 300 in Österreich tätigen Imamen allein 65 Angestellte des türkischen Religionsamtes.

Noch zu Zeiten der k.u.k.-Mo-narchie verabschiedet, hat Österreich bereits seit 1912 ein Islamgesetz. Der nun vorgestellte Entwurf befindet sich in der Begutachtungsphase, in der noch Änderungen möglich sind, bevor im Parlament eine Abstimmung erfolgt. In Kraft treten soll das Islamgesetz zu Beginn des nächsten Jahres. N.H.


MELDUNGEN

Der Umwelt zuliebe?

Berlin – Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) versucht derzeit, zwischen der Wirtschaft und dem Umweltministerium von Barbara Hendricks (SPD) zu vermitteln. Diese hatte beim Uno-Klimagipfel verkündet, keine öffentliche Förderung oder Hermesbürgschaften für Neubauten und Sanierungen von Kohlekraftwerken zu gewähren. Doch dies gefährde laut der Branche nicht nur Teile der 36000 Arbeitsplätze hierzulande, sondern auch die Umwelt, wenn deutsche Technologie nicht mehr exportiert werden kann. Deutsche Kraftwerke gelten weltweit als besonders umweltfreundlich. Bel

 

Banater erhält Nobelpreis

Stockholm – Der 1962 im Banat geborene Chemiker Stefan W. Hell erhält den Nobelpreis. Bevor er 1978 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte, hatte Hell in Temeswar das renommierte „Nikolaus Lenau Gymnasium“ besucht, auf das auch die 2009 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Schriftstellerin Herta Müller gegangen war. Dort werden rund 1300 Schüler in den Klassen 1 bis 12 unterrichtet. Neben den Klassen mit den Fachrichtungen Mathematik-Informatik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen, die zu dem etwa mit dem deutschen Abitur vergleichbaren rumänischen Bakkalaureat führen, existiert an der Schule die sogenannte Spezialabteilung, die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln betreut wird. Die seit 140 Jahren bestehende Schule ist die größte und bedeutendste deutschsprachige Bildungseinrichtung des Banats und die einzige Schule weltweit, die gleich zwei Nobelpreisträger hervorgebracht hat. J.H.


S. 3 Preussen/Berlin

Brandenburg droht ein Fiasko
Industrie und Arbeitsplätze in Gefahr: Schweden will Vattenfall Braunkohle-Ausbau verbieten

Kaum haben sich brandenburgische SPD und Linkspartei bei ihren Koalitionsverhandlungen auf einen Kompromiss zur weiteren Nutzung der Lausitzer Braunkohle geeignet, knallt eine Hiobsbotschaft ins Haus: Schwedens neue rot-grüne Regierung hat gleich nach der Amtsübernahme ihrem Staatskonzern Vattenfall den Ausbau der Kohlestromerzeugung in Deutschland verboten.

Noch ist offen, was die Vorgabe aus Stockholm für die hiesigen Aktivitäten Vattenfalls konkret bedeutet. Geplant hatte der Energiekonzern eigentlich, drei seiner derzeit fünf Lausitzer Tagebaue zu erweitern. Nun ist offen, ob sich Vattenfall bei Schwedens Regierung mit der Argumentation durchsetzen kann, dass die in Sachsen und Brandenburg geplanten neuen Tagebaue in Jänschwalde, Welzow und Nochten lediglich zur „Absicherung bestehender Kraftwerke“ dienten.

Rückendeckung erhält Vattenfall von Gewerkschaftsseite. Die schwedische Regierung sorge mit ihren Plänen für steigende Strompreise, so die Warnung der Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie (BCE). Klartext kommt insbesondere vom Chef der Gewerkschaft Michael Vassiliadis. Es sei nicht hinnehmbar, „in Stockholm Entscheidungen zu treffen, die in Deutschland eine sichere und preiswerte Energieversorgung aufs Spiel setzen“. Für den Fall, dass die deutschen Aktivitäten von Vattenfall nicht zur schwedischen Energiepolitik passen sollten, hatte Vassiliadis sogar einen Verkauf der Sparte vorgeschlagen. „Das wäre ein konsequenter und nachvollziehbarer Schritt“, so der Gewerkschafts-Chef.

Dass sich die BCE so demonstrativ für die Braunkohleverstromung stark macht, sollte als Zeichen nicht unterschätzt werden. Auch wenn Vassiliadis der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, der Chef der drittgrößten deutsche Gewerkschaft gilt als eine graue Eminenz in der deutschen Wirtschaftspolitik. Ihm eilt der Ruf voraus, bestens in Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik vernetzt zu sein.

Tatsächlich werden Akteure solchen Kalibers nötig sein, wenn die Braunkohleverstromung in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen eine Zukunft haben soll, denn von der Bundesregierung kommt Gegenwind, der den Plänen der schwedischen Regierung in die Hände spielt. Nur wenige Tage nachdem Stockholm Vattenfall mit seiner neuen Direktive zur Energiepolitik konfrontiert hatte, sind von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) neueste Pläne zur hiesigen Energiewende bekannt geworden. Wie der „Spiegel“ berichtet, will die Bundesregierung zehn Gigawatt Kraftwerksleistung aus Stein- und Braunkohle vom Netz nehmen. Entsprechende Schritte werden Informationen zufolge derzeit in der Energieabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums unter dem grünen Staatssekretär Rainer Baake vorbereitet.

Die geplante Stilllegung entspricht der Leistung von rund zwei Dutzend kleineren Kraftwerken. Mittelfristig hat Gabriel (SPD) unter Berufung auf Klimaschutzgründe angeblich sogar vor, komplett aus der Kohleverstromung auszusteigen, so der „Spiegel“. Sollte sich dies bewahrheiten, dann drohen nicht nur Brandenburg schwerwiegende Konsequenzen. Nach Angaben von Vattenfall hängen in der Lausitz rund 33500 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Braunkohle ab.

Treffen würde ein Aus für die Braunkohleverstromung eine ohnehin strukturschwache Region, in der seit 1990 zehntausende Arbeitsplätze abgebaut wurden. Verschwinden nun nochmals mehrere tausend Stellen, drohen der märkischen SPD Auswirkungen, die bis zum Machtverlust im „roten Brandenburg“ führen können. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird in den kommenden Jahren ohnehin den Spagat meistern müssen, im prosperierenden Speckgürtel um Berlin in die Infrastruktur zu investieren, während es in Regionen wie der Lausitz wegen der demografischen Entwicklung oftmals um Rotstiftpolitik und Rückbau gehen wird.

Ein extrem hohes Risiko geht der SPD-Vorsitzende Gabriel mit seinen Auslaufplänen bei der Kohleverstromung auch für den Industriestandort Deutschland insgesamt ein. Mit seinem Nein zur Braunkohle gibt er einen industriepolitischen Trumpf aus der Hand und riskiert dabei sogar das vollständige Scheitern der Energiewende. Mit Erstellungskosten von rund drei Cent pro Kilowattstunde ist die Verstromung hiesiger Braunkohle konkurrenzlos preiswert. Gleichzeitig reichen Deutschlands Vorräte in der Lausitz und in NRW bei jetzigem Verbrauchsniveau noch mindestens für weitere 100 Jahre.

Als noch schwerwiegender dürfte sich etwas anderes erweisen. Nach dem Aus für die Kernkraft wird mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung sehenden Auges die zweite Säule von grundlastfähiger Stromerzeugung demontiert. Hochgradig subventioniert steigt damit weiter die Abhängigkeit von Stromerzeugung nach dem Zufallsprinzip durch Wind und Sonne. Zu befürchten ist damit eine zunehmende Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten. Zur Absicherung der Grundlast kommt entweder ein Rückgriff auf französische Kernkraft oder auf polnische Kohlekraftwerke infrage. Der verstärkte Betrieb von Gaskraftwerken – wenn Wind- und Solarkraft wetterbedingt mal wieder nicht zum tatsächlichen Energiebedarf passen – ist ebenso keine erfreuliche Option. Nötig wären steigende Gasimporte aus Russland oder alternativ ein kostspieliger Import von verflüssigtem Erdgas aus Ländern wie Katar oder den USA. Norman Hanert


Ein Tag in der S-Bahn
von Theo Maass

Morgens vor fünf, wenn die ersten S-Bahn-Züge losfahren, liegen alkoholisierte Obdachlose (nur sogenannte Biodeutsche) auf den Sitzbänken und versuchen zu schlafen, denn die Wagons sind geheizt. Ganz früh sind auch schon Bauarbeiter, Handwerker und „kleine“ Büroangestellte unterwegs. Die Trennung der Stadthälften ist erkennbar. Die Leute mit „Bild“ oder „B.Z.“ kommen garantiert aus dem alten West-Berlin, wer im „Kurier“ blättert, aus dem Osten.

Gegen sieben Uhr setzt die Lawine der Schüler ein, die besseren Angestellten sind jetzt auch unterwegs. Die Züge werden voller, Sitzplätze sind jetzt schwer zu haben. Wenn die werktätige (und Steuern zahlende) Bevölkerung ihr Ziel erreicht hat, setzen sich die Rentner in Bewegung. Um diese Zeit werden auch die zahlreichen neuen Asylbewerber munter. Im Gegensatz zu den einheimischen Obdachlosen verfügen sie über neue, modische Kleidung.

Zudem sind im Westteil der Stadt jetzt auch viele Orientalen unterwegs, die offenkundig schon länger in Berlin leben. Viele von ihnen lieben es, sehr lautstark zu telefonieren, was manchen Angestammten nervt. Nach Berichten von üblen Folgen für Menschen, die sich über den Lärm beschwert haben, räuspert sich aber niemand mehr.

Mittags werden die Züge der Berliner S-Bahn wieder leerer. Am frühen Nachmittag setzt dann erneut der Berufsverkehr ein. Diejenigen, die ihr Tagwerk früh begonnen haben, eilen jetzt nach Hause: Einkäufe erledigen, Essen kochen, Pantoffelkino, ins Bett gehen. In gewissen Stadtvierteln wird es nach Einbruch der Dunkelheit etwas ungemütlich. Jugendliche meist „südländischer“ Herkunft pöbeln oft jüngere Frauen an und versuchen, sie mit postpubertärem Gehabe zu beeindrucken. Wer kein Kopftuch trägt, wird gelegentlich als „Hure“ beschimpft.

Meist bleibt es zwar bei verbalen sexuellen Erniedrigungen. Frauenbeauftragte oder Diskriminierungsstelle interessieren sich für die verbalen Attacken in Berlin aber auch nicht. Auch die meisten Medien schweigen sich zu diesem Phänomen aus. Fahrgästen, die sich in derartige Auseinandersetzungen einmischen, ist es zuweilen schlecht ergangen. Schutz vor Gewalttaten ist ungewiss. Es patrouillieren zwar Streifen der Bundespolizei und der DB-Sicherheit, aber es kommt immer wieder zu Gewalttaten im Zusammenhang mit „Abziehen“, wie im Kiezdeutsch Raubüberfälle genannt werden. Fahrkartenkontrollen sind gelegentlich auch ein Anlass für Prügel oder gar Messerstechereien. Gegen ein Uhr in der Nacht geht wochentags der letzte Zug. Früher hieß er „Lumpensammler“. Aber nicht lange herrscht Ruhe. Nach vier Uhr in der Frühe geht alles wieder von vorne los.


Den Überblick verloren
Investitionsstau an Berliner Schulen in zwei Jahren verdoppelt

Eine öffentlich gewordene Kostenschätzung zum Sanierungsbedarf an Berliner Schulen lässt Prestigeprojekte wie etwa eine neue Olympiabewerbung in einem anderen Licht erscheinen. Demnach ist der Sanierungsstau an Schulen inzwischen auf rund zwei Milliarden Euro angeschwollen.

Bekannt geworden ist dies durch eine Anfrage des „Piraten“-Politikers Martin Delius im Abgeordnetenhaus. Erstaunlich ist nicht nur die von Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) genannte Summe, sondern auch der rasante Zuwachs beim Sanierungsbedarf. Gegenüber 2012 hat sich der von den Berliner Bezirken dem Senat gemeldete Bedarf verdoppelt. Rackles erklärt den Anstieg in nur zwei Jahren damit, dass die Bezirke den Bedarf jetzt anders ermittelt hätten als 2012. Angeführt wird zudem, dass sich auch durch neue bauliche Vorgaben die Kosten erhöht hätten.

Zusatzkosten fallen demzufolge wegen der „Inklusion“ an. Damit behinderte Schüler an regulären Schulen und nicht wie bisher an Fördereinrichtungen unterrichtet werden können, sind beispielsweise aufwendigere Toilettensanierungen, der Einbau von Aufzügen und größere Räume notwendig. Weiterer Investitionsbedarf entstünde durch geänderte Anforderungen bei Brandschutz, Computer-Ausstattung, Energiesparmaßnahmen und den Einbau von Alarmanlagen.

Delius wertet die Erklärung als „Rumgedruckse“. Die Antwort erwecke den Eindruck, dass die Bildungsverwaltung selbst von dem Zuwachs überrascht sei. „Wir haben schon öfter festgestellt, dass die Verwaltung Schwierigkeiten hat, das Investitionsvolumen ordentlich zu erheben.“

Tatsächlich räumte Rackles ein, dass der Senat die Meldungen der Bezirke nicht nachprüfe: „Ob der in neun Bezirken ausgewiesene Anstieg wirklich plausibel ist, kann daher senatsseitig genauso wenig valide eingeschätzt werden wie die Entwicklung der eigentlichen bezirklichen Sanierungsbedarfe.“

Kaum strittig dürfte indessen sein, dass der Investitionsstau an Berlins Schulen immens ist und immer größer wird. Es gibt viele Schulen, an denen seit 40 Jahren nichts gemacht worden ist, so die Einschätzung von Nuri Kiefer von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Die Vorgaben sind in einigen Bezirken mittlerweile so, dass nur noch das repariert wird, was ansonsten zu gefährlichen Situationen führen würde“, so Kiefer. N.H.


Streit um Windkraft
AfD will mehr Abstand zu Wohnbebauung

Laut Umfrage des RBB unterstützt eine Mehrheit der Brandenburger die Energiewende. Wenn es aber um die Errichtung von Windrädern in der Nachbarschaft geht, rührt sich Widerstand. Das Brummen der Rotoren – inzwischen „Disco-Effekt“ genannt – stört die Anwohner.

Nach dem „Winderlass“ der Landesregierung aus dem Jahre 2009 soll der Abstand der Anlagen zur Wohnbebauung mindestens 1000 Meter betragen. Dabei wird es zunächst auch bleiben. Ein Antrag der CDU im Landtag zur Vergrößerung der Mindestabstände auf 2000 Meter scheiterte in der vergangenen Legislaturperiode.

Nun fordert die oppositionelle Alternative für Deutschland (AfD) sogar einen Mindestabstand von 3000 Metern. Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) lehnt dies ab. Eine solche Verschärfung führe zu einer „erheblichen Reduzierung der für Windkraft nutzbaren Flächenpotenziale“.

In Brandenburg stehen bereits 3275 Windräder, die zunehmend das Landschaftsbild prägen. Die AfD will den Ausbau der Windanlagen grundsätzlich einschränken: „Der Ausbau der Wind- und Solarenergieanlagen führt gerade in Brandenburg zu zusätzlichen Belastungen der Bürger, weil sie bundesweit die höchsten Netzentgelte zu tragen haben“, heißt es im Programm der jungen Partei.

Die CDU tut sich schwer. Einerseits will sie den auch in ihren Reihen verbreiteten Protest gegen noch mehr Windräder nicht der AfD überlassen. Andererseits weiß sie, dass die CDU auf Bundesebene maßgeblich an der Förderung der Windkraft mitgewirkt hat. Hans Lody


Teurer Posten für Linkspartei

Nach einer Absprache zwischen SPD, „Linke“ und Grünen sollen dem Brandenburgischen Landtag künftig ein Präsident und zwei Vizepräsidenten vorstehen, bislang gab es nur einen Vizepräsidenten. Zusätzliches Salär, Dienstwagen und Büroräume werden den brandenburgischen Steuerzahler 137000 Euro jährlich kosten. Nach ihrer verheerenden Niederlage hatte „Die Linke“ den Vize-Posten eingebüßt. Er wird nun von der CDU als zweitstärkster Fraktion besetzt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Ness findet die Präsidiumserweiterung gut. Ein „unwürdiges Hickhack“ um den Posten, den „Linke“ und CDU gleichermaßen für sich beansprucht hätten, würde dadurch beendet. Franz Wiese und Sven Schröder, Neuabgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD), nutzten den Vorgang dagegen zu einer ersten parlamentarischen Profilierung. Mit einer kleinen Anfrage im Landtag wollen sie die teure Entscheidung unter Feuer nehmen. H.L.


S. 4 Hintergrund

Altmodisch, aber erfolgreich
Zum Tod von Siegfried Lenz, der Ostpreußen nach dem Krieg eine Stimme gab

Am 7. Oktober starb mit 88 Jahren der Schriftsteller Siegfried Lenz. Er gilt als bedeutendster ostpreußischer Autor der Nachkriegszeit.

Wenn am 28. Oktober in der Hamburger Kirche St. Michaelis der Trauergottesdienst für Siegfried Lenz abgehalten wird, werden dessen Freunde und Wegbegleiter das Leben und Werk des ostpreußischen Schriftstellers zu würdigen wissen. Es wird einen Mammut-Abschied geben, wie ihn die Hansestadt lange nicht gesehen hat. Schließlich wird ein Ehrenbürger der Stadt zu Grabe getragen, der jedoch mindestens drei unterschiedliche Gesichter hatte: Er war menschlich tadellos, politisch strittig und schriftstellerisch alles andere als innovativ.

So resümierte schon 1976 der Literaturwissenschaftler Walther Killy über Lenz: „Die Gesinnung fordert Respekt, aber nicht immer die Prosa.“ Dabei ist sein Werk, dessen Gesamtauflage bei über 25 Millionen liegt, in über 20 Sprachen übersetzt worden. Der großen Leser-Popularität steht allerding das akademische Desinteresse an den Lenz-Büchern entgegen. Wenn in germanistischen Seminaren die Sprache auf Lenz kommt, dann höchstens als Beispiel moralischer Nachkriegs- oder wehmütiger Vertriebenenprosa. Im letzteren Fall hat sich Lenz zweifellos große Verdienste erworben. Seinen humoristischen Erzählband „So zärtlich war Suleyken“ von 1955 nannte Lenz selbst eine „zwinkernde Liebeserklärung an mein Land, eine aufgeräumte Huldigung an die Leute von Masuren“. Es war ein Riesenerfolg.

Mit diesem Band wie auch mit seinem Roman „Heimatmuseum“ von 1978, in denen er klug die bei ähnlichen Erinnerungsbüchern übliche Larmoyanz vermied, avancierte er zum führenden ostpreußischen Schriftsteller im Nachkriegsdeutschland. Dabei ist „Heimatmuseum“ bereits ein Spiegelbild von Lenz‘ politischen Aktivitäten, als er sich unter anderem im Tross von Willy Brandt für dessen Ostpolitik einsetzte. So setzt Zygmunt Rogalla, der Ich-Erzähler des Romans, sein durch NS-Zeit und Krieg in den Westen gerettetes masurisches Museum selbst in Brand, um es vor revanchistischem Missbrauch in der jungen Bundesrepublik zu bewahren. Damit setzt Lenz auch parabelhaft ein politisches Zeichen: der Brand des Mu­seums als freiwillige Aufgabe von Heimat durch Billigung der Ostverträge unter einem Kanzler namens Brandt.

Doch anders als die Nobelpreisträger Böll oder Grass gilt Lenz weniger als politischer, denn als moralischer Autor. Mauerbau, RAF-Terrorismus oder „Wiedervereinigung“ fanden bei ihm keinen literarischen Niederschlag. Stattdessen kreisten seine Themen um so unterschiedliche Motive wie die des Alterns („Der Mann im Strom“, 1957), sportliche Korrumpierung („Brot und Spiele“, 1959), Pflichtbewusstsein („Deutschstunde“, 1968) oder Sprachverlust („Der Verlust“, 1981). Die Themen verpackte er dann in einem so leichten Gymnasiastendeutsch, dass Romane wie „Deutschstunde“ oder viele seiner 120 Erzählungen bis heute Unterrichtsstoff an den Schulen sind. Dabei soll es sich keineswegs um ein Gerücht handeln, dass viele Pennäler von der Lenz-Prosa in kollektiven Tiefschlaf versetzt wurden, weil diese arm an dramatischen Höhepunkten und pointierten Wendungen ist.

Tatsächlich gilt Lenz’ Erzählstil als altbacken, zumal er Themen wie Liebe und Sex in seinen Werken ausspart. Frauen kommen bei ihm nur am Rande vor. Erst in seiner Altersnovelle „Schweigeminute“ wagte es Lenz 2008, die Liebesgeschichte eines 18-jährigen Gymnasiasten mit einer Lehrerin zu erzählen. Prompt landete er einen Bestseller. Harald Tews


Der Sanftmütige
Ein Humanist, der sich vor den Karren der SPD spannen ließ

Es ist fast ein Vierteljahrhundert her, dass Siegfried Lenz in einem mit Schulklassen überfüllten Theatersaal aus einem seiner Werke las. Als es in den hinteren Reihen etwas lauter wurde, klopfte er zart und fast unhörbar ans Tischbein. „Was macht der denn da?“, fragten sich einige. „Das ist eine Klangprobe“, sagte der Autor. Sofort hatte er die Lacher auf seiner Seite, denn „Klangprobe“ hieß das Werk, aus dem er las. Und mit seiner sympathischen Geste hatte er erreicht, was er wollte: Aufmerksamkeit.

Wo andere laut polternd oder arrogant auftraten, versuchte es Lenz auf leise, bescheidene Art. Von allen deutschen Autoren war er der wohl sanftmütigste. Er verursachte keine Skandale, um wie Martin Walser mit Titeln wie „Tod eines Kritikers“ zu provozieren oder um wie Günter Grass mit Israel-kritischen „Gedichten“ wochenlang die Feuilletons zu beherrschen. Eine Profilneurose kann man Lenz als Autor nicht nachsagen.

Der einzige angebliche Makel trat 2007 zutage, als seine NSDAP-Mitgliedschaft enthüllt wurde. Doch Lenz konnte glaubhaft machen, dass die Aufnahme ähnlich wie bei Walser oder dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt ohne sein Wissen erfolgt war. Der in Lyck geborene Sohn eines Zollbeamten gilt ohnehin als moralisch integer. Da er kurz vor Kriegsende von der Marine desertierte, stand er bei seinen Sympathisanten unter einem Heiligenschein. In Dänemark geriet er in britische Kriegsgefangenschaft, ehe er sich in Hamburg niederließ, wo er Philosophie sowie Literatur studierte. Mit Schwarzhandel und Blutspenden half er sich damals finanziell über die Hungerjahre.

Bis 1951 arbeite er bei der „Welt“, wo er für die Fortsetzungsromane in der Tageszeitung zuständig war. Als er einen Roman des Briten Graham Greene für das Blatt redigierte, sagte er sich: „Das kann ich auch.“ So entstand 1951 mit „Es waren Habichte in der Luft“ sein erster von 14 Romanen, wobei sein Debüt als Fortsetzung in der „Welt“ erscheinen durfte.

Seit dem Erstlingswerk etablierte sich Lenz als einer der wichtigsten deutschen Nachkriegsautoren, was ihm auch Einladungen der Gruppe 47 einbrachte. Bescheiden, wie er war, hielt er sich dort im Hintergrund. Heimattreffen mied er gänzlich. Einzige Ausnahme: 1961 nahm er den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen entgegen. Im Rampenlicht erschien er erst 1969, als er mit Günter Grass im Rahmen der „sozialdemokratischen Wählerinitiative“ Wahlkampf für die SPD betrieb. Zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages begleitete er Willy Brandt 1970 nach Polen. Brandts Nachfolger Helmut Schmidt berief Lenz in den 70er Jahren während der Landshut- und Schleyer-Entführung als Berater des Krisenstabs. Mit Schmidt verband der Wahl-Hamburger Lenz eine lebenslange Freundschaft, die in dem jüngst erschienenen Buch von Jörg Magenau „Schmidt-Lenz. Geschichte einer Freundschaft“ gipfelte.

„Ein Mann wie Schmidt fehlt der heutigen SPD“, sagte Lenz einmal. Ein Humanist wie Lenz fehlt der deutschen Literatur allemal. H. Tews


Künstlerische Freiheit oder Opportunismus?

Seit 1945 hat Deutschland fünf Romane aufzuweisen, die man wohl zu Recht in die Kategorie „Welterfolg“ einordnen kann: Grass’ „Blechtrommel“, Süskinds „Das Parfum“, Schlinks „Der Vorleser“, Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ – und Lenz’ „Deutschstunde“. Das bislang 2,5 Millionen Mal verkaufte Werk schaffte es dieses Frühjahr erneut in die Schlagzeilen. Auslöser war eine Retrospektive des expressionistischen Malers Emil Nolde im Frankfurter Städel-Museum, in der die Mär vom Hitler-Gegner Nolde widerlegt wurde. Stattdessen wurde enthüllt, was Nolde-Fachleute insgeheim immer wussten: Der Maler war ein glühender NS-Anhänger.

In der „Deutschstunde“ dient Nolde als Vorbild des Malers Max Ludwig Nansen. Schon der fiktive Name lehnt sich eng an Noldes Geburtsnamen Hans Emil Hansen an, auch der nordfriesische Wohnort deckt sich mit dem des Vorbilds.

Doch anders als die Wirklichkeit veredelt Lenz seinen Helden als einen vom NS-Malverbot betroffenen Regimegegner. Tatsächlich hatte der als „entartet“ geltende reale Nolde vor 1945 zwar ein Ausstellungs-, aber kein Malverbot. Prompt wurde Lenz vom Feuilleton Geschichtsklitterung vorgeworfen. Lenz hatte bei der Gestaltung des Malers aber Rücksicht auf die Nolde-Stiftung in Seebüll nehmen müssen, die das Andenken Noldes reinzuhalten versucht.

Bei aller Kritik an Lenz’ Nolde-Bild sollte aber berücksichtigt werden, dass es sich bei Nansen um eine fiktive Figur handelt, an welcher der Autor das Aufsatzthema des Ich-Erzählers Siggi Jepsen über „Die Freuden der Pflicht“ abarbeitet. Freundlich ausgedrückt heißt das: Lenz hat sich bei seiner Umdeutung des Malers als NS-Gegner künstlerische Freiheit gegönnt. Kritisch betrachtet, könnte man Lenz vorwerfen, sich mit der „Deutschstunde“ dem linken Zeitgeist unterworfen zu haben. tws


Zeitzeugen

Amos Oz – Am 14. November erhält der israelische Autor in Hamburg den Siegfried-Lenz-Preis. Der 75-Jährige bekommt als Erster diese mit 50000 Euro dotierte Auszeichnung. Mit der Gründung der Stiftung, die den Preis verleiht, und der Übergabe seines Archivs an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach regelte Lenz letztes Frühjahr seinen Nachlass.

Helmut und Loki Schmidt– Lenz war mit dem früheren Bundeskanzler und dessen Frau seit den frühen 60er Jahren eng befreundet. Die Ehepaare Schmidt und Lenz verbrachten gemeinsame Ferien in Dänemark oder am Brahmsee in Schleswig-Holstein. In der Kanzlerzeit Schmidts war Lenz mit dem Schweizer Autor Max Frisch Berater des Krisenstabs gegen den RAF-Terrorismus.

Ernest Hemingway – Neben den US-Autoren William Faulkner und John Dos Passos war deren Landsmann Hemingway Lenz’ literarisches Vorbild. Ähnlich wie in Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ (1952) schilderte Lenz etwa in „Der Mann im Strom“ (1957) den aussichtslosen Kampf eines älteren Mannes gegen die Elemente. Im Spätwerk emanzipierte sich Lenz von Hemingway.

Lieselotte Lenz – Als Volontär bei der „Welt“ heiratete Lenz 1949 die dort in der Redaktion tätige Sekretärin und Grafikerin. Später tippte sie seine Bücher ins Reine und illustrierte einige Werke von ihm. Die Ehe hielt 57 Jahre bis zu ihrem Tod im Jahr 2006. Schon von Krankheit gezeichnet und an den Rollstuhl gefesselt, heiratete Lenz 2010 seine Nachbarin, die Dänin Ulla Reimer. Der Autor, der zuletzt in einer Seniorenresidenz mit Elbblick lebte, widmete ihr seine im hohen Alter verfasste Liebesnovelle „Schweigeminute“.

Thomas Ganske – Der 1947 geborene Verlegersohn ist als Leiter der Ganske Verlagsgruppe auch Chef des traditionsreichen, seit 1781 existierenden Hamburger Hoffmann und Campe Verlags. Dort sind alle Werke von Lenz erschienen wie kürzlich auch Magenaus Doppelporträt „Schmidt-Lenz. Geschichte einer Freundschaft“. Lenz kannte Ganske seit dessen Jugendtagen und bezeichnete ihn als Freund, mit dem er gemeinsame Tage beim Angeln verbracht hatte.


S. 5 Deutschland

Peinliche Verstrickungen
Verbindungen zu transatlantischen Lobby-Organisationen empfindet aber nicht jeder Journalist als ehrenrührig

Die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ hat mit einem Beitrag offenbar bei einigen Medienschaffenden einen wunden Punkt getroffen und Zuschauer dafür sensibilisiert, dass auch Journalisten häufig nicht unparteiisch sind.

Das juristische Vorgehen des „Zeit“-Herausgebers Josef Joffe gegen die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ weckt zunehmend Erinnerungen an ein Phänomen, das als Streisand-Effekt bezeichnet wird. So endete 2003 der Versuch der US-Schauspielerin Barbra Streisand, auf dem Klageweg einem Journalisten die Veröffentlichung eines Luftbilds ihres bis dahin kaum beachteten kalifornischen Anwesens zu untersagen, letztendlich damit, dass sich das entsprechende Foto im Internet wie ein Lauffeuer verbreitete. Schaut man, was das Internet-Lexikon Wikipedia inzwischen zu dem Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ zu berichten weiß, scheint sich nun ein ähnlicher Effekt einzustellen. Im Vergleich zum übrigen Lebenslauf des 70-jährigen Journalisten, nimmt die Darstellung des erst wenige Monate währenden juristischen Kleinkriegs zwischen Joffe und dem ZDF mittlerweile erstaunlich viel Raum ein.

Anlass der Auseinandersetzung ist die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ vom 29. April dieses Jahres, die sich mit der Ukraine-Bericht-erstattung führender deutscher Medien beschäftigt hatte. In diesem Zusammenhang wurde einer Reihe einflussreicher deutscher Journalisten eine allzu enge Verbindung zu politischen Organisationen wie dem „German Mar-shall Fund of the United States“ oder dem Verein „Atlantik-

Brücke“ vorgeworfen und auf daraus drohenden Interessenskonflikten bei der journalistischen Arbeit hingewiesen. Genannt wurden unter anderem Stefan Kornelius, Ressortleiter Außenpolitik bei der „Süddeutschen Zeitung“, der „FAZ“-Herausgeber Günther Nonnenmacher, der „FAZ“-Journalist Klaus-Dieter Frankenberger und eben der „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe und sein Kollege, der „Zeit“-Redakteur Jochen Bittner.

Im Fall Joffes war durch ein Schaubild der Eindruck erweckt worden, Joffe sei Mitglied in acht US-nahen Lobby-Organisationen, wobei die Moderatoren die satirische Spitze anbrachten, Joffes zahlreiche Verpflichtungen seien der Grund, warum die „Zeit“ nur einmal wöchentlich erscheine. Resultat dieser Darstellung war, dass der „Zeit“-Herausgeber sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt sah und eine einstweilige Verfügung erwirkte. In einer Presseerklärung wies Joffe den Lobby-Vorwurf zurück: „Diese Unterstellung war herabsetzend, weil sie mir journalistische Integrität absprach. Sie war auch falsch. Tatsächlich sitze ich im Gremium von nur zweien: der American Academy in Berlin und des American Institute for Contemporary German Studies (AICGS), das zur Johns Hopkins Universität gehört.“ Joffe verwies zudem darauf, dass es sich bei diesen Organisationen um außenpolitische Forschungsinstitutionen handelt.

Inzwischen hat das Landgericht Hamburg die von Joffe erwirkte einstweilige Verfügung gegen die satirische Kritik im ZDF zum Teil wieder aufgehoben. Bereits in der mündlichen Verhandlung war absehbar, dass das Gericht nicht geneigt scheint, im Zusammenhang mit einer Satiresendung Erbsenzählerei zu betreiben, zumal Joffes Mitgliedschaft in transatlantischen Organisationen nicht generell infrage stand. Ein Urteil im Hauptsacheverfahren ist für den 21. November angekündigt.

Egal welchen Ausgang das Verfahren nimmt, bescheinigen muss man dem „Zeit“-Herausgeber in jedem Fall, dass er Zweifel an seiner journalistischen Unabhängigkeit für ehrenrührig hält. Nicht einmal um den Anschein von Neutralität bemühen sich dagegen einige prominente Akteure in öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäusern. Gebührenfinanziert und per Rundfunkstaatsvertrag eigentlich zu objektiver Berichterstattung verpflichtet, ist Spitzenpersonal von ARD und ZDF ganz offen in der Atlantik-Brücke aktiv, die im Ruf steht, eine transatlantische Lobby-Organisationen zu sein. So gab WDR-Intendant Tom Buhrow im Jahr 2013 auf einer Veranstaltung der Atlantik-Brücke e.V. den Festredner zur Verabschiedung des damaligen US-Botschafters Phil Murphy. Der Moderator und Leiter der ZDF-Nachrichtenredaktion, Claus Kleber, ist sogar Kuratoriumsmitglied der Stiftung Atlantik-Brücke. In der Mitgliederliste ebenso geführt wird der frühere Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni, der inzwischen als ARD-Korrespondent ausgerechnet in Wa-shington tätig ist. Als Mitglieder gelistet sind auch Anna Marohn, die persönliche Referentin des NDR-Intendanten, und Tina Hassel, Leiterin des ARD-Studios in Washington. Im „Young Leader“-Programm der Atlantik-Brücke, einem Förderprogramm für politischen Nachwuchs, taucht neben so prominenten Namen wie Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CSU), Thomas Oppermann (SPD) und Cem Özdemir (Grüne) der Name Theo Koll auf. Er ist beim ZDF Leiter der Hauptredaktion Außen-, Innen-, Gesellschafts- und Bildungspolitik sowie Moderator des ZDF-Auslandsjournal, des Politbarometers sowie der „ZDF spezial“-Sendungen. Norman Hanert


Haben und Nehmen
Finanzbeziehungen der Bundesländer untereinander im Umbruch

In den Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen fast revolutionär erscheinenden Vorschlag gemacht. Die Bundesländer sollen die Möglichkeit erhalten, unterschiedliche Steuersätze zu erheben. Medienberichten zufolge, schweben Schäuble dabei Zu- oder Abschläge auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer vor. Als Resultat könnten wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie Bayern die Steuern für ihre Bewohner senken, während Länder wie Berlin oder Bremen höhere Steuern erheben würden.

Da eine solche Änderung nur Sinn ergibt, wenn die Steuereinnahmen nicht gleich wieder im Länderfinanzausgleich „versickern“, ist es kaum verwunderlich, das Schäubles Vorschlag bei den Bundesländern inzwischen auf breite Ablehnung gestoßen ist. Während 2013 nur noch Bayern, Baden-Württemberg und Hessen in den Länderfinanzausgleich eingezahlt haben, profitieren alle übrigen Länder vom bestehenden System. Tatsächlich würde aber mehr Steuerautonomie für die deutschen Länder eine Annäherung zu dem darstellen, was die Väter des Grundgesetzes vorgesehen hatten. Eigentlich sollten die Bundesländer nämlich in ihrer Haushaltspolitik selbstständig und unabhängig sein – im internationalen Vergleich ist der Spielraum der deutschen Länder allerdings gering. Im Gegensatz etwa zu den Schweizer Kantonen haben die Bundesländer bisher nur bei der Grunderwerbsteuer nennenswerten Gestaltungsspielraum.

Auch wenn Bayern, Baden-Württemberg und der Bundesfinanzminister mit entsprechenden Vorschlägen bisher auf Granit gebissen haben, der Weg zu mehr Wettbewerbsföderalismus und weniger Umverteilung unter den Ländern ist noch nicht verbaut. Die im September angelaufenen Neuverhandlungen der Bund-Länder-Finanzen werden vor allem dem Freistaat Bayern noch Gelegenheit bieten, den Status als Zahlmeister der Republik wieder loszuwerden. Zum Ende des Jahrzehnts stehen für die Länderfinanzen nämlich tiefgreifende Veränderungen an. So wird ab 2020 die Schuldenbremse den Bundesländern die Aufnahme neuer Schulden verbieten. Auf der anderen Seite laufen zum 31. Dezember 2019 gleich zwei Umverteilungsmechanismen aus: Zum einen der Solidarpakt II für den Aufbau Ost, aus dem die neuen Länder in stark abnehmendem Maß noch Fördergelder erhalten. Ebenfalls Ende 2019 tritt der bisherige Länderfinanzausgleich außer Kraft. Von Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) wurde inzwischen angekündigt, dass er eine Reform des Länderfinanzausgleichs nur mitmachen werde, wenn der Betrag des Freistaates künftig auf eine Milliarde Euro gedeckelt werde.

Angesichts der Haltung Bayerns, das mittlerweile die Hälfte des Länderfinanzausgleichs alleine schultert, hat vor allem der „Solidaritätszuschlag“ bei vielen Bundesländern Begehrlichkeiten geweckt. Nicht zu verwechseln mit dem Solidarpakt II der Bundesländer zeichnet sich ab, dass der „Soli“ für die Steuerzahler wohl eine Dauerbelastung bleiben wird. Die bisher nur dem Bund zufließenden Einnahmen aus dem „Soli“ werden bis zum Ende des Jahrzehnts auf geschätzte 18 Milliarden Euro steigen. Vor allem finanzschwache Bundesländer wollen künftig an den Einnahmen beteiligt werden. N.H.


Spreu und Weizen
Parteispitze der AfD will unbequeme Mitglieder loswerden

Lange Zeit hatte der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke die Querelen in den eigenen Reihen als Wachstumsschwierigkeiten abgetan. In einer Rundmail an alle Mitglieder und Förderer schrieb er vorletzte Woche, in der Partei gebe es Mitglieder, die „offenbar nichts lieber“ täten, als Parteitage und Vorstandswahlen anzufechten. Er warf seinen Gegnern vor, sie verbreiteten „bewusst Falschinformationen“, um gegen gewählte Vorstände und missliebige Mitglieder intrigieren zu können. Die Wahlen und Kandidatenaufstellungen indes waren von Mitgliedern nicht nur kritisiert, sondern sogar gerichtlich angefochten worden. Nun, da – so Lucke – „wahlkampfärmere Zeiten“ anstehen, sei es an der Zeit, die Partei zu organisieren und programma­tisch auf breitere Beine zu stellen. Sein Stellvertreter Hans-Olaf Henkel erklärte, es sei bei einem sprunghaften Wachstum auf 20000 Mitglieder „völlig normal, dass es Querulanten, Idioten und Extremisten gebe, die man nicht herausfiltern konnte“. Seine Rezept ist denkbar einfach: „Diese Typen müssen wir loswerden.“

Objektiv betrachtet, verfügt die AfD über mehrere Flügel. Parteichef Lucke und die Mehrzahl der Führungsmannschaft verfolgen dabei einen liberal-konservativen Kurs, der sich kürzlich auf dem Landesparteitag in Baden-Württemberg durchsetzen konnte. Allerdings konnte Landeschef Bernd Kölmel, ein Lucke-Vertrauter, nur rund 60 Prozent der Mitglieder hinter sich versammeln. Seine Gegner stammen vor allem aus den Reihen von christlichen Splittergruppierungen wie der AUF-Partei oder der Christlichen Mitte. Zahlenmäßig sei diese Gruppe eher schwach, heißt es in der Partei, dafür sei sie aber bestens vernetzt und organisiert. In den mitteldeutschen Landesverbänden dagegen kommt ein beträchtlicher Teil der Funktionäre aus dem Umfeld islamkritischer Organisationen wie der Partei „Die Freiheit“. Zudem kam es bei der Konstitution der Landtagsfraktionen in Brandenburg und Sachsen zu einigen Reibereien. Einige Kandidaten sollen ihre „rechte“ Karriere verschwiegen, andere die Medien mit Indiskretionen versorgt haben.

Besonders schwer tut sich die Partei im Umgang mit der NPD in den Kommunalparlamenten. In Mecklenburg-Vorpommern stimmten AfD-Abgeordnete Anträgen der Nationaldemokraten zu, was medial für einen Aufschrei sorgte. In München stimmten die Vertreter gegen eine Bürgerbefragung über eine Moschee, um „nicht mit der NPD in einem Boot zu sitzen“. Dies wiederum brachte die Islamkritiker in den eigenen Reihen auf die Palme. Im Nordrhein-Westfalen sah sich Landeschef Marcus Pretzell gezwungen, einen Duisburger Ratsherrn zum Parteiaustritt aufzufordern. Er hatte einen NPD-Personalvorschlag unterstützt.

Und in Hamburg, wo bei den Bürgerschaftswahlen im Februar die westdeutsche Bewährungsprobe für die AfD ansteht, sind frühere NPD-Aktivisten wie Björn J. Neumann in die Partei aufgenommen worden. Spitzenkandidat Jörn Kruse sieht sich zudem dem Vorwurf ausgesetzt, er habe frühere Mitglieder der Schill-Partei gezielt angeworben und deren Ex-Innensenator Dirk Nockemann mit einem aussichtsreichen Listenplatz versorgt. Daraufhin traten vier von neun Landesvorstandsmitgliedern zurück. Parteichef Lucke empfiehlt da nur noch den harten Kurs: „Die Spreu muss sich jetzt vom Weizen trennen.“ Peter Entinger

(siehe Kommentar Seite 8)


MELDUNGEN

Warnung vor Visa-Betrug

Berlin – Das Auswärtige Amt hat nach dem Hinweis eines Botschaftsmitarbeiters im Kosovo alle deutschen Auslandsvertretungen in der Region dazu aufgefordert, die Mitarbeiter der Visastellen zu erhöhter Aufmerksamkeit aufzufordern. In Pristina waren vermehrt Visumanträge aufgetaucht, denen gefälschte Sprachzertifikate des Goethe-Instituts beigefügt waren. Sie bescheinigen dem Antragsteller die für einen längeren Aufenthalt verlangten grundlegenden Deutschkenntnisse. Vor allem beim Ehegattennachzug gelten sie als „Eintrittskarte“, wie der „Focus“ in seinem Bericht über die Betrugsfälle betont. Das Goethe-Institut, das seine Zertifikate bisher als fälschungssicher eingestuft hat, vermutet professionelle Fälscher im Hintergrund. Die Fälschungen waren nur aufgefallen, weil der Botschaftsmitarbeiter über falsche Institutsnummern gestolpert war, Details, die nur bei gründlicher Prüfung auffallen. Bel

 

Bei Hartz IV verschätzt

Berlin – Während die Zahl der Arbeitslosen in den letzten Jahren auf unter 2,9 Millionen gesunken ist, stagniert die Zahl der Hartz-IV-Empfänger seit 2012 bei 6,1 Millionen. Das Ministerium von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat damit nicht gerechnet und angeheizt von den guten wirtschaftlichen Prognosen, den Etat 2014 im Frühsommer sogar um 300 Millionen Euro gekürzt. Doch nun fehlt für das ganze Jahr eine Milliarde Euro. Derzeit ist noch offen, woher das Geld kommen soll. Zudem ist davon auszugehen, dass dann auch die Prognosen für 2015 nicht stimmen, also auch im nächsten Jahr eine ähnliche Summe zusätzlich benötigt wird. Dies bringt Schäubles geplanten ausgeglichenen Haushalt in Gefahr. Bel


S. 6 Ausland

Verfangen im Opfermythos
Polen klagt über mangelnde Verteidigungsbereitschaft der Nato – Vor allem Deutschland steht in der Kritik

Üblicherweise war in Polen im Laufe der jüngeren Geschichte eher die Furcht vor einer zu starken und funktionstüchtigen deutschen Armee der Regelfall. Mittlerweile ist es jedoch die Sorge um die volle Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im Falle eines medial beschworenen bewaffneten Konflikts an der Ostflanke der Nato, die sich in der polnischen Öffentlichkeit breitmacht.

Unisono werfen regierungsnahe liberale Blätter und solche der rechtskonservativen Opposition Deutschland vor, den Sorgen der Polen und der Balten vor dem russischen Nachbarn nicht den gebührenden Ernst zuzumessen. Obwohl die Situation in der Ukraine, wo ein Staatsstreich stattfand und umgehend feindselige Akte gegen die russische Minderheit zur Folge hatte, in keiner Weise mit der sehr stabilen Situation in den baltischen Ländern und in Polen zu vergleichen ist, war die Stunde jener Strategen im In- und Ausland gekommen, die von einem Wiederaufleben der Angst vor einer russischen Expansion profitieren.

In polnischen Medien wurden mögliche Kriegsszenarien an der Ostgrenze durchgespielt und der polnische Verteidigungsetat soll bereits 2016 von 1,8 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgestockt werden. Für einen Aufwand von rund 32 Milliarden Euro will Warschau seine Streitkräfte bis 2022 umfassend modernisieren. Was die Auftragsvergabe anbelangt, sollen die USA dabei in nicht zu knappem Ausmaß berücksichtigt werden. So stellte Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak Washington entsprechend in Aussicht, dass die USA bei der anstehenden Vergabe eines neuen Raketenabwehrsystems damit rechnen könnten, zum Zuge zu kommen.

Die alte amerikanisch-polnische Freundschaft ist die große Gewinnerin der jüngsten Unwägbarkeiten. Sie hat eine lange Geschichte, aber war im Laufe der letzten Jahre zunehmend eingerostet. Historisch reichen die Beziehungen Polens zu den USA in eine Zeit zurück, da beide Staaten erst oder erst wieder im Entstehen begriffen waren. Nach der Aufteilung Polens zwischen Preußen, Habsburg und Russland wanderten hunderttausende Polen in die Neue Welt aus und wurden sogleich zu Kampfgenossen George Washingtons gegen die britische Kolonialmacht.

Allerdings hat sich das Verhältnis zu den USA abgekühlt, als die wirtschaftlichen Effekte und die Rückendeckung durch die USA nach der polnischen Irak-Unterstützung geringer ausfielen als erhofft. Wesentlich mehr als Höflichkeitsbesuche von US-Politikern sollten als Dankeschön nicht kommen. US-Präsident Barack Obama schob gar den einst von George W. Bush in Aussicht gestellten Raketenschild auf die lange Bank. Hatte sich Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski noch um die demonstrative Nähe zu den USA bemüht, weil das Misstrauen gegenüber Deutschland und Russland zu seinem ideologischen Grundreper-

toire in Polen gehörte, änderte sich Wesentliches an diesen Beziehungen, als dieser abgewählt wurde und Donald Tusk das Amt des Premiers antrat. Der Liberale, den man nicht so problemlos in die altkommunistische Ecke stellen konnte, verfolgte nicht mehr nur eine Politik der Wiederherstellung intakter Beziehungen zu Deutschland, sondern auch zum russischen Nachbarn. Die Polen waren selbstbewusster geworden und fühlten sich sicherer, sie gingen pragmatischer an internationale Beziehungen heran und legten alte Ängste zunehmend ab. Man bemerkte, dass die Russische Föderation Wladimir Putins nicht mehr die UdSSR war, die sich mit dem NS-Regime das Land aufgeteilt hatte. Allerdings sorgte der Flugzeugabsturz bei Smolensk 2010, bei dem auch Präsident Lech Kaczynski starb, für anti-russische Stimmung im Land, da vor allem Jaroslaw Kaczynski Russland eine Mitschuld an der Katastrophe gab.

Die Rolle als westlicher, proamerikanischer Brückenkopf wiederzuentdecken erscheint jedoch nicht nur den russlandfeindlichen Kräften in Polen attraktiv. Auch für die liberale Regierung in Warschau bietet es Vorteile, den alten Opfermythos zu pflegen und den Scharfmachern im Westen zu schmeicheln, wenn man sich entschlossen gibt, dem bösen Russland die Zähne zu zeigen. Allerdings könnte das Kalkül des Westens, die polnischen Befindlichkeiten für seine Konfrontationsstrategie gegen Russland zu nutzen, nicht aufgehen: Immerhin ist auch das Vertrauen in die Ukraine nicht wesentlich größer als jenes zu Moskau.

Deutschland versuchte über ein Konstrukt, Einfluss auf Polen zu nehmen, das 1991 unter Außenminister Hans-Dietrich Genscher ins Leben gerufen worden war, aber schon bald an politischer Bedeutung verlor und lange Zeit eher ein Dasein als bloßer Debattierklub fristete. Das Weimarer Dreieck mit Frankreich als Dritten im Bunde sollte dem Zweck dienen, den Beitritt Polens zur EU zu forcieren. Tatsächlich hatte die Dreiergruppe als solche wenig dazu beigetragen, sondern es war Deutschland, das weitgehend im Alleingang auf der Basis eigener wirtschaftlicher Interessen die schnellstmögliche Mitgliedschaft Polens auf die Tagesordnung brachte und mit Nachdruck verfolgte. Die unterschiedlichen Positionen der drei beteiligten Länder angesichts des Irakkrieges taten ihr Übriges, um die Funktionsfähigkeit des Dreiecks zu beeinträchtigen. Das Forum half am Ende nicht, diese Differenzen auszuräumen, und es trug noch nicht einmal zur Klärung bei, als es um den Streit um die doppelte Mehrheit ging. Darüber hinaus herrschte zu Zeiten der Regentschaft Ka-czynski in Polen weitgehende Eiszeit zwischen Deutschland und seinem östlichen Nachbarn.

Nun hatten die Außenminister der drei beteiligten Länder – Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radosław Sikorski – anlässlich der Ukraine-Krise die Idee, das Dreieck wieder aufleben zu lassen. Aber auch hier wurden schnell unterschiedliche Interessen deutlich. Und als der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dieser Tage seinen Antrittsbesuch in Warschau machte, um den Polen die Solidarität des Bündnisses in diesen unruhigen Zeiten zu versichern, zweifelten die polnischen Medien diese offen an. Die „Gazeta Wyborcza“ kritisierte sogar direkt die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die sich „nur als Bauherrin der Krippen und Bundeswehr-Kitas gezeigt hat“ und sich in Wirklichkeit nie um die Lage der Bundeswehr und deren Ausrüstung gekümmert habe.

Ali Özkök


Heuchler, Netzwerker, Stichwortgeber
Kritik an Ungarns Regierung artet zum politischen und medialen Furor aus

Mediale Einseitigkeit respektive Unausgewogenheit in punkto Ungarn hat Methode. Und sie ist denkbar einfach. Wenige Stichwortgeber liefern die Zutaten, welche im denk- und recherchefaulen politisch korrekten Mainstream-Journalismus zum Einheitsgericht Ungarn- beziehungsweise Orbán-Herabwürdigung verkocht werden. Das wirkt sich samt und sonders auf das Erzeugen klischierter Verdikte der Art aus, Ungarn sei ein Hort des Antisemitismus, und die Regierungsparteien Fidesz sowie KDNP schauten dem Treiben nicht nur zu, sondern unternähmen in der Absicht, politischen Terrainverlust an die ultrakonservative Partei Jobbik zu verhindern, nichts dagegen. Dass die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán seit ihrem Amtsantritt 2010 nicht nur durch Erklärungen, sondern in Wort und Tat, das heißt vor allem in gesetzlichen Regelungen gegen antisemitische und minderheitenfeindliche Umtriebe einschreitet, bleibt ausländischen Medien-„Konsumenten“ weithin verborgen.

Es fällt auf, dass viel Kritik aus dem Nachbarland Österreich kommt, mit dem sich Ungarn – wie es allzu gerne heißt – in einem „Verschwägerungsverhältnis“ befindet. Dabei ist zu konzedieren, dass eine gehörige Portion Heuchelei im Spiel ist. Da wäre beispielsweise die Verfassungsgerichtsbarkeit, bei der Ungarns Regierung nicht nur, aber vornehmlich, vom „Schwager“ in Österreich unterstellt worden ist, dieselbe einzuschränken, zu umgehen, ja sogar „abzuschaffen“. Da dem österreichischen Verfassungsrecht die Popular-Klage fremd ist, sollten sich österreichische Publizisten nicht anklagend darüber echauffieren, dass Ungarn – übrigens bei Zustimmung des ungarischen Verfassungsgerichtshofspräsidenten aufgrund kaum mehr zu bewältigender Fallzahlen – die zuvor bestehende rechtliche Möglichkeit unterband, jedem Bürger, unabhängig davon, ob sie ihn träfen oder nicht, Anträge auf Überprüfung von Gesetzen zu stellen. Tatsächlich kritikwürdig ist indes das neue ungarische Verfassungsrecht dort, wo die Prüfung von Gesetzen auf Verfassungswidrigkeit inhaltlich beschränkt worden ist.

Unsäglich ist die schon als stereotyp zu bezeichnende, durch keinerlei Erklärung des neuen ungarischen Wahlrechts oder durch dessen Vergleich mit – beispielsweise – dem englischen Wahlsystem relativierte Kritik am Ergebnis der Parlamentswahl vom 6. April und also am angeblich „undemokratischen“ Charakter des in Ungarn geltenden Wahlrechts. Stattdessen erwecken die Kritiker unter Hinweis darauf, dass aus 45 Prozent der Wählerstimmen eine Zweidrittelmehrheit der Mandate im ungarischen Parlament folgte, den Eindruck, als ob das ungarische Wahlrecht nicht demokratisch sei. Dem entgegen ist schlicht und wahrheitsgemäß festzuhalten: Das ungarische Wahlrecht ist eine Kombination aus landesweiter Verhältniswahl über Listen (93 Sitze) und der Direktwahl von Wahlkreiskandidaten mit relativer Mehrheit (106 Sitze). Das regierende bürgerliche Parteienbündnis aus Fidesz-MPSZ und KDNP hat 37 Listen- und 96 Direktmandate erzielt, womit es 133 von 199 Parlamentssitzen einnehmen und also über die Zweidrittelmehrheit verfügen kann.

Was macht Orbán in den Augen seiner Kritiker noch verdächtig? Mit Zweidrittelmehrheit wurde eine neue Verfassung beschlossen, die 2012 in Kraft trat. Schon seit der Zeitenwende 1989/90 sollte die allenfalls an demokratische Verhältnisse angepasste stalinistische Verfassung von 1949 durch eine gänzlich neue ersetzt werden. Daraus war nie etwas geworden. Orbán ergriff die Gunst der Stunde und ließ ein Grundgesetz ausarbeiten, das laut dem bedeutenden deutschen Staatsrechtler (und Ex-Minister) Rupert Scholz nach „objektiven Kriterien eine moderne, in vielen Punkten sogar vorbildliche Verfassung“ ist. Dass sie ohne Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde, hat sie mit dem deutschen Grundgesetz oder der US-Verfassung gemein. Dass das ungarische wie andere Verfassungsgerichte nicht über ähnliche Kompetenzen wie jenes in Karlsruhe verfügt, ist in Europa nicht ungewöhnlich; Großbritannien und Schweden haben gar kein Verfassungsgericht.

Das „Orbán-Bashing“ wird auf politischer wie medialer Ebene zweifellos weitergehen. Derweil stehen laut jüngsten Daten des ungarischen Zentralamts für Statistik alle Wirtschaftssignale in dem Land auf Wachstum und die Arbeitslosigkeit hat mit 8,1 Prozent einen Zehnjahres-Tiefststand erreicht. Audi beispielsweise betreibt in Raab [Györ] das weltgrößte Pkw-Motorenwerk mit einer Jahreskapazität von zwei Millionen. Und Morgan Stanley in London hat die Wachstumsprognosen Ungarns für 2015 von 2,4 auf 2,9 Prozent und für 2016 von 2,0 auf 2,4 Prozent nach oben korrigiert.

Aus alldem ist die den medialen und politischen Mainstream anklagende Schlussfolgerung zu ziehen: Bevor man sich dazu hinreißen lässt, über Ungarn, seine Regierung, die sie tragenden Parteien und/oder die Ungarn her-zufallen, sollte man vor der eigenen Haustür kehren, Einflüsterungen irgendwelcher ungarischer Stichwortgeber und Netzwerker möglichst wenig Gehör schenken und – vor allem – unvoreingenommen recherchieren. Dann wird man sicherlich zu ausgewogeneren Analysen und weniger von Gemeinheiten triefenden Kommentaren/Urteilen über das Land kommen. Reiner Liesing


Kein Referendum für Katalonien

Die katalanische Regionalregierung hat das von ihr geplante Unabhängigkeitsreferendum vorerst abgesagt. Wie Regierungschef Artur Mas am Montag bei einem Treffen mit katalanischen Parteiführern bekanntgab, seien die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Abstimmung nicht gegeben. Zuvor hatte das spanische Verfassungsgericht einer Klage der Madrider Zentralregierung stattgegeben und das Referendum untersagt. Eigentlich sollte die autonome Region Katalonien am 9. November in einer Volksabstimmung über ihre Unabhängigkeit vom Königreich Spanien entscheiden. Dessen konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy betrachtet ein Unabhängigkeitsreferendum als verfassungswidrig.

Das im Nordosten Spaniens liegende Katalonien verfügt über ein eigenes Parlament und eine Regierung. Im Jahre 2006 hatte sich die Region zur „Nation“ erklärt, doch das spanische Verfassungsgericht erkannte Katalonien diesen Status wieder ab. Die Obstruktion der Zentralregierung gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen hat neben den rechtlichen vor allem auch politische und wirtschaftliche Gründe. Das wirtschaftlich starke Katalonien gehört nämlich zu den wohlhabendsten Regionen des krisengebeutelten Landes. J.H.


MELDUNGEN

Flamen vorerst gebunden

Brüssel – Zwar war die separatistische Neu-Flämische Allianz (N-VA) von Bart de Wever bei den belgischen Parlamentswahlen vor vier Monaten mit 20 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden, doch lange wollte keine der anderen Parteien mit ihr koalieren. Nun jedoch ist die Partei erstmals an der Regierung beteiligt, auch wenn de Wever nicht Regierungschef geworden ist. Hierauf hatte er bewusst verzichtet, um die Hürde für eine Regierungsbeteiligung nicht zu hoch werden zu lassen. Geführt wird die neue, aus vier Parteien bestehende Regierung von Charles Michel. Dem Liberalen gelang es offenbar, in endlosen Verhandlungen die N-VA von seinem wirtschaftsliberalen Kurs zu überzeugen und dafür auf einige Forderungen nach mehr Autonomie für das wirtschaftlich starke Flandern zu verzichten. Immerhin hatte de Wever schon vor der Wahl seine Bestrebungen nach einer Unabhängigkeit Flanderns als Fernziel bezeichnet. Bel

 

Ukip erringt Parlamentssitz

London – Die EU-kritische Partei Ukip hat am Freitag vergangener Woche erstmals einen Sitz im britischen Parlament errungen. Ihr Kandidat Douglas Carswell setzte sich bei einer Nachwahl im Wahlkreis Clacton mit 60 Prozent der Stimmen gegen seine Gegner von der konservativen Tory-Partei und der Labour Party durch. Erst kürzlich war der 43-Jährige bei den Torys aus- und zur Ukip übergetreten. Die Nachwahl war erforderlich geworden, weil er sein Mandat niedergelegt hatte. Ein Risiko war Carswell damit nicht eingegangen, denn er galt von Anfang an für eine Nachwahl als klarer Favorit. Seinem Erfolg wird Signalwirkung für die Parlamentswahl im Mai kommenden Jahres beigemessen. J.H.


S. 7 Wirtschaft

Nur Ablenkungsmanöver?
Paris soll laut EU angeblich endlich sparen, doch Frankreich versucht sich weiter durchzumogeln

Die EU wolle Frankreichs Haushaltsplan für 2015 nicht durchwinken und verlange weitere Einsparungen und Nachbesserungen, rauschte es Anfang Oktober durch den Blätterwald. Doch ist die Ankündigung ernst zu nehmen?

„Wir haben ihnen schon zwei Jahre gegeben“, erwiderte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem auf die Frage, ob die EU zulassen wolle, dass Frankreich nicht wie 2013 versprochen spätestens 2015, sondern nun erst 2017 die Maas-tricht-Kriterien in Sachen Neuverschuldung einzuhalten gedenke. Zudem sieht der Niederländer auch keinerlei Hinweis dafür, dass die Franzosen die Nachsicht Brüssels sinnvoll genutzt hätten, um notwendige Reformen zu beschließen. Allerdings muss man wissen, dass Dijsselbloems Tage als Eurogruppenchef gezählt sind. Zu oft war er dadurch aufgefallen, dass er in Interviews die ungeschminkte Wahrheit verkündet hatte, die jedoch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war.

Die Frage ist: Kann die EU überhaupt Paris dazu zwingen, die bei der Euro-Einführung beschlossenen Haushaltsregeln einzuhalten? Offiziell ist es zwar möglich, einem Staat bei Nichteinhaltung Strafen aufzuerlegen, doch bisher ist es nicht passiert, obwohl genügend Länder die Kriterien verletzt haben. Nach neuesten Beschlüssen darf die EU zudem den vorab eingereichten Haushalt eines Landes mit dem Hinweis auf Überschreitung der Vereinbarungen zurück-schicken und Nachbesserungen verlangen. Will man den Gerüchten aus Brüssel Glauben schenken, soll das jetzt auch erstmals geschehen. Denn Paris plant für 2015 eine Neuverschuldung von 4,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit reißt das Land zum wiederholten Male die erlaubte Drei-Prozent-Hürde und dies aus Sicht vieler Experten ohne zwingende Notlage.

„Es gibt keinen Grund, dass wir unsere Haushaltsziele nicht erreichen können“, kritisierte Frankreichs Notenbankchef Christian Noyer die eigene Regierung in Paris. Doch Finanzminister Michel Sapin hat bereits deutlich gemacht: „Austeritätspolitik verweigern wir.“

Und wahrhaftig ist Frankreich weit davon entfernt, einen harten Sparkurs zu fahren. Trotz steigender Neuverschuldung wurden sogar Steuern für Geringverdiener gesenkt, was den Staat rund 3,3 Milliarden Euro jährlich weniger einbringt. Gleichzeitig wurde eine Erhöhung der Renten für Sozialschwache angekündigt. Dies wurde nötig, um die geplante Steuersenkung für Unternehmen in den eigenen Reihen durchzusetzen. So will die sozialistische Regierung die Wettbewerbsfähigkeit französischer Unternehmen erhöhen. Die Mindereinnahmen durch diesen Beschluss werden auf 41 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre ge-schätzt. Gleichzeitig soll für Familien die Einkommenssteuer erhöht werden. Auch wird das Begrüßungsgeld, dass der französische Staat ab dem zweiten Kind zur Geburt zahlt, von 928 auf 308 Euro reduziert und die Elternzeit, in der ein Elterngeld in Höhe von 390 Euro im Monat gewährt wird, von 36 auf 18 Monate verkürzt werden. Letzteres verkaufen die Sozialisten als Gleichstellungspolitik, denn die 18 Monate gelten je Elternteil, so dass, wenn beide nacheinander aus dem Arbeitsalltag ausscheiden, die 36 Monate erhalten bleiben. Experten gehen jedoch davon aus, dass nur die wenigsten Eltern davon Gebrauch machen werden. So wird der Staat aber immerhin um 700 Millionen Euro pro Jahr entlastet. Rechnet man Be- und Entlastungen gegeneinander, spart Frankreich nur einen Bruchteil dessen ein, was es eigentlich soll. Gleichzeitig werden notwendige Reformen verschleppt. Zwar schmiss Präsident François Hollande die größten Blockierer aus der Regierung und stützte damit seinen Reformen gegenüber aufgeschlossenen Regierungschef Manuel Valls, doch der ist gegenüber dem linken Flügel seiner Partei und den Gewerkschaften machtlos. Erst dieser Tage zog er die geplanten Kürzungen bei der Arbeitslosenversicherung wieder zurück, da ihm die notwendige Rückendeckung aus den eigenen Reihen fehlt.

Diese erhält die Regierung in Paris nun erstaunlicherweise von ihren linken Parteifreunden in Berlin. Hatte sich die Bundesregierung bisher bezüglich möglicher EU-Maßnahmen gegen Frankreich bedeckt gehalten, preschte nun Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erneut vor. Bereits im Sommer hatte er sich von der CDU Kritik anhören müssen, weil er in einer Rede Verständnis dafür gezeigt hatte, dass sich Frankreich eine flexiblere Anwendung des Stabilitätspaktes wünsche, was aus Sicht der Union nichts anderes als dessen Aufweichung entspricht. Nun hat er mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron die Ausarbeitung eines Wachstumspaktes für Deutschland und Frankreich bei renommierten Ökonomen in Auftrag gegeben. Mitte November sollen die Vorschläge der Experten vorliegen. Mit ihnen in der Hinterhand könnte sich die EU Frankreich gegenüber erneut nachsichtig zeigen und den am Mittwoch eingereichten Budgetentwurf für 2015 doch noch durchwinken, schließlich zeige sich das Land dieses Mal wirklich willig, Strukturreformen durchzusetzen.

Gleichzeitig hofft Paris, dringend benötigtes Wachstum zu erzeugen, indem es weiter Druck auf die EZB ausübt, so dass diese den Euro-Wechselkurs weiter drückt. Allerdings zeigt sich bereits, dass die bisher stets als Wundermittel zur Anheizung des Exports gepriesene Abwertung zumindest bisher wenig gebracht hat. Zwar sank der Euro-Kurs gegenüber dem Dollar in den letzten Monaten um gut zehn Prozent, Frankreichs Wachstumsprognosen müssen allerdings trotzdem nach unten korrigiert werden.

Und am Ende steht die Frage, warum die EU überhaupt gerade jetzt gegenüber Frankreich eine Einhaltung der Vereinbarungen verlangen sollte. Möglicherweise diente das Ganze nur der Ablenkung, um so den umstrittenen französischen EU-Kommissionskandidaten Pierre Moscovici beim EU-Parlament als EU-Währungskommissar durchzubekommen.

Rebecca Bellano


Richter in eigener Sache
Juncker muss entscheiden, ob er einst Steuervorteile gewährte

Gleich bei zwei Personalentscheidungen musste sich der neue EU-Kommissions-chef Jean-Claude Juncker den Vorwurf anhören, er habe den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner gemacht. So soll nach den Vorstellungen Junckers ausgerechnet ein Brite in der EU-Kommission künftig für die Aufsicht über den Finanzdienstleistungssektor zu-ständig sein. Als noch riskantere Wette gilt die Berufung von Pierre Moscovici zum EU-Wirtschafts- und Währungskommissar. Schon in der Heimat hatte der Franzose als Finanzminister den eigenen Staatshaushalt nicht in den Griff bekommen. Ausgerechnet Moscovici, der in aller Öffentlichkeit gegen Defizitvorgaben aus Brüssel gewettert hat, soll nun in der EU-Kommission den Wächter über den Stabilitätspakt abgeben.

Der Öffentlichkeit noch nicht recht bewusst ist allerdings, dass auch der neue Kommissions-Chef Juncker von seiner politischen Vergangenheit eingeholt zu werden droht. Noch die alte EU-Kommission unter José Manuel Barroso hat im Juni nämlich eine sogenannte vertiefende Beihilfe-Untersuchung gegen Irland und Luxemburg eingeleitet. Konkret untersucht wurden dabei die steuerliche Behandlung des US-Konzerns Apple in Irland und der Fiat Finance and Trade (FTT) in Luxemburg. Das inzwischen bekannt gegebene vorläufige Resultat der Prüfung lautet, dass die EU-Kommission die Steuerdeals mit beiden Unternehmen als verbotene Staatshilfen ansieht. Beide Konzerne sollen demzufolge selektive Steuervorteile erhalten haben. Bleibt es bei dieser Sichtweise, kann die EU-Kommission nicht nur die Abschaffung der eingeräumten Privilegien verlangen, sondern anordnen, dass die gewährten Steuervorteile wieder zurückgefordert werden.

In einen Interessenskonflikt droht Juncker dabei nicht nur durch das Fiat-Tochterunternehmen in Luxemburg zu geraten. Am 7. Oktober wurde von der noch amtierenden, alten EU-Kommission mitgeteilt, dass inzwischen auch eine Untersuchung darüber eingeleitet wurde, ob auch dem Versandhändler Amazon in Lu-xemburg unerlaubte Steuervorteile gewährt wurden. Wie die „Financial Times“ berichtet, soll Amazon in Luxemburg weniger als ein Prozent Steuern auf seine europäischen Gewinne zahlen.

Pikant daran ist nicht nur, dass Luxemburg offenbar über Jahre eine Niedrigsteuerpolitik zulasten anderer EU-Länder betrieben hat. 2003, als Amazon diese Schnäppchensteuer in Luxemburg eingeräumt wurde, war der Premier und zuständige Finanzminister kein anderer als Juncker. Und ausgerechnet die neue EU-Kommission mit ihm an der Spitze wird bei den eingeleiteten Untersuchungen nun entscheiden müssen, ob Irland und Luxemburg durch Steuerprivilegien unerlaubte Beihilfen gewährt haben.

Junckers Chancen, die Angelegenheit auszusitzen, dürften gering sein. Angesichts eines Rekordhaushaltsdefizits ist gerade in Washington inzwischen das Interesse groß, von US-Konzernen genutzte Steueroasen trockenzulegen. Auch bei der Industrieländervereinigung OECD und der G20-Runde steht das Thema Steuerdumping inzwischen ganz oben auf der politischen Tagesordnung. N.H.


Japan vor dem Scheitern
Lockere Geldpolitik verfehlt deutlich die erhoffte Wirkung

Er gilt vielen als Japans letzte Hoffnung. Premier Shinzo Abe war 2012 angetreten, um das mit rund 240 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) heillos überschuldete, von Deflation und Rezession gebeutelte Land aus der Krise zu führen. Noch ist es zu früh, um ihn als einen Gescheiterten zu bezeichnen, doch es mehren sich die Zeichen dafür, dass dem so ist, zumal die Ausgangslage im Grunde einen anderen Schluss nicht zulässt.

Noch ist es zwar nicht offiziell, dass die japanische Wirtschaft erneut in der Rezession steckt – es wäre das vierte Mal allein seit 2008 –, doch die verhaltene Konjunkturprognose der japanischen Notenbank am 7. Oktober lässt es erahnen. Um die Konjunktur anzukurbeln, will sie weiter umgerechnet jährlich rund 500 Milliarden Euro über den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren in den Geldkreislauf pumpen. Lockere Geldpolitik ist für Abe der Ausweg aus der Krise, obwohl genau diese bereits die USA und in der Folge die ganze Welt in den Finanzkollaps gestürzt hat. Doch der Japaner meint, in Kombination mit staatlichen Investitionen auch in Form von Konjunkturpakten und Strukturreformen würde seine Strategie schon aufgehen. Ziel war es, eine Inflation von rund zwei Prozent sowie Wachstum zu erzielen und zudem die heimische Währung gegenüber dem US-Dollar abzuwerten, um so die Exporte zu erhöhen. Doch nach einem kurzen Strohfeuer im ersten Quartal dieses Jahres mit 5,9 Prozent Wachstum lassen die Wirtschaftsdaten der letzten Monate nichts langfristig Gutes erwarten. Nach Mehrwertsteuererhöhung von fünf auf acht Prozent zum 1. April ergab das zweite Quartal ein Minus von 7,1 Prozent. Offizielle Zahlen für das dritte Quartal kommen zwar erst im November heraus, doch die Reaktion der Notenbank zeigt, dass sie nicht positiv ausfallen werden. Finanzminister Taro Aso arbeitet bereits an einem Nachtragshaushalt, der den umgerechnet acht Billionen Euro umfassenden Schuldenberg weiter erhöhen wird. Schon jetzt fließt die Hälfte der Steuereinnahmen in den Schuldendienst. Wie eine alternde Bevölkerung so in Wohlstand leben soll, ist ungewiss. Zumal auch die Inflationserwartungen von Abe nicht aufgehen. Zwar stiegen die Preise um 3,4 Prozent, doch rechnet man die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung heraus, bleiben nur 1,1 Prozent übrig. So inflationiert man keine Staatsschulden weg.

Zwar gelang es Abe, den Yen mit seiner Politik abzuwerten, doch hat das zufolge, dass die Importe teurer wurden, was den Privatkonsum zusätzlich belastet. Dieser macht 60 Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung aus. Eigentlich ist für 2015 eine weitere Mehrwertsteuererhöhung ge-plant, doch ob an dieser angesichts der gemachten Erfahrungen der letzten Monate festgehalten wird, ist ungewiss.

Da jedoch auch die Opposition in Japan keine Idee hat, wie das Land aus der Krise findet, setzt Abe seine Politik ungehindert fort. Und offenbar ist sein Vorbild nicht Warnung genug, denn auch in Europa setzt die EZB auf eine extrem lockere Geldpolitik. Bel


MELDUNGEN

EuGH lässt EZB auf Urteil warten

Luxemburg – Ist der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) eine verbotene Staatsfinanzierung über die Notenpresse und verstößt somit gegen europäisches Recht? Mit dieser Frage befasst sich ab sofort der Europäische Gerichtshof (EuGH). Ein Urteil wird jedoch frühestens in einem Jahr erwartet. Bel

 

EU veröffentlicht TTIP-Dokument

Brüssel – Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am Donnerstag vergangener Woche entschieden, das Verhandlungsmandat für das TTIP-Abkommen zu veröffentlichen. Das Dokument ist die Grundlage für die laufenden Gespräche mit den USA über ein Freihandelsabkommen. Mit gewollter Transparenz hat dieser Schritt allerdings nichts zu tun, sondern die EU reagiert damit auf die massive öffentliche Kritik an den bisher geheimen Verhandlungen. J.H.

 

Furcht vor neuer Immobilienblase

Dublin – Da die Immobilienpreise in Dublin im August um 25 Prozent über dem Vorjahresmonat lagen, mahnt die irische Zentralbank Maßnahmen an, um eine erneute Immobilienblase zu verhindern. Zwar liegen die Preise immer noch deutlich unter dem Niveau von 2008, als die erste Immobilienblase platzte, doch da Irland sich immer noch nicht ganz von den Folgen der damaligen Krise erholt hat, soll eine Wiederholung ausgeschlossen werden. Die Notenbank empfiehlt daher, dass Banken künftig nur noch maximal 15 Prozent ihrer Kredite an Kunden geben, die mehr als 80 Prozent des Kaufpreises finanzieren müssen. Auch soll die Finanzierung grundsätzlich nicht mehr als das 3,5-fache des Jahreseinkommens betragen. Bel


S. 8 Forum

So geht’s nicht
von Jan Heitmann

Verirrte, Verwirrte, Gescheiterte, Querulanten, sie alle fühlen sich von neu gegründeten Parteien angezogen. Das galt vor 35 Jahren für die Grünen wie es heute für die AfD gilt. Die AfD hat ihre Geburtsphase überwunden und befindet sich nun in der Findungsphase, in der es neben der Gewinnung eines programmatischen Profils darum geht, personell „die Spreu vom Weizen zu trennen“, wie es der Parteichef Bernd Lucke ausdrückt. Allerdings muss er dabei die Zentrifugalkräfte beherrschen, die manche junge Partei zerrissen haben. Parteiinterne Kritiker als „Idioten“ zu bezeichnen, wie es sein Stellvertreter Hans-Olaf Henkel tut, ist da sicherlich nicht der richtige Weg. Denn nicht jeder Kritiker ist ein Idiot, sondern er legt vielleicht nur Wert darauf, dass alles seine Ordnung hat. Und da gibt es bei der AfD nun einmal Defizite, die nicht mehr mit Welpenschutz zu entschuldigen sind. So geht’s nicht. Also, liebe AfD-Vorstände: Beachtet die Satzung und die Gesetze, übt innerparteiliche Demokratie und Transparenz und schon werden diejenigen, die angeblich „nichts lieber tun, als Parteitage und Vorstandswahlen anzufechten“, so Lucke, von allein verstummen. Notorische Querulanten, das sei zugestanden, fängt man damit kaum ein.

Die meisten Medien und die politischen Gegner der AfD feiern ein seit fast zwei Jahren anhaltendes Hochamt der Diffamierung. Rechts, wenigstens aber rechtspopulistisch soll die AfD sein. Das ist sie nicht, aber sie ist den etablierten Parteien als ernst zu nehmende politische Kraft gefährlich geworden. Da ist jede Stigmatisierung recht. Andererseits sollte die AfD diesen Stigmatisierungen keine Nahrung geben und politisch fragwürdige Figuren konsequent von sich fernhalten. Dazu gehört sicherlich nicht jeder, der zuvor einer vermeintlich „rechten“ Partei angehört hat. Auch kann niemand von der AfD verlangen, jeden Aufnahmeantrag in Verfassungsschutzmanier zu prüfen. Als Tummelplatz politischer Extremisten sollte sich die AfD aber in jedem Fall zu schade sein. Deshalb ist es unverständlich, dass beispielsweise der Hamburger Landesverband einen ehemaligen NPD-Aktivisten aufgenommen hat, der noch dazu dadurch aufgefallen ist, dass er zu Handgreiflichkeiten neigt. Das ist umso un­ver­ständli­cher, als dass besorgte Mitglieder den Landesvorsitzenden zuvor ausdrücklich vor dem Mann gewarnt hatten. So geht’s nicht.

Dass der Hamburger Landesverband kürzlich fast die Hälfte seiner Landesvorstandsmitglieder verloren hat, muss ihn indes nicht grämen. Denn deren Rücktrittsargument, die angebliche Dominanz ehemaliger Mitglieder der Schill-Partei, dürfte nur vorgeschoben sein. Immerhin war die Schill-Partei ein seriöser Koalitionspartner der CDU. Auch wenn ihr Namensgeber irgendwann nicht mehr zurechnungsfähig zu sein schien, haben seine Parteifreunde ordentliche politische Arbeit geleistet. Der tatsächliche Rücktrittsgrund dürfte sein, dass die Zurück­getretenen sich bei der Vergabe sicherer Listenplätze nicht durchsetzen konnten. Aber Rück­tritte aus Enttäuschung über die Posten- und Platzvergabe kommen in jeder Partei vor. Warum sollte das ausgerechnet bei der AfD anders sein?


Zu viel oder zu wenig Staat?
von Hans-Jürgen Mahlitz

Wann immer die Öffentliche Hand nicht mehr weiß, in welche Taschen sie noch greifen soll, um Haushaltslöcher zu stopfen, fällt das Zauberwort „Privatisierung“. Irgendwo findet man doch immer noch etwas, das man potenziellen (und vor allem potenten) Investoren als „Tafelsilber“ verkaufen kann. Und beim Schönreden defizitärer Staatsbetriebe sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Nun könnte es dem Bürger ja eigentlich egal sein, ob sein Abfall vom städtischen Müllmann oder von einer Privatfirma abgeholt wird. Seine Elektrogeräte laufen mit dem Strom des kommunalen E-Werks nicht anders als mit dem des Großkonzerns. Und an der privaten Hochschule führt zwei mal zwei zum selben Ergebnis wie an der Landesuniversität.

Warum also sollte Vater Staat nicht munter weiter privatisieren? Das spart Kosten, schont den Steuerzahler, macht manches effektiver und schafft Arbeitsplätze in der Wirtschaft.

Soweit die Theorie. Leider richtet die Praxis sich nicht immer danach, und so sehen wir, dass die Grenzen zwischen Staat und privater Wirtschaft nicht da verlaufen, wo unsere Politiker sie sehen – und uns Bürgern gern verkaufen. Daher sind wir gut beraten, genau hinzusehen: Wo haben wir zu viel Staat und wo zu wenig?

Artikel 33 unseres Grundgesetzes bestimmt: „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“

Offen bleibt, was „ständige Aufgabe“ und „in der Regel“ bedeuten. Hingegen ist unzweifelhaft, dass unter „hoheitsrechtlichen Befugnissen“ alles zu verstehen ist, was direkt mit dem Gewaltmonopol des Staates zu tun hat, wie Polizei, Justiz, Streitkräfte. Auch das Eintreiben von Steuern dürfte dazu gehören, nicht nur, weil es von vielen Bürgern durchaus als staatlicher Gewaltakt empfunden wird.

Öffentliche Grundversorgung – Bahn, Post, Trinkwasser, Energie, Straßenbau – zählt nicht unbedingt zu den hoheitlichen Befugnissen. Die Praxis hat aber gelehrt, dass sie beim Staat zumeist in guten Händen war. Oft bringt die Privatisierung höhere Preise und weniger soziale Leistungen – hier sehnt der Bürger sich wieder nach mehr Staat, ohne dass der sich gleich wieder für den „besseren Unternehmer“ halten sollte.

Ganz anders sieht es in Kultur, Bildung und Wissenschaft aus. Nicht nur die Kunst, auch Forschung und Lehre leben von der Freiheit des Geistes. Der kluge Staat beschränkt sich darauf, gute rechtliche und materielle Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie gut „weniger Staat“ hier tut, zeigt die Geschichte der Stiftungsuniversität Frankfurt (s. Seite 11). Deren Namensgeber hatte übrigens das rechte Maß vorgegeben: Goethe war freier Geist und zugleich Geheimrat in Diensten des Staates.


Frei gedacht
Jetzt ist Erntezeit
von Eva Herman

Ich gehe durch die Welt. Die Bäume tragen buntes Laub, der Wind bläst rauer. Goldene Sonne bricht durch kupfernes Blattwerk, die Ernte ist fast eingefahren. Ich schaue in die Welt. Ist sie noch meine? Der Blick in die herrliche Natur sagt ja. Die Aussicht auf alles Menschenwerk? Fehlanzeige.

Was ist übrig von unserer schönen Welt? Was haben wir daraus gemacht? Wo sind sie, die einstigen Kindheitserinnerungen: Rauschende Wälder, blühende Landschaften, die Kleinstadt im hellen Schein der Freude über eine gelungene Ernte, Städte interessant, wachsend, aufgeschlossen für das Neue. Prickelnde, wohltuende Aufbruchsstimmung für morgige Ziele, um aufzubauen, zu erneuern, etwas zu schaffen. Was ist übrig von den Plänen? Wo sind die rosigen Zukunftsaussichten für uns, für unser Land? Was übergeben wir den Kindern? Wie erleben sie unsere Erde heute, wie fühlt sich ihr Leben an?

Die aktuellen Nachrichten: +++ Ebola kommt nach Europa. Offenbar kann niemand die Katastrophe aufhalten, scheint es. Die Nachrichtenschreiber schüren Angst, die Schlagzeilen verkünden Unheil. +++ Die Terrororganisation IS versetzt die ganze Welt in Schrecken, zündelt im Nahen Osten, droht Europa, den USA. Köpfe rollen schon, sie werden vor laufender Kamera abgeschlagen. Es sind unsere Leute, Europäer, Amerikaner, die öffentlich exekutiert werden. Die Nachrichten überschlagen sich, die Bedrohungen nehmen zu. Bei den Menschen hierzulande zeigen sich Albträume, sie haben Angst +++ Die Ukraine-Krise schwelt, immer noch ringen die Großen angeblich um Lösungen. Die Bilanz bisher: Tausende Tote, zehntausende Verletzte, hunderttausende Leidende, Millionen Vertriebene. Wird es zum Krieg kommen? Zum Dritten Weltkrieg? Weil ja die Russen offenbar so stur sind, schreiben die Zeitungen, sagen die Nachrichtensprecher. Und, wird es passieren? +++ Unsere Gemeinden und Städte kollabieren: Täglich fluten tausende Flüchtlinge ins Land, sie wollen wohnen, essen, leben. Doch wohin mit ihnen? Sie sind in ihrer Art ganz anders, kennen nicht unsere Kultur, unsere Traditionen, sie bringen vielmehr ihre eigene Welt mit, die hier weiterleben soll. Kann das gutgehen? Die Nachrichtenmoderatoren schildern Symptome, die Angst schüren in der Bevölkerung. Über die Gründe sprechen sie nicht, denn dann wäre klar: Es kommt alles noch viel schlimmer. +++ Unsere Sozialkassen sind leer, Deutschland lebt auf Pump. Doch die üppigen Leistungsausschüttungen wie Kindergeld, Hartz IV und alle anderen wohltätigen Zuschüsse vom Amt steigen massiv weiter, denn immer mehr Fremden, die in ihrem eigenen Land nicht leben können oder wollen, versprach man hier Rettung. Wo soll das enden? Man muss nicht Mathematiker sein, um den Zusammenbruch zu sehen. +++ Unsere Kinder leiden: Schon früh werden sie den Müttern entrissen. Sie weinen leise, sie weinen laut, doch niemand hört ihre Stimmen. Die Mütter gehen zur Arbeit. Ihre Herzen weinen auch. Doch sie dürfen sie nicht erhören, denn dann stehen sie auf der falschen Seite, und das wollen sie nicht. +++ Die Tiere auf dieser Welt werden gequält wie nie zuvor: Damit der Mensch genug zu essen hat. Sie dürfen das Tageslicht nicht sehen, werden ausgebeutet, gequält, ausgeschlachtet. Ihre Seelen werden ignoriert, übergangen, denn sie sind nur Nahrung, ihre Leiber haben dem Menschen zur Verfügung zu stehen, man verfügt über ihr Schicksal: Kalt, unerbittlich, von roher, unsagbarer Gewalt. Die Schmerzensschreie der Tiere in den Schlacht-häusern verhallen ungehört: Die Kühltheken im Supermarkt bieten ihr geschundenes Fleisch feil, man sieht die Qual nicht in den fahlen Poren, man kann es knusprig braten. +++ Die Politiker streiten, sie streiten über alles. Sie arbeiten in einer Koalition, doch gehören sie nicht zusammen, sprechen unterschiedliche Sprachen. Sie versprechen, stellen in Aussicht, tarnen, täuschen, tricksen, nur, um auf der Regierungsbank zu sitzen. Das wird fürstlich entlohnt, die Zeche zahlt der Untertan. Die Politiker finden keine Lösungen mehr: Immer ist es Stückwerk, das hier füllt, um dort neue Lücken aufzureißen. +++ Immer mehr Menschen erkranken an Depressionen und Angst. Sie leiden unter Panik-attacken, liegen nachts im eigenen Schweiß, das Herz rast, sie finden keine Ruhe. Angst! Das ist der neue Begleiter des Menschen. Angst, überleben zu können, Angst, bestehen zu können, Angst vor dem Leben! +++

Ich gehe durch die Welt. Sie bricht zusammen. Nur die Natur arbeitet verlässlich: Jeder neue Tag kommt, wird auf jeden Fall abgelöst von der Nacht, die Jahreszeiten zeigen die Veränderungen der Natur: das ewige Säen, Keimen, Blühen, Reifen, das Absterben, das Ende. Und den Neuanfang, im nächsten Frühling. Dann geht alles wieder von vorne los. So ist es in der Natur, die uns der Schöpfer schenkte. Er gab uns Menschen seine Gesetze. Wir leben in den Naturgesetzen, wir wissen von ihnen, sie sind tief in unserem Geist verankert. Das Gewissen ist unser Mahner, es ist das Wissen um die Gesetze. Wir wissen genau, was richtig und was falsch ist. Doch was taten wir? Wir schoben dieses unbedingt erforderliche Überlebenswissen zur Seite, wir wurden „modern“. Wer dieses Wort auf der ersten Silbe betont, sieht die Wahrheit: Unsere Welt modert, ein Prozess, der dem Zerfall stets vorausgeht!

Unsere Welt zerfällt! Wir tragen die Verantwortung. Der Mensch fehlte. Er weiß es! Die Angst, die jetzt überall emporkriecht, hat gute Gründe. Wir haben sie selbst verursacht, wir Menschen tragen die Verantwortung.

Es ist Erntezeit! Die Saat, die wir in die Erde gaben, ist aufgegangen. Wer Hafer sät, kann nicht Roggen ernten. Wer hässliche, deformierte Saatkörner in die Erde bringt, der wird nicht Schönheit erstehen lassen können. Lieblos, gedankenlos, gewissenlos wurde unsere schöne Welt zerstört. Wir alle haben es zugelassen. Die faulen Früchte schmecken nicht, sie sind bitter. Und giftig! Sie vergiften uns nun.

Und dann sind da tatsächlich noch Menschen, denen der Zerfall gleichgültig ist. Sie finden in ihrem Kühlschrank noch zu essen, und auch ihr Fernseher funktioniert noch. Es interessiert sie nicht das Endzeitgeschrei mancher Leute, sie wollen sich von Verschwörungstheorien nicht das Leben beschweren lassen. Sie wollen träge, bequem und faul im Sessel liegen und dem Untergang von außen zuschauen, unbeteiligt.

Doch die Angst wird kommen, auch zu ihnen. Sie wird nicht vorsichtig an die Türe klopfen, sondern eines Tages wird sie mit Sturmesbrausen ihre kleine, kleinkarierte Welt durcheinanderbringen. Als Erstes wird das Fundament wegbrechen, das doch niemals eins gewesen war. Dann geht es in Windeseile: Es donnert und kracht, und die Welt bricht zusammen. Entblößt, bar jeden Schutzes, werden sie dann wimmern, entsetzt über die plötzliche Gewalt. Auch dann werden sie nicht erkennen wollen, dass alles absehbar war. Und dass sie noch Zeit hatten, ihr Gewissen freizulegen, es wahrzunehmen, es als wichtigsten Motor endlich zu erkennen. Und nur noch in seinem Sinne zu handeln, zu denken und zu tun. Das Gewissen, es ist das innerste Wissen um die Gesetze, um die Gesetze Gottes. Sie wirken immer, stets, verlässlich, ewig. Nun ist Erntezeit. Halten wir uns bereit.


S. 9 Kultur

Alles andere als verstaubt
Nach über 100 Jahren wurden Museen in Darmstadt und Münster frisch aufpoliert. Das Resultat überzeugt

Soll man Museen lieber verrotten lassen oder sie für viel Steuergeld instand setzen? In Darmstadt und Münster entschied man sich für die kulturfreundliche Variante.

Nach langjährigen Baumaßnahmen haben im September zwei herausragende deutsche Museen ihre Wiedereröffnung gefeiert. Beide blicken auf eine lange Tradition zurück. Das heutige Hessische Landesmuseum Darmstadt wurde 1906 als Großherzogliches Museum eröffnet. Das jetzige LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster öffnete 1908 als Landesmuseum für die Provinz Westfalen seine Pforten.

Eigentlich sollte das marode Hessische Landesmuseum Darmstadt lediglich einer Grundinstandsetzung unterzogen werden. Doch die wuchs sich zur vom Träger, dem Land Hessen, mit 80 Millionen Euro finanzierten Komplettsanierung aus, die zur siebenjährigen Schließung des Hauses führte. Für die Innenausstattung wurden weitere 11,9 Millionen Euro aufgewendet. Das historische Gebäude stammt vom Architekten Alfred Messel. Der gelungene Museumsbau veranlasste Kaiser Wilhelm II. 1907, Messel zum Generalarchitekten der Königlich Preußischen Museen zu ernennen. Der Entwurf des Pergamonmuseums geht auf ihn zurück.

In Darmstadt löste Messel die anspruchsvolle Aufgabe, vier Sammlungen ganz unterschiedlichen Charakters unter einem Dach zu vereinen: Zoologie, Geologie, Kulturgeschichte und Kunst. Nach der Teilzerstörung im Zweiten Weltkrieg und der Wiederherstellung in den 1950er Jahren jedoch war das Museum äußerlich zwar das alte geblieben. Aber durch zahlreiche Rochaden von Sammlungsteilen sowie etliche Einbauten war Messels Inszenierung des Inneren verschleiert und das Haus für den Besucher unübersichtlich geworden. Die Komplettsanierung wurde dazu genutzt, der alten Pracht des Landesmuseums neuen Glanz zu verleihen. Die einzigartige Stärke des Hauses besteht in der enormen thematischen Breite der Sammlungen bei bestechend hoher Qualität zahlreicher Objekte, die sich auf 9000 Quadratmetern Ausstellungsfläche entfalten. In vielen Bereichen des Hauses hat Messel für eine auf die Ausstellungsstücke abgestimmte Umgebung gesorgt. Insbesondere die rechts und links der Haupthalle gelegenen „Stilräume“ werden zum eindrucksvollen Erlebnis. Höhepunkt ist die von Messel „mittelalterlich“ gestaltete Kapelle, in der die kirchliche Schatzkammer eingerichtet ist.

Eine Entdeckung ist die Gemäldegalerie, die in den vergangenen Jahrzehnten ein Schattendasein führen musste. Neu hergerichtet wurde für sie der vom Architekten Reinhold Kargel entworfene und 1984 eröffnete Erweiterungsbau des Landesmuseums. Eigentlich sollte der abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Doch dafür reichte das Geld nicht mehr. Waren vor der Schließung lediglich 120 Gemälde ausgestellt, so werden nun im neuen Domizil, dem Kargel-Bau, 440 Werke des 13. bis 20. Jahrhunderts präsentiert. Zu den Glanzlichtern gehören die beiden Aposteldarstellungen auf den „Wormser Tafeln“ (1250), die zu den ältesten Tafelmalereien Deutschlands gezählt werden, Stephan Lochners „Darbringung im Tempel“ (1447) und „Die Elster auf dem Galgen“ (1568) von Pieter Brueghel dem Älteren. Zu Recht bezeichnet Boris Rhein, Hessens Minister für Wissenschaft und Kunst, das Haus als „kulturellen Leuchtturm“ mit internationaler Strahlkraft.

Wie ein Bug aus Sandstein stößt die Neubauspitze des LWL-Museums für Kunst und Kultur auf den Domplatz von Münster vor. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) brachte für sein Museumsflaggschiff 39 Millionen Euro auf. Das Land Nord­rhein-Westfalen gab neun Millionen Euro dazu. Der mit dem Altbau von 1908 harmonisch verbundene Neubau ist eigentlich ein mächtiger Klotz. Doch er wirkt mit seiner Fassade aus hellgelbem Sandstein, ge­schliffenem Sichtbeton und langen, sechs Meter hohen Fensterbahnen leicht und heiter. Entworfen wurde er vom Berliner Architekten Volker Staab.

Staab bezeichnet sein Bauwerk als „Museum der Höfe“. Der Vorplatz an der Rothenburg, der offene Innenhof, das Foyer und der Vorhof am Domplatz bilden eine Passage, die ins Museum locken möchte, aber auch als innerstädtische Abkürzung genutzt werden kann. Das äußerst geräumige und sehr helle Foyer ist 14 Meter hoch. Es wirkt wie ein imposantes, geometrisch abstraktes Raumbild mit Einbauten aus dunkler Eiche.

Die Arbeiten be­gannen vor fünf Jahren mit dem Abriss des in den 1970er Jahren er­richteten Er­wei­terungsbaus, dessen Erhalt enorm hohe Sanierungskosten verursacht hätte. Durch die Baumaßnahmen wurde die Ausstellungsfläche um 1800 auf 7500 Quadratmeter er­weitert. Sie verteilt sich im ersten und zweiten Obergeschoss des Alt- und Neubaus auf 51 Räume. Die offerieren einen chronologisch geordneten Rundgang durch 1000 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte bis in die Gegenwart. Die historischen Abteilungen konzentrieren sich auf Westfalen. International hingegen ist die Gegenwartskunst vertreten, wobei ein Schwerpunkt auf allen Spielarten der Abstraktion liegt.

Die Architektur wurde genau auf die Bedürfnisse der Kunstwerke abgestimmt. Unterschiedliche Raumzuschnitte und Wandfarben spielen dabei tragende Rollen. Überwältigend, ja fast schon brachial ist der Auftakt. Der erste Raum erstreckt sich mit acht Metern Höhe über zwei Geschosse und ist vor dunkelblauen Wänden dem monumentalen „Bock­horster Triumphkreuz“ (Eichenholz, Ende 12. Jh.) vorbehalten.

Blickachsen leiten die Aufmerksamkeit auf die Hauptwerke der Sammlung, etwa das als ältestes Tafelbild nördlich der Alpen geltende „Soester Antependium“ (um 1170/80). Es zeigt im Zentrum Christus als Weltenherrscher. Reich vertreten ist das Schaffen des Expressionisten und Blauen Reiters August Macke. Hauptattraktion ist das vier Meter hohe, aus Mackes Bonner Atelier stammende Wandbild „Paradies“ (1912). Es ist eines der wenigen überhaupt erhalten gebliebenen Wandgemälde des Expressionismus. Macke fertigte das Prachtwerk gemeinsam mit seinem Künstlerfreund Franz Marc an. Treffend bemerkt Bernd Hettlage im neuen Architekturführer des Hauses: „Man will hier kein Regionalmuseum sein, man will durchaus in einer internationalen Liga mitspielen.“ Veit-Mario Thiede

Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Friedensplatz 1. Dienstag, Donnerstag, Freitag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr, Sonnabend und Sonntag 11 bis 17 Uhr. Telefon (06151) 1657000, Internet: www.hlmd.de. Eintritt:

6 Euro. Der im Verlag Schnell und Steiner erschienene Architekturführer kostet 14,95 Euro, der Museumsführer 24,95 Euro. − LWL-Museum für Kunst und Kultur, Domplatz 10, Münster. Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Jeden zweiten Freitag im Monat 10 bis 22 Uhr. Telefon (0251) 590701, Internet: www.lwl-museum-kunst-kultur.de. Eintritt: 8 Euro. Der im Wienand Verlag erschienene Sammlungsführer „Einblicke – Ausblicke“ kostet im Museum 28 Euro.


Von der Moldau an die Donau
Oskar Kokoschkas Prager Ansichten im Regensburger Kunstforum Ostdeutsche Galerie

Natürlich gibt es viele Dinge, welche die jetzige Bundeskanzlerin Angela Merkel und den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer verbinden. Ein Element ist das von Oskar Kokoschka gefertigte Porträt Adenauers, das heute im Büro der Regierungschefin hängt. Zu 50 Prozent fördert die Bundesrepublik Deutschland auch das in Regensburg angesiedelte Kunstforum Ostdeutsche Galerie (KOG), das noch bis zum 11. Januar nächsten Jahres die Ausstellung „Oskar Kokoschka und die Prager Kulturszene“ zeigt.

Einen Besucherandrang wie selten zuvor erlebte die kürzlich erfolgte Ausstellungseröffnung. „Zwei Jahre haben wir auf diesen Tag hingearbeitet“, blickte Wolfgang Schörnig, KOG-Vorstandsvorsitzender, in seiner Begrüßung zurück. Der rege Besuch war Lohn für die Arbeit und Mühen.

Der Vorschlag, dem 1886 in Niederösterreich geborenen Ma­ler eine Ausstellung zu widmen, stammte von der KOG-Direktorin Agnes Tieze. Sie hat dann unter dem Titel „Oskar Kokoschka und die Prager Kulturszene“ die Ausstellung auch kuratiert. Mit Blick auf den Auftrag der Ostdeutschen Galerie wurden aus dem Gesamtwerk Kokoschkas für die Ausstellung die Prager Jahre (Ende September 1934 bis Oktober 1938) herausgenommen, die angesichts der Historie wohl auch mit am interessantesten sind.

„Diese Jah­re sind eng mit den Ab­gründen der deutschen Ge­schichte verbunden“, stellte auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrem Grußwort bei der Vernissage fest.

Anlass für Kokoschkas Aufenthalt in Prag war der Auftrag, den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk zu porträtieren, was sich jedoch bis Sommer 1936 hinzog. Auf dem Gemälde hat der Künstler auch Jan Hus und Johann Amos Comenius abgebildet. Ende 1934 lernte Kokoschka, damals 48 Jahre alt, die gut 30 Jahre jüngere Jura-Studentin Olda Palkovská kennen und lieben − ein Grund mehr also, um in Prag zu bleiben und ein Atelier zu mieten. So entstanden bis Herbst 1938 hier 37 Ge­mälde, darunter 16 meist großformatige Prag-Ansichten, meist aus erhöhten Perspektiven. Neun Prag-Bilder (zwei davon aus der KOG-Sammlung, eines auch aus der Londoner Exilzeit) sind in der Ausstellung zu sehen.

„Londoner Exilzeit“ − damit ist Kokoschkas weiterer Lebensweg bereits vorweggenommen. Als „Entartetster unter den Entarteten“ wurde er im NS-Deutschland des Jahres 1937 diffamiert, und die Entwicklungen im Jahr darauf (Judenpogrome, Münchner Ab­kommen) ließen für die Tschechoslowakei und somit auch für Kokoschka nichts Gutes erwarten. Nach dem Anschluss des Sudetenlandes ans Deutsche Reich als Folge des Münchner Abkommens flüchtete er am 18. Oktober 1938 mit seiner Freundin und späteren Frau mit dem letztmöglichen Flug nach London.

Die Ausstellung widmet sich, wie der Titel auch ausdrückt, vor allem Kokoschkas in Prag entstanden Werken. Sie wirft aber auch einen Blick auf sein Privatleben mit Porträts seiner neuen Liebe Olda. Aber auch das künstlerische Umfeld in Prag wird angesprochen, zumal diese Stadt in der zweiten Hälfte der 30er Jahre ein Ort des Rückzugs und des Austausches mit vielen anderen Künstlern – Tschechen, Deutsche, Österreicher oder Juden aus ganz Europas – war. Ein umfangreicher Ausstellungskatalog mit 160 Seiten sowie ein vielfältiges Begleitprogramm vertiefen bis Mitte Januar die Ausstellung. Markus Bauer

Weitere Informationen unter www.kunstforum.net.


»Plankton«-Meer der Erinnerung

Wie kein anderer deutscher Schriftsteller hat sich der 2007 verstorbene Walter Kempowski um das Erbe des kollektiven Gedächtnisses der Deutschen verdient gemacht. Nach seinen Romanen der „Deutschen Chronik“ dehnte der 1929 in Rostock geborene Autor seine persönliche Erinnerungsarbeit auf das Sammeln und Bewahren von Erinnerungen der Allgemeinheit aus. Mit der Absicht, ein Archiv für unveröffentlichte Familiengeschichten anzulegen, schaltete er in den 1980er Jahren Zeitungsanzeigen und bat um Einsendungen. Infolgedessen stapelten sich im Laufe der Jahre mehrere tausend Manuskripte in seinem Haus Kreienhoop in Nartum bei Bremen, wo er unter anderem auch als Grundschullehrer tätig war. Seit einigen Jahren befindet sich das Kempowski-Archiv einschließlich des umfangreichen Biografiearchivs in der Akademie der Künste Berlin.

Bei seinen Bemühungen um den Erhalt von Zeitzeugnissen verlegte sich der Autor zuletzt auf die Sicherung von Originaltönen, indem er Menschen, denen er persönlich begegnete, Fragen zu bestimmten Themen und markanten Ereignissen stellte. Die knappen oder ausführlichen Antworten in Alltagssprache, mal lustlos, mal begeistert und oftmals amüsant, bewahrte er sorgfältig in weißen Kartons auf. Er bezeichnete sie als „Erinnerungskristalle“ oder auch „Plankton“, da sie zusammen gleichsam ein Meer der Erinnerung bilden, in dem Ordnung zu schaffen ihm widerstrebte. Daraus erwuchs sein letztes großes Buchprojekt.

Zum 85. Geburtstag am 29. April hat die langjährige Mitarbeiterin von Kempowski, Simone Neteler, im Auftrag des Knaus Verlags den visionären Plan umgesetzt und auf der Basis der O-Ton-Sammlung ein Buch herausgegeben, das nach Kempowskis Vorgabe „Plankton. Ein kollektives Gedächtnis“ betitelt wurde. Seinem Wunsch entsprechend wurden die Erinnerungssplitter aus 50 Jahren mit Hilfe ei­nes „Zufallsgenerators“ zusam­men­gestellt. Mithin hat das Kaleidoskop aus alltags- und zeitgeschichtlichen Erfahrungen eine anonyme, kollektive Autorenschaft.

Über die einzelnen Zeitzeugen wird nicht mehr als ihre Nationalität, das Alter und oftmals der Beruf mitgeteilt. Zusammen ergeben die Sätze oder kurzen Geschichten, nach Kempowskis eigenen Worten, einen „Urquell von Erinnerung“, „den Schlamm, aus dem sich das Echolot und die Chronik erheben“. „Plankton“ sei als Fundament des Kempowskischen Werks zu betrachten, heißt es im Verlagstext zum Buch. Ein Kuriosum ist das Buch zweifellos, doch ob es sich als Nachschlagewerk für Historiker eignet, bleibt abzuwarten.

Kempowski war daran gelegen, dass die Sammlung des „Planktons“ fortgesetzt wird. Der Knaus Verlag hat sich entschlossen, die Idee zu verwirklichen. Jeder kann mitmachen und seine Antworten auf bis zu acht ausgewählte Fragen entweder postalisch oder via Internet an den Verlag schicken. Auf Wunsch der Mitwirkenden wird anschließend ein persönliches Exemplar des Buches „Plankton“ hergestellt, in das je­weils die eigenen, den Erinnerungskristallen untergemischten Antworten zu finden sind. D. Jestrzemski


MELDUNGEN

Apokalypsen von Käthe Kollwitz

Köln − Als ihr Sohn vor 100 Jahren als Soldat in Flandern fiel, verarbeitete Käthe Kollwitz den Verlust in zahlreichen Bildern. In der Ausstellung „Apokalypsen daheim an der Front“, die bis zum 11. Januar 2015 im Kölner Käthe-Kollwitz-Museum (Neumarkt 18−24) zu sehen ist, werden die Werke der ostpreußischen Künstlerin neben Kriegsbilder von Otto Dix, Ernst Ludwig Kirchner oder George Grosz gestellt. tws

 

Berlin restituiert Kulturgüter

Berlin − Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat zwei Zeichnungen aus dem Bestand des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Mu­seen zu Berlin restituiert. Die Werke von Julius Schnorr von Carolsfeld und Friedrich oder Ferdinand von Olivier stellten sich als ehemals zur Wiener Sammlung Dr. Schmidl zugehörig heraus. Die restituierten Werke stammen aus der Sammlung der Urenkelin Friedrich von Oliviers und kamen 1939 beziehungsweise 1941 nach Berlin. tws


S. 10 Geschichte

Gegen die Heimat oder das Vaterland
Vor 75 Jahren schlossen Hitler und Mussolini das nach ihnen benannte Abkommen über die Option der Deutschen in Südtirol

Für Tiroler im südlichen Teil des einstigen Habsburgerkronlandes ist hinsichtlich der historischen Erinnerungsdaten anno 2014 ein besonders schmerzlicher Jahrestag zu „bewältigen“: der 21. Oktober. Vor einem Dreivierteljahrhundert gab Adolf Hitler seinem faschistischen Pendant, Benito Mussolini, im sogenannten Hitler-Mussolini-Abkommen das Land unterm Dolomitenstock preis.

Mit dem damals zwischen Berlin und Rom in Kraft getretenen „Optionsabkommen“ sollte gewährleistet werden, was nach der Machtübernahme der Schwarzhemden in Italien 1922 zwischen Brenner und Salurner Klause trotz brutaler Entnationalisierungspolitik nicht erreicht worden war, nämlich die „ewige Italianità“ dieses Land­strichs. Für dessen Eroberung hatte die Irredentisten-Bewegung gemäß ihrer seit Mitte des 19. Jahrhunderts propagierten „Wasserscheiden-Theorie“ unablässig gefochten, und für dessen Einverleibung wechselte Italien 1915 die Seite, trat gegen den aus Deutschem Reich und Österreich-Ungarn bestehenden Zweibund in den Krieg ein und erhielt 1919 in Saint-Germain-en-Laye Südtirol als Beute.

Schon in einer seiner weniger bekannten Schriften aus der „Kampfzeit“ – „Die Südtiroler Frage und das Deutsche Bündnisproblem“ (München 1926) – hatte Hitler zu erkennen gegeben, dass er die Südtiroler als ein Hindernis auf dem Weg zur Annäherung an den späteren Achsenpartner betrachtete. Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs im März 1938 zerstreute Hitler anlässlich seines Staatsbesuchs italienische Befürchtungen, nunmehr könnte eine Rückgliederung Südtirols bevorstehen, indem er am 7. Mai 1938 in Rom erklärte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, dass es die von der Natur uns beiden aufgerichtete Alpengrenze immer als eine unantastbare ansieht.“ Diese Erklärung fand in dem am 22. Mai 1939 in Berlin im Beisein Hitlers von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Galeazzo Graf Ciano unterzeichneten „Stahlpakt“ ihre Bekräftigung. Und um die in diesem Abkommen genannte „ewige Grenze“ auch „volkstumspolitisch“ zu untermauern, handelten Ciano und Heinrich Himmler das Optionsabkommen aus.

Es sah vor, dass sich Deutschsüdtiroler und Ladiner in der Provinz Alto Adige („Hochetsch“) sowie die Bewohner des zur Provinz Trient gehörenden Südtiroler Unterlandes, aber auch jene des bis 1918 zu Kärnten gehörenden Kanaltals – es erstreckt sich vom heutigen Grenzübergang Thörl-Maglern/Arnoldstein über Tarvis/Tarvisio bis Pontafel/Pontebba – sowie des Fersentals und der deutschen Sprachinseln im Trentino für Italien oder für das Deutsche Reich zu entscheiden hatten. „Optierten“ sie bis zum 31. Dezember 1939 für das Reich, so war damit die Aussiedlung verbunden. Entschieden sie sich für den Verbleib in der angestammten Heimat, so in der Gewissheit, keinen Schutz mehr für ihre Volksgruppe in Anspruch nehmen zu können.

Schon im Juni 1939 war der Inhalt des Abkommens bekannt geworden. Daraufhin traten Vertreter des (der Kirche nahestehenden) „Deutschen Verbandes“ (DV) wie Repräsentanten des (NS-nahen) „Völkischen Kampfrings Südtirols“ (VKS), die sich bei Kanonikus Michael Gamper im Marien-Internat zu Bozen getroffen hatten, einhellig dafür ein, geschlossen für den Verbleib in der Heimat zu stimmen. Am 1. August 1939 wurde im Verlautbarungsblatt der Staatsbahnen angekündigt, dass „in nächster Zeit Transporte von Personen und Gütern aus dem Hochetsch in südliche Provinzen abgehen“ sollten. Giuseppe Mastromattei, der römische Präfekt in Bozen, ließ über die Zeitschrift „Atesia Augusta“ verlauten, „wer immer Treue zu Italien und zu den Einrichtungen des Regimes bewiesen“ habe, dürfe bleiben. Da die meisten Südtiroler das faschistische Regime ablehnten, waren sie folglich von Deportation in südliche Provinzen bedroht. Hinzu kam, dass gemäß Arbeitsvermittlungsgesetz nur Italiener als Ersatz für entlassene Deutschsüdtiroler beschäftigt werden durften. Italienischen Privatbetrieben wurde die Beschäftigung von Südtirolern ebenso untersagt wie den Obstgenossenschaften die Beschäftigung deutschtiroler Saisonarbeiter. Höchste Repräsentanten des Faschismus gaben in öffentlichen Äußerungen zu verstehen, für Italien optierende Südtiroler könnten nach Sizilien umgesiedelt werden, wo das Regime gerade eine Landreform mit dem Ziel in Gang gesetzt hatte, 20000 neue Hofstellen zu schaffen.

Vor dem Hintergrund dessen hatte sich der VKS direkt an Himmler gewandt. Dieser erklärte einer VKS-Abordnung anlässlich einer Begegnung am Tegernsee unverblümt, dass das Deutsche Reich die „Dableiber“, also die Optanten für Italien, ihrem Schicksal, mithin dem unabwendbaren nationalen Untergang, überlassen werde. Der VKS schwenkte daraufhin um und begann, mit reichsdeutscher Unterstützung, für eine möglichst geschlossene Option für Deutschland zu werben. Kanonikus Michael Gamper und sein Freundeskreis von DV und Andreas Hofer-Bund (AHB) waren hingegen überzeugt, dass man im Lande bleiben und auf eine Änderung der Verhältnisse hoffen müsse. Die emotionalen Auseinandersetzungen führten zu einer tiefgreifenden Spaltung der Bevölkerung, die durch die Dörfer und teilweise auch durch die Familien ging. Es kam zu gegenseitigen Vorwürfen des „Verrats“, wobei die Deutschland-Optanten als „Heimatverräter“ und die „Dableiber“ als „Volksverräter“ beschimpft wurden.

Von den 246036 Abstimmungsberechtigten optierten 211799 für die deutsche Staatsbürgerschaft und Aussiedeln, 34237 votierten für die Beibehaltung der italienischen und Bleiben. Wer ging, ließ alle unbewegliche Habe zurück. In der Folge wurden etwa 76000 der Optanten für das Reich ausgesiedelt. Ihre Behausungen und Höfe, über deren Wert hastig Kommissionen befanden, erhielten zumeist süditalienische Umsiedler – der ganze Landstrich sollte ja seinen „deutschen Charakter“ verlieren. Der Zweite Weltkrieg, an dessen Beginn vor 75 Jahren auch in diesem Zusammenhang zu erinnern ist, verhinderte indes die vollständige Ausführung der Umsiedlung der Optanten ins Reich oder in besetzte Gebiete, die 1941 völlig zum Erliegen kam. Von 1943 an wurde in der „Operationszone Alpenvorland“, zu der Südtirol mit der deutschen Besetzung Norditaliens gehörte, nachdem Mussolini 1943 vom Faschistischen Großrat abgesetzt worden war und in der „Republik von Salò“ als Satrap Hitlers „regierte“, nicht mehr nach „Optanten“ oder „Dableibern“ gefragt. Gestellungsbefehle an die Front erreichten Angehörige beider Lager.

Die Rückkehr der Deutschland-Optanten nach Kriegsende in ihre Heimat stieß auf enorme Schwierigkeiten. Es bedurfte trotz des zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber am 5. September 1946 zu Paris geschlossenen Abkommens über eine (dann bis 1972 von Rom faktisch ad absurdum geführte) Autonomie Südtirols, die auch die „Revision der Option“ zum Gegenstand hatte, zäher Verhandlungen, den zunächst Staatenlosen, überdies als „Nazis“ Gebrandmarkten, die italienische Staatsbürgerschaft wieder zuzuerkennen.

Die damals geschlagenen tiefen seelischen Wunden sind auf beiden Seiten erst nach vielen Jahren verheilt. Selbst der von Angehörigen beider Lager gegründeten Südtiroler Volkspartei (SVP), an deren Spitze nachmals für gut drei Jahrzehnte der Optant Silvius Magnago stand, fiel es nicht leicht, die Kluft allmählich zu überwinden. Es gebührt Kanonikus Gamper das Verdienst, durch sein leuchtendes Beispiel der Nächstenliebe und Toleranz die Südtiroler nach Kriegsende wieder zu einer handlungsfähigen Volksgruppe zusammengeführt zu haben. Reiner Liesing


Genialer Schachzug deutscher Propaganda
Im Ersten Weltkrieg gab der Große Generalstab eine gerne gelesene Tageszeitung für den französischsprachigen Leser heraus

Langjährig wirksame Erfolge hatte der deutsche Geheimdienst während des Ersten Weltkriegs nur wenige aufzuweisen, doch die Existenz der Zeitung „Gazette des Ardennes“ ist unbestreitbar einer davon. Allerdings ist die Propagandazeitung in Deutschland heute selbst unter Historikern kaum bekannt, während das in Frankreich anders ist.

Wahrscheinlich von Erich v. Falkenhayn stammte die im Oktober 1914 auftauchende Idee, eine Zeitung in französischer Sprache für die wachsende Zahl französischer Kriegsgefangener in Deutschland, aber auch für die Bewohner des von den Deutschen besetzten Teils Frankreichs sowie die französischsprachigen Belgier zu gründen. Der Chef des Großen Generalstabes beauftragte seinen rührigen Geheimdienstchef Major Walter Nicolai mit der Schaffung einer derartigen Zeitung. Dieser reichte die Aufgabe an einen befähigten Unterstellten, den hessischen Dragonerrittmeister der Reserve Fritz Schnitzer, weiter.

Bei Schnitzer handelte es sich um einen jahrzehntelang in den Niederlanden ansässigen Inhaber einer Kaffeegroßhandelsfirma. Seit vielen Jahren hatte er im Ausland diskret Aufträge für den deutschen Nachrichtendienst ausgeführt und er eilte natürlich als patriotischer Deutscher bei Kriegsausbruch 1914 sofort zu den Fahnen. Im Kaiserlichen Hauptquartier im Städtchen Mezieres nahe Sedan gehörte der neben Niederländisch fließend Französisch und Englisch sprechende Kaufmann mit einigen anderen Offizieren der Sektion IIIb des Majors Nicolai an und erfüllte nachrichtendienstliche Aufgaben. Jener pflichtbewusste und akkurate, ebenso sprachkundige wie weltgewandte Offizier erhielt jetzt die Aufgabe, eine französischsprachige Zeitung aus dem Boden zu stampfen. Mit Eifer nahm sich Schnitzer der Aufgabe an und bereits am 1. November des Jahres erschien die erste Nummer der Zeitung. Schnitzer wurde von einer kleinen vierköpfigen Redaktionsmannschaft aus deutschen Journalisten unterstützt, der Druck, die Korrektur, die Verpackung und der Versand der neuen Zeitung lagen hingegen völlig in französischen Händen. Die neue Zeitschrift erhielt den Namen „Gazette des Ardennes“ (Ardennenzeitung), weil sie in einer kleinen, doch modern ausgestatteten französischen Druckerei in Charleville nahe den Ardennen gedruckt wurde.

Erschienen die ersten Nummern nur in Auflagenhöhen von 4000 bis 7000 Exemplaren, wuchs die Auflage ab Nr. 10 wegen der steigenden Nachfrage an, um schließlich 1917/18 eine Auflage von 175000 bis 190000 Exemplare bei sechsmal wöchentlichem Erscheinen zu erreichen, was auch heute noch als ganz beachtlich gelten dürfte. Für eine Propagandazeitung erstaunlich, warf das Blatt nach einer kleinen Anschubfinanzierung durch den deutschen Generalstab sogar finanziellen Gewinn ab. Der große Erfolg der Zeitschrift war vor allem drei Kunstgriffen geschuldet. Erstens war die französische Bevölkerung infolge der Kampfhandlungen durch die Fronlinie getrennt und durch eine rigide französische Zensur vom freien Meinungsaustausch abgeschnitten. Die „Gazette des Ardennes“ veröffentlichte aber Familiennachrichten ebenso wie umfangreiche Listen kriegsgefangener Franzosen in deutschen Gefangenenlagern, fand also allein dadurch zahlreiche interessierte Leser. Zweitens wurde in der Zeitung keine Hetze gegen Frankreich getrieben, sondern man war bemüht, nur wahrheitsgetreue Informationen abzudrucken, wobei man diese natürlich in deutschem Sinne kommentierte, aber nie auf das Mittel von Propagandalügen zurückgriff. Drittens fand Rittmeister Schnitzer in dem elsässischen Journalisten Rene Prevot einen sehr befähigten Chefredakteur, der ei­ner­seits ab März 1915 die Zeitschrift von der Form her völlig auf französische Lesegewohnheiten umstellte, doch gleichzeitig die Zeitung gemäß den Intentionen des Herausgebers Schnitzer leitete und mancherlei Exklusivinformationen von Seiten des deutschen Geheimdienstes bei seiner Berichterstattung nutzte. Die „Gazette des Ardennes“ wurde folglich selbst im neutralen Ausland viel gelesen, sogar der spanische König gehörte zu den ständigen Lesern. Per Flugzeug- und Ballonabwurf gelangte die Zeitschrift weit hinter die französischen Linien und von der französischen Schweiz aus ging die Zeitung sogar eine Zeitlang allen französischen Parlamentsabgeordneten postalisch zu. In Frankreich, wo eine rigide Militärzensur herrschte, erregte die „Gazette des Ardennes“ mit ihren ungefilterten Informationen reges Interesse. Wie die Kriegserinnerungen von Franzosen besagen, wurde die Zeitung zwar heimlich, doch intensiv gelesen und die Exemplare wanderten von Hand zu Hand.

Da in französischen Regierungskreisen während des Kriegs mancherlei Intrigen intern ausgefochten wurden, diente die „Gazette des Ardennes“ oft als Anlass zur Beseitigung unliebsamer Konkurrenten. Ihretwegen wurde 1917 die Pariser Zeitung „Bonnet Rouge“ verboten. Im gleichen Jahr verlor der französische Innenminister Louis Malvy seinen Posten und musste ins Exil gehen. Am härtesten traf es den französischen, friedensgesinnten Ex-Ministerpräsidenten Joseph Cailleux, der wegen vorgeblicher Zusammenarbeit mit der „Gazette des Ardennes“ ab 1920 eine mehrjährige Haftstrafe absaß.

Die „Gazette des Ardennes“ stellte bei Ausbruch der Novemberrevolution 1918 ihr Erscheinen ein. Fritz Schnitzer kehrte in die Niederlande in seinen Kaffeegroßhandel zurück, während Ex-Chefredakteur Prevot enttäuscht der Politik für immer den Rücken kehrte und bis zu seinem Tode 1954 sich in München als Kulturjournalist betätigte.

Jürgen W. Schmidt


S. 11 Preussen

Hort des Wissens für den freien Geist
100 Jahre Goethe-Universität Frankfurt am Main: Wunsch und Wirklichkeit einer gutgemeinten Hochschul-Stiftung

Eine bestechende Idee: Dem freien Geist eine Heimstätte schaffen, frei von staatlicher Reglementierung, wirtschaftlichen Vorgaben, finanziellen Zwängen, weltanschaulichen oder religiösen Bevormundungen. Die Gründerväter und -mütter der Frankfurter Universität hatten sich viel, vielleicht zu viel vorgenommen, als sie vor einem Jahrhundert daran gingen, ihren in besseren, friedlicheren Zeiten geborenen Plan umzusetzen..

Der Zeitpunkt der Realisierung war denkbar ungünstig. Wenige Wochen zuvor war Europa in den Ersten Weltkrieg gestürzt. Die Menschen hatten andere Sorgen als die Stiftung einer neuen Universität. Die Politiker waren eher interessiert an Munitionsfabriken denn an Hörsälen. In Wirtschaftskreisen dachte man lieber darüber nach, wie der Bestand des eigenen Unternehmens zu sichern und vielleicht an diesem Krieg etwas zu verdienen sei. Und die Religionsgemeinschaften standen ohnehin jeder Idee, die nicht von ihnen stammte oder zumindest sie einbezog, skeptisch gegenüber.

Hinzu kam, dass sich im nationalistischen Überschwang jener kriegerischen Zeiten überall in Europa ein zunehmend aggressiver Antisemitismus verbreitete – und ein Großteil der Frankfurter Universitätsgründer war jüdisch.

Letztlich war es wohl doch ein Glücksfall, dass die Idee einer vom Staat unabhängigen Universität ausgerechnet in Frankfurt geboren wurde. Die Mainmetropole, jahrhundertelang Freie Reichsstadt, war erst 1866 an Preußen gefallen, jenem Land also, in dem immer noch die Prinzipien Fried­richs des Großen galten. So blieb der Geist der Freiheit und Toleranz in diesem ansonsten eher unpreußischen südöstlichsten Zipfel Preußens erhalten.

Von den Universitäts-Gründern – alles erfolgreiche und angesehene Bürger der Stadt – verdienen vier besonders hervorgehoben zu werden. Wilhelm Merton, Hannah Luise von Rothschild, Franziska Speyer und Franz Bourchard Ernst Adickes.

Merton, Sohn eines aus England eingewanderten jüdischen Geschäftsmannes, hatte 1881 die Metallgesellschaft gegründet, einen der frühesten globalen Konzerne. Bei all seinen unternehmerischen Aktivitäten stellte Merton, der inzwischen zum christlichen Glauben konvertiert war, soziale Aspekte in den Vordergrund. So finanzierte er 1901 die „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften“, eine Keimzelle der späteren Universität.

Hannah Luise von Rothschild aus der dritten Generation der legendären Frankfurter Bankier-Dynastie hatte schon 1890 mit der von ihr initiierten und finanzierten Heilanstalt „Carolinum“ das Herzstück der späteren medizinischen Fakultät geschaffen. Ferner veranlasste sie, dass Frankfurt die 93000 Bände umfassende Familienbibliothek erhielt; nach dem Ersten Weltkrieg half eine 400000-Mark-Spende aus ihrem Nachlass, der Heilanstalt die Inflation zu überwinden.

Franziska Speyer, Witwe des deutsch-jüdischen Bankiers Georg Speyer, finanzierte mit Millionen-Goldmark-Beträgen den Aufbau medizinischer und chemischer Forschungseinrichtungen, aus denen später Universitätsinstitute hervorgingen. Ihrem Geld, vor allem aber ihrem persönlichen Einsatz war die Verpflichtung des Nobelpreisträgers Paul Ehrlich zu verdanken.

Sie und die vielen anderen Stifter und Spender wussten natürlich, dass auch eine politikferne Neugründung nicht ohne politische Unterstützung entstehen konnte. Hier fanden sie den größten Unterstützer im Frankfurter Oberbürgermeister Adickes. Der Norddeutsche war über Dortmund und Altona an den Main gekommen, wo er 22 Jahre lang die Geschicke der Metropole lenkte. Er verknüpfte den Aufbruchsgeist der Gründerzeit mit dem positiven Denken der preußischen Aufklärung. In diesem Sinne engagierte er sich für die Idee einer Stiftungsuniversität, appellierte immer wieder an Mäzene, unterstützte Initiativen aus der Bürgerschaft und brachte das Ansehen ein, das er sich bis in die höchsten Spitzen des preußischen Staates erworben hatte.

Zwar mochten Preußens Abgeordnetenhaus und Frankfurts Stadtverordnetenversammlung den Plänen Adickes und seiner Stifter-Freunde nichts abgewinnen. Längst aber hatte der findige OB höheren Orts ein offenes Ohr gefunden: Wilhelm II. ließ sich gern daran erinnern, dass er nicht nur deutscher Kaiser, sondern in Personalunion auch König von Preußen und somit Nachfolger des Alten Fritz war. Als solcher fand er die Idee, hier dem freien Geist eine neue Heimat zu geben, unterstützenswert und sagte zu, zur Eröffnung am 18. Oktober 1914 persönlich die Festrede zu halten.

Ein starkes Signal – die Gründung war nicht mehr aufzuhalten. Dass die Festrede ausfiel, war den Zeitumständen geschuldet: Majestät war als Oberbefehlshaber der im Kriege befindlichen Streitkräfte in Berlin unabkömmlich. Aus den 618 Studenten und 50 Professoren des ersten Semesters waren nach zehn Jahren 5000 Lernende und 250 Lehrende geworden. Wiederum ein Jahrzehnt später wurde die Uni gleichgeschaltet und verlor den Stiftungsstatus; von 355 Dozenten wurden 109 zumeist aus rassischen Gründen entlassen. Die Nationalsozialisten hatten den freien Geist preußischer und jüdischer Stifter verjagt; nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich neu-sozialistischer Zeitgeist breit. Die „Frankfurter Schule“ wurde zu Unrecht Wegbereiter des RAF-Terrorismus, aber zu Recht deren Wegbegleiter genannt.

Erst unter dem konservativen Roland Koch gelang die Rückbesinnung: Am 1. Januar 2008 wurde die Goethe-Universität wieder in eine Stiftungshochschule umgewandelt und wenigstens teilweise politisch-ideologischen Vereinnahmungen entzogen. Heute zählt sie fast 45000 Studenten und 650 Professoren; drei Forschungsschwerpunkte sind als Exzellenzcluster eingestuft.

Hans-J. Mahlitz


Wer hilft beim Lesen alter Briefe und Tagebücher?
Freiwillige für die Erschließung des archäologischen Archivs des ehemaligen Prussia-Museums Königsberg gesucht

Zwölf Jahre ist es her, dass die Kunde von der Wiederentdeckung und Rekonstruktion der legendären Königsberger Prussia-Sammlung durch die Medien ging. Nach einer bizarren Odyssee durch das Deutschland der Kriegs- und Nachkriegszeit waren 2002 wesentliche Teile dieser größten und reichhaltigsten Museumssammlung zur Archäologie Ostpreußens am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte buchstäblich auferstanden.

Bis zum Mauerfall hatten selbst Fachleute von der Existenz nichts gewusst, denn ihr letzter Be­sitzer, die Ostberliner Akademie der Wissenschaften, hielt sie ab 1949 als geheime Verschlusssache verborgen, zuletzt in den Kellerlabyrinthen unter dem jetzigen Bundesratsgebäude. Vorherige Stationen ihres abenteuerlichen Weges waren Gut Broock bei Demmin in Vorpommern und Rastenburg-Carlshof bei Allenstein. Bis 1943 hatte sich die archäologische Sammlung des Prussia-Museums im Königsberger Schloss befunden, die Aufzeichnungen nur wenige Schritte entfernt im Gebäude Hintertragheim 31.

Der Berliner Archivar Horst Junker kennt die Artefakte und Archivalien seit ihrer Wiederauffindung 1990. Zusammen mit der Archäologin Heidemarie Eilbracht widmet er aktuell besonders Letzteren einen Großteil seiner Arbeitskraft. „Von den einst wahrscheinlich mehr als 250000 archäologischen Bodenfunden Ostpreußens existieren heute gerade noch 45000 in Berlin und 25000 in Königsberg“, weiß Junker zu berichten.

Dies sei immer noch ein beträchtlicher Fundus, um zu forschen, doch gerade die Preziosen und die wissenschaftlichen Leitfunde seien in den Wirren der Nachkriegsjahre illegal in Privatbesitz gelangt oder wurden sogar mutwillig zerstört. „Mit diesen kulturgeschichtlichen Sachzeugen sind nicht nur beträchtliche materielle Werte verloren gegangen“, konstatiert Heidemarie Eilbracht, „sondern auch unzählige für heutige Archäologen essenzielle Informationen.“

Beide wollen die geretteten Königsberger Archivalien als lebendiges Kulturgut erhalten, denn zunehmend interessieren sich nicht nur Archäologen in Deutschland, Polen und Litauen für dieses historische Quellenmaterial, sondern auch Forscher anderer Disziplinen, die sich auf die Kulturlandschaft Ostpreußen und ihre besondere Geschichte spezialisiert haben. Eilbracht und Junker haben darum jüngst eine Auswahl von 35000 Dokumenten digitalisieren lassen.

„Um 125 Jahre archäologischer Forschung in Ostpreußen digital zu konservieren, bedarf es heute nur noch einiger Zentimeter freien Platzes in einer Schreibtischschublade oder einem Bücherregal“, bemerkt der Archivar mit Hinweis auf die Computerfestplatte auf seinem Schreibtisch und fährt fort: „Die Verfügbarkeit der Archivalien als digitale Ressource macht uns flexibler bei ihrer weiteren Erschließung. Man muss nicht mehr zwangsläufig nach Berlin reisen, um mit den Dokumenten arbeiten zu können.“

Dass in den Königsberger Papieren noch unzählige Entdeckungen zu machen sind, davon ist er überzeugt. Als Beleg verweist er auf die Zeichnung einer etwa 30 Zentimeter langen Lanzenspitze aus Rentierknochen, aufgefunden bei Gumbinnen. In den 1930er Jahren galt sie als das älteste prähistorische Artefakt Ostpreußens. Seit 1945 jedoch fehlt von ihr jede Spur. Die Aufzeichnungen der sie damals untersuchenden Fachleute indes liegen im Archiv in Berlin vor. Dank ihrer lässt sich der spektakuläre Fund auf dem Wissensstand des 21. Jahrhunderts neu analysieren und bewerten.

Mit der digitalen Reproduktion der alten Briefe, Berichte und Tagebücher sei das Ziel noch nicht erreicht, erläutert Heidemarie Eil­bracht. Um die Archivalien der modernen Forschung dienstbar zu machen, ist es nötig, sie inhaltlich zu erschließen, am besten mittels einer Online-Datenbank. „Um umfassende und korrekte Orts- und Personennamen, Angaben zu den Fundumständen und andere nützliche Sachschlagworte in einer solchen Datenbank hinterlegen zu können, ist es unvermeidlich, jedes aussagekräftige Dokument zuvor zu lesen“, weiß Eilbracht aus langjähriger Berufspraxis. Wurde es handschriftlich erstellt, was oft genug der Fall ist, bedarf es meist einer Transkription, also einer Umschrift Wort für Wort.

Für diese Arbeiten, für die das Museum für Vor- und Frühgeschichte auf absehbare Zeit kein Budget hat, suchen Eilbracht und Junker ständig nach freiwilligen Helfern. Seit einigen Jahren arbeiten sie mit interessierten Ruheständlern und Pensionären zusammen, für die mit der freiwilligen und eigenverantwortlichen Arbeit im Museumsarchiv nicht selten ein Jugendtraum in Erfüllung geht.

Doch die Reihen derer, die Sütterlin & Co. noch in der Schule erlernten, haben sich mittlerweile gelichtet und es bereitet den beiden zunehmend Mühe, „Nachwuchs“ zu finden. „Früher hatte in Ostpreußen jeder Kreis seinen ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger, welcher sich in Kooperation mit dem Königsberger Prussia-Museum vor Ort um die Belange der Archäologie kümmerte“, schildert Junker die Voraussetzungen, unter denen viele der sorgfältig gezeichneten Grabungspläne und akribisch geführten Arbeitstagebücher aus den Jahren 1850 bis 1944 entstanden. „Wenn es uns gelänge, in Berlin etwas Ähnliches für das Transkribieren der Königsberger Archivalien aufzubauen, dann sollte sich unser Vorhaben tatsächlich in den veranschlagten zehn Jahren verwirklichen lassen.“

Die digitale „Ausgabe“ der Königsberger Archivalien bietet den Berlinern für die Einbindung externer Helfer tatsächlich ganz neue Möglichkeiten. Denn je nach Bedarf können sie die Dokumente jetzt duplizieren, ausdrucken sowie beliebig vergrößern oder verkleinern. „Eine Mitarbeit in unserem Team“, zeigt sich Heidemarie Eilbracht optimistisch, „lässt sich ab sofort sogar aus der Ferne organisieren.“ Und wem die Kenntnisse der deutschen Kurrentschrift – so die korrekte Bezeichnung der alten Schreibschriften – fehlt? „Der erhält von uns eine Buchstabentabelle, eine Lupe und ein paar Übungsdokumente für den autodidaktischen Einstieg.“ Bisher habe das noch jeder geschafft, der sich ein paar Tage Zeit dafür nahm. „Aber natürlich helfen wir auch beim Einstieg, dann ist die erste Hürde nicht so hoch.“

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte befindet sich im Archäologischen Zentrum in Berlin-Mitte. Interessenten für eine ehrenamtliche Mitarbeit bei der Transkription der Archivalien des Prussia-Museum erhalten Kontakt zum Projekt über die Telefonnummer (030) 266425320 sowie die E-Mail-Adressen h.eilbracht@smb.spk-berlin.de und prussia.gesellschaft@googlemail.com. E.B.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Glattes Parkett

Zu: Die Friedensbombe (Nr. 37)

Putin hin, Obama her – was ist denn an der russischen Außenpolitik so anders als zum Beispiel an der US-amerikanischen? Tatsache ist doch, dass zurzeit auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland keine russischen Besatzer mehr stehen, dafür aber immer noch US-Soldaten.

Zusammengefasst ist Politik das schwierige Geschäft auf einem glatten Parkett, wohin sich ein paar Profiteure drängeln und dabei Millionen von Verlierern verdrängen. Und zwar weltweit.

Werner Haase, Steingaden

 

 

Auf Englisch, please!

Zu: Scheitert Gabriel an Ceta? (Nr. 40)

So notwendig die Diskussion über die Freihandelsabkommen (vor allem TTIP) wegen der möglichen wirtschaftlichen Folgen auch ist, so wenig bleibt merkwürdigerweise ein Gesichtspunkt unberücksichtigt, der überall in der EU alle Alarmglocken schrillen lassen müsste. In den Verhandlungen über eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA ist von „nichttarifären Handelshemmnissen“ die Rede, die abgebaut werden sollen. Das klingt ganz harmlos und wird deswegen sicher häufig übersehen.

Wechselt man gedanklich die Perspektive und schaut mit dem Blick amerikanischer Unternehmer in Richtung EU, so gibt es als wegzuräumende „nichttarifäre Handelshemmnisse“ vor allem die verschiedenen Sprachen in der EU. Man ahnt, worauf das hinauslaufen soll, wenn dieses erst einmal vertraglich festgezurrt worden ist. Wie dann Verbraucherinformationen auf Verpackungen, Betriebsanleitungen, Vertragsurkunden, Garantieerklärun­gen, Rechnungen, Quittungen Bankinformationen und anderes mehr aussehen wird, kann man sich denken.

Hermann Schubart, Marburg

 

 

Zum Unwohl der Kinder

Zu: Wer sein Kind liebt, geht in den Knast (Nr. 38)

Was bisher schon in anderen Bundesländern versucht wurde, ist in Nordrhein-Westfalen erschreckende Wirklichkeit geworden. Gegen den Willen der Kinder und deren Eltern werden sie zum Pornografie-Unterricht, verkleidet als Sexualunterricht, genötigt. Das ist doch eine zweifache Verletzung der Menschenwürde, einmal durch das unsittliche Angebot des Sexualunterrichts und zum anderen durch die Zwangsandrohung zur Durchsetzung ethisch nicht legitimierter Staatswünsche. Die Aufgabe des Staates ist es doch, die Erziehung der Jugendlichen zu verantwortungsbewussten Menschen zu gewährleisten. Hierzu gehört bestimmt nicht, die Entwicklung zu triebbestimmten Wesen auf Tierniveau zu fördern – wie es beim Sexualunterricht der Fall ist.

Es ist eine Schande, dass Eltern eine Strafe angedroht wird, wenn sie ihre Kinder davor bewahren wollen, mit pornografischen Inhalten konfrontiert zu werden. Die Auswirkungen sind nicht unbekannt. Warum diskutiert man jetzt im Bundestag die Verschärfung der Androhung der Kinderpornografie?

Martin Knappke, Karlsruhe

 

 

Weiter so!

Zu: Der Kommunismus – hat er auch etwas Gutes? (Nr. 39)

Glückwunsch, lieber Klaus-Rainer Röhl: Dem zitierten jungen Mann, der den Mund aufmacht und in erfrischender Weise sagt, wie es ist, gleichen Sie selbst. Mir gefällt, wie offen Sie hinterfragen, Sachverhalte auf den Punkt bringen und Fakten in Erinnerung rufen. Während die Informationsflut zur oberflächlichen Betrachtung der Ereignisse verführt, helfen mir Ihre Beiträge, sie auch in ihrer Tiefenschärfe wahrzunehmen. Ihre Artikel lese ich – so gut wie immer – mit Gewinn.

Willi Herbert, Hoyerswerda

 

 

Lieber abschalten

Zu: Manipulation auf Anweisung (Nr. 40)

Ich habe mir abgewöhnt die Nachrichten der Öffentlich-Rechtlichen und auch anderer Sender anzusehen. Es ist, wie Sie es auch schreiben, vom Bürger bezahltes Propagandafernsehen. So etwas hat es in der jüngeren Geschichte nur in der „Aktuellen Kamera“ des DDR-Fernsehens gegeben. Nur mit dem Unterschied, dass es kostenfrei war und nicht vom Bürger finanziert wurde.

Warum hängt man hinter die Nachrichtensprecher im Studio nicht gleich die US-Fahne? Diese Lobhudelei ist einfach widerlich. Mit freier Berichterstattung hat das nichts mehr zu tun. Vielleicht ändert sich etwas, wenn das keiner mehr anschaut. Aber durch unsere kräftige Finanzierung können die Verantwortlichen weitermachen und müssen keine wirtschaftlichen Zwänge fürchten. Ich lasse da lieber den Fernseher aus und lese die PAZ.

Jörg Dommert, Dessau

 

 

Gefälschte Wahrheit

Zu: Gelbe Karte für Einseitigkeit (Nr. 40)

Schon am 1. Juli habe ich Anzeige gegen den Intendanten des Zweiten Deutschen Fernsehens, Thomas Bellut, und den Historienpapst Guido Knopp erstattet wegen andauernder und gezielter Geschichtsfälschung, insbesondere wegen „Volksverhetzung“ nach Paragraf 130 Absatz 2 des StGB, weil „die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen wird, dass sie Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“.

Begründet habe ich das damit, dass das ZDF in den „Dokumentation“ genannten Filmen über Hitler und seine Frauen, Kinder, Generale, Rennfahrer, Wirtschaftsbosse und so weiter fast nie erwähnt, dass Großbritannien und Frankreich am 3. August 1939 Deutschland den Krieg erklärt haben, dafür aber immer die Bilder vom 1. April 1933 gebracht haben, als die SA jüdische Geschäfte boykottiert hat.

Auf diese Weise wurde in den Sendungen dem Zuschauer eingehämmert: „Seht, das war damals das deutsche Volk – durchgehend judenfeindlich, dumm und verbohrt. Es hat sich einen Wahnsinnigen erwählt und ist ihm blindlings auf seinem Weg ins Verderben gefolgt. Das waren eure Eltern/Großeltern, ein Tätervolk, dem eure tiefste Verachtung bis in alle Ewigkeit zu gelten hat!“

Aus den ablehnenden Bescheiden zitiere ich nur den entscheidenden Satz, der alles sagt: „Schriftliche Lügen sind straflos und damit wäre − selbst wenn man Ihrer Hypothese folgt, wonach diese Bestimmungen auf Dokumentarfilme anwendbar seien – keine Strafbarkeit gegeben.“

Damit war für mich das Ende der Fahnenstange erreicht. Das Fernsehen darf also weglassen und damit fälschen, wir haben trotzdem die Zwangsgebühren zu bezahlen. Meine Beschwerde beim ZDF blieb bis heute ohne Antwort.

Walter Held, Traunstein

 

 

Deutschlands vorbildliche Rolle in Europa wurde verhindert

Zu: Führende Rolle Deutschlands verhindert (Nr. 38)

Zuerst sei einmal die Frage erlaubt, warum denn Deutschland nach 1870/71 unbedingt aus dem Stand heraus eine „führende Rolle“ in Europa spielen sollte? Schon allein diese Fragestellung wirkt überheblich beziehungsweise anmaßend. Hinsichtlich der preußischen Errungenschaften jeglicher Art wäre doch wohl die Formulierung „vorbildliche Rolle“ angemessener.

Es trifft sicherlich für beide Weltkriege zu, dass im ersten Fall länger und im zweiten Fall kürzer vor Kriegsausbruch in den deutschen Gegnerstaaten feindliche Stimmungen gegen unser Land herrschten. Aber die waren wohl auch nicht ganz unbegründet. Natürlich wurde der rasante wirtschaftliche und militärische Aufstieg des Deutschen Reiches zusammen mit dem ungeschickt überhöht agierenden deutschen Kaiser zwar beneidet, aber auch als bedrohlich empfunden. Hinzu kam die von Frankreich als Schmach erlittene und an Rache denkende Niederlage 1870/71 gegen Preußen mit der zusätzlichen demütigenden Kaiserkrönung im Schloss Versailles und der Wegnahme Elsass-Lothringens. Solche tief gehendend gefühlten Dinge kann man nicht durch hervorragende Leistungen im eigenen Land einfach mal so wegwischen.

Und das kaiserliche Hobby der überproportionalen Flottenrüstung löste in Englands Befinden auch kein Wohlgefühl gegenüber Deutschland aus. Die prahlerische Begrüßung des russischen Zaren durch Wilhelm II. mit den Worten „Der Admiral des Atlantik grüßt den Admiral des Pazifik“ war nicht gerade von diplomatischer Sensibilität insbesondere gegenüber England geprägt.

Tatsache war: Wir waren nun einmal großstaatliche Emporkömmlinge, und es wäre nicht schlecht gewesen, diesen Umstand bei allen politischen Handlungen und Aussagen sensibel zu bedenken. Es war eine Situation, die ein Reichskanzler Bismarck beherrscht hätte. Europäische Beistandspakte gegen Deutschland waren so jedenfalls vorhersehbar und verständlich.

Und es war ebenso vorstellbar, dass der von den Nationalsozialisten geschaffte rasante Wiederaufstieg Deutschlands nach Versailles nicht nur von den Siegerstaaten des Ersten Weltkrieges grundsätzlich ähnlich betrachtet wurde. Anders war hier aber die große Kriegsmüdigkeit in allen Teilnehmerländern durch die vorher nie erahnten unvorstellbaren Opfer, die dieser Krieg gekostet hatte.

Als Chamberlain nach dem Münchner Abkommen in London aus dem Flugzeug stieg, schwenkte er das Vertragspapier hoch in den Händen und rief zu den jubelnden Menschen die Worte, „mit diesem Papier bringe ich den Frieden“. Das war bestimmt kein Zeichen von Kriegslust. Hiernach begann die verstärkte Aufrüstung gegen Deutschland dann allerdings, als Hitler nach dem den Franzosen und Engländern abgerungenen Vertrag einfach die sogenannte „Resttschechei“ überfallartig besetzte und dem Land die staatliche Unabhängigkeit raubte. Ab da traute man Hitler nicht mehr!

In beiden Fällen sollte man schon erkennen, dass die unmittelbar Krieg auslösenden Dinge von deutscher Seite ausgegangen sind. Dies war der Fall im Ersten Weltkrieg durch die Österreich unabdingbar erteilte deutsche Beistandsgarantie mit der folgenschweren Kriegserklärung gegen Serbien, und es war auch der Fall im Zweiten Weltkrieg bei den von deutscher Seite vorgenommenen ersten Kriegshandlungen gegen Polen. Diese Tatsachen sollten durch nichts und von niemandem bestritten werden.

Helmut von Binzer, Hamburg

 

 

In der Asylpolitik muss man nur die Pflicht tun

Zu: Ungebremst ins Desaster (Nr. 39)

Zum PAZ-Aufmacherthema „Flüchtlingspolitik“ sei ein langes Zitat erlaubt: „Nur ein sehr geringer Teil der Asylbewerber wird in ihren Heimatländern politisch verfolgt. Über 90 Prozent sind Wirtschafts- oder Armutsflüchtlinge, die in Deutschland leben wollen, weil sie hoffen, dass es ihnen hier besser ergehen wird als in ihren Heimatländern. Das Motiv ist verständlich. Rechtlich gesehen sind sie jedoch – man verzeihe um der begrifflichen Klarheit willen das harte Wort – Asylbetrüger. Sie spiegeln, was ihre politische Verfolgung angeht, Tatsachen vor, die nicht der Wahrheit entsprechen, …“

Dieses schrieb 1992 Dr. R. Wassermann, Oberlandesgerichtspräsident a.D., in der Beilage B9/92 zur Wochenzeitung „Das Parlament“. Er bezieht sich dabei deutlich auf die Definition von Betrug gemäß Paragraf 263 StGB, der nicht nur den vollendeten Betrug, sondern auch den Versuch unter Strafe stellt. So erhebt sich zwingend die Frage, weshalb unsere Strafverfolgungsbehörden nicht gegen Asylbetrüger vorgehen?

Als überführt muss jeder gelten, dessen Asylbegehren abgelehnt wurde. Mit Sicherheit ist auch die Beihilfe zum Asylbetrug eine Straftat. Jeder Politiker, Pfarrer oder sonstiger Gutmensch, der entgegen geltenden Gesetzen die Abschiebung von Asylbetrügern verhindert, ist ein Straftäter nach Paragraf 257 StGB (Begünstigung und Hehlerei), vom banden- und gewerbsmäßig betriebenen Asylbetrug ganz zu schweigen. Es stünde besser um unser Land, wenn die Verantwortlichen endlich ihre Pflicht täten.

Adolf Frerk, Geldern


S. 13 Das Ostpreußenblatt

»Fischdorf« als Touristenmagnet
Weiterer Bebauung des Königsberger Zentrums steht nichts mehr im Wege – Zukanow optimistisch

Das an den Hansestil angelehnte „Fischdorf“ im Zentrum Königsbergs soll weiter wachsen. Allein für die Konzeption will die Gesellschaft für Tourismusentwicklung des Königsberger Gebiets rund 460000 Euro ausgeben. Noch in diesem Monat werden erste Planungsergebnisse erwartet.

Der Bau eines historisch-kulturellen Komplexes im „Fischdorf“ musste wegen Streitigkeiten mit dem Verteidigunsministerium für lange Zeit auf Eis gelegt werden. Pläne zum Weiterbau konnten erst 2013 weiterverfolgt werden. Grund dafür war das Verhalten der Baltischen Flotte, die sich bereits 2004 per Vertrag verpflichtet hatte, der Stadt ein im Königsberger Zentrum gelegenes verlassenes Militärlager für die Bebauung zu übergeben. Aber im Gegenzug hatte sich die Stadtverwaltung bereit erklärt, ein geeignetes Grundstück für den Wohnungsbau für Militärangehörige zur Verfügung zu stellen. Es wurde ein Vertrag zwischen der Stadt Königsberg, der Baufirma, die mit dem Bau des „Fischdorfs“ beauftragt worden war, und der Baltischen Flotte geschlossen. Während die Stadt ihrer Verpflichtung zügig nachgekommen ist, hatte es das Militär weniger eilig, seine Zusage zu erfüllen. Es kam erst Bewegung in die Sache, als Verteidigungsminister Sergej Schojgu eingeschaltet wurde. Das für den Weiterbau des Fischdorfs vorgesehene Grundstück ging in den Besitz des Königsberger Gebiets über. Erst danach konnte die Projektierung des lange geplanten Bauvorhabens fortgesetzt werden. Jetzt hat die von der Königsberger Region gegründete Gesellschaft für Tourismusentwicklung beschlossen, eine beträchtliche Summe in die Vorbereitung für den Bau von Hotel- und Wohnanlagen in dritter Reihe des Fischdorfs zu investieren. Der größte Teil, etwa 290000 Euro, sind für archäologische Untersuchungen am Ort des zukünftigen Wohn- und Hotelkomplexes eingeplant. Weitere rund 97000 Euro sollen für die Erstellung der Baupläne ausgegeben werden, drei Millionen für die Erschließung und die restlichen 58000 Euro für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit. Diese Arbeiten könnten schon Ende dieses Jahres erledigt sein.

Es ist vorgesehen, dass die Hotel- und Wohnanlage aus zwei Teilen bestehen soll, nämlich jeweils aus einem Hotel- und einem Wohnbereich. Dabei werden die getätigten Investitionen in Wohnhäuser am Ende die in Hotels bei Weitem übersteigen.

Die Baukosten für Mehretagenhäuser der Luxusklasse werden auf 15,5 Millionen Euro geschätzt, die des Hotelkomplexes auf knapp zwölf Millionen. Die Bauarbeiten sollen bis 2016 abgeschlossen sein. Insgesamt soll Fischdorf ein Viertel mit Büro-, Handels-, und kulturellen Einrichtungen werden, das teilweise im Stil von Fachwerk-häusern gestaltet ist. Mit dieser Architektur will man sich stilistisch an die Vorkriegs-Gebäude in Königsberg annähern.

Gouverneur Nikolaj Zukanow zeigt sich angesichts der Wirkung des geplanten Stadtviertels optimistisch. Er ist der Ansicht, dass nach Vollendung des Projekts mehr Touristen aus den Nachbarländern, aber auch aus Russland, angezogen werden könnten.

Jurij Tschernyschew


Trubel rund um den Oberteich
Königsberg beging den Tag des Tourismus mit Ritterduellen, Wasserakrobatik und nachgestellten Schlachten

Königsberg ist um einen Feiertag reicher geworden. Der internationale Tag des Tourismus wurde am 27. September erstmals begangen. Die Stadtverwaltung hatte schon vor einigen Monaten mit der Planung der Feier begonnen. Für die Vorbereitungsarbeiten wurden aus dem Haushalt der Stadt 68000 Euro locker gemacht. An diesem Tag sollten die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen in der Pregelmetropole und im nördlichen Ostpreußen vorgestellt werden, darunter das Festival „Land des Friedens“, der „Kaliningrad City Jazz“, das Kurzfilmfestival, und der „Tag des Fahrrads“. Am Festtag selbst erwarteten die Gäste viele Überraschungen. Es sollte das größte aller Festivals werden. Alle Plätze, Stände, Zelte und Plakate waren einer Reihe von bedeutenden Ereignissen gewidmet. Alle Attraktionen waren entlang des Oberteich-Ufers aufgebaut. Während die Gäste am Oberteich entlang bummelten, konnten sie die von Gastronomen angebotenen kulinarischen Köstlichkeiten genießen. Auf dem Weg um den See pries die Tourismusbranche des Königsberger Gebiets ihre Leistungen. Sie präsentierten die bei Touristen beliebtesten Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen. Darunter waren die groß angelegte Rekonstruktion der Schlacht von Gumbinnen, die im August dieses Jahres stattfand sowie andere Veranstaltungen zum 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges.

Gegenüber dem Wrangelturm gab es einen Flohmarkt, auf dem man neben Kunstgegenständen auch gebrauchte Kleidung, originellen Schmuck, Haushaltswaren und viele andere kleine nützliche Dinge erwerben konnte. Daneben wurden die Gäste mit historischen Rekonstruktionen unterhalten. Sie konnten auch selbst ihre Fähigkeiten im Bogenschießen und bei Ritterduellen testen oder sich in Motorradbeiwagen aus dem Zweiten Weltkrieg setzen. Die Attraktionen fanden nicht nur an Land, sondern auch auf dem Wasser statt. Auf dem Oberteich segelten Boote. Später zeigten Wasserakrobaten ihr Können.

Kinder wurden mit Zirkusnummern unterhalten, einem Ratespiel oder mit Seilspielen. Zur Feier des Tages war ein Sandstrand aufgeschüttet worden. Die dort modellierten Sandskulpturen zählten zu den beliebtesten Fotomotiven der Festtagsbesucher.

Jeder konnte am Tag des Tourismus für sich etwas Interessantes entdecken. Dafür spricht zumindest, dass ein Großteil der Gäste trotz kühlen und windigen Wetters bis spät in die Nacht blieb. Die Organisatoren waren so zufrieden mit ihrem Fest, dass sie es in Zukunft jährlich wiederholen wollen. J.T.


MELDUNGEN

Akt der Versöhnung

Heiligenbeil – Mitarbeiter des Suchtrupps „Soldaten“ haben in der Umgebung von Heiligenbeil ein einzelnes Grab eines deutschen Zollbeamten gefunden. Zwischen den Knochenresten lag ein Metallabzeichen mit der deutschen Inschrift: Zollgrenzschutz Königsberg,. (regionales Finanzministerium Ostpreußens), Nr. 5913. Deshalb gingen die Suchtrupp-Mitarbeiter davon aus, dass es sich um einen deutschen Soldaten handeln musste, der 1945 bei den Kämpfen um Heiligenbeil sein Leben verlor. Man beschloss, die Überreste an Deutschland zu übergeben. Bei einer feierlichen Zeremonie im Deutsch-Russischen Haus in Königsberg mit russischen und deutschen Vertretern wurden der Sarg dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge übergeben, bis die Identität des Toten geklärt ist. MRK

 

Schäden durch Bernsteinraub

Cranz – Die Zahl illegaler Bern-steingräber steigt rapide. Abnehmer aus China, Indien, arabischen Ländern, aber auch aus Polen und Litauen sind dankbare Abnehmer. Zwar gelingt es der Polizei häufig, die Schwarzgräber dingfest zu machen, doch neben dem wirtschaftlichen Schaden richten sie auch erhebliche Schäden in der Natur an, da sie Löcher von mehreren Metern Tiefe ausheben. MRK

 

Störungen des Verkehrs

Straße Nr. S7: Preußisch Holland [Pasłek] – Maldeuten [Małdyty], Reparatur der Schutzplanken; Maldeuten [Małdyty] – Liebemühl [Miłomłyn], Reparatur der Schutzplanken. Straße Nr. S7j: Hohenstein [Olsztynek], Reparatur der Schutzplanken. Straße Nr. 16: Bergfriede [Samborowo] – Wirwajdy, Baustelle; Inukzen [Inulec], Baustelle; Arys [Orzysz] – Lyck [Ełk], Baustelle. Straße Nr. 16c: Allenstein [Olsztyn] – Wartenburg [Barczewo], Baustelle. Straße Nr. 22: Elbing (Elblag) – Altfelde [Stare Pole], Renovierung der Straße. Straße Nr. 51: Staatsgrenze – Bartenstein [Bartoszyce], Renovierung der Straße; Hermenhagen [Osieka] – Lauterhagen [Samolubie], Baustelle; Heilsberg [Lidzbark Warminski], Baustelle. Straße Nr. 53: Ortelsburg [Szczytno], Baustelle. Straße Nr. 57: Gallingen [Galiny], Baustelle; Klein Schöndamerau (Trelkówko) – Eichtal [Debówko], Baustelle; Großalbrechtsort [Piwnice Wielkie], Baustelle. Straße Nr. 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig; Ortelsburg [Szczytno] – Lehmanen [Lemany], Baustelle. Straße Nr. 59: Trossen [Tros] – Skoppen [Skop]; Baustelle; Brücke in Moythienen [Mojtyny], Baustelle. Straße Nr. 65: Herzogskirchen [Gaski] – Seefrieden [Przytuły], Baustelle; Prostken [Prostki] – Bogusze, Baustelle. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

der Goldene Ball rollt weiter! Frau Dorelise Putzar aus Malchow wirft ihn mir freudig zu, nachdem Herr Jörn Pekrul ihn so erfolgreich aufgegriffen hatte: Durch seine Begegnung in einem Königsberger Hotel mit der Tochter des Bildhauers Georg Fuhg kam das verschwundene Denkmal des Walther von der Vogelweide wieder an das Licht.

Frau Putzar empfand diese in Folge 36 erschienene, von Herrn Pekrul beschriebene Begebenheit als eine wahre Sternstunde. Es hat sie alles sehr bewegt und ließ sie nun zur Feder greifen, um das Schicksal dieses Denkmals aufzurollen. Sie schreibt: „Ja, auch ich erlebte wie Herr Reith 1993 den auferstandenen Walther von der Vogelweide, allerdings nur in dem von meiner Nachbarin aufgenommenen Film. Ich wandte mich an Herrn Grimoni, den Leiter des Königsberger Museums in Duisburg, der meinen Vater gut gekannt hatte und der Nachforschungen versprach.

Eine russische Kulturdirektorin offenbarte dann in einem Schreiben, dass die Skulptur unter Schuttbergen im Königsberger Tiergarten gefunden wurde und eine Zeitlang auch dort stand, aber dann quasi entführt wurde, weil am Dom ein Skulpturenpark entstehen sollte. Das währte dann etwa zwei Jahre. Dann trat eine Beschädigung auf und weil das Denkmal als Kulturgut eingestuft wurde, „entführte“ man es erneut und brachte es an einen sicheren Ort: in den Innenhof der Kant-Universität.

Herr Grimoni schaute öfters nach der Skulptur und sorgte für ihr Wohlergehen. Wenn ich einen Goldesel gehabt hätte, um die angeschlagene Nase reparieren zu können, ginge es ihr sicher besser. Sein Zustand beschäftigte mich unentwegt. Aber erst 2009 konnte ich die Arbeit meines Vaters mit eigenen Augen sehen. Mit Hilfe einer russischen Führerin durfte ich die Uni betreten und auch den Hof, in dem Walther von der Vogelweide in Plastik verhüllt in einer Ecke stand.

Der Hüter dieser „kranken“ Welt sah meinen Kummer und schenkte mir eine Foto-CD, auf der die Skulptur heil und schön zu sehen ist. Außerdem durfte ich mich in dem „Goldenen Buch“ verewigen. Ich schrieb diese Worte von Rudolf Steiner: „Keine Zeit und keine Macht lässt untergehen, was in der Zeit errungen ist und reif wird als Früchte für die Ewigkeit!“

Anlässlich ihres 85. Geburtstages fuhr Frau Dorelise Putzar mit der Anklamer Reisegruppe nach Königsberg, um noch einmal die Skulptur ihres Vaters sehen zu können. Herr Schülke schaffte es, die ganze Gruppe, der sich nun Herr Pekrul anschloss, in den Innenhof der Uni zu bringen. „Es war für alle eine große Freude, zumal die Skulptur nun gut sichtbar und frisch gereinigt für jeden erfreulich anzuschauen ist.

Ich bin ehrlich gesagt froh, dass der Sänger dort sicher steht und sich vielleicht eines Tages die Tore des Tiergartens wieder für ihn öffnen. Beratende Gespräche mit dem Wuppertaler Zoo-Direktor haben ja schon stattgefunden“. Dann käme Walther von der Vogelweide wieder an seinen angestammten Platz zurück. Wir würden uns mit der Tochter des Bildhauers darüber freuen. Heute sagen wir erstmal Dank für ihre unsere Ostpreußische Familie so bereichernden Ausführungen.

Und Dank sagt auch Jörn Pekrul, dessen „Wanderungen“ wieder sehr viel Anklang in unserem Leserkreis gefunden haben. Er hat viele direkte Zuschriften bekommen, und auch auf dem Landestreffen in Mecklenburg-Vorpommern konnte er viele Gespräche mit Lesern führen. Und die Ostpreußische Familie war mit dabei, denn es wurde viel über uns gesprochen, und das im positiven Sinne. Herr Pekrul sagt das mit diesen Worten: „Die Kolumne ist ein Samenkorn, das anderswo aufblüht und gute Früchte trägt. Vielen Dank an alle, die daran mitarbeiten!

Und dazu gehört auch Frau Christa Möller aus Bienenbüttel, die mit ihrem letzten Bericht über die Bereiterinnen der Wehrmacht und deren langen, schweren Fluchtweg mit den Trakehner Remonten, den wir in Folge 37 veröffentlichten, ein bisher kaum bekanntes Kapitel der ostpreußischen Leidensgeschichte aufgriff. Und ihr selber wurde erst diese Wertigkeit voll bewusst, als sie ihren Beitrag in unserer Zeitung las. „Die Bedeutung und die Schicksale wurden mir erst richtig klar. In meinem Kopf sind einfach so viel Ereignisse aus der Kindheit gespeichert, da muss ich jetzt reduzieren“. Da Frau Möller diese „Odyssee der Trakehner“ nach den Unterlagen und Erzählungen ihrer Mutter aufgezeichnet hat, wusste sie wenig über die Wehrkreisreit- und Fahrschule in Lyck, an der die Remonten ausgebildet wurden. Der Kreisälteste der Kreisgemeinschaft Lyck, Herr Gerd Bandilla, übersandte Frau Möller aufgrund der Veröffentlichung einige Informationen über die Schule, die in der Dragoner-Kaserne untergebracht war. Die Remontenausbildung fand schon vor dem Krieg statt, es gab bereits vor dem Ausbau der Deutschen Wehrmacht 1935 in Lyck eine Remontenamtsnebenstelle.

Herr Bandilla weist auf einen heute in Berlin lebenden 86-jährigen Lycker hin, der noch Kindheitserinnerungen an die Reitschule hat. Da kann sich ja noch mehr ergeben. Für Christa Möller zeichnen sich jetzt schon einige Möglichkeiten ab. Im benachbarten Bad Bevensen kam sie mit einer Dame in Berührung, die sich als Reiterin für den Remonten-Bericht interessierte. Sie gab Frau Möller ihre Adresse, die dieser irgendwie bekannt vorkam. Daheim verglich sie die Anschrift der Dame mit den gesammelten Adressen ihrer verstorbenen Mutter – und wurde fündig. Unter der Adresse war eine ehemalige Reiterkameradin verzeichnet, mit der ihre Mutter damals eng verbunden war. Jetzt will Frau Möller der Spur weiter nachgehen.

Vorerst hat Christa Möller andere Fäden geknüpft, nämlich zu Herrn Hans-Georg Gusek, dessen Leserwunsch wir in Folge 32 veröffentlichten. Er hatte als Sechsjähriger im Januar 1945 mit Beinbruch im Sensburger Krankenhaus gelegen und war mit der Klinik evakuiert worden. Herr Gusek hat zu den Fragen, die er zu seiner Flucht stellte, einige Antworten aus unserm Leserkreis erhalten, wir haben darüber berichtet. Auch Christa Möller hatte sich bei ihm gemeldet, wie sie schreibt: „Da wir in Sensburg nur fünf Minuten vom Krankenhaus entfernt wohnten interessierte mich die Geschichte. Ich rief Herrn Gusek an und er sagte, dass sein Transportzug am 23. Januar aus Sensburg abgefahren sei. Meine Oma und ich haben erst einige Tage später, am 28. Januar, mit dem letzten Zug Sensburg verlassen, der dann in Korschen endete, und wir dann doch irgendwann in Pr. Eylau ankamen, wo wir den großen Luftangriff erlebten“. Und dann nahm das Gespräch eine unerwartete Wende: Endstation für den kleinen Hans-Georg war nach der Flucht über See das fast unversehrte Lüneburg, wo er nach einem Krankenhausaufenthalt in ein Kinderheim kam.

Nun liegt Bienenbüttel, nur wenige Kilometer von Lüneburg entfernt, so konnte Christa Möller in Telefongesprächen Herrn Gusek helfen, seine Erinnerungen an diese erste Zeit im Westen zu ordnen: an das Kinderheim gegenüber dem „Wald“, dem alten Kurpark, und an den Sportplatz, auf dem die Heimkinder, wenn die englischen Soldaten weg waren, Fußball spielen durften. Frau Möller hat nun von diesen noch heute erkennbaren Stätten Fotos gemacht, und Herr Gusek dürfte sich wohl sehr darüber freuen. Christa Möller weiß es selber: Auch jeder Strohhalm ist eine Brücke in die Vergangenheit.

Für Frau Sigrid Biemann aus Schwerin sind es wohl schon einige Strohhalme gewesen, die ihr halfen, den Weg in die Vergangenheit ihrer mütterlichen Familie zu finden, aber sie sind längst nicht tragfähig genug, um die vielen Fragen zu lösen, die sie uns schon einmal vorgetragen hat. In Folge 21/13 brachten wir ihren Suchwunsch nach ehemaligen Königsbergern vom Nassen Garten, die ihre dort in der Karlstraße wohnenden Großeltern Ernst und Helene Groß und ihre Mutter Hildegard Groß gekannt hatten, die 1948 mit einem der letzten Transporte nach Mecklenburg kamen. Bis dahin müssen sie viel Schweres durchgemacht haben, über das sie sich auch später im Beisein der 1950 geborenen Sigrid unterhielten. Leider bekam diese als Kind nur wenig von den Ereignissen in den drei in Königsberg verbrachten Nachkriegsjahren mit, aber sie empfand doch das Heimweh, das aus allen Worten der Mutter und der Großeltern sprach. Nun, da diese verstorben sind, wollte Sigrid den Spuren nachgehen, deshalb fuhr sie im vergangenen Jahr nach Königsberg, besuchte auch Rauschen und Cranz. „Aber bei mir bleiben trotzdem noch viele Fragen offen“, schreibt sie, zumal sie einige Passbilder aus der Zeit nach 1945 gefunden, die ihre Mutter und die Großeltern zeigen. Das Foto der Hildegard Groß gibt Rätsel auf, denn es weist sie, als Junge verkleidet, unter dem Namen Jacob auf. Hat sich die damals 18-Jährige als Junge ausgegeben, um den Vergewaltigern zu entkommen, wie das ja auch andere Mädchen taten? Leider ist dieses uns übermittelte Passbild zum Abdruck nicht geeignet wie auch die beiden Fotos der Großeltern. Hildegard war in der Eisengießerei tätig – vielleicht als Jacob? –, hat aber auch in der Russischen Küche gearbeitet. Als sie an Typhus erkrankte, kam sie in das Krankenhaus der Barmherzigkeit. Ihre Tochter hofft nun, dann sich vielleicht jemand aus unserem Leserkreis an Hildegard Groß und ihre Mutter Helene Groß geb. Ruloff erinnert, die in Königsberg oder auf dem Ausreisetransport 1948 in das Lager Nesow bei Gadebusch dabei waren. Großvater Ernst Groß war in dem dänischen Lager Flygtingelejren Fraer b 5 Körping Baracke 8 a interniert. Frau Biemann hat noch eine weitere Bitte, die ihren Ehemann Lothar Biemann *1942 in Elbing, betrifft. Sie schreibt: „Meine Schwiegereltern wohnten ab 1943 in Danzig, Langgarten 37/38. Mein Schwiegervater Adalbert Biemann, *1903 in Swinemünde, war zu der Zeit Stabszahlmeister und kam 1944 zum Fronteinsatz. Seitdem ist er verschollen, Nachfragen beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge haben nichts ergeben. Vielleicht kann jemand aus der Ostpreußischen Familie Auskunft über meinen Schwiegervater geben?“ (Sigrid Biemann, Lise-Meitner-Straße 12 in 19063 Schwerin.)

Diesmal kommt Herr Frank Schneidewind aus Olpe ausnahmsweise in eigener Sache. In seiner Familiengeschichte gibt es in der Zeit nach der Flucht noch einige leere Seiten, und eine müsste mit der Erinnerung an eine „Zwischenstation“ in Thüringen gefüllt werden. Dort in Kirchhasel/Teichweiden bei Saalfeld war die Familie Günster aus dem östlichen Brandenburg gelandet: Frau Elfriede Günster geb. Thumernicht mit ihren vier Töchtern Annemarie, Antonie, Christa und Hannchen, letztere die Mutter von Frank Schneidewind. In dem Nachlass der im vergangenen Jahr Verstorbenen fand Frank das in Kirchhasel aufgenommene Foto und eine Notiz mit dem Vermerk „Deine Freundin Lotte, Kirchhasel, d. 9.2.1946“. Als vor einigen Jahren eine Schwester seiner Mutter Kirchhasel besuchte, traf sie auf der Straße eine Frau, die – als sie den Mädchennamen der Besucherin hörte – fragte: Haben sie eine Schwester Hanna? Die verdutzte Tante hakte leider nicht nach, und so blieb die Sache ungeklärt. Als Franks Mutter später davon erfuhr, meinte sie: Das könnte meine damalige Freundin Lotte, gewesen sein, die aus dem schlesischen Sagan geflüchtet war“. Nach dieser und nach weiteren damaligen Bewohnern von Kirchhasel, die seine Mutter gekannt haben, sucht nun der Sohn – wer kann hier weiterhelfen? (Frank Schneidewind, Grubenstraße 10 in 57462 Olpe.)

Eure Ruth Geede


Es muss eine wunderbare Kindheit gewesen sein
Hannelore Morgner erlebt die memelländische Heimat ihrer Mutter

Manchmal haben sie viel erzählt, manchmal nur dann und wann, manchmal schwiegen sie – die Vertriebenen, die man heute „Erlebnisgeneration“ nennt. Für ihre Kinder und später auch die Enkel war es eine andere Welt, die wie aus einem alten Sagenbuch aufstieg. Die Erinnerung ist noch heute präsent, so dass bei manchen der Wunsch besteht, die Elternheimat mit eigenen Augen zu sehen. Frau Hannelore Morgner aus Weischlitz konnte dieses Vorhaben verwirklichen, nachdem ihre Mutter Hildegard Volkmann vor zwei Jahren verstorben war. Sie und ihr Ehemann beschlossen spontan, ohne lange Vorbereitungen nach Ostpreußen zu fahren, um den Spuren nachzugehen, die ihre Mutter in vielen Erzählungen gelegt hatte. Hildegard Volkmann geb. Paffrath wurde 1923 in Gaidellen, Krs. Heidekrug, geboren. Da ihr Vater nicht in Litauen bleiben wollte, übersiedelte die Familie 1927 nach Brandenhof bei Schillen, Krs. Tilsit-Ragnit, wo sie bis zur Flucht wohnte. Frau Morgner sandte uns über diese Reise einen Bericht, dem wir jene Eindrücke entnehmen, die besonders noch auffindbare Spuren betreffen.

Die Reise führte das Ehepaar durch die „wunderbare Hügel- und Seenlandschaft Masurens“ zur litauischen Grenze und dann über Schmalleninken, Willkischken, Wischwill und Pogegen nach Heidekrug. Ein ruhiges Bleibe fanden die Mogners in einem kleinen Fischerhotel in Klinten. Voller Erwartungen ging es dann auf Erkundigungen. Der Geburtsort der Mutter war bald gefunden, aber es gab niemand, der etwas über die Familie Paffrath sagen konnte. Die heutigen litauischen und russischen Bewohner sind erst nach dem Krieg dort angesiedelt worden.

Nachdem Frau Morgner nichts herausfinden konnte, wandte sich das Ehepaar an die Museumsdirektorin in Heidekrug. Über diese erfuhren sie, in welcher Kirche ihre Mutter wohl getauft wurde: es ist die von Wieszen/Wießen, die – nachdem sie von den Russen als Getreidespeicher und Pferdestall benutzt wurde –, jetzt renoviert wird. Leider gab es aber auch dort keinerlei Dokumente und Namenslisten. Aber Hannelore Morgner lag es vor allem daran, die Heimat ihrer Mutter mit allen Fasern in sich aufzunehmen. Sie schreibt:

„Diesen Besuch im Memelland genossen wir in vollen Zügen. Auf unseren Fahrten von Dorf zu Dorf waren die Störche unsere ständigen Begleiter. Scharenweise gingen sie auf den saftigen Wiesen auf Froschjagd, Auf den Weiden Kühe, die von den Frauen mit der Hand gemolken wurden. In Gedanken sah ich meine Mutter als Kind barfuss mit ihren Geschwistern auf der Wiese spielen. Es muss eine wunderbare Kindheit gewesen sein!“

Diese Eindrücke verstärkten sich noch in der Begegnung mit einer Memelländerin. Die Morgners hatten auf einer Fahrradtour nach Windenburg kurz in Klinten Rast gemacht, als sie vor der Bäckerei eine Frau sahen, die sich laut mit einigen Radfahrern unterhielt. „Welch ein Wunder! Wir hörten den warmen ostpreußischen Dialekt, es war Musik in unseren Ohren, denn er erinnerte ich mich an meine Eltern“, schreibt Frau Hannelore, die sofort Kontakt mit der Frau aufnahm, für die sie auf Anhieb Sympathie hegte. „Mit Frau Erika Radmacher besuchten wir geme die Kirche in Klinten, die sie sauber hält und mit Blumen aus ihrem Garten schmückt. Zu Sowjetzeiten focht sie mit den Kommunisten viele Kämpfe um der Erhalt des Gotteshauses aus. Hier in der Kirche warteten bereits das litauische Regionalfernsehen und die Museumsdirektorin auf Erika Radmacher. Es wurde gerade eine Sendung über ihr Leben gemacht. Mitten im Interview sang diese Frau ganz spontan mit lauter klarer Stimme ein deutsches Kirchenlied. Uns allen ging das Herz auf.

Nach diesem Kirchenbesuch lud sie uns in ihren schönen, weitgehend der Natur belassenen Garten ein, um von ihrem Leben zu erzählen. Erika Radmacher wurde 1940 im Memelland geboren. 1944 musste ihre Mutter mit zehn Kindern vor den Russen flüchten. Ihr Leidensweg ging durch mehrere Lager in der russischen Zone. Dann musste die Frau mit ihren Kindern zurück in das Memelland. Wieder in der Heimat musste sie viele Repressalien über sich ergehen lassen, Hunger war ihr ständiger Begleiter. Aber irgendwie haben sie es doch geschafft. Erika Radmacher ist jetzt mit ihrem Leben zufrieden. Obwohl sie sich sehr um ihren kranken Sohn sorgt, zeigt sie sich als eine stabile, humorvolle Frau, die sehr viel Kraft für ihre eigenen fünf Kinder aufgebracht hat. Sie ist eben eine echte Ostpreußin!“ Diese Memelländerin hat Hannelore Morgner die Heimat ihrer Mutter noch stärker erschlossen als alle anderen Spuren, die sie entdeckte. Deshalb heißt es für das Ehepaar aus dem Vogtland: Wir kommen wieder! Schon im nächsten Jahr, wenn Erika Radmacher ihren 75. Geburtstag feiert.

Wir danken Frau Hannelore Morgner für ihren Bericht, dessen Schlussworte wir nicht verschweigen wollen: „Wir Nachkommen der Erlebnisgeneration müssen dafür sorgen, dass dieses Land Ostpreußen der jungen Generation nahe gebracht wird. Wir verneigen uns in größter Hochachtung den Menschen gegenüber, die die schlimme Zeit des furchtbaren Krieges und der Vertreibung durchmachen mussten“. R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 103. GEBURTSTAG

Seydlitz, Frieda, geb. Bartlik, aus Schwentaine, Kreis Treuburg, am 22. Oktober

ZUM 102. GEBURTSTAG

Czwikla, Erika, aus Sonnau, Kreis Lyck, am 18. Oktober

Naß, Elfriede, geb. Kraska, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 18. Oktober

ZUM 101. GEBURTSTAG

Buxa, Gertrud, geb. Sdunkowski, aus Mulden, Kreis Lyck, am 18. Oktober

ZUM 96. GEBURTSTAG

Wiedenhöft, Frieda, geb. Strauß, aus Nalegau, Kreis Wehlau, am 23. Oktober

ZUM 95. GEBURTSTAG

Fiedler, Walther, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 19. Oktober

Göbel, Betty, geb. Lagies, aus Grünhausen, Kreis Elchniederung, am 18. Oktober

Hofmann, Herta, geb. Tarschinsky, aus Parschwitz, Kreis Samland, am 23. Oktober

Kaiser, Hans-Joachim, aus Schlesien, am 19. Oktober

Nagaitschik, Rudolf, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 22. Oktober

Saffran, Johannes, aus Mohrungen/Abbau, am 23. Oktober

Schwarzin, Hildegard, aus Lyck, am 20. Oktober

Sowa, Otto, aus Jesken, Kreis Treuburg, am 24. Oktober

Wrobel, Helmut, aus Wehlau, am 20. Oktober

ZUM 94. GEBURTSTAG

Arnhold-Gitt, Hildegard, geb. Gitt, aus Rauschen, Kreis Samland, am 23. Oktober

Baumgart, Erwin, aus Georgenforst, Kreis Elchniederung, am 24. Oktober

Bonitz, Gertrud, geb. Juschka, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 23. Oktober

Dahlke, Magdalene, aus Tutschen, Kreis Ebenrode, am 21. Oktober

Holweck, Irmgard, aus Königsberg in Preußen, am 24. Okto-ber

Kock, Elsbeth, geb. Kinski, aus Lyck, am 24. Oktober

Leipacher, Kurt, aus Gruten, Kreis Elchniederung, am 23. Oktober

Niessen, Theodora, geb. Gehring, aus Ortelsburg, am 18. Oktober

Schweins, Gertraud, geb. Bürgel, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 18. Oktober

Voelz, Luise, aus Neuwiesen, Kreis Ortelsburg, am 21. Oktober

Zanter, Christel, geb. Zielasek, aus Großheidenau, Kreis Ortelsburg, am 22. Oktober

ZUM 93. GEBURTSTAG

Ernst, Lieselotte, geb. Behrendt, aus Petersdorf, Kreis Wehlau, am 23. Oktober

Friz, Lieselotte, geb. Schwabe, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 20. Oktober

Gollub, Waltraut, aus Rosenheide, Kreis Lyck, am 20. Oktober

Grube, Christel, geb. Meier, aus Wargienen, Kreis Wehlau, am 23. Oktober

Heitmann, Irmgard, geb. Rehra, aus Sprindenau, Kreis Lyck, am 21. Oktober

Kühne, Hedwig, geb. Stannehl, aus Groß Keylau, Kreis Wehlau, am 19. Oktober

Pawelzik, Hildegard, geb. Brzoska, aus Rundfließ, Kreis Lyck, am 19. Oktober

Roos, Hildegard, geb. Birth, aus Hohenfürst, Kreis Heiligenbeil, am 19. Oktober

Rosenau, Edith, geb. Rautenberg, aus Brittanien, Kreis Elchniederung, am 20. Oktober

Schulz, Ruth, geb. Lamprecht, aus Königshuld, Kreis Tilsit-Ragnit, am 22. Oktober

Zorn, Ursula, geb. Pillarz, aus Lyck, am 18. Oktober

ZUM 92. GEBURTSTAG

Eberhardt, Gertrud, geb. Gnosa, aus Treuburg, am 23. Oktober

Herrmann, Martha, geb. Krappa, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 21. Oktober

Karlein, Marta, geb. Brose, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 22. Oktober

Kibbat, Hildegard, aus Hohenfried, Kreis Ebenrode, am 18. Oktober

Krenz, Edith, geb. Schlaugat, aus Markgrafsfelde, Kreis Treuburg, am 18. Oktober

Nolte, Friedrich, aus Treuburg, am 21. Oktober

Riekers, Herta, geb. Fröhlich, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 20. Oktober

Schwemer, Herta, geb. Buczilowski, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 18. Oktober

ZUM 91. GEBURTSTAG

Barth, Helene, geb. Dombrowski, aus Dorschen, Kreis Lyck, am 19. Oktober

Braun, Renate, geb. Borchert, aus Neidenburg, am 18. Oktober

Kalkowski, Heinz, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Mey, Bernhard, aus Lochstädt, Kreis Samland, am 19. Oktober

Petz, Gertrud, geb. Seemund, aus Wilken, Kreis Ebenrode, am 19. Oktober

Sarnoch, Alfred, aus Giesen, Kreis Lyck, am 21. Oktober

Schmalfeldt, Helene, geb. Schulz, aus Thalheim, Kreis Neidenburg, am 20. Oktober

Schmiedel, Liesbeth, geb. Stanzick, aus Antonswiese, Kreis Elchniederung, am 18. Oktober

Specht, Adeline, geb. Lewohn, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 18. Oktober

Weber, Christel, geb. Beckmann, aus Tawellenbruch, Kreis Elchniederung, am 18. Oktober

Weber, Irma, geb. Twardy, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Straße 117, am 21. Oktober

Weißfuß, Ilse, geb. Deutschmann, aus Grünhayn, Kreis Wehlau, am 19. Oktober

Welsch, Bruno, aus Altginnendorf, Kreis Elchniederung, am 20. Oktober

Zwirlein, Elfriede, geb. Radzuweit, aus Föhrenhorst, Kreis Ebenrode, am 22. Oktober

ZUM 90. GEBURTSTAG

Ahrens, Günther, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 20. Ok-tober

Arndt, Frieda, aus Rodenheim, früher Kiaunen, Kreis Goldap, am 19. Oktober

Böhm, Margarete, geb. Dziersk, aus Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg, am 19. Oktober

Gasper, Irmgard, geb. Dreier, aus Tilsit, Kreis Tilsit-Ragnit, am 18. Oktober

Gildemeister, Hilde, geb. Klein, aus Lank/Lankhof, Kreis Heiligenbeil, am 22. Oktober

Groß, Helmut, aus Taplacken, Kreis Samland, am 24. Oktober

Klein, Gisela, geb. Klein, aus Groß Nuhr, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Kröger, Willi, aus Wagenfeld, Kreis Ortelsburg, am 22. Okto-ber

Lühr, Gerda, geb. Makowski, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 19. Oktober

Malinka, Helmut, aus Schareiken, Kreis Treuburg, am 20. Oktober

Packhäuser, Hertha, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 24. Oktober

Rußland, Gerda, geb. Adam, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 21. Oktober

Soth, Irmgard, geb. Kukowski, aus Lyck, Bismarckstraße 57, am 23. Oktober

Steffan, Ursula, aus Lyck, am 19. Oktober

Storck, Leni, aus Walden, Kreis Lyck, am 21. Oktober

Sturm, Charlotte, aus Schneckenwalde, Kreis Elchniederung, am 20. Oktober

Welge, Irma, geb. Alltrock, aus Auersberg, Kreis Lyck, am 22. Oktober

ZUM 85. GEBURTSTAG

Bartosik, Werner, aus Milchhof, Kreis Elchniederung, am 18. Oktober

Boritzki, Heinz, aus Osterode, Kreis Wehlau, am 23. Oktober

Brack, Erich, aus Reiffenrode, Kreis Lyck, am 22. Oktober

Figatowski, Erna, geb. Urbanski, aus Groß Rauchken, Kreis Ortelsburg, am 18, Oktober

Freistädt, Ursel, geb. Mehlfeld, aus Finken, Kreis Samland, am 19. Oktober

Fuhrmann, Marianne, geb. Petrowitz, aus Lyck, am 22. Oktober

Halser, Hans, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Herdling, Fritz, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 20. Oktober

Hinze, Lydia, geb. Preuß, aus Schatzberg, Kreis Preußisch Eylau, am 24. Oktober

Hornauer, Frieda, geb. Hornberger, aus Windkeim/Klein Windkeim, Kreis Heiligenbeil, am 18. Oktober

Jedamzik, Heinz, aus Lyck, General-Busse-Straße 1, am 24. Ok-tober

Kabjoll, Horst, aus Schillenberg, Kreis Wehlau, am 21. Oktober

Koch, Frieda, aus Kurschen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 18. Oktober

Paul, Ilse, geb. Bernotat, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 18. Oktober

Petersen, Edith, geb. Frenkler, aus Gründann, Kreis Elchniederung, am 20. Oktober

Riedel, Ghita, aus Lyck, am 20. Oktober

Rogalla, Hans-Jürgen, aus Seliggen, Kreis Lyck, am 19. Oktober

Sbrzesny, Christel, geb. Gawehns, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 18. Oktober

Schönemann, Hildegard, geb. Wohlgemuth, aus Wilkendorf, Kreis Wehlau, am 21. Oktober

Struppek, Horst, aus Jesken, Kreis Treuburg, am 21. Oktober

Renne, Erika v. d., geb. Fehr, aus Vorwerk, Kreis Mohrungen, am 18. Oktober

ZUM 80. GEBURTSTAG

Bahr, Inge, geb. Junga, aus Steinau, Kreis Neidenburg, am 19. Oktober

Bentrup, Inge, geb. Kempa, aus Ortelsburg, am 21. Oktober

Dudzinski, Auguste, geb. Grego, aus Rotbach, Kreis Lyck, am 18. Oktober

Ebisch, Werner, aus Ebenrode, am 22. Oktober

Ewert, Rudi, aus Bladiau/Abbau, Kreis Heiligenbeil, am 21. Ok-tober

Goeritz, Ulrich, aus Amtal, Kreis Elchniederung, am 20. Oktober

Gorski, Helga, geb. Vallentin, aus Bladiau, Kreis Heiligenbeil, am 20. Oktober

Hansch, Liesbeth, geb. Janowski, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 21. Oktober

Hoffmann, Günter, aus Silberbach, Kreis Mohrungen, am 22. Oktober

John, Herbert, aus Mointhienen, Kreis Ortelsburg, am 23. Okto-ber

Kaiser, Angelika, geb. Olbrisch, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 24. Oktober

Konietzny, Edeltraud, geb. Sokolowski, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 22. Oktober

Mattern, Regina, geb. Müller, aus Weidlacken, Kreis Wehlau, am 23. Oktober

Modrow, Christel, geb. Fehr, aus Vorwerk, Kreis Mohrungen, am 22. Oktober

Mordhorst, Inge, geb. Sudau, aus Tapiau, Kreis Samland, am 18. Oktober

Pukrop, Erich, aus Stettenbach, Kreis Lyck, am 24. Oktober

Schaschke, Peter, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 24. Oktober

Skroblin, Siegfried, aus Schurfelde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 22. Oktober

Somplatzki, Erwin, aus Groß Blumenau, Kreis Ortelsburg, am 24. Oktober

Stengel, Irmgard, geb. Groß, aus Pomedien, Kreis Wehlau, am 22, Oktober

Wenzel, Hedwig, geb. Katzmarzik, aus Materschobensee, Kreis Ortelsburg, am 24. Okto-ber

Wischendorf, Hildegard, geb. Hay, aus Caporn, Kreis Samland, am 23. Oktober

ZUM 75. GEBURTSTAG

Arndt, Horst, aus Klein Rödersdorf, Kreis Heiligenbeil, am 24. Oktober

Bäsmann, Ute, geb. Waldhauer, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 22. Oktober

Böning, Helga, geb. Haberland, aus Worschienen, Kreis Preußisch Eylau, am 19. Oktober

Jastremski, Dieter, aus Goldensee, Kreis Lötzen, am 19. Oktober

Kempka, Walter, aus Neuenwalde, Kreis Ortelsburg, und aus Jessonowitz, Kreis Neidenburg, am 20. Oktober

Machitzki, Horst, aus Groß Michelau, Kreis Wehlau, am 23. Oktober

Matousek, Annemarie, geb. Smorra, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 21. Oktober

Pezold, Erika, geb. Goetz, aus Raineck, Kreis Ebenrode, am 21. Oktober

Riemann, Reinhard, aus Bürgersdorf, Kreis Wehlau, am 22. Ok-tober

Rosenau, Heinz, aus Eibenau, Kreis Treuburg, am 18. Oktober

Seiffert, Irmgard, geb. Marchlewitz, aus Gardienen, Kreis Neidenburg, am 22. Oktober

Skilandat, Erhard, aus Schulzenwiese, Kreis Elchniederung, am 21. Oktober

Warnat, Wolfgang, aus Königsberg, und aus Mohrungen, am 18. Oktober

Goldene Hochzeit

Ekruth, Horst und Ehefrau Lilli, aus Gerswalde, Kreis Mohrungen, am 24. Oktober


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Mittwoch, 29. Oktober, 18 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Schloßstraße 92, Stuttgart: Vortrag „Sonnabends gab‘s immer Kartoffelsuppe – Agnes Miegels Plaudereien über die ostpreußische Küche“. Referentin: Dr. Marianne Kopp, Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Agnes Miegel wurde am 9. März 1879 in Königsberg geboren und starb am 26. Oktober 1964 – vor 50 Jahren – in Bad Salzuflen. Aufgewachsen in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, erlebte sie in ihrem langen Leben in Königsberg tiefe Umbrüche nicht nur politischer Art, sondern auch in den ostpreußischen Lebensgewohnheiten. Seit sie in den zwanziger Jahren für das Feuilleton der Ostpreußischen Zeitung schrieb, begann sie auch über die versunkene Welt ihrer Kindheit mit den traditionellen Gerichten zu berichten, um diesen kulturhistorischen Schatz für spätere Generationen zu bewahren. Die Teilnehmer erwartet ein unterhaltsamer Vortrag, zusammengetragen aus veröffentlichten und unveröffentlichten Quellen. Fragen auch zu anderen Themenbereichen um Agnes Miegel werden gern beantwortet. Eintritt ist frei.

Ludwigsburg – Dienstag, 21. Oktober, 15 Uhr, Krauthof, Beihinger Straße 27: Herbstfest.

Stuttgart – Dienstag, 21. Okto-ber, 14.30 Uhr, Haus der Heimat, Kleiner Saal, Schloßstraße 92: Heimatnachmittag mit Uta Lüttich. „Herbst und Erntedank“ mit kleinem Erntetisch. Gäste sind herzlich eingeladen.

Ulm/Neu-Ulm – Sonnabend, 18. Oktober, 14.30 Uhr, Ulmer Stuben: Monatliches Treffen.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Altmühlfranken – Freitag, 31. Oktober, 18. Uhr, Gemeinsames heimatliches Essen „Brathering mit Kartoffelsalat“. Fortsetzung des Filmabends „Jokehnen“ nach Arno Surminski im Gasthof „Hotel Krone“ in Gunzenhausen.

Ansbach – Sonnabend, 18. Ok-tober: Jahreshauptversammlung des Bundes der Vertriebenen. Busfahrt zum Ostlandkreuz bei Bad Windsheim, anschließend nach Ipsheim, dort Jahreshauptversammlung und Weinprobe.

Ingolstadt – Sonntag, 19. Okto-ber, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchner Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Kitzingen – Sonnabend, 1. November: Kranzniederlegung am „Kreuz der Heimat“ auf dem Neuen Friedhof.

Landshut – Dienstag, 21. Okto-ber, 14 Uhr, Insel: Zusammenkunft der Gruppe. Kleine Philosophie über den ostpreußischen Humor. – Dienstag, 4. November., 12.30 Uhr am Hauptfriedhof: Gedenken der verstorbenen Landsleute.

München – Sonnabend, 25. Oktober, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Rück-blick auf das Ostpreußentreffen in Kassel im Mai von Hansjürgen Kudczinski. Zu Beginn gemeinsame Kaffeetafel.

Jeden Montag, 18 bis 20 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Graf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

Nürnberg – Dienstag, 28. Okto-ber, 15 Uhr, Haus der Heimat, Imbuschstr. 1, (Endstation der U1) Wir feiern das Erntedankfest mit Liedern und Schriftlesungen. Gäste herzlich willkommen. Ostpreußisches Kulturzentrum in Ellingen bei Weißenburg (täglich außer Montag). Sehenswert ist die einmalige Ausstellung: Ostpreußen im Ersten Weltkrieg, die gab es zuvor noch niemals zu sehen gab.

Weiden – Erntedank bei den Ost-und Westpreußen – Der 1. Vorsitzende Norbert Uschald konnte zum Heimatnachmittag im Café Mitte viele Mitglieder und Gäste willkommen heißen. Nach Kaffee und leckerem Kuchen sangen die Anwesenden die Heimatlieder „Land der dunklen Wälder“ und „Westpreußen mein lieb Heimatland“. Die Kassiererin Ingrid Uschald gratulierte den Geburtstagskindern des Monats Oktober. Danach hielt der Vorsitzende Rückblick auf den Festabend zum Tag der Heimat, den er selbst moderiert hatte und er trug das Gedicht „Heimatfrühling“ vor, welches als Beitrag der Kreisgruppe zum Festprogramm diente.

Im Anschluss daran wurde die Erntedankfeier eingeleitet. Die Ernte- und Dankeslieder wurden von Anita und Norbert Uschald gespielt und von den Anwesenden gesanglich begleitet. Danach trug der Vorsitzende zusammen mit seinem Sohn Andreas einen Text vor, der einen weitreichenden Einblick in die Erntezeit in Ostpreußen gab und das Brauchtum, das dort zum Erntedankfest üblich war in Erinnerung rief. Katharina Uschald trug mit einem Lied, das sie auf dem Keyboard spielte, ebenso zur musikalischen Umrahmung bei.

Die Gaben des kunstvoll mit Sonnenblumen, Erntekrone und Kastanien geschmückten Erntedanktisches durften anschließend von den Mitgliedern und Gästen mitgenommen werden. Äpfel, Birnen, Karotten, Kartoffeln, Zwiebeln, Weiß- und Blaukraut, Kürbisse und Brot spiegelten die ganze Vielfalt der Ernte wider.

Norbert Uschald bedankte sich bei allen Helferinnen und Helfern, die zum Gelingen des Heimatnachmittags beigetragen haben. Mit dem Lied „Kein schöner Land“ und den besten Wünschen verabschiedete man sich bis zum nächsten Treffen am Sonntag, 2. November, um 14.30 Uhr im Café Mitte.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Tilsit-Ragnit/-Tilsit-Stadt – Sonnabend, 18. Oktober, 15 Uhr, Ratskeller Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 102, 10585 Berlin: Treffen der Gruppe. Anfragen bei Hermann Trilus, Telefon (03303) 403881.

Königsberg/Samland/Labiau – Freitag, 14. November, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin: Treffen der Gruppe. Informationen bei Professor Wolfgang Schulz, Telefon (030) 2515995.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Im April nächsten Jahres plant die Gruppe eine Fernreise für ihre Mitglieder und Freunde nach Namibia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika. Nach einem Direktflug mit der Condor ab Frankfurt nach Windhuk beginnt eine Rundreise zu allen wichtigen Sehenswürdigkeiten, insbesondere auch in die Nationalparks wie dem Etoscha-Nationalpark, die Walfischbucht, das Ovamboland und in die Region um den Waterberg. Die Unterbringung erfolgt in der Regel in sehr gut eingerichteten Lodges mit Halbpension. Die Reise findet vom 9. bis 21. April 2015 statt. Telefonische Nachfragen zur Reise sind an den Vorsitzenden der Gruppe, Heinrich Lohmann, unter der Rufnummer (04231) 62626 zu richten (ab 19 Uhr).

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPE

Gumbinnen – Sonnabend, 18. Oktober, 14 Uhr, Restaurant Lackemann, Litzowstieg 8 (Nähe Einkaufs-Center Quarree, Pkw-Parkhochhaus vorhanden), U1 bis Wandsbek-Markt; dann fünf Minuten Fußweg durch Hausdurchgang. Anmeldung erforderlich bis 15. Oktober bei Schriftführerin Hilde Jansen-Kaydan, Rathenaustraße 53, 22297 Hamburg, Telefon (040) 517931: Gemeinsames Treffen mit der Heimatkreisgruppe Heiligenbeil mit gemeinsamen Programm. Siehe auch Inserat der Heimatgruppe Heiligenbeil. Der Vorstand freut sich auf ein Wiedersehen. Gäste sind herzlich willkommen.

Heiligenbeil – Sonnabend, 18. Oktober, 14 Uhr, Restaurant Lackemann, Litzowstieg Ecke Hinterm Stern: Die Kreisgruppe feiert ihr Herbstfest. Hierzu sind alle Mitglieder und Freunde der Gruppe herzlichst eingeladen. Bei Kaffee und Kuchen wollen die Teilnehmer einige gesellige und fröhliche Stunden miteinander verbringen mit einem Vortrag der Polizei Hamburg über seniorenbezogene, kriminalpräventive Themen wie zum Beispiel: „Enkeltrick, Trick-betrug an der Haustür. Enkeltrick? Kenne ich. Falle ich nicht drauf rein! Trickbetrüger an meiner Haustür? Ich bin doch nicht blöd!“ Die Meinung der Gesellschaft über die Opfer dieser Straftaten ist oft nicht positiv. Und doch kann es grundsätzlich jedem passieren! Warum ist das so? Wie gehen die Täter vor und wie kann ich mich schützen? Ein Vortrag im Dialog und zum Verständnis für Senioren. Da dies in letzter Zeit wieder ein ganz aktuelles Thema ist, konnte die Gruppe das Kriminalpräventive Team der Polizei Hamburg für einen Vortrag gewinnen. Anmeldung bei Lm. Konrad Wien, Telefon (040) 53254950, bis 15. Oktober 2014. Das Restaurant Lackemann ist erreichbar über den Durchgang Hinterm Stern zwischen Wandsbek Quarree und Hotel Tiefenthal, gegenüber der U-Bahnstation Wandsbek Markt.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Sensburg – Sonnabend, 8. November, 14 Uhr, Café Prinzess, Alsterdorfer Straße 572: Gemütliches Beisammensein. Gäste sind herzlich willkommen.

BEZIRKSGRUPPE

Hamburg/Wilhelmsburg – Montag, 27. Oktober, 15 Uhr, Waldquelle, Meckelfeld, Höpenstraße 88 (mit Bus 443 bis Waldquelle): Heimatnachmittag unter dem Motto „Bunt sind schon die Wälder“, herbstliches Ost- und Westpreußen.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Dillenburg – Bei der letzten Monatsversammlung referierte Bernd Kohlhauer über den deutschen Dichter Theologen und Philosophen der Weimarer Klassik, Johann Gottfried Herder. Er wurde am 25. August 1744 in Mohrungen/Ostpreußen geboren. Sein Vater war dort Lehrer und Kantor. Er lebte zwar in bescheidenen Verhältnissen, konnte aber seinen Kindern eine gute Erziehung geben. Der junge Herder besuchte in Mohrungen, damals eine kleine Stadt von knapp 2000 Einwohnern, zunächst die Stadtschule. Durch seine Eltern religiös geprägt, sollte er Theologie studieren. Beim Diakon Sebastian Friedrich Trescho, dessen Faktotum er wurde, durfte er die große Bibliothek frei benutzen. Im Sommer 1762 ging Herder nach Königsberg, um Chirurg zu werden. Er erkannte aber bald, dass er zum Chirurg nicht taugte und schrieb sich als Theologiestudent an der Universität ein. Der Buchhändler Kanter verschaffte ihm eine Stelle als Hilfslehrer an der Elementarschule des Collegiums Fridericianum. Dazu kamen Gelder aus Privatstunden, die er gab. Außerdem erhielt er ein Stipendium für Mohrunger Stadtkinder, von der Familie Dohna gestiftet, so dass er keine Not leiden musste. Von seinen Professoren an der Universität beeinflusste ihn nur Immanuel Kant, auch beeindruck-ten ihn Johann Georg Hamann und die Schriften von Jean Jaques Rousseau. Bald gehörte Herder zu einem Gelehrten-Kreis um Kant, Hamann, Theodor Hippel und Johann Georg Schaffner. Bei Kant hörte er Vorlesungen über Astronomie, Logik und Metaphysik. Im Herbst 1764 wurde Herder an die Domschule zu Riga, der Hauptstadt des damals noch selbständigen Staates Livland, berufen. So kam er um den preußischen Militärdienst herum. Bis 1769 war Herder in Riga als Collaborator tätig, später auch noch als Pfarradjunkt an zwei vorstädtischen Kirchen. Er betätigte sich auch in der Verwaltung der Stadt Riga. Er fand viele Freunde in bürgerlichen Kaufmannskreisen. Im Jahre 1766 wurde er in die Freimaurerloge „Zum Schwert“ aufgenommen, in der er Schriftführer und Redner war. Er protestierte gegen die orthodoxe Haltung der damaligen Theologie und gegen die Überbewertung des Lateinischen im Schulwesen des deutschsprachigen Raums. Deswegen wurde er von vielen angefeindet. Im Frühling 1769 bat Herder um seine Entlassung aus den Diensten der Stadt Riga, um in Mitteleuropa zu wirken. Zunächst reiste er mit seinem Rigaer Freund Gustav Berens nach Nantes in Frankreich; unterwegs entstand das „Journal meiner Reise im Jahre 1769“. Dann ging er nach Paris, wo er Diderot und d’Alambert kennenlernte, die eine Enzyklopädie herausgaben. Da er für seine Reisen nicht immer seinen Freunden auf der Tasche liegen wollte, nahm er das Angebot an, den Erbprinzen von Holstein-Gottorp als Reiseprediger zu begleiten. Er reiste über Brüssel, Antwerpen, Amsterdam und Hamburg, wo er unter anderem Lessing und Matthias Claudius traf, nach Eutin. Von dort ging er mit dem Prinzen auf Reisen. Bei einem Zwischenaufenthalt in Darmstadt lernte er Maria Karoline Flachsland kennen, in die er sich verliebte. Herder folgte dem Prinzen über Mannheim bis Straßburg, wo er die erste Bekanntschaft mit Goethe hatte. Hier bat Herder um seine Entlassung und nahm die ihm schon vor der Abreise aus Eutin angebotene Stellung beim Grafen von Schaumburg-Lippe in Bückeburg an. Er blieb aber wegen eines Augenleidens noch in Straßburg, wo er sich, gemeinsam mit dem fünf Jahre jüngeren Goethe, mit allen möglichen Themen beschäftigte. Erst Ende April 1771 trat er seine Stellung in Bückeburg als Hofprediger an. Hier, während der Bückeburger Zeit, war Herders eigentliche Sturm-und Drang-Periode. Hier entstanden viele für die deutsche Literatur bahnbrechende Schriften, angefangen mit der „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ von 1772. Gemeinsam mit Goethe gab er die „Frankfurter Gelehrten-Anzeigen“ heraus. Im Jahre 1773 heiratete er in Darmstadt Maria Karoline Flachsland. Aus dieser Ehe stammten sechs Söhne und eine Tochter. Die beiden ersten Söhne wurden in Bückeburg, die anderen Kinder später in Weimar geboren. Im Jahre 1776 wurde Herder durch Goethes Vermittlung als Oberpfarrer und Prediger an die Kirche St. Peter und Paul zu Weimar berufen, die später den Beinamen „Herderkirche“ erhielt. Er bezog das benachbarte Pfarrhaus, wo er bis zu seinem Tode lebte und wirkte. Von 1776 bis 1803 war er außerdem Direktor des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums sowie Dekan der Schulen für das gesamte Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. In den Jahren 1788/89 unternahm er als Begleiter des Domherrn Johann Friedrich Hugo v. Dalberg eine Italienreise. In Rom machte er die Bekanntschaft von Herzogin Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach, die auch auf Reisen war, sowie der Malerin Angelika Kauffmann. Hier in Rom erhielt er eine Berufung nach Göttingen, die er widerwillig absagen musste, da sich Goethe beim Herzog von Weimar für Herders Bleiben einsetzte. Herder erhielt vom Herzog zwar günstigere Bedingungen, aber der Bruch mit Goethe war endgültig, weil es zwischen Herder und Goethe in vielen Dingen zu verschiedenen Auffassungen kam. Außerdem war Herder eifersüchtig auf die wachsende Freundschaft zwischen Goethe und Schiller. In seinen letzten Jahren war Herder häufig krank und fuhr in den Sommern 1802 und 1803 zur Kur. Am 18. Dezember 1803 starb Herder in Weimar. – Die nächste Monatsversammlung findet am Mittwoch, dem 29. Ok-tober um 15 Uhr im Café

Eckstein, Königsberger Straße, in Dillenburg statt. Dann wird uns Bernd Kohlhauer anhand von Fotos durch die Stadt Weimar führen, die durch den Ostpreußen Herder, durch Goethe, Schiller und Liszt bekannt geworden ist. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Anklam – Am Sonnabend, 25. Oktober, findet von 10 bis 17 Uhr in der Mehrzweckhalle „Volkshaus“ Anklam, Baustraße 48–49 (Stadtzentrum/Nähe Markt) das Große Herbsttreffen der Ostpreußen statt. Dazu sind alle Landsleute aus Ostpreußen, Danzig und Westpreußen, aber auch Pommern, Schlesier und Sudetendeutsche mit Angehörigen sowie alle Interessenten von nah und fern sehr herzlich eingeladen. Das Heimattreffen wird von der Blasmusik Redefin und dem Männerchor „Elbdeichbrummer“ aus Stelle festlich umrahmt. Vor 70 Jahren – im Herbst 1944 – begann in Ostpreußen die große Flucht, die ein halbe Million Menschen nicht überlebte. Zum Gedenken an die treuen Trakehner Pferde in den endlosen

Trecks, mit denen die Ostpreußen ihre Heimat verlassen mussten, wird die Blasmusik Redefin den Trakehner Marsch intonieren. Gleichzeitig startet die Aktion „Weihnachtspäckchen für Ostpreußen 2014“. Wie jedes Jahr geht am zweiten Advent von Anklam aus ein Hilfstransport zu den Landsleuten im Memelland, das heute zu Litauen gehört. Päck-chen im Wert von 10 bis 12 Euro können im Volkshaus abgegeben werden. Für Königsberger Klopse, Kaffee, Kuchen, Bärenfang, Heimatbücher, Landkarten und genügend Parkplätze ist wie immer gesorgt. Erwartet werden 500 bis 600 Besucher.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Braunschweig – Mittwoch, 22. Oktober, 15 Uhr: Treffen im Stadtparkrestaurant (Eingang Sozialverband). Fröhlicher Herbstnachmittag mit gemeinsamer Kaffeetafel. Um unterhaltende Beiträge wird gebeten. Gäste sind herzlich wilkommen.

Holzminden – „Störche kennen keine Grenzen“. Unter diesem Thema wird Frau Luise Wolfram aus Hannover im „Felsenkeller“ Holzminden am Donnerstag, 23. Oktober, um 15 Uhr über ihre Arbeit im Gemeindeaufbau der Bevölkerung im nördlichen Ostpreußen berichten. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

Oldenburg – Die Frauengruppe der Ost- und Westpreußen beging den Erntedank-Nachmittag mit Beiträgen der eigenen Mitglieder. Nach der Eröffnung und den Ansagen trug Berthold Hirsch Gedanken zum Erntedank vor und dann las Dorothea Orth Texte in ostpreußischer Mundart von Hedi Gross und aus aktuellem Anlass vor allem von Siegfried Lenz, der mit seine Geschichten aus Suleyken unvergessen bleiben wird. Unterbrochen wurden die Lesungen von einem Basar mit Produkten aus unseren Gärten. Herbstlieder und das Ostpreußenlied rahmten den Nachmittag ein. – Am Monat, 12. November, 15 Uhr, hält Ehepaar Lubenau einen Reisebericht „Von Breslau nach Krakau“ im Stadthotel Oldenburg. Freunde und Bekannte sind herzlich willkommen.

Osnabrück – Dienstag, 21. Ok-tober, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln. – Donnerstag, 30. Oktober, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Literaturkreis.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bonn– Dienstag, 28. Oktober, 14 Uhr: Treffen des Frauenkreises im Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49.

Dortmund – Montag, 20. Okto-ber, 14 bis 17 Uhr, Heimatstube, Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße: Monatstreffen der Gruppe.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Gütersloh – Donnerstag, 6. November, 15.30 Uhr: Treffen der ostpreußischen Frauengruppe im GT Brauhaus, Unter den Ulmen.

Köln − Dienstag, 21. Oktober, 14.30 Uhr, Bürgerzentrum Köln-Deutz, Tempelstraße 41–43: Die Ostpreußenrunde trifft sich zur monatlichen Versammlung. Den Interessierten, welche die Gruppe noch nicht kennen, sei gesagt, dass die Versammlungen an jedem dritten Dienstag des Monats stattfinden und mit den Linien 3 und 4 der KVB von der Haltestelle Suevenstraße sowie den Linien 1 und 7 von der Deutzer Freiheit in wenigen Minuten erreicht werden können. Für den November ist eine interessante Reportage über eine Masurenreise im vergangenen Sommer geplant.

Witten – Montag, 20. Oktober, 15 Uhr, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Erntezeit in Ostpreußen (Mohn und Leim). Königsberger-Klopse-Essen.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116 Mainz: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Donnerstag, 23. Oktober, 15 Uhr, Treffpunkt vor dem Restaurantschiff am Rheinufer Mainz-Kastel: Spaziergang am Kasteler Ufer mit Einkehr in das Schiffsrestaurant.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Freitag, 24. Oktober, 15 Uhr, TuS, Zielizter Straße: Treffen des Singekreises. – Dienstag, 28. Oktober, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Mölln – Am 22. Oktober treffen sich die Ost- und Westpreußen des Ortsverbandes zur monatlichen Zusammenkunft im Quellenhof in Mölln.

Im September feierte die Gruppe im Vereinslokal ihr diesjähriges Erntedankfest mit einer großen Beteiligung von Mitgliedern und Gästen. Sehr einfühlsame Worte zum Erntedank sprach Mitglied Probst Erwin Horning. Er ging besonders auf das Lied von Matthias Claudius „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land“ ein. Weiter wurden von einzelnen Mitgliedern Gedichte und Geschichten vorgelesen, und es wurde viel gesungen. Der Höhepunkt kam am Ende der Veranstaltung. Der Vorstand der Landsmannschaft hat einen Erntedankgabentisch aufgebaut mit allem Essbaren was im Garten wächst, und jeder durfte sich von diesem Gabentisch etwas mit nach Hause nehmen. Es war ein wunderschöner Nachmittag. Zum Vereinstreffen im Oktober ist Dr. Christoph Hinkelmann vom Ostpreußischen Jagd- und Landesmuseum eingeladen. Hinkelmann ist in diesem Museum Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Naturkunde, Land und Forstwirtschaft, Jagd- und Fischereikunde. Er wird einen Vortrag über die Besonderheiten der Natur in Ostpreußen und einen Farbdiavortrag mit dem Thema Ostpreußen vor 1945 halten. Gäste sind herzlich willkommen.

 

THÜRINGEN

Vors.: Edeltraut Dietel, August-Bebel-Straße 8 b, 07980 Berga an der Elster, Tel. (036623) 25265.

Jena – Freitag, 24. Oktober, 14 Uhr, Gruppentreffen mit Lichtbildvortrag „Ostpreußen“ zusammen mit der LM Pommern/Westpreußen in der Panorama Gaststätte Schlegelsberg, Oskar-Zachau-Straße 6, 07749 Jena. Alle Landsleute sind herzlich willkommen!


S. 18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ANGERBURG

Kreisvertreter: Kurt-Werner Sadowski. Kreisgemeinschaft Angerburg e.V., Landkreis Rotenburg (Wümme), Postfach 1440, 27344 Rotenburg (Wümme), Landkreis: Telefon (04261) 9833100, Fax (04261) 9833101.

Der durch seine Filme, insbesondere über Ostpreußen mit seinen Trakehner Pferden weit bekannte Filmemacher Dietrich Wawzyn ist tot. Er verstarb am 3. Oktober in Bergisch-Gladbach im Alter von 86 Jahren. Wawzyn wurde am 7. Februar 1928 in Willudden im Kreis Angerburg geboren und hat auch dort seine Jugendjahre verbracht. In Angerburg besuchte er die Hindenburg-Schule von 1937 bis 1944 und war Anfang 1944 Ostpreußens jüngster Kriegsabiturient. Der vielseitige Sportler hat nach dem Krieg an der Universität Hamburg Philologie und Sport studiert. Er war zunächst als Journalist tätig und wurde dann sein eigener Filmproduzent. In seinen zahlreichen Filmen hat Wawzyn den Trakehner Pferden und seinen Menschen, aber auch der Landschaft Ostpreußens mit Masuren ein bleibendes Denkmal gesetzt. In diesen Filmen zeigt sich seine große Liebe und Treue zu seiner Heimat Ostpreußen. Trotz seiner starken beruflichen Beanspruchung als Filmproduzent engagierte sich Wawzyn bereits frühzeitig in der Kreisgemeinschaft Angerburg und gehörte 1961 zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft der jüngeren Generation. In der Angerburger Kreisvertretung und im Vorstand der Kreisgemeinschaft hat er sich eingebracht und mit Rat und Tat die Arbeit der Kreisgemeinschaft unterstützt. In Würdigung seiner herausragenden Leistungen und seinen Einsatz für Ostpreußen wurde Wawzyn am 17. März 2001 das Goldene Ehrenzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen durch den Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, verliehen. Die Kreisgemeinschaft Angerburg und alle Freunde Ostpreußens haben eine große Persönlichkeit verloren. Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau Erika Wawzyn, die seine Arbeit immer begleitet hat. Kurt-Werner Sadowski

 

BARTENSTEIN

Kreisvertreter: Christian v. der Groeben, Ringstraße 45, 97950 Großrinderfeld, Telefon (09349) 929252, Fax (09349) 929253, E-Mail: csgroeben@gmx.de.

Nach der gemeinsamen Reise 2012 hatten sich doch wieder 40 Teilnehmer für die Reise vom 22. Juli bis 2. August angemeldet. Von Hannover über Berlin führte die erste Etappe nach Thorn, wo wir nach einigen erzwungenen Aufenthalten erst gegen 22 Uhr im Hotel Filmar ankamen. Das späte Abendbüffet und die hervorragende Unterbringung ließen uns jedoch schnell die zu lange (zirka 680 Kilometer) Anfahrt vergessen. Nach einer interessanten zweistündigen Stadtführung am nächsten Morgen verließen wir Thorn bei strömendem Regen, um am Nachmittag unsere Kreisstadt Bartenstein zu erreichen. Während einige Reiseteilnehmer sich gleich mit Taxen in ihre Heimatorte fahren ließen, besuchte der Vorstand der HKG noch ein im Aufbau befindliches privates kleines Museum in Damerau am Rande von Bartenstein. Beim Hotel Bartis ließen nach dem Eigentümerwechsel im Frühjahr die Unterbringung und das Frühstück leider zu wünschen übrig. Am nächsten Tag führte Manfred Eckert die Gruppe durch seine Heimatstadt und berichtete dabei mitreißend über seine Eindrücke, Erlebnisse und Streiche als zehnjähriger Junge. Die anschließende Fahrt nach Masuren endete in Steinort am Mauersee, dem Lehndorff-Schloss mit seiner bewegten Geschichte. Heute bemüht sich die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz um die Rettung der bedrohten Schloss- und Parkanlage Steinort, das zu den wertvollsten barocken Ensembles in Masuren zählt. Am frühen Nachmittag folgte der obligatorische Besuch in der Wallfahrtskirche Heiligelinde, wo Pater Franz (Kurkowski) SJ nach dem Orgelkonzert in rührender Weise über die Geschichte von Heiligelinde, einem Zentrum schon sehr früh gelebter Ökumene, erzählte. Weiter ging es nach Schulen und Kloster Springborn. Eine Hälfte besichtigte mit Dolmetscherhilfe von Ewa Pyszniak die Motorradsammlung – zirka 150 historische Krafträder aus Weltkriegszeiten – von Bogdan Romanowski, wobei die besonders Begeisterten – wie die fast 80-jährige Hilma Klause – auf einem Kettenkrad mitfahren konnten. Die andere Hälfte erlebte zur gleichen Zeit mit Jadwiga Piluk eine Führung im nahegelegenen Franziskanerkloster Springborn, in dem zu kommunistischer Zeit der Primas von Polen, Kardinal Stefan Wyszynski, von 1953 bis 1956 inhaftiert war. Nach diesen getrennten Besuchen kamen dann alle wieder gemeinsam zusammen vor der Hotelanlage im Gestüt Schulen, wo in dem eigentlich wunderschönen Ambiente der Grillabend geplant war. Wer hatte aber damit gerechnet, dass auf den Tischen neben den Pferdeställen Fliegen unsere aggressiven Konkurrenten beim Essen und Trinken wurden? Am Freitag, 25. Juli, konnten wir zuerst das renovierte Heilsberger Tor von Innen besichtigen, das wieder Heimatmuseum werden soll, um dann über Lisken und Schönbruch in Schippenbeil die schöne Kirche aufzusuchen. In Gr. Schwansfeld konnte das Schloss und die Kirche besichtigt werden, bei der die Familie v. d. Groeben erhebliche finanzielle Mittel zur Restaurierung beigetragen hat. Nicht fehlen durfte der Besuch der nahegelegenen Gedenkstätte Maxkeim, die seit dem Frühjahr von einer kleinen Thujen-Hecke eingefasst ist. Am nächsten Tag Grenzübertritt in Beisleiden, wo uns unsere russische Begleiterin erwartete, da auf besonderen Wunsch gleich einige gezielte Stationen in Pr. Eylau angefahren werden sollten. An der Grenze waren schon einige Mitreisende in einen Kleinbus umgestiegen, der sie zu ihren Sonderzielen Gr. Klitten und Deutsch Wilten brachte. Nach Pr. Eylau ging es dann über Domnau nach Friedland, um zuerst in der Kirche Frau Ursula Kluge, die Initiatorin des Wiederaufbaus der Kirche, zu würdigen, die an diesem Tag ihren 86. Geburtstag in Wolfenbüttel feiern durfte. Wladimir Goussev übernahm die „Friedländer“ zu einem Rundgang durch ihre Stadt, während die Verbliebenen einen landwirtschaftlichen Großbetrieb (insgesamt etwa 18000 Hektar) bei Gerdauen während der Ernte mit vielen Mähdreschern und das Zentrallager mit Großsilos besichtigen konnten. Am späten Nachmittag wurde in Königsberg das Quartier Hotel Radisson für die nächsten fünf Nächte bezogen. Einige Interessenten besuchten gleich um 18 Uhr das Orgelkonzert im Dom. Der verkehrsarme Sonntag wurde für die Stadtrundfahrt mit Prof. Wladimir Gilma-now genutzt. Die beabsichtigte anschließende Dombesichtigung wurde uns allerdings wegen der Vorbereitungen für das tägliche Orgelkonzert verwehrt. Im Museum Friedländer Tor erlebten wir einen „Gang durch das alte Königsberg“ und besichtigten die Ausstellung über die „Familie v. d. Groeben in Ostpreußen von 1400 bis 1945“ (siehe dazu Bericht in der PAZ vom 19. Juli). Da das danach angefahrene Selbstbedienungsrestaurant neben dem Zoo nicht genug Platz bot, versuchten wir im danebenliegenden Restaurant für 40 Personen Mittagessen zu erhalten. Für alle sollte ein Vier-Gänge-Menue für 230 Rubel (zirka sechs Euro) zügig serviert werden. Die spätere Einzelabrechnung endete dann leider im Chaos, da die einheitliche Bestellung nicht von allen eingehalten worden war.

Am Montag war für unseren Bus Ruhetag, und zwei kleine russische Busse ohne Klimaanlage (bei 30 Grad Außentemperatur) brachten uns nach Balga, um an die Geschichte des Ordens zu erinnern. Zurück in Königsberg besuchten wir das Deutsch-Russische Haus, wo uns trotz Urlaubspause der Präsident der Russlanddeutschen Viktor Hoffmann begrüßte und über Geschichte und Situation der zirka 8300 (nach Volkszählung) bis 13000 Russlanddeutschen in der Oblast Kaliningrad informierte. Auch das von Christian v. d. Groeben kürzlich im Park des DRH aufgestellte Epitaph „Georg v. d. Groeben“ aus der Kirche von Schönbruch konnte bestaunt werden. Als nächste Station erhielten wir Einblick in die Bestände und Arbeitsweise des Neuen Staatsarchivs, das auch alle Ausgaben von „Unser Bartenstein“ zu jedermanns Einsicht aufbewahrt. An Personenstandsunterlagen sind leider nur die Kirchenbücher von Tilsit vorhanden; mit dem Archiv in Allenstein, das auch über Unterlagen aus dem nördlichen Ostpreußen verfügt, besteht aber eine enge Zusammenarbeit. Der Abstecher zur Redaktion des Königsberger Express war leider erfolglos, da man den abgesprochenen Besuchstermin offensichtlich vergessen hatte. Am Dienstag fuhr eine Hälfte der Reisegruppe mit einem gemieteten russischen Bus zur Kurischen Nehrung mit Besuch der Vogelwarte Rossitten und ausgedehnter Badegelegenheit in der warmen Ostsee. Die andere Hälfte fuhr mit dem Reisebegleiter Eugen Snegowski über Insterburg, Gumbinnen – mit Mittagessen bei den „Salzburgern“ – bis Trakehnen, um dort zumindest die im letzten Jahr wiederaufgestellte Kopie des Denkmals vom „Tempelhüter“ zu bewundern. Auf der Rückfahrt wurde trotz Regen Station in dem sehr gepflegten Gestüt Georgenburg gemacht, das noch originale Pferdeboxen aus alter Zeit hat. Am nächsten Tag war eine Seebadreise bis Pillau geplant, wobei nach vielleicht zu langen Aufenthalten in Pillau und Palmnicken – Bernsteinschleiferei und Tagebau – nur noch ein Abstecher nach Rauschen, dem touristisch wohl attraktivsten Badeort, möglich war. Einige Mutige, die am Vortage nicht auf der Nehrung waren, wagten trotz der hier kühleren Wassertemperatur ein Bad in der Ostsee, während andere erste Erfahrung mit dem russischen Getränk Kwas – bei Temperaturen über 30 Grad äußerst erfrischend – machten. Schließlich war ab 19 Uhr in Königsberg der Deutsche Stammtisch im „Zötler“ angesagt. Am Donnerstag, 31. Juli, ging es wieder über die Grenze nach Bartenstein, um im „Bartis“ einen vergessenen Strohhut abzuholen. Nach Marienwerder kamen wir umleitungsbedingt über recht gut ausgebaute Feldwege ohne Gegenverkehr verspätet an und hatten so nur eine Stunde für die Führung von Thomas Karcz zum Deutschen Orden und dem Dom mit der Grabkapelle von Otto Friedrich v. d. Groeben, dem Gründer der ersten kurbrandenburgischen Kolonie im Jahr 1683 in Westafrika. Natürlich darf auf einer solchen Reise Danzig nicht fehlen, wo wir gegen Abend im Radisson eintrafen und nach einem gemeinsamen Essen im Ratskeller von Marian Fifielski durch die abendlich erleuchtete Altstadt von Danzig geführt wurden.

Am nächsten Morgen führte unser Weg durch Hinterpommern nach Varzin, dem ehemaligen Waldgut von Bismarck. Da der für die Führung vorgesehene Forstdirektor Piotr Manka kurzfristig vor unserer Ankunft nach Stolp gerufen wurde, musste Christian v. d. Groeben die Führung übernehmen, wobei seine Sekretärin uns hilfreich beistand. Zumindest konnte aber der letzte Bocksbeutel aus Franken auf des Reichskanzlers Schreibtisch zurückgelassen werden. Als hätten wir nicht genug Bernstein auf der Reise angeboten bekommen, stürmten im nahegelegenen Gr. Schwirsen überwiegend die Damen die besonders schön gelegene Bern-steinwerkstatt von Erwin Witrambowski. Zur letzten Übernachtung erreichten wir gegen Abend das Radisson in Stettin, wo auf allgemeinen Wunsch ein gemeinsames Abschlussessen organisiert worden war. C. G.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Um 16.15 Uhr beginnt die Veranstaltung anlässlich des 50. Todestages von Agnes Miegel: „Na, man ist nicht ungestraft Deutsche.“ Eine Annäherung an Leben und Werk (durch Ute Eichler) und die Darstellung persönlicher Erinnerungen an die Dichterin (von Eberhard Steinke, Breklum). Eintritt frei.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Wir planen eine Busreise nach Lyck/Masuren. Termin: 20. bis 28. Juni 2015, Abfahrt wird fest nochgelegt Wir planen einen Gottesdienst auf dem ehemaligen Ortsfriedhof in Kalkofen, er ist jetzt vollständig wieder hergestellt. Am Ortseingang ist ein Stein aufgestellt in deutscher und polnischer Sprache, wohl einmalig in Masuren. Wir planen eine Feierstunde auf dem Friedhof und wollen der Wiedererstehung gedenken, als Termin haben wir Dienstag, den 23. Juni 2015, 10 Uhr, festgelegt. Hierfür planen wir eine Busreise. Anreise per Bus, eventuell ab Dortmund, (Bremen oder Hannover), Hamburg. Unterbringung in der einfachen Pension Rejrat, Kosten insgesamt etwa 700 Euro. Neben dieser Feierstunde sind Ausflüge geplant, müssen aber noch bestätigt werden. Zur Auswahl stehen: Staken auf der Krutinna, Besuch Nikolaiken, Wolfsschanze, Walfahrtsort Heilige Linde, Kleinbahnfahrt in Lyck, eine historische Begehung von Kalkofen, hier ist besonders die Erlebnisgeneration gefragt, ihren Beitrag beizusteuern. Eine Bootsfahrt auf dem Lycker See. Wir geben uns Mühe, jeden Herkunftsort von Mitreisenden im Kreis Lyck anzufahren. Weitere Ausflüge in die Umgebung, Ziele wie gewünscht, denn wir sind mobil. Anmeldung bei Reinhard Donder, Seebergen 2, 22952 Lütjensee, Telefon (04154) 7114, E-Mail: donder-luetjensee@t-online.de. Bringen Sie Ihre Kinder und Enkel mit, damit etwas von dem, was mal war, in Erinnerung bleibt.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Unser diesjähriges Schultreffen fand in Bad Bevensen statt. Verglichen mit dem Vorjahr war die Teilnehmerzahl etwas zurückgegangen. Nach der Totenehrung für Dorothea Hein, geb. Szonn, Lena Peschel, geb. Trautmann, Ruth Prinzen, geb. Schneider, und Wendula Streblow, geb. Negraschus, gab es interessante Informationen über die Arbeit der Stadtgemeinschaft Tilsit, über Heimattreffen und über die Wiedererrichtung des Königin-Luise-Denkmals an seinem früheren Platz im Park Jakobsruhe. Am ersten Nachmittag gab es einen Spaziergang zum Elbe-Seitenkanal. Der Rundweg durch den Wald war speziell für Rollstuhlfahrer angelegt, weil wir uns auf zunehmende Gehbehinderungen einstellen müssen. Von diesem Waldweg waren alle recht angetan, ebenso auch von dem „Fährhaus“, wo es anschließend Kaffee und Kuchen gab. Am zweiten Vormittag wurde das Gedicht „Der Wächter von Schillen“ vorgetragen, das alle sehr beeindruckte, weil es in einer Vision dieses Wächters genau das beschreibt, was wir selbst am Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt haben. Ein Nachmittagsspaziergang führte uns durch den Kurpark über die Ilmenau zum „Rosencafe“. Im Übrigen hatten wir wie immer viel zu erzählen, so dass es keinerlei Langeweile gab.

Unser nächstes Luisen-Schultreffen soll am 8. und 9. Juni 2015 wieder im Hotel „Berlin“ in Bad Bevensen stattfinden. Der jährliche Schulrundbrief mit näheren Informationen wird zu Anfang des Jahres 2015 verschickt werden.


S. 19 Heimatarbeit

Einsatz für die Heimat bis ins hohe Alter
Landsmannschaft Ostpreußen zeichnet Gertrud Braumann für ihr langjähriges Engagement mit dem Goldenen Ehrenzeichen aus

Gertrud Braumann aus Thewelkehmen im Kreis Goldap erhielt während der Feierstunde am Goldaper Mahnmal in den Wallanlagen von Stade anlässlich des Goldaper Heimattreffens aus der Hand des Sprechers das Goldene Ehrenzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen.

Mit dieser hohen Auszeichnung würdigt die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) die besonderen Verdienste der 92-jährigen Gertrud Braumann als Zeitzeugin. Die Geehrte stellte sich im Alter von 91 Jahren als Hauptprotagonistin des Films „Flucht aus Goldap – Das Schicksal einer ostpreußischen Familie“ zur Verfügung. Dieser Film dokumentiert die Flucht der Familie Dadrat aus dem Kreis Goldap bis in den Kreis Stade. Lange Passagen des Films bestehen aus einem in mehrere Abschnitte gegliederten Zeitzeugeninterview mit Gertrud Braumann, einer geborenen Dadrat, die ihr eigenes Fluchterleben und das ihrer Familie schildert. Fluchtschicksal und Interview werden in dem Film von einer Historikerin eingeordnet. Für die Verwirklichung dieses Films musste Gertrud Braumann bis an ihre physischen und psychischen Grenzen gehen – und darüber hinaus. Gertrud Braumann beteiligt sich bis heute an Unterrichtsveranstaltungen von Stader Schulen, die im Patenschaftsmuseum Goldap in Ostpreußen in Stade stattfinden und großen Zuspruch finden. Damit leistet Gertrud Braumann trotz ihres hohen Alters einen überaus großen Beitrag dazu, das Bewusstsein für die Bedeutung des Deutschen Ostens für alle Deutschen und das Wissen um Flucht und Vertreibung sowie das Schicksal der Ostpreußen stets wachzuhalten.

Gertrud Braumann ist 1922 in Thewelkehmen/Kreis Goldap geboren und in der dortigen Dubeningker Kirche getauft, konfirmiert und getraut worden. Durch ihre Eltern gehört ihre Familie bereits zu den Gründungsmitgliedern der Kreisgemeinschaft Goldap Ostpreußen e.V. Sie hat sich in der Kreisgemeinschaft fast 60 Jahre in einer Vielzahl von Funktionen und Ämtern engagiert, zuletzt bis 1995 als Mitglied des Kreisausschusses. Besonderer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war die Betreuung der in Ostpreußen zurückgebliebenen Landsleute. Für Jahrzehnte war sie das ständig in Stade präsente Gesicht und Ansprechpartnerin der Goldaper für die Patenkörperschaften und die Öffentlichkeit.

1998 wurde sie Ehrenbürgerin der Kreisgemeinschaft.


Große Akzeptanz
Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum tagte in Lüneburg

Zu seiner alljährlich stattfindenden Mitgliederversammlung traf sich der „Fördererkreis Ostpreußisches Jagdmuseum – Hans-Ludwig Loeffke Gedächtnisvereinigung e.V.“ im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg unter dem Vorsitz von Dr. Barbara D. Loeffke, um das Museum noch einmal in seiner seit der Eröffnung in der Ritterstrasse im Jahr 1987 bestehenden Form besichtigen zu können.

Im Mittelpunkt der diesjährigen Versammlung standen die Ausführungen von Museumsdirektor Dr. Joachim Mähnert über den seit einem Jahrzehnt geplanten Erweiterungs- und Modernisierungsbau des Ostpreußischen Landesmuseums. Und nun soll im November 2014 endlich die Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau erfolgen.

Die einst von der öffentlichen Hand zugesagten Mittel sind allerdings so stark reduziert worden, dass die ursprünglichen Planungen bei weitem nicht realisiert werden können, nicht zuletzt aufgrund der ständig steigenden Baukosten. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass auch der Erweiterungsbau nicht die dringend benötigten Ausstellungsflächen bringen wird, um die vorhandenen Exponate optimal zu präsentieren.

Umfangreiche Sammlungen, wie die des Königsberger Museums in Duisburg, warten darauf, vom Ostpreußischen Landesmuseum aufgenommen zu werden, um auch weiterhin der Öffentlichkeit gezeigt werden zu können. Schon jetzt muss an eine erneute bauliche Erweiterung des Museums gedacht werden. Erfreulich ist die große Akzeptanz des Museums. Die Zahl der jugendlichen Besucher übersteigt die der Senioren. Der Vorstand dankte Mähnert für seinen großen Einsatz für das Ostpreußische Landesmuseum und wünschte ihm weiter viel Erfolg bei der Realisierung der Pläne zur Darstellung Ostpreußens im Museum.

In ihrem Jahresrückblick hob die Vorsitzende die Aktivitäten des Vereins zur Unterstützung der Arbeit des Museums hervor. Beim Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Kassel, bei diversen Kreistreffen und ostdeutschen Veranstaltungen wurde Werbung betrieben. Auch im abgelaufenen Jahr konnte der Fördererkreis für das Ostpreußische Landesmuseum und das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen kostbare Exponate erwerben, so unter anderem eine Anfang des vergangenen Jahrhunderts geschaffene Büste vom Ännchen von Tharau, einem Wahrzeichen Ostpreußens.

Loeffke dankte den Mitgliedern für ihre teilweise jahrzehntelange Zugehörigkeit und Treue zum Fördererkreis, durch deren Spenden die Unterstützung des Ostpreußischen Landesmuseums möglich wurde. In den turnusgemäß stattfindenden Wahlen wurden der Vorstand, der Schatzmeister und die Kassenprüfer in ihrem Amt bestätigt. An die Mitgliederversammlung schloss sich die traditionsgemäße Vortragsveranstaltung an, die in diesem Jahr zusammen mit den Freunden des Ostpreußischen Landes- und Jagdmuseums durchgeführt wurde.

Christian Papendick, der bekannte Königsberger Buchautor und Architekt erzählte und las: „Es begann in Nidden“. Die Böhmsholzer Jagdhornbläser umrahmten die Veranstaltung stimmungsvoll. B.L.


S. 20 Heimatarbeit

Für ein Leben nach Hitler
Sonderausstellung im Haus Schlesien erinnert an Widerstand des »Kreisauer Kreises«

Wer in Geschichtsbüchern blättert, erfährt, dass der „Kreisauer Kreis“ eine bürgerliche Widerstandsgruppe war, die sich während der Zeit des Nationalsozialismus mit Plänen zur politisch-gesellschaftlichen Neuordnung nach dem angenommenen Zusammenbruch der Hitler-Diktatur befasste. Der Kreis, dessen Führungspersönlichkeiten Helmuth James Graf von Moltke (1907–1945) und Peter Graf Yorck von Wartenburg (1904–1944) waren, bildete sich im Jahr 1940 und löste sich Anfang des Jahres 1944 nach der Verhaftung Moltkes auf. Die Gestapo deckte die Arbeit des Kreises nach dem Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler auf und nannte die Widerstandsgruppe nach Moltkes Gut Kreisau in Schlesien „Kreisauer Kreis“.

Wie groß das Interesse des Publikums an der Thematik der Sonderausstellung „Der Kreisauer Kreis – Neuordnung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ im Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott ist, zeigte nicht nur die gut besuchte Eröffnungsveranstaltung, in deren Rahmen der Leiter der Gedenkstätte der „Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung“ einen informativen Einführungsvortrag bot. Bester Resonanz erfreute sich auch die thematische Führung „Kreisau – Symbol für Widerstand und Zivilcourage“. Darüber hinaus sorgte Ende September der Vortrag des Historikers Günter Brakelmann von der Universität Bochum für ein „volles Haus“ in Königswinter.

Der Gastredner sprach über „Ökumene im Widerstand – Helmuth James von Moltke und Alfred Delp SJ“. Die gleichaltrigen Helmuth James von Moltke und Alfred Delp bildeten im Kreisauer Widerstandskreis ein interessantes Duo. Der eine stammte aus dem alten Adel, der andere aus einfachen Verhältnissen. Der eine war ein Laienprotestant mit theologischen Kenntnissen und als Mitarbeiter im Oberkommando der Wehrmacht tätig, der andere ein gelehrter Jesuit, Kenner der katholischen Soziallehre und selbst ein kreativer Ethiker des Politischen und Gesellschaftlichen. Sie arbeiteten zusammen an Entwürfen für ein Deutschland nach Hitler. Beide dachten von ihren konfessionellen Voraussetzungen her ökumenisch. Moltke und Delp verbrachten als Zellennachbarn die letzten Monate ihres Lebens in enger geistlicher Gemeinschaft. Sie waren sich dessen bewusst, dass sie als Zeugen des christlichen Glaubens und christlicher Ethik gegen den nationalsozialistischen Ungeist einer selbst bestimmten Ideologie sterben mussten.

Nicola Remig, Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums für schlesische Landeskunde, verriet die Beweggründe, die dazu führten, die Sonderausstellung rund um den Kreisauer Kreis in diesem Jahr einzurichten: „Unser äußerer Anlass für die Beschäftigung mit dem Wirken des sogenannten Kreisauer Kreises als Widerstandsgruppe während des Nationalsozialismus ist zum einen der 70. Jahrestag des Gedenkens an den 20. Juli 1944, das misslungene Attentat auf Hitler. Zum anderen die Erinnerung an 25 Jahre der sogenannten Versöhnungsmesse in Kreisau. Jener Messe, in der 1989 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und der polnische Staatspräsident Tadeusz Mazowiecki ein sichtbares und emotional stark nach außen wirkendes Zeichen einer neuen Epoche der deutsch-polnischen Beziehungen setzten. Und dies war auch der Ursprung der Entwicklung von Kreisau zu einer internationalen Jugendbegegnungsstätte mit verständigungspolitischer Ausrichtung.“

Am Beispiel der Überlegungen und Aktivitäten der Mitglieder des Kreisauer Kreises werden in der Königswinterer Ausstellung verschiedene Facetten des Widerstands gegen die nationalsozialistische Diktatur vorgestellt. Der Kern der sich über drei Räumlichkeiten im Haus Schlesien erstreckenden Sonderausstellung ist dem Kreisauer Kreis, seinen Mitgliedern und deren Ideen gewidmet. Im großen Ausstellungssaal wird anhand von zweisprachigen Texttafeln aus der Wanderausstellung „In der Wahrheit leben“ der Kreisau Initiative e.V. Berlin gezeigt, dass es in der Bevölkerung einzelne Gruppierungen gab, die das Unrechts- und Verfolgungsregime der Nazis nicht unterstützten. Haus Schlesien rundete die Präsentation mit Zeitdokumenten, weitergehenden Hintergrundinformationen, Archivbildern und Büchern ab, wobei auch das Kreisau von heute als Ort der Jugendbegegnung Erwähnung findet.

„Leben unterm Hakenkreuz“ ist der Titel eines ausstellungsergänzenden Schülerprojektes, das ebenfalls im Haus Schlesien zu besichtigen ist. Jannick Tapken, ein Abiturient des Amos-Comenius-Gymnasiums in Bonn-Bad Godesberg, präsentierte die Ergebnisse seiner intensiven Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus.

Im Eichendorffsaal wiederum sind Bilder aus der Wanderausstellung des Schlesischen Museums zu Görlitz ausgestellt. Unter dem Motto „Verbotene Kunst“ werden sowohl großformatige wie auch kleine Aquarell- und Tuschpinselzeichnungen des Malers Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) gezeigt. Auf den hochwertigen Faksimiles sind Impressionen der schlesischen Landschaft zu sehen, die der expressionistische Künstler 1942 im Auftrag von Helmuth James von Moltke festgehalten hat. Ein Großteil der übrigens im Privatbesitz befindlichen Original-Bilder ist ohne Titel und zeigt beispielsweise den „Blick von Kreisau zum Zobten“, den „Blick zum Zobten über die Zuckerrüben“ oder den „Blick vom Park, mit dem Flüsschen Peile auf die Költschenberge“.

Nach dem Rundgang durch die bis Anfang März 2015 geöffneten Sonderschauen lohnt sich auch ein Blick auf zwei im Innenhof von Haus Schlesien aufgestellte Skulpturen der Künstlerin Susanne Pikullik-Bastian aus Bremen. Die Köpfe der Protagonisten des Kreisauer Kreises – von Moltke und von Wartenburg – stellen eine freie künstlerische Interpretation dar

. Dieter Göllner


Hilfe für Deutsche
Fast unbekannt: Deutsche Weltallianz

Über die deutschen Diasporaorganisationen im Ausland wird hierzulande kaum etwas berichtet. Noch weniger bekannt ist die Dachorganisation der Auslandsdeutschen in aller Welt, die „Deutsche Weltallianz“’ (DWA). Es scheint, als würde sie von den Medien bewusst totgeschwiegen, wahrscheinlich wegen der konservativen Haltung und der Vergangenheit einiger ihrer Mitglieder, dabei sieht sie sich „als einziger weltweiter Interessenverband der Auslandsdeutschen“.

Ein gewisses politisches Gewicht erhält die 2002 in Washington D.C. gegründete Organisation durch ihre Verbindungen zum Auswärtigen Amt, den deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland, den Vertriebenen- und Diasporaverbänden sowie zum Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA), dem die Bundesregierung eigens die Pflege mit den Auslandsdeutschen und ihren Verbänden übertragen hat.

Die DWA hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschenrechte von Personen deutscher Herkunft weltweit zu schützen, den Informationsaustausch und die Kommunikation unter den Deutschen in der ganzen Welt zu fördern und die deutsche Sprache und Kultur zu erhalten. Seit 2008 ist der Österreicher Peter Wassertheurer Präsident der DWA. Zu den Mitgliedsorganisationen gehören Verbände der Flüchtlinge und Vertriebenen, der deutschen Minderheiten, der Auswanderer und deutschstämmigen Bevölkerungsgruppen im Ausland, darunter der Bund der Vertriebenen, die Do-nauschwaben in den USA, der Deutsch-Kanadische Kongress, das Institut für deutsch-amerikanische Beziehungen, Pittsburgh, USA, der Verband Deutsch-Argentinischer Vereinigungen, der Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs, die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich und das Zentrum gegen Vertreibungen.

Die jetzige Führung der DWA, die den Eindruck erweckt, als wäre der in den USA gegründete Verband nun in österreichischer Hand, besteht neben dem Präsidenten Peter Wassertheurer, Jahrgang. 1964, Historiker und Germanist aus Kärnten, aus dem aus den USA stammenden Vizepräsidenten Kearn C. Schemm, Anwalt, dem Schatzmeister Herbert Traxler, aus der Steiermark, den Mitgliedern Marianne Bouvier, Augenärztin, ehemalige Vizepräsidentin des Deutsch-amerikanischen Nationalkongresses, Anton (Toni) Bergmeier, Präsident des Deutsch-kanadischen Kongresses, Professor Hartmut Fröschle, Jahrgang 1937, aus Leipzig, deutsch-kanadischer Germanist (Universität Toronto), Führungsmitglied des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland, Eduard (Ed) Grünwald, Donauschwaben US, Helmut Loicht, Vorsitzender der Österreichischen Landsmannschaft, Professor Alfred de Zayas, Schweiz, Jahrgang 1947, Havanna, Völkerrechtler, USA, seit Mai 2012 UN-Sonderberichterstatter für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, im Vorstand des Zentrums gegen Vertreibungen. Die Jahreshauptversammlung der DWA im Jahre 2015 soll im Gründungsort Washington stattfinden.

In Vorträgen und Publikationen sowie in der Wiener Erklärung vom 29. November 2005 wenden sich die Vertreter der DWA gegen die These von der Kollektivschuld der Deutschen und deren Diskriminierung in einigen Ländern. Insbesondere verurteilen sie die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und den Ländern Osteuropas als ungesühnte alliierte Kriegsverbrechen. Außerdem fordert die DWA die Rehabilitierung und Entschädigung der in Nord- und Südamerika während der beiden Weltkriege zu Unrecht internierten Deutschen. Dazu richtete die DWA am 30. April 2009 eigens eine Aufforderung an Präsident Barack Obama. In weiteren Erklärungen setzt sich die DWA für die Pflege des deutschen Kulturerbes und insbesondere der deutschen Sprache und eine „objektive“ Darstellung der Geschichte im Unterricht und in den Medien des jeweiligen Landes der Diaspora ein. Hans-Joachim Hoppe


S. 21 Lebensstil

Stirb langsam mit ALS
Die Nervenkrankheit ist vielen trotz der kürzlichen Eiswasser-Aktion unbekannt. Der neue Film »Hin und weg« will das ändern

Durch die via Internet verbreitete Eiswasser-Kampagne geriet die Nervenerkrankung ALS in die Schlagzeilen. Jetzt befasst sich auch ein deutscher Film, der am 23. Oktober in die Kinos kommt, mit der unheilbaren Krankheit.

Es verbreitete sich wie ein Virus im Internet. Seit dem Sommer gossen sich Prominente und weniger Prominente einen Eimer Eiswasser über den Kopf, filmten sich dabei und stellten das Ge­schehen ins weltweite Netz. Wichtig dabei war, drei weitere Menschen zu nominieren, die sich ebenfalls binnen 24 Stunden dieser Prozedur unterziehen mussten. Drück­ten sich diese davor, galt es zu spenden für die Bekämpfung der bis jetzt noch relativ unerforschten Nervenerkrankung ALS (Amyotrophe Lateralsklerose).

Es handelt sich dabei um eine Erkrankung, die Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark angreift. Zellen, die elektrische Impulse vom Gehirn in die Muskeln leiten, sterben ab. Spastische Lähmungen sind die Folge. Bei einer Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren stirbt der Erkrankte einen grausamen Tod mit schwindender Muskelkontrolle bis hin zur Atemlähmung. Die Ursachen dieser seltenen Krankheit sind bisher unbekannt.

In Deutschland leben etwa 7000 Patienten mit der Diagnose. Häufig tritt die Erkrankung zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf, bei Männern öfter als bei Frauen. Von 100000 Menschen erkranken jährlich ein bis drei Personen. Prominente Patienten mit der Diagnose gibt es viele. Man denke an den über 70-jährigen Physiker Stephen Hawking, der dieser Krankheit rätselhafterweise seit mehr als der Hälfte seines Lebens trotzt. Oder an den Maler Jörg Immendorff, der 2007 an ALS verstarb. Vielen ist die Krankheit auch durch den amerikanischen Baseballspieler Lou Gehrig bekannt. Dieser verstarb 1941 bereits mit 37 Jahren daran. Seitdem bezeichnet man es auch als „Lou-Gehrig-Syndrom“.

Am 15. Juli 2014 stellte der Golfer Chris Kennedy aus Florida einen Film über das soziale Netzwerk Twitter ins Internet ein, als er sich mit Eiswasser übergoss. Er war durch einen Freund nominiert worden, dieses zu tun, obwohl zu dem Zeitpunkt noch niemand die Aktion mit der Nervenkrankheit in Verbindung brachte. Chris Kennedy rief zu Spenden für die gemeinnützige Organisation „ALS Association“ (ALSA) auf, da ein Angehöriger an der seltenen Krankheit litt. Die als „Eiseimerherausfor­derung“ − englisch „Ice Bucket Challenge“ − bezeichnete Kampagne nahm ihren weltweiten Lauf.

Rasant verbreiteten sich die Filme im Internet über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. Immer mehr Prominente beteiligten sich an der Aktion. Ob George Bush, Mark Zuckerberg, Lady Gaga oder Bill Gates − viele Prominente machten mit und benannten ihrerseits wieder an­dere, die sich den Eimer Eiswasser über den Kopf gießen sollten. Selbst der US-Präsident wurde nominiert. Er lehnte ab und spendete stattdessen etwas Geld.

Natürlich schwappte die Welle auch nach Deutschland über und auch hier waren sich die „Schönen und Berühmten“ nicht zu schade, an diesem ganzen Rummel teilzunehmen.

Bei uns kippten sich werbewirksam unendlich viele Stars, Sternchen, Journalisten und sogar Politiker das Wasser über das Haupthaar. Unter anderem die TV-Moderatoren Anne Will und Günther Jauch, „Bild“-Chef Kai Dieckmann, Sängerin Helene Fischer, Fußballer Mario Götze oder die Schauspieler Matthias Schweighöfer und Til Schweiger. Die Liste ist lang. Selbst Ex-Bundespräsident Christian Wulff wurde aufgerufen, es gleich zu tun, und sogar Angela Merkel wurde vom ehemaligen Handballer Stefan Kretzschmar nominiert. Die Kanzlerin allerdings hielt sich bedeckt und machte weder Angaben zu der Aktion noch darüber, ob und für welche Hilfsprojekte sie privat gespendet hat. Schon jubilieren die Marketing-Experten und fragen sich, wiederum im Netz, was Unternehmen von dieser Aktion lernen könnten. Ein Musterbeispiel für epidemisch verbreitete Mundpropaganda sei dies alles, sagen die, die digitale Strategien für Firmen entwickeln. Eine Sache wird auf einmal und rasend schnell extrem populär. Das können sich umsatzorientierte Unternehmen nicht entgehen lassen. Man sieht förmlich, wie sich die medialen Planer die Hände reiben. Denn der Anstieg der Spendenaktivität ist beeindruckend.

Im Vorjahreszeit­raum gingen bei der ALSA rund 2,5 Millionen Dollar Spendengelder ein, bis Ende August 2014 wurden bereits 94 Millionen Dollar gesammelt. Das Geld wird für Forschungszwecke verwendet, um Verlauf und Ursachen der Krankheit besser zu verstehen.

Obwohl nun viele meinen, Spendenaufrufe müssten nicht immer mit Traurigkeit und Schwermut einhergehen. Und obwohl die vielen Prominenten nun kalt duschen und dennoch spenden, drängt sich einem doch das Gefühl auf, hier wird einerseits nur per Nötigung regelrecht Spendenzwang ausgeübt und andererseits vielen Zeitgenossen nur eine Plattform zur Selbstdarstellung geboten. Vielen wird nicht ansatzweise bekannt sein, worum es sich bei ALS handelt. Ebenso hat das Publikum eher das lustige Spektakel in Erinnerung als eine Auseinandersetzung damit, was die Diagnose eigentlich für die Betroffenen bedeutet.

Vielleicht wäre es sinnvoll, die Wasser-Planscher alle in den am 23. Oktober anlaufenden Kinofilm „Hin und weg“ zu schicken. Mag es nun Zufall sein oder nicht, dass genau dieser jetzt zeitgleich mit dem Eiswasser-Aufruf in die Kinos kommt. Der Film wird Geschichte schreiben. „Ich wusste nicht, wie still 8000 Menschen sein können“, sagt die Schauspielerin Miriam Stein, eine der Protagonistinnen des Films, als dieser auf dem Filmfest in Locarno im August vorgestellt wurde.

In manchen Passagen hält jeder Zuschauer den Atem an. Man sieht eine Gruppe junger Leute, die ihren Urlaub wie jedes Jahr radelnd durch schöne Landschaften begehen. In diesem Jahr hat sich Hannes, gespielt von dem überragenden Florian David Fitz, das Ziel Belgien ausgesucht. Was nur er, seine Frau und seine Mutter wissen, ist, dass er sich dort zu einem Arzt begeben wird. Dieser soll bei ihm Sterbehilfe leisten, denn Hannes hat ALS. Zunehmend schwerer wird sein Leben von der Krankheit beeinflusst und er will das Ende nicht im Rollstuhl am Atemgerät erleben. Irgendwann erfahren es die Freunde. Wie werden sie reagieren, wie damit umgehen?

Man sollte sich auf einen phantastischen Film einstellen, der bar jeder Rührseligkeit das Leben zeigt, wie es ist. Wo jeder sich die Frage stellen muss: Wie würde ich reagieren?

Florian David Fitz führt ein hervorragendes Ensemble an, darunter Julia Koschitz, Hannelore Elsner, Volker Bruch, Jürgen Vogel und andere, die sich hier ausnahmslos in eine andere Liga schauspielern. Wer in diesen Film geht, wird anders wieder heraus kommen. Silvia Friedrich


Heirat unter Kohlen
Industriedenkmal mit vielfältigem Nutzwert − Dortmunds stillgelegte Kokerei Hansa

Klettern und Freizeit- und Lernspaß in einer ausgedienten Fabrik? Möglich macht das die Kokerei Hansa im Dortmunder Stadtteil Huckard. Das Industriedenkmal entstand in den Jahren 1927 bis 1928 als Großkokerei. Als Folge von Rationalisierungsmaßnahmen löste sie die abgewirtschafteten kleinen Kokereien der Zechen Hansa, Westhausen und Germania ab.

Zu Vollbetriebszeiten produzierte die Zentralkokerei Hansa in ihren 314 Öfen täglich aus zirka 7000 Tonnen Kokskohlenmischung bis zu 5400 Tonnen Koks – hauptsächlich für die Hüttenwerke Union, später Phoenix.

Das bei der Erzeugung von Koks entstehende Rohgas (etwa 2000000 Kubikmeter pro Tag) wurde zunächst in der sogenannten Kohlenwertstoffanlage gereinigt. Ein Teil des Kokereigases wurde zum Hüttenwerk Union, später Phoenix, geleitet. Im Gegenzug wurde das Gichtgas der Hüttenwerke durch die stadtprägenden Leitungen, die einen Durchmesser von ungefähr zwei Metern haben, als Unterfeuerungsgas an die Kokerei geliefert.

Der größere Teil des Kokereigases wurde in den liegenden, dampfbetriebenen, zweistufigen, doppeltwirkenden Gaskolbenkompressoren auf etwa 8,6 bar verdichtet, im Hochdruckverfahren endgereinigt und in das Ruhrgasnetz gefördert.

Am 15. Dezember 1992 wurde die Kokerei endgültig stillgelegt, nachdem man 1986 bereits in zwei Batterien die Produktion eingestellt hatte. Seit 1995 befindet sich das Denkmal Kokerei Hansa im Besitz der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur. Seit 1998 sind die meisten Anlagenteile unter Denkmalschutz gestellt und Teil der Route Industriekultur. Zudem haben sich seit der Stilllegung sogar schon einige seltene Tier- und Pflanzenarten auf dem Gelände angesiedelt

Alle zum Denkmal gehörenden Anlagenteile und Gebäude wurden beziehungsweise werden saniert. Nach der kompletten Wiederherstellung der Kompressorenhalle mit den Kompressoren, der Dach- und Fachsanierung an den Gebäuden der Kohlenwertstoffanlagen werden zurzeit die vier Holz-Naturzugkühltürme denkmalgerecht saniert.

Am 15. März 2008 eröffnete auf dem Gelände der Kokerei im alten Turbokompressorengebäude „Bergwerk“ die größte Kletterhalle Nordrhein-Westfalens. Und seit 2010 wird die ehemalige Lehrwerkstatt auf der sogenannten weißen („sauberen“) Seite der Kokerei als Ausstellungsraum genutzt. „Hochhaus Hansa“, ein mehrstöckiges Haus auf dem Gelände, ist ein auf drei Jahre zwischen der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur sowie „artlab21, Institut für Kunstentwicklung“ verabredetes Kunst- und Ausstellungsprojekt.

25000 Besucher kommen im Jahr, um sich das Denkmal anzuschauen. „Wir setzen dabei auf Authentizität,“ sagt Marita Pfeiffer, die Pressesprecherin der Stiftung. „Als Besucher sollte man die Kokerei schon so auf sich wirken lassen, wie sie ist.“ Informations-Tafeln sind deshalb Fehlanzeige; wer die Kokerei genauer kennenlernen möchte, sollte sich schon einer der Führungen anschließen.

Denkmalpflege ist laut Pfeiffer nicht verstaubt. „Aus unserer Sicht ist die ehrenamtliche Mitarbeit der Menschen vor Ort schon wichtig. Akzeptieren die Menschen im Stadtteil das Denkmal, wird es zu einer Erfolgsgeschichte.“ Die auch als außerschulischer Lernort dienende Kokerei ist nach ihren Worten nicht nur für Lehrer oder Touristen interessant, sondern auch infrastrukturell. „Sie hat nicht nur dem Stadtteil Im­pulse gegeben. Nur ein Beispiel: Wir vermieten Räumlichkeiten in der Kokerei. Das geht soweit, dass hier Hochzeiten und andere Veranstaltungen stattfinden.“

So ist die Kokerei Hansa ein schönes Beispiel dafür, dass Industriekultur auch im hochmodernen Computerzeitalter erhalten bleibt. Andreas Rüdig


Sehr »indefinible«
Liebte Goethe die Herzogin Anna Amalia?

Glaubt man der modernen Wissenschaft, dann muss am Weimarer Hof vor über 200 Jahren ein ausschweifendes Leben geherrscht haben. Modern ge­sprochen: Liebe, Wein und – na ja, weniger Rock als „Barock ’n’ Roll“. Und mitten drin in dieser Dauerparty standen der junge Goethe und die Herzogin Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel, wenn sie sich nicht gerade das Bett teilten.

Mit der These, Goethe habe ein Liebesverhältnis mit der zehn Jahre älteren Herzogin gehabt, verblüffte 2003 der deutsch-italienische Jurist Ettore Ghibellino. In seinem Buch „Goethe und Anna Amalia – eine verbotene Liebe“ unterstellte der in Weimar tätige Autor, die über 1600 Briefe Goethes an Charlotte von Stein seien fast alle nur fingierte Liebesbriefe an Anna Amalia. Frau von Stein, die als Hofdame der schönen Herzogin diente, sei als Postillon d’amour eine „Strohmännin“ gewesen, damit die un-standesgemäße Liebe im klatschsüchtigen Weimar nicht auffliege.

Tatsächlich war die vor 275 Jahren, am 24. Oktober 1739, in Wolfenbüttel geborene Anna Amalia eine Lebefrau, die am Weimarer Hof Künstler und Literaten um sich versammelte. Mit 18 Jahren nach dem Tod ihres Mannes Ernst August II. von Sachsen-Weimar-Eisenach bereits verwitwet, blieb sie kein Trauerkloß, sondern komponierte und förderte jun­ge Ta­lente wie Goethe, dessen Singspiel „Erwin und Elmire“ sie vertonte.

Und sie sorgte dafür, dass Goethe, der sie als „indefinibles Wesen“ be­zei­ch­nete, 1797 die Oberaufsicht über die Her­zögliche Bibliothek bekam. Als Bibliothekar leitete Goethe diese bis zu seinem Tod und formte sie zu einer der bedeutendsten Deutschlands.

1991 wurde die Bibliothek, die beim Brand von 2004 nahezu vernichtet wurde, in „Herzogin Anna Amalia Bibliothek“ umgetauft. 1807 starb Anna Amalia, aber gut 200 Jahre später macht sie immer noch von sich reden: durch Brandkatastrophen ebenso wie durch Liebestratsch. H. Tews


S. 22 Neue Bücher

Recht soll nicht erziehen
So der Jurist von Schirach

Der Titel von Ferdinand von Schirachs Essay-Sammlung „Die Würde ist antastbar“ provoziert. Doch der Strafverteidiger ist vom Gegenteil überzeugt, so verteidigt er im Fall des Kindermörders Magnus Gäfgen „Die Würde der Fürchterlichsten“. Und in seinem Kommentar zum Straßburger Urteil gegen die deutsche Sicherungsverwahrung stellt er fest: „Würde ist nichts, was verliehen wird, sie kann nicht entzogen werden.“

Alle hier zusammengefassten Texte wurden zuvor im „Spiegel“ publiziert. Am besten ist das Buch immer dort, wo der Autor sein eigenstes Gebiet behandelt. Ohne Pathos und in einer stets um Klarheit bemühten Sprache weist er auf die Grundlagen unseres Rechtswesens hin. Unmissverständlich und grundsätzlich ablehnend ist seine Haltung zur Folterandrohung, zur Sicherheitsverwahrung, zum Feindstrafrecht und zur schleichenden Umgehung des juristischen Rück-wirkungsverbots. Als erfolgreicher Jurist und Schriftsteller weiß von Schirach, dass die Rechtsprechung keine fehlbare Menschheit umerziehen soll, sondern nur ihre konkreten Konflikte zu steuern hat. Im Zusammenhang mit dem Rauchverbot preist er die Toleranz als „vielleicht die großartigste preußische Tugend“.

Die aufgeräumte und höfliche Art seiner Ausführungen ist eine Wohltat für den Leser, der sich immer mehr daran gewöhnen muss, dass Autoren ihren dringenden Wahrheiten mit Kraftausdrücken Nachdruck verleihen. Vernichtend ist seine Einschätzung der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft in „Verfahren als Strafe“. Die Preisgabe deutscher Gewissenhaftigkeit für eine Emotionalisierung nach US-Vorbild ist ihm nicht geheuer. Früher hätte ein älterer Staatsanwalt mit Goldbrille im Fernsehen sachliche Mitteilungen gemacht. „Mir scheint, dass diese Behäbigkeit zu gerechteren Urteilen führt, der Beschuldigte gerät nicht so leicht unter die Räder.“

Doch von Schirach ist kein Don Quijote, der seine Lanzen an den Götzen des Zeitgeists zersplittert. Er geht weit klüger vor, indem er mit wohlgesetzten Bemerkungen ein immer noch landläufiges Empfinden für Rechtlichkeit und Maß beschwört. Bei allem Vertrauen auf dieses Gefühl steht er den Versuchen von direkter Demokratie skeptisch gegenüber. Anstatt eine Schwarmintelligenz zu erwarten, befürchtet er vielmehr „eine Schwarmdummheit, eine Schwarmgemeinheit und eine Schwarmbösartigkeit“. Die „widerwärtigen Entgleisungen der Anonymus-Gruppe“ zieht er als Beispiel heran. Dass alle alles selbst machen können, hält er für verhängnisvollen Unsinn. Auch in diesem Fall greift er auf eigene Erfahrungen zurück und schildert, wie viele Absprachen und Arbeitsschritte dem Erscheinen seines ersten Buchs vorangingen.

Neben den Essays mit fachlich-juristischem Einschlag gibt es auch persönlichere Texte. Er schreibt über seine Schulzeit im Jesuiten-Internat St. Blasien. Mit einem sanften Präventivschlag wehrt er in „Du bist, wer du bist“ die Fragen nach dem Großvater ab. An Spekulationen über ein nicht erlebtes Geschehen beteiligt er sich nicht und begnügt sich stattdessen mit dem fernen Blick auf einen alten ruhebedürftigen Mann. Der gute Stil ist wohltuend angesichts so vieler Bücher in denen dem Verfasser das Herz weiter aufgegangen ist, als sein Geist und seine Zunge fassen konnten. Sebastian Hennig

Ferdinand von Schirach: „Die Würde ist antastbar“, Piper, München 2014, broschiert, 144 Seiten, 16,99 Euro


Auf Distanz zu sich selbst
Ex-»Spiegel«-Mitarbeiter über seine Flucht aus Ostpreußen

Mehr noch als die Flucht-erlebnisse des Autors zieht sich seine Distanzierung von allem und jedem wie ein roter Faden durch sein Buch „Der Bollerwagen“. Vieles spricht dafür, dass diese nicht so sehr literarisches Stilmittel ist, sondern in seiner politischen Überzeugung begründet ist. Dabei hatte der 1942 in Königsberg geborene Olaf Ihlau die charmante Idee, seinen Lebensweg anhand des Weges, den der Bollerwagen der Familie im Laufe der Jahrzehnte zurückgelegt hat, zu erzählen.

Doch der Sozialwissenschaftler, der viele Jahre Ressortleiter beim „Spiegel“ war, hat das Problem, dass er am liebsten gar nicht auf die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges zu sprechen kommen möchte. Dumm nur, dass er als Heimatvertriebener eines ist, und auch viele andere Dinge in der eigenen Familiengeschichte machen deutlich, dass der Zweite Weltkrieg Menschen zu Opfern machte, die keineswegs direkt mit Hitler im Bunde waren: „Kinder denken in Bildern. Das Kind, zweieinhalb Jahre alt, liegt in seinem Bettchen, den brauen Teddy im Arm, und starrt verschreckt auf das Fenster. Dahinter geschieht Unheimliches: Ein glutlodernder Himmel ist auszumachen, durch den Funken-schwärme stieben … Es ist die Nacht, in der Königsberg stirbt. Die ostpreußische Hauptstadt verglüht am frühen 30. August 1944 beim zweiten Luftangriff der Briten im Feuerball der Phosphorbomben.“ Etwas später schreibt Ihlau dann, dass der erste Luftangriff der Briten vor allem der Zivilbevölkerung galt. Auch erwähnt er, dass es Stalin vor allem um territoriale Gewinne ging, speziell um Ostpreußen.

Auf Rat des Großvaters verlässt Ihlaus Mutter mit dem Jungen im Bollerwagen rechtzeitig Ostpreußen mit dem Zug. Da Flucht verboten war, nehmen sie nur wenig mit und tarnen die Reise als Verwandtenbesuch im Sudetenland. Dort kommen sie auf einem Hof unter, doch Ende des Jahres 1945 werden auch sie Opfer von Massenvertreibungen. Ihlau schildert wenig aus eigenem Erleben oder den Berichten seiner Mutter, sondern greift auf allgemeine historische Fakten zurück. Das schafft Distanz. Zudem bezeichnet er seine Mutter immer als „die Königsbergerin“, sich als „den Königsberger“ und seinen Vater, einen Komponisten, als „den Hannoveraner“.

Zwar zitiert er den britischen Philosophen Bertrand Russell mit den Worten „Ist es humaner, alte Frauen und Kinder zu vertreiben und in der Ferne sterben zu lassen, als Juden in Gaskammern zu ersticken?“, betont jedoch später immer wieder nahezu stolz, dass er und seine Eltern sich nie von den von ihm als Revisionisten bezeichneten Vertretern der ostpreußischen Landsmannschaft hätten einspannen lassen oder dem Verlust der Heimat nachgetrauert hätten. Gleichzeitig erinnert sich Ihlau jedoch daran, dass seine Mutter nach einigen Gläsern Wein gern „Verdammte Polacken!“ zu sagen pflegte, einziger Hinweis auf die erlittenen Vergewaltigungen während der Flucht in den Westen durch polnische Wegelagerer.

Ihlau erzählt von den erlebten Diskriminierungen als Flüchtlingskind in der jungen Bundesrepublik, dem lange verzweifelten Versuch seines lebend, aber versehrt aus dem Krieg zurückgekehrten Vaters, als Komponist eine Anstellung zu finden und den Spannungen innerhalb der Familie, in der jeder seine Probleme mit sich selber abzumachen hatte und Zärtlichkeit ein Fremdwort war. Die Geburt seiner Schwester 1955 erwähnt der Autor nur kurz, und es klingt, wie ein Schicksalsschlag, nicht wie ein freudiges Ereignis.

„Die Braunen von gestern, die sich nunmehr als glühende Demokraten aufspielen, kotzen ihn an“, beschreibt der Autor die Reaktion seines Vaters auf die Versuche der örtlichen CDU und FDP ihn als Mitglied zu werben. Trotzdem überwerfen Vater und Sohn sich wenig später bezüglich dessen Rolle während der NS-Zeit. Den Sohn zieht es zu den Sozialisten.

Gegenwärtig steht der Bollerwagen im Garten des Ferienhauses des Autors auf Ibiza. Immerhin ihm ist der Autor aufrichtig zugetan. Rebecca Bellano

Olaf Ihlau: „Der Bollerwagen. Unsere Flucht aus dem Osten“, Siedler, München 2014, geb., 178 Seiten, 16,99 Euro


Dokument des Grauens
Friedrich Dönhoff über die Jugend des Juden Jerry Rosenstein

Fast sieben Jahrzehnte hat Jerry Rosenstein aus San Francisco über seine Leidenszeit im Nationalsozialismus geschwiegen. Erst vor wenigen Jahren entschloss sich der heute 87-Jährige diese zu erzählen. Zum einen tat er dies, weil er zu den letzten Zeugen und Überlebenden des Völkermords gehört, und zum anderen, weil er ein Gegen-über traf, dem er sich vorbehaltlos öffnen wollte. Bei einem Aufenthalt in Europa lernte Rosenstein den Hamburger Schriftsteller Friedrich Dönhoff (geboren 1967) kennen, einen Neffen der Publizistin und „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff und Autor mehrerer biografischer Bücher sowie Kriminalromane. Mit ihm vereinbarte er kurzfristig ein Buchprojekt, das 2012 während einer gemeinsamen Reise durch Europa und in die USA auf den Spuren von Rosensteins Vergangenheit Gestalt annehmen sollte. Das Ergebnis ist ein schmaler, im Diogenes Verlag veröffentlichter Band mit dem Titel „Ein gutes Leben ist die beste Antwort. Die Geschichte des Jerry Rosenstein“.

Rosenstein, der ursprünglich den Vornamen Gerhard trug, wurde 1927 in Bensheim an der Bergstraße als jüngstes Kind einer jüdischen Familie geboren, deren mütterlicher Teil seit über 200 Jahren dort ansässig war. Sein Vater hatte eine Polster- und Möbelfabrik aufgebaut. Als die Anfeindungen 1935 in bedrohlicher Weise zunahmen, zog die fünfköpfige Familie nach Darmstadt um, wenige Monate später emigrierten sie in die Niederlande. In Amsterdam verlebte Jerry einige unbeschwerte Kindheitsjahre. Was alle so sehr gefürchtet hatten, begann umgehend nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen im Mai 1940: der Abtransport der jüdischen Bevölkerung in die Arbeits- und Vernichtungslager.

1943 wurden auch Jerry und seine Eltern in das KZ Theresienstadt deportiert. Sein ältester Bruder Ernst war zuvor nach Palästina ausgewandert. Er wurde Fallschirmjäger der britischen Luftwaffe und fiel 1943. Hans, der zweite Bruder, war schon 1942 nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden, wo er an einer Lungenentzündung starb. Jerrys Mutter überlebte den Krieg als Arbeiterin in Theresienstadt. Mit seinem Vater blieb Jerry bis November 1944 im Vernichtungslager Auschwitz zusammen, danach noch einige Wochen im Arbeitslager Gleiwitz. Wie durch ein Wunder überlebten sie viele kritische Situationen und zuletzt noch, völlig entkräftet und mehr tot als lebendig, einen mehrtägigen Todesmarsch im Januar 1945 mit ihren Bewachern. Im Sommer 1946 emigrierte Jerry mit seinen Eltern über Frankreich in die USA.

Rosensteins Geschichte ist ein Dokument des Grauens von gewaltiger Dimension. Dönhoff hat sie zusammengefasst und in einzelne Episoden unterteilt. Zwischengeschaltet sind jeweils Passagen über Rosensteins Alltag in San Francisco und gemeinsame Unternehmungen während ihrer Reise. Tiefergreifende Informationen, die sich auf Rosensteins Schilderungen beziehen, werden dabei kaum vermittelt – leider. Dagmar Jestrzemski

Friedrich Dönhoff: „Ein gutes Leben ist die beste Antwort. Die Geschichte des Jerry Rosenstein“, Diogenes, Zürich 2014, geb., 174 Seiten, 19,90 Euro


Krieg der Kulturen
1914 rieben sich vor allem die Künstler der europäischen Feindstaaten gegeneinander auf

Die Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren hat eine Fülle von Büchern hervorgebracht; Autoren wie Christopher Clark, Herfried Münkler, Manfried Rauchensteiner, Jörn Leonhard und andere waren monatelang in den Medien präsent. Geradezu minutiös kann man sich über das politische und militärische Geschehen informieren. Etwas geringer ist die Ausbeute bei kulturellen Aspekten, was etwas verwundert, denn von den damaligen Akteuren wurde ja der Krieg geradezu zu einem Kulturkrieg hochstilisiert: Deutsche Treue, Ordnung und Pflichterfüllung standen gegen „Civilisation“ und Krämergeist, vice versa Weltoffenheit und Demokratie gegen preußischen Militarismus und Absolutismus.

Der an der Universität Potsdam lehrende Historiker Ernst Piper hat mit seiner „Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges“ gerade diesen Aspekt in den Mittelpunkt seiner weit ausholenden Darstellung gerückt. Am Beispiel zahlreicher Künstler vorrangig aus Literatur und bildender Kunst spiegelt er die heute kaum fassbare Begeisterung zu Beginn des Krieges („Geist von 1914“) über allmähliche Ernüchterung bis zu abgrundtiefer Verzweiflung, die nicht selten in einem Freitod endete. Der Blick fällt auf Großbritannien, Frankreich und Italien, am stärksten aber auf den deutschsprachigen Raum, wo kaum einer der großen Namen fehlt (allerdings merkwürdigerweise Karl Kraus’ monumentales Werk „Die letzten Tage der Menschheit“).

Nur ganz wenige fielen 1914 nicht der allgemeinen Kriegsbegeisterung anheim. Der Krieg wurde als ein „reinigendes Gewitter“ begrüßt, als Befreiung vom grauen Alltagstrott, als ekstatisches, rauschhaftes Erleben und „ungeheure Intensitätssteigerung“. Manche Zitate mag man kaum glauben. Der Ökonom Werner Sombart sah Kultur und Militarismus ineins: „Auch die Eroica und die Egmont-Ouvertüre sind doch wohl echtester Militarismus“. Der Schriftsteller Robert Musil meinte: „Die, welche sterben müssen, haben das Leben und sind reich.“ Der Arbeiterdichter Heinrich Lersch prägte das geflügelte Wort „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“. Der französische Autor Léon Daudet wetterte gegen Kant, Hegel und Richard Wagner, sie hätten die französische Jugend „mit Deutschtum vergiftet“.

Als spätestens 1917 allenthalben der Enthusiasmus erlahmte, kam es zu ganz unterschiedlichen Entwicklungen. In Frankreich, wo eine „Union sacrèe“ ausgerufen wurde, sowie in Großbritannien behielt in allen Kriegsjahren die zivile Staatsführung das Heft in der Hand. In Deutschland, wo der Kaiser „keine Parteien, sondern nur noch Deutsche“ kannte, und in Österreich-Ungarn blieb alle Macht bei den Militärs; erst angesichts der militärischen Katastrophe besann man sich der verachteten Zivilisten und drängte sie zu schmachvollen Waffenstillstandsverhandlungen, während man sich mit der „Dolchstoßlegende“ reinwusch. Der Autor spricht von Ludendorffs „paranoiden Verschwörungstheorien“, die bald die öffentliche Diskussion in der Weimarer Republik bestimmten.

Piper breitet eine Fülle von Lebensbeschreibungen und von verblendeten, enttäuschten und verzweifelten Aussagen aus. Streng genommen ist sein Buch nicht eigentlich eine Kulturgeschichte, die ja stärker auf Strömungen und Entwicklungen in den einzelnen Künsten selbst eingehen müsste. Eher ist es eine Kombination von allgemeiner Darstellung des Krieges und lexikalischer Auflistung, die dann doch das damalige kulturelle Geschehen spiegelt. Am Ende zeigt Piper, wie sehr „unversöhnlicher Hass“ zwischen den extrem verschiedenen Ansichten zu Kriegsschuld und Niederlage das politische Klima nach 1918 vergiftete.

Im Gegensatz zur Französischen Revolution von 1789 habe die deutsche Revolution 1918/19 „keinen positiven Gründungsmythos“ hervorbringen können. Den alten Eliten galt sie als Verrat, und es gelang ihnen, die Legenden von „Dolchstoß“ und „Novemberverbrechern“ mehrheitsfähig zu machen: „Solcherart waren die Mythen, die Militärführer, Nationalisten und Apologeten der untergegangenen Monarchie in einer Mischung aus Autosuggestion, trotziger Realitätsverweigerung und aggressivem Selbstmitleid in die Welt setzten.“ Und gespalten wie die politische blieb dann auch die kulturelle Szene.

Dirk Klose

Ernst Piper: „Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs“, Propyläen, Berlin 2013, geb., 592 Seiten, 26,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Menschenfreunde / Was sich alles Solidarität nennt, warum eine Linke Kobane opfern will, und wie mit der »Vielfalt« die Rassentrennung zurückkehrt

Das war dann doch etwas Besonderes: Die Co-Chefin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, will also deutsche Boden­truppen nach Kobane entsenden, um den tödlich bedrängten Kurden militärisch beizustehen. Dass die Bundeswehr dazu momentan gar nicht in der Lage wäre, interessiert sie offenbar nicht. Seit wann lassen sich die Grünen von der Realität in die Gemüsesuppe spucken?

Offensichtlich begeistert sich das Lager der pensionierten Pazifisten immer heißer fürs Kriegführen. Nicht bloß einen Kalten Krieg (gegen Russland) sehnt keine Truppe im Bundestag so eifernd herbei wie die Grünen, sondern in Person von Göring-Eckardt nun auch einen richtigen, einen heißen Krieg mit Kanonendonner und Blut.

Kein Zweifel: Links der Mitte ist in der Haltung zu Krieg und Frieden einiges ins Rutschen geraten. Bei den Krawallen zwischen Kurden und Salafisten mischten wie immer auch die deutschen „Unterstützer“ der Kurden mit. Linksextreme Splittergruppen schwenkten ihre Fahnen und schrien „Solidarität mit Kurdistan“, womit ja wohl kaum etwas anderes gemeint gewesen sein kann als militärische Unterstützung. Etwas anderes hilft den in Kobane ums blanke Überleben kämpfenden Kurden zurzeit nämlich herzlich wenig.

Die da aber militärische Unterstützung forderten, waren die selben linken Gruppen, die kein Bundeswehr-Gelöbnis geschehen lassen, ohne am Rande zu grölen und zu randalieren oder deren Gefolgsleute Soldaten am Bahnhof anpöbeln, weil für sie die Abschaffung der Bundeswehr seit Jahrzehnten zu den Standardforderungen zählt. Und nun plötzlich „Bundeswehr an die Front“?

Nein, nein, so sei das selbstverständlich nicht gemeint. Sondern? Eine „Aktivistin“ klärte den Verfasser dieser Zeilen mitten im Tumult auf, „Deutschland hätte eben nicht so viele Waffen in die Region exportieren dürfen“.

Aha, „Solidarität“, die mit einem „hätte“ beginnt. Gut, dass das von den umstehenden Kurden in dem brodelnden Chaos auf dem Hamburger Steindamm keiner mitbekommen hat. Beeindruckend war, mit welcher Inbrunst die linken Kurden-„Unterstützer“ diesen Blödsinn hervorbrachten.

Dabei hatte ich in Hamburg noch nicht einmal den Gipfel des Bescheuerten gesehen, der begegnete mir später im Internet. Dort kursierte dieser Tage ein Foto von Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und verteidigungspolitische Sprecherin. Dort hält Genossin Buchholz mit aufgerissenen Augen (Botschaft: „Ich engagiere mich!“) und kämpferisch zusammengekniffenen Lippen ein Pappschild in die Kamera mit der Parole „Solidarität mit dem Widerstand in Kobane! US-Bombardement stoppen!“

Wie bitte? Die Kurden hatten die US-Luftschläge doch flehentlich herbeigesehnt! Ja, aber das war eben grundfalsch, belehrt Buchholz die dummen Dilettanten vom sicheren Berlin aus, denn „US-Luftbombardements werden die Kurden nicht retten“. Und sind deshalb einzustellen. Im Netz wird Buchholz nun kräftig veräppelt für ihre „Mischung aus Zynismus und Dummheit“. In einem Bild hat ihr ein Komiker ein anderes Pappschild unters Gesicht montiert mit der hingekrakelten Forderung: „Blötheit bekämbfen, Pilddung apschaffen!“

Die Genossin ficht das alles nicht an. Sie verteidigt ihr Schildchen eisern. Womit? Wagen wir den Abstieg in die dunklen Höhlen spätmarxistischer Deutungswirren, in Christines bizarre Welt: Die US-Schläge würden die wahren Zusammenhänge nur verschleiern, sagt sie. Der IS müsse nämlich von unten, von linken Gruppen in Syrien und im Irak in Zusammenarbeit mit der kurdischen PKK bekämpft werden, um die „herrschenden Klassen“ in den beiden Ländern zu stürzen, so die „Linke“-Politikerin in Reaktion auf die Kritiker.

Nun wissen Sie Bescheid: Kobane muss geopfert werden, damit die „wahren Zusammenhänge“ sichtbar werden. Den Rest erledigt später die Revolution der werktätigen Massen in Syrien und dem Irak. Begreifen Sie jetzt, wie Linksextremisten im 20. Jahrhundert den Tod von Tausenden und Millionen am grünen Tisch kaltschnäuzig beschließen konnten in der völlig unversehrten Überzeugung, trotz allem die Krone der Menschenfreundlichkeit zu sein?

Die Kurden wissen nun jedenfalls, was das alte deutsche Sprichwort bedeutet: „Gott schütze mich vor meinen Freunden, vor meinen Feinden schütze ich mich selbst.“ Jedenfalls sollte das bedrängte Volk die Schar seiner „Freunde“ mal gründlich durchsieben.

In Hamburg wunderte man sich, wie viele gewaltbereite Salafisten sich dort versammelt hatten, um auf die protestierenden Kurden loszugehen. Nur eine „kleine Gruppe“ der 4500 Salafisten in Deutschland sei doch gewalttätig, behaupten „Sicherheitskreise“. Wie konnten dann rund 400 Gewaltbereite allein in der Elbestadt zusammenkommen?

Vermutliche Erklärung: Man hatte die veröffentlichte Zahl bislang ein wenig heruntergeschraubt, um kein „falsches Signal“ auszusenden. Und nun kam leider die Wahrheit heraus.

Das ändert aber nichts daran, dass wir sie weiter herzlich begrüßen in unserer „Willkommenskultur“. Was Folgen hat: Derzeit bricht sogar das reiche München zusammen unter der Flut von Asylbewerbern. Die Spannung steigt: Araber und Schwarzafrikaner sind sich im Erstaufnahmelager in der alten Bayernkaserne an den Hals gegangen, weil die Afrikaner einfach in die Duschräume spaziert sind, wo sich ansonsten verschleierte Araberfrauen duschten, und weil Afrikaner vor allen Leuten in der Schlafhalle Sex gehabt haben.

Ein syrischer Übersetzer, der seit Langem in München lebt und im Lager hilft, hat vorgeschlagen, die Gruppen zu trennen, weil sie nicht zusammenpassten, sonst gebe es bald „Mord und Todschlag“. Interessant: Fordert er also Rassentrennung, mit Schildern wie „Zutritt zu diesem Duschraum für Schwarze verboten“ oder „Schlaf­raum nur für Weiße“? Vielfalt und Toleranz erreichen ihre Endstufe.

SPD-Bürgermeister Dieter Reiter hat das Lager erst mal ganz dicht gemacht, womit nun allerdings das andere bayerische Erst­aufnahmelager Zirndorf platzen dürfte. Der Bayerische Flüchtlingsrat wirft der Politik Versagen vor und fordert, „in der Staatskanzlei und den Gebäuden der Ministerien großzügig Platz frei zu räumen“ für die Asylbewerber. Das ist endlich mal eine wirklich gute Idee!

Reiter schiebt die Schuld an dem ganzen Desaster zur bayerischen Staatsregierung weiter. Die fühlt sich indes vom Bund mit falschen Zahlen versorgt, weshalb Berlin schuld sein muss. Ja, wer denn nun? Bayerns CSU-Sozialministerin Emilia Müller hat die rettende Idee: „Die Unterbringung von Asylbewerbern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Na also. Jetzt müssen wir nur noch die Telefonnummer von Herrn und Frau Gesamtgesellschaft raussuchen, und schon kriegen wir von denen die Lösung.

Nein, Spaß beiseite: Wenn Politiker davon sprechen, dies oder das sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, geben sie damit zu erkennen, dass sie sich vollkommen festgefahren haben. Früher hätten sie geseufzt: „Das liegt jetzt in Gottes Hand“, noch früher „... der Götter“. Aber heute sagen wir so etwas nicht mehr aus Furcht davor, die Hamburger Salafisten könnten sich dadurch „verletzt“ fühlen und noch aggressiver werden.

Das mit der „gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ ist zudem ein Trick. Eigentlich läuft es in der „repräsentativen Demokratie“ ja so: Wir wählen und bezahlen Politiker und die lösen dafür mit der Verwaltung zusammen die Probleme. Doch wenn die’s nicht schaffen? Das ist der Trick. Dann spielen sie den Ball als „gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ einfach ans Volk zurück, denn dann sind wir schuld, weil wir nicht schaffen, wofür sie unbedingt gewählt werden wollten.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Brandenburg wieder stabil

Potsdam – Erstmals seit vielen Jahren ist die Bevölkerung Brandenburgs auf Jahresfrist nicht mehr zurückgegangen. Laut den neuesten verfügbaren Zahlen lebten im November 2013 2,45 Millionen Menschen in der Mark, genauso viele wie im Vorjahresmonat. Die Stabilisierung gelang durch Zuzüge vor allem aus Berlin, welche das Geburtendefizit wettmachten. H.H.

 

BIW-Politiker verprügelt

Bremen – Martin Korol (69), Bürgerschaftsabgeordneter der bürgerlichen Bremer Partei „Bürger in Wut“ (BIW), ist von einem Nachbarn offenbar orientalischer Herkunft verprügelt und bedroht worden. Korol, der bis 2013 lange Jahre für die SPD im Landesparlament saß, will den Mann lediglich gebeten haben, auf dem Balkon etwas leiser zu telefonieren. Daraufhin griff ihn der Mann sofort tätlich an, beschimpfte Korol als „Christenschwein“ und drohte: „Dir sollte der Kopf abgeschnitten werden!“ H.H.

 

Trotz Jugend ein alter Hase

Vieles spricht dafür, dass der neue belgische Premier Charles Michel sich zum Chef einer „Kamikaze Koalition“, wie einige Medien schreiben, gemacht hat. Auf den ersten Blick eint die vier Regierungsparteien wenig, gleichzeitig haben sie sich aber viel vorgenommen und überdies ist die Ausgangslage in Belgien alles andere als berauschend. Zudem ist Michel mit 38 Jahren jüngster Regierungschef der EU-Mitgliedsstaaten. Doch trotz seiner Jugend ist der Sohn des ehemaligen belgischen Außenministers Louis Michel in der Politik ein alter Hase. Schon als Jugendlicher klebte er mit dem Vater Wahlplakate, wurde wie dieser Mitglied bei der französischsprachigen liberalen Partei und ging erst in die Kommunal- und dann Regionalpolitik. 2007 wurde der Jurist dann in Brüssel Föderaler Minister für Entwicklungszusammenarbeit.

Nun will der von seinen Gegner als Ehrgeizling bezeichnete Wallone eine von Flamen dominierte Regierung anführen. Und dann auch noch mit Bart de Wevers Neuenr Flämischer Allianz (N-VA), mit der bisher niemand zuvor koalieren wollte, auch weil die Autonomiebestrebungen der Partei eine Regierungsarbeit für Belgien als Ganzes massiv erschweren.

Doch Michel lässt der N-VA bewusst eine lange Leine, gab ihr attraktive Ministerposten und unter anderem die Zuständigkeit für den Bereich Migration und Asyl. Die von Michel als unumgänglich bezeichnete Rente mit 67 soll allerdings ein liberaler Minister durchsetzen, was die Zustimmung der Partei in der Bevölkerung schmälern dürfte. Aber Michel setzt auf einen harten Reformkurs. Ab 2018 soll das stark verschuldete Belgien erstmals keine Schulden mehr machen. Seine Tage als Premier dürften also vermutlich so oder so gezählt sein. Bel


MEINUNGEN

Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz plädiert im „Handelsblatt“ vom 7. Oktober für die Einführung von Euro-Bonds. Seine Forderung ist für ihn der logische Schluss folgender Ausgangslage:

„Der Euro ... wurde geschaffen, um den Wohlstand zu mehren. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Einkommen in der Euro-Zone liegen rund 20 Prozent unter dem Niveau, das die Mitgliedsländer haben müssten, wenn sich in den vergangenen fünf Jahren jener Wachstumstrend fortgesetzt hätte, den die Euro-Staaten vor Einführung der Währung hatten.“

 

 

Bettina Röhl beklagt in der „Wirtschaftswoche“ (7. Oktober), dass Linksintellektuelle die abendländische Kultur wehrlos gemacht hätten:

„Mit jeder Enthauptung eines Menschen ... wird dem Westen ein weiteres Stück seiner Würde genommen. Der Westen wird im Sinne des üblich gewordenen Schimpfwortes, du Opfer, zu einem solchen Opfer degradiert ... Der Westen hat schon lange keine Idee mehr. Er schwelgt überheblich, lässig, aber eben vor allem fahrlässig in Selbstverleugnung und hält dies für die höchste Stufe der kulturellen Entwicklung der Menschheit. Das ist vor allem das im Prinzip kriminell zu nennende Machwerk der Kaste der sogenannten Westintellektuellen, die man standardmäßig Linksintellektuelle nennt.“

 

 

Der britische Ökonom Paul Collier rät im „Spiegel“ (6. Ok­tober) zu drastischen Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung:

„Wir bieten diesen Menschen einen Anreiz, ihr Leben wie beim russischen Roulette aufs Spiel zu setzen. Denn sobald ein Flüchtling einen Fuß auf den Strand von Lampedusa setzt, hat er mehr Rechte, als wenn er die Reise nicht angetreten hätte ... Wir müssen sie zurück in die Heimat schicken und dadurch die illegalen Routen nach Europa so unattraktiv wie möglich machen, auch wenn das hart klingt. Der einzige Weg nach Europa muss der legale sein. Wenn wir das nicht tun, werden weiterhin Tausende ertrinken.“

 

 

Ulrike Demmer fordert im „Focus“ (6. Oktober), dass sich Politik und Gesellschaft wieder mehr für die Bundeswehr interessieren:

„Im Kalten Krieg verteidigte der deutsche Soldat die demokratische Grundordnung auf dem Truppenübungsplatz und hinter dem Schreibtisch. Töten oder ums sein Leben fürchten musste er nie. Heute ist die Bundeswehr eine Armee im Einsatz. Die Aufmerksamkeit hat es kaum gesteigert. Die Kluft zwischen Bundeswehr und Gesellschaft hat sich stetig vergrößert ... Im Straßenbild sind Soldaten unsichtbar. Zwar werden sie nur noch selten als Mörder beschimpft, dafür sind sie angesichts der Pannenserie zur Lachnummer der Nation mutiert. Das haben sie nicht verdient.“

 

 

Andreas Theyssen sagt der Türkei im „Cicero“ (13. Oktober) ein böses Erwachen nach dem Fall Kobanes voraus:

„Anstatt den IS-Terror zu bekämpfen, sieht sie seelenruhig zu, wie sich direkt vor ihrer Haustür das IS-,Kalifat‘ etabliert. Was dies bedeutet, wird Ankara wohl erst begreifen, wenn die IS-Milizen in der Türkei einfallen. Etliche IS-Anhänger haben bereits angekündigt, dass die Türkei das nächste Angriffsziel sein wird.“