20.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 46/14 vom 15.11.2014

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Freiheit in Gefahr
Bei Verboten der »HoGeSa«-Demonstrationen geht es nicht nur um Gewaltprävention

Ginge es nur um die Verhinderung von Gewalt, müssten seit Jahrzehnten zahlreiche Demonstrationen von Linksextremen verboten werden. Die Debatte verrät aber, dass vor allem die Gesinnung stört.

Das politische Deutschland kommt nicht zur Ruhe angesichts der unerwartet breiten Unterstützung der „Hooligans gegen Salafisten“-Demonstration („HoGeSa“) von Köln Ende Oktober. Offenbar brennt die Szene auf Wiederholungen. In mehreren Großstädten wurden Aufmärsche an- und wieder abgemeldet. Ob es an diesem Wochenende zu Kundgebungen kommt, ist nicht vorherzusehen.

Die Beunruhigung darüber hat eine Debatte losgetreten, die sich in eine brandgefährliche Richtung entwickelt. Allenthalben werden Verbote einschlägiger Demonstrationen verhängt oder zumindest gefordert. Nur zum Teil geht es hier um Gewaltprävention, die nicht zu beanstanden wäre. Unübersehbar aber mischen sich weltanschauliche Motive in die Diskussion. Wie bereits berichtet, blieben die Ausschreitungen in Köln weit hinter dem zurück, was die Republik von linksextremen Exzessen unzählige Male in den vergangenen Jahrzehnten aushalten musste. Bei einer linken Demo wurde 1982 sogar ein Polizeibeamter erschossen.

Gegen „HoGeSa“ wird indes auch ihre angeblich besondere politische Gefährlichkeit ins Feld geführt, um Verbote zu rechtfertigen. Das aber steht im krassen Gegensatz zum Geist des Grundgesetzes und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Unsere Grundordnung garantiert das Recht zur friedlichen Demonstration ohne Waffen für jeden Staatsbürger – und zwar völlig unabhängig von dessen Weltanschauung, die jeder Bürger nach Gutdünken frei wählen kann. Eingeschränkt ist diese Freiheit lediglich dadurch, dass einzelne, genau bezeichnete Symbole und Parolen verboten sind.

Wer nun „HoGeSa“-Aufmärsche verbieten will, weil ihm die dort vermutete Ideologie nicht passt, der hebelt das Grundgesetz an einem entscheidenden Punkt aus. Böse Zungen nennen das den Marsch in die „Gesinnungsdiktatur“.

Die laufende Debatte ist zudem strategisch hochriskant. Zahllose Teilnehmer der Kölner Demonstration wehren sich seit Wochen mit aller Macht gegen den Vorwurf, „rechtsextrem“ zu sein. Die Berichte der Sicherheitsbehörden geben ihnen recht, denn sie bestätigen, dass sich nur vereinzelt Rechtsextremisten unter die Teilnehmer gemischt hatten.

Die Kampagne, die auch alle nicht-extremistischen Demonstranten unter Generalverdacht stellt, sowie weltanschaulich motivierte Verbote aber können eine verhängnisvolle Radikalisierung in Gang setzen. Sie spielen nämlich jenen Extremisten in die Hände, die der gemäßigten Mehrheit schon seit jeher einreden wollen, dass „das System“ an sich der Feind sei und die freiheitlich-demokratische Ordnung bloß dessen verlogene Fassade.

Deutschland muss nun beweisen, wie reif seine Demokratie wirklich ist. Geht der Test schief, wird es ernst. Hans Heckel


Er will Brücken bauen
Bund der Vertriebenen wählt Bernd Fabritius zum neuen Präsidenten

Erika Steinbach (CDU), 16 Jahre lang Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), hat nur selten mit ihren Entscheidungen auch das Wohlwollen linker Medien erhalten. Doch bei ihrer letzten großen Entscheidung an der Spitze des Vertriebenenverbandes stieß die oft von der Presse mit Polemik Überzogene nicht nur in den eigenen Reihen auf vollkommene Zustimmung, auch die Medien goutierten vollständig ihren Vorschlag, Bernd Fabritius (siehe S. 24) zu ihren Nachfolger zu machen.

Am 7. November erhielt nun der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen sensationelle 144 von 146 Stimmen der BdV-Bundesversammlung. Diese überwältigende Mehrheit von 99 Prozent wurde von vielen Medien überrascht zur Kenntnis genommen, hatten viele doch angenommen, dass der

49-jährige CSU-Bundestagsabgeordnete Fabritius bei älteren BdV-Mitgliedern auf Widerstand stoßen würde, da er schließlich kein „echter“ Vertriebener sei. Doch im Vertriebenenverband weiß man schon lange um die Leiden der Deutschen in Rumänien während der Ceau-sescu-Diktatur, über die Fabritius in Interviews im Rahmen seiner Amtsübernahme erst die breite Öffentlichkeit informieren musste. Der Rechtsanwalt sieht sich nun gleich mehrfach in der Funktion des Brückenbauers: erstens zwischen den Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern sowie zweitens zwischen Deutschland und den Vertreiberstaaten. „Im 21. Jahrhundert kann es nicht mehr um die Frage von materiellen Entschädigungen gehen“, sagte er vor allem in Richtung Polen.

Bei der BdV-Bundesversammlung wurde außerdem Stephan Grigat, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, als BdV-Vize wiedergewählt. Bel


Zum Feind erklärt
Parteien, Kirchen und Gewerkschaften gegen »Pegida«-Demonstranten

Zwischen 1700 und 2000 Dresdener haben vergangenen Montag gegen „Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden“ demonstriert. Aufgerufen hatte die Gruppe „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ kurz „Pegida“. Es war bereits die vierte Kundgebung in Folge. Die Teilnehmerzahl hat sich seit der ersten Veranstaltung vervierfacht.

Gegen „Pegida“ gingen rund 200 Gegendemonstranten auf die Straße. Zuvor hatten SPD, Gewerkschaften, Grüne, Kirchenvertreter, Ausländervertreter, die islamische und die jüdische Gemeinde sowie linksextreme Gruppen die „Pegida“-Kundgebungen scharf verurteilt. Durch den Einsatz der Polizei konnten Angriffe auf die „Pegida“-

Demonstranten während der Kundgebung verhindert werden. Auf dem Weg nach Hause indes lauerte ein Gegendemonstrant einem „Pegida“-Teilnehmer auf und schlug diesen.

Im Internet auf Facebook wirbt „Pegida“ mit dem Aufruf „Für Euch, für Eure Familien, für Euer Vaterland“ und stellt symbolisch klar, wogegen man sei: Die Symbole des Islamischen Staats, der Antifa, des Kommunismus und des Nationalsozialismus landen dort im Mülleimer.

Dresdens SPD-Kreisvorsitzender Christian Avenarius rief „alle demokratischen Parteien, die Kirchen, Kultur, Wissenschaft, Sport und Gewerkschaften“ dazu auf, gegen „Pegida“ zu demonstrieren. Der DGB-Chef der sächsischen Metropole, André Schnabel, sagte, die Positionen der „Pegida“ seien „nicht zu akzeptieren“.

Die „Pegida“-Initiatoren sprechen von einer breiten Unterstützung im Volk, Unternehmen spendeten Material, wollten aus Angst vor Repressalien aber meist ungenannt bleiben. Für kommenden Montag ist für 18.30 Uhr die nächste Demonstration angesetzt. H.H.


Rebecca Bellano:
Entwarnung?

Die Erleichterung über das EuGH-Urteil war enorm. Hätte Deutschland jedem EU-Bürger unabhängig davon, ob er zur Arbeitssuche herkommt oder nicht, nach drei Monaten Hartz-IV-Leistungen zahlen müssen, dann wäre das eine Einladung sondergleichen für die weniger bemittelten EU-Bürger gewesen, ihr Glück in Deutschland zu suchen. Die Kosten, die auf den deutschen Staat zugekommen wären, sind unübersehbar gewesen.

Interessanterweise wurde von der Politik gar nicht so sehr das Kostenargument angeführt, sondern die Befürchtung, dass ein aus deutscher Sicht negatives EuGH-Urteil rechtspopulistischen Kräften in Deutschland Vorschub geleistet hätte. So bestand die Sorge, dass die Deutschen dann die von den EU- Begeisterten über alles geschätzte Freizügigkeit negativ bewerten könnten.

Aber völlig unabhängig davon, warum die Entscheidung aus Luxemburg jetzt begrüßt wird, so sollte doch erwähnt werden, dass sie nur einen Teilaspekt der viel debattierten Armutszuwanderung innerhalb der EU aufgreift. Denn schließlich geht es hier nur um „Personen, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen, ohne sich integrieren zu wollen“, so der EuGH-Richter. Wer jedoch zumindest den Anschein erweckt, hier Arbeit zu suchen, vielleicht sogar für einige Monate arbeitet oder ein Gewerbe anmeldet, hat schon jetzt Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. So hat sich die Zahl der selbstständigen Rumänen und Bulgaren, die ergänzend Hartz IV empfangen, binnen zwei Jahren verdoppelt. Zwar handelt es sich derzeit noch um eine überschaubare Personengruppe, doch die Tendenz zeigt noch oben.


S. 2 Aktuell

London und Berlin pokern hoch
In der Zwickmühle: Streit um Zuwanderungsregeln offenbart die schwierige Lage beider Regierungen

Ist Merkel ein EU-Austritt Großbritanniens wirklich so gleichgültig geworden, wie es zeitweise schien? Geht London bis zum Äußersten bei seinen Forderungen? In der Europäischen Union zeichnet sich ein Streit ab, bei dem alle Beteiligten hoch pokern.

In der englischen Sprache nennt man es „brinkmanship“. Das Wort leitet sich von der Vokabel „brink“ ab, die unter anderem „Rand des Abgrunds“ bedeutet. „Brinkmanship“ beschreibt eine Politik, die sich gezielt bis an den Rand der Eskalation bewegt, die auf maximales Risiko setzt, um den Sieg zu erzwingen.

Mehr als nur ein Hauch von „brinkmanship“ wehte in den vergangenen Tagen durch die Auseinandersetzungen zwischen der britischen Regierung, der EU-Führung und der deutschen Kanzlerin. Auf dem Höhepunkt der Rangeleien ließ die Bundesregierung sogar erstmals den Satz kolportieren, dass sie ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU für möglich halte. Ein absoluter Tabubruch, bislang hatte Berlin den Austritt selbst viel unbedeutenderer EU-Staaten, und sollten sie sich auch noch so untauglich zeigen, kategorisch abgelehnt.

Entflammt ist der Streit an zwei Brennpunkten. Getrieben von den EU-Gegnern in seinem Land kündigte der britische Premier David Cameron an, die „Personen-Freizügigkeit“ in der EU einzuschränken und Quoten für Geringqualifizierte einzuführen. Angela Merkel reagierte prompt und erklärte die Freizügigkeit in der EU für „unantastbar“.

Kurz darauf bekam Cameron in Brüssel eine Forderung von 2,1 Milliarden Euro präsentiert, welche das Königreich an die EU nachzahlen solle. War es eine Retourkutsche für Camerons Ankündigungen zur Einwanderungspolitik? Jedenfalls war der Eklat da.

Indes: Cameron muss pokern, denn er steht mit dem Rücken zur Wand. Unlängst haben die EU-Gegner von der Partei Ukip ihren ersten Sitz im Parlament errungen. Bei der Nachwahl in einem Wahlkreis, die nötig wurde, weil der bisher zu Camerons Konservativen gehörende Abgeordnete zur Ukip gewechselt war, holte dieser seinen Sitz, nun für die andere Partei, mit glanzvollen 60 Prozent erneut. Schon am 20. November stehen erneut Nachwahlen an, wieder wird ein Ukip-Erfolg für möglich gehalten.

Nachwahlen sind bisweilen nötig wegen des britischen Mehrheitswahlrechts, bei dem der Kandidat mit den meisten Stimmen im Wahlkreis den Sitz erhält, während alle anderen Stimmen wertlos werden. Es gibt weder Listen noch potenzielle „Nachrücker“, welche in Deutschland solche Nachwahlen überflüssig machen.

Die EU-Skepsis ist auf der Insel seit jeher größer als etwa in Frankreich oder Deutschland. Im Euro ist man ohnehin nicht. Der wachsende Ärger über Brüssel hat die Ukip um ihren Chef Nigel Farage steil aufsteigen lassen. Um dem Zorn den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Cameron den Briten im Falle eines Sieges bei den kommenden Parlamentswahlen im Mai eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU für 2017 versprochen.

Was wie ein verzweifelter Akt des eigentlich EU-freundlichen Premiers aussieht, ist in Wahrheit ein geschickter Schachzug. Es bringt die Ukip-Anhänger in eine schwierige Lage. Sollte Cameron die anstehende Wahl verlieren, ist damit seine Volksabstimmung hinfällig. Die oppositionellen Sozialdemokraten (Labour) wollen nämlich kein solches Referendum. Für Wähler, die zwischen Ukip und den Konservativen schwanken, öffnet sich damit ein Dilemma: Mit ihrer Stimme für Ukip könnten sie Labour den Sieg über Cameron verschaffen und damit die ersehnte Chance, über ein Referendum aus der EU herauszukommen, gefährden.

Aber auch für die deutsche Kanzlerin ist die Lage heikel. Ihr kann es keinesfalls egal sein, ob Großbritannien in der EU bleibt oder nicht. Die Briten sind (trotz eines in den 80er Jahren ausgehandelten Rabatts) kräftige Nettozahler. Zudem stehen sich Briten und Deutsche in ihren Auffassungen zu Staat und Wirtschaft näher, als sie es mit Franzosen oder Italienern tun. Während die germanisch-angelsächsische Tradition eher auf freie Wirtschaft und Leistungsgesellschaft setzt, geben die südlichen EU-Völker eher Staatsdirigismus und Umverteilung den Vorrang. Deutschland stünde ohne die Briten in der EU in vielen Fragen noch isolierter da als ohnehin. Die stark südlastige Machtverteilung in der Euro-Zone gibt einen bitteren Vorgeschmack darauf, was Berlin droht.

Zumal, wenn in Betracht gezogen wird, welche EU-Erweiterungen angepeilt werden. Mit Neumitgliedern wie der Ukraine oder Serbien werden vollends die „Nehmerländer“ das Sagen haben; Deutschland wird zahlen, aber kaum noch über die Verwendung seines hart erarbeiteten Geldes mitbestimmen dürfen, weil umverteilungssüchtige Nehmer stets in der erdrückenden Mehrheit sein würden.

In den ersten Novembertagen haben sich die Gemüter etwas beruhigt. Sowohl in Berlin als auch in London wird Gesprächsbereitschaft signalisiert. Konkrete Ergebnisse werden bis Weihnachten erwartet.

Die Zuwanderungsfrage indes birgt dennoch Zündstoff. Britische Wirtschaftswissenschaftler haben errechnet, dass die sozialen Kosten für die derzeitigen Zuwanderer weit höher liegen als der Nutzen, den die Neuankömmlinge für die britische Wirtschaft erbringen. 77 Prozent der Briten befürworten laut Umfrage eine Begrenzung der Zuwanderung. Selbst in den Reihen von Labour werden Stimmen laut, welche Sympathien für eine Limitierung durchblicken lassen.

Angela Merkel wird sich fragen müssen, ob sie durch Unnachgiebigkeit in Sachen „Freizügigkeit“ einen Austritt der Briten wirklich provozieren will. Die Folgen wären insbesondere für Deutschland teuer und politisch wohl alles andere als positiv. Hans Heckel


Abgehobene Planspiele
Flughafen BER, bis heute ohne Eröffnungstermin, soll erweitert werden

Für einen weitgehenden Verlust des Realitätssinns sprechen Unterlagen der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), die nun bekannt geworden sind. Auch wenn zweieinhalb Jahre nach der geplatzten Eröffnung im Frühjahr 2012 immer noch nicht absehbar ist, wann der Hauptstadtflughafen BER in Betrieb geht, scheint man bereits an einer Wunschliste für milliardenschwere Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen zu arbeiten. Wie „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf interne Papiere der Flughafengesellschaft berichtet hat, summieren sich die entwickelten Ideen auf 3,2 Milliarden Euro zusätzlich. Mit rund einer Milliarde Euro ist alleine eine dritte Startbahn kalkuliert, die die Länder Berlin und Brandenburg als Mitgesellschafter bisher strikt ablehnen. Hinzu kämen nochmals mehr als zwei Milliarden für eine weitere Abfertigungshalle und andere Ausbauten. Aufgeführt sind auch sündhaft teure Extras wie ein 60 Meter hoher Fahnenmast, der auf dem weiträumigen Flughafengelände als Orientierungspunkt dienen soll und ein Willy-Brandt-Denkmal für den Namensgeber des Flughafens, Kostenpunkt jeweils eine halbe Million Euro. Neben der bereits bekannten Sanierung des alten Schönefelder Flughafens für 180 Millionen Euro will das Flughafenmanagement auch die Gepäckanlage für 120 Millionen Euro und das BER-Terminal für 130 Millionen Euro erweitern. Sollten die Erweiterungspläne umgesetzt werden, drohen die Gesamtkosten für den Flughafen auf mindestens 8,6 Milliarden Euro zu steigen. Wie abgehoben die Planspiele der Verantwortlichen mittlerweile sind, wird an der Anfangskalkulation für den Pannenflughafen deutlich: Von 1,7 Milliarden Euro war die Rede, als die Politik 2004 für das Flughafenprojekt um Zustimmung warb.

Flughafenchef Hartmut Mehdorn scheint inzwischen erkannt zu haben, welch verheerenden Eindruck die Erweiterungspläne ausgelöst haben. Im Aufsichtsrat haben die dort bisher unbekannten Papiere das Misstrauen gegen Mehdorn weiter wachsen lassen. In einem aktuellen Schreiben an die Kontrolleure versucht der Flughafenchef, die Wogen zu glätten. „Es sind uralte Papiere“, so der eine Beschwichtigungsversuch von Mehdorn. Zum anderen spricht er von ferner Zukunftsmusik: Es handele sich um einen strategischen Ausblick über das Jahr 2035 hinaus, so Mehdorn auf einer Pressekonferenz. Auffällig bemüht war Mehdorn, den Verdacht auszuräumen, für den BER sei eine dritte Startbahn geplant. Der Londoner Großflughafen Heathrow bewältige auf zwei Bahnen jährlich 95 Millionen Passagiere. „Warum sollen wir das nicht auch können?“, so Mehdorn.

Aus Sicht des Flughafenchefs sind die kostspieligen Erweiterungspläne zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gelangt. Der Termin, an dem verkündet werden soll, wann der Flughafen BER endlich eröffnet wird, steht Medienberichten zufolge nämlich auf der Kippe. Zwar wurde angekündigt, dass Mehdorn auf einer Aufsichtsratssitzung am 12. Dezember einen Eröffnungstermin nennt, inzwischen häufen sich jedoch die Hinweise, dass auch dieser Verkündungstermin wieder verschoben wird. Norman Hanert


Waffen für Al-Nusra
Syrien: »Moderate« Rebellen laufen über

Einen schweren Rückschlag haben die Bemühungen der USA erlitten, eine Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu bilden. Wie der britische „Daily Telegraph“ berichtet, haben sich die zwei wichtigen „moderaten“ Rebellengruppen „Harakat Hazm“ und „Syrische Revolutionäre Front“ der Al-Nusra-Front, dem örtlichen Ableger von Al-Kaida, ergeben. Aus Sicht Washingtons ist diese Entwicklung gleich in mehrfacher Hinsicht heikel. Es liegen Berichte vor, dass Harakat-Hazm-Kämpfer teilweise ihre Positionen kampflos aufgegeben haben und sogar übergelaufen sind. Als regelrechter Albtraum kann gelten, dass der Al-Kaida-Ableger damit in den Besitz hochmoderner Waffen gelangt ist. Um sie im Kampf gegen den Islamischen Staat zu stärken, haben die USA die beiden Gruppen in den letzten sechs Monaten sowohl mit Panzerabwehrraketen, als auch mit Grad-Geschosswerfern aufgerüstet.

Bestätigt fühlen kann sich durch diese Entwicklung der Geheimdienst CIA. Wie die „New York Times“ am 14. Oktober berichtet hat, ist der US-Geheimdienst bereits im vergangenen Jahr in einer Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass die Bewaffnung von Rebellen nur selten zum Erfolg führt. Waffenlieferungen führen offenbar nicht dazu, Konflikte zugunsten der eigenen Interessen zu entscheiden, so das Fazit der Untersuchung, die für US-Präsident Barack

Obama klären sollte, ob die Bewaffnung von Rebellen jemals erfolgreich gewesen ist. Als besonders wirkungslos wurde die Bewaffnung von Milizen eingeschätzt, wenn diese ohne direkte Unterstützung der US-Amerikaner in den Bodenkampf zogen und lediglich mit Waffen versorgt worden waren. Als einzige Ausnahme wird dem Bericht zufolge die Bewaffnung afghanischer Mudschaheddin-Kämpfer gegen die Sowjetarmee angesehen.

Trotz pessimistischer Prognose der Geheimdienstler soll Präsident Obama im April 2013 der CIA den Aufrag erteilt haben, in Jordanien ein Programm zur Bewaffnung syrischen Rebellen aufzunehmen. N.H.


MELDUNGEN

Albanien provoziert

Belgrad – Der erste Besuch des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama in Serbien seit sieben Jahren wurde als großes Zeichen der Annäherung der beiden Staaten seit dem Krieg 1999 vorab gefeiert. Brüssel träumt davon, die ehemaligen Staaten Jugoslawiens über die EU wieder zusammenzuführen. Seit Kurzem sind Albanien und Serbien auch EU-Beitrittskandidaten. Doch Ramas Rede in Belgrad machte deutlich, dass es der Albaner mit der Versöhnung nicht erst meint, denn er las seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic die Leviten, weil dieser die Unabhängigkeit des Kosovo, über Jahrhunderte Teil Serbiens, nicht anerkennt. Dieser reagierte wie erwartet empört. Bel

 

Sparkommissar gibt auf

Rom – Während Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi jede Forderung der EU nach mehr Sparanstrengungen abtat, packte völlig unbemerkt vom deutschen Medieninteresse der italienische Sparkommissar Carlo Cottarelli seine Koffer, um nach etwas mehr als einem Jahr in seinem Heimatland resigniert zu seinem alten Arbeitgeber, dem Internationalen Währungsfonds, zurückzukehren. Der 60-Jährige war 2013 noch vom damaligen Regierungschef Enrico Letta engagiert worden, um innerhalb von drei Jahren Sparmöglichkeiten im italienischen Staatshaushalt zu finden. Schnell wurde Cottarelli fündig, doch bei Parteien wie Gewerkschaften stieß er auf Widerstand. Ob Verkleinerung des öffentlichen Fuhrparks, Abschaffung von Geschäftsführern von kommunalen Unternehmen, die gar keine Mitarbeiter haben, sondern nur bewusst als Versorgungsposten geschaffen wurden, oder effiziente Gebäudenutzung, stets erlebte Cottarelli Ablehnung und daher kündigte er seinen Vertrag entnervt vorzeitig auf. Bel


S. 3 Preussen/Berlin

»Gender« statt Geschichte?
Berliner Senat will den Lehrplan der Schulen weiter drastisch umbauen – breite Kritik

Der Senat plant den Geschichtsunterricht mit anderen Fächern zu vereinen. Auch auf die Inhalte hat Rot-Schwarz es abgesehen: Die Beschäftigung mit Einwanderung, Geschlechterrollen und Epochen Übergreifendem verdrängen Fakten und deutsche Geschichte.

Kaum hat Berlins Politik begonnen, sich ansatzweise von dem einen schulpolitischen Sonderweg, der Einschulung Fünfjähriger an Grundschulen, zu verabschieden, plant sie einen nächsten: die Abschaffung des klassischen Geschichtsunterrichts an weiterführenden Schulen.

In der fünften und sechsten Klasse wird demnach Geschichte als eigenständiges Fach aufgegeben und ab dem Schuljahr 2015/2016 mit Erdkunde und Politischer Bildung zusammengelegt. So sehen neue Rahmenpläne der Bildungsverwaltung künftig das vereinte Fach „Gesellschaftswissenschaften“ vor. Mehr „Kompetenzerwerb“ und weniger Fakten soll es geben.

In der siebten und achten Klasse ist dann zwar dem Namen nach wieder Geschichte auf dem Stundenplan vorgesehen, allerdings ändern sich auch hier die Inhalte. In der Mittelstufe entfällt die Chronologie zugunsten sogenannter Längsschnitte. Die Bildungsverwaltung will Geschlechterrollen, Einwanderung oder Bildung und Erziehung dabei zu verpflichtenden Themen erheben. Statt über Karl den Großen und den Dreißigjährigen Krieg in der jeweiligen zeitliche Abfolge sprechen die Schüler dann nur noch aus einem bestimmten Blickwinkel über diese Themen. Hinzu kommen dem heutigen Zeitgeist entsprechende Fragen zu Geschlechterrollen („Gender“).

Das werde den Blick auf die Eigengesetzlichkeit und das Denken früherer Epochen kaum fördern, fürchten Kritiker. Sie mahnen zudem, die drei gedachten Wochenstunden für das neue Fach in der sechsten und siebten Klasse seien zu wenig. Bisher waren es je eine Stunde Geografie, Politik und Geschichte. Das klassische Wissen um bedeutende Menschen, Epochen und Zusammenhänge wähnt selbst der Befürworter Robert Rauh, Berlins „Lehrer des Jahres 2013“ und Geschichtslehrer, in Gefahr: „Damit geht den Schülern das historische Basiswissen verloren.“ Er sieht das Konzept ab Klasse 7 eher als passend für die Oberstufe.

Erst im Juni hatte der Pädagoge Rudolf Rüter, der sich in der Vereinigung „Pro Geschichte“ engagiert, im Internetauftritt der Lehrergewerkschaft GEW Berlins Geschichtsunterricht kritisiert: „Eine Stunde reicht nicht.“ Lernziele und Wirklichkeit klaffen demnach schon jetzt auseinander. „Für die anspruchsvollen Lernziele und einen effektiven und interessanten Unterricht fehlt die wichtigste Grundvoraussetzung: Unterrichtszeit.“ Und: „Geschichtsunterricht findet zwar noch statt, aber die Ergebnisse können unter diesen Bedingungen nur völlig unzureichend sein“, so das Expertenurteil mit Blick auf Berlins Sekundarschulen.

Das weit verbreitete Argument, dass Zahlen und Fakten im Internet stünden und folglich Schülern wie Lehrern unangenehmes Auswendiglernen und Benoten erspart werden könne, prägt erkennbar die Handschrift der Reform. Studien der vergangenen Jahre legen nahe, dass Schüler sich mit Geschichte schwerer tun als frühere Generationen – bequem ist es daher, Ansprüche aufzugeben. Der Senat kündigt an, zusätzlich „übervolle Lehrpläne“ auszudünnen und das Bleibende „verbindlicher machen“ zu wollen. Als Vorbild für die Reform nennt die Politik die bereits erfolgte Zusammenfassung der Fächer Biologie, Physik und Chemie zum vernetzten Fach Naturwissenschaft.

Bei so viel Umgestaltung drängt sich bei Kritikern der Verdacht auf, dass die vermeintlich dem pädagogischen Fortschritt geschuldete Aktion eine Sparmaßnahme ist. Thorsten Metter, Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), entgegnet jedoch, es werde nichts gekürzt: „Die Stundentafel für das neue Fach ist die der drei einzelnen Fächer.“ In Sachen Lehrer-Logistik hat die radikale Umgestaltung indes einen kaum zu leugnenden Vorteil: Der fächerübergreifende Ansatz bringt Kostenvorteile, weil Lehrer umfangreicher beschäftigt und außerhalb ihrer Fächer eingesetzt werden können. So warnt die AfD-Opposition davor, „die Orientierung des Schulunterrichtes an Fächern und Inhalten weiter zu untergraben“.

Die Reform will indes noch mehr: Der Senat rückt Medien in den Vordergrund. So ist ein Basislehrplan für Sprach- und Medienbildung vorgesehen nebst Gewaltprävention und Demokratieerziehung. Inwieweit die Reform die Schultore für weltanschaulich vereinnehmbare Ziele öffnet, zeigt sich Ende November, wenn die Bildungsverwaltung Näheres zu den Plänen bekanntgibt.

Bis dahin bleibt noch Zeit zu diskutieren: Nicht nur droht Schülern laut Skeptikern der Reform der Anschluss an die eigene Kultur und Vergangenheit und damit auch das Verständnis für vergangene Generationen verloren zu gehen, die neuen Ziele stehen auch über den objektivierbaren Fakten. Der Beschäftigung mit Geschichte, die traditionell der Identitätsstiftung dient, kommt in Zeiten hoher Ausländeranteile in Großstadtschulen eine zentrale integrierende Rolle zu, die ein zeitgeistig verschlagworteter Kurzunterricht kaum wird erbringen können.

Sverre Gutschmidt


Katastrophen
von Theo Maass

Katastrophen kündigen sich auch dadurch an, dass versucht wird, sie zu vertuschen. Betroffene und Steuerberater berichten, das Finanzamt Potsdam werde nur noch tätig, wenn Beträge von Bürgern einzutreiben seien, die Rückerstattung überbezahlter Steuern dagegen – insbesondere bei größeren Summen – werde verschleppt. Ein Hinweis darauf, dass der Staat einer Pleite entgegengeht? Landauf, Landab sind die politisch Verantwortlichen in Brandenburg dabei, für wirkliche oder vermeintliche „Flüchtlinge“ Wohnraum zu beschaffen. Wohnheime werden, bevor die Neuankömmlinge dort einziehen, aufwendig renoviert. Zwar finden gelegentlich Bürgerversammlungen in den betroffenen Gegenden statt, aber Proteste werden im Keim erstickt. Entweder sind Rollkommandos der Antifa, von Hausbesetzern oder „Flüchtlings“-Aktivisten vor Ort, um kritische Stimmen sofort zu unterbinden, oder Integrationsbeauftragte appellieren an die Gutmenschlichkeit.

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) scheint das Problem erkannt zu haben, denn das Platzen des Kessels soll – wenn es schon nicht zu vermeiden ist – möglichst weit hinausgeschoben werden. Seine neue „Geheimwaffe“ ist der neue Brandenburgische Innenminister Karl-Heinz Schröter (auch SPD). Von dem bisherigen Landrat des Kreises Oberhavel werden „schreckliche“ Dinge berichtet. In seinem Landkreis erhalten die Neuankömmlinge kein Bargeld, sondern „nur“ Gutscheine, mit denen die „Flüchtlinge“ in vom Kreis bestimmten Verkaufsstellen die ihnen zustehenden Dinge holen können. Von der Linkspartei, die offenbar hofft, mit den Fremden nach deren Einbürgerung eine neue Wählerklientel zu bekommen, kam Protest gegen Schröters Ernennung. Die linksextreme Internetplattform „Indymedia“ fordert „Bleiberecht für langjährig Geduldete!“ und legt offen, wie so ein Bleiberecht am besten erwirkt wird: „Diese Forderung ist so alt wie das Phänomen der Duldung von Flüchtlingen, deren Asylantrag zwar abgelehnt ist, aber deren Abschiebung aus unterschiedlichen Gründen ausgesetzt ist. Letzteres zumeist, weil nicht an der eigenen Abschiebung mitgewirkt wurde.“ Man muss also bloß die Anweisungen deutscher Behörden lange genug ignorieren, dann kommt das Bleiberecht irgendwann von allein.

Ob Schröter nun der Mann ist, der tatsächlich das geltende Recht durchsetzt und alle abgelehnten Asylbewerber zumindest aus Brandenburg hinausschaffen lässt – was die hausgemachten Probleme mit einem Schlag lösen würde – wird sich zeigen. Oder fabriziert er nur Worthülsen und halbe Maßnahmen zur Beruhigung der Bürger? Als Innenminister hätte Schröter die Gelegenheit und auch die Macht, das Notwendige zu veranlassen.


Kunst und Kommerz
Wirtschaft unterstützt Projekte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) kann in Zukunft auf finanzkräftige Partner aus der Wirtschaft setzen. Führende deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bank, Bayer, Bertelsmann, Daimler, SAP, Siemens oder das ZDF sind in dem neuen Fördergremium Kuratorium Preußischer Kulturbesitz vertreten, das die SPK bei kulturellen Projekten finanziell unter die Arme greift und die Stiftung bei ausgewählten Aktivitäten im Museumsbereich unterstützt.

Helmut Parzinger, Präsident der SPK seit 2008, kann sich die Unterstützung aus der Wirtschaft als Erfolg anschreiben lassen. „Mit dem Kuratorium Preußischer Kulturbesitz hat die SPK starke Partner für künftige Herausforderungen an der Seite“, ließ er ausrichten. Die Herausforderungen liegen vor allem im Humboldt-Forum. Denn nach Fertigstellung des neu rekonstruierten Berliner Stadtschlosses soll die gesamte Sammlung der außereuropäischen Kunst der SPK aus dem Museumszentrum Dahlem in das Schloss verlegt werden.

Mit dem neuen Kuratorium wurden also Weichen für die Zukunft gestellt. Deshalb löst es auch das Kuratorium Museumsinsel ab, das zwischen 2001 und 2013 ausgewählte Projekte für das Weltkulturerbe unterstützte. Das Engagement des neuen Gremiums erstreckt sich hingegen auf das gesamte Portfolio der Stiftung, zu dem die Staatlichen Museen mit ihren 19 Standorten, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv, das Staatliche Institut für Musikforschung und das Ibero-Amerikanische Institut zählen.

Dem neuen Kuratorium stehen jährlich eine Million Euro zur Verfügung, von der schwerpunktmäßig Projekte der Staatlichen Museen und des Humboldt-Forums profitieren sollen. Davon soll auch eine dort stattfindende Medientagung im kommenden Jahr mitfinanziert werden.

Der Kuratoriumsvorsitzende Thomas Strauß von der Deutschen Bank spricht denn auch davon, dass er mit dem Engagement „die Kultur in Berlin, in Deutschland stärken“ wolle. So positiv finanzielles Engagement von Wirtschaftsunternehmen auch sein mag und es die Berliner Kultur aufwertet, so sind dabei doch immer auch Eigeninteressen mit im Spiel. Bei den vom Kuratorium geförderten Projekten wird man sich daran gewöhnen müssen, dass die beteiligten Firmen dann mit ihren Werbe-Logos in Erscheinung treten und Einfluss auf die kulturellen Schwerpunkte der Stiftung nehmen werden. H. Tews


Brücke der Angst
Verbindung über die Neiße schreckt Bürger

Mit deutlicher Skepsis haben Bewohner des Ortes Coschen nördlich von Guben die feierliche Einweihung der „Neißewelle“, einer neuen Brücke über die Neiße, begleitet. Bei dem am 3. November freigegebenen Bau handelt es sich um die erste neue Brückenverbindung an Oder und Neiße seit Jahrzehnten. In der Region herrscht Furcht vor einem weiteren Ansteigen der Grenzkriminalität. „Wir fürchten, dass die Brücke ein neuer Übergang für Diebe wird“, so ein Anwohner.

Für die Sorge gibt es Gründe. In dem abgelegenen 350-Seelen-Dorf Coschen und den Nachbarorten haben sich auch schon ohne Brücke in den vergangenen Jahren Einbrüche und Diebstähle spürbar gehäuft. Betroffene berichten von gestohlenen Rasenmähern, Mopeds und Fahrrädern bis hin zur verschwundenen Bereifung eines auf dem heimischen Hof abgestellten Autos.

Medienberichten zufolge ist die „Neißewelle“ von polnischen Dieben bereits für Beutezüge genutzt worden, als sie sich noch im Bau befand. So ist der Firma, die Ende 2013 an den Fundamenten der Brücke gebaut hat, regelmäßig Diesel abgezapft und Werkzeug entwendet worden. Errichtet worden ist die 101 Meter lange und knapp 5,5 Millionen Euro teure „Neißewelle“ an der Stelle, an der bis 1945 eine Holzbrücke Coschen mit Seitwann [Zytowan] verbunden hat.

Einer der Protestler ist Günter Fromm aus Eisenhüttenstadt.

Mit seiner Plakat-Inschrift „In Coschen bauten wir den Diebesbanden eine Brücke ...“ nimmt der Mann Bezug auf die Kriminalität im deutschen Grenzgebiet zu Polen. N.H.


Sozialkosten steigen rasant

Immer mehr soziale Transferleistungen muss das Land Berlin für Menschen aufbringen, die keine oder zu geringe eigene Einkünfte haben. 2013 stiegen die Ausgaben um 3,7 Prozent auf über 1,6 Milliarden Euro. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung zahlen die Berliner Ämter 474 Euro für jeden Einwohner der Stadt. Um 7,9 Prozent auf rund 400 Millionen Euro sind die Nettoausgaben für die Grundsicherung im Alter gestiegen. Neben etwa 499000 Altersrentnern beziehen weitere 463000 Erwerbsminderungsrentner „Grundsicherung“. Entgegen den Verlautbarungen der Politik sinkt das Rentenniveau. Zusätzlich belasten die zugewanderten Ausländer in wachsendem Maße die Sozialkassen. 2014 dürften die Belastungen weiter zugenommen haben. Wer als Asylbewerber nach Deutschland kommt, erhält sofort soziale Leistungen. Einer Studie aus dem Jahre 2010 zufolge waren damals 28 Prozent aller Hartz-IV-Empfänger keine Bundesbürger. H.L.


S. 4 Hintergrund: Salafismus

Vom Kern abgelenkt
Bei der Salafismus-Bekämpfung werden die Problem-Ursachen gezielt verschleiert

Wegen ihrer engen Verflechtungen mit den Terrorbanden des Islamischen Staates sowie der zunehmenden Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft, bei der die Hooligan-Proteste nur die Spitze des Eisbergs darstellen, sind die Salafisten derzeit in aller Munde. Das birgt sowohl Chancen als auch Risiken.

Zum einen wächst derzeit die Einsicht, dass man den Salafismus nicht länger verniedlichen oder gar ganz ignorieren kann, wie es bis etwa 2010 gängige Praxis war. Zum anderen führt die derzeitige Fokussierung auf die Salafisten aber auch dazu, dass alle anderen Spielarten des Islamismus beziehungsweise die Gewaltbereitschaft, die dem ganz normalen Islam innewohnt, unter den Tisch fallen. Als gefährlich gilt jetzt faktisch nur noch eine winzige Minderheit, die gerade einmal 0,1 Prozent der Muslime hierzulande ausmacht. Zudem trennen manche Experten zwischen Alt- und Neo-Salafisten sowie den terroristischen „Heiligen Kriegern“ und einem konservativen salafistischen Flügel, der die Gesetze achte – das lässt das Phänomen der muslimischen Aggressivität vollends zur Randerscheinung werden.

Gleichzeitig wächst die Tendenz, den Salafismus zum hausgemachten Problem zu erklären. Man denke da nur an die Aussagen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, wonach die Salafisten mit deutschem Pass, die nun im Nahen Osten für den Islamischen Staat kämpfen, „unsere Söhne und Töchter“ seien, weswegen „wir für deren Radikalisierung Verantwortung“ trügen. Damit liegt der CDU-Politiker voll und ganz auf der Wellenlänge türkischer Verschwörungstheoretiker, die behaupten, bösartige autochthone „Kevins“ würden die sanften „Murats“ zum Salafismus verführen.

Allerdings gibt es tatsächlich viele Konvertiten urdeutscher Herkunft, die islamisch-korrekter als die Alt-Muslime mit Migrationshintergrund auftreten. Das hängt mit dem Bemühen der Bekehrten zusammen, durch besondere Glaubensstrenge zu glänzen, um so ihre frühere „Gottlosigkeit“ wettzumachen – und da bietet sich die Hinwendung zum islamischen Fundamentalismus natürlich besonders an. Doch dies ist nicht den Nichtmuslimen in der Bundesrepublik anzukreiden. Außerdem kommt die weltanschauliche Inspiration komplett von außen: Die Salafisten hierzulande sowie auch in Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz sind allesamt geistige Ziehkinder von stockkonservativen Vordenkern aus dem Nahen Osten. Gleichfalls sollte man die massiven Finanzspritzen aus Staaten wie Saudi-Arabien und Katar beachten, ohne die es keine Ko-ranverteilungen und ähnliche kostenaufwendige Missionierungsaktionen gäbe.

Ansonsten lehrt ein nüchterner Blick auf die Gedankenwelt des Salafismus, dass derselbe lange nicht so weit vom ideologischen Kern des Islam entfernt ist, wie immer wieder kolportiert wird. Letztendlich streben die Salafisten vor allem danach, das gesamte öffentliche und private Leben an den Prinzipien des Korans und dem Beispiel des Propheten Mohammed und seiner unmittelbaren „rechtgläubigen“ Nachfolger auszurichten – und da besteht lediglich ein gradueller, aber kein grundsätzlicher Unterschied zum Denken und Handeln der übrigen Muslime, sofern diese es mit den unveräußerlichen Lehren und Traditionen ihrer Religion einigermaßen genau nehmen. Deshalb werden die Salafisten auch häufig von den Vertretern des orthodoxen Islam gedeckt oder verteidigt, wie das zum Beispiel in der Salafisten-Hochburg Bonn der Fall ist. Insofern ist die Behauptung, dass der Salafismus eine extreme Abweichung vom „wahren“ Islam darstelle, die weniger Religion als vielmehr aktionistische Jugendbewegung gesellschaftlicher Verlierer und Außenseiter sei, nicht korrekt. Wolfgang Kaufmann


Bedrohung verschlafen
Verfassungsschutz und BKA haben Gefahrenpotenzial verkannt

Salafisten sind in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre präsent. Und genau ab diesem Zeitpunkt hätten sie auch unter intensiver Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen müssen. Schließlich ist der Salafismus ein Frontalangriff auf unser Grundgesetz. Das gilt sowohl für die Auffassung, dass Allah der einzig legitime Herrscher und Gesetzgeber sei, als auch für das Bestreben, einen Gottesstaat zu errichten, der ebendiesem theokratischen Prinzip folgt. Stattdessen aber hat der Verfassungsschutz den Aufstieg dieser extrem gefährlichen Spielart des islamischen Fundamentalismus weitestgehend verschlafen. So findet sich der erste Hinweis auf „salafistische Bestrebungen“ erst im Verfassungsschutzbericht für 2010, der am 1. Juli 2011 vorgestellt wurde – vier Monate nach dem Mordanschlag eines Salafisten auf dem Frankfurter Flughafen.

Darüber hinaus wirken die Aussagen der Kölner Schlapphüte selbst heute noch erstaunlich hilflos. So klagen sie permanent darüber, dass sich die salafistischen Gruppierungen hierzulande „durch schwer erkennbare und dynamische Netzwerkbildungen und Hierarchien auszeichnen“, was eine Beobachtung erschwere. Das ist vermutlich der Grund, weshalb der Verfassungsschutz vorrangig Zählarbeit betreibt (6300 Salafisten sollen angeblich in Deutschland leben), wonach die Führungsspitze gebetsmühlenartig „Besorgnis“ äußert. Allerdings nur in gedämpfter Form, denn letztendlich halten die Wächter über unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nur die verschwindend kleine Minderheit der dschihadistischen Salafisten für gefährlich, wohingegen sie in den Konservativen kein Problem sehen: Laut einer Aufklärungsbroschüre des Verfassungsschutzes positionieren sich die Letzteren „ostentativ gegen Terrorismus, heben den friedfertigen Charakter des Islams hervor und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt“. Und diese Annahme, die von Fachwissenschaftlern wie Peter Wichmann als falsch charakterisiert wird, weil jede Form des Salafismus demokratiefeindlich sei, veranlasste den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zu der Äußerung: „Ich glaube, wir haben die Lage ganz gut im Griff.“ Das war am 25. September dieses Jahres – zwölf Tage später tobten auf unseren Straßen die ersten Schlachten zwischen Salafisten und Kurden.

Einen ähnlichen Optimismus verbreitet Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), dem auch die Terroristenbekämpfung obliegt: Zwar habe die radikalsalafistische Szene in Deutschland nun schon an die 1000 Mitglieder, darunter 230 sogenannte Gefährder, bei denen man davon ausgehen müsse, dass sie „Straftaten von erheblichem Ausmaß“ begehen könnten, aber es gebe ja die bestens aufgestellten Sicherheitsorgane, die das nach Kräften verhindern werden. Ziercke ließ allerdings unerwähnt, wie hilflos die Polizei bisher bei salafistischen Ausschreitungen agiert hat. Und die Bombenleger von Köln und Bonn haben nur deshalb kein Blutbad angerichtet, weil sie unfähig waren, einen funktionsfähigen Sprengsatz zu basteln – was sich nicht als Erfolg der „wehrhaften Demokratie“ verbuchen lässt. W.K.


Salafismus und Islam sind fest verwoben

Der Salafismus steht eindeutig für den Islam in dessen reinster, weil ursprünglichster Form. Dies ergibt sich schon allein aus seinem Namen, der auf die „ehrwürdigen, rechtschaffenen Vorfahren“ (arabisch: as-Salaf as-Salih), das heißt die allerersten drei Generationen von Muslimen, Bezug nimmt. Zudem reichen die Wurzeln des Salafismus bis ins

9. Jahrhundert zurück. Damals ermahnte der Rechtsgelehrte Ahmad Ibn Hanbal (780–855) die islamische Welt, sowohl im Glauben als auch in der praktischen Lebensführung an den Traditionen der Gründerzeit festzuhalten oder diese zu restaurieren, wo es schon zu modernistischen Abweichungen gekommen sei.

Ganz ähnlich sah dies später Ahmad Ibn Taymiyya (1263–1328), dessen Schriften den Salafismus am meisten geprägt haben. Und es ist nicht erkennbar, dass sie als „ketzerisch“ gebrandmarkt wurden oder werden – aber welcher Moslem könnte auch ernsthaft der Forderung widersprechen, die vom Propheten Mohammed begründete Religion, die direkt auf das Wirken Allahs zurückgehe, dürfe keinesfalls durch spätere oder gar unislamische Einflüsse verfälscht werden?

Ja, mehr noch: Nachdem der charismatische Prediger Muhammad Ibn Abd al-Wahhab (1703–1792) dieselbe Rückwendung zu den Anfängen proklamierte wie Ibn Hanbal und Ibn Taymiyya, avancierte der später nach ihm benannte, ultrakonservative Wahhabismus, der dem Salafismus gleicht wie ein Ei dem anderen und mit diesem auf eine Stufe gestellt wird, zur Staatsreligion im Reiche der Saud (heute: Saudi-Arabien), dem Mutter- und Kernland des sunnitischen Islam. Darum ist es unmöglich, zwischen Islam und Salafismus zu differenzieren: Beide sind fest miteinander verwoben. W.K.


Zeitzeugen

Nicholas J. Alden – Am 2. März 2011 wurde der 25-jährige Senior Airman der US-Luftwaffe aus Williamston (South Carolina) auf dem Flughafen von Frankfurt am Main durch gezielte Schüsse aus nächster Nähe getötet. In gleicher Weise starb Airman 1st Class Zachary R. Cuddeback aus Charlottsville (Virginia). Mörder der beiden war der Kosovo-Albaner Arid Uka, dem damit das erste Attentat eines Salafisten auf deutschem Boden gelang.

Ibrahim Belkaid – Als eine der drei Galionsfiguren des Salafisten-Netzwerkes „Die Wahre Religion“, das unter anderem auch die Koranverteilungsaktionen organisiert, verkündete Belkaid alias Abu Abdullah in einem Vortrag mit dem Titel „Die Belohnung eines Märtyrers auf Allahs Weg“ unter explizitem Bezug auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan: „Ihr greift uns an und wir verteidigen uns. Das ist doch das Logischste, was es gibt.“

Bernhard Falk – Nach seiner „Karriere“ bei der linksextremistischen Terrorgruppe „Antiimperialistische Zellen“ konvertierte Falk in der Haft zum Islam und schloss sich der salafistischen Szene an. 2012 forderte er „die Errichtung eines internationalen Kalifat-Staates“ unter Einbezug der Bundesrepublik.

Karim Lakhal – Der Sprecher des „Rates der Muslime in Bonn“, der im Internet unter dem Pseudonym Abu Ridwan operiert, musste im Januar von seinem Amt zurücktreten, weil er mehrfach dazu aufgerufen hatte, Benefizveranstaltungen des Salafistenvereins „Helfen in Not“ zu besuchen. Dieser ist dafür bekannt, dass er von Spenden finanzierte Krankenwagen nach Syrien verschifft, wo sie dann von den „Heiligen Kriegern“ als Truppen- und Waffentransporter genutzt werden.

Hans-Georg Maaßen – Ende Ok-tober charakterisierte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz den typischen deutschen Salafisten mittels einer „Vier-M-Formel“: Er habe einen Migrationshintergrund und jede Menge Misserfolge hinter sich, sei männlich – und Moslem. Angesichts des Umstandes, dass die Salafisten nun bereits seit zwei Jahrzehnten auf deutschem Boden agieren, wurden die „Erkenntnisse“ von Experten als erschütternd banal kritisiert.


S. 5 Deutschland

Unter der Decke brodelt es
Parteitag der Grünen soll im Zeichen der Harmonie stehen, obwohl ein reinigendes Gewitter notwendig ist

„Wir brauchen keine Nabelschau, keine gegenseitigen Ermahnungen“, heißt es in dem Antrag „Grüner Aufbruch 2017“ für den Parteitag der Grünen am kommenden Wochenende in Hamburg, doch es zeichnet sich ab, dass sich die desolate Lage der Partei nicht durch gesundbeten bessert.

Dafür spricht unter anderem, dass gerade der pastorale Stil von Katrin Göring-Eckardt eines der großen Probleme der Partei darstellt. Zwar hat sie ihr Amt als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) schon im Frühjahr 2013 abgegeben, als sie zusammen mit Jürgen Trittin als Doppelspitze für die Grünen im Bundestagswahlkampf stritt, doch ihr Auftreten hat sich seitdem nicht verändert. Und da auch Trittins Nachfolger an ihrer Seite, der Bayer Anton Hofreiter, ähnlich zurückhaltend auftritt, herrscht an der Basis der Partei eine große Unzufriedenheit mit den beiden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Obwohl eine von nur zwei Oppositionsparteien werden die Grünen kaum wahrgenommen. Zwar kann man Hofreiter sein Fachwissen zu einigen Spezialthemen nicht abstreiten, doch konzentriert er sich zu sehr auf das Klein-Klein. Göring-Eckardt meldet sich zwar hin und wieder auch zu großen Themen zu Wort, tritt dabei jedoch auffällig oft in Fettnäpfchen, was vor allem in der eigenen Partei für Verwirrung sorgt. So traf ihre Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr gegen den Islamischen Staat vor allem den vom Pazifismus überzeugten Teil der Grünen-Anhänger schwer.

All das hat bewirkt, dass es bereits Gerüchte gibt, wer die beiden bei der anstehenden Neuwahl der Fraktionsführung im Herbst 2015 ersetzen könnte, um die Partei für den Bundestagswahlkampf 2017 in Stellung zu bringen. Die neun Prozent, die die Grünen derzeit laut Umfragen erhalten würden, offenbaren, dass es noch viel Luft nach oben gibt, lag man im März 2011 laut Forsa immerhin noch bei 20 Prozent Zustimmung.

Doch ein anderes Führungsduo bereitet der Partei noch mehr Sorgen. Die Partei-Vorsitzenden Cem Özdemir und Simone Peter verfolgen derart offen unterschiedliche Ziele, dass es immer wieder zu peinlichen Verwicklungen kommt. Als beispielsweise der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundesrat dem Gesetz der Großen Koalition zugestimmt hatte, laut dem Mazedonien, Bosnien Herzegowina und Serben künftig als sichere Herkunftsstaaten gelten, Asylanträge aus diesen Ländern also nicht mehr möglich sind, vertraten Peter und Özdemir absolut konträre Auffassungen. Während sie das Grundrecht auf Asyl beschnitten sah, war er überzeugt, dass gerade Kretschmann es sich mit seiner Zustimmung nicht leicht gemacht und die überzogene Kritik aus dem eigenen Lager nicht verdient habe. Und als es um deutsche Waffenlieferungen für die Kurden im Kampf gegen den Islamischen Staat ging, war Peter vehement dagegen, worauf Özdemir ätzte: „Die Kurden machen das nicht mit der Yogamatte unterm Arm.“ Auch in Sachen Vermögenssteuer, Klimapolitik und liberale Ausrichtung der Partei vertreten die beiden Parteichefs völlig unterschiedliche Positionen. Zwar kann sich Peter über mehr Zustimmung zu ihrer Linie erfreuen, trotzdem steht sie als Einzelkämpferin innerhalb der Partei da. Ihr einziger Halt ist ausgerechnet Ex-Spitzenkandidat Jürgen Trittin, der vor Kurzem auch noch damit prahlte, dass er mehrfach wöchentlich mit Peter telefoniere. Damit vermittelte er den Eindruck, die innerhalb der Partei nicht akzeptierte Saarländerin sei Marionette des meinungsstarken Alt-Grünen, an dem sich innerhalb der Partei ebenfalls die Geister scheiden. Die einen wünschen sich den starken linken Wortführer mit seiner kommunistischen Vergangenheit zurück, zumal die Partei unter seiner Führung ihre Hoch-Zeiten erlebte, die anderen sehen hingegen das schlechte Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl 2013 und geben Trittins überstarkem Ego dafür die Schuld. Dass Göring-Eckardt, die schließlich ebenfalls eine Mitverantwortung trägt, weitermachen darf wie bisher, während er durch den blassen Hofreiter ausgetauscht wurde, kratzt jedoch stark an Trittins Selbstbewusstsein. Und so meldet er sich regelmäßig zu Wort, schoss aber mit seiner Bemerkung, dass das Baden-Württemberg unter Kretschmanns pragmatischer Führung das „Waziristan der Grünen“ sei, doch über das Ziel hinaus. Der Hinweis auf das Rückzugsgebiet der Taliban in Bezug auf Kretschmann kam zudem zur Unzeit, denn kurz darauf gewann Kretschmanns Kronprinz Boris Palmer die Wiederwahl zum Oberbürgermeister von Tübingen mit glorreichen 62 Prozent. Zuvor von den eigenen Leuten auf Bundesebene entmachtet und der links-grünen Presse niedergeschrieben, entstieg Palmer, der unter anderem Tierversuche als notwendiges Übel für den Fortschritt gutheißt und damit in seiner Partei auf Unverständnis stößt, angesichts dieses spektakulären Wahlergebnisses wie Phönix aus der Asche und warnte seine Partei davor, Trittin wieder Gehör zu schenken.

Dabei nimmt Baden-Württemberg tatsächlich eine Sonderrolle ein. Auch der Real-Politiker Özdemir kommt aus dem Bundesland, in dem Kretschmann gerade beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende ausgerufen hat, die Wirtschaftskompetenz der Grünen stärker betonen zu wollen. Derartiges ist beim Bundesparteitag der Grünen definitiv nicht zu erwarten. Allerdings dürften die Forderungen nach Steuererhöhungen ähnlich selten zu hören sein, zu sehr schmerzt noch die Niederlage mit dem Thema bei der Bundestagswahl 2013. Ob es den Grünen jedoch zu wünschen ist, dass auch die Nabelschau ausbleibt, hängt davon ab, wie man zu der Partei steht. Orientierungslos wie sie derzeit ist, stehen jedenfalls ihre Chancen für ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 schlecht. Rebecca Bellano


Distanz zu Rechtsradikalen
»Hooligans gegen Salafisten« fürchten Vereinnahmung

Es ist eine vergleichsweise kleine Gruppe. Rund 4000 sogenannte Hooligans, sprich gewaltbereite Fußballanhänger, hat die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ der Bundespolizei zuletzt gezählt. Immerhin 13000 weitere Personen würden mit ihnen sympathisieren. Mit einer Demonstrationsreihe gegen radikale Islamisten und der Bildung der „Hooligans gegen Salafisten“ („HoGeSa“) ist es der Gruppe gelungen, bundesweit beträchtliche Aufmerksamkeit zu erregen. Ende Oktober marschierten rund 5000 Menschen durch Köln. Es kam zu Ausschreitungen, Sachbeschädigungen und Widerstand gegen Polizeibeamte. Bereits zuvor hatten Hooligans beispielsweise in Dortmund kleinere Kundgebungen abgehalten. Die Medien werden seitdem nicht müde, den Einfluss der rechtseadikalen Szene auf die „HoGeSa“ zu bemühen.

„Wir möchten keine rechtsextreme Symbolik auf unseren Demonstrationen und keine Vereinnahmung durch Parteien“, konterte nun Uwe Mindrup aus Oldenburg. Er hat für den 15. November eine weitere Großkundgebung in Hannover angemeldet. Mindrup, ein sogenannter Alt-Hool, bezeichnet sich selbst als politisch „links stehend“, die Szene generell als eher unpolitisch. Dem widerspricht der niedersächsische Verfassungsschutz. Für die Demonstration werde vor allem in rechtsextremen Kreisen stark mobilisiert.

Über die Überschneidungen von Hooligan- und rechtsradikaler Szene wird seit Langem viel spekuliert. Fakt ist, dass der Anmelder der Kölner Demonstration, Dominik Roeseler, der islamkritischen Partei „Pro NRW“ angehört, die sich nun heftig von ihm distanzierte. Bei einem Aufmarsch in Dortmund seien zudem zahlreiche Personen aus dem Umfeld des Ratsherrn Siegfried Borchardt anwesend gewesen. Der Politiker der NPD-Abspaltung „Die Rechte“ hat als Anführer der Dortmunder Hooligan-Gruppe „Borussenfront“ und mit seinem Spitznamen „SS-Siggi“ bereits mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Zudem rief der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt während des Bundesparteitags am vergangenen Wochenende dazu auf, seine Partei müsse sich an die Spitze der „HoGeSa“-Bewegung stellen. Das stieß bei den Hooligans allerdings auf wenig Gegenliebe: Mit „bürgerlichen Politikversagern wollen wir nichts zu tun haben“, teilte die Hamburger Regionalgruppe mit.

Das Teilnehmerfeld der „HoGeSa“-Demonstrationen ist derart breit gefächert, dass sich auch die Alternative für Deutschland mit dem Thema auseinandersetzen musste. Zwei Mitglieder des Hamburger Landesverbandes waren in Köln mitmarschiert. AfD-Chef Bernd Lucke erklärte daraufhin, man habe „mehrfach betont, dass jedes Mitglied, das mit diesen gewalttätigen Demonstrationen sympathisiert, billigt, teilnimmt oder gar unterstützt, mit einem Ausschlussverfahren zu rechnen hat“. Unumstritten ist diese rigide Reaktion freilich nicht. Eine Facebook-Seite, die zur Solidarität mit den betroffenen Mitgliedern aufruft, erfreut sich hoher Zustimmung.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière nutzte unterdessen die „Gunst der Stunde“, um sich Gedanken über eine Verschärfung des Demonstrationsrechts zu machen. „Das hat mit Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun und sollte dementsprechend untersagt werden. Wir werden überlegen müssen, welche rechtliche Handhabe es gibt, um solche Aufmärsche zu unterbinden.“ Peter Entinger


MELDUNGEN

Bekenntnis zu Kohlestrom

Berlin – Mit seinem Bekenntnis zu Kohlekraftwerken hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor allem Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihre Grenzen aufgezeigt. „Wir müssen endlich Schluss machen mit den Illusionen in der deutschen Energiepolitik“, hatte Gabriel in einem Positionspapier deutlich gemacht und betont, Deutschland könne nicht aus der Atomkraft und der Kohlekraft gleichzeitig aussteigen. Zuvor hatte die Umweltministerin beim internationalen Klimagipfel zugesagt, dass der deutsche Staat auf Abstand zur Kohleverstromung gehen würde, indem er unter anderem weltweit den Bau neuer Kraftwerke durch deutsche Unternehmen nicht weiter unterstütze. Auch diese Zusage Hendricks gedenkt Gabriel zurückzunehmen, da er überzeugt ist, dass deutsche Kohlekraftwerke international die umweltfreundlichsten sind. Bel

 

NRW will mehr Geld behalten

Berlin – Dass ausgerechnet die nordrheinwestfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mehr Gerechtigkeit für die Geberländer beim Länderfinanzausgleich fordert, verblüffte im ersten Moment. Gelten doch nur Bayern, Hessen und Baden-Württemberg als Zahler. Doch Kraft rechnete vor, dass NRW aus dem Finanzausgleich der Länder zwar 0,7 Milliarden Euro erhält, zuvor aber über den Umsatzsteuerausgleich 2,4 Milliarden Euro in das System gezahlt hat, also 1,7 Milliarden Euro abgeben musste. Die Sozialdemokratin stellt zwar nicht das solidarische System an sich infrage, betont aber: „Wir wollen mehr von dem behalten, was bei uns erwirtschaftet wird.“ NRW sitzt nicht nur auf einem riesigen Schuldenberg, sondern leidet auch unter einer sehr schlechten Infrastruktur. Bel


S. 6 Ausland

Russen fürchten »Eisernen Vorhang«
Putin rügt Weltmachtanspruch der USA – Bevölkerung steht trotz Nachteilen zu ihrem Präsidenten

Während Wladimir Putin in seiner Ansprache auf dem diesjährigen Treffen des „Waldaj-Klubs“ in Sotschi den Weltmachtanspruch der USA geißelt, fürchtet das Volk, durch einen erneuten „Eisernen Vorhang“ vom Rest der Welt abgehängt zu werden. Dennoch ist die Solidarität der Russen gegenüber ihrem Präsidenten fast ungebrochen.

Während seiner Ansprache beim Treffen des Waldaj-Klubs am 24. Oktober in Sotschi fand Russlands Präsident Wladimir Putin deutliche Worte für die Außenpolitik der USA. Er führte den Zuhörern die Schwäche der Weltmacht vor Augen und beschuldigte die USA, die Weltordnung zu destabilisieren, um mit Gewalt eine unipolare Welt durchzusetzen. Sie installierten für ihre Ziele ein Feindbild. Die Sanktionen gegen Russland nannte Putin politisch motiviert. Zudem verstießen sie gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Er verwandte an die USA gewandt die Anreden „Kollegen“, „Partner“, „Freunde“, das Wort „Feind“ vermied er. Putin betonte seine Bereitschaft zum Dialog und zur Normalisierung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, aber auch die Forderung, dass die Interessen seines Landes respektiert werden müssten.

Beim Waldaj-Klub handelt es sich um einen internationalen Diskussionsklub. Alljährlich im Herbst kommen russische und nichtrussische Journalisten, Politiker und Wissenschaftler zusammen, um sich mit der russischen Innen- und Außenpolitik zu beschäftigen. Das Thema des diesjährigen Treffens lautete: „Weltordnung: Neue Regeln oder Spiel ohne Regeln?“

Michail Gorbatschow bezeichnete Putins Waldaj-Rede als eine der stärksten in dessen ganzer Amtszeit. Gorbatschow, der ehemalige Staatschef der Sowjet-union, wirbt um Verständnis für Putins Position. Im Westen als derjenige gefeiert, der den Mauerfall erst möglich gemacht hat, wohnte er den Feierlichkeiten anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls in Berlin bei. Nebenbei versuchte er zwischen der EU und Russland zu vermitteln. Ob sein Werben auf offene Ohren innerhalb der EU stößt, deren Mitglieder die Wirksamkeit der Sanktionen unterschiedlich bewerten, bleibt abzuwarten.

Fakt ist, dass die Folgen der Sanktionen immer mehr auch das russische Volk zu spüren bekommt. Bis zum Wintereinbruch müssen sie mit drastischen Preisanstiegen für Lebensmittel und die Energieversorgung rechnen.

Trotz der Beteuerungen des russischen Landwirtschaftsministeriums, dass vereinzelte Verteuerungen nur vorübergehende Erscheinungen seien, schlagen die Sanktionen sich vor allem auf die Preise für Fleisch und Fisch nieder. Das trifft vor allem arme Russen und Rentner, deren Lebensstandard weiter sinkt. Stark betroffen sind auch Kleinunternehmer, deren Einnahmen 2014 um durchschnittlich 24,8 Prozent gesunken sind. Kleine Gewinne frisst die Inflation auf. Die Unternehmen reagieren mit Lohnkürzungen, Schwarzarbeit und Entlassungen, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit zu sinkender Nachfrage auf dem Binnenmarkt führt. Am Ende müssen viele kleine Unternehmen schließen, dem Staat fehlen Steuereinnahmen.

Laut einer soziologischen Umfrage des Levada-Zentrums sieht die Mehrheit der Russen ihre Zukunft düster und befürchtet, nach einer Wiederkehr des „Eisernen Vorhangs“ von der Welt abgeschnitten zu werden. Das befürchten vor allem leitende Angestellte und bis zu 39 Jahre alte Menschen, während Rentner, Hausfrauen und Arbeitslose sich überwiegend gleichgültig zeigen. Sie können sich ohnehin keine Auslandsreise leisten. An eine Rückkehr sowjetischer Verhältnisse mit Schlangestehen und geschlossenen Grenzen glaubt die Mehrheit der Russen allerdings nicht. Ein selbst von russischen Soziologen als überraschend gewertetes Phänomen ist die Tatsache, dass obwohl über 60 Prozent der Russen einen Rück-gang ihres Lebensstandards erwarten, sie dennoch mehrheitlich zu ihrem Präsidenten stehen und die Gegensanktionen für ein vernünftiges und adäquates Mittel als Antwort auf die Sanktionen des Westens halten. Die meisten sehen im Westen den Schuldigen und sind bereit, für die Durchsetzung russischer politischer Ziele zu leiden.

Der stellvertretende Leiter des Levada-Zentrums, Alexej Graschdankin, geht davon aus, dass die Russen, auch wenn sie immer ärmlicher leben und 60 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen (im We-sten sind es 20 Prozent), nicht zu Massenprotesten gegen die Regierung aufrufen werden.

Die Russen haben derzeit das Gefühl, dass ihr Land allein gegen die ganze Welt gerichtet dasteht. Das macht Russland in ihren Augen zu einer Großmacht und Putin zu einem großen Führer, der sich nicht fürchtet. Daneben wächst das ungute Gefühl, dafür einmal bezahlen zu müssen. Und doch wird derzeit die Loyalität zu Putin zum alle einigenden Band.

Ob der momentane Enthusiasmus jedoch noch trägt, wenn der Rubel weiter abgewertet wird, der Ölpreis weiter sinkt und damit die wirtschaftliche Krise in Russland immer tiefere Einschnitte bringt, wird sich zeigen. Alexander Schochin, Präsident des russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes, hat bereits eingeräumt, dass die anfänglich optimistischen Prognosen bezüglich des Einflusses der Sanktionen auf die russische Wirtschaft sich nicht bestätigt haben. Vor allem der beschränkte Zugang zu europäischen Technologien trifft russische Unternehmen schwer.

Das russische Statistikamt „Rosstat“ hat bestätigt, dass schon jetzt 41,4 Prozent der Russen an oder unter der Armutsgrenze von 7915 Rubel (144 Euro) pro Monat leben. Die Probleme, die 2011 zu Massenprotesten gegen Putin geführt haben, sind noch da. Sie wurden lediglich durch die aktuellen Ereignisse verdrängt.

Manuela Rosenthal-Kappi


Anti-USA statt Anti-EU
Britische Labour will sich damit von Konservativen absetzen

Ausgerechnet in einem Interview mit dem englischsprachigen Fernsehkanal von „Russia Today“, dem PR-Sender des Kremls, hat Londons ehemaliger Bürgermeister Ken Livingstone (Labour) eine Art Generalabrechnung mit der Politik Wa-shingtons präsentiert. Die britische Öffentlichkeit sei nicht daran interessiert, die Kriege Amerikas zu kämpfen, so einer der Kritikpunkte des 69-jährigen Politikveteranen. Aus Sicht Livingstons ist es den USA seit dem Ersten Weltkrieg bei militärischen Interventionen oftmals nur darum gegangen, sich mit britischer Unterstützung den Zugriff auf den Rohstoff Öl zu sichern. Nach Ansicht Livingstons wird dabei aber ein zu hoher Preis gezahlt: „… wir wären besser dran, wenn wir einen ehrlichen Preis für Öl zahlen würden, das uns die Araber selbst verkaufen.“ Kritische Töne finden sich in dem Interview auch zur Ausrichtung der Medien in Großbritannien: „70 Prozent der Presse, die von den Briten gelesen wird, gehört nur fünf Milliardären; Murdoch, den Barclay-Brüdern, Lord Rothmere – alle komplett auf die anglo-amerikanische Allianz eingeschworen.“

Hierzulande umgehend als Verschwörungstheoretiker abgestempelt worden, wäre Livingston auch nach einer anderen Aussage: „Wenn Sie die Interessen Amerikas herausfordern, können Sie zum Ziel einer Rufmordkampagne werden, möglicherweise werden Sie sogar zum Opfer eines unschönen Unfalls. Furchtbar viele Personen, die die US-Interessen herausfordern, scheinen zu sterben.“

Naheliegend ist die Frage, was den prominenten Labour-Politiker zu seiner Generalabrechnung mit der Supermacht USA motiviert hat. Durchaus möglich ist, dass Londons ehemaliger Bürgermeister einen weiteren Mosaikstein der Wahlstrategie der Labour Party für das kommende Jahr präsentiert hat. Parteichef Ed Miliband hat mit einer stark linksorientierten Rede und dem Versprechen sozialer Wohltaten den Auftakt zum Wahlkampf gemacht. Mit einer scharfen Anti-Washington-Rhetorik als Zugabe könnte Labour tatsächlich das entscheidende Mittel gefunden haben, um im Mai 2015 an die Macht zu kommen. Während sich David Camerons Konservative und die United Kingdom Independence Party (Ukip) in einem Anti-EU-Wettkampf gegenseitig Stimmen abjagen, hat Labour die Chance, einen deutlich anderen Akzent zu setzten. Unter dem Motto „Wir brauchen Europa, wenn wir nicht Marionetten der Amerikaner sein wollen“ könnte Labour eine Stimmung aufgreifen, die neben der weitverbreiteten EU-Skepsis nämlich auch vorhanden ist: So förderte eine Meinungsumfrage der BBC vom 24. Oktober zutage, dass 68 Prozent der Briten den militärischen Einsatz ihres Landes in Afghanistan als sinnlos einstufen. Beachtliche 42 Prozent glaubten, dass sich die Sicherheitslage Großbritanniens durch den Krieg an der Seite der USA verschlechtert habe. Quasi nebenbei bietet die scharfe Rhetorik in Richtung Washington auch noch die Möglichkeit, sich von Tony Blairs „New Labour“ zu distanzieren. Bis heute hängt dem ehemaligen Labour-Premierminister hartnäckig das Etikett des „Bush’s poodle“ (Bushs Pudel) an.

In seinem Interview gab Livingston Blair quasi zum Abschuss frei. Britische Politiker wie die Premierminister Cameron und Blair, die den Interessen der USA dienten, würden nach ihrer politischen Laufbahn mit lukrativen Posten in US-Unternehmen belohnt, so Livingston. Norman Hanert


Vor politischer Erneuerung?
Mexiko: Massendemonstrationen können Chance sein

Als Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto vor zwei Jahren sein Amt antrat, stand ganz oben auf seiner Agenda, das Ansehen seines Landes in der Welt zu verbessern: Weg von den permanenten Berichten über den vermeintlich erfolglosen Kampf gegen die Drogenkartelle und die Verstrickungen von Polizei und Politikern in deren grausames Handwerk, hin zu Themen wie Wirtschaft und Kultur, die, so Peña Nieto, das wirkliche Mexiko ausmachten. Auch versprach er den Aufbau eines großen Sicherheitsapparats.

Doch diesen Traum muss der Präsident erst einmal begraben. Der erschütternde Fund der 43 verschwundenen Studenten vom Lehrerseminar für Kinder armer Familien in Iguala im Bundesstaat Guerrero, die entführt, ermordet, zerstückelt, verbrannt und in Plastiksäcke gestopft worden waren, hat die Aufmerksamkeit der Presse zurückgeführt auf das alte Thema. Als sich herausstellte, dass der Bürgermeister von Iguala, Jose Luis Abarca, die Studenten hatte entführen lassen, weil sie eine geplante Party seiner Frau hätten stören können, kam es im ganzen Land zu Großdemonstrationen. Verärgerte Bürger forderten nun auch den Rücktritt von Peña Nieto, nachdem der Gouverneur von Guerrero diesen Schritt bereits vollzogen hatte. Der Gouverneur hatte zuvor Abarca gefördert, obwohl dessen Beziehung zu den Kartellen ein offenes Geheimnis war. Abarcas Ehefrau ist die Schwester zweier im Drogenkampf getöteter Anführer des berüchtigten Beltrán-Leyva-Kartells und sie selber, wie es vor Ort heißt, Chefin des neueren Syndikats „Guerreros Unidos“.

„Bis jetzt hat Peña Nieto die internationale Gemeinde damit getäuscht, sich als einen erleuchteten Reformer darzustellen“, analysiert John M. Ackerman, Professor an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) und Kolumnist angesehener Blätter: „Jetzt setzt die Realität ein.“ Ackerman sieht das zentrale Problem darin, dass Mexiko neben Kuba das nahezu einzige Land in Lateinamerika sei, in dem der Übergang zur Demokratie nicht von einer Erneuerung der politischen Klasse begleitet worden sei. „In den letzten Jahren haben Länder, so unterschiedlich wie Brasilien, Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Bolivien und El Salvador, eine entscheidende Abrechnung mit der Vergangenheit gemacht. Sie haben Ansätze geschaffen für neue Regeln demokratischer Politik.“ In Mexiko habe dieser Prozess noch nicht einmal begonnen. Peña Nieto war, ehe er Präsident wurde, Gouverneur des Bundesstaates México, der seit 85 Jahren ohne Unterbrechung von seiner Partei, der PRI, regiert wird. Die PRI stellte nach ihrer Gründung 1929 über Jahrzehnte die mexikanische Regierung. Korruption und Vetternwirtschaft blühten und auf lokaler Basis kam es zu geheimen Abmachungen mit den Drogenkartellen. Das habe sich nicht geändert, meint Ackerman.

Mit den Massendemonstrationen der letzten Tage ist eine neue Hoffnung gekeimt, dass die Mexikaner Änderungen einfordern. Ein Zeichen dafür ist der Erfolg des soeben angelaufenen sozialkritischen Films „La Dictadura Perfecta“ („Die perfekte Diktatur“). Der Film beschreibt das Monopol eines Fernsehsenders wie das des Medienunternehmen „Televisa“ des Milliardärs Carlos Slim, das für Bestechungsgelder Pannen der Regierung mit erfundenen Berichten ins Positive verdreht. „Eine erfundene Geschichte, aber die Wahrheit“, so ein Filmbesucher: „Qualvoll zu sehen. Es ist doch mein Land!“

Liselotte Millauer


MELDUNGEN

Wahlbeobachter im Visier

Kiew – Der ukrainische Geheim-dienst SBU hat ausländische Bür-ger, die bei den Wahlen in den von prorussischen Separatisten proklamierten Volksrepubliken im Osten des Landes als Wahlbeobachter fungiert haben, zu unerwünschten Personen erklärt. Von der Maßnahme sollen 33 Personen betroffen sein, darunter der ehemalige österreichische Politiker Ewald Stadler (ehemals FPÖ und BZÖ), Fabrizio Bertot (Forza Italia) und der Pole Mateusz Piskorski (Samoobrona Rzeczpospolitej Polskiej). Die Tätigkeit der Wahlbeobachter wird von der ukrainischen Behörde als „illegale Unterstützung von Freischärlern und Terroristen“ eingestuft. N.H.

 

Serbien: Hohe Gasschulden

Moskau/Belgrad – Einer Meldung der russische Nachrichtenagentur Ria Novosti zufolge hat Russland seine Gaslieferungen an Serbien wegen Schulden um fast ein Drittel gekürzt. Wie unter Berufung auf den serbischen Energieminister Alexander Antic berichtet wird, betragen die bei dem russischen Lieferanten Gazprom aufgelaufenen Verbindlichkeiten 224 Millionen US-Dollar. Medienberichten zufolge will Serbien, das seinen Gasbedarf größtenteils durch Importe aus Russland deckt, noch bis zum Jahresende 100 Millionen Dollar Altschulden begleichen. Die Rückzahlung der gesamten Schulden – die zum Teil noch aus den 1990er Jahren stammen sollen – bis März 2015, wie sie Russland fordert, wäre nach Angaben Serbiens eine „zu große Belastung“ für das Staatsbudget. Serbien, das seit März offizieller EU-Beitrittskandidat ist, hat nach Angaben aus Brüssel zwischen 2007 und 2013 allein 1,5 Milliarden Euro als sogenannte Vorbeitrittshilfe erhalten. N.H.


S. 7 Wirtschaft

Trotz Alarmsignalen ungebremst
EZB-Präsident wendet »Palastrevolte« innerhalb der EZB ab – Dabei sprechen viele Fakten gegen seine Politik

Mit seiner Geldpolitik will EZB-Präsident Mario Draghi die Konjunktur in der Euro-Zone beflügeln. Doch selbst die Anfang des Jahres prognostizierten geringen Wachstumszahlen mussten bereits wieder gesenkt werden. Gleichzeitig ziehen Investoren in atemberaubendem Tempo ihr Geld aus der Euro-Zone ab.

„Palastrevolte gegen Draghi“ titelten die Zeitungen vorvergangene Woche. Angeblich planten acht bis zehn Mitglieder des 24-köpfigen Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) ihrem Präsidenten Mario Draghi die Gefolgschaft aufzukündigen. So mancher mag angesichts der derzeitigen Wirtschaftsdaten gehofft haben, dass an dem Gerücht etwas dran sei, doch am Ende herrschte nach außen Friede, Freude, Eierkuchen und Draghi verkündete, man sei eben manchmal unterschiedlicher Meinung.

Allerdings geht es beim Disput innerhalb des EZB-Rates keineswegs nur um Meinungen. Es gibt knallharte Fakten, die darauf hinweisen, dass die von Draghi verfolgte Geldpolitik der EZB nicht in die gewünschte Richtung führt. Nach außen verkündet dieser, mit seinem Handeln die Wirtschaft im Euro-Raum wieder in Fahrt bringen zu wollen, indem er beispielsweise den Banken günstig Geld zur Verfügung stellt, dass diese dann an die Unternehmen im Euro-Raum weitergeben sollen. Doch obwohl die EZB schon seit Jahren die Kreditinstitute mit Liquidität überhäuft, kommt das Geld nicht in der Wirtschaft an. Selbst die vor Kurzem eingeführten Strafzinsen für kurzfristige Geldanlagen bei der EZB, die Banken zahlen müssen, hat nicht dazu geführt, dass mehr Kredite vergeben werden. Draghi wagt einen Tabubruch nach dem nächsten, nach dem angekündigten Aufkauf von riskoreichen ABS-Papieren sollen vermutlich durch die EZB bald auch Unternehmensanleihen und sogar Staatsanleihen erworben werden, was im letzten Fall aus Sicht vieler Kritiker der verbotenen Staatsfinanzierung durch die Notenpresse gleichkäme. Doch die Wirtschaft stagniert.

Und da die wirtschaftlichen Aussichten aufgrund fehlender Reformen durch die Regierungen der Euro-Staaten auch weiterhin schlecht sind, sind Investitionen auch nicht aussichtsreich. Zudem macht die Niedrigzinspolitik der EZB Geldanlagen im Euro-Raum immer unattraktiver, was zur Folge hat, dass von März bis August, also innerhalb von sechs Monaten, 187,7 Milliarden Euro allein aus festverzinslichen Geldanlagen aus dem Währungsgebiet ins Ausland abgezogen wurden. Hierbei handelt es sich um eine Größenordnung, die seit Einführung der Gemeinschaftswährung nie zuvor registriert wurde.

Selbst die EZB musste bekennen, dass im September laut ihren eigenen Zahlen unter dem Strich 17 Milliarden Euro die Währungsunion verlassen haben. „Normalerweise verzeichnet die Euro-Zone Kapitalzuflüsse, da sie enorme Exportüberschüsse erwirtschaftet“, so Thomas Harjes, Ökonom bei Barclays, gegenüber der „Welt“. Da durch den Exportüberschuss monatlich rund 18 Milliarden Euro in das Währungsgebiet fließen, besagen die Zahlen, dass im September insgesamt sogar 35 Milliarden Euro abgezogen wurden. Stück für Stück fließt also Geld ins Ausland ab, während die EZB künstlich auf Risiko ihrer Eigentümer, den Euro-Staaten, weiter „frisches“ Geld unter den Banken verteilt.

Die Entwicklungen der letzten Monate haben dazu geführt, dass die Finanzmärkte auch wieder stärker auf den Zerfall der Euro-Zone spekulieren. Derzeit erwarten laut Break-up Index des Analysehauses Sentix immerhin zwölf Prozent der befragten Investoren, dass mindestens ein Euro-Land innerhalb der nächsten zwölf Monate die Gemeinschaftwährung verlässt. Dabei handelt es sich inzwischen keineswegs mehr nur um die üblichen Verdächtigen wie Zypern oder Griechenland, die ersten beginnen bereits über einen Ausstieg Italiens und Frankreichs aus dem Euro-Raum zu spekulieren. Und all das zu einer Zeit, in der die EZB die Ban-

kenaufsicht über 130 Großbanken im Währungsgebiet übernommen hat und verspricht, künftige Bankenkrisen so verhindern zu wollen. Vieles spricht also dafür, dass Investoren der EZB immer weniger vertrauen. Doch ohne Vertrauen in die EZB und ihre Politik schwindet auch das Vertrauen auf eine Zukunft des Wirtschaftsraumes weiter.

All das hält Draghi jedoch nicht davon ab, seine Strategie unbeirrt weiterzuverfolgen. Kritiker werden ignoriert oder wie der deutsche Bundesbank-Chef Jens Weidmann ganz offen aufs Abstellgleis verfrachtet. Draghi schwächt den Euro im Außenwert weiter und will auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit seines Einflussgebietes erhöhen. Doch obwohl der Wert des Euro zum US-Dollar in den letzten Monaten drastisch gefallen ist, steigen die Exporte nicht wie gehofft. Zudem, selbst wenn dem so wäre, belegen die Zahlen der EZB, dass trotz Handelsüberschusses Kapital abgezogen wird.

Weniger Kapital bedeutet auch weniger Käufer von Staatsanleihen, obwohl trotz Draghis Politik Länder wie Griechenland oder Italien wieder deutlich höhere Zinsen zahlen müssen, also Investoren höhere Renditen erhalten. Doch zu hoch sind aus Sicht der Geldgeber inzwischen die Ausfallrisiken wieder gestiegen. Zugleich belasten höhere Zinsen die defizitären Staathaushalte zusätzlich und sorgen für weitere Schulden, die dann nur zu noch höheren Zinsen zu machen sind. Irgendwann dreht sich die Spirale wieder so schnell wie zu Beginn der Euro-Krise und der Währungsraum steht da, wo er am Anfang aller Probleme stand, nur mit deutlich höheren Ausgangsschulden. Schon allein weil die EZB dies nicht zulassen kann, wäre das doch für sie der GAU sondergleichen, bleibt ihr vermutlich allerdings auch gar nichts anderes übrig, als im Frühjahr aller Kritik zum Trotz mit dem Aufkauf von Staatsanleihen zu beginnen, um auf diesem direkten Weg die Zinsen für die Krisenländer künstlich niedrig zu halten.

Angesichts derart vieler Alarmsignale und Risikofaktoren ist es im Grunde äußerst erstaunlich, dass es Draghi gelungen ist, die sich abzeichnende „Palastrevolte“ abzuwenden. Zwar beharren seine Gegner innerhalb des EZB-Rates auf ihren Argumenten gegen seine Geldpolitik, doch sie wagen nicht offen den Aufstand.

Rebecca Bellano


Tschechen sollen retten
Vattenfall sucht Käufer für Lausitzer Braunkohlesparte

Nachdem schwedische Politiker in letzter Zeit bereits über einen Ausstieg des Staatskonzerns Vattenfall aus dem Braunkohlegeschäft in Deutschland gesprochen hatten, folgen nun konkrete Schritte. Vattenfall hat mitgeteilt, dass das Unternehmen nach einem Käufer für seine Braunkohlesparte in der Lausitz Ausschau halten wolle.

Bisher betreiben die Schweden im zweitgrößten Braunkohlerevier Deutschlands fünf Tagebaue in Brandenburg und Sachsen sowie mehrere Kraftwerke. Dass ein deutscher Energieversorger in der Lausitz aktiv wird, gilt als unwahrscheinlich. Den RWE-Konzern plagt ein Schuldenberg von mehr als 30 Milliarden Euro. Und E.on sowie EnBW verfolgen erklärtermaßen das Ziel, verstärkt in Erneuerbare Energien zu investieren. Doch der tschechische Energiekonzern EPH (Energetický a Prumyslový Holding a.s.) scheint an einer Übernahme der Vattenfall-Braunkohlesparte in Deutschland interessiert zu sein. Auf einer Konferenz der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) in Cottbus ist der Name des Unternehmens in diesem Zusammenhang genannt worden, und dieses durchaus mit Wohlwollen.

Die tschechische Holding gehört den tschechischen Multimillionären Daniel Kretinsky und Patrik Tkac sowie der slowakischen Investmentgruppe J&T. Sie besitzt bereits die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag in Sachsen-Anhalt und kontrolliert den polnischen Steinkohleförderer PG Silesia.

Dass EPH Interesse an weiteren Zukäufen in der Lausitz zeigt, muss für den Braunkohleabbau in Brandenburg und Sachsen noch lange nicht die Rettung bedeuten. „Schon im Jahr 2013 war der tschechische Energie- und Industriekonzern EPH offenbar nicht bereit, für den Vattenfall-Anteil am Kraftwerksblock in Lippendorf bei Leipzig einen angemessenen Preis zu zahlen“, so Gerd Lippold, der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. Mit Blick auf die finanzielle Lage des Tochterunternehmens EP Energy scheint der Zeitpunkt für Zukäufe in Deutschland tatsächlich nicht günstig. Auch wenn insgesamt schwarze Zahlen geschrieben werden, sinken doch die Gewinne.

Befürchtungen hinsichtlich eines Scheiterns der Verkaufspläne Vattenfalls scheint Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zu haben. Gerade vom Brandenburgischen Landtag in seinem Amt als Ministerpräsident bestätigt, hat Woidke mit der Erklärung überrascht, dass er einen Einstieg des Landes in das Lausitzer Braunkohlegeschäft von Vattenfall nicht kategorisch ausschließe.

Zum Problem droht der Ausstieg aus dem Braunkohlegeschäft allerdings auch für Vattenfall selbst zu werden. Der schwedische Konzern schreibt hohe Verluste. Allein 2013 blieb unterm Strich ein Verlust von rund 1,53 Milliarden Euro. Bereits im vergangenen Jahr hat Konzernchef Øystein Løseth damit begonnen, nicht profitable Einheiten abzustoßen. Ausgerechnet mit der Lausitzer Braunkohle, aus der nun unter dem Druck der neuen rot-grünen-Regierungskoalition in Stockholm ausgestiegen werden soll, hat Vattenfall jahrelang Milliarden verdient. Norman Hanert


Dobrindts Milliardenpoker
Unsichere Netzdividende soll Bahn, Bund und Brücken sanieren

Abstellgleis oder freie Fahrt in bessere Zeiten? So ganz genau weiß niemand in Deutschland, wohin die Reise geht. Denn während die Bundesregierung mit einem milliardenschweren Programm namens LuFV II (Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung) die Eisenbahn der Zukunft auf den Weg gebracht haben will, folgen Skeptiker eher dem Bundesrechnungshof: Der hält den finanziellen Unterbau für nicht tragfähig.

Die Zahlen, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt kürzlich dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags präsentierte, klingen eindrucksvoll. Längst wird da nicht mehr in Millionen, sondern in Milliarden gedacht. Allein für den Erhalt des bestehenden Streckennetzes sollen künftig 5,6 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben werden, deutlich mehr als bisher.

Hinzu kommen Neubauprojekte wie „Stuttgart 21“ oder die Zulaufstrecken zum neuen Brenner-Basistunnel. Dass Deutschland hier hinter den eigenen Plänen und den Aktivitäten der europä­ischen Nachbarn um Jahre zurückhängt, dafür aber die Kosten stetig steigen (natürlich ebenfalls im Milliardenbereich!), wurde im Verkehrsausschuss vorsichtshalber gar nicht erst zum Thema gemacht.

So oder so sind die Aufgaben, vor denen Bund und Bahn stehen, gigantisch. Das Streckennetz der Eisenbahn mit über 33000 Kilometern Länge wird größtenteils von der DB Netz AG betrieben, einer 100-prozentigen Tochter der Bahn, die wiederum zu 100 Prozent dem Bund gehört. Und wie im wirklichen Leben gehen die Familienmitglieder recht fürsorglich miteinander um.

Die Netz AG macht jährlich 4,5 Milliarden Euro Umsatz. Davon geht eine halbe Milliarde als Dividende an die Bahn. Nach der LuFV II, die 2016 in Kraft treten soll, geht dieses Geld aber weiter an den Bund, der im Gegenzug seine Mittel zur Erhaltung des Schienennetzes um eine Milliarde jährlich aufstockt. Unter anderem sollen damit 875 marode Brücken saniert werden.

Genau hier aber setzt die Kritik des Bundesrechnungshofs an. Es sei nämlich keineswegs klar, ob es die einkalkulierte Dividende in den nächsten Jahren überhaupt geben werde. Der Bund solle, so Rechnungsprüfer Axel Zentner im Ausschuss, stattdessen ein davon unabhängiges „Sonderprogramm Brückensanierung“ auflegen.

Vom Einsturz bedrohte Brücken, nicht behindertengerechte Bahnhöfe und veraltetes Wagenmaterial sind aber nicht die einzigen Schwachpunkte, mit denen sich die Bahn und ihre Eigentümer konfrontiert sehen.

Wie anfällig deren Finanzlage ist, haben gerade erst wieder die massiven Streiks der Mini-Gewerkschaft GDL gezeigt. Zu Zigtausenden stiegen Eisenbahnkunden auf Fernbusse um, und längst nicht alle werden nach Streikende reumütig zur Schiene zurückkehren.

Ob Dobrindt bei seinem Milliardenpoker auch die im lukrativen Fernverkehr zu befürchtenden Einbußen einkalkuliert hat, bezweifelt nicht nur der Bundesrechnungshof. Vielleicht soll ja auch nur der drohende Flop bei der Pkw-Maut schöngerechnet werden. Hans-Jürgen Mahlitz


MELDUNGEN

Kampf um den Ölpreis

Wien – Venezuela, einer der größten Erdöl-Produzenten der Welt und Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), will bei der nächsten Sitzung der Gruppe am 27. November in Wien Druck auf die anderen Mitglieder ausüben, den Ölpreis zu stabilisieren. Der seit Sommer um 25 Prozent gefallene Ölpreis macht Venezuela, das 96 Prozent seiner Exporteinnahmen über den Verkauf des Rohstoffs erzielt, massiv zu schaffen. Direkte Gespräche mit Saudi-Arabien, dem derzeit noch größten Ölförderer weltweit, haben zu keinem Ergebnis geführt. Riad hat sogar gerade den Preis für die in den USA übliche Ölsorte weiter gesenkt, um gegenüber der dank Fracking wachsenden US-Konkurrenz Marktanteile zu behalten. Bel

 

Air Berlin profitiert

Berlin – Für das zweite Quartal konnte Air Berlin – erstmals seit fünf Jahren überhaupt – einen Gewinn (8,6 Millionen Euro) vermelden. Diesen verdankt die Fluglinie dem niedrigen Ölpreis, der Ersparnisse in Höhe von 8,8 Millionen Euro einbrachte. Vor allem Luftfahrtgesellschaften profitieren von den gesunkenen Ölpreisen. Bei ihnen machen die Kerosinkosten gut ein Drittel der gesamten Betriebskosten aus. Bel

 

Preiskartell bei Dämmstoffen

Berlin – Nach Recherchen des WDR ermittelt das Bundeskartellamt gegen mehrere Unternehmen der Dämmstoffbranche wegen Preis- und Kundenschutzabsprachen beim Vertrieb von Polystyrol-Dämmstoffen aus Hartschaum im Zeitraum seit 1998. Ins Visier der Wettbewerbshüter seien 20 Unternehmensgruppen und zwei Verbände der Branche geraten. N.H.


S. 8 Forum

Welle der Kritik
von Frank Horns

Neißewelle“ heißt die Brücke so schön (siehe Seite 3). Den trennenden Strom soll sie überwinden und Europa auch an dieser abgelegenen Stelle auf das Engste und Allerfriedlichste zusammenführen. Wenn nur die Bürger des brandenburgischen Landkreises Oder-Spree nicht wären. Die neue Nähe zum polnischen Nachbarn jenseits des Flusses ist ihnen suspekt. Sie sehen eine Flut von Dieben die Neißewelle herüberschwappen.

Von primitiver Fremdenfeindlichkeit und dumpfen Vorurteilen wird jetzt die Rede sein. Dabei verweisen die betroffenen Anwohner zu Recht auf einen merklichen Anstieg der Grenzkriminalität.

Tatsächlich sind es nämlich die Vorurteile der anderen, unter denen die Menschen in Brandenburg jetzt zu leiden haben. Da ist die irrige Ansicht, dass alle Grenzen von Übel seien. Da ist das Wunschdenken, dass der europäische Gedanke ausnahmslos Gutes bewirke. Da ist die Dumpfheit zu leugnen, dass in manchen Staaten – aus welchen Gründen auch immer – mehr Gesetzesbrecher zu finden sind als in anderen.

Das Fazit: Auf bröckelndem Grund kann auch eine Welle tiefe Gräben reißen.


Arbeiter im Blick
von Rebecca Bellano

Und schon wieder fährt Sigmar Gabriel seiner Parteigenossin Barbara Hendricks (siehe S. 5) in die Parade. Manchmal hat man das Gefühl, Hendricks wäre Mitglied der Grünen, so sehr betreibt sie deren Politik. Da Gabriel als Wirtschaftsminister auch die Interessen der Unternehmen im Blick haben muss, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als die auch auf seinen Wunsch ins Amt gelangte Hendricks zu zügeln.

Dabei wurde diese von Nord-rhein-Westfalen ins Rennen geschickt, dem Land, in dem die SPD gerade im Zusammenhang mit der Kohleförderung und -nutzung eine lange Historie hat. Und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) war bei den Verhandlungen zur Großen Koalition vor einem Jahr massiv in die Kritik geraten, weil sie als Leiterin der Arbeitsgruppe Energiewende betont hatte, „dass wir die Industriearbeitsplätze in unserem Land erhalten“ müssten und dies nur durch günstigen Strom möglich sei, also die weitere Nutzung der Kohlekraft. Die Politikerin wurde sofort von Umweltschutzorganisationen wild attackiert. Man unterstellte ihr, die Kohlelobby zu unterstützen, schließlich liegen in ihrem Land die großen Reviere und zwei der vier großen Stromproduzenten haben hier ihre Firmenzentrale. Doch Kraft hat nicht nur lokale Gründe, für Kohlestrom einzutreten, und liegt hier mit Gabriel auf einer Linie. Beiden geht es um Industriearbeitsplätze.

Schon jetzt berücksichtigt die SPD viel zu selten ihre Stammklientel: die Arbeiter. Mit ihrem Plädoyer für günstigen Kohlestrom besinnen sich Gabriel und Kraft beide endlich einmal wieder auf die SPD-Wählerschaft.


Mogeln auf Bestellung
von Wolfgang Thüne

Der Weltklimarat (IPCC) betreibt keine Forschung, keine Wahrheitssuche. Er wurde von den Vereinten Nationen 1988 begründet mit dem Auftrag, die Literatur speziell nach Arbeiten zu durchforsten, die den „Treibhauseffekt“ bestätigen. Er arbeitet auf Bestellung, um vor den Klimagipfeln das nötige „Klima der Angst“ zu erzeugen.

An den Grundaussagen von 1990, dass das Wetter immer extremer werde, hat sich nichts geändert, wohl aber an der Schuldzuweisung. Es ist völlig unredlich und gemogelt zu sagen: „Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat gesprochen“, um dann plakativ zu fordern: „Wollen wir unseren Planeten noch retten, müssen wir alle umdenken.“ Das klingt schön, ist aber eine Aufforderung zum Denkgehorsam, ein Abgesang an eigenständiges Denken, dessen Fundament mit der Aufklärung und Immanuel Kants Imperativ „sapere aude“ gelegt wurde. Wir müssen nicht „umdenken“, nein, wir müssen im Gegenteil lernen, wieder den Mut zum Selber-Denken aufzubringen!

Da der „Treibhauseffekt“ bis heute nicht nachgewiesen werden konnte und dies auch, weil ein theoretisches Hirngespinst, nie sein wird, wird die Klimawandelkeule munter geschwungen. Der „Klimawandel“ ist völlig natürlichen Ursprungs und nicht „menschengemacht“. Ihn gab es bereits, lange bevor der „nackte Affe“ die irdische Bühne betrat. Die Erdgeschichte gibt davon beredt Zeugnis, so auch die Kohlevorkommen auf Grönland und Spitzbergen.

Als Wladimir Köppen 1900 die erste Weltklimakarte zeichnete, benutzte er nur Kartierungen der Vegetation, die ein gutes Spiegelbild des herrschenden Wetters ist. Wohl daher wurde die IPCC-Botschaft so abgefasst, um zu verschleiern, dass das Klima kein Akteur ist, sondern vom Wetter abhängt und nicht umgekehrt. Wer mithin den Klimawandel als „menschengemacht“ bezeichnet, müsste den Nachweis führen, dass der Mensch das Wetter macht. Doch so ein Beweis fehlt. Der Mensch kann das Wetter nicht schützen; er muss sich vor dem Wetter schützen. Täglich wird uns über die Wetterberichte die Ohnmacht vor dem Wetter klar vor Augen geführt.

Der Weltklimarat erdreistet sich, eine klimatische Geschichte der Zukunft zu schreiben, als wäre es eine Geschichte der Vergangenheit. Welch eine Hybris! Dabei kann er nicht einmal das Auf und Ab des Klimas der Vergangenheit erklären. Er ist, eine Folge der Säkularisierung, gefesselt von dem Glauben an die Machbarkeit der Dinge. Aber das Wetter ist nicht machbar! Und dies möge auch so bleiben. Erst die empirische Wetterkunde führt über die Statistik zur Klimatologie. Der Weg führt vom konkreten Wetter zum abstrakten Klima, einem „Ding an sich“, das keine Existenz hat. Mag auch ein munterer Fortschrittsglauben den IPCC beflügeln, der Glaube an ein „Paradies auf Erden“ mit einem ewigen „Wetter- und Klimagleichgewicht“ ist ein Irrglaube ebenso wie der an den Einfluss der Menschen auf das Wetter. Die Energie, die die Allgemeine Zirkulation in Bewegung setzt und das Wetter steuert, stammt von der Sonne. Die Schwankungen der Intensität der Sonnenstrahlen auf die sich drehende Erde erzeugen die unterschiedlichen Wetterregime, den Wechsel der Jahreszeiten. Darauf hat die Menschheit keinen Einfluss, wie die Klimageschichte beweist.


Frei gedacht
AfD: Die letzte Hoffnung gibt den Geist auf
von Eva Herman

Ein Traum zerbricht. Der letzte Traum. Kann Deutschland noch gerettet werden? So hatten sich Millionen Menschen gefragt, nachdem sie Jahrzehnte zusehen mussten, wie es mit ihrem Land abwärts ging. Immer tiefer zogen sich Furchen durch die Republik – in der Parteipolitik, der Finanzwirtschaft, in den Medien, dem sozialen Gefüge. Verheerende Zustände auf ganzer Linie: im menschlichen Miteinander, in den Familien, die sich atomisieren, in Kultur, Ethik, den Werten.

Dann endlich der Hoffnungsstrahl. September 2012, die Alternative für Deutschland betrat die Bühne des Geschehens: Jung, mutig, konservativ! Ja, diese Leute traten an, um Deutschland zu retten. Sie wollten uns aus den Fängen des zentralistischen EU-Monsters in Brüssel befreien, wollten die unsinnigen Rettungsschirme zuklappen, dem Euro zu Leibe rücken, die arg geschundene Familie retten … und so viel mehr!

Saturierte Qualitätsjournalisten stöhnten. Möglichst unauffällig begann man, die zarten Anfänge schon gleich mit braunen Tupfen zu versehen, die übel rochen. Man wies an geeigneter Stelle stets darauf hin, dass das „krude“ Gedankengut, welches sogar die Existenz des sakrosankten Euro in Frage stellte, nur von Extremisten, von verrückten Verschwörungstheoretikern stammen konnte. Nein, die AfD hatte es anfangs nicht leicht.

Aber war es nicht gerade das, was die Menschen an diesen Außenseitern faszinierte? Erkannten sie doch mit wachsendem Herzklopfen: Jawohl, hier war eine Partei angetreten, die endlich, endlich, all die vielen Sorgen ernst nahm. Alternative für Deutschland! Sie gab Hoffnung! Hoffnung darauf, dass alles am Ende doch noch besser, um nicht zu sagen, gut werden könnte. Diese Aussicht weckte Vertrauen in vielen Menschen, die schon alles verloren geglaubt hatten, was die einstmals konservative CDU und CSU, aber auch die Libertären, die Sozen, Grünen und so weiter bereits kaputtgeschlagen hatten. Sie ahnten nicht, dass keine Partei uns noch helfen kann!

Zögerlich begann die Annäherung zwischen AfD und Wählern, Schritt für Schritt kam man sich näher. Hunderte Wissenschaftler gaben ihren renommierten Namen für die AfD! Zehntausende Wähler folgten. Sie folgten gerne, denn sie spürten die Aufbruchsstimmung, waren berauscht von dem Gedanken, nun an einer ganz großen Sache mitzuwirken, um ihr Land wieder nach ganz vorne zu bringen. Endlich!

Kann man es ihnen verdenken? Wohl kaum. Schmerzhafte Jahrzehnte liegen hinter Deutschland, der Schuld, der Erniedrigung, der Umerziehung. Ein zerstörtes Selbstbewusstsein begann sich leise aufzurichten. Dieses kleine Licht am Horizont genügte, um alte Tugenden wie Pflicht und Treue wieder freizusetzen. Doch Parteien können niemals die Lösung sein. Ihr einziger Zweck ist Wachstum, ohne Rücksicht. Mehr nicht. Parteien können niemals edel sein.

Als letztes Jahr heimliche Papiere durchs Netz geisterten, mit Hinweis, die AfD sei von einflussreichen Hintermännern der CDU ins Leben gerufen worden, wurden nur wenige nachdenklich. Warum sollte jemand so etwas tun?

Nun, so schwer wäre eine Antwort nicht. Wir wollen mal ein Gedankenmodell durchgehen. Nur so, ohne Anspruch auf Richtigkeit oder Wahrheit.

Nehmen wir an, Kanzlerin Angela Merkel, die sich seit Jahren einen feuchten Kehricht um Werte schert, weil sie nun einmal zu erfüllen hat, was ihr aus Brüssel beziehungsweise Washington vorgegeben wird, sah ihre Felle davon schwimmen: Unmut, Unzufriedenheit, das waren noch die gelindesten Reaktionen in den eigenen Reihen. Der Linkskurs der DDR-Physikerin entbehrte immer mehr der Grundlage christlicher Werte. Die Zahl ihrer Gegner in den eigenen Reihen wuchs, zunehmend enttäuschte Wähler wandten sich ab. Der Trend des Nichtwählens erhielt Aufwind.

Eine Lösung musste her. Warum sollte man nicht eine konservative Partei gründen, die offiziell nichts mit der CDU zu tun hatte, die diese, im Gegenteil, sogar herausforderte? Eine Art Auffangbecken der Unzufriedenen, das allerdings dennoch von der Kanzlerpartei orchestriert werden sollte, unbemerkt, versteht sich. Stutzig machte, dass die gleichgeschalteten Medien die „Eurohasser“ von Beginn an nicht totschwiegen, sondern der Vorsitzende Bernd Lucke lässig von einer Talkshow in die andere wanderte, trotz vieler Vorwürfe des „rechtspopulistischen“ Gedankenguts.

Eine Weile lief das so, irgendwann konnte sich die AfD fast vom Schmuddelkind-Image befreien: Nach dem erfolgreichen Abschneiden bei der Europawahl 2014 stellte sie erstmals überregionale Mandatsträger, man zog in drei Landesparlamente, war endlich salonfähig geworden. Alles fein, oder?

Längst nicht. Denn plötzlich drehte sich der Wind. Ein Apparatschik, jahrzehntelang als smarter Industriemanager berühmt, der kurz zuvor dazu gestoßen war, machte nun von sich reden: Hans-Olaf Henkel.

Der Mann hat alles, was man zum Erfolg braucht: Genügend Geld, ausgeprägten Machtsinn, beste Verbindungen in Politik und Medien, zudem verfügt er über eine gewisse Arroganz, um nicht zu sagen, Kaltschnäuzigkeit.

Es ging alles schnell: Henkel ist seit Juli 2014 Mitglied im Europäischen Parlament, ist Vize-Chef der AfD Deutschland. Und schmeißt Stück für Stück das Programm über den Haufen: Das für die Zukunft Deutschlands und Europas mit gefährlichsten Einschnitten verbundene TTIP-Abkommen ist jetzt offenbar kein Problem mehr für die AfD. Henkel diskreditiert zudem all Jene, die eine Nato-kritische und russlandfreundliche Haltung einnehmen, die sich verzweifelt gegen den drohenden West-Ost-Krieg stellen. Und er pöbelt in den Medien, in der AfD gebe es viele schwierige Typen: „Ideologen, Goldgräber, Karrieristen“! Manchmal schäme er sich für Aussagen seiner Parteikollegen „in Grund und Boden“. Ach, ja?

Eine Vermainstreamung der AfD hat begonnen. Nun ist der Vorstand zerstritten, die Parteimitglieder auch, reihenweise Austritte, werte-orientierte Redner sagen ihre Rede ab, es herrscht blankes Chaos. Vor allem jene Menschen, die Hoffnung für Deutschland hatten, reiben sich die inzwischen müden Augen. Sie begreifen nicht, sind enttäuscht, verlieren die Zuversicht. Sie können nicht mehr. All der Überschwang, all die Arbeit, all das Hoffen, war es wieder umsonst?

Es sieht ganz danach aus. Ist es doch ein altes Lied: Nichts ist, wie es scheint. Schon gar nicht in der Politik. Das Parteiensystem ist dem Tode geweiht, beziehungsweise die Menschen, die unter ihm zu leiden haben. Die politischen Akteure haben es zwar noch nicht bemerkt, so sehr sind sie mit sich und der Zerstörung aller Restwerte beschäftigt. Doch ihr Machtverlust ist besiegelt. Parteien sind immer totalitär. Sie nutzen nur ihrem Selbstzweck, nie dem Bürger. Ihr einziges Ziel ist ihr eigenes Wachstum. Die, wie es jetzt häufig heißt, Politikdarsteller, müssen dabei stets nur aufgeputzte Puppen bleiben, deren Fäden von ganz anderen Leuten gezogen werden.

Wem nützt das jetzt alles? Den Menschen im Land vielleicht? Sicher nicht. Der AfD, die der CDU immer näher kommt? Auffällig häufig kanzelt Merkel die SPD in letzter Zeit ab. Vielleicht hat sie ja schon ihren neuen Koalitionspartner ausgespäht? Das Spiel geht weiter. Das Parteiensystem versagt, es gehört nun als Grundsatzdiskussion in den Fokus.


S. 9 Kultur

Halles kleines Halleluja
Händel-Stadt richtet Mini-Festival zu Ehren des Barock-Komponisten aus − Spuren von ihm finden sich in der ganzen Stadt

Konzerte, Vorträge, Führungen, Forschung − Halle hält Händels Leben und Werk lebendig. Zum kleinen Festival „Händel im Herbst“ kommt auch ein Weltstar.

Auch nach drei Jahrhunderten unterhält Halle mit Georg Fried­rich Händel eine lebendige Verbindung. Besonders bei den Händel-Festspielen, dem größten Mu­sikfest Sachsen-Anhalts, setzt die Stadt ihren berühmten Sohn jeden Sommer wirkungsvoll in Szene. 1922 gab es die ersten Festspiele, seit 1952 finden sie jährlich statt. Dabei wird mindestens eine der 42 Händel-Opern gegeben. In über 100 Inszenierungen wurden so fast alle Opern aufgeführt. Denn Halle hat sich wie kein zweiter Ort die Pflege von Händels Gesamtwerk auf die Fahnen geschrieben.

Nur 2013 fielen die Festspiele buchstäblich ins Wasser. Im Zuge des großen Hochwassers mussten sie abgesagt werden. Dafür wurde dann im Rahmen des November-Festivals „Händel im Herbst“ ein Teil des Programms nachgeholt. Schon seit 2011 gibt dieses Mini-Festival einen musikalischen Vorgeschmack auf die großen Händel-Festspiele im Sommer. In diesem Jahr stimmen sie vom 21. bis 23. November auf die traditionellen Händel-Festspiele vom 30. Mai bis 14. Juni 2015 ein.

Umrahmt von der Händel-Oper „Arminio“, die am 21. November in der Oper Halle gespielt wird, und einem Festkonzert mit der tschechischen Star-Mezzosopranistin Magdalena Kožená am 23. November in der Konzerthalle Ulrichskirche werden im Händel-Haus und in der Ul­richskirche musikalische und mu­seale Appe­tithäppchen gereicht.

Auf Händels Spuren lässt es sich jedoch das ganze Jahr über durch Halle wandeln, wobei die Hochwasserschäden ebenfalls bereits Geschichte sind. Jeder Rundgang beginnt mit dem Händel-Haus in der Großen Nikolaistraße im Herzen der Altstadt. In dem stattlichen, dreigeschossigen, ockerfarbenen Bau erblickte Georg Friedrich Händel am 23. Februar 1685 das Licht der Welt. Sein Vater Georg, ein „Kammerdiener von Haus aus“ und „Leib-Chirurgus“ von Herzog August, hatte das Haus 1666 erworben.

Seit 1948 informiert es als Musikmuseum über Händels Leben und Werk. Zu Händels 250. To­des­tag wurde es 2009 grundlegend saniert. Seitdem präsentiert eine Dauerausstellung Händel als Europäer. In Be­gleitung be­kannter Händel-Klänge – darunter natürlich das „Halleluja!“ – und Er­klärungen aus den Raumlautsprechern flaniert der Besucher durch Händels Jahre in Halle von 1685 bis 1703 und seine europäische Karriere zwischen 1703 und 1759: durch ein langes atemberaubendes Leben, das von der mitteldeutschen Provinz über Hamburg, Florenz, Rom, Neapel, Venedig und Hannover bis nach London führte, wo sich der vielseitige Musiker ab 1710/11 aufhielt, 1727 englischer Staatsbürger wurde und in Westminster Abbey ein Ehrengrab erhielt.

Wahrlich zum Leben erwacht der Komponist in dem Mini-Barocktheater des Museums, wenn er sich als Vertreter der heroischen italienischen Oper gegen die Angriffe des Londoner Opernpublikums verteidigt, das sich immer mehr erst der Bettler- und dann der Adelsoper zuwendet. Händels Konsequenzen sind bekannt: Ab 1739 wandte er sich den Oratorien zu.

Nur 200 Meter weiter trifft man Händel schon wieder. Stolz und wohlgenährt steht er auf Halles Marktplatz in elegantem Leibrock über den damals üblichen Kniehosen, mit Galanteriedegen an der Seite und wallender Lockenperücke auf dem Kopf. Den Blick richtet er selbstbewusst gen London, seiner Wahlheimat. Auf dem Notenpult neben ihm liegt die Partitur des Messias; ein Pultfuß trägt die Zahl 1741, dem Jahr, in dem das Werk entstand.

Die über drei Meter hohe Bronzestatue ist das einzige Händel-Denkmal in Deutschland. „Errichtet von seinen Verehrern in Deutschland und England“, wie die Inschrift auf der Rückseite des Sockels verrät. In der Tat ist das Denkmal eine Gemeinschaftsaktion zu Händels 100. Todestag. Das britische Königshaus spendete im Namen Englands nahezu ein Drittel der Gesamtkosten von rund 8000 Reichstalern und leistete neben den Hallensern den größten Beitrag. Das preußische Königshaus – Halle war 1815 an Preußen gefallen – steuerte be­scheidene 566 Reichstaler bei. Der Rest kam aus ganz Deutschland, finanziert, wie von den Hallensern, aus Konzerten und Privatspenden.

Nur wenige Schritte entfernt erhebt sich die Marktkirche mit ihren Turmpaaren im Westen und Osten, die Reste zweier ursprünglich dicht hintereinander gelegener romanischer Kirchen. Nach dem Prinzip aus zwei mach eins entstand nach deren Abbruch zwischen den Türmen Sachsens letzte gotische Hallenkirche. Das dreischiffige Gotteshaus bildet eine der traditionellen Säulen der Händel-Festspiele: In ihr wird der „Messias“ aufgeführt.

Ältestes Ausstattungsstück ist die 1430 ge­gossene Bronzetaufe, in der Händel getauft wurde. Auf der 1664 von Georg Reichel gebauten kleinen Chororgel brachte ihm später Friedrich Wilhelm Za­chow das Orgelspiel bei, bevor er mit 17 Jahren „auf ein Jahr zur Probe“ Organist im Dom zu Halle wurde. Länger hielt es ihn dort auch nicht, denn 1703 ging er bereits nach Hamburg und von da in die Welt bis zuletzt nach London.

Ein stilistisches Kuriosum ist der gotische Dom mit seinem Kranz rundbogiger Zwerchhäuser vier Querstraßen nördlich. Da Halle nie Sitz eines Bistums war, ist das Bauwerk kein Dom im eigentlichen Sinne. Seit 1680 wird er als evangelisch-reformierte Gemeindekirche genutzt und ist mit seiner hervorragenden Akustik ebenfalls fest im Händel-Festival verankert.

Jenseits der ehemaligen Stadtmauer, keine 500 Meter östlich des Marktplatzes, ruhen auf dem Stadtgottesacker Händels Eltern Georg und Dorothea sowie seine beiden Schwestern Dorothea Sophia und Johanna Christiana. Der Friedhof wurde im 16. Jahrhundert nach dem Vorbild eines italienischen Camposanto erbaut und ist der einzige dieser Art nördlich der Alpen. Im zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, in den 1950er Jahren teilweise wiederaufgebaut, konnte er nach 1990 nahezu originalgetreu rekonstruiert werden.

Nachdem Georg Händel seine erste Frau Anna durch die Pest verloren hatte, heirate er 1683 die Pfarrerstochter Dorothea Traut. Als ihr erster Sohn, Georg Fried­rich, geboren wurde, war der Vater bereits 63 Jahre alt. Er starb, als der kleine Händel zwölf war. Ehefrau Dorothea überlebte sogar noch ihre beiden Töchter und starb 1730 mit 79 Jahren.

Heute finden im Händel-Haus im Jahr durchschnittlich 180 Veranstaltungen statt, Konzerte, Vorträge, Lesungen, internationale Händel-Konferenzen. Als zentrale Stelle der Händel-Forschung und -Dokumentation sitzt hier auch die Redaktion der Hallischen Händel-Ausgabe, einer Neuedition aller Werke des Komponisten auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. Die Ausgabe erscheint seit 1955 und soll 2023 abgeschlossen sein. Helga Schnehagen

Händel-Haus: Dienstag bis Sonntag geöffnet 10 bis 17 Uhr; Veranstaltungen, Festspiel-Tickets: www.haendelhaus.de


Altern ausgeschlossen
Frankfurter Verismus-Schau verblüfft mit lebensnahen Skulpturen

Eigentlich weilen sie schon lange nicht mehr unter uns. Aber der 1610 getötete Heinrich IV. von Frankreich, die 1693 verschiedene Prinzessin Ulrika Eleonora von Dänemark oder ein gewisser Scipione

de’Ricci, der 1810 das Zeitliche segnete, machen im Frankfurter Liebieghaus einen verblüffend lebendigen Eindruck. Anwesend sind sie natürlich nur als Skulpturen. Aber die sind Meisterwerke in der lebensnahen Wiedergabe des Menschen. In „Die große Illusion“ sind 52 dieser sogenannten „veristischen Skulpturen“ ausgestellt. Sie wurden im Zeitraum von der Antike bis zur Gegenwart geschaffen.

Im Mittelpunkt steht die Frage nach den technischen Mitteln der veristischen Skulptur. Kalkweiß ist die römisch-ägyptische Mu­mienmaske einer Frau (2. Jahrhundert n. Chr.). Und doch macht sie dank ihrer Glasaugen einen lebendigen Eindruck. Die Augen – ob nun aus Glas, aufgemalt oder aus farbigen Steinen – sind die Voraussetzung, um Skulpturen die Illusion von Leben einzuhauchen. Ein weiteres elementares Mittel ist die Bemalung. Man ist fast erschrocken bei der unvermittelten Begegnung mit einer splitternackten Dame namens „Ariel II“. Erschaffen hat sie 2011 John de Andrea. Er hat sein Modell in Bronze abgegossen und bis hin zu den Muttermalen getreu nach dem Vorbild bemalt.

Puppenhaft und recht wenig individualisiert wirkt hingegen die vermutlich von Claude le Coffre aus Pappmaschee und Leinen geformte und bemalte Büste der „Prinzessin Ulrika Eleonora von Dänemark“ (um 1680). Doch siehe da: Dank der gelockten blonden Echthaarperücke wirkt auch sie äußerst lebensvoll. Ein kleiner Junge sitzt zwischen den Skulpturen herum und blickt trotzig drein. Sein „Vater“ Duane Hanson schuf ihn 1974 aus bemaltem Kunststoff. Der angebissene Schokoriegel und vor allem die echte Kleidung bis hin zum offenen Schnürsenkel lassen den Jungen quicklebendig erscheinen. Auch jenseitige Erscheinungen werden uns mit diesseitigem Wirklichkeitssinn vor Augen gestellt.

Erschütternd wirkt der brutale Realismus der von Pedro de Mena geschnitzten, mit Wunden, blauen Flecken und Blutrinnsalen bemalten Halbfigur des gemarterten Christus (Ecce Homo, 1679), dem eine Krone aus wirklichen Dornenzweigen aufgesetzt ist.

Obwohl ihr Teint etwas speckig aussieht, vermitteln insbesondere die Wachsabformungen von Ge­sichtern einen zutiefst lebensechten Eindruck. Deren wahre Kunst aber besteht darin, über die getreue Gesichtswiedergabe hinaus den Dargestellten zu „beseelen“ und zu charakterisieren.

Geradezu ein Ausbund an Le­bensfreude ist der von dem italienischen Modelleur Clemente Michelangelo Susini aus Wachs geformte, mit Echthaar und Glasaugen ausgestattete Kopf des Geistlichen Scipione de’Ricci (um 1809). Er zeigt mit leicht geöffnetem Mund ein leises Lächeln. Ihm scheinen schöne Gedanken durch den Kopf zu gehen. Mit dieser äußerst verblüffend fotorealistischen Darstellung bleibt Scipione der Nachwelt seit inzwischen über 200 Jahren in lebendiger Erinnerung. Veit-Mario Thiede

Bis 1. März 2015 im Liebieghaus, Schaumainkai 71, Frankfurt am Main. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Telefon (069) 6050980, Internet: www.liebieghaus.de. Eintritt: 9 Euro. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet im Museum 34,90 Euro, im Buchhandel 44,90 Euro.


Charakterköpfe aus Holz
Tilman Riemenschneiders Altarbilder neu betrachtet

Die Begegnung mit dem Holzschnitzer setzte früh ein: im Alter von 15 Jahren auf einem Klassenausflug ins idyllische Rothenburg ob der Tauber. Der berühmte Heiligblutaltar in der Jakobskirche befand sich damals noch vorne rechts im Kirchenschiff und nicht wie mittlerweile seit Jahren auf der hinteren Empore. Man stand unmittelbar vor den Figuren mit ihrer bewegten Gebärdensprache und konnte die Hände wie auch die fein gearbeiteten Ge­sichter aus nächster Nähe betrachten. Da es keine Absperrung gab, hätte man die Gestalten von Jesus und den Aposteln berühren können, hätte einem nicht die Ehrfurcht davon abgehalten.

Man weiß zwar einiges über den Künstler, der auch von 1520 bis 1524 in Würzburg Bürgermeister war, aber längst nicht alles. Thomas Mann hatte ihn als Kämpfer für Recht und Freiheit gerühmt, denn der Bildschnitzer war durchaus politisch engagiert. Nicht ohne Grund war er während der Bauernkriege 1525 auf der Würzburger Festung Marienberg eingekerkert gewesen, und er soll wie auch andere Inhaftierte gefoltert worden sein. Da er zu den Aufständischen gehalten hatte, erhielt er von da an keine größeren Aufträge mehr. Vielleicht trug auch die sich ausbreitende Reformation mit ihren Bilderstürmen dazu bei, dass weniger Interesse bestand an Altären und Heiligenstatuen.

Um Riemenschneiders Leben ranken sich Legenden, denn manches liegt im Dunkeln. Geboren wurde er zwischen 1459 und 1462 in Heiligenstadt im Eichsfeld. Nur wenige Jahre später zieht sein Vater mit der Familie nach Osterode im Harz. Bald darauf begibt sich Riemenschneider auf Wanderschaft und wird in Würzburg als Geselle sesshaft. Hier heiratet er zum ersten Mal und wird Meister. Lange Zeit galt der 7. Juli 1531, der Todestag des Künstlers, als einziges gesichertes Datum. Deshalb wird seine Biografie auch häufig von hinten her aufgespult, denn schon kurz nach seinem Tod war der geniale Schöpfer biblischer Gestalten für lange Zeit vergessen.

Ihm verdanken die Gläubigen zahlreiche Bildwerke von einzigartiger Qualität und Ausstrahlung. Es gibt Zeitgenossen, die sich beim Betrachten seiner Altarretabels, der Apostel- und Jesusfiguren eher zur inneren Einkehr aufgerufen fühlen als beim Anhören gut gemeinter Predigten. Vor allem in Franken besteht ausgiebig Gelegenheit, Riemenschneiders Altären zu begegnen, und dies nicht nur in Rothenburg, wo neben dem Heiligblutaltar in der Jakobskirche auch der Franzis­kusaltar in der Franziskanerkirche und der Kreuzaltar im nur wenige Minuten entfernt liegenden Detwang Aufmerksamkeit verdienen. Im filigran empor strebende Ma­rienaltar von Cregligen soll sich der Künstler in der Predella selbst verewigt haben, und beachtenswert sind auch seine Schnitzwerke im Bamberger Dom und im Mainfränkischen Museum in Würzburg, wo der Franke 1504 in den Rat der Stadt berufen wurde.

Nach dem Tod des viermal verheirateten Riemenschneiders übernahm sein Sohn Georg die Werkstatt. Erst im 19. Jahrhundert hat man sich wieder auf den Vater als den genialen Menschengestalter besonnen. Heute sind seine beseelten Kunstwerke an vielen Orten zu besichtigen, sei es in Berlin oder Wien, in München oder Heidelberg, in dessen Kurpfälzischem Museum der Windsheimer Zwölfbotenaltar zu den Filetstücken zählt. Heide Seele


S. 10 Preussen

Er bildete mit Bismarck eine WG
Hans Hugo von Kleist entsprach dem Idealtypus eines preußischen Konservativen wie kaum ein anderer

Vor 200 Jahren wurde mit Hans Hugo von Kleist (später dann Kleist-Retzow) einer der markantesten Vertreter des altpreußischen Landadels geboren. Zunächst machte der zeitweilige Freund Otto von Bismarcks als begnadeter Wortführer der Konservativen Karriere, dann aber geriet er aufgrund seines protestantischen Glaubenseifers sukzessive ins politische Abseits, die Freundschaft mit Bismarck zerbrach.

Das uralte hinterpommersche Adelsgeschlecht derer von Kleist brachte immer wieder bedeutende Persönlichkeiten hervor, darunter zwei Generalfeldmarschälle und mehrere bekannte Dichter. Und auch Hans Hugo von Kleist, der am 25. November 1814 auf dem väterlichen Rittergut in Kieckow nahe der Kreisstadt Belgard an der Persante das Licht der Welt erblickte, sollte es zu einiger Prominenz bringen.

Am Anfang der Laufbahn Kleists stand das Studium der Rechtswissenschaften, nach dessen Beendigung er 1838 als Kammergerichtsauscultator in den Staatsdienst eintrat. Kurz darauf, am 13. Februar 1839, erhielt sein Vater Hans Jürgen von Kleist (1771–1844) vom preußischen König die Genehmigung, Namen und Wappen der Familie von Retzow anzunehmen, die in der männlichen Linie ausgestorben war. Fünf Jahre später avancierte der nunmehrige Hans Hugo von Kleist-Retzow anstelle des verstorbenen Vaters zum Landrat von Belgard. In dieser Eigenschaft erlangte er während der Revolution von 1848 plötzlich Bekanntheit, weil auf seine Initiative hin die erste Adresse an den nach England geflüchteten Kronprinzen Wilhelm von Preußen (1797–1888) erging, nach Berlin zurückzukehren. Damit begann eine politische Karriere, deren nächste Marksteine die Wahl zum Vorsitzenden des antirevolutionären Gegenparlaments zur preußischen Nationalversammlung sowie zum Abgeordneten der zweiten Kammer des Landtags waren, wobei Kleist-Retzow dort jeweils die neugegründete Konservative Partei vertrat.

In diese Zeit fällt außerdem auch der Beginn seiner sogenannten Ehe mit dem in mancher Hinsicht ebenfalls ultrakonservativen Otto von Bismarck (1815–1898): Die beiden lebten in Berlin in einer gemeinsamen „Junggesellenwirtschaft“, bis der erst 36-jährige Kleist-Retzow am 13. Juli 1851 zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt wurde, was nicht zuletzt der Fürsprache Bismarcks entsprang. Zuvor hatte es der pommersche Jurist zweimal abgelehnt, einen Ministerposten in der preußischen Regierung zu übernehmen, weil er sich für derartig hohe Ämter noch zu unerfahren fühlte.

Allerdings gab es auch in Koblenz Probleme, die vor allem aus der religiösen Orientierung Kleist-Retzows resultierten. Mit seinem protestantischen Eifer, der mit einer demonstrativ vorgetragenen Askese in Alltagsdingen einherging, passte Bismarcks „lieber Hans“ in keinster Weise in das lebensfrohe und katholisch geprägte Rheinland. So protegierte er nicht nur evangelische Einrichtungen beziehungsweise Unternehmer, sondern sorgte auch für eine drastische Reduzierung der Schank-Konzessionen und der „übertrieben häufigen Tanzvergnügungen“, wobei sich die pietistische und darüber hinaus antiliberale Haltung des Oberpräsidenten noch verstärkte, nachdem dieser 1856 beinahe an „schwerstem Gehirntyphus“ gestorben wäre. Deshalb gelangte der Kronprinz, der zu dieser Zeit als Generalgouverneur der Rheinprovinz fungierte und Kleist-Retzow eigentlich sehr schätzte, schließlich zu der Auffassung, „dass K. in der Totalität seiner Anschauungen und Auffassungen sich mit den Verhältnissen der Rheinprovinz nicht in dem Einklange befinde, durch welchen eine wahrhaft ersprießliche Wirksamkeit bedingt werde“. Hieraus resultierte am 17. November 1858, kurz nach der Übernahme der Regentschaft durch Wilhelm von Preußen, die formelle Entlassung – allerdings in Ehren.

Dergestalt freigestellt, konzentrierte sich Kleist-Retzow nun vollkommen auf die Politik, was ihm umso leichter fiel, als er am 1. Februar 1858 durch einen der letzten Erlasse des erkrankten Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) zum Mitglied des preußischen Herrenhauses ernannt worden war. In dieser ersten Kammer des Parlaments gehörte der pommersche Landadlige zunächst zu den engsten Unterstützern von Bismarck. So machte er sich 1862 gemeinsam mit Kriegsminister Albrecht von Roon (1803–1879) für die Berufung seines Freundes zum Ministerpräsidenten stark. Bald darauf führte dann allerdings Bismarcks Kurs der Annäherung an die Liberalen zu einer wachsenden Entfremdung. Und schließlich kam es wegen der gegensätzlichen Standpunkte zu Fragen der Kirchenpolitik sogar zum offenen Bruch. Letzter Auslöser war dabei Kleist-Retzows kompromisslose Ablehnung der Abschaffung der geistlichen Aufsicht über die Volksschulen – daraufhin erklärte der nunmehrige Reichskanzler am 5. März 1872 das Tischtuch zwischen den beiden für zerschnitten.

Kleist-Retzow besaß aber Größe genug, um Bismarck in bestimmten Sachfragen weiterhin den Rücken zu stärken. Das zeigte sich insbesondere, nachdem er 1877 als Abgeordneter der Christlich-Konservativen Partei Minden-Ravensbergs für den Wahlkreis Herford-Halle in den Reichstag eingezogen war. Hier wurde das konservative Urgestein mit dem Lebensmotto „Fürchte Dich nicht, glaube nur!“ zu einem der entschiedensten Befürworter des Sozialistengesetzes beziehungsweise der Bismarck­schen Sozialpolitik, was auch an den Fortschritten bezüglich der Durchsetzung einer allgemeinen Sonntagsruhe lag, für die er seit seinen Koblenzer Tagen warb. Deshalb erwog der „Eiserne Kanzler“ sogar, den einstmaligen Vertrauten zum Landwirtschaftsminister zu machen. Doch mittlerweile war der immer noch äußerst redegewandte und quicklebendige Kleist-Retzow, der sich fast nur im Schnellschritt bewegte, auch in konservativen Kreisen isoliert, weil sein strenger Moralismus vielen nicht mehr zeitgemäß erschien und auch unbequem war. Aus diesem Grunde blieb ihm ein weiteres öffentliches Amt versagt. Dafür kam es nun zu späten Ehrungen von Seiten Wilhelms I.: Zunächst erhielt von Kleist-Retzow im August 1879 den Stern zum Roten-Adler-Orden und dann ernannte ihn der Kaiser am 28. Mai 1883 auch noch zum „Wirklichen Geheimen Rathe mit dem Prädicate Exzellenz“.

Der Idealtyp eines preußischen Konservativen, der seinen Mantel niemals nach dem herrschenden Wind drehte, sondern sich ausschließlich Gott und der Monarchie verpflichtet fühlte, starb am 20. Mai 1892 auf dem Familiengut Kieckow, wo er auch geboren worden war. Wolfgang Kaufmann


»Wer weiß was über Ostpreußen?«
Vor 40 Jahren starb der ostpreußische Schriftsteller und Hörspielautor Martin A. Borrmann

Im ersten „Ost- und westpreußischen Dichterbuch“, das 1926 vom Studienrat und Heimatforscher in Deutsch-Eylau Bruno Wilm in Königsberg herausgegeben wurde, ist Martin August Borrmann – damals 31 Jahre jung – bereits erwähnt. „In ihren vollendetsten Schöpfungen“ ist der am 10. September 1895 in Rößel geborene Schriftsteller, Hörspielautor und Ostpreußenblatt-Mitarbeiter dort mit 65 lebenden Dichterinnen und Dichtern vereinigt. Die noch kurze Biografie berichtet, dass er im Pfarrhaus zur Welt kam, seine Schul- und Jüng­lingsjahre in Königsberg verbrachte, zuerst Musiker, dann Schauspieler werden wollte, aber in München, Bonn und Berlin Medizin studierte. Der junge Borrmann machte weite Reisen und gab von 1922 an jährlich Novellen heraus. Die Lebensbeschreibung schloss: „Seitdem er sich zur Einführung des Achtstundentages entschließen konnte, lebt er als Feuilletonist in Wiesbaden.“

„Ich war in die Bäderstadt gezogen, um der ,Frankfurter Zeitung‘, die mich im Vorjahr auf eine schöne weite Reise geschickt hatte, räumlich nahe zu sein“, berichtete Martin A. Borrmann. Sein Ergebnis als Reiseschriftsteller war: „Sundra. Eine Reise durch Sumatra“ (1925). Bis 1926 erschienen von ihm in namhaften Verlagen seine Erzählungen „Venus mit dem Orgelspieler“ (1922) und „Die Mißhandlung“ (1924) der Novellenband „Der Don Juan der halben Dinge“ (1925) sowie schließlich 1926 die Erzählungen „Frühe Schuld“ und die Komödie „Chaos bei Tinkauzer“, die er zusammen mit dem Redakteur und gebürtigen Königsberger Gerhard Bohlmann in Berlin verfasste.

Von Ostpreußen konnte sich der Schriftsteller wohl nicht ganz trennen: Um 1930 lautete seine „ständige Adresse“ in Königsberg Altroßgärter Predigerstraße 18 und um 1943 Hintergroßgarten 34. Sein Vater war Geistlicher des Diakonissen-Mutterhauses der Barmherzigkeit, Sohn Martin, einst Schüler im Collegium Fridericianum, spielte hier in der Kapelle und in der Altroßgärter Kirche die Orgel. Seine Arbeit als Dramaturg am Neuen Schauspielhaus ab 1929 wurde 1933 durch Entlassung jäh beendet.

Der Reichssender Königsberg übertrug Martin-Borrmann-Hörfolgen und -spiele: „E.T.A. Hoffmann“; „Ahnen und Erbe“; „Gubernatorcoeli“; „Coppernicus“; „Phoebus ist bei mir daheime“ (Simon Dach); „Der 18. Januar 1701“; „Ostpreußens Not“; „Eine Nacht im Königsberger Blutgericht“; „Familie Bach“; „Als man noch den Kranz um den Zylinder trug“ mit Lisa Treike sowie ebenfalls mit ihr: „Patentaler und Kindelbier“; „Größe und Untergang eines Konzertflügels“; ferner Verse zur „Samländischen Suite“ und zur „Kurischen Suite“ von Otto Besch.

1935 erschien in Berlin das Buch „Ostpreußen“ und 1937 gab es den Schadenverhütungsfilm „Setteborns Einkehr“. Mit dem Rundfunk war Martin A. Borrmann schon 1946 wieder verbunden, beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) und dem Sender Freies Berlin (SFB).

In den Jahren 1945 bis 1955 lebte der Schriftsteller unter dem Pseudonym Matthias Born: Als 1958 sein anonymes Quizbuch „Wer weiß was über Ostpreußen?“ erschien, fragte er selbst den Leser nach dem Herausgeber: „Er will erraten sein. Hitlers einstiger Stellvertreter war es nicht …“ Er fügt seitdem hinter seinem Vornamen ein „A.“ hinzu: Martin A. Borrmann, um nicht mit dem Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP im Rang eines Reichsministers Martin Bormann verwechselt zu werden. Die Ostpreußen fanden den Namen des Herausgebers in Büchern im Gräfe und Unzer Verlag, München. Er stellte eine Sammlung ostpreußischer Prosa zusammen, versah sie mit Notizen, so dass ein Sammelwerk entstand, das über den unterhaltenden Charakter hinaus auch manche Belehrung spendete.

Der in Berlin ansässig gewordene Dichter fand in Charlottenburg, später in Wilmersdorf Unterkunft. Infolge eines Unfalls war er jahrelang an das Krankenbett gebunden. In seinem Roman „Trampedank“ aus dem Jahre 1958 schilderte der Autor die Geschichte des Kuno Trampedank von der Geburt in Königsberg bis zum künstlerischen Durchbruch des jungen Schauspielers im kaiserlichen Berlin der Jahrhundertwende. 1973 erschien das Buch unter dem Titel „Das Glück der Pechvögel“ – das ist der zweite Titel des „Trampedank“. Dass ein Pechvogel vor 1000 geschick­teren Ehrgeizlingen das Rennen macht, weil er immer dem Befehl seines gütigen Herzens treu bleibt – dieser Einfall bestimmte neben der Darstellung der Gestalten, der Lyrik der Landschaftsschilderungen und der Ironie der kleinen Lebensklugheiten die Besonderheit dieses humorvollen Buches. In dem dem Erscheinen des Romans folgenden Kalenderjahr 1974 ist der Träger des Kulturpreises für Literatur der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) des Jahres 1961 am 3. Dezember gestorben.

E.B.


Die erste Produzentin

Die freundliche Frau Wirtin aus der betont hessischen Unterhaltungssendung „Zum Blauen Bock“ war Preußin. Frankfurt am Main wurde 1866 als Folge des verlorenen Deutschen Krieges preußisch und Elisabeth „Lia“ Wöhr kam in der einstmals freien Kaufmannsstadt am 26. Juli 1911 zur Welt. Lia Wöhr war jedoch nicht nur Preußin und – zumindest gemäß der Legende der Fernsehsendung – Gastgeberin in der er­folg­reichen Sendung des Hessischen Rundfunks, sondern auch die erste Programmproduzentin eines deutschen Fernsehsenders. Überhaupt war diese Frau sehr vielseitig.

Bereits in jungen Jahren wurde sie von ihrer Mutter mit ins Theater geschleppt. Nach dem Besuch einer Aufführung von Richard Strauss’ Oper „Salome“ mit dem „Tanz der sieben Schleier“ beschloss sie, Balletttänzerin zu werden. Sie erhielt den von ihrer Mutter erbettelten Ballettunterricht, doch erklärte der Ballettmeister, dass sie für die ganz große Karriere zu schwer sei, und schlug statt dessen Schauspielunterricht vor. So wurde sie nicht nur Ballettmeisterin, sondern auch Theater- und Fernsehschauspielerin – und darüber hinaus profilierte sie sich im Laufe ihres Lebens auch noch als Dirigentin, Operettensoubrette, Kabarettistin, Souffleuse, Conféren­cière, Alleinunterhalterin, Hörfunksprecherin und Opernregisseurin.

Sie kultivierte ihre Herkunft und etablierte sich als „Hessemädche“ auf der Bühne und im Radio. Über den Rundfunk lernte sie auch Wolf Schmidt und die von ihm ersonnene „Familie Hesselbach“ kennen. In der ab 1949 vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlten Hörfunkserie „Die Hesselbachs“ spielte sie neben Schmidt eine tragende Rolle. Erst lieh sie der Tochter Anneliese ihre Stimme, doch war sie dafür nun doch schon etwas alt und löste deshalb bereits in der zweiten Folge Anny Hannewald in der Rolle der Mutter Hesselbach ab. 1959 kamen die Hesselbachs dann ins Fernsehen. Da sie Schmidt, den Vater Hesselbach, deutlich überragte, spielte sie in der Fernsehfassung statt dessen Ehefrau die Putzfrau Siebenhals. Daneben war sie die Produzentin der Serie. Bis 1967 wurden insgesamt 51 Episoden dieser sehr erfolgreichen Serie gezeigt.

Vor dem Ende der Hesselbachs hatte Wöhr bereits eine neue regelmäßig zu spielende Rolle. 1965 hörte der bisherige Wirt und Moderator vom „Zum Blauen Bock“, Otto Höpfner, aufgrund von Gagenstreitigkeiten auf. Während Heinz Schenk die Funktion des Moderators in der Rolle eines Oberkellners übernahm, wurde Wöhr Höpfners Nachfolgerin als Wirt. 1967 trat sie dann auch noch Martin Jentes Nachfolge als Produzentin der Sendung an. Diese Doppelfunktion nahm sie für die Fernsehshow auch noch nach ihrer Pensionierung im Jahre 1976 wahr, bis Schenk 1987 die Moderation aufgab und die Sendung eingestellt wurde. Sieben Jahre später, am 15. November 1994, starb Lia Wöhr in Oberursel-Weißkirchen am westlichen Stadtrand Frankfurts. Manuel Ruoff


S. 11 Geschichte

Stifterin der Heiligen Allianz?
Vor 250 Jahren wurde Juliane von Krüdener geboren – Als Beraterin Zar Alexanders I. schrieb die Pietistin Geschichte

Juliane von Krüdener wurde bei großen Auftritten als Prophetin der Heiligen Allianz oder als das „Sonnenweib“ gefeiert. Fakt ist, dass sie den russischen Zaren Alexander I. zur Heiligen Allianz bewog, die auch ihre Handschrift trägt. Am 22. November 1764 kam die Zarenberaterin in Riga zur Welt.

Der zynische Machtpolitiker Clemens von Metternich instrumentalisierte die Heilige Allianz zu einem reaktionären Bündnis der Restauration gegen Nationalismus, Liberalismus und Revolution. Wenn der österreichische Staatskanzler und Außenminister es auch verstand, die Heilige Allianz für seine profanen Zwecke zu missbrauchen, so war sie doch ursprünglich religiös motiviert und initiiert vom ungleich idealistischer veranlagten, aber psychisch labilen russischen Zaren Alexander I., der zumindest in dieser Frage unter dem Einfluss der Freifrau Barbara Juliane von Krüdener geborene von Vietinghoff stand. Ohne die Mitwirkung der am 22. November 1764 in Riga geborenen Pietistin, Beraterin des russischen Zaren und Schriftstellerin aus deutsch-baltischem Adel wäre die am 26. September 1815 durch den von ihr beratenen Zaren sowie den Monarchen Österreichs und Preußens unterzeichnete Heilige Allianz in der vorliegenden Form nicht zustande gekommen, jenes Abkommen, das später viel kritisiert und meist als Dokument der Reaktion gebrandmarkt wurde.

Zur ersten, zündenden Begegnung zwischen der Erweckungspredigerin und dem ebenfalls zur religiösen Schwärmerei neigenden Zaren war es erst wenige Monate zuvor, Anfang Juni 1815, in Heilbronn gekommen. Über Krüdeners Weissagungen und Verkündigungen war Alexander bereits unterrichtet, und er fühlte ein lebhaftes Verlangen, sie kennenzulernen. Krüdener stand der pietistischen Brüdergemeinde nahe, dennoch ging sie, die sich zu einem göttlichen Rüstzeug auserkoren glaubte, in einer überkonfessionellen mystischen Religiosität auf. Den Herrscher Russlands ließ sie wissen, Gott habe ihn zum Friedensstifter für die Völker berufen, zum Gelübde, ihnen das Evangelium des Friedens zu bringen, nachdem der „Antichrist“ Napoleon (nach Offb. 9,11) besiegt wäre. „Sie sind einer der Ausgewählten“, schrieb sie dem Zaren, „Ihre Seele ist durch große Opfer und ungeheure Leiden vorbereitet worden.“ Nur um den mächtigen Verbündeten nicht zu verstimmen, unterschrieben Kaiser Franz II. von Österreich und König Fried­rich Wilhelm III. von Preußen den stark religiös gefärbten Vertragstext der Heiligen Allianz, dessen Diktion in vielen Einzelheiten auf Krüdener zurückgeht. Nachdem diese dem Zaren auf seine Bitte hin als Seelsorgerin nach Heidelberg und Paris gefolgt war, zog der Herrscher Russlands einen Trennungsstrich, als sie ihn bat, Geld zur Gründung einer christlichen Gemeinschaft bei Weinsberg in Baden zu geben. Die bekannt gewordene langjährige Verbindung Krüdeners zu einer betrügerischen „Seherin“, von der sie sich zur Sendbotin und Weltverbesserin hatte ausrufen lassen, trug das ihrige dazu bei, vor allem aber der Umstand, dass die Missionarin allenthalben verbreitete, sie sei die eigentliche Urheberin der Heiligen Allianz, ein Verdienst, das der Zar für sich beanspruchte.

Von der lutherischen Orthodoxie als Sektiererin verdächtigt, zog die einstige Berühmtheit der europäischen Salons als Wanderpredigerin weiterhin das Interesse großer Kreise in West- und Osteuropa auf sich. Aufgewachsen war die Frau aus baltischem Uradel auf den livländischen Gütern ihrer Familie und in Paris. 1782 heiratete sie den russischen Diplomaten Baron Burchard von Krüdener, mit dem sie in Venedig und Kopenhagen lebte. Aus der Ehe gingen eine Tochter und ein Sohn hervor, doch nach einigen Jahren bestand die Ehe nur noch auf dem Papier. Meist weilte die lebenslustige junge Frau fern von ihrem Mann in Frankreich, Russland, Deutschland und der Schweiz. 1799 zog sie wieder nach Paris, wo sie durch ihr mondänes Auftreten von sich reden machte. 1801 fuhr sie zu Madame de Staël-Holstein auf Schloss Coppet nahe Genf. Innere Unruhe sowie gesellschaftlicher und literarischer Ehrgeiz bezeugen ihre Briefe an den Romancier Jean Paul. Von großer literarischer Wirkung war ihr 1803 erschienener zweibändiger Roman „Valérie“.

Nach einem Bekehrungserlebnis in Riga erregte Krüdener ab 1805 an verschiedenen Orten Aufsehen mit ihren schwärmerischen, pathetischen Bußpredigten, öffentlichen gottesdienstlichen Versammlungen, Flugschriften und Hilfsaktionen. Dass ihr Weg sich weiterhin mit demjenigen mancher berühmter Zeitgenossen kreuzte, war meist von ihr selbst herbeigeführt. Bei der Königin Luise hinterließ eine Begegnung mit ihr im preußischen Krisenjahr 1806 in Königsberg einen tiefen Eindruck, ebenso bei der holländischen Königin, Stieftochter und Schwägerin Napoleons I. sowie Mutter Napoleons III., Hortense de Beauharnais. Nicht bei den Lasterhaften, sondern bei den Lauen sah Krüdener die größte Gefahr für Religion und Gesellschaft. Sie wollte aber nicht nur eine „heilige Mission“ erfüllen, sondern sie brandmarkte das Elend, das die neue Wirtschaftsordnung bewirkte, sie bettelte für die Armen und hatte den Mut, öffentlich Anklage gegen Fabrikanten zu erheben. Die heute überall angebotene Obdachlosenzeitung geht auf ihren Einfall zurück, eine Zeitung für die Bedürftigen zu produzieren, damit diese den Reichen die Zeitung gegen Speisung austeilten. Von ihr stammt das Wort, es sei die Berufung der Armen, die Reichen zu retten. Folglich wurde sie als Sozialrevolutionärin verdächtigt und erst aus der Schweiz, dann aus Baden ausgewiesen. In Sachsen und Preußen durfte sie sich mit ihrer kleinen Anhängerschaft nicht niederlassen.

1818 zog sie sich auf ihr livländisches Landgut Kosse zurück. Aus St. Petersburg erging 1821 ihre Bitte an Zar Alexander, sich in der russischen Hauptstadt niederlassen zu dürfen. Die Bitte wurde ihr nicht gewährt, auch forderte der Zar seine früher an sie gerichtete Korrespondenz zurück. Am 25. Dezember 1824 starb Juliane von Krüdener in Karasubasar, dem heutigen Bilohirsk beziehungsweise Belogorsk, auf der Krim, so wie sie gelebt hatte: unterwegs mit einer Mission.

Dagmar Jestrzemski


Wanderer zwischen beiden Welten
Carl von Linde personifizierte die heute propagierte Verbindung und Fluktuation zwischen Universität und Wirtschaft

Zu Recht wird heute eine bessere Verbindung und Fluktuation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gefordert. Die Tätigkeit im Elfenbeinturm soll stärker an den Interessen der Menschen, die universitäre Forschung vor allem in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Technik) stärker an den Bedürfnissen des Verbrauchers orientiert sein. Umgekehrt soll die Wirtschaft Erkenntnisse und Entdeckungen der Wissenschaft schneller und konsequenter in wettbewerbsfähige und bedarfsorientierte Produkte umsetzen. Dieses Ideal einer Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie der damit zusammenhängenden gleichfalls heutzutage propagierten Fluktuation zwischen Universitäten und Unternehmertum entsprach kaum ein Deutscher derart signifikant wie Carl Ritter von Linde.

Dabei schien dem am 11. Juni 1842 in Berndorf bei Kulmbach geborenen Franken weder eine Karriere als MINT-Wissenschaftler noch als Unternehmer in die Wiege gelegt. Die finanziellen Verhältnisse waren beschränkt. Die Eltern des erst 1897 mit der Verleihung des Verdienstordens der Bayerischen Krone in den persönlichen Adelsstand erhobenen Begründers der industriellen Kältetechnik mussten mit einem Gehalt neun Kinder ernähren. Allerdings erwies sich ihr protestantisches Arbeitsethos als sehr leistungsfördernd und sie waren alles andere als bildungsfern. Der Vater war als Pfarrer Akademiker und durchaus willens, seinem Sohn ein Studium zu ermöglichen. Und von der Mutter wissen wir aus dem Munde ihres Sohnes, dass sie ein starkes geistiges Element in das Familienleben einbrachte, indem sie „immer im Fluge schöpferischer Phantasie durch Darstellung höherer Güter den Wert der materiell entbehrten herabsetzte“.

Allerdings hätte der Vater es lieber gesehen, wenn der Sohn wie er Theologie studiert hätte. Carl von Lindes Interessen gingen jedoch in eine andere Richtung. Schon als Kind begeisterte er sich für die Turbinen und Dampfmaschinen in der Wollspinnerei einer befreundeten Familie und beschloss Maschinenbauer zu werden. Der Vater akzeptierte seinen Wunsch und 1861 nahm er in Zürich ein Studium am Eidgenössischen Polytechnikum, der heutigen ETH Zürich, auf, das damals einen ausgezeichneten Ruf genoss. Es spricht für das Verantwortungsbewusstsein des Pastorensohnes, dass er gegenüber seinem Rektor für vermeintlich zu Unrecht disziplinierte Kommilitonen eintrat. Diese Zivilcourage bezahlte er, 1864 schon auf der Zielgerade zum Examen, mit der Zwangsexmatrikulation trotz guter Studienleistungen.

Wenigstens gaben ihm zwei seiner Professoren je ein Empfehlungsschreiben mit auf den Weg. Über diese schrieb er später rück­­blickend: „Niemals bin ich nach jenem Diplome gefragt worden, während die beiden Zeugnisse mir wesentliche Dienste geleistet haben.“ Allerdings lief Lindes Berufslaufbahn recht schleppend an. So begann sie – ganz modern – mit einem längeren unbezahlten Praktikum. Der Wunsch der meisten Berufsanfänger, die ein Praktikum machen, wurde im Falle Lindes nach einem halben Jahr jedoch endlich Realität. Er wurde übernommen. Als Linde 1866 der Zeitung entnahm, dass der Maschinenbauer Georg Krauss in München den Aufbau einer Lokomotivenfabrikation plane, bewarb sich der damalige Borsigmitarbeiter mit gesundem Selbstvertrauen gleich um die Leitung des Konstruktionsbüros. Er bekam die Stelle bei Krauss.

Bereits kurz darauf widerholte sich in gewisser Hinsicht die Situation. Er erfuhr, dass in München eine Polytechnische Schule errichtet werden sollte, die heutige TU München, und bewarb sich ohne akademischen Abschluss, geschweige denn wissenschaftlicher Laufbahn um den Lehrstuhl für theoretische Maschinenlehre. Der Verwaltungsapparat war natürlich dagegen, aber der Gründungsprofessor Carl Maximilian von Bauernfeind war auf seiner Seite und so wurde er erst 1868 außerordentlicher und 1871 nach der Ablehnung eines Rufes nach Darmstadt schließlich ordentlicher Professor. Ein Hochschullehrer, der kein Eigengewächs aus dem Elfenbeinturm war, sondern aus der Privatwirtschaft kam, war damals noch ungleich ungewöhnlicher als heute, geradezu eine Sensation.

Auch als Professor blieb Linde der praxisorientierten Forschung treu. Durch ein Preisausschreiben für eine Kühlanlage wurde er auf ein neues Forschungsgebiet aufmerksam, das sein Metier wurde: die Kältetechnik. Auf diesem Gebiet leistete er Pionierarbeit. Er erfand nicht die Kältemaschine, aber er verbesserte sie maßgeblich und machte sie praxistauglich. Dafür setzte er nicht nur auf theoretische Erkenntnis, sondern auch auf die experimentelle Praxis. So verdankt das Münchner Polytechnikum ihm das erste Maschinenlabor Deutschlands. Da insbesondere Brauereien an praxistauglichen Kältemaschinen interessiert waren, ermöglichte ihm die Münchner Spaten-Brauerei, 1871 bei der Maschinenfabrik Augsburg eine derartige Maschine nach seinen Plänen bauen zu lassen. Das Ergebnis war derart überzeugend, dass daraus eine Geschäftsidee wurde. Linde gab die Produktion weiterer von ihm entwickelter Kältemaschinen in Auftrag. Um sich auf das Geschäft mit Kältemaschinen konzentrieren zu können, gab er 1879 sein Lehramt mit Pensionsanspruch auf und gründete mit kapitalkräftigen Partnern aus der Brauerei-Branche die „Gesellschaft für Linde’s Eismaschinen AG“, die heutige Linde AG.

Die Gesellschaft war dermaßen erfolgreich, dass Linde 1890 aus der Geschäftsführung aussteigen und sich ab 1892 wieder am Münchner Polytechnikum der Wissenschaft zuwenden konnte. Den Wanderer zwischen der Welt der Wissenschaft und jener der Wirtschaft beschäftigte eine neue wissenschaftliche Herausforderung: die Erzeugung derart niedriger Temperaturen, dass tiefsiedende Gase flüssig werden. Auch diesmal hatte sich Linde einer Aufgabe mit einem praktischen Nutzen zugewandt. Denn mit der Verflüssigung gelang es, Gasgemische wie beispielsweise Luft in ihre Bestandteile zu zerlegen und dadurch Gase wie beispielsweise Sauerstoff in großer Reinheit zu gewinnen. Linde erwies sich als der selbst gestellten Aufgabe gewachsen. 1895 gelang ihm mit der Verflüssigung größerer Mengen Luft mittels des nach ihm benannten Linde-Verfahrens ein großer Teilerfolg, weitere folgten.

Und Linde wäre nicht Linde gewesen, wenn diese wissenschaftlichen Erfolge nicht zu wettbewerbsfähigen Produkten geführt hätten. Dabei ging Linde dieses Mal unternehmerisch noch einen Schritt weiter. Mit der Produktion der eigenen Entwicklungen wurden nun nicht mehr andere Firmen beauftragt, sondern sie erfolgte im eigenen Unternehmen, das dafür um entsprechende Produktionsstätten erweitert werden musste. Das stellte wiederum eine starke unternehmerische Herausforderung dar, die ebenfalls von Linde gemeistert wurde.

1910 schied Linde aus dem Aufsichtsrat seines Unternehmens aus und stellte seine Professorentätigkeit am Münchner Polytechnikum ein. Anschließend warfen äußere Faktoren wie der Ausgang des Ersten Weltkrieges und die Weltwirtschaftskrise sein Unternehmen stark zurück. Aber als Carl von Linde am 16. November 1934 in München starb, waren die Überschüsse schon wieder am Steigen. Manuel Ruoff


S. 12 Leserforum

Leserforum

Alternative akzeptieren

Zu: Dämonen und andere Bürger (Nr. 44)

Unsere Zeitung, die PAZ, gibt mir unendlich viele „Gehhilfen“ Auf der anderen Seite macht es mich traurig, wie viele Unwissende durch die Welt laufen und jeden Sinn für das Wohlergehen unseres Volkes verloren haben.

Der größte Fehler von Kanzlerin Angela Merkel ist es, erst einmal die Partei Alternative für Deutschland (AfD) generell abzulehnen. Ich mag sie trotzdem. Die Kanzlerin selbst genießt international höchstes Ansehen. Wer wollte ihr das Wasser zurzeit reichen? Wer die Linken als hoffähig ansieht, sollte die AfD schon lange akzeptieren!

Ich favorisiere den Weg der Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD. Die FDP war schon seit Langem auf einer Talfahrt. Ex-Parteichef Guido Westerwelle war der Anfang allen Übels. Und im Politschacher war die FDP als Zünglein an der Waage zu jeder Koalition und zu jeder Erpressung bereit. Sie hat keinen Charakter.

Ich hoffe, die AfD schafft es, genau wie die Grünen und jetzt leider auch die Linken, sich zu etablieren. Denn hinter zwölf Prozent Wählerstimmen stehen sehr viele Menschen.

Peter Karstens, Eckernförde

 

 

Politik wird bald neu geordnet

Zu: CDU stellt sich ins Abseits (Nr. 43)

Wie auch sonst hat die PAZ mit dieser präzisen Analyse der fatalen Situation der CDU recht. Kanzlerin Merkel hat sich mit dem Festhalten an ihrer Europapolitik selbst eingemauert und somit in dieser Hinsicht tatsächlich keine Alternative. Durch die ihr verbleibenden Koalitionsmöglichkeiten wird sich die CDU weiter von ihrem ehemaligen konservativen Markenkern entfernen und als Folge den Verlust an Zustimmung bei ihren Wählern haben.

Somit wird sich die Kritik an der Merkelschen Politik in den eigenen Reihen verstärken und möglicherweise mittelfristig zur Krise auch in den Parteigremien führen. Man wird dann nicht nur hinter vorgehaltener Hand zugeben, dass die Union zukünftig nur in einer Koalition mit der AfD Politik für Deutschland nachhaltig vertreten kann.

Noch aber ist in der Union niemand in Sicht, der an Merkels Stelle treten könnte. Das könnte sich aber bei der Wiederholung der Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr ändern und eine Neuordnung der Politik in Deutschland nach sich ziehen.

Dieter Dziobaka, Hamburg

 

 

Alle hatten Dreck am Stecken

Zu: Beschwiegene Verbrechen (Nr. 41)

Die Verbrechen der Roten Armee an deutschen Frauen und Mädchen müssen immer wieder erwähnt werden, damit sie nicht dem Vergessen anheimfallen. Doch was ist mit den Verbrechen der Franzosen im Schwarzwald, zum Beispiel in Freudenstadt, wo marokkanische Infanterie und Panzertruppen massenhaft Frauen und Mädchen geschändet haben. Oder in Stuttgart? Hier lässt sich vieles aufzählen. Die Franzosen sind unsere Freunde? Bitte?

Über die Verbrechen der westlichen Alliierten wird viel zu wenig berichtet. So auch nicht über amerikanische Untaten und ihre Lager in den Rheinuferwiesen sowie die Verschacherung der Kriegsgefangenen an rachedurstige Franzosen. Und die Briten? Nur nicht daran rühren, was zum Beispiel in Bad Nenndorf geschah. Es waren ja alles „ehrenwerte“ Truppen, nur die Deutschen, die sind selber schuld.

Erzähl‘ uns noch einer, wer den Zweiten Weltkrieg angefangen hat. Ich weiß es mittlerweile und glaube keiner „gleichgeschalteten“ Presse mehr. Nur so viel: Vergewaltigung war kein Privileg der Roten Armee!

Heinz Ahlborn, Nordenham

 

 

Kapitales Ende

Zu: Jetzt ist Erntezeit (Nr. 42)

Dem Artikel von der PAZ-Kolumnistin Eva Herman über das Erntedankfest ist zuzustimmen. Denn viele Menschen verdrängen den gehörten Knall. Die großen, „kapitalen“ Politiker aller Farben haben lange genug wie irre die Köpfe (und an ihren Knöpfen) gedreht. Fabriziert wurde der Urknall des drohenden Untergangs.

Jetzt wird den Kleinen weisgemacht, dass die Großen ringen. Ringen um was? Bestimmt nicht um die Nachfolge Jesu. Aber Ringen um noch mehr Pfründe für sich aus Geo- und/oder Humankapital. Bis zum Ende. Diese Ringer bedauern sich noch selbst mit Schönreden der von ihnen selbst verursachten Lage.

Dass wir alle weltweit so etwas hinnehmen müssen, vielleicht aus Trägheit und/oder Angst, ist schon erstaunlich. Es hilft jedenfalls dabei, den Untergang zu beschleunigen.

Werner Haase, Steingaden

 

 

Thienemann lässt grüßen

Zum Leserbrief: Ostpreußens Störche in Südafrika gesichtet (Nr. 36)

Wir lasen mit Interesse, dass in Südafrika Störche gesichtet wurden. Hierzu einige weitere Informationen: Johannes Thienemann, Gründer der Vogelwarte in Rossitten, Initiator der Vogelberingung in Deutschland und Erforscher des Vogelzuges im Allgemeinen und im Besonderen der Störche, hat deren Flugweg nach Südafrika über die zwei Routen über den Bosporus und die Meerenge von Gibraltar sowie das genetische Wissen des Flugweges entdeckt und beschrieben. Leider wird über seine jahrzehntelange Arbeit heute kaum noch berichtet, obwohl die Vogelwarte in Rossitten unter russischer Leitung weitergeführt wird und am Bodensee auch in Deutschland eine Vogelwarte besteht, die von Rossitten aus gegründet wurde, nachdem dort alles weitgehend zerstört worden war.

Wir selbst entdeckten Störche im spanischen Talavera de la Reina im Frühjahr und im marokkanischen Agadir, wo einige sogar nisteten. In Südafrika im Frühjahr sahen wir keine, da sie sicherlich schon wieder weggezogen waren. Unter den in Südafrika überwinternden Störchen sind sicherlich auch einige aus Ostpreußen dabei, zumal es dort sehr viele sumpfige Stellen gibt, da die Nahrung ja hauptsächlich aus Fröschen und kleinen Reptilien besteht, aber auch andere Insekten nicht verschmäht werden.

In Argentinien gibt es auch Störche, aber diese nisten nur auf der Erde und bauen keine Nester auf Häusern oder Telegrafenpfählen. Es sind Erdstörche. Auf jeden Fall war es auch für uns interessant zu lesen, dass auch heute noch Störche in Südafrika zu sehen sind. Wir sahen die letzten auf einer Reise durchs Samland. Auf der Nehrung sahen wir indes keine.

Urte Borgolte, Acasusso/Argentinien

 

 

Angst als Erziehungsmittel auch in Ernährungsfragen

Zu: Jetzt ist Erntezeit (Nr. 42)

Von den vielen Gedankensplittern, die Eva Herman in ihrer Kolumne kundtut, bedarf es zu einem bestimmten Splitter doch dringend eine Bewertung. Es geht um die Tierhaltung und die Nutzung von Tieren.

Bedanken kann man sich für vieles, und es fördert ganz sicherlich auch das gesellschaftliche Miteinander. Doch dem Erntedank, dem sich Herman widmet, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Es geht gerade um Lebensmittel, also den Mitteln, die zum Leben benötigt werden. Aus ihnen gewinnt man das „Leben“, die Energie zum Leben und Handeln. Wenn es also um diesen Lebensbereich geht, dann sollte eher objektiv und pragmatischer darüber berichtet werden. Wer hat denn schon einmal wirklich Hungersnot an sich erfahren? Aus einem im Magen satten Gefühl heraus ist es leicht zu kritisieren. Damit ich nicht missverstanden werde, auch das Tier ist ein Lebewesen, das mit Respekt behandelt werden muss. Und man glaube mir, die Menschen auf dem Lande tun das auch.

Hier stellt sich mir die Frage: Warum will man immer wieder den Menschen und die Gesellschaft nach bestimmten Vorstellungen formen? Ihnen sagen zu müssen, was sie falsch machen, was richtig sei, was gut und was böse ist und wofür sie bestraft werden? Wieso werden dem Menschen immer wieder Verhaltensregeln aufgezwungen mit der Maßgabe, dass er sie befolgen müsse. Andernfalls würde er bestraft. Immer gibt es neue Ideologien und Utopien, die versuchen zu erziehen. Und dies immer im ständigen Wechsel, in immer kürzeren Abständen. Dabei ist Angst ein gutes Erziehungsmittel, von dem Politiker und auch die Kirchen regen Gebrauch machen. Wo bleibt aber die Freiheit?

Dabei will jedes Individuum doch nur seines Glückes eigener Schmied sein. So muss man davon ausgehen, dass jeder in der Lage ist, seine „Lebens-Mittel“ selbst nach seinen Bedürfnissen auszusuchen. Natürlich muss die tägliche Nahrung eines Büromenschen anders zusammengesetzt sein, als die eines körperlich schwer arbeitenden Menschen. Es ist genügend auf dem Markt zu finden, was frisch vom Felde kommt. Man kann es nach seinen Bedürfnissen und Erfordernissen auswählen. Sollte es da wohl an der Unfähigkeit liegen, diese sachgerecht zuzubereiten? Alles muss ja heute schnell gehen, und der Supermarkt bietet dazu alle Möglichkeiten, dass auch die Essenszubereitung schnell von der Hand geht. Pizza in allen Ehren, nachhaltige gesunde Ernährung ist sie aber sicherlich nicht, wenn man sich davon vorwiegend ernährt.

Keine andere Berufsgruppe wie die Landwirte steht so unter Kontrolle und im Fokus der Presse in ihrer täglichen Arbeit. Die kleinsten bekannt gewordenen Fehler machen den Landwirt zum Straftäter. Tatsächlich ist es so, dass jeder Fehler sofort durch Entzug von Beihilfen bestraft wird. Es ist überhaupt ein Wunder, dass sich noch viele Menschen dafür begeistern können und es als ihre Berufung ansehen, mit Nutztieren umzugehen. Sicherlich gibt es auch schwarze Schafe unter den Bauern, die dann leider den ganzen Berufsstand in Verruf bringen.

Klaus Glagau, Münster

 

 

Deutschland ist und bleibt ein Opfer der Geschichte

Zu: Deutschland wird zahlen (Nr. 43)

Deutschland ist Opfer der Geschichte Das politische Europa in der Gegenwart steht im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Ersten wie auch des Zweiten Weltkrieges. Die damaligen Feinde und Kriegsgegner Deutschlands – Frankreich, England, Polen und die USA sind es in Wirklichkeit auch heute noch. Die geheuchelte „Freundschaft“ mit den Kriegsgegnern von einst sind ein Dogma der deutschen Politik. Nachdem Frankreich erst den Krieg von 1870/71 erklärt hatte und dann besiegt wurde, schwor es in Richtung Deutschland ewige Rache. Dieser fand seinen Höhepunkt mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Eine Aufarbeitung der wirklichen geschichtlichen Fakten scheut die deutsche Politik wie der Teufel das Weihwasser. Deutschland musste ja Verbrechen, welche in beiden Weltkriegen begangen wurden, anerkennen, obwohl solche auch von Alliierten begangen wurden. Die Geheimarchive der Siegermächte bleiben weiterhin ungeöffnet und eine Öffnung wird immer wieder verschoben. Wer eine saubere Weste hat und keine Schuld auf sich geladen, kann der Welt durch Öffnung der Geheimarchive seine Unschuld beweisen. In den Archiven von Washington, London und Paris scheint es demnach Unterlagen zu geben, welche die Siegermächte belasten und die geschichtliche Wahrheit soll weiterhin im Verborgenen bleiben.

Wenn man sich mit der aktuellen Politik befasst, kommt man zu der Erkenntnis, Deutschland befindet sich im Kriegszustand. Was die USA und ihre Vasallen mit friedlichen Mitteln nicht erreichen konnten, nämlich friedliche Koexistenz und fairer Wettbewerb, wurde mit Krieg und Lügen beantwortet. Es stimmt: Wir kämpfen nicht mit Waffen im üblichen Sinn, aber wir haben einen Cyper-Krieg und die Vernichtung der deutschen Nation durch illegale Masseneinwanderung.

Schon während des Zweiten Weltkrieges schmiedete man seitens der USA und Englands Pläne, Deutschland zu zerstückeln und seine Bevölkerung gemäß Nizer-Plan durch Sterilisation auszurotten. Nun, dieser Plan war nun doch zu unmenschlich und man kam auf die Idee, die Deutschen nicht mehr offen und brutal, sondern durch Einbindung oder sogenannte Integration zu beherrschen. Genau dies geschieht in der Gegenwart. Die Feinde Deutschlands haben jetzt eine Möglichkeit gefunden, diesem so verhassten, fleißigen und beneideten Volk den Garaus zu machen. Vom linken Spektrum der Politik gewollt, müssen es Exoten aus aller Welt sein, welche mit einer übertriebenen Willkommens- Kultur in die deutsche Gesellschaft integriert werden sollen.

Hier die letzte Meldung aus einem „Asylanten-Stadel“ in Hamburg: Asylanten haben von der Stadt Hamburg bessere Unterkünfte und mehr Geld gefordert. Um ihren „berechtigten“ Forderungen Nachdruck zu verleihen, hatten sich einige an Bahnschienen gekettet. Wie kann es anders sein, die Herrschaften von Nirgendwoher erhalten mehr finanzielle Leistungen und sind jetzt in einem Hotel untergebracht. Das ist Deutschland, der Welt einziges Paradies für Schmarotzer und Erpresser. Nun hat man endlich eine Methode gefunden, die Deutschen zu vernichten. Das schlimme daran, die Deutschen merken es nicht einmal oder wollen es gar nicht wissen. Über derartige Gleichgültigkeit kann man nur noch bitterlich weinen.

Der langsame aber stetige Untergang Deutschlands begann bereits in den Jahren von 1987 und reicht bis in die Gegenwart. Die stärkste Waffe Deutschlands war die D-Mark. Der damalige Präsident Frankreichs, François Mitterand, wollte seine Zustimmung zur Wiedervereinigung nur geben, wenn Deutschland bereit ist, seine Währung zu opfern und eine gemeinsame Währung zu akzeptieren. Dies war die Geburtsstunde des Euro. Der Grundgedanke, eine EU zu bilden, mag nicht der schlechteste sein, aber Theorie und Praxis stehen sich hier im Weg. Was aber in den Hirnen der Politiker in Deutschland und in Brüssel vorgeht, kann nur als irrational bezeichnet werden. Es wird alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Deutschland wird von den anderen EU-Staaten finanziell ausgesaugt, vergleichbar mit dem Länderfinanzausgleich in Deutschland. Wenn aktuell in Frankreich die Meinung vertreten wird, Deutschland hat eine untilgbare Schuld gegenüber Frankreich, so ist das eine Unverschämtheit in höchster Potenz. Das genaue Gegenteil ist wahr. Durch die Versailler Verträge verpflichtet, hat Deutschland vor geraumer Zeit die letzte Rate überwiesen. Gegenwärtig erleben wir eine Neuauflage dieser Zahlungen.

Deutschland wird finanziell von Staaten der EU ausgeblutet. Nein, Deutschland hat keine Freunde, im Gegenteil, es herrschen nur rein wirtschaftliche Interessen. Deutschland mag in wirtschaftlicher Hinsicht ein Riese sein, aber in der Politik sind wir nach wie vor ein Zwerg. Unsere Wirtschaft und der Fleiß der arbeitenden Bevölkerung ist allein dazu da, marode Staaten und Banken am Leben zu erhalten.

In dem Buch von Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ kommt die Äußerung von Altkanzler Kohl in dem er meinte, Kanzlerin Angela Merkel habe keine Ahnung. Nun, dieser Meinung können sich viele Bürger anschließen. Wahr ist aber auch, Helmut Kohl war der Steigbügelhalter für die politische Karriere von Merkel und trägt somit eine Mitschuld. Außerdem sind die Bürger Deutschlands im Ausland nur beliebt als Tourist, Helfer und Finanzgeber, wenn möglich ohne Rückzahlungen. Warum dies so ist? Ganz einfach auf den Punkt gebracht: Deutschland ist ein Opfer der Geschichte und wird es bleiben.

Wolfgang Rohde, Sigmaringen


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Zukanow will blühende Landschaften
Königsberger Gebietsregierung fördert Agrarsektor – Gouverneur übt Druck auf Investoren aus

Im Vorfeld des Wahljahres 2015 und als Antwort auf die antirussischen Sanktionen im Zuge des Ukrainekonfliktes sucht Gouverneur Nikolaj Zukanow mit Hochdruck nach Lösungen für die Probleme der Region. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung der jahrzehntelang vernachlässigten Landwirtschaft.

Vor Kurzem wohnte Gouverneur Nikolaj Zukanow der Einweihung einer Obstplantage im Kreis Labiau bei, wo auf einer Fläche von 20 Hektar etwa 20000 Obstbaumsetzlinge gepflanzt wurden. Nach einem neuen Obstbaugebiet im Kreis Insterburg ist es der zweite Betrieb im Königsberger Gebiet, der in drei bis fünf Jahren den Bedarf der Region und später den ganz Russlands mit Äpfeln und Birnen decken helfen soll. Bis zum Jahr 2016 ist geplant, eine Weiterverarbeitungsanlage sowie ein Obstlager zu errichten.

Die Gebietsregierung investiert verstärkt in den Ausbau des Agrarsektors: Umgerechnet 18 Millionen Euro steuert der Gebietshaushalt jährlich bei, weitere 36 Millionen Euro kommen aus Moskau. Und das nicht erst seit dem Inkrafttreten der Sanktionen und Gegensanktionen, welche die isolierte Lage der Exklave Königsberg verstärkt zutage treten lassen. Die Gebietsregierung hat bereits vor zwei Jahren ein Förderprogramm für die Landwirtschaft aufgelegt. Seitdem entstehen in den Kreisen Labiau, Elchniederung, Tilsit-Ragnit und Insterburg wieder landwirtschaftlich genutzte Flächen, in der Umgebung von Cranz werden Nutzflächen zur Pacht angeboten. Die ersten Erfolge lassen sich sehen, wenn auch regional große Unterschiede zu bemerken sind.

Seit einigen Jahren werden in Labiau im staatlichen Agrartechnischen Institut junge Menschen zu Agrarexperten ausgebildet. Auf Versuchsflächen erhalten sie Gelegenheit, ihr Können zu testen. Während man im Kreisgebiet an riesigen bestellten Ackerflächen vorbeifährt, auf denen zu dieser Jahreszeit Wintergetreide und Raps wachsen, scheint man in den Kreisen Elchniederung und Tilsit-Ragnit gerade erst damit zu beginnen, die Steppe umzupflügen. Dementsprechend kümmerlich sehen die ersten jüngst abgeernteten Maisfelder aus. Nach dem Zerfall der Sowjet­union wurde die Landwirtschaft jahrelang vernachlässigt. Die Privatisierung der staatlichen Kolchosen führte zum völligen Zusammenbruch der Landwirtschaft, da die Käufer nur an schnellem Geld interessiert waren. Um die seit über 20 Jahren brachliegenden Flächen wieder fruchtbar zu machen, braucht es Zeit. Diese Erkenntnis hat sich bei der Gebietsregierung offenbar jetzt durchgesetzt.

Zukanow lässt zurzeit eine Bestandsaufnahme aller landwirtschaftlichen Flächen durchführen. Wer seine Flächen nicht nutzt, weil damit kein schnelles Geld zu machen ist, läuft Gefahr, enteignet zu werden und seine Steuerprivilegien zu verlieren. Auch Kreisstädten will er die Subventionen streichen, wenn landwirtschaftliche Flächen in ihrem Bestand brachliegen.

Zukanow hat ausdrücklich signalisiert, dass die Erfahrung ausländischer Investoren gewünscht ist, besonders die von weißrussischen, deutschen, aber auch baltischen und polnischen Landwirten. In Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, hat ein deutscher Investor im Frühjahr 8200 Hektar gepachtet, die er unter der Leitung eines russischen Geschäftsführers betreibt. Die Landwirte beginnen zunächst damit, Entwässerungsgräben neu zu ziehen und die übersäuerten Böden zu kalken.,

Die Gebietsregierung lockt Investoren mit großzügigen Subventionen für die Umwandlung von Brachland in Nutzflächen, den Bau von Viehställen, den Kauf von Vieh und Technik oder den Kauf von Saatgut und Setzlingen. Darüber hinaus winken Steuererleichterungen. Doch vor allem Investoren aus dem Ausland scheuen ein Engagement, da sie zum einen Rechtsunsicherheit fürchten und zum anderen gerade in den abgelegeneren Regionen oft die Energiesicherheit nicht garantiert werden kann. Allen Schwierigkeiten zum Trotz gibt es bereits eine positive Bilanz: 2012 und 2013 erzielten landwirtschaftliche Betriebe in der Region Umsatzsteigerungen von über 100 Prozent.

Bis jetzt sind  531 neue Arbeitsplätze in der Landwirtschaft entstanden, 73 in der Fleischverarbeitung im Kreis Ragnit, und 60 in der Gewächshausanlage im Kreis Tapiau, 27 in der Labiauer Molkerei. Tendenz steigend.

Eine geplante Schnellstraße von Riga über Tilsit nach Königsberg bis nach Berlin soll die Anbindung verbessern.

Manuela Rosenthal-Kappi


Freude am Theaterspiel
Mohrungen: Jugendliche studierten deutsche Stücke ein

In Mohrungen ist eine Theaterwerkstatt durchgeführt worden, an der die Jugendthea­tergruppe „Hambondo” teilnahm. Diese existiert schon seit zwei Jahren. Es handelt sich um eine  Gruppe von Jugendlichen aus dem südlichen Ostpreußen, das Lust dazu hat, Theaterstücke auf Deutsch einzustudieren. Die Gruppe ist im Sommer 2012 im Rahmen eines Projekts des Verbindungsbüros der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Allenstein entstanden. Sie hat sich bereits regelmäßig in Heilsberg getroffen, um das Theaterstück „Der vierte Platz“ von Horst Mönnich vorzubereiten. Die Erstaufführung fand während des vierten „Kulturfestivals der deutschen Minderheit in Polen“ am 29. September 2012 in der Jahrhunderthalle in Breslau statt. (Mehr dazu unter: www.ostpreussenportal.pl)

Später wurde „Hambondo“ vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und vom deutschen Verein in Mohrungen betreut. Als nächstes studierten sie das Stück „Rotkäppchen sucht einen Prinzen“ ein, das unter anderem beim diesjährigen Deutschlandtreffen der LO in Kassel gezeigt wurde.

Ende September 2014 konnte sich die Theatergruppe dank finanzieller Unterstützung der LO wieder treffen, um neue Ideen zu verwirklichen. Die Theaterwerkstatt wurde beim deutschen Verein in Mohrungen durchgeführt. Der erste Tag wurde von der professionellen -Theaterleiterin Monika Kazimierczyk gestaltet. Das Programm war speziell für die „Hambondo“-Gruppe vorbereitet worden. Die Teilnehmer lernten neue Schauspielertechniken kennen und erhielten dabei die Möglichkeit, die in der Gruppe schlummernden Talente zu entdecken. Der zweite Workshoptag wurde von Krystian Bałajewicz, der beim Stück „Rotkäppchen sucht einen Prinzen“ Regie geführt hatte, geleitet. Die Teilnehmer spielten kurze Etüden und durften sich auch einmal als Regisseur beweisen.

„Hambondo“ blickt nach dem Workshop voller Energie und Hoffnung in die Zukunft und plant schon den Auftritt mit einem neuen Theaterstück beim fünften „Kulturfestival der deutschen Minderheit in Polen“, das im Herbst 2015 stattfinden wird.

Edyta Gladkowska


Beamte wurden evakuiert
Königsberger Feuerwehr: Großübung im ehemaligen Finanzamt

Es ist fünf Jahre her, dass im Gebäude der Regionalregierung, dem ehemaligen Finanzamt, der Ernstfall geprobt wurde. Vergangenen Monat wurde dies bei einer großangelegten Feuerwehrübung mit neu überarbeiteten Standards wiederholt. Hatten die Beamten 2009 die Notausgänge ignoriert und das Gebäude wie üblich durch den Haupteingang direkt neben dem simulierten Feuer verlassen und war die Sirene nicht in allen Teilen des Gebäudes deutlich zu hören gewesen, so erfüllten die Mitarbeiter der Regionalregierung diesmal ihre Aufgabe erfolgreicher.

Gemäß dem Übungsszenario war in der Lobby im ersten Stock des Gebäudes durch einen Kurzschluss in einer Elektroleitung das Gebäude in Brand geraten. Das Feuer breitete sich auf die benachbarten Räume aus und führte schnell zur Rauchbildung. Bis zum Eintreffen der Feuerwehr hatte sich das Feuer auf eine Fläche von 100 Quadratmetern ausgebreitet, Verletzte mussten evakuiert werden.

Innerhalb von drei Minuten waren über 800 Mitarbeiter evakuiert worden. An der Übung waren vier Feuerwehren, Rettungseinheiten der Polizei sowie Rettungsdienste beteiligt. Zwar gelang es der Feuerwehr innerhalb kürzester Zeit, die brennenden Gebäudeteile unter Kontrolle zu bringen, Beamte und ihre Besucher zu evakuieren, aber vier Personen waren im Gebäude zurückgeblieben. Ihnen kamen Retter zu Hilfe, die mit einer 30-Meter-Leiter in die höheren Etagen des Gebäudes gelangten. Der simulierte Brand war nach etwa 45 Minuten gelöscht und alle Mitarbeiter konnten bald an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.

Die Leitung des Ministeriums für Katastrophenschutz zeigte sich mit dem Ergebnis der Übung zufrieden, zumal die Tatsache, dass es sich um ein altes Gebäude handelt, in dem die Behörde sich befindet, was die Löscharbeiten erschweren könnte. Es ist geplant, solche Übungen im Regierungsgebäude künftig jährlich durchzuführen. Jurij Tschernyschew


MELDUNGEN

Burg droht der Verfall

Brandenburg – Michail Tscherenkowk Pressesprecher der örtlichen Abteilung der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), hat gegenüber der Presse erklärt, bei der Wiedererichtung der vom Verfall bedrohten Ordensburg habe es Probleme gegeben, so dass das Konzept für die notwendigen Erhaltungsarbeiten im nächsten Jahr neu überarbeitet werden müsse. Doch dann könnte es für die Burg, die der ROK 2010 als „Eigentum mit religiöser Bedeutung“ übergeben worden war, bereits zu spät sein, da der Verfall zusehends voranschreitet. MRK

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7g: Verkehrsknoten: Elbing Ost [Elbląg Wschód] – Güldenboden [Bogaczewo], Baustelle. Straße Nr. 7: Schildeck [Szyldak] – Reichenau [Rychnowo], Baustelle. Straße Nr. 16: Bergfriede [Samborowo] – Wirwajdy, Baustelle; Diet­richs­walde [Gietrzwałd], Erneuerung der Brücke; Bruchwalde [Bagienice] – Mertinsdorf [Marcinkowo], Baustelle; Sensburg, Olstynskastraße, Baustelle; Nikolaiken [Mikołajki], Baustelle. Straße Nr. 57: Ortelsburg [Szczytno], Baustelle. Straße Nr. 58: Kurken [Kurki], Brückenbau, einspurig; Alt Keykuth [Stare Kiejkuty] – Marxöwen [Marksewo], Baustelle. Straße Nr. 59a: Aweyden [Nawiady], Baustelle. Straße Nr. 65: Przytullen [Przytuły] – Lyck [Ełk], Baustelle; Neu­endorf [Nowa wieś Ełcka], Bau­stelle; Prostken [Prostki] – Bogusze, Baustelle. PAZ


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es hat sich allerhand bewegt in unserer Ostpreußischen Familie. Einige Themen haben besonders großes Interesse gefunden wie die Gedenkstätten an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges – ausgehend von der restaurierten Gedenktafel in der Kirche von Seegertswalde im Oberland, von deren Rettung uns ihr Entdecker Siegfried Neckritz aus Osnabrück in Folge 37 berichtete. Er meinte, dass es keine weiteren Gedenktafeln in ostpreußischen Kirchen mehr gebe – falls dies doch der Fall sei, sollten sich die betreffenden Leserinnen und Leser bei ihm melden. Und sie meldeten sich nicht nur bei ihm, sondern auch bei uns, und so konnten wir in verschiedenen Folgen über weitere dem Gedenken gewidmeten Tafeln in ostpreußischen Kirchen berichten. Und so geht es munter weiter, denn inzwischen haben sich noch mehr Bestandszeugen gemeldet, wie wir aus dem Leserbrief in Folge 44 ersehen konnten, und auf den müssen wir aber noch einmal zurückkommen, da inzwischen eine weitere Zuschrift eingegangen ist. In dem im Leserforum veröffentlichten Brief weist Herr Günter Arndt aus Halle auf zwei hölzerne Gedenktafeln in der evangelischen Kirche von Plicken [Plikiai] hin, die den Gefallenen und Getöteten im Ersten Weltkrieg gewidmet sind. Nach dem Bericht des dort amtierenden Pfarrers wurden die beiden Holztafeln vor dem Russeneinmarsch umgedreht als Bretter in den Fußboden eingelassen und nach der politischen Wende wieder hervorgeholt. Herr Arndt fügt noch hinzu, dass Plicken das nördlichste Kirchspiel der deutschen evangelischen Kirche in den Grenzen von August 1939 gewesen sei.

Hierzu nimmt nun unser aufmerksamer Leser Berndt Daus­kardt Stellung, denn er kennt die Kirchen des Memellandes in ihrem heutigen Zustand und hat sich auch mit ihrer Geschichte befasst. Seinen Angaben nach ist Plicken nicht das nördlichste Kirchspiel, denn noch nördlicher lägen die Kirchspiele in Karkelbeek und Deutsch-Krottingen. Die Kirche von Karkelbeek war der Zerstörungswut des Krieges ausgesetzt und ist jetzt nicht mehr vorhanden. Deutsch-Krottingen liegt praktisch im nördlichsten Zipfel des Memellandes. Von insgesamt 31 evangelischen Kirchen im Memelland sind noch 25 Gotteshäuser intakt. In mindestens vier Kirchen hängen Gedenktafeln, Bernd Dauskardt hat sie alle gesehen, so auch die in Plicken, und der Besuch in dieser Kirche wird für ihn unvergessen bleiben, denn Pfarrer Ludwig Fetting hat sich dort an die Orgel gesetzt und für ihn ein Konzert gegeben. Tiefe Eindrücke haben bei ihm auch die nördlichsten Kirchspiele hinterlassen. In Karkelbeek zeugt noch der Friedhof von dem religiösen Leben von einst, seine Lage am Steilufer ist einmalig, beim Besuch der Gräber hört man die nahe See rauschen. Die Glocken in der Kirche zu Deutsch-Krottingen hängen frei im Turm in luftiger Höhe. Soweit die aktuellen Ausführungen von Herrn Dauskardt zu diesem Thema, das wohl damit noch nicht beendet ist.

Wie der nächste Beitrag zeigt, der uns diesmal in das Ermland führt, in das Kirchdorf Plauten, Kreis Braunsberg. Dort weilte Herr Wolfgang Klink aus Deißlingen auf einer Ostpreußenreise im Jahr 1991, denn es ist die Heimat seiner Mutter, hier wurde sie im Jahr 1926 in der katholischen Kirche getauft. Herr Klink hat diesen Besuch in guter Erinnerung:

„Wir wurden von dem dortigen Pfarrer Rynkum sehr herzlich und zuvorkommend aufgenommen, der uns die Kirche zeigte und erzählte, dass sie nach dem Zweiten Weltkrieg von den Russen als Pferdestall benutzt wurde. In den letzten Tagen sah ich mir die damals aufgenommenen Bilder an, wobei ich feststellte, dass ich auch eine in der Kirche befindliche Holztafel fotografiert hatte. Nach Aussagen von Pfarrer Rynkum sind auf ihr die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus dem Kirchspiel Plauten vermerkt. Leider lässt die Qualität des Bildes sehr zu wünschen übrig, da die Lichtverhältnisse beim Fotografieren extrem ungünstig waren. Trotzdem möchte ich Ihnen und den Lesern der PAZ diese Aufnahme nicht vorenthalten.“

Wie auf der Abbildung zu entnehmen, hat Herr Klink Recht, trotzdem bringen wir das Foto, denn es ist ungewiss, ob heute diese Tafel – falls sie überhaupt existiert – noch ablichtbar ist. Einige Namen sind recht gut zu erkennen wie Gehrmann, Heppner, Knob­lauch, Huhn, Kater, Kroll, Poschmann, Schach und Wolke, auch die zum Kirchspiel gehörenden Ortschaften, aus denen die Gefallenen stammten wie Schörnborn, Schönsee, Seefeld, Steinbotten und Woppen. Vielleicht führt ja der Weg einer Leserin oder eines Lesers einmal nach Plauten, und wir erfahren mehr darüber. Herrn Wolfgang Klink sagen wir herzlichen Dank für diese Bereicherung unserer Gedenktafelgeschichte.

Auch Frau Herta Manfraß aus Köln dachte bei diesem Thema sofort an eigene Eindrücke, die sie bei Besuchen in der Heimat gewonnen hatte, vor allem auf dem Luisenfriedhof in Königsberg. Dort hatte sie vor drei Jahren die beiden Gedenksteine für die dort in den Hunger- und Seuchenjahren Verstorbenen fotografiert, denn sie stehen auch für ihre Mutter und den kleinen Bruder, die beide diese Zeit nicht überlebten. Frau Manfraß übersandte uns nun mehrere Fotos, aber das Bild von dem Gedenkstein für die dort verstorbenen Kinder haben wir schon oft gebracht. Die Königsbergerin hat ihre Heimatreise tagebuchartig festgehalten, und das kommt ihr nun für ihren Erinnerungsbericht gelegen, mit dem sie sich an dem geplanten Sammelband „Die Kinder Königsbergs“ beteiligen will. Das ist erfreulich, denn der Kreis der möglichen Mitautoren ist ja begrenzt. Wir haben ausführlich in Folge 40 über dieses Projekt berichtet, das auf einem Zusammentreffen der gleichnamigen Gruppe entstanden war. Der Mitinitiator Herr Lutz Radtke hat sich für die Veröffentlichung sehr herzlich bedankt, aber er hält sich selber mit allzu großen Erwartungen zurück, wie er schreibt: „Beinahe 70 Jahre sind vergangen, viel ist schon geschrieben worden. Und dennoch: Geschichte hat einen langen Atem. Und eine Botschaft der Wahrheit aus dem Herzen gequälter Menschen an die Nachwelt – die möchten wir nach besten Kräften realisieren.“ Und das dürfte gelingen, denn einem Gespräch mit Frau Ingrid von der Ohe aus Reppenstedt, bei der alle Fäden zusammenlaufen, ist zu entnehmen, dass die Beteiligung reger zu sein scheint als erwartet. Genaueres werden wir nach einem in diesen Tagen stattfindenden Treffen der Initiatoren – eine bereits geplante Zusammenkunft fand wegen des Bahnstreiks nicht statt, sie musste deshalb verschoben werden – erfahren und berichten.

Ein Kind aus Königsberg war er nicht, ein Wolfskind auch nicht – trotzdem gehört der irgendwo aus Ostpreußen stammende Waldemar Lardong zu dieser Schicksalsgruppe, denn er kam als Elfjähriger mit seiner Mutter nach Litauen. Und blieb dort, wuchs in Kaunas auf, heiratete und bekam eine Tochter, die sich nun bemüht, nach der Herkunft ihrer väterlichen Familie zu forschen. Den Weg, der sie zu unserer Ostpreußischen Familie führt, hat sie nicht selbst gewählt, und das ist nun eine ganz besondere Geschichte, die mich sehr berührt. Denn Frau Edita geborene Lardong, die durch Heirat inzwischen einen litauischen Namen trägt, arbeitet zurzeit als Pflegerin in Deutschland. In Erlangen betreut sie die unter den Folgen eines Schlaganfalles leidende Seniorin Ulrike Beer, und zwischen den beiden Frauen entwickelte sich ein besonderes Vertrauensverhältnis. So erfuhr Frau Beer von der rätselhaften Herkunft von Editas Familie, und sie beschloss spontan, ihrer Pflegerin bei der Suche zu helfen. Die Zeit muss ausgenutzt werden, denn bald geht Edita nach Kaunas zurück. Deshalb wandte sich die Seniorin an unsere PAZ, obgleich sie als Fränkin keine Verbindung zu Ostpreußen hat – aber es schien ihr der richtige Weg, etwas in Kürze über die Familie Lardong zu erfahren. Leider gibt es nur wenige Anhaltspunkte: Edita kennt mit dem 8. August 1934 lediglich das Geburtsdatum ihres Vaters Waldemar Lardong und führt an, dass ihr Großvater Albert Lardong im Zweiten Weltkrieg als Offizier der deutschen Wehrmacht gefallen ist. Der Junge floh mit seiner Mutter nach Kaunas und wuchs dort als Halbwaise auf. Mehr ist bisher nicht bekannt. Nun handelt es sich bei Waldemar Lardong um einen recht einprägsamen Namen, vielleicht ruft er bei manchen Lesern Erinnerung an diese Familie hervor, die aus dem nördlichen Ostpreußen stammen könnte, vielleicht – wenn man die Lage der Stadt Kaunas berücksichtigt – aus dem Grenzgebiet zwischen Rominter Heide und der Memel. Aber das sind Vermutungen, die man ja schon hegen muss, wenn es keine verlässlichen Fakten gibt. Frau Ulrike Beer stellt sich gerne als Mittlerin zur Verfügung, so dass die Zuschriften an ihre Anschrift zu richten sind. (Ulrike Beer, In der Reuth 132 in 91056 Erlangen, Telefon 09131/44249.)

Es ist schon erfreulich, wenn auf eine fast unlösbar erscheinende Suchfrage überhaupt eine Reaktion erfolgt, und das ist im Fall des von Herrn Sebastian Sachs aus Zwickau gestellten Suchwunsches, den wir in Folge 44 veröffentlichten, doch geschehen. Er ist deshalb so kompliziert, weil es sich um den leiblichen Vater seiner unehelich geborenen Großmutter handelte, der in der Familie verschwiegen wurde. Was an Angaben bis zu dem Enkel durchsickerte, berechtigt kaum zu Hoffnungen, zumal sich die Geschichte ja in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts zugetragen hat. Da der vermutliche Vater seiner Großmutter, Hans M., aus dem nördlichen Ostpreußen stammte, aber wohl aus politischen Gründen nach Sachsen ging, wo er die Urgroßmutter von Herrn Sachs kennen und lieben lernte, bezogen sich die wenigen Angaben vor allem auf dessen Zugehörigkeit zum Kommunismus. Und hierzu teilte uns nun Herr Dirk Oelmann aus Oranienburg, einer unserer verlässlichsten Mithelfer, Folgendes mit: „Ich habe soeben eine kurze E-Mail an Herrn Sachs geschrieben. Da ich selbst schon nach dem Danziger Landtagsabgeordneten Paul Kreft (Danziger Landtag 1926 bis 1933 KPD) gesucht habe, bin ich etwas mit der Materie vertraut. Wenn der gesuchte Hans M. bei der Gruppe Thälmann war, dann wohnte er sicher im Raum Hamburg. Drei Namen habe ich gefunden, die vielleicht passen könnten. Alle drei waren im Raum Hamburg und Sachsen unterwegs und haben 1933/34 Deutschland verlassen. Einer von ihnen wurde 1939 in der Sowjetunion hingerichtet. Es wäre ein großer Zufall, wenn ein Name passen würde. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.“

Und die brauchen wir auch weiter, denn die drei Namen lauten zwar alle auf „Hans M.“, aber die Nachnamen stimmen nicht mit dem von Herrn Sachs – wenn auch mit Fragezeichen versehenen – angegebenen Namen überein. Alle drei sind ein- oder zweisilbig und typisch norddeutsch, während der von Herrn Saß angegebene Familienname – den er selber mit einem Fragezeichen versehen hat – viersilbig ist und masurisch klingt. Aber immerhin ist es Herrn Oelmann gelungen, begehbare Wege aufzuzeigen, die eventuell weiterhelfen könnten. Da er ja inzwischen mit Herrn Sebastian Sachs in Verbindung steht, werden wir wohl bald Weiteres hören. Das „Netzwerk Ostpreußische Familie“ funktioniert eben engagiert und verlässlich.

Eure Ruth Geede


Die magische Zahl wird uns verfolgen
Im Spätherbst ist es 70 Jahre her, dass die ersten Ostpreußen auf die Flucht gingen

Es ist eine magische Zahl, und sie wird uns verfolgen – heute, morgen, übermorgen und auch noch länger. Dann immer, wenn unsere Gedanken zurückgehen an die große Flucht und die Vertreibung aus unserer Heimat. Es ist die Zahl 70! Sie hat sich eingeprägt in unser Denken, seit wir das Bibelwort über unser Lebensalter lasen: „Unser Leben währet 70 Jahre …“ Also ist es bereits ein ganzes Menschenleben her, dass die ersten von uns auf die Flucht gingen, jetzt im Spätherbst vor 70 Jahren, der wie ein Frühwinter schon Eis und Schnee brachte? Vorboten des großes Exodus, der dann zu Beginn des Schicksalsjahres 1945 mit voller Wucht die ganze Bevölkerung Ostpreußens traf. Die Gedanken von uns Älteren, die wir bereits die biblischen Grenzwerte überschritten haben, gehen noch immer zurück in diese schwere Zeit. Viele haben ihre Erlebnisse aufgezeichnet, und so können wir aus dem Bericht einer Memelländerin einige Stellen bringen, die uns einen Einblick vermitteln von der frühen Flucht vor nunmehr 70 Jahren. Es traf die Menschen aus dem Norden Ostpreußens besonders hart, denn ihre Fluchtwege sind die längsten, oft in Etappen wie Frau Gertrud Kunz aus Medischkehmen berichtet. Denn bereits Anfang August musste sie mit ihrer Familie den dicht an der litauischen Grenze gelegenen Hof verlassen und hatte in der Elchniederung Aufnahme gefunden. Kehrte dann wieder in ihren Heimatort zurück, wo die Frauen des Hofes – die Männer waren eingezogen – die letzte Ernte einbrachten. Anfang Oktober verdichteten sich dann die Nachrichten, dass ein russischer Vorstoß bevorstehe. Die Frauen hatten schon rechtzeitig einen Pferdewagen mit einer Zinkwellblechüberdachung ausrüsten lassen, die sich später bei Regen und auch im Bombenhagel als segensreich erwies. Die Gemeindeverwaltung drängte die Bewohner zur Flucht nach Westen, und so fuhr am 7. Oktober die damals 23-jährige Gertrud Kunz mit ihren beiden kleinen Kindern, ihrer Mutter Auguste Namgalies und der zur Familie gehörenden Pflegetochter los. Ihre niedergeschriebenen Erinnerungen lassen die Anforderungen erahnen, die an die junge Frau gestellt wurden:

„Unser Aufbruch erfolgte bei spätherbstlichem Wetter, der Winter lag schon in der Luft. Worauf wir Frauen uns da bei unserm Aufbruch eingelassen hatten, sollte uns sehr bald bewusst werden. Woher wir über Wochen und Monate die Kraft nahmen, alle Widrigkeiten immer zu überwinden, für alle zu sorgen, für die uns treu zur Seite stehenden Pferde Futter und Unterstand zu beschaffen, weiß ich nicht. All dies war unsere tägliche Sorge, aber um zu überleben, mussten wir es meistern. Das Vorwärtskommen mit unserem Gespann war mühsam. Durch die zurückflutende Wehrmacht waren die Hauptstraßen für uns oft nicht zugänglich. Umleitungen über Umleitungen, schlechte Straßen, Fehlleitungen, dazu endlose Schlangen mit Pferdegespannen. Das tägliche Weiterkommen war oftmals gering. Gegen Abend mussten wir versuchen, irgendwo unterzukriechen. In manchen Orten war ein Hilfsdienst für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge organisiert, auch für die Pferde. Auch gab es gelegentlich ein warmes Essen, einen halben Liter Milch, einen Kanten Brot, einen Becher Tee. Genächtigt wurde in Schulen, Turnhallen, Privatunterkünften, Ställen und Scheunen – oftmals nur auf einem Strohlager, aber man hatte wenigstens ein Dach über dem Kopf. Wir passierten die Memel bei Tilsit über die Luisenbrücke, zogen weiter in Richtung Königsberg, von Tagestour zu Tagestour ohne längere Pause. Inzwischen war es Winter geworden, die Nächte wurden zunehmend kühler. Die Versorgungslage wurde immer schwieriger.“

Den ganzen November über zogen sie so über die Landstraße, nirgends fanden sie eine feste Bleibe. Erst in Altenberg, einem südöstlich von Königsberg gelegenen Ort, wurden die Fünf aufgenommen und konnten bleiben. Altenberg erwies sich als Glücksfall, denn der Ort bestand aus mehreren Großbauernhöfen. Für Frau Kunz und ihre Mutter kamen die ersten Stunden der Erleichterung auf dem nun fast sechs Monate dauernden Treck, als sie bei dem Bauern Nitsche einziehen konnten.

„Draußen war Schnee gefallen, wir bekamen ein Zimmer, das beheizbar war, wir alle kamen darin unter. Wir konnten auch unseren Wagen und die Pferde unterstellen, sie wieder ein wenig auffüttern, denn sie hatten sehr gelitten. Bauer Nitsche und seine Familie waren uns sehr freundlich gesonnen, was wir später in noch ganz anderer Art und Weise zu spüren bekamen. So konnten wir uns in Altenberg regenerieren, wir wurden von den Nitsches nie zur Weiterfahrt gedrängt. Natürlich schwang bei uns im Hinterkopf immer noch der Gedanke mit, dass sich irgendwann doch die Rückkehr in die verlassene Heimat ergeben würde.“

Aber schon einen Monat später war alle Hoffnung zerschlagen. Wieder musste sich die Familie auf die Flucht begeben, die nach unsäglichen Belastungen für Mensch und Tier, vor allem bei der Fahrt über das Frische Haff, bis nach Mecklenburg führte. Und ausgerechnet hier, als die Pferde schon wieder einen recht guten Futterzustand erreicht hatten, wurden sie von den Russen für den Militäreinsatz beschlagnahmt. So mussten sie sich ohne ihre treuesten Helfer eine neue Existenz aufbauen. Frau Kunz erreichte ein hohes Alter. So konnte sie als 89-Jährige die Angaben zu diesem Fluchtbericht machen, den ihr Sohn aufzeichnete. Er überließ ihn Herrn Günter Uschtrin, Autor des Buches „Wo liegt Coadjuthen“ (ISBN 978-3-8305-1901-0), der sie in diese großartige memelländische Chronik aufnahm und uns nun die Genehmigung zum Abdruck gab. R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Heyn, Hildegard, aus Lyck, am 15. November

Raszawitz, Eugen, aus Rehwalde, Kreis Elchniederung, am 16. November

ZUM 97. GEBURTSTAG

Buttkewitz, Kurt, aus Seliggen, Kreis Lyck, am 18. November

Mett, Elsbeth, aus Groß Degesen, Kreis Ebenrode, am 20. November

Rilk, Heinz, aus Königsdorf, Kreis Mohrungen, am 15. November

ZUM 96. GEBURTSTAG

Gers, Paul, aus Treuburg, am 18. November

ZUM 95. GEBURTSTAG

Bubritzki, Elisabeth, geb. Schramma, aus Schmitten, Kreis Lyck, am 7. November

Katzenski, Erna, geb. Labusch, aus Freudengrund, Kreis Ortelsburg, am 20. November

Konopka, Friedrich, aus Geigenau, Kreis Lyck, am 16. November

Thöne, Elfriede, geb. Zibner, aus Großheidekrug, Kreis Samland, am 18. November

ZUM 94. GEBURTSTAG

Gerber, Liesbeth, geb. Mollenhauer, aus Kleine Nuhr, Kreis Wehlau, am 17. November

Krauseneck, Herta, geb. Gennat, aus Gutsfelde, Kreis Elchniederung, am 16. November

Kulikowski, Walter, aus Goldensee, Kreis Lötzen, am 17. November

Metzner, Hildegard, geb. Passargus, aus Ruckenfeld, Kreis Elchniederung, am 19. November

Paulat, Brigitte, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 17. November

Puddig, Gertrud, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 17. November

Siegel, Elfriede, geb. Kompa, aus Alt Keykuth, Kreis Ortelsburg, am 16. November

Wagenick, Gisela, geb. Eggert, aus Landsberg/Ostpreußen, Kreis Preußisch Eylau, am 16. November

ZUM 93. GEBURTSTAG

Krämer, Gerhard, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 19. November

Mützenich, Lore, geb. Dalades, aus Treuburg, am 16. November

Schmitt, Karl, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 20. November

Tuttas, Anna, geb. Chmielewski, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 21. November

Viehöfer, Ursula, geb. Leber, aus Königsberg, Deutsch Ordensring 84, am 22. November

ZUM 92. GEBURTSTAG

Baumm, Erika, geb. Adomat, aus Großwalde, Kreis Elchniederung, am 17. November

Bieber, Erna, geb. Bajorat, aus Tawellenbruch, Kreis Elchniederung, am 18. November

Ehmke, Erna, aus Ehrenwalde, Kreis Lyck, am 20. November

Nissen, Ursula, geb. Pieper, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 21. November

Thieme, Ilse, geb. Thieme, aus Wehlau, am 18. November

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bürgen, Erich, früher Bujanowski, aus Prostken, Hindenburgstr. 18, Kreis Lyck, am 19. November

Kaiser, Elfriede, geb. Pogorzelski, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 21. November

Kohlhaussen, Eva, geb. Koch, aus Wiesenfeld, Kreis Neidenburg, am 15. November

Küttner, Kurt, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 20. November

Rasmus, Emma, geb. Wittkowski, aus Hellengrund, Kreis Ortelsburg, am 20. November

Reinhart, Elfriede, geb. Paczkowski, aus Eichenau, Kreis Neidenburg, am 16. November

Roggon, Robert, aus Treuburg, am 21. November

Schween, Meta, geb. Giehr, aus Alexwangen, Kreis Samland, am 16. November

Tausendfreund, Max-Manfred, aus Hochmühlen, Kreis Ebenrode, am 19. November

Waschik, Willy, aus Richtwalde, Kreis Johannisburg, am 19. November

Winterberg, Martha, geb. Venohr, aus Cojehnen, Kreis Samland, am 19. November

Wrobel, Else, geb. Olschewski, aus Aulacken, Kreis Lyck, am 17. November

ZUM 90. GEBURTSTAG

Eichel, Elfriede, aus Lyck, am 18. November

Ewert, Edith, geb. Krüger, aus Aßlacken, Kreis Wehlau, am 20. November

Falkhausen, Gerhard, aus Lötzen, am 18. November

Gottaut, Lothar, aus Wehlau, am 15. November

Harabin, Emmy, geb. Nowosadtko, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 16. November

Kinsky, Gertrud, geb. Urbschat, aus Rohren, Kreis Ebenrode, am 16. November

Kumutat, Käte, aus Skören, Kreis Elchniederung, am 21. November

März, Helene, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 15. November

Matuszak, Erna, geb. Laukeninkat, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 19. November

Michael, Hildegard, geb. Plitzner, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 17. November

Müller, Traute, geb. Dommick, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 18. November

Niesgodda, Ernst, aus Dreimühlen, Kreis Lyck, am 18. November

Schoen, Gerhard, aus Münchenfelde, bei Milken, Kreis Lötzen, am 20. November

Sokolowski, Edith, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 20. November

Wagner, Eva, geb. Teike, aus Wittingen, Kreis Lyck, am 16. November

ZUM 85. GEBURTSTAG

Aßmann, Margot, geb. Spehr, aus Wehlau, am 19. November

Denda, Helmut, aus Burdungen, Kreis Neidenburg, am 17. November

Frost, Harry-Horst, aus Treuburg, am 18. November

Jeske, Siegfried, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 19. November

Köhler, Gertrud, geb. Kühn, aus Schlossbach, Kreis Ebenrode, am 20. November

Neumann, Helmut, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 21. November

Pick, Ruth, geb. Czypull, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 20. November

Pollack, Martha, geb. Wittke, aus Bärwalde, Kreis Samland, am 15. November

Schimanski, Ernst, aus Seehag, Kreis Neidenburg, am 18. November

Strehl, Günther, aus Passenheim, Kreis Ortelsburg, am 19. November

Wenzel, Hans-Günther, aus Lyck, Yorkplatz, am 17. November

Wilde, Margarete, geb. Raschke, aus Ragnit, Schützenstraße, Kreis Tilsit-Ragnit, am 21. November

ZUM 80. GEBURTSTAG

Albert, Ursula, geb. Gruber, aus Wilpen, Kreis Ebenrode, am 18. November

Berenthin, Kurt, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 17. November

Block, Brigitte, geb. Czychon, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 15. November

Goder, Hildegard, geb. Sarkowski, aus Lyck, am 15. November

Grimm, Dieter, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 19. November

Frank, Johannes, aus Narwickau, Kreis Ebenrode, am 21. November

Haedge, Hans, aus Wehlau, am 15. November

Hoyer, Elfriede, geb. Störmer, aus Seipen, am 19. November

Jochmann, Irmgard, geb. Kosmitzki, aus Schwentainen, Kreis Treuburg, am 21. November

Jorkowski, Georg, aus Grenzdamm, Kreis Neidenburg, am 16. November

Keitz, Gisela, geb. Pehwe, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 19. November

Knischewski, Gerd, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 16. November

Kuczewski, Otto, aus Rumma-Ost, Kreis Ortelsburg, am 19. November

Matthias, Inge, geb. Becker, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 20. November

Moldenhauer, Erwin, am 17. November

Nadolny, Günter, aus Arlen, am 16. November

Olk, Edeltraud, geb. Abramzik, aus Höhenwerder, Kreis Ortelsburg, am 20. November

Rebmann, Erna, geb. Schiemann, aus Schwengels, Kreis Heiligenbeil, am 16. November

Ruddies, Pfarrer i. R., Herbert, aus Schillen/Szillen, Birkenweg 1, Kreis Tilsit-Ragnit, am 22. November

Schild, Klara, geb. Froese, aus Altengilge, Kreis Elchniederung, am 21. November

Schütz, Christa, geb. Sablowsky, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 17. November

Stuth, Irmgard, geb. Hermann, aus Ebenrode, am 17. November

Warnkens, Dorothea, geb. Stepputat, aus Schurfelde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 18. November

Wehrle, Lieselotte, geb. Karrasch, aus Sareiken, Kreis Lyck, am 17. November

Wissel-Piel, Ingeborg, aus Waldfließ, Kreis Lötzen, am 20. November

ZUM 75. GEBURTSTAG

Burchert, Peter, aus Braunsberg, am 16. November

Dawedeit, Manfred, aus Lindental, Kreis Elchniederung, am 19. November

Grigo, Ella, geb. Baranski, aus Zondern, Kreis Lötzen, am 18. November

Grünke, Edith, geb. Berger, aus Sangnitten, Kreis Preußisch Eylau, am 17. November

Heinrich, Manfred, aus Soginten, Kreis Ebenrode, am 17. November

Jacob, Ralf, aus Kallehnen, Kreis Wehlau, am 20. November

Kahlau, Edeltraud, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 18. November

Kasmerat, Dietmar, aus Lichtentann, Kreis Ebenrode, am 18. November

Mickelun, Siegmar, aus Gründann, Kreis Elchniederung, am 16. November

Remanofsky-Gilde, Marianne, geb. Gilde, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 15. November

Schmeer, Eberhard, aus Richau, Kreis Wehlau, 16. November

Wischnowski, Mathilde, aus Georgsmarienhütte, Kreis Osnabrück, am 16. November


Ein wichtiger Tag
Festakt im Ostpreußischen Landesmuseum

Die aktuelle Ausgabe der Preußischen Allgemeinen Zeitung musste natürlich auch hinein. Ein kleines Glasgefäß mit Erde und Bernstein aus Ospreußen ebenfalls, dazu noch einige andere symbolträchtige Gegenstände.

Sorgfältig hatte Museumsdirektor Joachim Mähnert ausgewählt, was er in der Zeitkapsel deponierte. Die zugelötete Kupferröhre war traditionsgemäß ein wichtiger Bestandteil der feierlichen Zeremonie zur Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau des Ostpreußischen Landesmuseums.

Bevor die Zeitkapsel im Grundsteinsockel eingemauert wurde, betonten viele der Redner noch einmal die Bedeutung des Museums. Für Lüneburg sei es ein wichtiger Bestandteil seiner Museumslandschaft und darüber hinaus von großer überregionaler Bedeutung, hob Bürgermeister Eduard Kolle hervor. Einen wichtigen Tag für Europa, nannte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig die Grundsteinlegung. Die Beschäftigung mit dem östlichen Erbe Deutschlands sei zukunftsweisend.

Der Neubau − Baukosten rund acht Millionen Euro − ist Teil der umfassenden Erweiterung und Modernisierung des Museums. Dazu gehört unter anderem ein neues Eingangsgebäude. Zudem wird die Ausstellungsfläche auf 2000 Quadratmeter erweitert. FH


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Sonnabend, 22., bis Sonntag, 23. November, Kulturzentrum der Landsmannschaft in Ellingen: Beim Herbstmarkt ist die Landsmannschaft Ostpreußen mit einem Stand „Textile Volkskunst in Ostpreußen“ vertreten. – Mittwoch 26. November, 18 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Stuttgart, Schloßstraße 92: Vortrag „Naturkundliche Reiseeindrücke aus Ostpreußen“. Referent: Der studierte Biologe Dr. Hinkelmann, der seit 1993 die naturkundlichen Bereiche des Ostpreußischen Landesmuseums betreut. Damit ist er seit über 20 Jahren mit der Natur Ostpreußens vertraut. Reisen in die Region waren ihm schon lange vor dem Dienstantritt in Lüneburg ein persönliches Anliegen und wurden ihm ab 1993 zu einer geschätzten Pflicht. Unter dem Blickwinkel des „studierten Naturkundlers“ mit einem großen Interesse an der geschichtlichen Entwicklung zwischen Weichsel und Memel gelangen ihm Einblicke, die von kulturhistorischen Reiseschwerpunkten abweichen beziehungsweise diese ergänzen. Im Verlauf der Jahrzehnte sind viele interessante Eindrücke und Einsichten zusammen gekommen, von denen er einige im Bild präsentieren wird. Die Teilnehmer erwartet ein interessanter Vortrag mit anschließender Diskussion, zu dem Mitglieder, Freunde und Bekannte herzlich eingeladen sind. Der Eintritt ist frei.

Lahr – Sonntag, 16. November (Volkstrauertag), 14.30 Uhr: Der BdV lädt zu einer Gedenkfeier vor dem Mahnmal auf dem Schutterlindenberg ein.

Ludwigsburg – Mittwoch, 19. November, 15 Uhr, Kronenstuben, Kronenstraße 2: Stammtisch.

Reutlingen – Sonnabend, 15. November, 14 Uhr, Zentrum für Ältere, Gustav-Werner-Straße 6a: Herbstfest der Kreisgruppe. Der Vorstand lädt alle Mitglieder und diejenigen, die sich der verlorenen Heimat verbunden fühlen, ein. Das Programm wird vom Mundharmonika-Club Pfullingen mitgestaltet. Peter Jermann wird mit einem Lichtbildervortrag erfreuen. Vorträge von Hildegard Zaiss bringen die Teilnehmer in die Heimat zurück.

Viele Landsleute aus dem Memelland, der Elchniederung und den weiter östlich liegenden Gebieten mussten vor 70 Jahren, im Oktober und November 1944 für immer die Heimat verlassen. Zum Gedenken daran soll das Lied „Weit ist der Weg zurück ins Heimatland“ gesungen werden. – Mittwoch, 19. November, 14 Uhr, Gasthaus Edelweiß, Siekenhäuser Straße (Vom ZOB, Stadtmitte, aus ist es mit der Buslinie 9 zu erreichen): Treffen der Frauengruppe unter Leitung der neuen Gruppenleiterin Erika Manzau-Schmidt. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten. – Sonnabend, 22. November, 14 Uhr, Gedenkstein Friedhof Römerstraße: Feierstunde für die Gefallenen beider Weltkriege sowie aller Toten weltweit. Um rege Teilnahme wird gebeten. Mit dem Treffen will die Gruppe, deren Mitglieder vor 70 Jahren die Heimat und viele Angehörige verloren, bekunden, dass Ostpreußen lebt. Anschließend Treffen im Gasthaus Edelweiß nahe des Friedhofs zur Kaffeetafel.

Stuttgart – Sontag, 16 November, 11.30 Uhr, Friedhof, Zuffenhausen: Totengedenken mit allen Landsmannschaften und Kranzniederlegung. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten.

Ulm/Neu Ulm – Sonntag, 16. November, 10.30 Uhr, Donau-

schwabenufer, Stadtmauer unter dem Saumarkt: eine Gedenkstunde mit Niederlegung eines Kranzes der Landsmannschaft der Donauschwaben.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Altmühlfranken – Freitag, 21. November, 19 Uhr, Gasthof Hotel Krone, Gunzenhausen: Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen, anschließend ein „Jahresrückblick mit Bildern“ von Edith Richter. Gemeinsames Königsberger-Klopse-Essen.

Ansbach – Sonnabend, 15. November, 16 Uhr, Orangerie: Gedenken zum Volkstrauertag, anschließend geselliges Beisammensein mit Tilsiter-Käse-Essen.

Bamberg – Mittwoch, 19. November, 15 Uhr, Hotel Wilde Rose: Vortrag über die Künstlerkolonie in Nidden.

Erlangen – Donnerstag, 20. November, 15.45 Uhr, Freizeitzentrum Frankenhof, Südliche Stadtmauerstraße 36, Raum 20, Grützwurstessen. Danach wird plachandert, Gäste sind herzlich willkommen.

Ingolstadt – Sontag, 16. November, 14.30 Uhr, Gasthaus Bonschab, Münchener Straße 8: Monatliches Heimattreffen.

Landshut –Dienstag, 18. November, 14 Uhr, Insel: Zusammenkunft der Gruppe.

München – Sonnabend, 8. November, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Zum 50. Todestag von Agnes Miegel ein Vortrag von Marianne Kopp über die „Stimme Ostpreußens“. Zu Beginn gemeinsame Kaffeetafel. – Freitag, 15. November, 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Zusammenkunft der Frauengruppe

Jeden Montag, 17 bis 19 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Ostpreußischer Sängerkreis. Kontakt: Dr. Gerhard Graf, Offenbachstraße 60, 85598 Baldham, Telefon (08106) 4960.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Heilsberg/Rößel – Sonnabend, 29. November, 15 Uhr, Seniorenfreizeitstätte Maria Rimkus Haus, Gallwitzallee 53, 12249 Berlin: Nikolausfeier. Anfragen für Heilsberg bei Benno Boese, Telefon (030) 7215570, und für Rößel bei Ernst Michutta, Telefon (05624) 6600.

Angerburg /Darkehmen/ Goldap – Donnerstag, 4. Dezember, 14 Uhr, Restaurant „Oase Amera“, Borussiastraße 62, 12102 Berlin: Adventsfeier. Anfragen: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354

Tilsit-Ragnit – Sonnabend, 6. Dezember, 15 Uhr: „Ratskeller Charlottenburg“ Otto-Suhr-Allee 102, 10585 Berlin: Treffen. Anfragen: Hermann Trilus Telefon (03303) 40 38 81

Bartenstein – Sonnabend, 6. Dezember, 13 Uhr, Restaurant Heidelbeere, Heidelberger Platz 1, 14197 Berlin: Weihnachtsfeier. Anfragen: Elfriede Fortange, Telefon (030) 4944404

Lyck – Sonntag, 7. Dezember, 15 Uhr, Kleiner Ratskeller, Am Rathaus 9, 10825 Berlin: Adventsfeier, Anfragen: Peter Dziengel, Telefon (030) 8245479.

Pillkallen/Stallupönen – Diens-tag, 9. Dezember, 14 Uhr, Haus des Älteren Bürgers, Werbellinstraße 42, 12053 Berlin:  Treffen der Gruppe. Anfragen bei Helga Rieck Telefon (039888) 529000.

Frauengruppe – Mittwoch, 10. Dezember, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt Wilhelmstraße 115, 10963 Berlin: Weihnachtsfeier der Frauengruppe. Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Rastenburg – Sonntag, 14. Dezember, 15:00 Uhr, Restaurant Stammhaus Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Weihnachtsfeier, Anfragen: Martina Sontag, Telefon, (033232) 188826

Gumbinnen, Johannisburg, Lötzen, Sensburg – Diens-tag, 16. Dezember, 13 Uhr, Restaurant Dalmata, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin: Adventsfeier mit Essen. Anfragen: Gumbinnen: Joseph Lirche Telefon (030) 40326 81. Johannisburg und Sensburg: Andreas Maziul Telefon (030) 5429917. Lötzen: Gabriele Reiß, Telefon (030) 75635633

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Landesgruppe – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Bremer Ratskeller: Der bekannte und beliebte Schauspieler, Autor und Rezitator Herbert Tennigkeit liest in seiner Muttersprache „Weihnachten in Ostpreußen“, Eintritt 10 Euro, Karten im Vorverkauf im Nordwest-Ticketcenter im Bremer Ratskeller oder an der Tageskasse ab 10.30 Uhr.

Bremerhaven (Elbing) – Sonntag, 16. November, 11.45 Uhr, VdK-Treffen Kapelle Geestemünde zum Volkstrauertag. – Freitag, 21. November, 14.30 Uhr, Barlachhaus: Treffen zum Kulturnachmittag.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

LANDESGRUPPE

Sonntag; 15. November, 10 bis 17 Uhr, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg (S1, S2, S3 Haltestelle Stadthausbrücke, U3 Haltestelle Rödingsmarkt, Buslinie 37, Haltestelle Michaeliskirche): Christkindlmarkt des Landesverbandes der Vertriebenendeutschen in Hamburg (L.v.D.). Der Ostpreußenstand ist auch dabei. Für das leibliche Wohl sorgt die Cafeteria.

65 Jahre Landesgruppe Hamburg e.V. – Freitag, 6. Dezember, 11 Uhr (Einlass 10 Uhr), Restaurant Lackemann, Litzowstieg 8, 22041 Hamburg (Wandsbek), Parkplatz Quarree, Parkhaus P2.: Jubiläumsveranstaltung und Vorweihnachtsfeier der Landsmannschaft Ostpreußen. Programm mit dem Ostpreußen-Chor. 12.15 Uhr: Grünkohlmittagessen, 14.30 Uhr: Kaffeepause. Der Veranstaltungsort ist sehr gut zu erreichen mit der U1 und Bussen. Von U1– und Busbahnhof Wandsbek-Markt sind es wenige Gehminuten. Wenn Sie von der Wandsbeker Marktstraße den Durchgang „Hinterm Stern“ zwischen Quarree und Hotel Tiefenthal durchgegangen sind, sehen Sie bereits das Restaurant Lackemann. Auskunft und Organisation: Kulturreferat, Siegfried Grawitter, Telefon (040) 205784.

KREISGRUPPE

Elchniederung – Mittwoch, 26. November, 14 Uhr, Haus Lockemann, Hamburg-Wandsbek: Voradventlicher Nachmittag mitgeschichte und Liedern bei Kerzenschein. Gäste bitte an ein Julklapp-Päckchen denken.

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat (außer Januar und Juli) mit Liedern und kulturellem Programm um

12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Königsberg – Mittwoch, 26. November 14.30 Uhr, Café Harmonie, Alsterdorferstraße 579, Hamburg-Ohlsdorf: Adventsfeier. Anmedungen bitte bis 22. November bei Brigitte Reimer, Telefon (040) 873495

BEZIRKSGRUPPE

Harburg-Wilhelmsburg – Montag, 24. November, 15 Uhr, Gasthaus Waldquelle, Meckelfeld, Höpenstraße 88 (mit Bus 443 bis Waldquelle): Filmnachmittag von und mit Manfred Samel.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Bergstraße – Samstag 15. November, 13 Uhr, Bensheim Busbahnhof: Abfahrt zur Halbtagsfahrt nach Erbach, zum Besuch der Musical-Aufführung „Peter Pan“ der Musikschule Erbach. Abfahrt in Heppenheim, Ecke Stadion/Schwimmbad (Stadionstraße) 13.15 Uhr. Mitfahren kann jeder Interessente. Es sind noch einige wenige Plätze frei. Der Preis für die Veranstaltung inklusive Reisepreis beträgt 25 Euro. Anmeldungen an B. Sattler, Telefon (06251) 39303, oder M. Voß Telefon (06252) 3961.

Frankfurt am Main – Bericht – Zu einem kulturellen, bunten und humorigen Nachmittag hatte die Kreisgruppe im Oktober eingeladen. Nach einigen Worten zum goldenen Oktober stand der ostpreußische Humor im Mittelpunkt. Erzählungen vom kürzlich verstorbenen Schriftsteller Siegfried Lenz und treffliche Reime über die täglichen Missgeschicke und „Malheurchen“ aus dem liebenswerten Ostpreußen präsentierte die Vorsitzende, Gerlinde Groß, teilweise auch im ostpreußischen Dialekt. Auch die Anwesenden wussten Schmunzelnswertes beizutragen. Der musikalische Rahmen wurde von Nelly Neufeld und ihrem Chor gestaltet. Viel zu schnell ging dieser stimmungsvolle Nachmittag vorüber und man freute sich schon auf das nächste Mal.

Wiesbaden – Sonntag 16. November, Südfriedhof: Volkstrauertag. Den Beginn der Gedenkstunde bitte der Presse entnehmen. Für die angeschlossenen Landmannschaften legt der Bund der Vertriebenen, Kreisverband Wiesbaden, einen Kranz nieder. – Donnerstag, 27. November,

18 Uhr, Gaststätte Haus Waldlust, Ostpreußenstraße 46, Wiesbaden-Rambach (ESWE-Busverbindung Linie 16, Haltestelle Ostpreußenstraße): Festliches Wildessen. Serviert werden verschiedene Wildgerichte mit Klößen und Rotkohl sowie einer Wildsuppe. Für den musikalischen Rahmen sorgt die „Es-Horn-Gruppe der Jagdhornbläser“ (früher „Bläsercorps der Jägervereinigung Diana-Hubertus“) mit traditionellen Jagdsignalen. Wegen der Essens- und Platzdisposition wird um Anmeldung bis spätestens 21. November bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938, gebeten.

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Barnin – Sonnabend, 22. November, 19 Uhr, Landgasthaus „Kiek in“, Lindenstraße 15, 19089 Barnin: Kulinarischer Ostpreußenabend mit typischen gerichten wie Beetenbarsch, Königsberger Klopse und Apfelkeilchen. Mit dabei: Die „Ostpreußenbrüder“. Gustav Kaludrichkeit aus Insterburg und Otto Kaluwei aus Georgenburg plachandern aus der Heimat. Für musikalische Unterhaltung sorgen die Bahlenhüschener Jagdhornbläser. Nähere Informationen bei Frank Neumann, Telefon (0157) 88199769.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Buxtehude – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Stadtpark: Gedenkveranstaltung der Stadt zum Volkstrauertag. Die Landmannschaft legt einen Kranz zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung am Ehrenmal nieder.

Osnabrück – Dienstag, 18. November, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln. – Freitag, 21. November, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe. – Donnerstag, 27. November, 14 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Literaturkreis.

Osnabrück – Sonnabend,

30. November, 15 Uhr, Parkhotel: Adventsfeier. Anmeldungen bis 18. November bei Gertrud Franke, Telefon (0541) 67479 oder bei Else Tober, Telefon (0541) 1393634

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bad Godesberg – Jeder erste Mittwoch im Monat, 15 Uhr, Erkerzimmer der Stadthalle Bad Godesberg: Treffen der Frauengruppe. – Jeder dritte Mittwoch im Monat im Monat, 17.30 Uhr, Erkerzimmer der Stadthalle Bad Godesberg: Stammtisch.

Bonn – Sonntag, 23. November, 15 Uhr, Nordfriedhof Bonn: Ostdeutsches Totengedenken der im BdV-Kreisgruppe Bonn vereinigten Landsmannschaften. – Dienstag, 25. November, 14 Uhr, Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49: Treffen des Frauenkreises. Thema „Licht im Ost“.

Dortmund – Jeden dritten Montag im Monat (17. November), Landgrafenschule, Eingang Märkische Straße, 14 bis 17 Uhr: Treffen der Frauengruppe. Gäste sind willkommen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 bis 20 Uhr, GHH/Eichendorff-Saal, 1. Etage: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft.

Ennepetal – Donnerstag,

20. November, 18 Uhr, Heimatstube, Archivgebäude, Kirchstraße 52 (Grundschule Harkort): Monatsversammlung.

Essen – Freitag, 21. November, 15 Uhr, Gastronomie St. Elisabeth, Dollendorfstraße 51, 45144 Essen: „Ein neuer Präsident im BdV. Ist damit die Zukunft der Vertriebenen gesichert? Oder sind wir doch eine aussterbende Gattung?“ Vortrag von Damian Spielvogel, Bundesgeschäftsführer der Landmannschaft Schlesien.

Gütersloh – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Ehrenfriedhof Unter den Ulmen: Gemeinsames Begehen des Volkstrauertages mit Wortbeiträgen, Kranzniederlegung und musikalischer Begleitung.

Köln – Dienstag, 18. November, 14.30 Uhr, Bürgerzentrum Köln-Deutz, Tempelstraße 41–43: Monatliches Treffen.

Mülheim an der Ruhr – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Altstadtfriedhof: Gedenken zum Volkstrauertag, am Gedenkstein der Landsmannschaft mit Gedicht, Predigtwort, Trompetensolo und Kranzniederlegung.

Neuss – Sonntag, 16. November, 11 Uhr, Hauptfriedhof, Rheydter Straße: Feierstunde zum Volkstrauertag. – Sonntag, 30. November, 15 Uhr, Marienhaus, Kapitelstraße 36: Adventsfeier mit besinnlichen Liedern und Gedichten. Es gibt Kaffee, Kuchen und ostpreußische Spezialitäten.

Wesel – Samstag, 15. November, 16 Uhr, Heimatstube, Kaiserring 4: Alle Landsleute und Heimatfreunde sind zum Kulturabend der Landsmannschaft Ost-, Westpreußen eingeladen. Paul Sobotta wird in einem Vortrag über „Die Bedeutung Ostpreußens in der deutschen Politik- und Kulturgeschichte“ berichten. Anmeldungen bei Paul Sobotta, Telefon (0281) 45657.

Witten – Montag, 17. November, 15 Uhr, Versammlungsraum, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Treffen zum Volkstrauertag und Totensonntag, Außerdem: Flug über das nördliche Ostpreußen – Ein Filmbericht.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16, 55116: Die Gruppe trifft sich zum Kartenspielen. – Sonnabend, 29. November, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44, 55116 Mainz. Adventsfeier. Um gaben für die Tombola wird gebeten.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Gardelegen – Freitag, 28. November, 14 Uhr, Begegnungsstätte der Volkssolidarität: Gemütlicher Adventsnachmttag

Magdeburg – Dienstag, 18. November, 13.30 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 21. November, 15 Uhr, TuS, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Flensburg – Sonntag, 16. November, 11.30 Uhr, Flensburger Kapelle am Friedenshügel: Die Landsmannschaft Flensburg bittet zum Volkstrauertag. Es wird ein Bus zum Friedhof eingesetzt. – Sonntag, 23. November, 15 Uhr, Kapelle Am Friedenshügel: Die Vereinigten Landsmannschaften Flensburg e.V. bitten zum Totensonntag um Anwesenheit. Es wird ein Bus zum Friedhof eingesetzt.

Pinneberg – Sonntag, 16. November, 15 Uhr: Bingo und Gänseverspielen, der Weihnachtsbraten und andere Preise können gewonnen werden, Weitere Informationen: Rosemarie Schmidt, Telefon (04101) 62667.

Schönwalde am Bungsberg – Dienstag, 25. November, 15 Uhr, Gemeindesaal der Kirche: ostdeutsche Adventsfeier. Mit dabei: der Singkreis Ostholstein und der Posaunenchor der evangelisch-lutherischen Kirche Schönwalde a. B.. Der Kostenbeitrag für Kaffee und Kuchen beträgt zehn Euro. Um Anmeldung wird bis zum Dienstag, 25. November gebeten unter Telefon (04528) 495 oder Telefon (04528) 9901.


S. 18-19 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

JOHANNISBURG

Kreisvertreter: Dr. Manfred Solenski, Fichtenstraße 14, 26316 Varel, Telefon (04451) 4581, Fax (04451) 9189298, E-Mail: solenski@kreisgemeinschaft-johannisburg.de. Internet: www.kreisge-meinschaft-johannisburg.de

Die Kreisgemeinschaft Johannisburg trauert um Benno Krucke, der am 8. Oktober in Wismar verstorben ist.

Am 24. September 1931 in Insterburg geboren, kam er mit der Einschulung nach Johannisburg, dem er sich ein Leben lang tief verbunden fühlte. Ab 1943 besuchte er das Graf-York-Gymnasium, musste aber aufgrund der Flucht (Januar bis September 1945 mit Endstation Wechmar, Kreis Gotha) sein Leben neu ausrichten. Sein Vater war vermisst gemeldet, Not und Entbehrung kannte er allzu gut. Nach Lehrjahren als Stahlbauschlosser arbeitete er als Schiffsbauer auf einer Werft in Wismar und erwarb sich dadurch ein Stipendium. 1959 bis 1963 studierte er an der Pädagogischen Hochschule in Güstrow und war dann Lehrer für Mathematik, Physik und Chemie. Aufgrund eines Hörschadens wurde er im September 1990 Rentner.

Als Leiter der Kreisgruppe Ost- und Westpreußen in Wismar verwirklichte er sein Motto: „Vergiss die alte Heimat nicht und gestalte die neue Heimat!“ Die „Plachander“-Nachmittage fanden auf hohem Niveau statt, und allmählich wurde seine Arbeit für die Heimat zu seinem Lebensinhalt. Viele Auszeichnungen und Ehrungen wurden ihm zuteil (siehe auch JHB 2012 zu seinem 80. Geburtstag am 24. September 2011).

Durch seine Berichte ließ er die Leser des Johannisburger Heimatbriefes an seinem Erleben teilnehmen: So zum Beispiel über die Masurenreise im Juli 2004 mit dem Wiedersehen seiner Heimatstadt oder die verschiedenen Treffen der Landsleute in Mitteldeutschland. Für 2007 gelang ihm die Präsentation der Johannisburger Fahne unter 28 anderen ostpreußischen Kreisen ebenso wie die souveräne Leitung der Kreistagswahl im September 2009. Ein großes Projekt war die originale Ausführung des „Ostpreußenliedes“ als Bestandteil des Oratoriums „Ostpreußenland“ von Munin Brust – zusammen mit Ingrid Nowakiewitsch –, die dem Chor und Orchester des Wilhelm-von-Oranien-Gymnasiums Dillenburg 2009 den 1. Platz des Gumbinner Heimatpreises brachte. – „Späte Gewissheit“ teilte er mit vielen Menschen, als er 2010 durch das Rote Kreuz Aufklärung über das Schicksal seines Vaters erhielt.

Ein schwerer Schritt für ihn war mangels Nachfolger die Auflösung der Wismarer Gruppe, die er 18 Jahre lang erfolgreich geführt hatte. Sein letzter Appell: „Mögen auch in Zukunft junge Menschen bereit und fähig sein, das Werk der Kreisgemeinschaft Johannisburg fortzusetzen.“

Wir verlieren einen umsichtigen, aufrechten, treuen, warmherzigen Heimatfreund, achten und ehren ihn und seine Leistung. Seiner Familie gilt unser Mitgefühl.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Das Sonnenlicht flutete durch die farbigen Glasfenster mit den eingelegten Wappen im Saal des Alten Rathauses. Dort, im würdevollen Rahmen dieses historischen Ratssaales, wurde am Dienstag, 28. Oktober, die Feierstunde anlässlich „60 Jahre Patenschaft der Stadt Neumünster für Stadt und Kreis Lötzen (Kreisgemeinschaft Lötzen e. V.)“ durchgeführt. Gut 70 Gäste waren der Einladung gefolgt. Darunter befanden sich viele Vertreter des öffentlichen Lebens an ihrer Spitze Neumünsters Stadtpräsident

Friedrich Wilhelm Strohdiek und Oberbürgermeister Olaf Tauras sowie Mitglieder der Ratsversammlung. Doch unter den Teilnehmern waren ebenso Bürger, die dem Lötzener Heimatmuseum in der Patenstadt seit Jahren durch interessierte Anteilnahme oder Mitarbeit verbunden sind. Es waren verdienstvolle Ostpreußen – nicht nur aus Stadt und Kreis Lötzen – anwesend. Zu den Gästen zählten Vertreter der in der Stadt beheimateten Landsmannschaften und des BdV. Auch der neue siebenköpfige erweiterte Vorstand der Kreisgemeinschaft, im Mai in Kassel gewählt, war vollzählig dabei.

Kreisvertreter Dieter Eichler begrüßte die Teilnehmer der Feierstunde. Sie war von der Kreisgemeinschaft Lötzen in unkomplizierter Absprache gemeinsam mit dem Büroleiter des Oberbürgermeisters organisiert worden. Die Patenstadt Neumünster übernahm bei dem sich anschließenden Empfang im Neuen Rathaus die Bewirtung der Gäste. Auch dort war der Raum gut gewählt. Er bot eine angenehme Gesprächsatmosphäre für das gesellige Miteinander. An den Wänden hing dazu eine größere Zahl von Kunstwerken von Neumünsters bekanntestem Maler Rudolf Stelling.

Stadtpräsident Strohdiek betonte in seinem Grußwort die tiefe Verbundenheit der Neumünsteraner mit dem Schicksal der Schwestern und Brüder aus dem ostdeutschen Raum, die 1954 zur Übernahme der Patenschaft geführt hatte. Zwischen der Stadt Neumünster und der Kreisgemeinschaft Lötzen hat sich daraus eine tragende Freundschaft entwickelt. Mit Stolz könne auf die 60 Jahre zurückgeblickt werden. Er stellte die Patenschaft heute, unter Einbeziehung der vielfältigen Kontakte nach Lötzen [Gizycko] während der letzten 25 Jahre, in einen europäischen Rahmen. Einen herzlichen Gruß den „Lötzener Patenkindern“ in allen Teilen der Welt.

In seiner Festansprache ging Kreisvertreter Eichler auf Details des Zustandekommens der Patenschaft ein. Er zitierte den Text der am 14. August 1954 unterzeichneten Patenschaftsurkunde, und er bewegte sich dann anhand ausgewählter Beispiele, in den jeweiligen zeitgeschichtlichen Rahmen gestellt, durch die zurückliegenden sechs Jahrzehnte. Einigen der Anwesenden wurde erst beim Zuhören bewusst, dass die Kreisgemeinschaft Lötzen bereits sechs Jahre alt war (gegründet 1948 in Hamburg) als sie eine „Patentante“ bekam. – Im zweiten Teil seiner Ansprache beschrieb der Kreisvertreter die heutige Situation der Patenschaft. Er dankte dem Oberbürgermeister Olaf Tauras für dessen klares Bekenntnis zur Fortführung der Patenschaft. Tauras hatte sie in einem Brief 2013 formuliert.

Er machte aber auch den Wandel in Form und Inhalt deutlich, dem eine über so lange Zeit praktizierte Patenschaft unterworfen ist. Heute muss es das Bestreben der Kreisgemeinschaft sein, der Patenstadt auch etwas zurückzugeben. Das geschieht zum Beispiel mit Sonderausstellungen im Foyer des Rathauses oder im Lötzener Heimatmuseum (drei in diesem Jahr) und mit einem Angebot von acht bis zehn Veranstaltungen pro Jahr, mit denen die kulturelle Vielfalt der Patenstadt bereichert wird. Dieter Eichler beendete seine Ausführungen mit dem bekannten Spruch von Agnes Miegel: „Du hast in Krieg und Schrecken mich wunderbar bewahrt … lehrtest mich täglich aufs neue, nichts als den Hass zu hassen!“

Die Feierstunde wurde angemessen musikalisch umrahmt von dem Neumünsteraner Anraad-Petersen (Cello), Christoph Andersen aus den Niederlanden (Flöte) und Beate Schnitzler aus der Schweiz (Flöte, Harfe).

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Die Kreisvertreterin (KV) Bärbel Wiesensee und Heidi Mader, Sprecherin der Mittleren Generation, machten sich am Freitag, 26. September auf den Weg nach Lyck. Die Anreise begann in Düsseldorf, Flughafen, um 14.35 Uhr. Von Warschau aus fährt ein Zubringerbus nach Lyck. Haltestelle war Lyck-Bahnhof, der um 22.20 Uhr erreicht war. Der Bahnhof bereitet nach dem Umbau einen sehenswerten Empfang, er wird abends raffiniert angestrahlt.

Der darauffolgende Sonnabend war zum Vorbereiten der Bruderhilfe vorgesehen. Ein Landsmann, der mit seinem Freund Urlaub in Lyck machte, kam zu einem Besuch ins Hotel. Dankenswerterweise hatte er sich bereit erklärt, 30 Bücher aus dem Historischen Museum in Lyck mit seinem Auto nach Deutschland zu transportieren. Diese lesenswerten Bücher können bald im Internet bei Michael Mader bestellt werden. Name des Buches: „Von Lyck nach Elk“, Spaziergänge durch die Hauptstadt Masurens.

Die Auszahlung der Bruderhilfe war auf Sonntag ab 11 Uhr, terminiert. Bei herrlichem Sonnenwetter kamen die Mitglieder der Deutschen Minderheit am Wasserturm zusammen. Sehr erfreulich war für die Auszahlenden, dass die meisten Geldempfänger der deutschen Sprache mächtig waren. So konnten neben der Geldauszahlung auch persönliche Worte gewechselt werden. Zusammen mit dem Vorstand der Deutschen Minderheit wurde dieser Tag mit einem gemeinsamen Essen und Gesprächen beendet.

Montag: Dieser Tag begann mit einem Besuch im Stadtarchiv von Lyck. Der Leiter des Archivs war über den Besuch sehr erfreut und zeigte gleich die gesammelten Hagen-Lycker-Briefe und das Heimatbuch „Der Kreis Lyck“, welches einen stark abgegriffenen Eindruck machte. Die Kreisvertreterin versprach ihm, beim nächsten Besuch ein neues Exemplar mitzubringen. Weiter folgte ein Besuch bei der Leiterin des „Dom Kultury“, Aneta Werla. Mit ihr hatte die KV bei ihrem letzten Besuch im Juni schon einige neue Programmpunkte für die Reisegruppe im Juni 2015 besprochen. Auch bei diesem Besuch signalisierte sie ihre Bereitschaft, einige interessante Programmpunkte auszuarbeiten.

Dienstag: An diesem Vormittag wurden weitere Landsleute im Kreis Lyck aufgesucht, um ihnen die Bruderhilfe auszuzahlen. Mit dem Taxi können mühelos, auch weitere Strecken bewältigt werden. Ein Glücksfall war es, einen ruhigen und geduldigen Taxifahrer gefunden zu haben, denn dieser musste oft, während der Auszahlung der Bruderhilfe, lange auf eine Weiterfahrt warten. Bei Besuchen, die nur einmal im Jahr stattfinden, gibt es viel zu erzählen.

Später hatte der Stadtpräsident Tomasz Andrukiewicz zu einem Essen in einem Lokal am Lycksee eingeladen. Anwesend war auch der Leiter des „Historischen Museums in Lyck“ und Frau Zytyniec als Dolmetscherin. Gesprächsthemen waren unter anderem die künftige Zusammenarbeit der Kreisgemeinschaft (Kg) Lyck und dem Kreis Lyck. Die Kreisvertreterin betonte, dass der neue Vorstand der KG Lyck weiter die partnerschaftliche Zusammenarbeit, die Herr Bandilla in fast 30 Jahren erarbeitet hat, fortführen möchte. Über den Zusammenarbeitsvertrag zwischen der KG Lyck und dem „Historischen Museum in Lyck“ wurde gesprochen und über die Möglichkeiten, gemeinsame Projekte zu erarbeiten. Es war ein hoffnungsvolles Gespräch für die Zukunft. Abends war ein Besuch bei Irena Szubzda, der Vorsitzenden der Deutschen Minderheit vorgesehen. Es wurde eine Rundreise zu Sehenswürdigkeiten geplant, um für die Reisegruppe im nächsten Jahr interessante Besichtigungstouren zu organisieren.

Mittwoch: Der Landrat Krysztof Pilat hatte zu einem Gespräch in das Lycker Landratsamt eingeladen. Der Landrat und der Vize-Landrat Marek Chojnowski, der beim Heimattreffen 2013 in Hagen zu Besuch war, bereiteten einen freundlichen Empfang. Die KV bat Herrn Pilat, sich der Reparaturarbeiten am Kriegerdenkmal in Grabnick anzunehmen und übergab ihm Fotos der erheblichen Schäden. Für die Reisegruppe im Juni 2015 wurde schon ein Termin für einen Informationsvortrag über den Kreis Lyck ausgemacht. Nachmittags fuhren die KV und Heidi Mader nach Mostolten, dem Heimatort der KV. Der erste Besuch galt dem Friedhof, um die Gräber der Familie aufzusuchen und Grablichter anzuzünden.

Der Friedhof war in einem mustergültigen Zustand, sogar das Laub war zusammengeharkt worden. Danach galt es, Grüße und Geschenke zu einem 70-jährigen Geburtstag zu überbringen. Es war ein herzliches Zusammentreffen, von dem man sich nur schwer trennen konnte, im ehemaligen Elternhaus von Gerd Bandilla. Ein Konzert in der Musikschule (gegenüber vom Hotel Rydzewski) rundete diesen erlebnisreichen Tag ab.

Am Donnerstag, folgte die geplante Rundreise mit dem Ehepaar Szubzda. Besuchsorte waren Rudczanny-Nieden (Ruciane-Nida), Ukta, Kruttinnen (Krutyn) und Nikolaiken (Mikołajki). Das Touristendorf Galindia war auch ein Besuchsziel. Nach der langen Besichtigungstour war abends ein Spaziergang zum neu umgebauten Lycker Bahnhof angesagt. Da der Direktor der Lycker Caritas, Darius Kruczynski, nicht weit entfernt vom Bahnhof wohnt.

Freitag: Mit dem Leiter des ,,Historischen Museums in Lyck war ein Treffen am Kleinbahnhof geplant. Er erklärte das Projekt Kleinbahn und die Umbaumaßnahmen für den Umzug des Museums in ein Gebäude am Kleinbahnhof. Anschließend wurde im Museum der Zusammenarbeitsvertrag zwischen der Kreisgemeinschaft Lyck und dem Historischen Museum unterschrieben. Danach erfolgte eine Besichtigung des Friedhofes von Stradaunen (Straduny). Der Zustand war akzeptabel.

Samstag: Die Einsegnung des Massengrabes Zielhausen war angesetzt worden. Ein Pfarrer aus Suwalki, Dawid Banach, nahm die Einsegnung vor. Saturnin Siemion hatte die Einfriedung des Massengrabes ausgeführt und mit einer Gedenktafel versehen: ,,Hier ruhen mehr als 70 Deutsche, die im Januar 1945 ihr Leben verloren haben“, darunter ist es auch auf polnisch zu lesen. Es war eine würdige Gedenkstunde. Die Kreisvertreterin legte ein Blumengebinde an die Gedenktafel und Irena Szubzda entzündete Grablichter.

Der folgende Sonntag galt der Entspannung und einem Konzertbesuch in der Bischofskirche mit anschließendem Empfang im Bischofssitz.

Die Rückreise begann am Montag, den 6. Oktober um 8.30 Uhr vom Bahnhof Lyck, mit dem Bus zum Flughafen in Warschau.

Am 30. Oktober erhielt der Kreisälteste Gerd Bandilla in Lyck aus der Hand des Starosten (Landrat) Krzysztof Pilat das erstmals verliehene „Ehrenabzeichen für einen Verdienten um den Kreis Lyck“. Das Abzeichen besteht aus dem Sudauer-Kreuz mit weißer Lilie für Lyck [Elk] an einem weiß-blauen Band. Mit Bandilla wurden unter anderem ausgezeichnet: Bischof Jerzy Mazur, Stadtpräsident Tomasz Andrukiewicz, der frühere Stadtpräsident Zdislaw Fadrowski und die ehemaligen Landräte Janusz Nowakowski und Adam Puza.

In der Begründung für die Auszeichnung heißt es: Gerd Bandilla amtierte 28 Jahre lang als Vorsitzender der Gemeinschaft der früheren Einwohner des Kreises Lyck. 2013 legte er sein Amt nieder. Während seiner Amtszeit organisierte er 40 Omnibusfahrten nach Masuren. Als Vorsitzender der Gemeinschaft entschied er über die Mitfinanzierung der Renovierungsarbeiten am Wasserturmes und über Hilfen für die Deutsche Minderheit. Er sorgte sich um die Restaurierung von etwa 30 Soldatenfriedhöfen aus dem I. Weltkrieg.

Die Herbsttagung 2014 der Mittleren Generation/Kreisgemeinschaft Lyck fand vom 24. bis 26. Oktober in Hamburg statt. Aus allen Teilen der Bundesrepublik reisten 36 Teilnehmer(innen) zur diesjährigen Herbsttagung der Mittleren Generation nach Hamburg, um ein gut organisiertes Programm zu erleben. Nach der Begrüßung und Vorstellung aller Anwesenden am Freitagabend durch die Sprecherin der Gruppe Heidi Mader, begann das Zusammentreffen mit einem gemeinsamen Abendessen. Die anschließende Besprechung wurde von Heidi Mader mit vielen interessanten Informationen über den Ablauf der Veranstaltung, sowie mit Beiträgen von Bärbel Wiesensee, der Kreisvertreterin, und Marc Mader, dem Redakteur des HLB, lebhaft gestaltet. Themen, wie das letzte Hagen-Lycker-Treffen, das Frühjahrstreffen 2015 in Bad Pyrmont, die Lyck-Reise 2015, das Herbsttreffen 2015 in Ellingen wurden eingehend besprochen.

Der Sonnabend, er zeigte sich von der Hamburger-Schietwetter-Seite, beinhaltete ein informatives Programm. Vormittags statteten wir dem Domizil der PAZ in der Buchtstrasse 4 einen Besuch ab. Der Redakteur Dr. Manuel Ruoff führte uns durch alle vier Ebenen des Hauses und gab uns einen umfassenden Einblick in die redaktionelle Arbeit. Die Gruppe nutzte die Gelegenheit um viele Fragen zu stellen, die hervorragend und beeindruckend beantwortet wurden. Mit dieser Personenzahl bei einer Führung durch die Geschäftsstelle der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) ist ein Novum erreicht worden.

Nach einer, jeder für sich frei gestalteten Mittagspause, stand nun die Besichtigung der Ballinstadt (Auswanderermuseum) auf dem Programm. Eine kurze geschichtliche Einweisung und ein Rundgang durch die anschaulichen Sammlungen, die einen Einblick der Auswandererbewegung ab 1850 gaben, rundeten unseren Wissensdrang ab.

Dieser eindrucksvolle Tag klang in der Nähe des Dammtorbahnhofes in gemeinsamer Runde bei einem Abendessen aus.

Am Sonntag nahm uns der ortskundige Reinhard Donder mit auf einen Streifzug durch die Speicherstadt. Unser Rundgang begann am Baumwall, nach einem kurzen Aufenthalt im Speicherstadt-Museum führte uns der Weg über Fleete hin zur Reimerstwiete, einer kleinen Straße, in der noch einige historische Fachwerkhäuser aus dem Jahr 1633 zu sehen sind. Das Mahnmal der Kirchenruine St. Nicolai, welches an die Zerstörung Hamburgs im II. Weltkrieg erinnern soll, nutzten einige Teilnehmer zu einer Liftfahrt auf die in 76 Meter Höhe gelegenen Plattform. Vom höchsten Kirchturm Hamburgs eröffnete sich, eingeschränkt durch ein momentanes Baugerüst, ein Rundblick über die Stadt. Die mit vielen interessanten Erklärungen geleitete Tour endete am Jungfernstieg, von dort aus fuhren wir zum Hotel zurück und verabschiedeten uns. Ein jeder trat mit großer Freude über das Zusammentreffen, das gemeinsam Erlebte und neue Kennenlernen seine Heimreise an.

Ein großes Lob an das Organisationsteam unter Leitung von Heidi Mader.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Das, was in Soest beim Treffen der drei Kreisgemeinschaften Elchniederung, Tilsit und Tilsit-Ragnit so eindrucksvoll begann: Das Interpretieren des weltweit bekannten Liedes „Ännchen von Tharau“ hat Aufmerksamkeit erlangt. Das Trio geht auf Tournee. (Zuletzt absolvierte es einen Auftritt beim Treffen der Landesgruppe NRW der LO Ende Oktober in Oberhausen.) Sängerin Anette Subroweit singt mit ihrer schönen Stimme alle 17 Strophen des „Ännchens“, sie greift dabei auch auf die Urfassung des Heinrich Albert zurück, der das „Anke van Tharaw“ in seiner „Aria“ aufgenommen hatte. Sie wird einfühlsam begleitet von Matthias Hoffmann auf dem Akkordeon. Aus dem Leben des Barockdichters Simon Dach und seinen Erlebnissen mit der jungen Anna van Tharaw, der späteren Pfarrfrau Anna Portatius, berichtet anschaulich Betty Römer-Götzelmann.

Mit seinem eineinhalbstündigen Vortrag verschönt das Trio Zusammenkünfte der Ostpreußen; hier noch besonders mit dem musikalischen Leckerbissen des „Liedes von der Freundschaft“, die ja von den ostpreußischen Landsleuten seit Jahrzehnten gepflegt wird. Aber auch Literaturgesellschaften sind interessiert. So waren unlängst die Zuhörer der Grafschaft Schmallenberg begeistert.

Einen Hochzeitscarmen verfassten Heinrich Albert und Simon Dach zur Vermählung von Anna Neander mit Johann Portatius; beeindruckend wird der Hochzeitstag der jungen Menschen geschildert. Und es werden alle „Märchen“ über das „Ännchen von Tharau“ widerlegt. Sie war weder die geliebte Frau von Simon Dach (er war sehr glücklich mit seiner „Pohlin“ verheiratet, die er immer wieder in seinen Werken erwähnt), noch war sie eine Phantasiefigur, nein, sie war eine brave und zupackende Ehefrau von drei Pfarrern: dreimal verheiratet, dreimal verwitwet – von 14 geborenen Kindern erreichten nur drei das Erwachsenenalter.

Der Vortrag „Ännchen von Tharau“ basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen in den „Literarischen Landschaften“ Band 13, Simon Dach im Kontext preußischer Kulturgeschichte der frühen Zeit; hier insbesondere aus den Forschungen von Prof. Dr. Wladimir Gilmanov, der an der einstigen „Albertina“ lehrt. Auch „Tharau liegt woanders“, eine Tharauer Dorfgeschichte, zusammengetragen und aufgeschrieben von Hedwig von Lölhöffel, der letzten Gutsherrin von Tharau, gelegen am Frisching, Tochter der großen ostpreußischen Mundartdichterin Ermina von Olfers-Bartocki.


Ein Blick zurück
Kalender ehrt ostpreußische Künstler

Wie haben die Vorfahren in Ostpreußen gelebt, wie hat das Land sie, wie haben sie das Land geprägt? Diese Frage stellt die Herausgeberin Silke Osman im Vorwort zum diesjährigen Kalenderbuch „Der redliche Ostpreuße“, dem traditionellen „Pungel ostpreußischen Lebens“, der dieses Jahr zum 66. Mal erscheint.

In der diesjährigen Ausgabe sind Erinnerungen an viele Maler, Bildhauer, Musiker und Schriftsteller dieses Landes zu finden, die Ostpreußen über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht haben, aber auch Menschen wie Du und ich kommen zu Wort.

Osman erinnert in ihren Beiträgen an den Dichter Walter Heymann, die Maler Eduard Bischoff Franz Domscheit und Max Lindh, den Archtitekten Hanns Hopp, die Bildhauer Hermann Brachert, Franz Andreas Threyne und Maria Ewel, aber auch Musiker wie der Komponist Hermann Gustav Götz und der Bariton Willy Rosenau fehlen nicht.

Wie Künstler das Land Ostpreußen geprägt haben, verdeutlicht das Werk und die Lebensgeschichte des einflussreichen Driektors der Königsberger Kunstakademie Ludwig Dettmann.

Neben den großen Namen der Kulturgeschichte Ostpreußens kommen die ganz normalen Menschen zu Wort wie die Großmutter, die mit ihrer Wärme stets tröstend zur Seite stand oder ein Trompeter, der die Menschen erfreute. Geschichten bekannter und weniger bekannter Autoren haben Aufnahme in die diesjährige Ausgabe des „Redlichen Ostpreußen“ gefunden. Sie laden den Leser ein, sich an Erinnerungen an Fahrten in die Heimat zu beteiligen, sich am Witz und Charme der Menschen zu erfreuen, aber auch, die Melancholie zu spüren, mit der die Erzähler über ihre Heimat schreiben.

Die Erinnerung an große Leistungen Einzelner und an die reiche Geschichte Ostpreußens wird den Lesern mit Freude erfüllen.

Manuela Rosenthal-Kappi

„Der redliche Ostpreuße“. Ein Kalenderbuch für 2015. 66. Jahrgang. Rautenberg Verlag 2014, 141 Seiten, geb., 9,95 Euro


S. 20 Heimatarbeit

»Und dann kam der Trakehner...«
Überraschendes beim Großen Herbsttreffen der Ostpreußen in Anklam

Zum Herbsttreffen der Ostpreußen am 25. Oktober füllten über 400 Landsleute das Anklamer „Volkshaus“. Fleißige Helfer hatten die Mehrzweck-halle mit prächtigen Sonnenblumen, den Schildern und Fahnen aller Heimatkreise und einem großen Ostpreußen-Transparent der Jahreszeit entsprechend festlich geschmückt. Zur Eröffnung konnte der Landesvorsitzende Manfred Schukat etliche Gäste begrüßen, die zum ersten Mal in Anklam dabei waren. Ein großes Spruchband wies auf „70 Jahre Flucht und Vertreibung“ hin, ein weiteres auf „25 Jahre Fall der Mauer“. Das Treffen widmete sich beiden Anlässen, begann doch die große Flucht aus Ostpreußen vor 70 Jahren im Spätsommer und Herbst 1944. Und ohne den Fall der Mauer und die deutsche Wiedervereinigung wäre es bis heute unmöglich, solche Veranstaltungen abzuhalten und frei nach Ostpreußen zu reisen. Passend dazu waren zwei alte Holzspeichenräder mit Eisenreifen vor der Bühne aufgebaut, wie sie die großen Treckwagen hatten. Schukat zitierte ein Gedicht, das in der Nachkriegszeit sehr verbreitet war und von seiner Tante stammt: „Aus Ostpreußen sind gezogen die Verjagten arm und reich …“

Erstmals hatte die Blasmusik Redefin die weite Fahrt nach Anklam nicht gescheut. Zur Feier des Tages erklangen zunächst preußische Militärmärsche und geistliche Weisen. Für die Andacht und einen Bericht aus Königsberg war eigens der Vorsitzende der Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen, Propst i.R. Erhard Wolf-ram aus Hannover angereist. Mit dem biblischen Gleichnis vom Weinstock und den Reben wies er auf die christlichen Wurzeln hin, ohne die Ostpreußen nicht zu denken ist und die uns auch heute noch tragen. Der Referent war mit seiner Frau vier Jahre lang im Gemeindezentrum Königsberg tätig und ist dieser Arbeit immer noch sehr verbunden. So hatte er viel Wissenswertes und Neues, aber auch Trauriges von dort zu berichten.

Das Totengedenken mit den Gedichten „Es war ein Land“ und „Zum Gedächtnis der Tiere“ von Agnes Miegel war besonders dieser größten ostpreußischen Dichterin gewidmet, deren Todestag sich zum 50. Mal genau am nächsten Tage jährte. Nach dem gemeinsam gesungenen Ostpreußenlied intonierten die Redefiner Blasmusiker den Trakehner Reitermarsch zum Gedenken an die treuen Trakehner Pferde, die Hunderttausende Ostpreußen aus der Heimat zogen und denen viele ihr Überleben verdanken. Plötzlich öffnete sich die Saaltür, und ein echter Trakehner wurde in die große Halle geführt. Zu den Klängen des Marsches führte Züchter Rainer Janenz aus Pinnow bei Schwerin die 20-jähige Stute eine Ehrenrunde durch das Volkshaus. Die Besucher fotografierten, klatschten und weinten zugleich – es war der Höhepunkt des gesamten Treffens. Rainer Janenz hatte eine Reiterkluft angelegt und stellte sich in ostpreußischem Dialekt als „Reitbursche Otto aus Trakehnen“ und seinen Begleiter in entsprechender Uniform als „Bahnwärter Gustav vom Bahnhof Trakehnen“ vor.

Inzwischen hatten fleißigen Hände die obligatorische Saalrunde selbstgemachten „Bärenfang“ auf den Tischen verteilt, und so stießen die Ostpreußen auf diese Überraschung an. Auch Geburtstagskinder fanden sich für diesen Anlass gleich mehrere – als Älteste von allen Helene Lison aus Tapiau, die mit rüstigen 102 Jahren heute in Neubrandenburg lebt. Bevor die Trakehner Stute mit „Otto“ und „Gustav“ verabschiedet wurde, war unter kräftigem Applaus noch eine zweite und dritte Ehrenrunde durch das Volkshaus fällig.

Nach dem Mittagessen mit Königsberger Klopsen gab es einen musikalischen Nachschlag der Blasmusik Redefin. Dazu bildete sich spontan eine lange, fröhliche Polonaise durch das Volkshaus, gleichsam auf den Spuren des Trakehners. Den Nachmittag gestalteten erstmals „Die Elbdeichbrummer“ aus dem fernen Stelle bei Hamburg mit bekannten Volks- und Heimatliedern. Der Kontakt nach Anklam war vor einigen Jahren durch das Internet zustande gekommen, weil sein Leiter ebenfalls Manfred Schukat heißt und auch aus Ostpreußen kommt, und zwar aus Königsberg. Bei einer gemeinsamen Busreise dorthin lernten sich die beiden Manfred Schukats näher kennen und hörten von den gegenseitigen Aktivitäten. So hatte dieser stimmungsvolle Auftritt des Männerchores eine ganz besondere Note und begeisterte die Besucher. Manfred Schukat aus Stelle wurde prompt mit einer großen Flasche Königsberger Bier zum „Pregelbrummer“ gekürt.

Wie jedes Jahr im Herbst war auch zu diesem Treffen wieder die Aktion „Weihnachtspäckchen für Ostpreußen“ gestartet. 110 liebevoll gepackte Päckchen stapelten sich inzwischen vor der Bühne, für 150 weitere gingen Spenden ein und etliche waren schon zuvor in der Hirtenstraße 7a abgegeben worden. Damit folgten wieder viele Besucher dem Aufruf, gerade zu Weihnachten persönlich Freude zu schenken. Zum zweiten Advent soll von Anklam der diesjährige Transport mit der Fähre Kiel – Memel [Klaipeda[ zu den Vereinen der Deutschen im Memelland auf die Reise gehen. So waren der Anlass und die gute Resonanz dieses Tages allemal den immensen organisatorischen und finanziellen Aufwand wert. Zu den Gedenkanlässen „25 Jahre Fall der Mauer“ und „Beginn von Flucht und Vertreibung vor 70 Jahren“ war diese Veranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen landesweit die größte ihrer Art. Selbst das NDR-Nordmagazin war gekommen, um am Abend einen Kurzbericht darüber auszustrahlen. Am nächsten Tag unternahmen beide Manfred Schukats mit den „Elbdeichbrummern“ einen Ausflug auf die Insel Usedom und gaben auf der Kurpromenade in Swinemünde ein kleines Konzert. Friedhelm Schülke


Ein positives Bild
Stadt Lötzen zeigt sich in neuem Glanz

Seit vielen Jahren bereisen der Neusser Kreisgruppenvorsitzende Peter Pott und seine Frau Henny ihre Heimat Stadt und Kreis Lötzen. Seit der ersten Reise im Jahr 1992 bis heute hat sich vieles zum Positiven gewandelt. „Bei den ersten Besuchen waren viele Bürgersteige voller Löcher, ebenso manche Straßen. In einem besonders unansehnlichen Zustand befanden sich die Häuser mit einem Baujahr nach 1945“, heißt es in dem persönlichen Bericht von Peter Pott. „Inzwischen wurden die Bürgersteige neu gepflastert, Beete und Rabatte angelegt. Vorhandene Straßen wurden ausgebessert und neue gebaut. Vormals unansehnliche Gebäude wurden renoviert.

Die Stadt Lötzen erhielt an vielen Stellen ein ansprechenderes Aussehen. So hat man den Marktplatz neu überdacht. Es wurden Kreisverkehre geschaffen und neue Straßenführungen angelegt, wie zum Beispiel am alten Marktplatz, der heute Grunswalski-Platz heißt.

Im Zentrum ist eine breite neue Straße zu entdecken. Sie hat einen Zugang zur neugebauten großen Brücke, die bis zur Hafenmole reicht. Man kann jetzt vom Zentrum bis zum Hafen gehen ohne eine Straße oder die Eisenbahnschienen überqueren zu müssen. Der Spaziergang lohnt: Im Hafengebiet wurden rund 200 Bänke aufgestellt, sodass für viele Menschen ein Ort des Verweilens entstand.

Aber noch mehr lässt sich an der Wasserkante entdecken: Auch der Sporthafen wurde wesentlich vergrößert. Die alte Diskothek in Schiffsform wurde abgerissen, das ehemalige Bootshaus komplett umgebaut. Ein großer Gastronomie-Betrieb ist dort eingezogen, während die Löschboote einen neuen Standort gefunden haben.

Alles in allem: Lötzen hat sich sehr positiv verändert.“ PAZ


S. 21 Lebensstil

»Tourist mit Stahlhelm«
Die »Krauts« gegen die »Amis« − Hemingways wenig ruhmreiche Rolle in der Schlacht im Hürtgenwald

Vor 70 Jahren tobte in der Nähe von Düren die Schlacht im Hürtgenwald. Autor Ernest Hemingway steckte damals für die US-Armee mitten im Gefecht.

Vor dem Altar liegen noch Äpfel, Kürbisse und Kartoffeln vom Erntedank-Gottesdienst. Die Deckenlampen sind in moderne Kugeln eingelassen, die bunten Kirchenfenster zeigen abstrakte Motive. Die Katholische Pfarrkirche St. Joseph in Vossenack, Rureifel, ist nicht mehr die von 1870, sondern die von 1953. Im Vorraum hängen neben einer Marienfigur Votivtafeln. „Danke für sichtbaren Schutz!“ Das war Ostern 1961. „Maria hilft immer.“ Oktober 1968. Nur im November 1944, da half auch Maria nicht.

Im Spätherbst 1944 wurde die Kirche Kriegsschauplatz. Die Allerseelenschlacht im Hürtgenwald, 6. November: Der deutsche Angriff aus dem wenige Kilometer entfernten Tiefenbachtal war erst in Vossenack zum Stehen gekommen. Zwei US-Kompanien waren vor den Deutschen in Panik geflohen. Junge GIs verschanzten sich in der Kirche und schossen von der Orgelempore herunter, die Deutschen erwiderten das Feuer aus der Sakristei.

Vossenack, Kreis Düren, 2259 Einwohner. Klinkerhäuser, zwei Metzgereien, Post und Sparkasse, Dorfkneipe und das „Haarschneidelädchen für Herren“, montags hält der Grillhähnchen-Mann vor der Kirche. Alles wie überall. Bis auf eines: Im Ort ist nichts alt. Überall nur Nachkriegsarchitektur.

Einer, der die Kämpfe miterlebte, war Ernest Hemingway. Seit der Landung in der Normandie hatte der spätere Literatur-Nobelpreisträger die US Army beim Krieg im Westen begleitet. Als Kriegsberichterstatter schrieb er für das US-Wochenmagazin „Collier’s“ über den D-Day, die Befreiung von Paris und den Stellungskrieg in der Südeifel.

Im Hürtgenwald verstummte der Kriegsreporter. Jahre vergingen. Dann, 1949, schrieb er den Roman „Über den Fluß und in die Wälder“. Was er im Hürtgenwald gesehen hatte, wurde Prosa-Material. Über seine toten US-Kameraden lässt er seinen Protagonisten, einen Army-Oberst, sagen: „In Hürtgen gefroren sie alle einfach, und es war so kalt, daß sie mit roten Gesichtern gefroren.“

Hürtgenwald − eine der blutigsten Schlachten im Zweiten Weltkrieg. 32000 Tote auf US-Seite, ähnlich viele auf deutscher. Die Zahlen sind jedoch umstritten. Neuere Schätzungen gehen von weniger Toten aus. Statt die 140 Quadratkilometer Bergwald zwischen Monschau, Düren und Aachen zu umgehen, rannten sich die Amerikaner dort ab Okto­ber 1944 fest. Fünf Monate dauerte das Schlachten um ein paar Dörfer mit Namen wie Schmidt, Lammersdorf, Groß- und Kleinhau.

Hemingway war am 9. November 1944 in den Hürtgenwald gekommen. Seit der Landung in der Normandie war er im Tross der US Army. Im Mai 1944 hatte er beschlossen, an der Invasion Europas teilzunehmen. Hemingway, damals 44, war durch Romane wie „Fiesta“ und „In einem an­dern Land“ längst weltberühmt. Im Kino lief gerade „Wem die Stunde schlägt“ mit Gary Cooper und Ingrid Bergman als Kämpfer für die spanische Republik.

Hemingways Regiment sollte am 16. November von Zweifall bei Stolberg den nächsten Angriff starten. Ziel: Großhau. Vor dem Angriff besuchten Hemingway und sein Kommandeur Charles Lanham drei Bataillone und sprachen den GIs Mut zu. Die meisten Offiziere bewunderten den Autor, weil er sich freiwillig in der „Totenfabrik“ aufhielt. Hemingway stand bei Regen und Schnee im Gefechtsstand, immer zwei Feldflaschen bei sich, eine mit Schnaps, die andere mit Cognac.

Im Lagegespräch äußerte Lanham Zweifel an den Fähigkeiten seines Stellvertreters. Hemingway meinte, Lanham brauche ihn nicht seines Postens zu entheben. Der schaute fragend. „Er wird es nicht überleben“, sagte Hemingway. „Er stinkt nach Tod.“ Stunden später kam die Meldung, Lanhams Stellvertreter sei gefallen.

Am 29. November fiel Großhau in die Hände der Amerikaner. Noch unter dem Beschuss deutscher Artillerie besichtigte Hemingway die Ruinen. Zweieinhalb Wochen lang ließ Hemingway sich im Hürtgenwald die Ku­geln um die Ohren fliegen, dann kam er im Jeep nach Paris zurück und fiel mit Fieber ins Bett.

Am 4. Dezember 1944 verabschiedete sich Hemingway von seiner Truppe Richtung Paris. Sein Regiment sollte nach Luxemburg verlegt werden. Dort brach Tage später die nächste Hölle los: die Ardennen-Offensive, das letzte militärische Aufbäumen des Deutschen Reichs.

Am 22. war er wieder auf den Beinen, da war die deutsche Offensive schon ge­stoppt. Weihnachten 1944 fuhr Hemingway noch einmal die Gefechtsstände ab. Die meiste Zeit vor seinem Rückflug nach Kuba im März 1945 verbrachte er in Paris und Luxemburg-Stadt.

Aus der Roman-Trilogie über den Zweiten Weltkrieg wurde nichts. „Papa“, wie er sich selbst nannte, hatte Ladehemmung. 1950 erschien „Über den Fluß und in die Wälder“. Der todkranke Oberst Richard Cantwell, zur Entenjagd nach Italien geladen, erzählt seiner letzten Liebe, der 18-jährigen Contessa Renata, vom Krieg.

Hemingway schrieb das Buch in Italien. Sein Erzähler schildert auf zwei dürren Seiten die Hölle von „Hurtgen“. Tote deutsche Soldaten auf der Straße, über die Panzer und Laster fuhren, Hunde und Katzen, die Leichen anfraßen. Im Roman hört sich das so an: „Das war das erste Mal, dass ich einen deutschen Hund einen gerösteten deutschen Kraut fressen sah.“ Zynisch und verroht fanden Kritiker die Wortwahl. Der Roman gab den Soldaten kein Gesicht. „Diese Krauts waren alles Berufssoldaten“, sagt der Colonel im Roman. Hemingway selbst soll diesen Unsinn für wahr gehalten haben und rühmte sich später auf Kuba der stattlichen Zahl von 122 „Krauts“, die er eigenhändig getötet haben will. Es war nichts als Angeberei, nährte aber Gerüchte um ihn als Kriegsverbrecher, an denen vermutlich nichts dran ist.

Die Kritik verriss den Roman. Der „Spiegel“ ätzte 1961, mit dem Werk „schien Hemingway bei un­freiwilliger Selbstironie gelandet zu sein“. Er hatte dem Grauen keinen Namen gegeben. Dazu hätte er Soldat in der Schlacht und nicht Reporter im geschützten Rückraum gewesen sein müssen.

Der US-Kriegsreporter Cyril Ray urteilte: „Hemingway hat den ganzen Beruf für billige Eigenwerbung in den Schmutz gezogen.“ Ihm sei es nur um sein Image als „eisenharter Mann“ gegangen. Der britische Militärhistoriker Charles Whiting schrieb später sarkastisch: „Ja, ,Papa’ war in den Krieg gezogen, aber er war nichts anderes als ein Tourist mit Stahlhelm.“

Kai Althoetmar


Gesunde Milch-Mode
Kleider aus Milchfasern − Unternehmerin Anke Domaske macht aus Quark nicht Gold, aber dafür etwas Tragbares für Modebewusste

Bloß weg vom Öl – eine Devise, die nicht nur auf dem Energiesektor immer neue Anhänger findet. Auch immer mehr Hersteller von Kunststoffen bieten Materialien an, die ohne Petrochemie auskommen. Die hannoversche Unternehmerin Anke Domaske gehört zu ihnen. Ihr Unternehmen heißt Q-Milk, zu Deutsch Qmilch und verweist darauf, dass Domaske Milch als Basis ihrer Produktpalette nutzt.

Seit April ist sie mit Kunststoffen für die Automobil-Industrie, aber auch mit Textilien am Markt. Hinzu kommt seit Neuestem eine Hautcreme aus Milch. Auf die Idee kam die 30-Jährige durch die Krebserkrankung ihres Stiefvaters. „Er vertrug plötzlich keine chemisch behandelten Textilfasern mehr“, er­in­nert sich Domaske. Bis dahin hatte die studierte Mikrobiologin mit Kunststoffen nicht viel am Hut. Aber dann fing sie an, nach einem brauchbaren Verfahren zu suchen.

Textilfasern aus Milch herzustellen, ist keine wirklich neue Idee. Aber die Herstellungsweise passte nicht zu modernen Vorstellungen über nachhaltiges Produzieren. „Das Verfahren stammt aus den 30er Jahren und ist durch seinen hohen Formaldehydanteil stark belastet“, so Domaske.

Also tüftelte sie ein neues Verfahren aus. Grundlage ist Milch, die als Nahrungsmittel untauglich ist. Dabei wird das Milchprotein separiert. Es entsteht Quark, der dann getrocknet und zu Pulver gemahlen wird. Anschließend vermischt man das Pulver mit Wasser, knetet die Mischung ordentlich durch und presst sie dann durch eine Lochplatte. So entstehen lange Fasern. Auch Granulate lassen sich so herstellen. Hier verbleibt das Material in einem langen Strang, der zu feinen Kügelchen weiterverarbeitet wird. „Nudelmaschinen-Prinzip“ nennt Domaske diesen Prozess.

Er ist das Ergebnis langen Probierens und Experimentierens. Die Technik existierte so nicht. Ihre ersten Versuche, Kunststoffe aus Milch herzustellen, machte sie mit dem Küchenmixer, als sie ihr Studium schon abgeschlossen hatte. Danach kam die erste Ausrüstung ins Haus. „Sie kostete rund 200 Euro und kam von Real“, erzählt Domaske. Die Finanzierung der Firma beruht auf Eigeninitiative. Sie nahm an einem Business-Plan-Wettbewerb teil; danach suchte sie sich selbst Partner. Insgesamt kamen so rund fünf Millionen Euro Startkapital zusammen.

Domaske gründete ihr Qmilk-Unternehmen 2011 und konnte für die Arbeit Räume und eine Versuchsanlage am Institut für Fasertechnik der Universität Bremen nutzen. Bei der Versuchsanlage handelte es sich um eine Standardeinrichtung zur Herstellung von Textilfasern, die Domas­ke und ihr Team für ihre Bedürfnisse umbauten. Bei der Entwick­lung der verschiedenen Rezepturen lernten sie, dass sie auch Granulate und andere Kunststoffe herstellen konnten. Das erweiterte die potenzielle Produktpalette. Im August 2013 mietete Qmilk eine 3000 Quadratmeter große Hallenfläche im Gewerbepark Oberricklingen bei Hannover. Seit April produziert das Unternehmen nun Kunststoffe, Textilfasern und Granulate. In der Fabrikation arbeiten rund 20 Mitarbeiter im Schichtdienst.

Der Aufbau der Produktion brachte ganz neue Herausforderungen. Beim Einzug war die Halle leer, in Domaskes Worten ein „treibhausgroßes Nichts.“ Also musste von den elektrischen Leitungen bis zur eigentlichen Herstellungsanlage alles neu er­richtet werden. Das hatte jedoch auch den Vorteil, dass sich das Unternehmen die Produktionstechnik von vornherein auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden konnte. Nachdem die Technik stand, musste das Qmilk-Team den Produktionsprozess auch in der Fertigung stabil beherrschen.

Für die Unternehmerin sind lange Arbeitstage zur Regel ge­worden, aber sie geht darin auf. „Man wird eins mit seinem Produkt“, sagt sie. Man spürt, wie sehr Domaske zur Macherin ge­worden ist.

Für die Zukunft plant sie, ein Sammelsystem für solche Milch aufzubauen, welche nicht als Lebensmittel geeignet ist. Hinzu kommen neue Produkte, von Tapeten aus Milchfasern über Lautsprechermembranen bis zu Fäden für Teebeutel. Mit Qmilk ist sie auf jeden Fall eindrucksvoll gestartet. Über 600 Unternehmen der Textilbranche, der Automobilindustrie so­wie aus der Medizin interessieren sich für die umweltverträglichen Kunststoffe aus der Milch. Friedrich List


Geschenktipps

Kants bebilderte »Urteilskraft«

Köln − Noch bis zum 15. März 2015 findet im Museum Ludwig eine Ausstellung mit Video-Installationen der Stuttgarter Künstlerin Andrea Büttner statt. Im Rahmen dieser Ausstellung wird jetzt von ihr eine bebilderte Ausgabe von Immanuel Kants „Kritik der Urteilskraft“ (1790) vorgestellt. In seinem Werk sucht der Königsberger Philosoph nach Kriterien für das ästhetische Urteil. Büttner hat sich sein Buch noch einmal vorgenommen und befragt es danach, welche konkreten Bilder der Philosoph beim Schreiben vor Augen gehabt haben könnte beziehungsweise welche Bilder es beim Lesen hervorruft. Ihre Auswahl von historischen Bildern unter anderem aus Kants Bibliothek und von aktuellen Bildern aus dem Netz ist nun dem kompletten Text von Kant beigestellt. Mit 200 Abbildungen und 610 Seiten ist das Buch jetzt im Verlag Felix Meiner erschienen und kostet 38 Euro. tws

 

Die Weltmeister im Wohnzimmer

Hamburg − Am 13. Juli wurden „wir“ Weltmeister. Dank eines Tores von Mario Götze gewann die deutsche Fußballnationalmannschaft bekanntlich das WM-Endspiel von Rio de Janeiro gegen Argentinien. Fußballfans können sich diesen und andere Treffer jetzt auf einer DVD-Kollektion ansehen, die rechtzeitig zu Weihnachten die Weltmeister wieder in die deutschen Wohnzimmer bringt. Für den 27. No­vember ist die Veröffentlichung eines DVD-Pakets von Studio Hamburg Enterprises mit den Titeln „Alle Tore“, „Die Highlights des Turniers“ sowie „Alle deutschen Spiele“ geplant. Mit „Die Highlights des Turniers“ erscheint ein kommentierter 90-Minüter, der die aufregendsten und schönsten Momente der Weltmeisterschaft in Brasilien wieder aufleben lässt. Die Box „Alle deutschen Spiele“ beinhaltet alle Partien des WM-Siegers 2014 und in „Alle Tore“ werden sämtliche geschossenen Tore zusammengefasst. tws


S. 22 Neue Bücher

Es begann in Prag
Der Auftakt zur Revolution

Niemand, der es hörte, wird diesen Aufschrei des Jubels jemals vergessen. Die Menschenmenge, bestehend aus DDR-Bürgern, die auf dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft in Prag campierten, wollten raus. Die DDR auf immer verlassen, in der sie gegen ihren Willen leben mussten. Unzählige Männer, Frauen und Kinder warteten unter schwierigsten Bedingungen auf das rettende Signal. Als Außenminister Hans-Dietrich Genscher am Abend des 30. September 1989 auf dem Balkon der Prager Botschaft die Mitteilung machen wollte, dass „ihre Ausreise“ stattfinden wird, gingen seine Worte im tosenden Jubel der Wartenden unter.

Für Genscher war dieser Augenblick einer der bewegendsten Momente seines Lebens, wie er selber sagt. Für ihn und sicher auch viele andere, war klar, dass das Jahr 1989 zum Schicksalsjahr des Deutschen Volkes werden würde.

In diesen Tagen, an denen man allerorten an den 25. Jahrestag des Mauerfalls erinnert und zahlreiche Publikationen den Markt überfluten, sticht ein Werk besonders hervor. Der „Zündfunke aus Prag“ entfacht auch heute noch brennende Begeisterung.

So wie sich die tschechische und deutsche Geschichte im Herbst 1989 auf besondere Weise berührten, treffen sich heute noch einmal zwei Zeitzeugen der Ereignisse wieder. Hans-Dietrich Genscher und Karel Vodicka. Der promivierte Rechtswissenschaftler Vodicka flüchtete 1985 mit seiner Familie aus der Tschechoslowakei ins politische Exil in die Bundesrepublik und arbeitet als Politologe am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden und als Lehrbeauftragter an der Philosophischen Fakultät der Jan-Evangelista-Purkyn Universität (UJEP) in Aussig. Die Publikation ist eine gekürzte, populär ausgearbeitete Fassung der wissenschaftlichen Dokumentedition „Die Prager Botschaftsflüchtlinge 1989. Geschichte und Dokumente“.

Der Politologe führt in seiner beeindruckenden Arbeit „bisher unbekannte Zusammenhänge jener Ereignisse zu Tage, die den Zusammenbruch zweier kommunistischer Regime auslösten“, wie es im Klappentext des Werkes heißt. Vor allem ist es ein eindrückliches Zeitdokument, das dem Leser das Geschehen noch einmal hautnah nachempfinden lässt. Es beginnt in der Silvesternacht 1988/89 in Prag, als zwei junge Deutsche aus der DDR, die sich grade mit Tausenden das Silvesterfeuerwerk ansehen, unter höchster Gefahr, in die bundesdeutsche Botschaft flüchten. Spannend wie ein Krimi liest sich die Reise durch die folgenden Monate. Geheimdienstdokumente und diplomatische Korrespondenz der BRD, DDR und der CSSR begleiten den Leser auf dem Weg in die Freiheit.

Mehr als 9000 deutsche und tschechische Archivdokumente wurden für das Hannah-Arendt-Institut durchgesehen und ausgewertet. Diese Dokumentation lädt ein zu einer „faszinierenden kollektiven Entdeckungsreise“.

Als am 3. November 1989 die SED-Machthaber unter dem Druck der tschechoslowakischen Genossen die formlose Ausreise der Botschaftsflüchtlinge gestatteten, verwandelte sich der Flüchtlingsstrom, so Genscher in seinem Prolog, in einen „Urstrom der Geschichte“. Dieser hatte sich in Bewegung gesetzt und nichts konnte den Lauf der Historie mehr aufhalten. Silvia Friedrich

Hans-Dietrich Genscher, Karel Vodicka: „Zündfunke aus Prag. Wie 1989 der Mut zur Freiheit die Geschichte veränderte“, dtv, München 2014, 352 Seiten, 24,90 Euro


Vor einem Scherbenhaufen
Der FDP-Politiker Frank Schäffler über die Folgen der Euro-Rettung

Dieser Mann hat Respekt verdient. Obwohl alles, an das er glaubte, inzwischen wie ein Scherbenhaufen vor ihm liegt, hält er an seinen Überzeugungen fest und kämpft weiter für sie. Frank Schäffler, von 2005 bis 2013 Bundestagsabgeordneter der FDP, musste in den letzten Jahren erkennen, dass seine Partei unter liberal und kollegial etwas anderes versteht als er, dass die Möglichkeiten eines Bundestagsabgeordneten, Einfluss auf die Politik zu nehmen, sehr beschränkt sind und dass die Euro-Rettungspolitik alle Prinzipien in Sachen Geldpolitik, die viele Jahrzehnte lang in Deutschland als bewährt galten, über den Haufen wirft.

In „Nicht mit unserem Geld! Die Krise unseres Geldsystems und die Folgen für uns alle“ schildert er seine Erlebnisse als Abgeordneter während der Euro-Rettung, benennt, was aus seiner Sicht falsch läuft und führt Alternativen an. Das Vorwort zu dem Buch stammt von Thomas Mayer, dem ehemaligen Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der wegen ähnlicher Überzeugungen wie Schäffler die Großbank 2012 verlassen musste. Er berichtet, dass ihm „von hoher politischer Warte“ aus mitgeteilt worden sei, er solle sich keine Sorgen um die hohen griechischen Staatsschulden machen, da diese „japanisiert“ worden seien. „Gemeint war damit der Umstand, dass nun der größte Teil der griechischen Staatsschuld von europäischen Regierungen und Institutionen gehalten wird, die wie die japanischen Besitzer einheimischer Staatsanleihen nicht mehr auf Rückzahlung der Schuld drängen.“

Schäffler selbst beginnt seine Ausführungen damit, dass er 2012 für seine beiden Kindern ein Sparbuch eröffnen wollte. Als er gefragt wurde, ob er auch einen Freistellungsauftrag ausfüllen wolle, damit seine Kinder die Zinseinnahmen nicht versteuern müssen, wurde ihm erstmals richtig bewusst, dass sie angesichts des zu dem Zeitpunkt geltenden Zinssatzes von 0,25 Prozent 320400 Euro Erspartes einzahlen müssten, um überhaupt die steuerfreien 801 Euro Zinsen zu erzielen. „Die Anreize des Herrn Draghi für meine Kinder waren klar. Mein Sohn kaufte sich anschließend lieber das fünfte Bayern-München-Quartett und meine Tochter ihre zehnte Puppe“, so Schäffler ernüchtert über die Folgen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Der Finanzexperte ist überzeugt, dass eine Gesellschaft, die nur auf Konsum aus ist und nicht spart, dauerhaft nicht in Wohlstand leben kann. Hier geben ihm die meisten Ökonomen und der logische Menschenverstand recht, doch die Machteliten wollen etwas anderes.

Etwas langatmig erzählt Schäffler die Ursachen der Finanzkrise aus seiner Sicht nach. Spannender wird es, wenn er von seinen Erlebnissen im Bundestag berichtet und seinem Kampf gegen Griechenland- und Euro-Rettung im Allgemeinen. Hier focht er nicht nur gegen den großen Koalitionspartner der schwarz-gelben Regierung, der CDU/CSU, sondern hatte auch alle Mühe, in seiner eigenen Partei Gehör zu erlangen. Hier erwähnt er vor allem seinen Versuch, über einen Mitgliederentscheid die FDP in der Regierung zum Umlenken zu bewegen.

Immer wieder druckt er seine im Bundestag geäußerten Reden, aber auch zu Protokoll gegebene Schriftsätze ab, was manchmal etwas ermüdend ist, jedoch deutlich macht, wie er mit Argumenten zu überzeugen versuchte. Für ihn ist es unbegreiflich, dass die EU und der Euro in Deutschland im Grunde als unangreifbar gelten. Die romantische Überhöhung ist ihm genauso ein Rätsel wie der Glaube, die europäische Einigung bilde den mit Abstand fortschrittlichsten Ansatz für Regierungsstrukturen, ohne dabei die Freiheit der Bürger zu berücksichtigen.

Schäffler plädiert hingegen für ein Europa der Vielfalt statt der Einfalt. Statt Brüsseler Regelungswut befürwortet er Wettbewerb zwischen den EU-Staaten. Auch wäre er glücklich, wenn man die Schweiz mehr zum Vorbild nehmen und statt mehr Plan- wieder mehr auf Marktwirtschaft setzen würde. Richtig überraschen tun seine Vorschläge hier nicht, nur sein Wunsch, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen, fällt dann wirklich aus dem Rahmen. Diese Idee verlangt allerdings der Masse der Bevölkerung viel ökonomisches Verständnis ab.

Rebecca Bellano

Frank Schäffler: „Nicht mit unserem Geld! Die Krise unseres Geldsystems und die Folgen für uns alle“, FBV, München 2014, gebunden, 271 Seiten, 19,99 Euro


Geheimnisse der Wissenschaft
Spannende Einführung in die Physik, Chemie und Biologie

Mit dem Wort Naturwissenschaften verbinden die meisten Menschen staubige Physik- oder Chemieräume, ein menschliches Skelett und ausgestopfte Tiere im Biologieraum sowie unverständliche Formeln und unklare Zusammenhänge. Dass es auch anders geht, zeigt Ernst Peter Fischer mit seinem Buch „Die Verzauberung der Welt – eine andere Geschichte der Naturwissenschaften“. Ihm ist es gelungen, einen ganz neuen Ansatz zu finden, in dem er den Leser zur Neugierde und zum Staunen anregen möchte. Seine Welt der Naturwissenschaften ist voller Geheimnisse und dadurch sehr spannend.

Fischer erzählt von Albert Einsteins Erklärung, wie er am Beispiel einer Kugeloberfläche, die zwar endlich ist, aber keine Grenze kennt und auf der man beliebig lange umherschweifen kann, darlegt, dass etwas in der Welt endlich und dennoch unbegrenzt sein kann. So führen physikalische Versuche zwar zu Erklärungen, die zu einem Zwischenergebnis führen, aber das Geheimnis, das weiterhin tief in der Materie steckt, wird nicht offenbart.

Und immer wieder bleiben die Ergebnisse eine Kombination von Philosophie und Wissenschaft, wie das berühmte Beispiel von „Schrödingers Katze“ des Physikers Erwin Schrödingers, die im Paradoxon des Gedankenspiels gleichzeitig „tot“ und „lebendig“ ist.

Es gibt auch einen Brückenschlag zwischen Kunst und Physik, in dem zum Beispiel Picasso seine „Frauen von Avignon“ aus so unterschiedlichen Blickwinkeln auf einem Bild darstellt, dass der Betrachter um sie herumgehen müsste. Das Gehen benötigt jedoch Zeit, und so wird in der gemalten „Raumkunst“ Einsteins „Raumzeit“ umgesetzt.

„Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Wissenschaft und Kunst steht.“ Dieser erste Satz des Buches, ein Zitat von Albert Einstein, ist das Motto des Buches, mit dem der Autor den Leser durch die einzelnen Kapitel leitet. Dabei geht es um große Fragen, die Mysterien der modernen Wissenschaft, das Geheimnis von Kunst und Wissenschaft, aber auch Gottes Beitrag. Es gibt Exkurse zur Energie und der Energiewende, das romantische Atom und die Geheimnisse des Menschen, eines davon ist übrigens, dass alle Menschen gern in der Nase bohren. Jedem Kapitel ist ein philosophisches Zitat vorangestellt, es gibt dort Infokästen zur Erläuterung und informative Abbildungen.

Fischer zeigt auf, wie wichtig es ist, weiter zu denken und über den Tellerrand hinauszublicken. Dabei schreibt er so gekonnt, dass auch der bislang den Naturwissenschaften abgeneigte Leser ihm folgen kann. Es ist ein interessant geschriebenes, anspruchsvolles Buch, für dessen Lektüre man Zeit benötigt. Aber es lohnt sich unbedingt, denn der Leser hat hier nicht nur die Chance, die eine oder andere Lücke aus der Schulzeit zu schließen, sondern sich mit der Bedeutung der Geheimnisse der Naturwissenschaften auf unser Leben auseinanderzusetzen. „Der Weg ist das Ziel, und beide bleiben offen.“ Diesem Schlusssatz des Buches ist nichts hinzuzufügen.

Britta Heitmann

Fischer, Ernst Peter: „Die Verzauberung der Welt. Eine andere Geschichte der Naturwissenschaften“, Siedler, München 2014, gebunden, 336 Seiten, 24,99 Euro


Kampf für die Rechte der Männer
Im Gesundheitssystem, im Arbeitsalltag und in den Medien – Wie das starke Geschlecht diskriminiert wird

Wer nach hieb- und stichfesten Belegen dafür sucht, dass Männer in der modernen westlichen Gesellschaft zunehmend benachteiligt werden, der kann in Arne Hoffmanns „Not am Mann“ einen Fund nach dem anderen machen. Sage und schreibe 80 Prozent der Darstellungen von Männern und Männlichkeit in den Medien sind inzwischen negativ. Für die Erforschung sämtlicher männertypischer Krebsarten wird gerade einmal ein Viertel der Summe aufgewendet, die alleine die Suche nach Mitteln gegen den Brustkrebs verschlingt. Es gibt in Deutschland um die 200 akademische Lehrstühle, welche sich mit der gesellschaftlichen Situation von Frauen befassen, aber nicht einen für Männerforschung. Männer erleiden neunmal häufiger tödliche Arbeitsunfälle als das andere Geschlecht – das gleiche Zahlenverhältnis gilt für Obdachlosigkeit. Und weibliche Straftäter erhalten vor Gericht bei vergleichbaren Delikten satte Frauenrabatte und damit deutlich seltener Freiheitsstrafen.

Verantwortlich für diesen Zustand ist laut Hoffmann die emsige Arbeit von Lobbygruppen in Forschung, Politik und Medien, die nach außen hin „Gleichstellungspolitik“ einfordern und auch durchsetzen, aber damit keine Geschlechtergerechtigkeit bewirken, sondern stattdessen der Männerdiskriminierung Vorschub leisten. Zudem vertritt der Buchautor, Blogger und Männerrechtsaktivist die These, dass es sich hierbei um keinen unbeabsichtigten Kollateralschaden der „Gleichstellung“ handele – das beweise der ganz „alltägliche Sexismus gegen Männer“. Und tatsächlich sind mittlerweile Aussagen über die angeblichen biologischen, psychischen und sozialen Defizite von Männern salonfähig, die nicht nur den gesunden Menschenverstand beleidigen, sondern auch im höchsten Maße strafbar wären, wenn sie sich genauso pauschal und abwertend gegen andere Gruppen der Gesellschaft wie beispielsweise Migranten, Behinderte oder eben Frauen richten würden.

Desweiteren macht der Verfasser darauf aufmerksam, dass die bösartigen antimas-kulinen Klischees, vor deren Hintergrund die männlichen Tugenden zu pathologischen Störungsbildern mutieren, nicht nur von Frauen verbreitet werden. Als Beispiel hierfür nennt er den Gießener Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter, der in Ignoranz gegenüber jedwedem Forschungsstand behauptet hat, die Männer seien für alle Übel der modernen kapitalistischen Gesellschaft verantwortlich. Um diese Selbsterniedrigung zumindest ansatzweise zu erklären, zitiert Hoffmann den Schweizer Soziologen und Männerforscher Walter Hollstein: „Wer ein anderes Bild zeichne als das vom herrschenden Feminismus gewünschte, werde flugs und unbesehen als ‚Neonazi‘ oder ‚Hassprediger‘ verunglimpft ... Wer gegenwärtig versucht, die ideologische Enge bestehender Frauen- und Familienpolitik zu verlassen, wird diffamiert.“

Dieses raue Klima bekommt jetzt auch Hoffmann selbst zu spüren: Trotz seiner linksliberalen politischen Positionierung wird er neuerdings von Meinungsgegnern als „rechter Ideologe im Geschlechterkampf“ denunziert. Und das dürfte fatale Folgen für ihn haben. Wie er selbst schreibt, wird der radikale Feminismus nämlich nicht nur immer lauter, sondern auch immer gewalttätiger, weshalb jetzt sogar schon Veranstaltungen zu moderaten Themen wie „Von Frauenfeindlichkeit und Männerfeindlichkeit zum Dialog zwischen den Geschlechtern“ unter Polizeischutz stattfinden müssen. Welche Reaktionen sind dann wohl erst auf die künftigen öffentlichen Auftritte eines kompromisslosen Männerrechtlers vom Schlage Hoffmanns zu erwarten? Wolfgang Kaufmann

Arne Hoffmann: „Not am Mann. Sexismus gegen Männer“, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2014, gebunden, 256 Seiten, 19,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Faule Staats-Nazis / Wie die NPD in Dresden ihren Auftritt verpasst, wie der Qualitätsjournalismus in die Bresche springt, und was der DDR gefehlt hat

Wo bleibt eigentlich die NPD? Wie wir auf Seite 1 berichten, sind in Dresden zum vierten Mal in Folge Bürger am Montagabend durch die Straßen gezogen, um gegen Islamisierung zu demonstrieren. Sie nennen sich „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, abgekürzt „Pegida“. Was vor wenigen Wochen mit ein paar Hundert Leuten begonnen hatte, bewegte zuletzt Tausende durch die Stadt.

Die Lage ist also ernst. Normalerweise erscheint in derart kritischen Momenten die schnelle Eingreiftruppe namens NPD. Wenn von denen nämlich auch nur einer dabei ist und identifiziert wird, können die Medien von einem „Aufmarsch von Neonazis“ berichten oder wenigstens von „einer Demonstration, an der nach Informationen aus Sicherheitskreisen auch bekannte Rechtsextremisten teilgenommen haben“. Dann ist die Sache durch: Die Demo kann zum „braunen Spuk“ umgedichtet werden und der brave TV-Bürger wendet sich ängstlich schaudernd ab.

Dieses Instrument hat sich der Staat einiges kosten lassen. Der Versuch, die NPD zu verbieten, ist 2003 bekanntlich daran gescheitert, dass dermaßen viele Verfassungsschutz-Agenten an führender Stelle in der Partei aktiv waren, dass die Richter nicht unterscheiden konnten, wie viel vom braunen Belastungsmaterial direkt aus bezahlter, staatlicher Produktion stammte und wie viel „echt“ war. Das NSU-Trio erhielt seine Bräunung beim „Thüringer Heimatschutz“, dessen Gründer und Anführer 200000 Mark aus Steuermitteln erhalten hatte, um den Laden zu finanzieren.

Wir, die Steuerzahler, müssen also ordentlich berappen für den Unterhalt unserer Staats-Nazis. Dafür können wir verlangen, dass die auch ihre Arbeit machen. Die besteht darin, dass sie jedwede bürgerliche Aufsässigkeit mit braunem Gift kontaminieren und damit abtöten.

Und das ist ja nun wirklich nicht schwierig. In Berlin musste sich unlängst ein NPD-Funktionär bloß unter die Zuhörer einer Veranstaltung mischen. Die konstruktiven Medien unseres Staates bliesen den stillen Auftritt pflichtgemäß auf, um allein wegen des einen Mannes alle Anwesenden unter „Rechtsverdacht“ zu stellen. Doch in Dresden, wo die NPD relativ stark sein soll, haben die Staats-Nazis bislang gepennt. Hier haben wir einen eklatanten Fall von Steuergeld-Verschwendung! Das wäre doch mal Stoff für eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei im sächsischen Landtag: Wo bleiben „unsere Nazis“? Was kosten uns diese pflichtvergessenen Dussel eigentlich? Mal sehen, wie sich der Innenminister des Freistaats da rausreden will.

Na ja, kommenden Montag können sie’s ja wieder gutmachen. Um 18.30 Uhr demonstrieren die Dresdner Bürger wieder. Dann ist aber endlich Leistung gefragt von Sachsens Staats-Nazis. Also kommt in die Hufe, sonst könnt ihr euch bald ’ne neue Stelle suchen. Es gibt genügend arme Schlucker da draußen, die wissen, dass Christoph Maria Herbst in Wahrheit gar nicht Adolf Hitler ist und die daher euren Drecks-Job genauso erledigen können!

Allerdings sind wir auch so nicht völlig hilflos. Die lokalen Medien erfüllen ihre Pflicht vorbildlich. „Dunkel und schweigend“ seien die Leute durch die Stadt gezogen, raunt eine führende Dresdener Tageszeitung. Gruselig, was? Das mit dem Schweigen habe einen finsteren Grund: Die „Pegida“-Organisatoren hätten den Teilnehmern „eingeschärft, weder Parolen zu äußern, noch mit der Presse zu sprechen“, so das Blatt. Das ist gemein.

Offenbar hatten die „Pegida“-Leute Angst, findige Reporter könnten arglose Demonstranten per Fangfragen in die braune Falle locken. Wie leicht das geht, bewies die Reporterin eines staatlichen Hörfunksenders vor einiger Zeit am Rande einer Tagung von Verbindungsstudenten.

Einen der Farbenträger fragte sie: „Ich habe gehört, bei Ihnen habe jemand ,Heil Hitler‘ gesagt. Stimmt das?“ Student: „Nein, niemand hat bei uns ,Heil Hitler‘ gesagt.“ Reporterin: „Aber Sie haben es doch gerade getan!“ Genial, nicht wahr? Qualitätsjournalismus kann alles.

Ein Qualitätsjournalist kann nicht bloß falsche Fakten selber produzieren, sondern auch Unterschiede geschickt verwischen, wenn sie nicht ins Bild passen. So berichtet das Dresdener Blatt von „200 Gegendemonstranten“ und schreibt: „Rund 100 Polizisten sicherten einen friedlichen Ablauf beider Demos.“

„Beider Demos“ soll offensichtlich nahelegen, dass es ohne Polizei bei beiden Kundgebungen zu Gewalttaten hätte kommen können. In Wahrheit ging die Aggression ausschließlich von der Gegendemo aus, wie die Zeitung mit dem Hinweis selbst einräumen musste, dass ein „Pegida“-Sympathisant auf dem Heimweg von einem Gegendemonstranten körperlich attackiert wurde.

Es geht aber fast noch besser: Wie bekannt ist, kam es am 9. November nicht zu der angekündigten „HoGeSa“-Demonstration („Hooligans gegen Salafisten“) in Berlin. Das war schade, denn 200 „Gegendemonstranten“ hatten sich wirklich darauf gefreut. Zu ihrer Erleichterung tauchten dann doch noch etwa 50 Fußballfans auf, gegen die man Widerstand leisten konnte.

Dazwischen wieder die Polizei, die von den Linken mit der Parole „Die ganze Welt hasst die Polizei“ begrüßt wurde. Der Reporter einer großen deutschen Tageszeitung, die bislang dem bürgerlichen Lager zugeordnet wurde, war hingerissen von den Gegendemonstranten. Er war mit Kameramann vor Ort, um die Szenen für die Internetseite des Blattes festzuhalten.

Als die „HoGeSa“-Leute von der Polizei weggeführt wurden, jubelte er: „Der 9. November 2014 hat gezeigt: In Berlin ist kein Platz für Nazis.“ Nazis? Gesprochen hatte er mit keinem einzigen, alles was man an „Politischem“ sehen konnte, war eine schwarz-rot-goldene Fahne, was die linken Gegendemonstranten dazu animiert, mit Flaschen zu werfen und am 25. Jahrestag des Mauerfalls zu grölen: „Deutschland ist Sch... !“ Wer das anders sieht, ist ein Nazi, für den „kein Platz“ ist in Berlin, findet der Mann von der großen Tageszeitung.

Die DDR-Führung hätte sich nach solchen „Gegendemonstranten“ und Journalisten die Finger geleckt. Die SED musste ihre Leute zum ordnungsgemäßen Demonstrieren auf die Straße beordern, und nicht wenige Journalisten ekelten sich selbst vor dem „antifaschistischen“ Mist, den sie daraufhin in die Blätter und Sender des Staates äpfeln mussten. Aber man hatte schließlich Familie, und außerdem gab es ja auch unpolitische Themen, bei denen sich der zensurgeplagte DDR-Redakteur ein bisschen erholen konnte.

Als dann die Montagsdemonstrationen losgingen, war von „Gegendemonstranten“ weit und breit nichts zu sehen, die staatlichen Organe mussten alles selber machen.

Gut, so weit her ist es zumindest in Dresden mit der Gegendemo auch nicht gewesen. Wenn man alle die riesigen Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und übrigen Organisationen addiert, die zum Kampf gegen „Pegida“ aufgerufen hatten, dann hat jede von ihnen kaum zehn Nasen auf die Straße bekommen.

Das erinnert denn doch wieder an die DDR. Der SED-Staat war durchzogen von gewaltigen „Massenorganisationen“, auf welche sich die „Arbeiter- und Bauernmacht“ meinte stützen zu können. 1989 standen die Massen aber plötzlich ganz woanders als die „Massenorganisationen“.

Heute mokiert sich die genannte Dresdener Zeitung darüber, wie die nur 2000 Demonstranten von „Pegida“ es wagen könnten, sich als Stimme des Volkes aufzuspielen. Sie hat aber natürlich kein Problem damit, die kaum 200 Gegenmarschierer wie die Stimme der gesamten „Zivilgesellschaft“ dastehen zu lassen.

Ja, das dürfte noch spannend werden. Vielleicht spart man sich die Trumpfkarte NPD ja nur auf. Die Frage ist nur, ob es nicht schon bald zu spät sein könnte.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

In Italien nimmt Separatismus zu

Rom – Jeder dritte Italiener wünscht die Loslösung seiner Heimatregion von Italien. Dies ergab eine Umfrage der römischen Tageszeitung „La Republica“. Besonders stark ist der Separatismus in Venetien, wo 53 Prozent einen eigenen Staat befürworten. Aber auch auf den Inseln Sardinien und Sizilien regen sich Unabhängigkeitsbestrebungen. Dort wollen 45 beziehungsweise 44 Prozent der Befragten los von Rom. H.H.

 

Hooligans nicht rechtsextrem

Berlin – Hooligan- oder Ultra-Gruppen sind „in ihrer Gesamtheit grundsätzlich nicht als rechtsextremistisch“ zu bewerten, so die Einschätzung der Bundesregierung auf eine offizielle Anfrage der „Linken“. Es lägen auch keine Erkenntnisse vor, dass Teilnehmer der „HoGeSa“-Demonstrationen gezielt, gesteuert oder geplant schwere Gewalttaten gegen Islamisten, linke Gegendemonstranten und Polizei verübten. Dies berichtet die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“. H.H.

 

Sympathieträger für Vertriebene

Keine Frage: Mit Bernd Fabritius wird ein neuer Umgangston in der Führungsetage des Bundes der Vertriebenen (BdV) Einzug halten. Der neue Präsident ist vom Wesen her der genaue Gegenpart zur streitbaren Erika Steinbach. Der 49-jährige Rumäniendeutsche gilt als moderat, sachlich und als Sympathieträger. Er sei, so sagte er, überzeugt, dass er mit Politikern aus den Vertreiberstaaten jeden Dia­log hinbekommen werde. Auch wegen dieser versöhnlichen Eigenschaft war er der Wunschnachfolger von Steinbach, die nach 16 Jahren als BdV-Präsidentin abtrat.

Dass der 1965 im siebenbürgischen Agnetheln Geborene der erste BdV-Präsident ist, der kein Vertriebener, sondern Aussiedler ist – er zog 1984 mit der Familie nach Deutschland –, war bei seiner Wahl kein Hindernis. Er hat als Münchener Rechtsanwalt und als Interessenvertreter der CSU für Aussiedler und Vertriebene bereits viele Meriten gesammelt. Seit 2013 sitzt er als CSU-Abgeordneter im Bundestag, wo er auch im Menschenrechtsausschuss vertreten ist.

Der Weg dahin war dornig. Nach dem Abitur in Hermannstadt machte Fabritius in München einen Diplomabschluss in Sozialverwaltung, legte sein Staatsexamen in Politik ab und wurde Doktor der Rechte. Als seit 1997 in München praktizierender Anwalt spezialisierte er sich auf das Sozial-, Straf- sowie Familienrecht und das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften.

Seine soziale Ader als Anwalt passt ideal zu seinem Bestreben, den BdV, der eigenen Angaben zufolge 1,2 Millionen Mitgliedern hat, weiterzuentwickeln, damit auch in Zukunft dessen Berechtigung von politischen Gegnern nicht angezweifelt wird. Der Verband soll eine Interessenvertretung aller Bürger mit Wurzeln in Ost- und Südosteuropa werden. Das traut man Fabritius, der sich als Brückenbauer versteht, sofort zu. Harald Tews


MEINUNGEN

Der Schriftsteller Peter Schneider würdigt im „Cicero“ (8. November) den Sieg des Volkes und die Blamage der Intellektuellen bei der deutschen Vereinigung 1989/90:

„Festzuhalten bleibt: Hätten die Deutschen auf ihre Intellektuellen gehört, die Wiedervereinigung wäre wohl nie zustande gekommen. Die ostdeutschen Wähler nahmen die Chance der Wiedervereinigung mit dem Instinkt von Leuten wahr, die Erfahrungen mit einer Mangelwirtschaft haben: Greif zu, sobald ein Angebot im Fenster liegt! ... Schon ein gutes halbes Jahr nach der Wiedervereinigung, nämlich nach dem Sturz Michail Gorbatschows im August 1991, hätten George H. W. Bush, Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher gar keinen Adressaten mehr für ihre Verhandlungen gehabt.“

 

 

Alexander Wendt kritisiert im „Focus“ vom 3. November die fehlende Wertschätzung der SPD-Spitze mit den sozialdemokratischen Stammwählern:

„Die Führungs-Sozialdemokraten, so scheint es, hätten am liebsten eine andere Anhängerschaft: die der Grünen. Ihr idealer Wähler sollte am besten postmateriell und urban sein, Wind­räder und notenlose Schulen schätzen, sein Geld am liebsten mit einem Laptop am Cafétisch verdienen und Gregor Gysi für eine politische Bereicherung halten. Es ist paradox: Die SPD wurzelt tief im Arbeitermilieu. Und Deutschland besitzt immer noch den größten industriellen Sektor Europas. Entgegen anderslautender Gerüchte erwirtschaftet die Bundesrepublik ihren Exportüberschuss nicht durch Katzen-Yoga-Kurse, Biogemüseverkauf und geförderte Kulturprojekte, obwohl man in Berlin-Mitte auf genau diesen Gedanken kommen könnte.“

 

 

Gunnar Schupelius machte sich angesichts der Feier zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in der „B.Z.“ am 9. November Gedanken über den erneuten Vormarsch des Bevormundungsstaats in Deutschlands:

„Wir sind noch meilenweit von der DDR-Willkür entfernt. Das unabhängige Rechtssystem schützt uns davor. Gott sei Dank! Die Denkweise in den Parteien und Ministerien zeigt aber in die Richtung der Bevormundung. Erinnern wir uns: Die DDR wurde nicht nur von roten Gangstern errichtet, sondern auch von sehr vielen Gutmenschen. Sie wollten den Bürger formen. Die DDR war nicht nur ein Polizeistaat, sondern auch ein pädagogischer Großversuch. Auf dem Weg in den Erziehungsstaat sind wir heute wieder. Wir müssen den Kurs ändern. Wir brauchen keinen Vormund. Wir können selbst denken.“

 

 

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, sieht in der „Welt“ (10. November) die deutsche Einheit auf gutem Wege:

„Anders als vor zehn Jahren nehmen sich Berliner nicht mehr als Ost- und West-Berliner, sondern nur noch als Berliner wahr. Wir haben eine Zuwanderung in die neuen Bundesländer. Und es gibt inzwischen weniger ein Wohlstandsgefälle zwischen Ost und West als zwischen Stadt und Land. 25 Jahre nach dem Mauerfall können wir feststellen: Die Deutschen in Ost und West haben eine gemeinsame Perspektive entwickelt.“