28.03.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 08/15 vom 21.02.2015

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Menetekel für die CDU
Hamburg zeigt, was von der Union ohne »Merkel-Faktor« übrig bleibt

Angela Merkel bemüht sich, das Hamburger Wahldesaster herunterzureden, weil es unangenehme Fragen aufwirft.

Demonstrativ gelassen hat CDU-Chefin Angela Merkel das Debakel ihrer Partei in Hamburg interpretiert: Christian Wulff habe ja auch drei Anläufe benötigt, ehe er in Niedersachsen den Sieg davontrug. Mit anderen Worten: An der Alster ist gar nichts passiert, der dortige CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich läuft sich eben noch warm.

Dieses Herunterreden des 15,9-Prozent-Desasters hat seinen Grund: Hamburg hat die Erosion der CDU-Stammwählerschaft schmerzhaft offengelegt. Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung hat sich nicht einmal jeder zehnte Elbhanseat für die Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl entschieden. Diese Botschaft ist für Angela Merkel von einiger Brisanz.

Die Kanzlerin hat die CDU nahezu vollständig auf ihre Person zugeschnitten. Merkels Strategie ist ebenso einfach wie erfolgreich: Sie vermeidet, soweit es geht, jede entschiedene inhaltliche Festlegung. Themen werden danach behandelt, inwieweit sie Chancen oder Risiken für ihren persönlichen Machterhalt bergen. Die Richtung, in die es dann geht, ist zweitrangig. Ebenso gestaltet sich Merkels Personalpolitik. Wer ihr gefährlich werden könnte, wird – mal abrupt, mal häppchenweise – aus dem Weg geräumt.

Übrig geblieben ist eine CDU, die fast nur noch aus ihrer Chefin zu bestehen scheint. Die beachtlichen Sympathiewerte, welche die Union in Umfragen erringt, gelten der Vorsitzenden, nicht der Partei. Die Bürger loben Merkels Führungsstil, denn ihre Richtung kennen sie nicht, was ihnen aus einem gewissen Grundvertrauen heraus egal zu sein scheint.

Hamburg zeigt, was aus einer so zugerichteten CDU werden kann, wenn der „Merkel-Faktor“ wegfällt, wenn die Union an sich selbst gemessen wird und einen beliebten Amtsinhaber herausfordern muss wie Olaf Scholz, der in vielerlei Hinsicht zu Recht mit Merkel verglichen wird.

Schärfer formuliert: In dem Stadtstaat wurde der Union die Zukunftsfrage gestellt, denn Angela Merkel wird nicht ewig währen. Diese Frage sollte einige Besorgnis auslösen. Besorgnis, die Merkel gefährlich werden könnte, weil sie unweigerlich zur Frage nach Alternativen zur amtierenden CDU-Chefin führt und zur Frage danach, was die scheinbar glänzenden Merkel-Jahre von der CDU übrig lassen werden, wenn sie vorbei sind.

Gescheitert ist offenkundig die Wendung nach links zur vermeintlich „modernen Großstadtpartei“. Das einzige, was dabei herauskam, war der Erfolg der AfD. Verblüffend ist, dass man dies ausgerechnet in Hamburg nicht vorausgesehen hat. In der Stadt, in welcher vor 14 Jahren ein Ronald Schill mit einem dezidiert konservativen Profil fast 20 Prozent der Stimmen einfuhr, deutlich mehr also als die „Volkspartei“ CDU vergangenen Sonntag. Hans Heckel


Ist Minsk Makulatur?
Ukrainische Kriegsgegner halten Waffenstillstand nicht ein

T rotz Unterzeichnung des zweiten Minsker Abkommens, wurde über den Tag hinaus, an dem eigentlich der Waffenabzug aus dem Osten der Ukraine beginnen sollte, weiter geschossen. Wie vor Verhandlungsbeginn tobten die Kämpfe vor allem in Debalzewo, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt zwischen Lugansk und Donezk.

Dem Vorstoß der ukrainischen „Anti-Terror-Organisation“ hielten die Aufständischen stand. Statt die Separatisten zurückzudrängen, wurden 8000 ukrainische Soldaten in der Stadt eingekesselt. Um den Kessel von Debalzewo wurde die vereinbarte Waffenruhe von Anfang an am Massivsten gebrochen, und dies offenbar von beiden Seiten.

Separatistenführer Denis Puschilin sagte, dass man nur zu einem gegenseitigen Waffenabzug bereit sei. Diesen lehnte die ukrainische Armee jedoch ab. Den weiteren Beschuss von Debalzewo sahen die Separatisten nicht als Verletzung der Waffenruhe. Der Kessel sei „ihr“ Territorium, auf dem sie machen könnten, was sie für richtig hielten. In den anderen bis vor Kurzem umkämpften Regionen soll die Waffenruhe weitgehend eingehalten worden sein.

Ob es gelingt, die im Minsker Abkommen vereinbarte 50 bis 140 Kilometer breite Sicherheitszone einzurichten, bleibt aber ungewiss. Auf eine kleine Anfrage von „Linken“-Abgeordneten an die Bundesregierung hinsichtlich der Umsetzung des Minsker Abkommens räumte diese ein, kaum gesicherte Berichte aus der Region zu erhalten. Eine Einstellung der Kampfhandlungen sei bis auf wenige Ausnahmen nicht festgestellt worden. Es zeichnet sich ab, dass Minsk 2, kaum dass das Treffen „4 + 2“ (Poroschenko, Merkel, Hollande, Putin und zwei Separatistenführer) vorüber war, schon zur Makulatur wurde. MRK


Pegida wächst wieder
4300 Menschen in Dresden – doppelt so viele wie in der Vorwoche

Nachdem die Bürgerbewegung Pegida bereits totgesagt worden war, hat das Bündnis vergangenen Montag nach Polizei-Angaben rund 4300 Menschen auf die Straße gebracht. Das sind mehr als doppelt so viele wie in der Vorwoche, als nur etwa 2000 Demonstranten zur Kundgebung erschienen waren.

Unlängst hatte sich Pegida gespalten, Ex-Sprecherin Kathrin Oertel hatte mit ihren Anhängern die Gruppe „Direkte Demokratie für Europa“ gegründet, die laut Medien gemäßigter auftritt als Pegida. Von Gegnern, aber auch von neutralen Beobachtern war die Spaltung als Ende der Bürgerbewegung gedeutet worden war – offenbar verfrüht. Pegida-Sprecher Lutz Bachmann kündigte in Dresden an, dass das Bündnis sogar einen eigenen Kandidaten zur Wahl des Dresdener Oberbürgermeisters am 7. Juni ins Rennen schicken werde. Drei mögliche Anwärter seien im Gespräch, er selbst wolle jedoch nicht antreten. Die bisherige Amtsinhaberin Helma Orosz gibt ihr Amt aus gesundheitlichen Gründen ab. Die CDU-Politikerin hatte sich deutlich von Pegida distanziert.

Vergangenes Wochenende hatten sich Vertreter etlicher „Gida“-Gruppen aus ganz Deutschland in Dresden getroffen, wie Bachmann bei der Kundgebung bekannt gab. Als Ergebnis des Treffens stellte er zehn „Dresdener Thesen“ vor, die das neue Programm der Bürgerbewegung darstellen. Darin wird unter anderem der Kampf gegen Islamisierung und Fanatismus, die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene, eine Reform des Bildungs-, Renten- und Steuersystems, eine „nachhaltige“ Familienpolitik, mehr Mittel für die Polizei, ein europäischer Verbund souveräner Nationalstaaten und eine „Normalisierung“ des Verhältnisses zu Russland gefordert. H.H.


Manuel Ruoff:
Solidarität

Der griechische Schwanz wackelt mit dem europäischen Hund. Eine weltwirtschaftliche Quantité né­gligeable hält den größten Wirtschaftsraum der Welt in Atem. Der Finanzminister Österreichs, das ähnliche Interessen wie die Bundesrepublik hat, aber nicht so leicht mit der Faschismuskeule zu schlagen ist, vergleicht die griechische Regierung zu Recht mit einem Kreditnehmer der „in die Bank geht, den Bankdirektor dort beschimpft und dann die Konditionen diktiert, zu denen man den Kredit verlängert haben möchte“. Das Argument, dass die griechische Regierung durch den Willen ihres Volkes legitimiert sei, kontert er damit, „dass 80 Prozent der Menschen in Deutschland oder auch in Österreich nicht mehr bereit sind, weitere Hilfspakete zu machen“.

Obwohl Griechenland sich in die Euro-Gemeinschaft gemogelt hat, wird gerade von linker Seite gerne mit dem Gebot der Solidarität zwischen EU-Partnern für noch mehr Opfer für die Griechenland-Rettung geworben. Wie weit es mit dieser Solidarität her ist, zeigt die Reparationsfrage. Während Russland – für dessen Schädigung mittels Sanktionen wir Opfer bringen sollen – Reparationsforderungen eine Absage erteilt hat, behält Griechenland – für dessen Rettung wir Opfer bringen sollen – sie sich ausdrücklich vor.

Aber den Wert der vielbeschworenen europäischen Solidarität kannten wir ja schon vorher, waren von den großen Mächten bei der kleinen Wiedervereinigung doch ausgerechnet Großbritannien und Frankreich dagegen. Was braucht man Feinde bei solchen Freunden.


S. 2 Aktuell

In die Sackgasse manövriert
Das Eliteprojekt EU kommt nicht nur Deutschland teuer zu stehen

In den Geschichtsbüchern muss man lange suchen, um ein politisches Projekt zu finden, dass sich so tief und so umfassend in eine Sackgasse manövriert hat wie aktuell die Europäische Union.

Die EU hat sich so viele Probleme herangezüchtet, dass die Zukunftsaussichten des Kontinents nur als katastrophal bezeichnet werden können. Zum Beispiel entwickelt das Konzept eines „Europas ohne Grenzen“, das hinter der Schengen-Vereinbarung steht, immer mehr sicherheitspolitische Sprengkraft. Nachdem Probleme wie der europaweite Sozialtourismus oder die Grenzkriminalität an Oder und Neiße in Brüssel bisher eher ein Schulterzucken auslösten, steht die EU mit dem islamistischen Terror nun vor einer völlig neuen Herausforderung. So gehen laut einem Bericht der Zeitung „El Pais“ Sicherheitsbehörden davon aus, dass sich weitaus mehr Dschihad-Krieger aus EU-Ländern im irakisch-syrischen Kriegsgebiet Terrorgruppen angeschlossen haben, als bisher vermutet. Lagen die Schätzungen bisher bei 4000 Personen, so geht die spanische Polizei nun von 30000 bis 100000 Dschihadisten aus. Wie es in einer Studie der spanischen Policia Nacional dazu heißt, wird bei der Rückkehr der radikalen Islamisten nach Europa häufig die Hilfe von Schleuserbanden in Anspruch genommen.

Brisanz dürfte in kommender Zeit die illegale Zuwanderung entwickeln. Eng verbunden damit ist das faktische Scheitern des EU-Asylrechts. Während nach der sogenannten Dublin-II-Verordnung das Land zuständig ist, über das der Asylbewerber in die EU eingereist ist, sieht die Realität mittlerweile völlig anders aus. Deutschland und Schweden bearbeiten immer mehr Asylanträge, für die eigentlich EU-Länder wie Italien, Polen oder Griechenland zuständig sind. Jüngstes Beispiel für diese Entwicklung ist die Welle von Asylbewerbern, die sich derzeit aus dem Kosovo auf den Weg nach Deutschland macht. Würde tatsächlich geltendes Recht angewendet, wären die EU-Länder Ungarn und Kroatien die richtigen Adressaten für einen Großteil der Asylanträge der Kosovo-Bürger. Offenkundig ist ebenso, dass die EU bisher außerstande war, für eine effektive Sicherung seiner Außengrenzen zu sorgen, um eine unkontrollierte Zuwanderung über das Mittelmeer oder die Türkei nach Europa zu unterbinden. Ob die inzwischen in Brüssel diskutierten Asyllager in Nordafrika an der Lage grundlegend etwas ändern werden, bleibt abzuwarten. Zu befürchten ist zunächst einmal eine weitere Zuspitzung der Asylproblematik. Erfahrungsgemäß nimmt der Strom illegaler Zuwanderung aus Nordafrika über das Mittelmeer in den Sommermonaten aufgrund der Wetterlage zu.

Nicht zu übersehen ist inzwischen ebenso das Scheitern der Europäischen Union als Ordnungsmacht an ihrer Peripherie. Auf eine an den eigenen Interessen ausgerichtet EU-Außenpolitik wurde dabei weitgehend verzichtet. Gesetzt wurde stattdessen oftmals darauf, sich der US-Außenpolitik anzuschließen und unterzuordnen. Dabei hätte in Brüssel bei nüchterner Analyse eigentlich auffallen müssen, dass Washington seit dem Jahr 2001 ein außenpolitisches Fiasko nach dem anderen verursacht hat. Bei dem jüngsten Debakel, dem Versuch, eine Westbindung der Ukraine herbeizuführen, hat das ungeschickte diplomatische Agieren der EU sogar dazu geführt, dass die Gefahr eines Krieges nach Europa zurückgekehrt ist. Immer deutlicher wird zudem, dass die Ukraine-Krise das Potenzial hat, die EU tief zu spalten und als Folge künftig auch Entscheidungsfindungen innerhalb der Union zu lähmen. Mit Rückendeckung der USA setzen Polen und die baltischen Staaten unübersehbar auf einen konfrontativen Kurs gegenüber Russland. Den anderen Pol stellen EU-Mitglieder wie Griechenland, Zypern und Ungarn mit einer pro-russischen Politik dar.

Wie umfassend die EU außenpolitisch als Ordnungsmacht versagt hat, wird nicht nur an dem Krisenherd im Osten des Kontinents deutlich. Europa umgibt inzwischen eine ganze Kette von Krisenherden. „Failed States“ (gescheiterte Staaten) wie Libyen, Syrien, der Irak, Afghanistan, Somalia und nun auch noch der Jemen werden weiterhin für Zuwanderungsdruck sorgen. Treffen wird dieser Massenansturm auf ein Europa, das sich in Teilen immer noch in einer anhaltenden Wirtschaftskrise und einer ungelösten Währungskrise befindet.

Norman Hanert


Von Alemannia Aachen in den Dschihad
Muslimische Spitzenfußballer in Deutschland begeistern sich zunehmend für den Salafismus

Nachdem der Salafismus in Deutschland unter jungen Muslimen zunächst sehr stark im Rap-Milieu Fuß gefasst hat, scheint er nun auch unter muslimischen Spitzenfußballern, denen gesellschaftlich eine Vorbildfunktion zukommt, Anklang zu finden

Dass der Dschihad vor allem unter den Anhängern der Rap-Musik viele Anhänger hat, ist nicht erst bekannt, seit der Berliner Ex-Rapper Denis Cusbert im Jahre 2012 in einem Internetvideo in Syrien mit abgeschlagenen Köpfen posierte. Vor allem die gewalttätigen, oft antisemitischen und auch frauenfeindlichen Texte vieler Anhänger des Sprechgesangs verrieten viele Rapper wie Bushido oder Massiv als Sympathisanten der Islamisten-Szene. Dass die großen Dschihadisten-Netzwerke wie Al Kaida und Islamischer Staat (IS) in ihrer extremen Interpretation des Islam jegliche Musik verbieten, stört die Rapper offenbar wenig, denn viele verstehen den Sprechgesang nicht als Musik und erst recht nicht als Ausdruck einer Kultur, allenfalls als den einer Sub-Kultur.

Anders ist es beim Fußball, Kicken hat nichts Anrüchiges im Islam. Auch unter den Gotteskriegern vertreiben sich viele so ihre Zeit zwischen den Einsätzen an der Glaubens-Front. Viele Fußballspieler bringen auch sonst noch Eigenschaften wie Kampfgeist und Zweikampferfahrung mit, die auch für einen Einsatz im Kampf gegen die Ungläubigen nicht von Nachteil sind.

Jetzt wurde durch eine Titelgeschichte der „Bild“ bekannt, dass auch Mimoun Azaouagh, ein bekannter Ex-Profi-Fußballer, der bei Schalke 04, Mainz, Bochum und Kaiserslautern unter Vertrag war, Salafist geworden sein und in der Frankfurter Fußgängerzone Korane verteilt haben soll. Der in Marokko geborene Azaouagh hat seit vielen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. Bis zum Sommer 2014 stand Azaouagh beim Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern unter Vertrag. Seitdem gilt er als vereins-los, weil er keinen neuen Klub gefunden hat. „Bild“ berichtete, dass der offenkundig schon immer sehr religiöse junge Mann viele Kontakte zu Fußball-Freunden aufgegeben haben soll. Den Ermittlern von Polizei und Staatsschutz ist bekannt, dass viele Anhänger der Salafistenszene, die an Koranverteilaktionen beteiligt waren, später den Weg nach Syrien und in den Irak gefunden haben.

Während der 32-jährige Azaouagh sich nach Ende seiner Karriere dem Salafismus verschrieben hat, tat es ein anderer viel versprechender Fußballer, der Kurde Burak Karan, vor Beginn einer großen Karriere bei Alemannia Aachen. Statt mit Alemannia Aachen in die Bundesliga zog er in den Dschihad; dort soll der ehemalige Jugendnationalspieler im syrischen Bürgerkrieg 2011 mit

20 Jahren ums Leben gekommen sein. Auf einem Internetvideo posierte der ehemalige Spielerkollege der deutschen Nationalspieler und Weltmeister vor seinem Tod in Syrien mit einem Sturmgewehr und hatte sich den Kampfnamen Abu Abdullah al-Turki zugelegt. Karans Familie macht den Wuppertaler Salafisten Emrah E. und die Millatu-Ibrahim-Moschee für die Radikalisierung des Fußballers verantwortlich. Emrah E. wurde 2014 nach einer internationalen Dschihadisten-Terrorkarriere in Afrika verhaftetet und von einem deutschen Gericht zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Sogar unter den großen internationalen Fußballstars muslimischen Glaubens fällt in letzter Zeit auf, dass sich einige von ihnen Bärte wachsen lassen, was in Salafistenkreisen ein Zeichen steigender Religiosität ist, weil man damit den Islamgründer Mohammed, den man sich mit einem langen Bart vorstellt, nachahmen möchte. Wenn diese dann noch Konvertiten sind, wie der Franzose Franck Ribéry, der bei Bayern München spielt, sollte dies zu denken geben, weil Konvertiten wegen ihrer mangelnden Akzeptanz unter Altmuslimen ihr Islamsein besonders beweisen müssen. Ribéry, der mit seinem muslimischen Namen Bilal Yusuf Mohammed heißt, ließ seinen Bart just zu dem Zeitpunkt länger wachsen, als der Islamische Staat im Sommer 2014 seinen Siegeszug im Irak und Syrien begann, dem tausende von schiitischen Muslimen, Christen und Jesiden zum Opfer gefallen sind. Vollbartträger sind im Fußball eher selten, weil der Bart den Spieler behindert. Ein 2011 geborener Sohn von Ribéry erhielt nach Medienberichten den Namen Saif al-Islam, so heißt auch der jetzt inhaftierte Lieblingssohn von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi. Übersetzt heißt dieser Name „Schwert des Islam“, was sicherlich nicht darauf hindeutet, dass in der Familie Ribéry ein friedliches Islamverständnis vorherrscht.

Die Hinwendung von erfolgreichen Fußballern zum Salafismus ist ein neues Phänomen, denn der Salafismus war bislang vor allem unter sozial gescheiterten und milieugeschwächten Jugendlichen populär, weil er das Leben auf sehr schlichte Art und Weise ordnet und klare Vorgaben macht bis hin zu Kleider- und Körperpflegevorschriften. Darüber hinaus stiftet der Salafismus, der eine Rück­kehr zum Islam der Entstehungszeit predigt, auch einen Kult und eine Art Bruderschaft, eine Mischung aus Kampfgemeinschaft und neuer Familie. Das ist auch der Grund, warum er so attraktiv für Konvertiten ist. Dass viele muslimische Spitzensportler auch aus prekären Milieus, oft mit Immigrationshintergrund, stammen, könnte der Grund dafür sein, dass einige von ihnen dem Salafismus auf dem Leim gehen. Bodo Bost


MELDUNGEN

Moscheebau nur unter Auflagen

Mailand – Das Parlament der Region Lombardei hat ein Gesetz beschlossen, nach dem der Bau von religiösen Einrichtungen nur noch unter Auflagen möglich ist. Gebetsstätten müssen demzufolge ab sofort Parkplätze von der doppelten Fläche der Einrichtung selbst sowie eine mit der Polizei verbundene Videoüberwachungsanlage aufweisen. Über den Bau neuer Einrichtungen ist ein Volksentscheid in der jeweiligen Gemeinde möglich. Zudem wacht eine Fachkommission darüber, dass sich die Bauten harmonisch in die lombardische Landschaft einfügen. Das von der in der Region führenden autonomistischen Lega Nord eingebrachte Gesetz richtet sich offensichtlich gegen den unkontrollierten Neubau von Moscheen, der von den Rom-orientierten Parteien in Städten wie Mailand immer wieder gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt wird. T.W.

 

Neues Amt für Pofalla

Berlin – Der ehemalige Kanzleramtsminister, Merkel-Vertraute und jetzige Bahn-Lobbyist Ronald Pofalla (CDU) soll auf deutscher Seite neuer Leiter des „Petersburger Dialogs“ werden. Wie die „Saarbrücker Zeitung“ erfuhr, soll Pofalla in dieser Funktion den letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière ablösen. Dieser war in letzter Zeit wiederholt vor allem aus Kreisen der Union wegen eines angeblich zu russlandfreundlichen Kurses kritisiert worden. Der „Petersburger Dialog“ wurde 2001 als bilaterales Dis­kussionsforum von Gerhard Schröder und Wladimir Putin ins Leben gerufen und steht unter der Schirmherrschaft des jeweils amtierenden deutschen Bundeskanzlers und des russischen Staatspräsidenten. Er findet in der Regel einmal jährlich abwechselnd in Deutschland und in Russland statt. Wie die russische Seite die Veränderungen bei den deutschen Partnern aufnehmen wird und ob sie dann überhaupt noch Interesse an einer Fortsetzung des Meinungsaustauschs haben wird, ist offen. J.H.

 

Millionen für Schlösser

Berlin – In diesem Jahr investiert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg rund 29 Millionen Euro in ihre Häuser. Laut Hartmut Dogerloh, Generaldirektor der Stiftung, ist das die bislang größte Summe, die bereitgestellt wurde. Mit dem Sonderinvestitionsprogramm des Bundes sowie der Länder Berlin und Brandenburg stehen bis 2018 rund 155 Millionen Euro zusätzlich für die Sanierung der Kulturgüter bereit. Größtes Ausstellungsprojekt 2015 ist die Schau „Frauensache – Wie Brandenburg Preußen wurde“ im Theaterbau des Berliner Schlosses Charlottenburg. Darin wird an den Beginn der Herrschaft der Hohenzollern vor 600 Jahren erinnert und die besondere Rolle der fürstlichen Frauen während der einzelnen Jahrhunderte herausgestellt. Im vergangenen Jahr kamen über 1,7 Millionen Besucher in die Preußen-Schlösser. Das waren rund 3,3 Prozent weniger als 2013, was die Stiftung auf die Bauarbeiten an vielen Häusern zurückführt, obwohl die meisten weiter geöffnet seien. U.M.


S. 3 Deutschland

»Auch wir sind das Volk«
Einwanderernachkommen veranstalteten den »1. Bundeskongress der Neuen Deutschen Organisationen«

Immigranten der zweiten und dritten Generation haben sich zusammengeschlossen und fordern mehr Mitsprache. Zur Not soll das auch mit Hilfe von Quotenregelungen gelingen.

„Wo kommst Du denn eigentlich her“, ist eine Frage, der sich viele Immigranten nicht nur der ersten Generation häufig ausgesetzt sehen. „Obwohl unsere Eltern schon hier geboren wurden, gibt man uns nicht immer das Gefühl, dass wir dazu gehören“, sagt Farhad Dilmaghani, die dem Verein „DeutschePlus“ vorsteht. Nach Eigendarstellung engagiert sich der Verein „für ein plurales Deutschland von morgen“. Man sei „ein ressourcenbasiertes Kompetenznetzwerk, das interdisziplinär ausgerichtet ist und Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und der Zivilgesellschaft vereint“. Gemeinsam mit rund 80 anderen Immigrantenorganisationen hat sich der Verein zu einem Netzwerk der „neuen Deutschen“ zusammengefunden, das in der vergangenen Woche mit der Losung „Auch wir sind das Volk“ in Berlin an die Öffentlichkeit trat.

Drahtzieher der Aktivitäten ist dabei der Verein „Neue Deutsche Medienmacher“, der einen Kongress in Berlin organisierte und dem rund 600 Personen mit Immigrationshintergrund angehören, die in verschiedenen Medienbereichen tätig sind. Alleine auf Grund dieser Vernetzung ist zu erwarten, dass die Forderungen, welche die Verbände in Berlin erhoben haben, künftig eine weitreichende Verbreitung finden werden. Dazu gehört unter anderem eine stärkere Präsenz der zweiten und dritten Einwanderergeneration in öffentlichen Gremien. „Wir wollen keine Behörden, staatlichen Unternehmen, Parlamente, Gremien, Rundfunkräte, Wohlfahrtsverbände, in denen immer noch (fast) nur Herkunftsdeutsche sichtbar sind“, heißt es in einem Forderungskatalog.

Notfalls soll sogar mit einer Quotenregelung nachgeholfen werden. „Die Perspektiven von People of Color sind in Parteien, Parlamenten, Behörden und Bildungsstrukturen unterrepräsentiert“, erklärte Tahir Della, Vorstandsmitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), gegenüber „Spiegel Online“, „Es wird höchste Zeit, das zu ändern. Notfalls muss man auch über Quoten diskutieren.“ Schwarzen Deutschen werde immer wieder abgesprochen, Teil dieser Gesellschaft zu sein, klagt Della. Dass auch sie die Geschichte dieses Landes mitgeprägt hätten, würden ihnen viele absprechen.

In der Bundesrepublik leben mehr als 16 Millionen Menschen, die selber oder deren Eltern oder Großeltern eingewandert sind – rund ein Drittel von ihnen kam hier zur Welt. Angehörige der letztgenannten Gruppe, die sich selbst „neue Deutsche“ nennen, wollen künftig selbst entscheiden können, wie sie genannt werden. „Diese Selbstbezeichnung sollen andere ohne bohrende Nachfragen annehmen“, heißt eine der Forderungen. Weiterhin soll sich die Bundesrepublik nicht nur dazu bekennen, ein Einwanderungsland zu sein, sondern auch zu ihrer Einwanderungsgesellschaft.

Es ist wenig überraschend, dass die Organisatoren nicht müde wurden, ihre eigene Diskriminierung festzustellen. Schuld daran seien auch die Medien. Als Beispiel wird auf eine Talkshow zu Pegida verwiesen, in der Vertreter von Pegida, AfD und CSU gesessen haben. Aber es habe nicht einer von denen in der Runde gesessen, über die geredet worden sei, niemand, der stellvertretend für die Einwandererenkel stehe, monieren die „neuen Deutschen“. Da darf natürlich auch der Hinweis nicht fehlen, dass in Deutschland Religionsfreiheit herrsche und der Islam ganz selbstverständlich dazu gehöre. Die Debatte darüber, ob der Islam zu Deutschland gehöre, sei für sie absurd, beklagt Leila Younes El-Amaire. Laut der kopftuchtragende Muslima vom Verband „JUMA – Jung, Muslimisch, Aktiv“ gehört mit der Religionsfreiheit auch das Recht der Muslime und aller Religionsgruppen, ihren Glauben zu leben, zu Deutschland. Die Muslim-Vertreterin beklagt, dass Frauen mit Kopftuch, die arbeiten wollen, oft kaum Chancen auf einen Job hätten und bei Bewerbungen abgelehnt würden. So würden diese Frauen unsichtbar gemacht. Sie leitet daraus die Forderung nach einer Gesellschaftspolitik statt einer Integrationspolitik ab, einer Politik, die sich nicht nur auf Migranten konzentrierte, sondern auch Maßnahmen gegen Diskriminierung beinhalte. Und das „Erfolgsmodell Zuwanderung“ soll Einzug in die Lehrpläne halten. Initiativen, „die sich gegen Rassismus und Homophobie engagieren“, sollen deutlich mehr staatliche Mittel erhalten. Pegida ist in den Augen der „neuen Deutschen“ „eine komplett rassistische und islamfeindliche Bewegung“, die dem Ansehen Deutschland massiv geschadet habe, um es mit Della von der ISD zu sagen. Probleme bei der Integration seien im Übrigen nicht so gravierend wie dargestellt. Natürlich gebe es Gewalt gegen Frauen und auch mal einen Ehrenmord. Aber das beträfe ja nicht viele. Probleme sollten deshalb zwar nicht totgeschwiegen, aber durch Medien auch nicht mehr dramatisiert werden. Von den „neuen Deutschen“ dürfte man künftig noch öfter hören.

Peter Entinger


Waren es Trittbrettfahrer?
NSU: Zweifel an dem angeblichen »Bekennervideo«

Vorher nur in Ausschnitten bekannt, ist im Internet nun das dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeschriebene angebliche Bekennervideo erstmals in voller Länge veröffentlicht worden. Der Film hinterlässt einen überraschenden Eindruck. Sieht man von einem ausgerechnet in Rosa gehaltenen NSU-Logo ab, kann von einem eigentlichen Bekennervideo nicht die Rede sein.

Der 15 Minuten lange Film besteht aus sechs zusammengesetzten Sequenzen der Zeichentrickfilmserie „Der rosarote Panther“. Einmontiert wurden Fotos von Tatorten der sogenannten Dönermord-Serie, dazu Zeitungsausschnitte, die sich mit den Morden befassen. Es fehlt nicht nur ein klares Bekenntnis zu der Mordserie, auch sind die mutmaßlichen Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in dem gesamten Video kein einziges Mal zu sehen oder zu hören.

Kritischen Beobachtern ist zudem aufgefallen, dass der mit einer Originaltonspur der „Paulchen Panther“-Zeichentrickserie unterlegte Film auch inhaltlich nicht so recht zu dem passt, was man normalerweise mit gewaltbereiten Neo­nazis assoziiert. Es fehlen jegliche „szenetypischen“ Symbole wie Hakenkreuze oder SS-Runen. In einer Sequenz taucht dafür sogar das Symbol der linksterroristischen Rote Armee Fraktion (RAF) auf. Auch andere Details wirken nicht so recht stimmig. In der rechtsextremen Szene gang und gäbe ist es etwa, Deutschland in den Grenzen von 1937 zu zeigen – in dem Video wird dagegen eine Karte der Bundesrepublik nach 1990 eingeblendet. „Es ist alles so unideologisch, alles, was Nazis ausmacht und was in der Tradition der 90er steht, kommt nicht vor“, so die treffende Einschätzung des Videos, die auf dem Blog „Friedensblicke.de“ zu lesen ist.

Was ebenso fehlt, sind Fotos, über die ausschließlich die Täter verfügt haben können. Dem Blogger „Fatalist“, dem von anonymer Seite Kopien sämtlicher NSU-Ermittlungsakten zugespielt wurden, sind zudem gravierende sachliche Fehler aufgefallen. Einem Mordfall wurde ein falsches Datum zugeordnet. Ebenso ist beim Bildmaterial ein grober Fehler unterlaufen. Zu dem im Jahr 2001 in München verübten Mord an Habil Kilic wird fälschlicherweise ein Haus gezeigt, das der Tatort des Nürnberger „Dönermordes“ war. Naheliegend ist die bereits geäußerte Vermutung, dass dem Ersteller des Videos echtes Täter- und Insiderwissen gefehlt hat. „Fatalist“ und der mit ihm kooperierende „Arbeitskreis NSU“ hegen angesichts der Fülle der Ungereimtheiten inzwischen einen brisanten Verdacht. Was bislang als NSU-Bekennervideo bezeichnet worden ist, könnte in Wahrheit das Werk von Trittbrettfahrern gewesen sein.

Zweifel rund um die „Paulchen Panther“-Videos sind indessen nicht neu. Bis jetzt ist nämlich noch keine zufriedenstellende Erklärung dafür gefunden, was Beate Zschäpe motiviert haben soll, die dem NSU zugeschriebenen Videos überhaupt an die Öffentlichkeit zu lancieren. Folgt man der bisherigen Darstellung, dann hat Beate Zschäpe am 4. November 2011 nach dem Auffliegen des NSU-Trios nämlich zunächst einmal versucht, Beweise zum NSU durch eine Brandstiftung in der Zwickauer Frühlingsstraße zu vernichten. Nicht ganz schlüssig erscheint dazu, dass Zschäpe nur einen Tag später vom Spuren verwischen auf eine faktische Selbstbezichtigung umgeschaltet haben soll. Norman Hanert


Scheuklappen aufgesetzt
Nach der Wahl in Hamburg könnte das Projekt Olympia kippen

Bei Olympia sind die Hamburger bekanntlich „Feuer und Flamme“. Mit diesem Slogan wirbt die Hansestadt, um das Großereignis 2024 an die Elbe zu holen. Es ist auch das Prestigeprojekt des Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz, der dafür immer auch laut gegen den nationalen Mitbewerber Berlin die Werbetrommeln gerührt hat. Doch seit der jüngsten Bürgerschaftswahl ist der zuvor alleinregierende SPD-Senat auf einen Koalitionspartner angewiesen, und diese Tatsache könnte das Projekt Olympia gefährden.

Denn Scholz’ Lieblingspartner, die Grünen, haben zu zwei Vorhaben der SPD diametral entgegengesetzte Ansichten: Die geplante Elbvertiefung, welche die Hafenwirtschaft fordert, damit die Containerriesen der neuesten Generation den Hafen anlaufen können, stößt bei den Grünen auf ökologisch begründeten Widerstand. Und die olympischen Sommerspiele lehnen sie wegen des finanziellen Risikos ab.

Vor den Koalitionsverhandlungen hat die Initiative „(N)Olympia-Hamburg“ an die Wahlversprechen der Grünen erinnert. So soll es keine Bewerbung ohne eine Studie geben, welche die „Chancen und Risiken olympischer und paralympischer Spiele“ bewertet, und die Hamburger sollen in einem Referendum über die Bewerbung mitentscheiden.

Würde man die Stadtbevölkerung jetzt fragen, gäbe es eine satte Zustimmung. Nach einer letzten Umfrage des Forsa-Meinungsforschungsinstituts befürworteten 53 Prozent der Befragten eine Bewerbung, 44 waren dagegen. Beim Gegenkandidaten Berlin waren nur 48 Prozent dafür, während dort 49 Prozent die Spiele ablehnten. Die breite Front gegen olympische Spiele in der Hauptstadt liegt auch daran, dass Olympiagegner dort regelmäßig auf das Kostenrisiko hingewiesen haben.

In Hamburg konnte die SPD bislang alle Bedenkenträger abschütteln. Das wird nun anders sein. Grünen-Fraktionsvorsitzender Jens Kerstan machte deutlich: „Es muss klar sein, dass die Stadt nach einem Sportfest für die Welt nicht auf einem Schuldenberg und auf nicht finanzierbaren Betriebskosten sitzen bleibt.“ In Sachen Elbphilharmonie hat man bereits böse Erfahrungen mit explodierenden Kosten gemacht. Dass es wohl nicht bei den anvisierten Kosten von 6,5 Milliarden Euro für den Bau neuer Sportstätten bleiben wird, dürfte zu erwarten sein. So haben Experten der Universität Oxford errechnet, dass von 1960 bis zu den Spielen 2012 die Kosten im Durchschnitt 252 Prozent über dem Plan lagen.

Mit rund zwei Milliarden Euro will Berlin relativ günstige Sommerspiele ausrichten. Dass es sich hierbei auch um eine besonders optimistische Einschätzung handelt, ahnen viele Berliner und verweisen auf das Milliardengrab Berlin-Brandenburger-Flughafen.

In Hamburg wie in Berlin zeigt sich die Politik von solchen Warnungen noch unbeeindruckt. Vor allem die Wirtschaft steht hinter der Bewerbung. Dass Olympia 2024 aber auch einen Wachstumsschub bringt, ist keineswegs garantiert. Verlässliche Prognosen von Kosten und Nutzen sind bislang nicht erstellt worden.

Nur der Imagegewinn als Olympia-Stadt zählt. Und deshalb finden sich allerorten Lokalpatrioten, die mit gegen Risiken aufgesetzten Scheuklappen für die Spiele werben. Am 21. März entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund, ob Berlin oder Hamburg als deutsche Stadt für die Sommerspiele 2024 nominiert wird. Harald Tews


MELDUNGEN

SPD will Obama-Berater

Berlin – Die SPD will Medienberichten zufolge für den Bundestagswahlkampf 2017 auf die Hilfe des Barack-Obama-Beraters Jim Messina zurückgreifen. In den USA leitete Messina im Jahr 2012 erfolgreich die Wiederwahl-Kampagne Obamas, die als Vorbild eines modernen, internetbasierten Wahlkampfs gilt. Wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, führt das Willy-Brandt-Haus derzeit Verhandlungen mit dem 45-jährigen Kampagnen-Experten. Ungeachtet seiner Mitgliedschaft bei den US-Demokraten hilft der Obama-Vertraute seit 2013 den britischen Konservativen bei den Vorbereitungen zu der diesjährigen Unterhauswahl. N.H.

 

Wer die Unis finanziert

Berlin – Am vergangenen Dienstag hat die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International die Neuauflage ihres Internetportals „hochschulwatch“ vorgestellt. Darin werden die Verflechtungen von Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland dargestellt. Nutzer können dort gezielt nach Geldgebern von Hochschulen suchen. Auf der Internetseite werden über 10000 Kooperationen zwischen deutschen Universitäten und Unternehmen wie Stiftungsprofessuren, Förder-Verträge und gezahlte Fördermittel aufgelistet. Damit wollen die Initiatoren darstellen, wer von wem Geld erhält und damit möglicherweise abhängig ist. Nach jüngst veröffentlichten Zahlen gaben die Hochschulen im Jahre 2012 knapp 45 Milliarden Euro aus. Davon zahlten gut 22 Milliarden Euro die Länder für die sogenannte Grundfinanzierung. Die Krankenkassen trugen mit über 16 Milliarden Euro zur Finanzierung der Universitätskliniken bei. Fast sieben Milliarden Euro kamen von der Wirtschaft oder flossen als sogenannte Drittmittel. J.H.


S. 4 Hintergrund: Ärzte

Kommerz statt Heilung
Mit »Individuellen Gesundheitsleistungen« bitten Ärzte die Patienten kräftig zur Kasse

Um sein Gesundheitssystem wird Deutschland weltweit beneidet. Dennoch: Wer keine eiserne Konstitution besitzt und ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, weiß, welche gravierenden Nachteile es mittlerweile hat – für den Patienten ebenso wie für den Mediziner. Ärztemangel und Praxen, die mehr auf Kommerz als auf Heilung bedacht sind, erschweren hilfesuchenden Patienten die Aussicht auf eine bestmöglich Behandlung,

„Gynäkologen igeln am intensivsten“, hieß es jüngst launig in der „Ärztezeitung“. Gemeint ist, dass Frauenärzte besonders oft sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen, abgekürzt IGeL anbieten. Eine Forsa-Umfrage im Auftrage der Techniker Krankenkasse hatte es gezeigt.

Bei IGeL geht es um Diagnoseverfahren oder Heilmittel, die nicht von den Krankenversicherungen bezahlt werden. Wer als Patient in den letzten Jahren eine Arztpraxis aufsuchen musste, weiß, wie forsch sie mittlerweile von den Medizinern oder von ihren Praxishelferinnen angeboten werden. Kein Wunder, seit diverse Gesundheitsreformen die Ausgaben der Krankenkassen deckeln, fahnden Ärzte nach Marktnischen, um ihre kargen Kassenhonorare durch Nebeneinkünfte aufzubessern. So machen IGeL mittlerweile oft 20 Prozent des Gesamtgeschäftes einer Praxis aus.

Kritiker befürchten bereits die „völlige Kommerzialisierung des Gesundheitswesens“. Die grüne NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens warnte: „Wenn die Sprechstunde zur Verkaufsstunde wird, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient in Gefahr.“

Verkauft wird, was sich rechnet und was ankommt. Der Begriff der Individuellen Gesundheitsleistungen ist nicht geschützt. Jeder Arzt kann Leistungen feilbieten, die er IGel nennt. Was gemeinhin als IGeL-Liste kursiert, stammt aus dem Jahr 1997. Damals fasste die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rund 80 Selbstzahlerangebote zu einem Empfehlungskatalog zusammen. Ziel der Liste war es, Leistungen, die nicht in die Zuständigkeit der Krankenversicherung fallen, transparenter darzustellen. Vorausgegangen seien „frustrierende Verhandlungen“ mit den Kassen darüber, was in den GKV-Leistungskatalog hineingehört und was nicht, erklärt der damalige stellvertretende KBV-Geschäftsführer und Allgemeinarzt Lothar Krimmel zur Entstehungsgeschichte der Liste. Sie umfasst derzeit mehr als 320 Selbstzahler-Angebote für die Arztpraxis.

„IGeL sind eine bunte Mischung aus teils alten, teils neuen, teils geprüften und für nutzlos befundenen, teils ungeprüften Verfahren“, meint der Wissenschaftjournalist Bernd Harder in seinem Buch „Der große IGel-Check“. Andere urteilen noch härter: Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Johannes Köbberling, bezeichnet IGeL als „intransparentes Gemisch entbehrlicher Leistungen“.

Wer das Online-Portal „IGeL-Monitor“ besucht, versteht warum. Dort werden für den Medizinischen Dienst des Krankenkassenbundes (MDS) IGeL nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht. Von 35 bislang bewerteten Leistungen wurden gerade einmal vier als tendeziell positiv eingeschätzt, zum Beispiel die Akupunktur gegen Migräne. 13 Leistungen sind in ihrer Wirkung nicht nachweisbar. Die Messung des Augeninnendrucks zur Früh­erkennung von Grünem Star – nach Ultraschall die zweithäufigste IGeL-Leistung – wird sogar als tendenziell negativ bewertet. Studien zeigten, dass Augeninnendruckmessungen die Krankheit nicht zuverlässig vorhersagen. Stattdessen würden immer wieder die Nebenwirkungen der Untersuchung betont. Frank Horns


Am Bedarf vorbei
Trotz Fachärztemangels bewerten KVen Versorgung als gut

Das Problem ist Bewohnern Sachsens bestens vertraut: Man benötigt dringend einen Termin beim Facharzt, doch der hat erst in einem halben Jahr einen frei. So erging es vor Kurzem einem Rentner, der an einer bislang nicht diagnostizierten Herzerkrankung litt. Seine Hausärztin überwies ihn zum Kardiologen. Die Wartezeiten betrugen im 36 Kilometer von seinem Wohnort entfernten Dresden ein halbes Jahr, in Reisa ein Jahr und in Meißen ein Vierteljahr. Sechs Wochen vor seinem Facharzttermin in Meißen starb der Mann.

Insgesamt sterben in Mitteldeutschland 18 Prozent mehr Menschen an Herzerkrankungen als im Bundesdurchschnitt. Ein Grund dafür ist, dass in ländlichen Regionen der neuen Bundesländer überdurchschnittlich viele ältere Menschen leben, da die Jungen nach der „Wende“ das Land verlassen haben.

Die sächsische kassenärztliche Vereinigung (KV) sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Laut Bedarfsplanung ist die Versorgung mit Internisten, also auch Kardiologen, überdurchschnittlich. In der täglichen Praxis ist davon jedoch nichts zu spüren. Dass die Diskrepanz zwischen Bedarfsplanung und Realität so groß ist, erklärt Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmannstiftung, damit, dass die Bedarfsplanung das Verhältnis der Ärzte zur Bevölkerung von Anfang der 90er Jahre einfach fortschreibe, sich in dieser Zeit jedoch viel verändert habe. Die Menschen wurden älter, es gibt mehr chronische Erkrankungen, dies finde in der Bedarfsplanung aber keine Berücksichtigung.

Mit anderen Worten, die kassenärztlichen Vereinigungen in ländlichen Regionen kommen ihrer Verpflichtung, die medizinische Versorgung sicherzustellen, nicht mehr in ausreichendem Maße nach. Das will Gesundheitsminister Volker Gröhe ändern. Das Bundesministerium für Gesundheit hat einen Entwurf für ein „Versorgungsstärkungsgesetz“ vorgelegt: Kassenärztliche Vereinigungen sollen dazu verpflichtet werden, Terminservicestellen einzurichten, die dafür Sorge tragen müssen, dass ein Versicherter mit Überweisung innerhalb von vier Wochen einen Termin bei einem Facharzt erhält. Funktioniert das nicht, müssen sie dem Patienten einen ambulanten Termin in einem Krankenhaus anbieten. Kommunen sollen durch die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums insbesondere in ländlichen Regionen aktiv die Versorgung mitgestalten. Ärzten will Gröhe finanzielle Anreize bieten, um sich im ländlichen Raum niederzulassen. Finanziert wird das Vorhaben mit einem Innovationsfonds mit einem Volumen von 300 Millionen Euro jährlich, zunächst für die Jahre 2016 bis 2019 eingeplant.

Ärzte haben Bedenken, dass das „Versorgungsstärkungsgesetz“ die Lösung des Problems sei. Kliniken wie das Herzzentrum Dresden sind schon heute überlastet, weil Patienten aufgrund ihrer Not auch ohne Überweisung in die Klinik kommen. Ärtzevertreter kritisieren darüber hinaus ein Zuviel an staatlchen Vorgaben. MRK


Ärztemangel kostet Menschenleben

Nun soll es Telemedizin richten. Per Webcam kommunizieren Patient und Mediziner miteinander. Sogar Blutdruck-messen sei möglich, ohne dass Patienten zum Arzt müssten, erklärte eine begeisterte Sabine Bätzing-Lichtenthäler von der SPD jüngst der Deutschen Presse-Agentur.

Für die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz ist Telemedizin ein wichtiger Ansatz gegen Ärztemangel. Wie Mediziner per Webcam schmerzhafte Körperpartien abtasten oder etwa Spritzen geben sollen, ließ Bätzing-Lichtenthäler offen. Immerhin bekannte sie: „Die Telemedizin wird nicht das Patentrezept sein.“ Im Gegenteil: Was sich wie eine Verzweiflungstat anhört, ist auch eine. Derzeit stehen in Deutschland etwa 2000 Hausarztpraxen leer, dazu kommen mehrere tausend Praxen, deren Inhaber demnächst das Rentenalter erreichen und keinen Nachfolger finden. Wie dramatisch die Lage ist, erkannte der Deutsche Hausärzteverband: Von Landkreis zu Landkreis wegbrechende Versorgung werde viele Menschenleben kosten, warnte er. Dabei ist die Lage höchst unterschiedlich. Während in Westerland auf Sylt ein Hausarzt 800 Einwohner betreut, sind es im niedersächsischen Münster 2900. Die Gründe sind vielfältig: Viele junge Mediziner scheuen die unternehmerische Verantwortung als selbständiger Arzt und ziehen eine Klinik-Anstellung vor. Dort erwarten sie auch geregelte Arbeitszeiten und keine 50-Stunden-Wochen, wie sie bei Hausärzten die Regel sind. Als besonders arbeitsintensiv und gleichzeitig wenig lukrativ gelten die Praxen auf dem Land.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will jetzt mit dem „Versorgungsstärkungsgesetz“ Mediziner aufs Land locken. Gelingt es, hätte er mehr Erfolg als seine Vorgänger. Von Ulla Schmidt bis Daniel Bahr versuchten sich bislang alle vergeblich an Rezepten und Heilmitteln gegen den Ärztemangel. FH


Zeitzeugen

Herman Gröhe – Der 54-jährige CDU-Politiker und studierte Jurist ist seit Dezember 2013 Bundesminister für Gesundheit, Mit seinem „Versorgungsstärkungsgesetz“ will er schaffen, was seinen Vorgängern Ulla Schmidt, Philipp Rösler und Daniel Bahr misslang: den Ärztemangel zu beseitigen. Gröhe ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Vor seinem Ministerposten war er vier Jahre lang Generalseketär der CDU. Er gilt als enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel. Seine Berufung als Gesundheitsminister galt als eine der größten Überraschungen im Kabinet der CDU-SPD-Koalition.

Wolfram Hartmann – Der pensionierte Kinder- und Jugendarzt aus Eichen ist seit zwölf Jahren Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (bvkj). Immer wieder bezieht er zu gesundheitspolitischen Themen Stellung. Er forderte, vor allem um die Masern zu bekämpfen, eine Impflicht für Kinder, und er sprach sich gegen die Beschneidung minderjähriger Jungen aus. Kinder hätten ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Jetzt hat er sich mit deutlichen Worten gegen das „Versorgungsstärkungsgesetz“ der Bundesregierung gewandt. Ganz im Gegenteil zur geplanten Absicht des Gesetzes würde es dazu führen, dass Eltern künftig noch länger nach einer Arztpraxis für ihr Neugeborenes suchen müssten. Die Kassenärztlichen Vereinigung hatte vorher schon erklärt, das Versorgungsstärkungsgesetz trage den falschen Namen. In Wahrheit schwäche es die ambulante Versorgung vor Ort, schränke die freie Arztwahl ein und versperre dem medizinischen Nachwuchs den sicheren Weg in die eigene Praxis.

Barbara Steffens – In der rot-grünen Regierung von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen wurde die 53-jährige Politikerin der Grünen 2010 zur Gesundheitsministerin ernannt. Steffens ist geschieden und Mutter zweier Kinder. Ausgebildet ist sie als Biologisch-technische Assistentin. Steffens kritisiert, dass die Sprechstunde zur Verkaufsstunde wird. Keine Einzelmeinung: Auch in den anderen Parteien wächst der Unmut über die Kommerzialisierung des Arztbesuches. So fordert ebenso der CDU-Politiker Jens Spahn „mehr Patientenschutz beim igeln“.


S. 5 Preussen/Berlin

Eine Stadt in Angst
Grenzüberschreitende Kriminalität: Gubener erheben schwere Vorwürfe gegen die Politik

Das von Politikern viel beschworene „Europa ohne Grenzen“ entwickelt sich für die Bürger der Neiße-Stadt Guben immer mehr zu einem Albtraum, die Grenzkriminalität explodiert.

Nachdem Einbrüche in Wohnungen, Kellern und Gartenlauben schon fast alltäglich geworden sind, versetzt nun eine Reihe brutaler Raubüberfälle die Stadt Guben in Angst und Schrecken: Für großes Aufsehen sorgte der Fall eines 87-Jährigen, der Anfang Februar zur Mittagszeit auf offener Straße brutal zusammengeschlagen wurde.

Der Gubener Rentner war zu Fuß unterwegs, als ein Jugendlicher ihn plötzlich von hinten festhielt. Nachdem der alte Mann auf dem Boden lag und um Hilfe rief, trat der Täter mehrfach gegen den Kopf des Senioren. Obwohl nichts erbeutet wurde, geht die Polizei von einem versuchten Raub aus. Die Tat ist in der Neiße-Stadt kein Einzelfall geblieben: Ähnlich brutal wurden innerhalb von zwei Wochen noch drei weitere Personen überfallen. Unter den Opfern auch ein 80-Jähriger, der im eigenen Hausflur ausgeraubt und krankenhausreif geprügelt wurde.

Mit den Überfällen am helllichten Tag ist selbst für das kriminalitätsgeplagte Guben eine neue Qualität erreicht. Als gescheitert gelten kann mit den Gewalttaten der ohnehin umstrittene Versuch, mit einer „Stadtwache“ für mehr Sicherheit zu sorgen (die PAZ berichtete). Die Gubener Rathausmitarbeiter, die seit mehreren Monaten als Freiwillige auf Streife geschickt werden, sind lediglich mit Mobiltelefonen „bewaffnet“. Im Zweifelsfall gilt die Order, nichts zu riskieren, sondern die Polizei zu alarmieren – ähnlich wie ein ins Leben gerufener „Präventionsrat“ nur Symbolpolitik, so die Einschätzung des Wahlbündnisses „Wir Gubener Bürger“.

Frank Kramer, der Fraktionschef der Wählergruppe, sieht zudem die Gefahr, dass die „Stadtwache“ dem Land als Alibi dient. „Es geht nicht, dass sich das Innenministerium zurücklehnt und sagt: Ist ja ganz schick, was ihr in Guben macht – und dann nimmt das Ministerium seine eigene Verantwortung nicht wahr“, so Kramer gegenüber dem Sender RBB.

Tatsächlich sollte sich angesichts der Kriminalitätsflut entlang von Oder und Neiße nicht nur das Land Brandenburg angesprochen fühlen. Bei nüchterner Analyse hätte auch der Bundespolitik schon im Vorfeld des Wegfalls der Grenzkontrollen Ende 2007 klar sein müssen, was auf Deutschland zukommt. Statt einer Aufstockung der Polizeikräfte, die angesichts der Herausforderungen eigentlich erforderlich gewesen wäre, hat der Bund den damaligen Bundesgrenzschutz komplett aus der Fläche abgezogen. Per Polizeireform setzte das Land Brandenburg als i-Tüpfelchen noch einen massiven Personalabbau bei der Polizei drauf.

Zu spüren bekommen das nicht nur die Bewohner der Grenzregion. Brandenburgs Polizei sitzt inzwischen auch auf einem beachtlichen Berg offener Haftbefehle aus allen Regionen. Wie aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU hervorgeht, fahndet die Landespolizei derzeit nach rund 2400 Personen. Nach Angaben des Justizministeriums befindet sich die Zahl der offenen Haftbefehle „jährlich auf einem insgesamt relativ konstanten Niveau“. Die Rede ist von 2300 bis 2500 Fällen.

CDU-Politiker Sven Petke hält die bekannt gewordenen Zahlen offener Haftbefehle für alarmierend: „In Brandenburg ist das Prinzip Zufall Realität.“ Aus Sicht des CDU-Manns gibt es zudem keinerlei Interesse, diesen Zustand zu ändern.

Inzwischen aber wächst der Druck auf die rot-rote Landesregierung, mehr für die innere Sicherheit zu tun. Im Raum steht zum Beispiel die Ankündigung einer Volksinitiative für mehr Polizeipräsenz. Bereits im Januar hatte die Fraktion „Wir Gubener Bürger“ mit der Vorbereitung einer entsprechenden Initiative gedroht, falls in absehbarer Zeit keine Verbesserungen eintreten sollten. Die Serie brutaler Raubüberfälle in der Stadt dürfte die Bereitschaft zu einer Volksinitiative inzwischen weiter gesteigert haben. Ein Übriges dürften die bisherigen Reaktionen der Landesregierung auf die Gubener Sorgen getan haben. So hatte bereits im vergangenen Jahr das Stadtparlament dem Petitionsausschuss des Landtags 4000 Unterschriften für mehr Sicherheit übergeben. Medienberichten zufolge soll die Antwort aus Potsdam „sehr zurückhaltend“ ausgefallen sein.

Tatsächlich wäre die Landespolitik gut beraten, die brisante Lage in Städten wie Guben, Küstrin oder Frankfurt an der Oder sehr ernst zu nehmen. Beobachter fürchten, dass die Legitimation des Staates tief untergraben wird, wenn er auf Dauer beim Schutz seiner Bürger versagt. Ebenso verheerend sind die wirtschaftlichen Folgen, die durch den unpassenden Mix aus offener Grenze und kaputtgesparter Polizei drohen: Als strukturschwache Gegend hat die Region ohnehin mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen.

Die grassierende Kriminalität, die seit Jahren über Oder und Neiße schwappt, tut ein Übriges, um ein Bleiben immer unattraktiver zu machen. Die Frage, warum man weiter in Städten und Dörfern ausharren soll, die von einer Kriminalitätswelle heimgesucht werden, stellt sich dabei nicht nur den Bürgern. Immer mehr Unternehmen im östlichen Teil des Bundeslandes Brandenburg erhalten von ihren Versicherungen inzwischen Kündigungsschreiben, weil die Schäden durch Einbrüche und Diebstahl zu hoch werden. Die Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung sind leicht absehbar. Norman Hanert


Schulhorror
von Vera Lengsfeld

Berlins legendärster Bezirk Kreuzberg ist in dieser Woche aus vier Gründen Stadtgespräch. Es findet wieder eine Anwohnerversammlung statt, die den Görlitzer Park zum Thema hat.

Obwohl an früheren Veranstaltungen Politik und Polizei teilnahmen, gingen sie aus wie das berühmte Hornberger Schießen, weil die vorgestellten Vorschläge, etwa die Parkmauer durch einen Zaun zu ersetzen, um das eigentliche Problem einen Bogen machen. Wie geht man mit den afrikanischen Drogendealern um, ohne die eisernen Regeln der politischen Korrektheit zu verletzen?

Die Verteilung von Gratis-Pfannkuchen am Rosenmontag durch einen Senator vor der Marheinecke-Halle, die zu einem Treffpunkt der Lifestyle-Kreuzberger geworden ist, trägt nichts zur Lösung bei, selbst wenn das süße Gebäck später als Wurfgeschoß zur Abwehr unerwünschter Drogenangebote benutzt werden sollte.

Die „Morgenpost“ (MoP) führt auf einem ihrer „Stadtspaziergänge“ die Kreuzberger Idylle vor, samt türkischem Dampfbas in der Schokofabrik, Chocolateria und Cafés. Alles, was dieses Bild stören könnte, wird ausgelassen. Selbst bei Kleinigkeiten wird weichgezeichnet. So ist in der „MoP“ der ehemalige Louisenstädtische Kanal nur „ausgetrocknet“, obwohl er von unsensiblen Stadtplanern zugeschüttet wurde.

Was in der harten Wirklichkeit hinter den Kulissen vorgeht, hat ein Mann aufgeschrieben, der 34 Jahre an einer Kreuzberger Schule unterrichtete. Sein Buch erscheint demnächst, ist aber bereits in aller Munde.

Als Anhänger der 68er begann Albrecht Johann 1977 seinen Dienst. Er geriet in einen nahezu rechtsfreien Raum. Tausend Schüler in einem gesichtslosen Betonbunker, außer Kontrolle geraten, nicht steuerbar, ohne jeden Respekt.

„Anfang der Achtzigerjahre ist die 1975 eröffnete Schule im Inneren nahezu eine Ruine. Die Telefon- und Videoanschlüsse in den Klassenräumen waren schon nach einem Jahr herausgerissen. Inzwischen sind aber auch die Toiletten fast unbenutzbar, von den Decken hängen kaputte Platten herunter, die Sitzgruppen auf den Fluren sind zusammengeschlagen. Der Teppichboden ist übersät von ekelerregenden Kaugummiflecken.“

Johann scheiterte mit seinen Idealen vom antiautoritären Unterricht so drastisch, dass er auf dem Therapeutensofa landete. Er musste lernen, sich zu wehren, Respekt zu verschaffen. Er hielt durch und kann sich heute über die Erfolge einiger seiner ehemaligen Schüler freuen.

Das sind aber nur Lichtblicke in einem verfehlten multikulturellen Experiment, dessen Scheitern bis heute nicht eingestanden werden darf.

Johanns Buch „Rock ’n’ Roll und Ramadan“ klärt auf. Ob es wirkt, bleibt ungewiss.


Masern-Epidemie alarmiert
Experten warnen vor Folgen: Geisteskrankheit und Tod drohen

Als gescheitert kann der Plan der Bundesregierung gelten, bis zum Jahr 2015 in Deutschland die Masern-Erkrankungen komplett auszurotten. In Berlin grassiert derzeit der schlimmste Masern-Ausbruch seit dem Jahr 2001.

So wurden allein für den Januar aus der deutschen Hauptstadt 250 neue Masern-Fälle gemeldet. Insgesamt gelten in Berlin sogar mehr als 400 Menschen als erkrankt. Nach Behördenangaben begann die Welle an Masern-Erkrankungen im Oktober unter Asylbewerbern aus Bosnien, Herzegowina und Serbien.

Wie das Robert-Koch-Institut mitteilt, gibt es in dieser Region bereits seit Februar 2014 eine Masern-Epidemie, die sich bis zum vergangenen Herbst bis nach Deutschland ausbreitete. Bereits wenige Wochen nach den ersten Erkrankungen unter den Asylbewerbern gehörte schon mehr als die Hälfte der neuen Berliner Masern-Patienten zur angestammten Bevölkerung.

Als Ursache für die schnelle Ausbreitung wird vom Berliner Robert-Koch-Institut fehlender Impfschutz angegeben, der trotz vielfältiger Angebote nicht angenommen werde. Als besonders gering gilt die Impfrate in Großstädten wie Berlin, aber auch in Bayern. Meist aus Angst vor Nebenwirkungen sind es vor allem gut gebildete Mütter, die ihren Kindern die Impfung versagen.

Unterschätzt wird dabei, dass die oftmals als harmlose Kinderkrankheit angesehene Virusinfektion hochinfektiös ist und auch für Erwachsene schwerwiegende Folgen haben kann. Treten Komplikationen auf, kann dies eine geistige Behinderung und sogar den Tod verursachen.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Potsdam wurden inzwischen auch in Brandenburg dieses Jahr schon 44 Masern-Fälle registriert, das sind 31 mehr als im gesamten Vorjahr. Wie die „Märkische Allgemeine Zeitung“ berichtet, sollen viele der Brandenburger Erkrankungsfälle in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt aufgetreten sein. N.H.


Führungskrise
Märkische CDU ringt um Kurs und Personal

In der märkischen CDU ist eine Führungskrise ausgebrochen. Zunächst schien es, als könnte Landeschef Michael Schierack auch nach dem zunächst für den Herbst geplanten Landesparteitag im Amt bleiben.

Durch den bevorstehenden Wechsel der einflussreichen Strippenzieherin Katherina Reiche in die Lobby-Arbeit sind die Machtverhältnisses jedoch in Bewegung gekommen. Erst hatte die brandenburgische CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich ihren Rücktritt erklärt. Dann folgten nach einiger Kritik auch der angekündigte Rückzug von Parteichef Schierack und die Vorverlegung des Parteitages auf den Sommer.

Eilig erklärte daraufhin der Landtagsfraktionschef Ingo Senftleben seine Bereitschaft zur Kandidatur zum Landeschef. Hinter ihm steht laut Parteikreisen Reiche, die als Anhängerin des „Merkelkurses“ gilt.

Dagegen erwägt Heinrich nun ebenfalls eine Kandidatur. Sie wird gestützt von CDU-Funktionären, die bei einem „weiter so“ auf „Merkelkurs“ einen weiteren Verlust von Mandaten und Einfluss fürchten. Dabei konnte die CDU durch die Landtagswahl mit einem Stimmenanteil von 23 Prozent ihre Bedeutung etwas steigern, blieb aber deutlich unter ihren Möglichkeiten, denn zuvor war die CDU in Umfragen bis auf 30 Prozent taxiert worden.

Auffallend zurückhaltend verhält sich AfD-Landechef Alexander Gauland gegenüber der CDU. Von seiner Partei kam bislang keine Häme angesichts des Chaos bei der CDU. Will er sich die Option auf eine spätere Koalition offenhalten? T.M.


Wachschutz für Bibliothek

Ab März soll die in einem Neuköllner Einkaufszentrum gelegene Helene-Nathan-Bibliothek Schutz durch einen Sicherheitsdienst erhalten, zunächst für einen dreimonatigen Test. Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, hatten Bibliotheksmitarbeiter zuvor in einem Brief an die Bildungsstadt­rätin und designierte Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) beklagt, dass sie sich von Drogendealern und anderen Kriminellen bedroht fühlten. Angeführt wurden demzufolge Probleme wie „Drogenhandel, Brandstiftung und Sex auf Toiletten“ sowie „respektlose Kinder, die sich nichts sagen lassen“. Damit kämen die Mitarbeiter allein nicht mehr zurecht. Die Kosten für den Wachschutz sollen sich laut Bezirksamt auf voraussichtlich 5000 Euro im Monat belaufen. Mit Jugendsozialarbeitern soll zusätzlich geprüft werden, wie für Jugendliche aus Nord-Neukölln, die die Bibliothek als Aufenthaltsort nutzen, alternative Angebote, geschaffen werden können. N.H.


S. 6 Ausland

Jordanien schlägt zurück
Nach der Ermordung seines Kampfpiloten ist das Haschemitenreich im Kampf gegen den IS geeint

Die demütigende, ebenso grausame wie spektakuläre Hinrichtung eines jordanischen Piloten durch den Islamischen Staat (IS) markiert einen Wendepunkt im Krieg gegen die Dschihadisten. Jordanien ist auf dem Weg zur führenden Anti-IS-Kraft der Region.

Mit der öffentlichen Verbrennung bei lebendigem Leibe des jordanischen Piloten Moaz al-Kassasbeh wurde ein weiterer Markstein der Barbarei erreicht. Enthauptungen, Kreuzigungen, Steinigungen, Fensterstürze und andere Schrecken waren nicht mehr ausreichend für die Dschihadisten des Islamischen Staates (IS). Mit diesem besonders grausamen und schmerzhaften Tod des jordanischen Piloten wollte der IS beweisen, dass er immer noch fähig ist, seine Grausamkeit zu steigern.

Andererseits hat sich der Islamische Staat mit dieser Tat jedoch auch endgültig als pseudoreligiös und sogar antireligiös entlarvt. Gerade eine Bewegung, die versucht an die Wurzeln einer Religion zurückzukehren, die von ihrem Ursprung her ein striktes Bilderverbot kennt, überzieht die Welt mit einer Fülle und Masse von nie gekannten Bildern auf allen Ebenen. Im Falle des jordanischen Piloten scheint jedoch die Bilderflut gerade das Gegenteil von dem erreicht zu haben, was sich die Chefpropagandisten des IS erhofft haben.

Anstatt in Angst und Schauder zu erstarren, hat sich die beduinische Bevölkerung Jordaniens wie ein Mann hinter den getöteten Piloten und seinen König gestellt und dem IS den Kampf bis zum Ende erklärt. In der mehrheitlich sunnitischen Bevölkerung Jordaniens hat der Terrorkalif des IS mit diesem Akt der Barbarei gegen einen Sunniten die letzten Sympathien verloren. Die jordanischen Beduinen sind nämlich dem, was die IS-Terroristen, Salafisten, Wahhabiten als ihr Ziel vorgeben, die Rückkehr zum Islam der Urzeit, immer noch am nächsten. Das jordanische Königshaus, das sich auf den Stamm der Haschemiten, den Stamm des Propheten beruft, hat eine religiöse Legitimität, die der selbsternannte Kalif des Terrors des IS nicht hat, die direkte Abstammung vom Propheten. In Zeiten des Verfalls der staatlichen und der Dekadenz der religiösen Strukturen im Nahen Osten werden die Stämme und Stammeszugehörigkeiten immer wichtiger, als Ersatz für staatliche Strukturen.

Mit den Wüstenbeduinen haben sich die IS-Krieger den stärksten Gegner ausgesucht, den es im Nahen Osten noch gibt. Nach der Rückeroberung von Kobane durch die Kurden, die seit Jahrhunderten die Bergregionen des Nahen Osten wie kein anderes Volk beherrschen, könnte dies der entscheidende Rückschlag des IS gewesen sein. Damit scheint das Ende dieses auf Terror und Angst basierenden Staatsprojektes in Sicht, das auf dem Missbrauch einer Religion basiert, die sich nicht dagegen wehrt, missbraucht zu werden. Schon die Brandrede der jordanischen Königin Rania im vergangenen Jahr zur Eröffnung der Medienmesse in Katar ließ, was die Beziehung des Islams zur Gewalt betrifft, keine Kompromisse mehr zu. Darum verschärfte das Königreich kürzlich die Richtlinien für islamische Prediger. „Der Islam muss der religiös bedingten Gewalt in seinem Namen Einhalt gebieten oder er wird nicht mehr als Religion, sondern nur noch als eine verbrecherische Herrschaftsideologie wahrgenommen“, so deutlich hatte es Königin Rania den muslimischen Gelehrten und Autoritäten gesagt.

Der Tod des Piloten hat einen Wendepunkt markiert. Jordanien hatte sich zuletzt – wie auch die übrigen arabischen Mitglieder der Anti-IS-Koalition – nur noch sehr halbherzig an den Angriffen auf die Terroristen beteiligt. Jordaniens Rolle in der internationalen Koalition wird jetzt stärker werden. Wenn es irgendwann einmal zu einer Bodenoffensive gegen den IS kommen sollte, würden seine unverbrauchten, aber durch viele Kriege mit Israel und der PLO kampferprobten Streitkräfte zu den ersten gehören, die voranmarschieren müssten. Jordanien fliegt mit 20 Einsätzen pro Tag jetzt mehr als die Hälfte aller Einsätze gegen den IS, allerdings flogen die Alliierten während des Golfkriegs im Durchschnitt 1200 Einsätze jeden Tag.

Bei diesem Tempo kann es Jahrzehnte dauern, bis der IS besiegt ist. Der IS nutzt den Staatszerfall und das Chaos in einigen arabischen Ländern. Vereinte arabische Streitkräfte von der Qualität Jordaniens könnten den Lauf der Dinge ändern. Jordanien wird jetzt auch eine verdeckte Zusammenarbeit mit Israel nicht mehr scheuen, wie so oft in seiner Geschichte, wenn es, wie 1970 beim Aufstand der Palästinenser, in existenzieller Gefahr ist. Erst vor wenigen Tagen kehrte der jordanische Botschafter nach Israel zurück. Mit der Freilassung von Issam Barqawi, einem hohen Al-Kaida-Führer und der Hinrichtung zweier hoher IS-Aktivisten könnte Jordanien auch den innerislamischen Bruderkampf zwischen Al Kaida und dem IS angeheizt haben. 2000 bis 2500 Jordanier kämpfen in Syrien und dem Irak in den Reihen der Extremisten, nach Tunesiern und Saudi-Arabern das drittgrößte arabische Kontingent. Dass der IS dieses große Kontigent an Kämpfern nicht zur dortigen Kriegführung belässt, zeigt, dass er sich keine Chancen einräumt, irgendwann einmal in diesen Ländern selbst Erfolg zu haben.

Ein Jordanier aus Zerka, der sich den Namen Abu Mussab al-Zarkawi gab, gilt als der Gründervater des IS im Irak. Er konnte bis zu seinem Tode 2006 mit Hilfe der Geheimdienste Baschar al-Assads im Irak eine Bastion des Terrors errichten, die sich jetzt mit dem Titel Kalifat eine religiöse Legitimierung zu geben versucht. Jordanien kommt jetzt eine immer wichtigere Rolle dabei zu, diesem Terrorkalifat ideologisch und militärisch ein Ende zu bereiten. Bodo Bost


Niederlage Washingtons
Im Jemen trat mit Präsident Hadi ein Geschöpf der USA zurück

Abed Rabbo Mansur Hadis Rücktrittserklärung vom 22. Januar als Präsident der Republik Jemen ist ein Rück-schlag für Washington. Wie sein Vorgänger Ali Abdullah Salih, der erste Präsident des wie Deutschland 1990 wieder vereinten Jemen, war Hadi nämlich ein Geschöpf der Vereinigten Staaten. Daher ist es folgerichtig, dass die neuen Machthaber in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, die Houthi-Rebellen, mit den Statthaltern von Gnaden der USA auch deren Einrichtungen entfernen. So wurde dieser Tage die US-Botschaft in Sanaa geschlossen und das verbliebene Personal ausgewiesen.

Wie Saleh zeigte Hadi seiner Schutzmacht gegenüber Dankbarkeit und Loyalität dadurch, dass er das US-Drohnen-Programm unterstützte. Aufgabe der fliegenden Tötungs-Automaten war es vorgeblich, die Al Kaida zu bekämpfen, die zufällig überall dort anzutreffen ist, wo US-amerikanische Interessen gefährdet erscheinen. Doch mit ihrer Duldung der Todesflüge hatten sich weder Saleh noch Hadi beim eigenen Volk beliebt gemacht, denn im Jenem verhielt es sich damit nicht anders als in anderen Ländern: Auf zwei getötete Kämpfer kommen acht tote Zivilisten. Dessen ungeachtet hatte noch im September US-Präsident Barack Obama das Drohnen-Programm für den Jemen als „Modell“ für zukünftige Operationen gegen den Terrorismus auch anderswo ausgerufen.

Ein Beitrag des Ron Paul Institute for Peace and Prosperity schildert, wie die neuen Huthi-Machthaber US-Soldaten zeigten, woher der neue Wind weht. Sie beschlagnahmten alle Militärfahrzeuge und nahmen den Marines die Waffen ab. Die Soldaten sollen derart beeindruckt gewesen sein, dass sie am Flughafen sogar verbliebene Waffen von sich aus an beliebige Arbeiter weggaben, die dort herumstanden.

Während der letzten Nacht im US-Botschaftsgebäude waren die Beamten damit beschäftigt, Dokumente zu verbrennen. Das Ron Paul Institute beschreibt das ein wenig salopp: „Man stelle sich nur vor, welche Geschichten diese Dokumente von einer weiteren Intervention der Vereinigten Staaten von Amerika erzählen könnten, die komplett in die Hose gegangen ist.“ Es liegt noch kein Jahr zurück, dass die US-Vertretung in Libyen hat schließen und abziehen müssen.

Doch das entscheidende Ungemach im Zusammenhang mit der Revolte im Jemen dräut erst noch, und es wird anhaltend sein. Die neuen Herren stellen nämlich eine schiitische Bewegung dar und sind damit die geborenen Partner des Iran. Rein geographisch liegen sie so zu zueinander, dass sie den wichtigsten Verbündeten der USA in Mittelost, nämlich Saudi-Arabien, umfassen. Außerdem kontrolliert der Jemen das Bab el Mandeb, die Meerenge zwischen Arabien und Afrika, durch die der gesamte Verkehr geht, der den Suezkanal passiert. Für die USA verbindet sich mit dem dort gelegenen Hafen von Aden zudem eine ungute Erinnerung: Im Jahre 2000 wurde dort der Zerstörer „USS Cole“ angegriffen, wobei 17 Navy-Soldaten den Tod fanden. Doch Washington kümmert das nicht. Ron Paul sagt: „Tatsächlich verlangt der Präsident vom Kongress einen Blankoscheck für den Einsatz von Soldaten der USA überall, weltweit, für drei Jahre, während die verrotteten Früchte der Interventionen der Vereinigten Staaten von Amerika auf der ganzen Erde zum Himmel stinken.“ Florian Stumfall


Nun auch Zentralasien
Der Islamische Staat sucht und findet neue Betätigungsfelder

Der Islamische Staat (IS) streckt seine Fühler nun auch nach Zentralasien aus und baut dort regionale Netzwerke auf. Damit verfolgt die Terrormiliz zum einen das Ziel, eine weitere Front im globalen „Heiligen Krieg“ zu eröffnen. Zum anderen rekrutiert sie in den ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Turkmenistan und Kasachstan sowie in der chinesischen Westprovinz Sinkiang Kämpfer für den Einsatz in Syrien und dem Irak.

Nach Schätzung der International Crisis Group sind dort inzwischen schon an die 4000 Dschihadisten aus Zentralasien eingetroffen. Viele davon sollen Usbeken sein, was auch nicht verwundert, denn in deren Heimat ist die Islamische Bewegung Usbekistans aktiv, deren Führer Osman Ghazi vergangenen Oktober bekanntgab, dass sich seine Organisation dem Islamischen Staat angeschlossen habe. Desgleichen strömen immer mehr junge Muslime aus dem bislang eher säkularen Kasachstan in den Nahen Osten, darunter auch Kinder, wie der Fall des Zehnjährigen beweist, der kürzlich zwei russische „Spione“ vor laufender Kamera erschoss. Meist geben sich die Extremisten dabei als Wanderarbeiter aus, die in die Türkei wollen, die sie dann aber schnell in Richtung Syrien verlassen. Dahingegen bevorzugen die uigurischen Untergrundkämpfer der East Turkestan Islamic Movement (ETIM) von Sinkiang, von denen nach Angaben der chinesischen Zeitung „Global Times“ ebenfalls schon einige Hundert in das Kalifat gereist sind, unauffälligere Routen über Südostasien.

Zugleich ist davon auszugehen, dass es inzwischen zahlreiche Rückkehrer aus Syrien und dem Irak gibt, was zu einer signifikanten Erhöhung der Terrorgefahr in den zentralasiatischen Staaten und Sinkiang führt. Deshalb wurden dort jetzt auch diverse Gesetze verabschiedet, die jedwedes Engagement für den IS unter Strafe stellen. Ebenso baten die Präsidenten von Usbekistan und Kasachstan im Dezember beziehungsweise Januar um ausländische Unterstützung beim Kampf gegen die Islamisten in ihren Ländern, wobei sich dieser Ruf besonders an Russland richtete.

Allerdings legen einige der Reaktionen in Taschkent, Astana, Bischkek, Asgabat und Duschanbe sowie Peking den Verdacht nahe, dass hier eine reale Bedrohungslage genutzt werden soll, um Diktaturen zu stabilisieren und Minderheiten zu diskriminieren. Immerhin sind die ebenso autoritären wie korrupten Machthaber im früheren Russisch-Turkestan wenig beliebt und daher sehr daran interessiert, nicht nur den IS sondern auch jedwede Opposition im Lande auszuschalten – und das wird durch ausufernde und möglichst unkonkrete Sicherheitsgesetze ja bekanntlich erheblich erleichtert.

Das gleiche gilt sinngemäß für China, dessen Außenministerium mehrmals betonte, wie sehr die ETIM und deren Kooperation mit dem IS die nationale Integrität des Reiches der Mitte bedrohen, wonach dann eine verstärkte Verfolgung der Uiguren einsetzte, in deren Verlauf es unter anderem zur Verurteilung des Wirtschaftswissenschaftlers Ilham Tohti zu lebenslanger Haft kam. Dabei ist dieser eben gerade kein radikalislamischer IS-Sympathisant, sondern ein gemäßigter Wortführer der auf vielerlei Weise geknebelten Minderheit.

Somit ist zu erwarten, dass die tatsächlich bestehende Gefahr infolge des Fußfassens des IS in Zentralasien eher instrumentalisiert denn effektiv und nachhaltig bekämpft wird. Wolfgang Kaufmann


MELDUNGEN

Immigranten in US-Armee

Washington– Seit Oktober 2014 wurden 100 Soldaten mit ukrainischen Sprachkenntnissen im Rahmen des sogenannten MAVNI-Programms in die amerikanische Armee aufgenommen. Das Programm bietet Einwanderern Vorteile, auch illegalen, die mit ihrem Eintritt ins Militär die Möglichkeit erhalten, ihren Status zu legalisieren. Aufgenommen werden Immigranten, die über besondere Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen. Voraussetzung ist, dass sie gesund und nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Wie die „Washington Times“ berichtet, sollen die ukrainischsprachigen US-Soldaten dabei helfen, die ukrainische Nationalgarde auszubilden. Laut Pentagon soll das US-Militär ab März ukrainische Soldaten für den Kampf gegen die Separatisten ausbilden. MRK

 

Asylzentren in Afrika geplant

Berlin – Das Bundesinnenministerium soll einem Bericht der „Welt“ zufolge bestätigt haben, dass ein Vorschlag zur Einrichtung von Asylzentren in Nordafrika derzeit auf EU-Ebene zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kommission geprüft werde. Einen entsprechenden Vorschlag hatte bereits im vergangenen Jahr Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Brüssel unterbreitet. Nach den im vergangenen Dezember bekanntgewordenen Vorstellungen de Maizières sollen unter der Obhut des UN-Flüchtlingswerks UNHCR bereits in Afrika Asylanträge gestellt und geprüft werden. Ziel des Vorhabens ist unter anderem, die lebensgefährlichen Überfahrten über das Mittelmeer zu reduzieren und kriminellen Schlepperbanden das Handwerk zu legen, indem sie um ihre Verdienstmöglichkeiten gebracht werden. N.H.


S. 7 Wirtschaft

Neue Rekorde beim deutschen Handel
Deutschlands Im- und Exporte erreichten im vergangenen Jahr trotz Ukraine-Krise Höchstwerte

Deutschlands Unternehmen nahmen 2014 im Ausland 1,1336 Billionen Euro ein und damit 3,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Einfuhren legten um zwei Prozent auf 915,6 Milliarden Euro zu. „Die Exporte und Importe übertrafen damit die bisherigen Höchstwerte vom Jahr 2012“, so das Statistische Bundesamt.

Wenn 2014 für die deutsche Wirtschaft auch ein Rekordjahr war, so reichte es zum „Weltmeistertitel“ allerdings nicht. Höhere Werte hatten im abgelaufenen Jahr nämlich China und die Vereinigten Staaten erzielt. In Europa, so das Statistische Bundesamt, ist die deutsche Wirtschaft aber das Maß aller Dinge. Ohne die zahlreichen Krisen in der Welt wäre das Ergebnis sogar noch besser ausgefallen. Besonders gut liefen die Geschäfte mit zwar zur Europäischen Union, aber nicht zur Euro-Zone gehörenden Staaten wie Großbritannien oder Polen. Die Warenexporte dorthin zogen um 10,2 Prozent an. Die Nachfrage aus Staaten außerhalb der EU, darunter die beiden weltweit größten Volkswirtschaften USA und China, blieb dagegen mit einem Zuwachs von 1,5 Prozent eher bescheiden.

Größter Abnehmer ist nach wie vor Frankreich – trotz der dortigen Probleme wurden dorthin deutsche Waren im Wert von mehr als 94 Milliarden Euro verkauft. Beim Blick auf die „Kassenschlager“ bietet sich ein ähnliches Bild wie in den Vorjahren. Personen- und Lastkraftwagen sowie landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge sind die begehrtesten deutschen Güter, insgesamt wurden für sie auf dem Weltmarkt mehr als 180 Milliarden Euro ausgegeben. Die Maschinenbauer konnten sich über Einnahmen in vergleichbarer Höhe freuen, die Elektronik­hersteller nahmen immerhin noch rund 100 Milliarden Euro ein.

Für das laufende Jahr könnten weitere Rekorde purzeln. Branchenkenner erwarten nämlich ein neuerliches Exportwachstum. „In diesem Jahr könnte es sogar um fünf Prozent nach oben gehen“, sagte Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, gegenüber der „Bild“-Zeitung. Grund für die Aussicht auf weiteres Wachstum ist vor allem der anhaltend schwache Euro. Die Europäische Zentralbank hat die Zinsen in der Eurozone praktisch abgeschafft und flutet den Markt mit billigem Geld. Seit Monaten verliert Europas Einheitswährung daher gegenüber dem US-Dollar an Wert.

Das wirke wie Rückenwind für die Exporteure, weil ihre Waren in Asien oder Amerika in dortiger Währung gerechnet günstiger werden. „Die Abwertung des Euro führt zu einer kräftigeren Auslandsnachfrage“, erklärte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Simon Junker, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Da die US-Zentralbank Fed die Zinsen wohl in Kürze anheben und das Geld im Euroraum wohl auf Jahre extrem billig bleiben wird, ist ein nennenswerter Anstieg des Eurokurses nach Einschätzung der Experten nicht in Sicht.

Der deutsche Export dürfte auch weiterhin davon profitieren. „Die Absatzmärkte der deutschen Exportwirtschaft liegen zu fast zwei Dritteln außerhalb des Euroraums, und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte verbessert sich mit dem schwächeren Euro“, erklärte DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Nachteile hat der schwache Euro allerdings auch. Negativ wirkt sich der niedrige Kurs nämlich auf Importe aus Dollarländern aus, die dadurch teurer werden. Dies gilt vor allem für den Ölpreis. Angesichts dessen Rekordtiefs fällt dies derzeit kaum auf. Allerdings könnte der Sprit an der Tankstelle mit einem stärkeren Euro noch günstiger sein. Und wie lange Öl so billig bleiben wird, weiß derzeit kein Mensch. Ein Hauptgrund für das niedrige Niveau ist ausgerechnet die Ukraine-Krise, in deren Zuge Russland schmerzlichen Sanktionen des Westens ausgesetzt ist. Um trotzdem die nötigen Devisen erwirtschaften zu können, erhöhen die staatlichen Ölgesellschaften nolens volens die Fördermengen. Eine politische Lösung der Krise mit Aufhebung der Sanktionen könnte es Russland erlauben, die Fördermengen wieder zurück­zufahren, mit der Folge, dass der Ölpreis wieder anziehen könnte.

Das Tauziehen mit Moskau drückte jedoch nicht nur auf den Ölpreis, sondern verminderte auch das Handelsvolumen zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik. In den vergangenen zwölf Monaten sind die deutschen Ausfuhren nach Russland um rund ein Fünftel eingebrochen. Dies entspricht einem Rück­gang von rund sechs Milliarden Euro.

Für die Zukunft rechnet die Wirtschaft mit weiteren Einbrüchen: „Die Lage in Russland schlägt voll ins Kontor der deutschen Wirtschaft“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Über 90 Prozent der in Russland aktiven Firmen rechnen im laufenden Jahr mit noch schlechteren Geschäften. Wansleben appellierte daher, die Kontakte nach Russland nicht abreißen zu lassen und in Branchen, die nicht von den Sanktionen betroffen sind, weiter eng zusammenzuarbeiten: „Wir setzen auf Dialog, aber auch aufs Geschäft“, sagte er dem Nachrichtensender NTV.

Abgesehen von der Ukraine-Krise drohen dem deutschen Exports auch Störfeuer aus Brüssel. Der Handelsüberschuss könnte Begehrlichkeiten innerhalb der EU wecken. Die Europäische Kommission hatte Deutschland zuletzt für den Außenhandelsüberschuss kritisiert, da er den Euro-Wechselkurs nach oben treibe. Peter Entinger


Russland orientiert sich um
Putins Reisen nach Indien und Ägypten waren erfolgreich

Es scheint, als mache Wladimir Putin ernst mit seiner Absicht, die Krise als Chance zu nutzen. Seine Auslandsreisen der letzten Monate belegen, dass sich Beständigkeit für ihn auszahlt.

Erst kürzlich kehrte er aus Ägypten zurück mit einem Vertrag über den Bau eines Kernkraftwerks in der Tasche. Es soll an der Mittelmeerküste im Norden Ägyptens entstehen. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah as-Sisi sagte nach Gesprächen mit Putin, sein Land sei an russischen Technologien interessiert, um seinen Strombedarf zu decken. Kein Wunder, da die Amerikaner seit dem Arabischen Frühling ihre Unterstützung für Ägypten heruntergefahren haben.

Für Russland ist es die Chance, seinen Ruf als Technologieexporteur zu verbessern. Das geplante Atomkraftwerk (AKW) wird laut Sergej Kirijenko, Chef der russischen Atomenergiebehörde Rosatom, eines der neuesten Generation werden, die erst nach der Katastrophe von Fukushima konstruiert worden und sicherer als alle bisherigen sei. Russland gewährt Ägypten einen Kredit für den Bau des AKW, das erstmals mit einer Meerwasserentsalzungsanlage kombiniert werden soll.

Im Dezember hatte Putin Indien besucht, um das er gemeinsam mit den Amerikanern buhlt. Wenn die Annäherung auch zögerlich vorankommt, so gelang es den beiden Atommächten doch, einen Beschluss über den Bau von Atomreaktoren im energiehungrigen Indien zu bauen.

Zurzeit sind vier Einheiten im Bau, weitere in Planung. Ingesamt unterzeichneten Russland und Indien 16 Abkommen, darunter welche zum Ausbau der Infrastruktur und zum Export von Öl und Gas nach Indien. Beide Länder wollen auch in der Luft- und Raumfahrt zusammenarbeiten.

Große Hoffnungen für einen weiteren Technologieexport verbindet Russland mit der Entwick-lung des Systems BINS-SP2, einem auf einem Ringlaser basierenden Messgerät, das ohne die Satellitensysteme GPS oder Glonass auskommt und universell sowohl in Flugzeugen als auch auf Schiffen und in der Landtechnik eingesetzt werden kann. Bisher wurde es hauptsächlich in Kampfflugzeugen genutzt. Die neue Variante soll nun serienmäßig in Zivilflugzeugen zur Anwendung kommen.

Auch wenn die westlichen Sanktionen der russischen Wirtschaft schaden, zwingen diese Russland noch nicht in die Knie. Darauf lässt das russische Engagement in Zypern schließen. Der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis hat den Russen während seiner Reise nach Moskau signalisiert, den Luftwaffenstützpunkt „Andreas Papandreou“ auf dem Gelände des zivilen Flughafens Pathos im Südwesten der Insel und den Marinestützpunkt in Limassol im Süden zur Nutzung freizugeben. Bislang hatte Zypern dies nur in Ausnahmefällen genehmigt, doch die Aussicht auf Finanzspritzen aus Mos-kau, dürfte den Sinneswandel beflügelt haben. Auch Griechenland dürfte sich sein Einverständnis für die Stationierung russischer Kriegsschiffe vor Zypern entsprechend versilbern lassen. Mit Griechenland gibt es, auch nachdem Alexis Tsipras, der trotz der europäischen Sanktionen Geschäfte mit Russland machen wollte, zurückgerudert ist, Verhandlungen auf Wissenschaftsebene über eine Zusammenarbeit im Bereich der Geologie und Bodennutzung.

Manuela Rosenthal-Kappi


Wirre Diplomatie
Lateinamerikas komplizierte Beziehungen zu den beiden Chinas

Der diplomatische Fauxpas beim jüngsten Besuch der argentinischen Präsidentin Christina Kirchner in China, als sich der Staatsgast auf Twitter über die Aussprache der chinesischen Gastgeber lustig machte, hat wieder einmal die komplizierten Beziehungen zwischen dem Reich der Mitte und Lateinamerika in den Mittelpunkt gerückt.

Zwar erreichte das gegenseitige Handelsvolumen im vergangenen Jahr ein neues Rekordvolumen von 500 Milliarden US-Dollar, und die linksgerichteten Regierungen in Argentinien, Brasilien, Bolivien, Kuba, Ecuador, Uruguay und Venezuela sowie Costa Rica stehen fest an der Seite Pekings. Doch auf den zweiten Blick gestaltet sich gerade die Diplomatie schwieriger, als man annehmen würde.

Denn gerade in jenem Teil der Welt ist neben dem Südpazifik der Einfluss der Republik China (Taiwan) am größten. Taipeh unterhält mit sieben spanischsprachigen Staaten volle diplomatische Beziehungen, nämlich zur Dominikanischen Republik sowie zu El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama und Paraguay.

Grundlage für diese Bindungen war zu Zeiten des Kalten Krieges oft der antikommunistische Grundkonsens. So erhielten mittelamerikanische Soldaten auf dem Höhepunkt der Bürgerkriege in El Salvador und Guatemala in Taiwan eine militärische Ausbildung. Gleichzeitig vertraten beide Seiten kompromisslos die asiatische Variante der Hallstein-Doktrin, die Taiwan erst Anfang dieses Jahrhunderts aufgab. Die Volksrepublik China (VRC) dagegen besteht nach wie vor auf dem „Ein-China-Prinzip“.

Während durch die zunehmende Demokratisierung Taiwans die lange praktizierte Scheckbuch-Diplomatie dort mehr und mehr hinterfragt wurde, nutzte die Volksrepublik einfach zunehmend ihre wirtschaftliche Macht. So musste Taiwan im Jahre 2007 eine herbe Niederlage einstecken, als Costa Rica nach 63 Jahren die Seiten wechselte und die Pekinger Führung anerkannte. Präsident Oscar Arias begründete dies auch damit, dass sich der Handel zwischen beiden Nationen in nur sechs Jahren verzehnfacht hatte.

Dieser erbitterte Kampf auf dem internationalen Parkett ging bis 2008, als die mittlerweile sehr VRC-freundliche Kuomintang an die Macht zurückkehrte. Geschwind rief diese einen „diplomatischen Waffenstillstand“ aus, der von Festlandchina angenommen wurde, denn schließlich wollte man seine der „Wiedervereinigung“ verpflichteten Freunde in Taipeh nicht vor den Kopf stoßen. Damit war das jahrzehntelange Tauziehen zunächst beendet und bis zum heutigen Zeitpunkt machte man sich weltweit gegenseitig keine Partner mehr abspenstig.

Doch diese Phase der außenpolitischen Harmonie könnte bei einem wahrscheinlichen Wahlsieg der die Eigenstaatlichkeit befürwortenden taiwanesischen Oppositionspartei DPP im nächsten Jahr schnell beendet sein. Festlandchina hätte dann mit großer Wahrscheinlichkeit erneut den Wunsch, Taiwan so weit wie möglich zu isolieren und die Insel international nicht einmal mehr als „Chinese Taipei“ in Erscheinung treten zu lassen. Es bleibt zu hoffen, dass beide Seiten der Taiwan-Straße trotz aller Differenzen Frieden wahren. Markus Matthes


MELDUNGEN

Landnahme in der Ukraine

Kiew – Bundestagsabgeordnete der „Linken“ haben eine kleine Anfrage zum „Landgrabbing in der Ukraine“ an die Bundesregierung gerichtet. Der Verdacht: Der Konflikt in der Ukraine wird für einen massiven Transfer von Agrarböden an Konzerne missbraucht, die von internationalen Großbanken, auch der deutschen KfW-Bank, finanziert werden. Westliche börsennotierte Agrarunternehmen sollen ukrainisches Land pachten, um in der EU verbotene genmanipulierte Pflanzen anzubauen. Der berüchtigte US-Konzern Monsanto hat 2014 bereits 140 Millionen Dollar in der Ukraine investiert. MRK

 

Gastarbeiter bleiben fern

Moskau – Nur 35 bis 40 Prozent der Gastarbeiter sind nach den Weihnachtsferien nach Russland zurückgekehrt. Für Tellerwäscher, Reinigungspersonal, Lageristen, aber auch für Bauarbeiter lohnt es sich seit dem rapiden Rubelverfall kaum noch, in Russland zu arbeiten. Verdiente etwa ein Bauarbeiter aus Usbekistan vor der Krise 2000 Dollar pro Monat, ist es heute nur noch die Hälfte. Für Usbeken wirkt sich die Gesetzesnovelle für Gastarbeiter (siehe PAZ Nr. 6, Seite 13) negativ aus. Sie ziehen es vor, in Kasachstan zu arbeiten. MRK


S. 8 Forum

Im Ärzte-Basar
von Frank Horns

Nein, Ärzte sind keine Autoverkäufer oder Staubsaugervertreter. Wer sie aufsucht, ist in der Regel in ernsten Nöten. Es geht um die eigene Gesundheit, vielleicht sogar um Leben und Tod. Zum Arzt besteht ein vertrauensvolles, sehr spezielles Verhältnis. Sein Wort hat ein anderes Gewicht als das des Mannes aus dem Autohaus oder seines Verkaufskollegen, der an der Haustür vom neuen Vorwerk-Modell schwärmt.

Umso gravierender ist es, wenn seit einigen Jahren der Gang zum Arzt immer mehr an einen Basarbesuch erinnert. Um ihre schwindenden Erlöse aufzupeppen, machen die Mediziner mit Individuellen Gesundheitsleistungen, IGeL genannt, Kasse (siehe Seite 4). Sie bieten Seriöses und Unseriöses feil, Wirksames und Zweifelhaftes. Damit die Nachfrage stimmt, besuchen sie sogar Schulungen, in denen sie für solche Verkaufsgespräche trainiert werden.

Das Ganze ist ein unhaltbarer Zustand. Patienten brauchen die Sicherheit, dass sie sich auf die Empfehlungen ihres Arztes verlassen können, dass ihm die Heilung wichtig ist und nicht der Kommerz. Es wird Zeit für eine radikale Therapie des Gesundheitssystems.


König Olaf
von Manuel Ruoff

Viele Beobachter fragen sich, warum Hamburgs sozialdemokratischer Erster Bürgermeister Olaf Scholz trotz seines eher bürgerlichen Auftretens einer rot-grünen gegenüber einer rot-gelben Koalition schon frühzeitig den Vorzug gegeben hat. Möglicherweise wollte er Bürgerliche, denen Rot-Grün ein noch größerer Horror ist als eine Fortsetzung der SPD-Alleinregierung, nötigen, SPD zu wählen.

Tatsächlich können die Forderungen der Grünen nicht nur bürgerlichen Hamburgern Angst und Bange machen. So wollen erstere die für den Erhalt Hamburgs als Tor zur Welt nötig erscheinende Elbvertiefung verhindern, für illegale Einwanderer sogenannte politische Lösungen zum trotzdem Bleiben finden und in einer Zeit, in der es primär an Facharbeitern mangelt, an der Massenuni Hamburg noch mehr Studienplätze schaffen. Noch die vernünftigste Forderung ist die nach einem Verzicht auf Olympia (siehe Seite 8). Die Hanseaten sind stolz genug, als dass sie teure Prestigeprojekte benötigten, und die öffentliche Hand hat hinlänglich unter Beweis gestellt, dass sie Großprojekte nicht (mehr) kann.

Aber Scholz hat sich ja nicht bedingungslos den Grünen ausgeliefert. Schon am Wahlabend machte er deutlich, dass die Koalitionsgespräche seinen Wahlsieg widerspiegeln müssten. Sollten die Grünen das anders sehen, hat er im Gegensatz zu jenen eine Alternative. Und sollten sich die Freidemokraten trotz ihres bereits vorliegenden Koalitionsangebotes verweigern, bliebe noch die Möglichkeit einer kleinen Koalition mit der CDU – von einer großen Koalition ließe sich bei den mageren 16 Prozent der Union ja kaum noch sprechen.


Führen heißt zusammenführen
von Hans Heckel

Noch am Abend ihres Hamburger Triumphes hat sich gezeigt: Für die AfD beginnt nun erst der schwerste Teil des Weges zu einem konsolidierten Mitspieler im deutschen Parteiensystem. Es zeichnen sich markante Flügelkämpfe ab.

Der prominenteste Repräsentant der Partei, Bernd Lucke, hat durch seine Wortwahl nicht eben zur Entspannung beigetragen: Hamburg habe gezeigt, so Lucke, dass die AfD „auch in einer liberalen, weltoffenen Großstadt“ erfolgreich sein könne.

Was immer er damit ausdrücken wollte. Bei manchem seiner Parteifreunde in den neuen Bundesländern wurde dies so verstanden, als habe die AfD erstmals bei den „richtigen“, den reputierlichen Wählern gepunktet. Als seien die Anhänger in Brandenburg, Sachsen oder Thüringen sozusagen Wähler der zweiten Garnitur, die – wenn man sich ihrer auch nicht schämt – nicht so viel zählten wie jene im „weltoffenen“ Hamburg.

So konnte der Eindruck entstehen, als hätte sich Lucke über die viel deutlicheren Siege in den neuen Bundesländern nicht ungetrübt gefreut, weil dort seine innerparteilichen Widersacher vom konservativen Flügel dominieren, derweil in Hamburg mit Jörn Kruse nun endlich einer „seiner“ Leute vom wirtschaftsliberalen Lager gewonnen habe.

Der Eindruck mag ungerecht sein. Denn Lucke hat Recht, wenn er hervorhebt, dass traditionelle Parteibindungen im Westen stärker sind, weshalb es eine neue Gruppe dort besonders schwer hat. Auch ist ihm zuzustimmen, dass das rote Hamburg für keine bürgerliche Partei ein einfaches Pflaster ist.

Dennoch: Lucke strebt den alleinigen Parteivorsitz an, er will die gesamte AfD führen. Da ist es auch für ihn riskant, wenn er zunehmend als Vertreter nur eines Parteiflügels wahrgenommen wird. Ein Vorsitzender muss führen, und führen bedeutet auch: die Flügel zusammenführen.

Denn auch sein weltanschaulicher Rivale Alexander Gauland liegt richtig, wenn er betont, dass es ohne die nationalkonservativen Wähler für die AfD nicht reichen dürfte, um flächendeckend die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Eine allein auf die „weltoffenen, liberalen Großstädter“ fixierte AfD könnte als Neuaufguss der FDP wahrgenommen und von den Wählern schnell zu den Akten gelegt werden.

Um das zu verstehen, muss Lucke nicht einmal nach Brandenburg oder Sachsen fahren. Das abschreckende Beispiel der Hamburger CDU sollte Lehrbeispiel genug sein. Die Christdemokraten an der Alster sind ihrem Idealbild des „liberalen, weltoffenen Großstädters“ mit solcher Hingabe gefolgt, dass ihnen zum Schluss jedwedes sichtbare Profil abhandengekommen war. Das Resultat ist eine epochale Wahlkatastrophe.


Moment mal!
Dresden war ein Kriegsverbrechen
von Klaus Rainer Röhl

Als die deutsche Kapitulation nur noch eine Frage von wenigen Wochen war, am 13. Februar 1945, ordnete der britische Luftmarschall Arthur Harris die umfangreichste Hinrichtung deutscher Zivilisten an, die es je in diesem Krieg gegeben hatte: Die Vernichtung der alten Barockstadt Dresden mitsamt ihren Einwohnern und etwa 200000 in der Stadt befindlichen Flüchtlingen durch einen überdimensionalen Flächenbrand. Die Toten schätzte man auf weit über 100000, Verletzte und Schwerverletzte gab es noch einmal so viel, über ihre Zahl gibt es nur Schätzungen. So schätzte das Internationale Rote Kreuz 275000 Tote. Die Regierung der DDR gab die Anzahl der Toten mit 40000 an, weil sie nur die in den Massengräbern bestatteten Menschen zählte. Es war ein Massaker, jedes Kriegsverbrecher-Tribunals würdig. Eine Steigerung der Grausamkeit gegen Frauen und Kinder erschien nicht mehr denkbar. Hiroshima war eine solche Steigerung.

Doch die Opfer der amerikanischen Atombombe auf Hiroshima starben ohne Furcht, in einem Augenblick ungläubiger Überraschung. Sie sahen von der Atomexplosion nur ein sehr helles Licht. Die es gesehen hatten, waren im gleichen Augenblick schon tot. Die Bewohner von Dresden und die in der Stadt kampierenden Flüchtlinge starben unter Höllenqualen in einem von Harris und seinen Planern wissenschaftlich vorausberechneten Inferno von Feuerstürmen – noch in die überfüllten Parks und Grünanlagen, in die sich zehntausende von Verzweifelten geflüchtet hatten, warf man Luftminen und Splitterbomben. Der Sog des Feuers war so heftig, dass es allen Sauerstoff wie in einem Gebläse aufsaugte und die Menschen, die keinen Sauerstoff mehr einatmen konnten, so dass ihre Lungenbläschen von innen her platzten, einen qualvollen Erstickungstod erlitten. Auf die Überlebenden und Flüchtenden machten amerikanische Begleitjäger, die keine deutschen Flugzeuge mehr vorfanden, Jagd mit ihren schweren Maschinengewehren, mit großem Erfolg, wie man hört.

Dieser Massenmord an Zivilisten wurde denn auch schon im gleichen Monat Februar von den großen englischen Zeitungen erstmals so genannt und kritisiert. Auch nach dem Krieg, als Harris, wenig geehrt auch von seinen Vorgesetzten und den anderen Kriegskameraden, alle Publikumsgunst verloren hatte, fiel es ihm schwer, die Auslöschung von Dresden und seiner Bewohner zu rechtfertigen. Er starb, im Gegensatz zu den anderen führenden Militärs der Alliierten, ohne Einsicht und überzeugt, seinem Land am besten gedient zu haben, am 5. April 1984.

Insgesamt starben über 600000 Deutsche als Opfer des unbeschränkten Bombenkriegs gegen die Wohnviertel, die Zahl der Verwundeten oder für ihr Leben Verkrüppelten und Behinderten kann mit 900000 nur geschätzt werden. Das Statistische Bundesamt gibt die Zahl der Luftkriegstoten auf dem Gebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 mit 593000 an, ohne Österreich, Danzig und das Sudetenland. Mit diesen Gebieten zusammen sind es 653000 Tote. Und niemand in der Welt konnte vorher sagen, was passieren würde, wenn die US-Amerikaner in ihrem eigenen Land hautnah das nachempfinden könnten, was die Einwohner von Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 beim Feuersturm gefühlt hatten, der an einzelnen Stellen Wirbel bildete, die wie ein Schmelzofen bis zu 1000 Grad Hitze erreicht hatten, was die flüchtenden Frauen und Kinder fühlten, bevor das Feuer sie erreichte und ihre Körper zu der Größe eines verkohlten Sonntagsbratens zusammenschrumpften. Die US-Amerikaner hatten nur ganz wenige Luftaufnahmen von der wie ein gigantischer Hochofen glühenden Stadt in der Wochenschau sehen können, nicht die endlosen Reihen der verkohlten Leichen, die man in Massengräbern bestattete. Davon sind kaum Archivbilder vorhanden, die Deutsche Wochenschau hielt diese Schreckensbilder zurück. 40000 Tote gibt die amtliche Statistik der Stadt Dresden in der DDR-Zeit an, das war die Zahl der tatsächlich registrierten und in den Massengräbern mit Erde bedeckten Toten, die wirkliche Anzahl der in den Trümmern verglühten oder pulverisierten Flüchtlinge und Einwohner schätzen die meisten Historiker heute auf über 100000.

Als der Zweite Weltkrieg durch die Kapitulation Japans beendet war, lag ein großer Teil Deutschlands einschließlich ungezählter seiner wertvollsten, in vielen Jahrhunderten erbauten Kulturdenkmäler in Schutt und Asche; in den USA war nicht mal ein Ziegelstein vom Dach gefallen. So blieb es auch während der ganzen 56 Jahre der Nachkriegszeit, trotz der mörderischen Kriege in Korea, Algerien, Vietnam und dem Krieg der Sowjets in Afghanistan – mit Bin Laden als amerikanischem Verbündeten – dem Golfkrieg und schließlich den Balkankriegen. Das US-amerikanische Publikum war sich seines sicheren Logenplatzes im Welttheater sicher und gewohnt, nur von den besten Reportern und Kameraleuten der Welt bedient zu werden, vom Schlachtfeld direkt in die Wohnstube mit den Kartoffelchips. Jahrelang sah es vom Weltkrieg und vom zerstörten Deutschland, von Hiroshima und Korea nur die schönen, tönenden Wochenschauen, ab 45 schon in Farbe, die noch aussahen wie handkoloriert.

Der Vietnamkrieg brachte neben den Splitterbomben und den Entlaubungsmitteln auch eine neue Farbqualität auf die Fernsehschirme, die Blutlachen bei der Erschießung von Vietcong-Sympathisanten wirkten jetzt lebensechter. Was die Berichterstattung noch offenließ, füllte die Phantasie der Filmemacher mit gewaltigen Film­epen, die immer, auch die härtesten, zugleich etwas Kulinarisches hatten, etwas, was man sich gern zweimal ansah, weil es so gut gemacht war und das, obwohl es auch kritisch war, doch zum größeren Wohlbefinden der Nation beitrug, weil man sich sagen konnte: Wir, die wir die Wälder mit Agent Orange entlaubt und Napalm über die Unschuldigen ausgegossen haben, haben immerhin auch diesen schonungslosen Film gedreht und verkauft, wir US-Amerikaner. Jahrelang sah das US-amerikanische Publikum vom Golfkrieg und von den Balkangräueln nur diese perfekten, videogerechten Computeraufnahmen, die von echten Videospielen auch mit Mühe nicht zu unterscheiden waren, sah den sauberen Golfkrieg und später die noch weiter entwickelten „sauberen“ Präzisionsbomben und zielgenauen Raketen auf Belgrad, mit gelegentlichen Kollateralschäden bei der Zivilbevölkerung oder der chinesischen Botschaft, aber niemand in der Welt vermochte den New Yorkern diese Höllenglut des brennenden Kerosins, diesen Brand- und Leichengeruch, diese live aus den Türmen springenden, strampelnden Menschen, diese Berge von rauchenden Trümmern und Schutt je ins eigene Haus zu bringen, wie es am 11. September geschah.

Heute, nach dem 11. September 2001, gibt es keinen New Yorker, der jetzt die Schilderungen der Bombenopfer von Dresden und Hiroshima noch mit dem gleichen höflichem Desinteresse anhören würde wie vor dem Angriff auf die Zwillingstürme in Manhattan. Aus Schaden wird man klug, manchmal sogar mitfühlend.


S. 9 Kultur

Jahrmarkt der Eitelkeit
Auf der Berlinale wurden die Goldenen Bären verteilt − Die Berliner nahmen es zur Kenntnis, mehr aber auch nicht

Wer aus dem Iran kommt, dort heimlich einen regimekritischen Film dreht und diesen außer Landes schmuggelt, hat auf der Berlinale schon so gut wie gewonnen. Mit dem diesjährigen Goldenen Bären für den Film „Taxi“ des iranischen Re­gisseurs Jafar Panahi unterstrich die Berlinale ihre Ambition als politischstem Filmfestival weltweit. So mancher der über 300000 Festivalbesucher fasst sich da angesichts anderer qualitativ hochwertigerer Filme nur verständnislos an den Kopf.

Wer sich morgens in Berlinale-Zeiten am Potsdamer Platz tummelt, wird Zeuge eines unwirklichen Szenarios. Presseleitern hängen angekettet an Absperrgittern, Journalisten aus aller Herren Länder hetzen von Termin zu Termin und Touristen schauen irritiert in den unwirtlichen Berliner Februar.

Alle warten auf das große Ereignis, das dann doch nicht eintritt. Jedenfalls nicht zu so früher Stunde. In den Bäumen rund um den Potsdamer Platz, hängen LED-Lichter in Stabform. Sie sollen vom Himmel fallende Sternschnuppen suggerieren. Noch wirkt es etwas künstlich. Doch wahre Cineasten achten sowieso nur auf die Inhalte.

Selbst in den letzten Tagen der Berlinale stehen die Filmbegeisterten noch Schlange an den Vorverkaufskassen. Gewühle wie auf dem Flohmarkt. Über die ganze Stadt verteilt glühen die Kinoleinwände. Berlinale!

Menschen aus der ganzen Welt drängen sich in den Straßen, machen Fotos von sich und ihren Begleitern. Selbst auf den Gehwegen tummeln sich Kameraleute und keiner weiß genau warum. Testen sie die Technik, während sie das gegenüberliegende Hotel durch die Kameralinse in Augenschein nehmen? Die ganze Filmcrew schiebt sich durch die Menge. Ein Pulk Touristen hinterher. In der Josef-von-Eichendorff-Gasse, wenige Meter vom Berlinale-Palast, gibt es „Street-Food“ − Straßennahrung also, die man an bunten Imbiss-Wagen erstehen kann.

Wer sich vom Gewusel treiben lässt, gerät zwangsläufig ins Zentrum des Geschehens, zum Berlinale-Palast. Niemanden interessiert es zu früher Stunde, wer hier ein- oder ausgeht. Die roten Teppiche sind verwaist, die Prominenten schlafen noch. Dennoch herrscht reges Treiben. Unablässig palavern von übergroßen Video-Leinwänden die Teilnehmer der Pressekonferenzen auf den Marlene-Dietrich-Platz, live geschaltet und hochaktuell. Doch kaum je­mand nimmt Notiz. Jetzt ero­bern die Besucher die feuerfarbene Auslegeware, während die Kameras unter Schutzhüllen auf ihren abendlichen Einsatz warten.

Im Keller des Palastes hocken Filmkritiker aus aller Welt über ihre Laptops ge­beugt und berichten hektisch von dem, was sich ereignet. Obwohl niemand die internationale Strahlkraft des Festivals leugnen kann, zieht es an vielen, die hier leben, doch ziemlich unaufgeregt vorbei. „Mit der Berlinale habe ich gar nichts am Hut“, sagt eine Frau aus Brandenburg. Vielleicht auch, weil man nicht mehr so hautnah dran ist an den Stars wie Maria Schell, als sie 1955 den Film „Die Ratten“ vorstellen durfte.

Doch, was war früher anders? Angefangen hat alles auf Initiative des amerikanischen Filmoffiziers Oscar Martay. Zusammen mit Kollegen und Vertretern des Berliner Senats wurde die Gründung eines Internationalen Filmfestivals für Berlin beschlossen und 1951 mit Alfred Hitchcocks „Rebecca“ eröffnet. Ein Schaufenster zur freien Welt sollte das jährliche Fest werden. Schnell etablierte sich der Name „Berlinale“. Der Glanz der anreisenden Stars ließ für die Länge ihrer Filme die Trümmerlandschaft ins Vergessen geraten. Die Bä­ren aus edlem Metall wurden nach einer Vorlage der Bildhauerin Renée Sintenis erschaffen und erinnern an goldene Ufa-Zeiten, als Berlin bedeutende Filmstadt war. Im ersten Jahr bewertete eine deutsche Fachjury. Doch die Organisation der „Fédération Internationale des Associations des Producteurs de Films“ (FIAPF) machte deutlich, dass Fachjurys nur „A-Festivals“ wie in Cannes oder Venedig vorbehalten sind. Und da war die Berlinale noch lange nicht. Also urteilte ab jetzt eine Publikumsjury.

Im Osten der Stadt stieß das Ereignis auf Kritik, weil Filme aus sozialistischen Ländern ausgeschlossen wurden. 1956 gab es ei­nen Karrieresprung für das we­gen des hemdsärmligen Umgangs der Berliner mit den Stars als „Festival des kleinen Mannes“ bezeichnete Fest. Die FIAPF er­kannte der Berlinale den A-Status zu. Man wurde in­ternational. Die Anzahl der Fachbesucher und Journalisten verdoppelte sich. Das Publikum, bisher ganz dicht dran, wurde durch Barrieren auf Abstand gehalten. Bewerten durfte es sowieso nicht mehr. Das übernahm eine internationale Fachjury. Das publikumswirksame Glamour-Festival war passé. Vielleicht ein Grund, warum sich der „Durchschnitts-Berliner“ seitdem hier seltener sehen lässt.

1974 wurde erstmals ein sowjetischer Film auf der Berlinale ge­zeigt. Die Politik Willy Brandts entfaltete ihre Wirkung auch hier. Ein Jahr später nahmen Filme aus sozialistischen Staaten teil, auch Defa-Filme. Produktionen aus aller Welt beteiligten sich am Wettbewerb. Seit 1978 ist der Fe­bruar fester Termin für die Filmschaffenden. 2001 übernahm Dieter Kosslick und führt seitdem das politischste Filmfestival weltweit engagiert an.

Auf ihn wartet auch heute hier ein junger Mann mit großem Schild an der Absperrung. Er sei schon zum vierten Mal da, sagt er, und möchte endlich den Festivaldirektor persönlich treffen. Vielleicht klappt es diesmal. Langsam setzt die Dämmerung ein und jetzt kommen die Sternschnuppen voll zur Geltung. Hundertfach fallen sie vom Berliner Himmel. Regnen herab auf A-, B- und C-Prominente, die sich hier gerne tummeln und ablichten lassen. Wenn die Bären verliehen, die Touristen abgereist sind und die Müllabfuhr die Reste zusammenfegt hat, wird man sich kaum noch erinnern können. Berlinale? Ach ja, da ist in Mitte immer so viel abgesperrt. Silvia Friedrich


Auf die Figur geachtet
Farblich schlanker Stil − Große Oskar-Schlemmer-Schau in Stuttgart

Die im Profil wiedergegebene „Rosa Strobel“ (1914) ist mit scharfer Nase, schmalen Lippen und mächtigem Kinn eine einnehmend komische Gestalt in gespenstischer Be­leuchtung. Mit ihrer gliederpuppenhaft stilisierten Erscheinung hat Oskar Schlemmer (1888–1943) gleichsam den Prototyp seiner Figurendarstellungen entwickelt, die fortan seine Bilder bevölkern. In seinem Schaffen ist der Mensch das Maß aller Dinge. Seine Kunst galt ihm als visionäres Gleichnis, als Vorwegnahme einer von zwischenmenschlicher Harmonie beseelten besseren Zu­kunft, wie Ina Conzen urteilt. Sie ist Kuratorin der großartigen Retrospektive in der Staatsgalerie Stuttgart, die erstmals wieder seit fast 40 Jahren Schlemmers Schaffen in seiner ganzen Bandbreite vorstellt.

Der in Stuttgart geborene Schlemmer war seit 1921 Lehrer am Bauhaus in Weimar, später in Dessau, bevor er 1929 an die Staatliche Kunstakademie in Breslau wechselte. Von dort ging er 1932 an die Berliner Vereinigten Staatsschulen. Im Jahr darauf sorgten die Nationalsozialisten für seine fristlose Entlassung aus dem Staatsdienst und 1937 für seine öffentliche Diffamierung in der Ausstellung „Entartete Kunst“. Schlemmer hielt sich, seine Frau und die drei Kinder mit Privataufträgen und der Anstellung im Lacklaboratorium der Wuppertaler Firma Kurt Herberts über Wasser.

Neben der Malerei und der zeitweise betriebenen Bildhauerei galt seine Liebe der Bühnenarbeit. Von der kündet in der Retrospektive die Ausstattung der Tänzer des „Triadischen Balletts“, die in Form von Figurinen (1922) gezeigt wird. Der mit Stoffwürsten behangene „Taucher“, die mit einem Serpentinenröckchen be­kleidete „Spirale“ und die anderen Charaktere zeichnen sich durch karnevaleske Qualitäten aus. Schlemmers Malerei hingegen wirkt zumeist still und geheimnisvoll. Zu den Hauptwerken gehört die feierliche Gesten vollziehende „Frauengruppe“ (1931), die wie eine Versammlung von Priesterinnen anmutet. Im präzise konstruierten modernen Hier und Jetzt der Weimarer Republik hingegen bewegen sich die neun auf- und absteigenden Figuren des Gemäldes „Bauhaus­treppe“ (1932), das Schlemmer für sein „vielleicht bestes“ Werk hielt. Zu den bekleideten Figuren treten seit 1925 wiederholt Jüng­lingsakte, die die stillen Versammlungen mit gymnastischen Bewegungsmotiven beleben.

Der in der NS-Zeit aus dem öffentlichen Kunstleben verbannte Schlemmer blieb seiner Figurenmalerei treu. Mehr oder weniger offensichtlich spiegelt sie nun seine prekäre Situation. Beson­ders deutlich wird er im Ge­mälde „Beim Tarnen des Gaskessels“ (1942), das in Anspielung auf seinen zeitweiligen Broterwerb drei Männer bei der Arbeit mit Farbspritzpistolen zeigt. An­dere Gemälde entwickeln eine tröstliche Lichtmagie. In der in flackerndes Licht getauchten „Heroischen Szene“ (1935) sind die Figuren wie in gegenseitiger Solidarität zusammengerückt. Die Figur, um die sich die anderen gruppieren, hält wie zum Zeichen des Durchhaltewillens in bedrückender NS-Zeit ein Flämmchen hoch. Veit-Mario Thiede

Bis 6. April in der Staatsgalerie Stuttgart, Konrad-Adenauer-Al­lee 30–32, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Telefon (0711) 470400. Der Katalog (Hirmer Verlag) kostet im Museum 29,90 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro.


»Evangelischer Petersdom«
Dresdner Schlosskapelle wird als Konzertsaal Alter Musik genutzt

Die Kapelle im Dresdner Residenzschloss ist nach der von Torgau der zweite protestantische Sakralraum Sachsens. Der hier residierende lutherische Kurfürst war nicht nur Landesherr, sondern zugleich oberster Bischof aller Protestanten im Reich. Darum wird die Schlosskapelle auch als „evangelischer Petersdom“ bezeichnet.

Ihre Rekonstruktion im Rohbau ist jetzt beendet. Noch sind unverputzte Ziegel, blanker Beton und Eisenträger zu sehen. Ein einzigartiges Schlingrippengewölbe schmückt zu­gleich die De­cke. Da von diesem nur noch alte Stiche überliefert waren, ist es eigentlich eine Neuerfindung. Die Raumausstattung fiel nicht erst der Bombennacht von vor 70 Jahren zum Opfer. Das Gewölbe wurde bereits nach der Konversion des Landesherrn zum katholischen Glauben 1737 entfernt. Es entstanden dort Wohnräume. Je­ner Teil des Schlosses wurde allerdings 1945 stark beschädigt. Die anschließende Substanzsicherung war nur un­zureichend. 20 Jahre nach Kriegs­ende stürzte hier noch eine Mauer ein.

Da die Ausstattung des 18. Jahrhunderts dahin war, schlugen Mu­sikfreunde be­reits in den 70er Jahren vor, die frühere Schlosskapelle wieder erstehen zu lassen. Die war nicht nur als Bauwerk bedeutend. Es handelt sich zugleich um die Wiege der eigenständigen deutschen Musikkultur. Hofkapellmeister Heinrich Schütz wirkte hier. Er hatte in Venedig studiert und war der erste Tonsetzer, der die deutsche Musik aus ihrer provinziellen Abgeschiedenheit auf ein europäisches Niveau führte. Er vertonte die Psalmen und entwickelte dabei musikalische Wendungen für die deutsche Sprache der Bibelübersetzung. Mit dem Dichter Martin Opitz schuf er mit „Dafne“ die Vorform einer deutschen Oper.

Der 2006 in Dresden verstorbene Musikwissenschaftler Wolfram Steude war der Nestor der Schütz-Forschung. Er hat stets auf die Bedeutung des Ortes hingewiesen. Nachdem das Staatsschauspiel den provisorisch wie­derhergestellten Raum als Ausweichspielstätte nutzte, nahm dort vor fünf Jahren die Reihe „Konzerte in der Schlosskapelle“ mit den drei Ensembles Dresdner Barockorchester, Cappella Sagittariana und Dresdner Kammerchor ihren Anfang. Unter den Sandsteinverschlingungen, die von den toskanischen Halbsäulen der Empore aufragen, hat die Alte Mu­sik wieder einen Aufführungsort ge­funden, der sie mit ihrer ehrwürdigen Vergangenheit verbindet.

Derzeit wird die Schlosskapelle auch von der Dresdner Philharmonie genutzt. So­listen des Or­chesters führen hier Kammerkonzerte auf, bei denen neben Barockkompositionen auch Werke von modernen Komponisten auf dem Programm stehen. Die Verbindung der Barock­musik mit den Klängen von Schostakowitsch, Hindemith oder auch von zeitgenössischen Tonsetzern entspricht der umgebenden baulichen Kombination von präzisem Gussbeton mit grundsolider Maurer- und Steinmetzarbeit. Sebastian Hennig


S. 10 Geschichte

Eine Entscheidung gegen die Staatsräson
Vor 40 Jahren entführte die »Bewegung 2. Juni« den Berliner CDU-Spitzenkandidaten Peter Lorenz

Die Entführung des Politikers Peter Lorenz (CDU) durch Linksterroristen vor 40 Jahren blieb bislang der einzige bekannte Fall, bei dem die Bundesregierung den Forderungen der Erpresser nachgegeben hat. Seitdem wird die Frage immer wieder gestellt, ob und wie weit der Staat auf Forderungen eingehen sollte, um Leben zu schonen.

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vom 2. März 1975 trat der CDU-Landesvorsitzende Peter Lorenz als Spitzenkandidat seiner Partei an. Drei Tage vor der Wahl hatte er sich um 8.45 Uhr zur Fahrt ins Büro von seinem Fahrer Werner Sowa abholen lassen. Sie starteten von Lorenz’ Haus in der Elvirastraße, unweit der Krummen Lanke. Etwas weiter als einen Kilometer waren sie gefahren, als an der Ecke Quermatenweg/Ithweg ein Lastwagen der Spedition „Karolewicz“ einbog. Sowa bremste, im gleichen Augenblick fuhr ein Fiat 124 Spezial auf den Dienst-Mercedes auf. Sowa stieg aus, um sich den Schaden an der Stoßstange zu besehen. Als es sich bückte, erhielt er einen Schlag auf den Kopf. Im Dienstwagen kam es zu einem heftigen Handgemenge mit Peter Lorenz, bei dem die Windschutzscheibe zu Bruch ging. Mit einer mehrfach in den Leib gerammten Spritze wurde Lorenz betäubt.

Vier Stunden später wurde der Wagen in einer Tiefgarage an der Neuen Kantstraße entdeckt. Die Täter hatten die Autos gewechselt und Lorenz in einen Keller gebracht, den sie zynisch „Volksgefängnis“ nannten. Erst sehr viel später wurde dieses Verlies gefunden. Es befand sich unter einem Trödlerladen in der Schenkendorfstraße in Kreuzberg, in unmittelbarer Nähe zum Polizeipräsidium.

Am folgenden Tag lagen ein Polaroidfoto und ein Bekennerschreiben im Postkasten der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das Foto zeigte den noch halb betäubten Peter Lorenz mit einem Schild, auf dem stand: „Peter Lorenz, Gefangener der Bewegung 2. Juni“. In dem Brief wurde verlangt, sechs einsitzende Gesinnungsgenossen binnen 72 Stunden aus dem Gefängnis zu entlassen. Sie waren wegen versuchten Mordes oder Mitgliedschaft in der Rote Armee Fraktion (RAF) zu Haftstrafen zwischen sechs und zwölf Jahren verurteilt worden. Freigepresst werden sollten Verena Becker (22), Gabriele Kröcher-Tiedemann (28), Horst Mahler (39), Rolf Pohle (33), Ingrid Siepmann (30) und Rolf Heißler (26).

Das Opfer: Peter Lorenz wurde am 22. Dezember 1922 in Berlin geboren. Nach dem Abitur folgte der Einsatz beim Reichsarbeitsdienst und als Soldat an der Ostfront. Er gehörte zu den Überlebenden der Schlacht bei Stalingrad. Nach dem Krieg arbeitete er als freier Journalist, ehe er Rechtswissenschaft studierte.

Der CDU gehörte Lorenz bereits ab 1945 an, 1969 wurde er deren Berliner Landesvorsitzender. In dem Amt blieb er bis 1981. Auf Drängen von Helmut Kohl verzichtete Lorenz 1978 darauf, noch einmal für das Amt des Berliner Bürgermeisters zu kandidieren. Statt seiner trat Richard von Weizsäcker an. 1982 wurde Lorenz Parlamentarischer Staatssekretär in Bonn. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder.

Die Täter: Auf das Konto der Bewegung 2. Juni gingen bis zur Entführung von Peter Lorenz die Ermordung des Präsidenten des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann, Anschläge mit Todesfolgen, Sprengstoff- und Brandanschläge. Die linksextremistische Terrororganisation war während der 70er Jahre in Berlin aktiv. Benannt wurde sie nach dem Datum, an dem der Student Benno Ohnesorg während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs erschossen worden war. Die meisten Mitglieder tauchten später bei der RAF auf.

Die Entscheidung: In Bonn tagte erstmals der „Große Krisenstab“. Den Vorsitz hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt. Führende Politiker der Opposition waren beteiligt, darunter auch der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl. Es galt, eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung zu treffen: Darf ein Staat sich erpressen lassen? Oder muss er nachgeben, um ein Menschenleben zu retten? Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Schütz (SPD), mit Peter Lorenz seit dem gemeinsamen Studium befreundet, gab in der Runde den Ausschlag: Das Leben von Peter Lorenz gehe vor. „Alle an dieser schweren Entscheidung Beteiligten haben mit unterschiedlicher Abwägung die Rettung des Lebens von Peter Lorenz über Gesichtspunkte der Staatsräson gestellt“, sagte der damalige Innenminister Werner Maihofer.

Die Folgen: Wie von den Entführern verlangt, begleitete der Pastor und ehemalige Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz die freigepressten Terroristen am 3. März 1975 auf dem Flug nach Aden in dem damals kommunistischen Südjemen. Einer fehlte dabei allerdings. Horst Mahler hatte es abgelehnt, sich freipressen zu lassen. Nach der Landung übermittelte Albertz via „Tagesschau“ die vereinbarte Losung: „So ein Tag, so wunderschön wie heute.“ Mit zwei Groschen – zum Telefonieren – wurde Peter Lorenz in einem Park freigelassen.

Der Fall hatte – vordergründig – ein gutes Ende genommen und sollte sich so doch nicht wiederholen. Als zwei Monate später die RAF die deutsche Botschaft in Stockholm überfiel und versuchte, 26 in Gefängnissen sitzende Terroristen freizupressen, blieb die Regierung hart. Zwei Diplomaten bezahlten diese Weigerung mit ihrem Leben. Die handelnden Politiker hatten bald erkannt, dass das Nachgeben im Fall Lorenz ein Fehler gewesen war. „Der Staat war erpressbar geworden“, schrieb Kohl später in seinen Erinnerungen. So etwas sollte niemals wieder geschehen. Der Fall Lorenz markiert einen Wendepunkt.

Die durch die Lorenz-Entführung Freigepress­ten setzten ihre terroristischen Karrieren fort. Erpressung, Entführung, Raubüberfälle, mehrere erschossene oder lebensgefährlich verletzte Polizeibeamte und Zöllner sind ihre Spur nach der Rückkehr aus dem Jemen. Ebenso Beteiligungen an den Morden an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer und Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Klaus J. Groth


Marx nannte er einen »gelehrten Sonnengott«
Die Arbeit als Armenarzt und der Kontakt zu einem »Kommunistenrabbi« sensibilisierten Andreas Gottschalk für die soziale Frage

Am 3. März 1848 drängelten sich vor dem Kölner Rathaus an die 5000 Menschen. Sie forderten politische Reformen sowie den „Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Lebensbedürfnisse für alle“. Einer der Organisatoren dieses Massenauflaufes war Andreas Gottschalk. Der junge Arzt erhielt schließlich auch Zugang zur Stadtverordnetenversammlung, um dort für das Volk zu sprechen. Während er dies tat, zog allerdings ein Bataillon Infanterie vor dem Gebäude auf, was viele der Demonstranten veranlasste, in dessen Inneres zu drängen. Hierdurch wiederum gerieten zwei der Ratsherren in Panik und sprangen aus dem Fenster des Sitzungssaales, wobei sich einer der beiden die Beine brach. Daraufhin ließ der Kölner Regierungspräsident Karl Otto von Raumer (1805–1859) Gottschalk wegen „Aufreizung zum Aufruhr“ festnehmen. Allerdings blieb der angebliche Hauptverantwortliche für den „Kölner Fenstersturz“, der flugs zu einem „unerhörten Attentat“ stilisiert wurde, nicht lange in Haft, denn das Überschwappen der Unruhen nach Berlin zwang die preußische Staatsführung unter König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) recht bald zur Milde gegenüber „Aufrührern“ wie Gottschalk.

Was aber hatte den angesehenen Nachwuchsmediziner dazu gebracht, sich derart zu exponieren? Immerhin schien sein bisheriges Leben doch ganz normal und gutbürgerlich verlaufen zu sein. Der am 28. Februar 1815 in Düsseldorf geborene Sohn eines Talmudgelehrten und Schächters studierte nach dem Abitur Medizin sowie Altphilologie, Philosophie und englische Literatur. Das Studium schloss er mit einer Promotion über den Blutandrang zum Gehirn ab. Im Jahre 1842 konvertierte er zum Protestantismus und ließ sich als Arzt in Köln nieder. In dieser Eigenschaft lernte Gottschalk die Not vieler mittelloser Menschen kennen, was ihn gleichermaßen politisierte wie die Kontakte zu dem jüdischen Journalisten und Schriftsteller Moses Hess (1812–1875), der als „Kommunistenrabbi“ galt und zu den Mitbegründern der oppositionellen demokratischen „Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe“ zählte.

Und Gottschalks Engagement endete dann auch nicht mit seiner Freilassung Mitte März 1848. Vielmehr gründete er unmittelbar im Anschluss hieran den Kölner Arbeiterverein, dessen konkrete sozialreformatorische Programmatik eine solche Attraktivität besaß, dass in kürzester Zeit 8000 Mitglieder zusammenkamen. Desgleichen gehörte der Armendoktor zum Kreise derer, die im Juni 1848 den Centralmärzverein aus der Taufe hoben. Dabei handelte es sich um einen Zusammenschluss diverser demokratischer Organisationen auf nationaler Ebene, der als erste moderne Partei in Deutschland gilt.

Dadurch geriet Gottschalk nun allerdings in Konflikt mit den Bildungs- und Wirtschaftsbürgern im Presbyterium, dem Rat seiner evangelischen Gemeinde. Diese warfen ihm vor, das preußische Gottesgnadentum durch eine Republik ersetzen zu wollen und den Angehörigen der Unterschicht Materialismus zu predigen, was ihnen „den Trost der Hoffnung auf ein besseres Leben im Jenseits“ nehme. Besonders tat sich dabei der Zuckerfabrikant Carl Wilhelm Joest (1786–1848) hervor, der zu den größten Leuteschindern von Köln gehörte. Da half es auch nichts, dass Gottschalk entgegnete, nach seinem Verständnis habe Jesus vor allem den Minderbegüterten, „nicht aber den Reichen, den Müßiggängern und Schwelgern die Gnade und Erlösung bringen“ wollen.

Die größte Gefahr drohte dem ambitionierten Arzt allerdings von den Gerüchten, die über ihn kursierten. So munkelte man unter anderem, er lasse Meuchelmörder ausbilden, und sei im Besitz von drei Guillotinen und einer Tonne Gold. Deshalb wurde er im Juli 1848 erneut verhaftet. Diesmal lautete der Vorwurf gegen ihn und seine beiden Mitangeklagten Carl Friedrich Theodor Anneke (1818–1872) und Christian Joseph Esser, „durch Reden in öffentlichen Versammlungen so wie durch Druckschriften ihre Mitbürger zur gewaltsamen Änderung der Staatsverfassung, zur bewaffneten Auflehnung gegen die Königliche Macht und zur Bewaffnung eines Theiles der Bürger gegen den Anderen geradezu angereizt zu haben“. Damit hätte das Gericht theoretisch auch auf Todesstrafe erkennen können. Aber es kam anders. Obwohl Gottschalk auf jedwede Verteidigung verzichtete, weil er es als sinnlos erachtete, die hanebüchene Anklage zu kommentieren, gelangten die Geschworenen am 23. Dezember 1848 zu dem einhelligen Urteil „Nicht schuldig!“

Danach begab sich der wieder auf freien Fuß Gesetzte zunächst nach Brüssel und Paris, kehrte dann aber bald nach Köln zurück. Dort hatte inzwischen Karl Marx (1818–1883), der frühere Chefre­dakteur der „Rheinischen Zeitung“, die Führung des Arbeitervereins übernommen, was Gottschalk erheblich erboste. Der Armenarzt sah in dem Philosophen und Theoretiker des Sozialismus beziehungsweise Kommunismus nämlich weiter nichts als einen „gelehrten Sonnengott“, der für das Elend der einfachen Leute „nur wissenschaftliches, doktrinäres Interesse“ empfinde.

Auf jeden Fall war Gottschalks politische Laufbahn nun zu Ende, wobei dies freilich nicht nur aus der Verdrängung durch Marx resultierte, sondern auch aus dem Umstand, dass die Revolution auf eine Niederlage hinsteuerte. Zugleich verzichtete der Mediziner aber darauf, zu emigrieren, wie dies einige andere Volksvertreter taten, und kehrte stattdessen wieder in seinen alten Beruf zurück. Bald darauf brach in Köln eine schwere Choleraepidemie aus, der bis November 1849 zirka 13000 Menschen zum Opfer fielen. Einer davon war Andreas Gottschalk, der sich wie immer vor allem um die sozial Benachteiligten gekümmert und dabei am Ende selbst infiziert hatte. Er starb am 8. September 1849 in seinem Haus in der Röhrergasse, woraufhin die Zeitung des Arbeitervereins vermeldete: „Wir haben einen Bruder verloren.“ Dahingegen brachte die evangelische Gemeinde zu Köln keinen würdevollen Abschied zustande – ihr Pfarrer boykottierte sogar die Trauerfeierlichkeiten, weil er einem Sozialisten nicht die letzte Ehre erweisen wollte.

Wolfgang Kaufmann


S. 11 Preussen

Furchtbare Racheakte waren die Folge
Vor 70 Jahren fiel nach Wochen verbissener Verteidigung Posen im Kampf gegen die Rote Armee

Kurz nach Beginn der sowjetischen Weichsel-Oder-Offensive kam es am 25. Januar 1945 zur Einkesselung Posens. Dem folgte eine vierwöchige Belagerung der Stadt, in deren Verlauf die deutschen Verteidiger energischen Widerstand leisteten, was dann nach ihrer Kapitulation zu grausamen Racheaktionen seitens der Roten Armee führte.

Am 14. Januar 1945 eröffnete die 1. Weißrussische Front unter Marschall Georgij Schukow (1896–1974) eine Großoffensive, in deren Verlauf sie quer durch das Warthegau vorstieß. Damit kam wieder einmal Adolf Hitlers Verteidigungskonzept für die Ostfront zum Tragen, das vorsah, dass Städte wie Posen zur Festung erklärt und unter allen Umständen gehalten werden müssen, um „möglichst starke Feindkräfte zu binden“ und „dadurch mit die Voraussetzung für erfolgreiche Gegenoperationen zu schaffen“.

Allerdings war die Hauptstadt des Warthegaus für diese Aufgabe nur sehr mangelhaft gerüstet, obwohl sich hier eine eindrucksvolle Zitadelle aus dem 19. Jahrhundert befand, zu der 22 Außen- beziehungsweise Innenforts und ein überaus massives „Kernwerk“ gehörten. Zum einen verfügte der am 20. Januar 1945 eingesetzte Festungskommandant, Generalmajor Ernst Mattern (1890–1962), über keine sonderlich schlagkräftige Streitmacht. Zwar unterstanden ihm wohl zwischen 30000 und 60000 Mann (die genauen Zahlen sind nach wie vor umstritten), allerdings gehörten hierzu auch die wenig kampferfahrenen Fahnenjunker der Posener Infanterieschule sowie Polizisten, Landesschützen, Volksturmmänner, Eisenbahner und Feuerwehrleute. Zum anderen war die Bewaffnung der Verteidiger ausgesprochen dürftig: mit 30 Sturmgeschützen und vier Panzern sollten sie den Ansturm mehrerer russischer Divisionen abwehren.

Aufgrund der Vorhersehbarkeit der Katastrophe verließen die meisten der rund 90000 volksdeutschen Zivilisten die Stadt, nachdem sich Arthur Greiser (1897–1946), der Gauleiter des Warthegaus, am 18. Januar endlich dazu durchgerungen hatte, die Genehmigung hierzu zu erteilen – bis dahin galt die Devise: Ausharren, denn die Wehrmacht werde keinen Meter deutschen Bodens freigeben! Ja, der scheinbar so endsieggläubige Spitzenfunktionär ergriff schließlich sogar selbst die Flucht, als am frühen Morgen des 20. Januar „Festungsalarm“ ausgelöst wurde. Dabei standen die sowjetischen Truppen zu diesem Zeitpunkt noch rund 130 Kilometer entfernt.

Am 24. Januar 1945 war es dann allerdings tatsächlich so weit. Die 1. Gardepanzerarmee von Generaloberst Michail Katukow (1900–1976) erreichte Posen. Und sofort zeigte sich wieder, wie militärisch sinnlos das Verharren in Festungen oder an „festen Plätzen“ war, denn die Panzer stießen einfach nördlich oder südlich an dem „Bollwerk“ vorbei, wonach sie bis zum 31. Januar die Oder erreichten und somit nur noch 60 Kilometer vor Berlin standen.

Darüber hinaus bekam aber auch Posen die ganze Übermacht des Feindes zu spüren, als am Tage nach der Ankunft der russischen Panzerspitzen vier Schützen-Divisionen der 8. Garde-Armee unter Generaloberst Wassilij Tschuikow (1900–1982) und zwei weitere Divisionen der 69. Armee von Generalleutnant Wassilij Kazakow (1898–1968) zum Sturm ansetzten. Gegen diese Streitmacht – es handelte sich hier immerhin um 100000 gut ausgebildete und bestens ausgerüstete Soldaten, die auch reichlich Luftunterstützung bekamen – hatten die Verteidiger natürlich keine Chance. Das hinderte den Reichsführer SS, Heinrich Himmler (1900–1945), der ungeachtet aller Bedenken der deutschen Generalität zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Weichsel avancieren konnte, indes nicht daran, einen „Antrag auf Herausschlagen der Besatzung Posen“ abzulehnen, wobei die vollmundige Begründung des SS-Chefs lautete: „Wir organisieren die Verteidigung und nicht das Davonlaufen.“

Außerdem sorgte Himmler am 30. Januar für die Ablösung von Mattern. An dessen Stelle trat der bisherige Kommandeur der Fahnenjunkerschule, Oberst beziehungsweise dann Generalmajor Ernst Gonell (1902–1945). Der gebürtige Königsberger glaubte zunächst fest daran, dass Posen bald entsetzt werden würde und ging dementsprechend motiviert an seine neue Aufgabe heran. Allerdings konnte er dennoch nicht verhindern, dass die Russen immer weiter in die Stadt eindrangen, wobei sie übrigens wertvolle Erfahrungen im Häuserkampf sammelten, die ihnen später bei der Eroberung von Berlin zugute­kamen. Deshalb verlor die Festungsbesatzung bald jedwede Hoffnung auf einen positiven Ausgang der Kämpfe, wie eine desillusionierte Depesche an das Führerhauptquartier vom 11. Februar 1945 zeigt. Hitler reagierte hierauf, indem er Gonell am 22. Februar das Ritterkreuz verlieh, um ihn zum weiteren Durchhalten zu animieren. Trotzdem aber kapitulierte der Festungskommandant bereits am Morgen des Folgetages, weil die Verteidiger nur noch das Kernwerk der Zitadelle kontrollierten und mit dessen alsbaldiger Erstürmung rechnen mussten.

Die Schlacht um Posen führte zur weitgehenden Vernichtung der historischen Bausubstanz der Stadt. Am Ende war über die Hälfte aller Häuser zerstört und die Altstadt lag sogar fast vollständig in Trümmern. Dazu kamen die Verluste an Menschenleben. Deutscherseits starben rund 5000 Mann, darunter auch Gonell, der sich nach der Kapitulation erschoss, wohingegen die Rote Armee infolge der massiven Gegenwehr der Verteidiger an die 12000 Soldaten verlor. Das war ein unerwartet hoher Blutzoll, der bei den Rotarmisten heftige Rachegelüste weckte, denen insbesondere die 2000 deutschen Schwerverwundeten zum Opfer fielen, die sich zum Zeitpunkt der Kapitulation im Lazarettbunker beziehungsweise den Kasematten der Zitadelle befanden. Diese wurden ab dem 23. Februar mittags erschossen oder aber bei lebendigem Leibe mit Flammenwerfern verbrannt! Das berichteten sowohl deutsche Augenzeugen als auch polnische Bürger, die zugegen waren, als dieses unerhörte Kriegs­verbrechen geschah.

Das Gemetzel von Seiten der Angehörigen der 27., 74. und 82. Garde-Schützendivision, das natürlich keinerlei juristische Konsequenzen für die Beteiligten hatte, überlebten nur die gehfähigen Verwundeten sowie die nichtverletzten deutschen Kombattanten. Allerdings traf auch die der Hass der Sieger, denn sie wurden später mehrmals in entwürdigendster Weise durch die Stadt getrieben, wobei sie den Schlägen und Beschimpfungen polnischer Zivilisten ausgesetzt waren.

Wolfgang Kaufmann


»The Germans to the front«
Admiral Guido von Usedom war der Deutsche, der den berühmten britischen Befehl erhielt

Am 24. Februar jährte sich zum 90. Mal der Todestag des Ostpreußen Admiral Guido von Usedom, der 1854 in Quanditten (Samland) geboren wurde und 1871 in die Kaiserliche Marine eintrat.

Die Vielseitigkeit von Usedoms beruhte nicht nur darauf, dass er persönlicher Adjutant des Prinzen Heinrich von Preußen war, im Marinekabinett Dienst tat und zwischen 1895 und 1900 nacheinander das Kommando über drei kleinere und ein größeres Kriegsschiff, den Großen Kreuzer „Hertha“, führte. Seine hervorragenden Führungseigenschaften konnte Usedom, 1899 zum Kapitän zur See befördert, erstmals in größerem Rahmen während des Boxeraufstands im Jahr 1900 in China unter Beweis stellen. Dort befehligte er das 509 Mann starke deutsche Kontingent im Rahmen eines internationalen, etwa 2000 Mann zählenden Expeditionskorps unter dem Kommando des britischen Admirals Edward Hobart Seymour, dessen Chef des Stabes Usedom war.

Als während des Gefechts von Peitsang am Peiho-Fluss am 22. Juni 1900 die aus Engländern und Amerikanern bestehende Truppenspitze von starken chinesischen Verbänden angegriffen wurde, gab Seymour an Usedom den berühmt gewordenen Befehl: „The Germans to the Front“ – einen Befehl, der später gern als besondere Auszeichnung für die Deutschen angesehen wurde. Der historischen Wahrheit willen sei aber bemerkt, dass mit diesem Befehl die Deutschen, die in Reserve standen, lediglich zur Verstärkung der internationalen Landungskorps-Spitze vorgezogen werden sollten. Gleichwohl fand der Einsatz des deutschen Landungskorps seine sichtbare Anerkennung in der Verleihung des Ordens Pour le mérite durch Kaiser Wilhelm II. an Usedom.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde der nunmehrige Vizeadmiral Usedom an die Spitze eines aus 27 Offizieren sowie 521 Unteroffizieren und Mannschaften bestehenden und für den Einsatz in der Türkei bestimmten Sonderkommandos der Kaiserlichen Marine berufen. Aufgabe dieses Sonderkommandos war es in erster Linie, die landseitige Verteidigung der Dardanellen, der wichtigsten Seeverbindung zwischen dem Ägäischen und dem Marmarameer, zu organisieren. Diese 65 Kilometer lange und zwischen zwei bis sieben Kilometer breite Wasserstraße, im Altertum Hellespont genannt, war seit dem 18. Jahrhundert Ziel russischer Machtpolitik. Ein Vertrag von 1841 verbot die Durchfahrt von nichttürkischen Kriegsschiffen.

Während seines Einsatzes in der Türkei wurde von Usedom zum Generalinspekteur der türkischen Küstenartillerie sowie des Minenwesens ernannt. In weiterer Folge wurde er kaiserlich osmanischer Feldmarschall und Oberbefehlshaber der befestigten Meerengen des Bosporus, der Dardanellen und des Marmarameeres – obwohl noch immer, sozusagen im „Hauptberuf“, kaiserlich deutscher Seeoffizier.

Wegen der siegreichen Abwehr des britischen Großangriffs auf die Dardanellen wurde Usedom am 22. März 1915 zum Generaladjutanten des Kaisers ernannt; am 22. August desselben Jahres erhielt der Admiral aus dem ostpreußischen Quanditten aus der Hand seines Obersten Kriegsherrn, Kaiser Wilhelms II., das Eichenlaub zum Pour le mérite. Er starb am 24. Februar 1925 in Schwerin. E.B.


Humor aus Ostpreußen

In Kreuzburg an der Pasmar in der „Natangischen Schweiz“ wurde am 26. Februar 1845 Wilhelm Reichermann geboren. Nach der Schule lernte er das Handwerk seines Vaters und ging als Wander-Färbergeselle von Ostpreußen fort, lernte Land und Leute kennen in deutschen Städten und Dörfern, auch in Österreich-Ungarn, Norditalien und in der Schweiz.

Zurückgekehrt in seine Heimat,, bestand Reichermann die Meisterprüfung, so dass er nach dem Tod seines Vaters 1874 die Färberei weiterführen konnte. Die Kreuzburgerin Auguste Lemke wurde seine Frau, in ihrer Ehe wurden neun Kinder geboren. 1880 kaufte Reichermann die Alte Ordensmühle, Stadtmühle, nach der Abgabe des Familienbetriebs an seinen jüngeren Bruder. Neben der Erwerbstätigkeit beteiligte sich der Kreuzburger an den städtischen Pflichten. 26 Jahre bekleidete er das Amt des Stadtverordnetenvorstehers. Der Mühlenbesitzer war auch Abgeordneter des Kreises Preußisch Eylau. Er erreichte die Einrichtung eines Elektrizitätswerkes in der Mühle. Seine Mitbürger in Kreuzburg bekamen elektrisches Licht. Eine Kleinbahnlinie nach Tharau wurde eingerichtet.

Wilhelm Reichermann hat über die Vertreibung hinaus mit seinen humoristischen Gedichten in ostpreußischer Mundart den Landsleuten die Liebe und die Treue zur Heimat wachgehalten. Sein erstes Bändchen „Ut Noatange. Plattdütsche Spoaßkes“ erschien 1891 und fand so liebevolle Aufnahme, dass ihm 19 folgen. Eine besondere Ansicht des Ostpreußenwesens, das Vergnügen am spaßigen, in seiner heimatlichen Mundart ungeschminkt vorgetragenem Erlebnis, findet in seinen plattdeutschen Gedichten einen verbindlichen Ausdruck. Reichermann war ein reicher Mann mit lustigen Geschichten in Versen, die zugleich charakteristische Bilder von der Art, dem Leben und Treiben der Einheimischen in einem ostpreußischen Landstädtchen um die vorletzte Jahrhundertwende geben.

Es sind heute kleine Dokumente ostpreußischen Humors, der sich gelegentlich auch zur harmlosen Satire zuspitzt. Für das Plattdeutsche gibt es keine einheitliche Rechtschreibung, selbst innerhalb der einzelnen Gegenden finden sich lautsprachliche Verschiedenheiten. Demgemäß ist auch die Schreibweise meistens etwas verschieden. Reichermanns Erzähl- und Verskunst richtet sich nach der Aussprache im altpreußischen Land Natangen, südlich des Pregels. 1897 erschienen „Natangische Geschichten“, 1915 „Ut e Kriegstied“.

Der „Krüzburgsche Mäller“ und Mundartdichter verkaufte 1909 seine Mühle und verbrachte in Königsberg, Neue Dammgasse 4, seine Lebensjahre im Ruhestand. Dort war er schriftstellerisch tätig und beteiligte sich mit an der Arbeit am „Preußischen Wörterbuch“ des Professors Walther Ziesemer.

Am 9. März 1920 starb Reichermann. 1925 setzte die Stadt Kreuzburg am Waldesrand einen Gedenkstein für ihren Ehrenbürger. Eine kleine Auslese aus „Ut Noatange“ erschien 1954 als Erinnerung im Gräfe und Unzer Verlag unter dem Titel „Starker Tobbak“. Manchen Ostpreußen wird ihr heimatliches Platt noch geläufig sein. Es sollte ihnen als urtümliche Muttersprache ein lebendig gepflegter Besitz bleiben. E.B.


S. 12 Leserforum

Leserforum

Bloß nicht noch mehr Staatsdiener!

Zu: Die deutsche Rechtsordnung verfällt (Nr. 6)

Ich denke, hier wurden zwei nicht zusammengehörende Themen vermischt. Selbst wenn Deutschland eine Beamtendichte wie Frankreich hätte − das Verfallen der Rechtsordnung ist politisch gewollt und hängt keineswegs an einer eventuell überlasteten Bürokratie. Über die wenigen Versuche, abgewiesene Asylbewerber auszuweisen, kann fast immer Folgendes gelesen werden: Entweder es findet sich doch noch ein Richter, der selbst italienische Verhältnisse für „menschenunwürdig“ hält, es findet sich eine Kirche, die Asyl bietet, oder eine Gutmenschenarmada verhindert mit allen Mitteln, auch gewalttätigen, die Ausweisung.

Welcher Mitarbeiter einer Ausländerbehörde will sich diesen Ärger antun? Und da von „oben“ keinerlei Einwand kommt, wird ein ungesetzlicher Aufenthalt lieber stillschweigend geduldet. Von einer Reaktion der Regierung auf die entsprechende Anfrage des CSU-Bundestagsabgeordneten Johannes Singhammer habe ich auch nichts gehört, eher von Innenminister Thomas de Mai­zières Absicht, den bisher nur Geduldeten das Aufenthaltsrecht nachträglich zu gewähren.

Auch dass fast alle „-gida“-Demonstrationen entgegen jeglicher Gesetzeslage durch linksradikale „Gegendemonstranten“ behindert oder – wie in Frankfurt am Main – sogar völlig verhindert worden waren, wurde von unserer politischen Elite wohlwollend geduldet, wenn nicht sogar öffentlich gutgeheißen. Oder die jährlichen Straßenschlachten am 1. Mai, die „Juden-ins-Gas“-Demonstrationen des vergangenen Sommers, ach, und vieles mehr könnte da aufgezählt werden: Die Polizei muss sich verprügeln lassen und darf sich nicht wehren. Und weshalb? Weil die Politik es nicht nur zulässt, sondern es im „Kampf gegen Rechts“ ganz offen fördert.

Also um Gottes Willen nicht noch mehr vom Steuerzahler zwangsalimentierte Staatsdiener, die werden doch nur zur flächendeckenden Überwachung und Gängelung des Steuerzahlers eingesetzt.

Maria-Anna Konietzko, Bad Homburg

 

 

Bellender Pinscher

Zu: „Das hat sie nicht verdient“ (Nr. 5)

Mit Entsetzen habe ich die Beiträge in Ihrer Zeitung über die unglaublichen Vorgänge um das Denkmal für Agnes Miegel in Bad Nenndorf, deren Not­heimat nach ihrer Vertreibung aus Königsberg, zur Kenntnis nehmen müssen. Die große deutsche Dichterin darf also 70 Jahre nach der Vertreibung ebenfalls diese „Wertschätzung“ etlicher umerzogener Gutmenschen erleiden.

Für die Initiatoren dieser schändlichen Aktion kann ich mich nur schämen. Die Anstifter sollten nach Königsberg reisen, um dort bei den heutigen Bewohnern zu lernen, was Toleranz und Weltoffenheit bedeuten. Die russischen Einwohner gedenken der deutschen Dichterin mit einer Tafel an ihrem ehemaligen Wohnhaus. Der russische Schriftsteller Sim Semkin übertrug 1996 die besten Miegelgedichte, wie auch die anderer ostpreußischer Dichter, ins Russische. Somit genießen sie dort Anerkennung und Hochachtung jenseits hasserfüllter politischer Verblendung.

Die alt und müde gewordenen Ostpreußen schulden der Preußischen Allgemeinen für die Reaktion auf den traurigen Vorgang Dank. Die Lebensmaxime unserer hochverehrten Mutter Ostpreußen, „Nichts als den Hass zu hassen“, soll auch für uns, die Letzten, der Wegbegleiter sein. Ihr Werk bleibt! Der Volksmund sagt so treffend: „Was kümmert es den Mond, wenn ein Pinscher ihn anbellt.“

Hans-Georg Balzer, Groß Köris

 

 

Es war ein Land ...

Zu: „Das hat sie nicht verdient“ (Nr. 5)

So viel Niedertracht kann einem schon den Schlaf rauben. Wer im Bad Nenndorfer Stadtrat sitzt, lässt sich denken. Die Bronze-Skulptur der jungen Agnes Miegel ist das reine Entzücken. Ein Wunder, dass in diesem Land, wo das Hässliche verordnet wird, es noch Künstler gibt, die mit ihrer Hände Arbeit so etwas Schönes schaffen.

Agnes Miegel und ihre Verehrer werden die Demütigung verwinden können. Schließlich hatten die Brüder und Schwestern im Geiste der Bad Nenndorfer Stadtväter bereits das Denkmal Fried­richs des Großen jahrzehntelang in den Hinterhof verbannt. Erst seit einigen Jahren darf der große König wieder Unter den Linden reiten. Die wenigen Intelligenten in diesem Land haben bereits festgestellt, dass Deutschland nicht 1945 sondern 1968 untergegangen ist.

Das geheime Deutschland wird voller Wehmut die wunderbaren Verse Miegels lesen: Es war ein Land …

Karin Khemlyani-Albrecht, Bendestorf

 

 

Das sagt alles, was alle sagen

Zu: Noch wirkt die Einschüchterung (Nr. 3)

Zu dem dankenswerten Artikel möchte ich die folgende, in den Lücken des Alltags entstandene Mitschrift aus dem „Register der Diffamierung“ hinzufügen: „Chaoten“ (Bundespräsident Gauck), „Schande für Deutschland“ (Justizminister Heiko Maas), „Üble Nationalisten“ (Thomas Oppermann, SPD), „komische Mischpoke“ (Cem Özdemir, Grüne), „Rattenfänger“ (Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von NRW), „Brunnenvergifter“ (Yasmin Fahimi, SPD-Generalsekretärin), „rechtsextremistisch“ (Bundeskanzlerin Merkel), „kruder Haufen“ (Altkanzler Gerhard Schröder), „frech, tumb“ (Pastor Schorlemmer), „Nazis in Nadelstreifen“ (Innenminister NRW Jäger), „Dumpfbacken“ (Ministerpräsident Hessen Bouffier), „ein einfacher Mann“ (vorgeschaltet einem Interview-Ausschnitt mit einem Teilnehmer an den Pegida-Demonstrationen). Kommentar überflüssig.

Gudrun Schlüter, Münster

 

 

Russen als Vorbild

Zu: Miegel-Denkmal wird entfernt (Nr. 3) und: „Das hat sie nicht verdient“ (Nr. 5)

Wenn das Miegel-Denkmal in Bad Nenndorf unbedingt weg muss, sollte man in Königsberg anfragen. Die Russen sind gerade dabei, die preußische Geschichte dort aufzuarbeiten. „Daß Du, Königsberg, nicht sterblich bist“, hat Agnes Miegel geschrieben. Auch Immanuel Kant trägt dort dazu bei.

Manfred Kremp, Bremen

 

 

Mit Demonstrationsverboten erlischt das Licht unserer Kultur

Zu: Jedes Maß verloren (Nr. 3)

Seit einiger Zeit ist Pegida in aller Munde, und diese Bewegung schwappt bereits über die Landesgrenze Deutschlands hinaus.

Ist es eine Bewegung, die aus dem Nichts entstand? Oder besteht schon seit längerer Zeit unterschwellig in der Bevölkerung ein ungutes Gefühl gegen eine Überfremdung des eigenen Landes? Jetzt ist die Blase plötzlich aufgebrochen, und diese Bewegung hat eine ungeahnte Zahl von Anhängern gefunden.

Man bekommt den Eindruck, dass Politiker fast aller Parteien – einschließlich der Bundeskanzlerin – die Notbremse ziehen möchten, um mit allen Mitteln eine Ausbreitung dieser Bewegung zu unterbinden. Das letzte Zeichen haben wir am Montag, den 19. Januar, erlebt. Jede öffentliche Demonstration in Dresden wurde wegen Terrorwarnung verboten. Eine schwere Entscheidung, für die wahrscheinlich schwerwiegende Unterlagen vorlagen.

Aber nicht nur Politiker setzen alle Hebel in Bewegung und bemühen sich, über ihre Parteien und Vereinigungen möglichst viele Menschen zu Gegendemonstrationen zu bewegen. Sogar hohe kirchliche Würdenträger sprachen sich gegen eine Demonstration der Pegida-Bewegung aus.

Aber gerade von christlicher Seite ist es doch sehr unverständlich, dass man ausgerechnet die Menschen bekämpft, die sich gegen eine Islamisierung des Abendlandes wenden. Das bedeutet in der Umkehr, dass die christlichen Kirchenvertreter mit der Islamisierung Europas einverstanden sind und sich dafür einsetzen. So könnte man das Löschen der Lichter am Kölner Dom dahin interpretieren, dass diese Erscheinung den allmählichen Untergang der abendländischen Werte zu bedeuten habe: Es wird dunkel in unseren Kirchen. Das Licht unserer Kultur erlischt.

Welch eine hochstehende Kultur auf allen Gebieten ist in den letzten Jahrhunderten im Abendland entstanden! Wollen wir wirklich deren Untergang befördern, indem Menschen, die friedlich auf die Straße gehen, weil sie die Gefahr sehen, die auf uns zukommen könnte, bei ihren Protesten behindert oder gar geschmäht werden?

Nun noch etwas zu den tragischen Ereignissen von Paris und den Karikaturen. Lauthals treten die Massen, die sich in Paris und anderswo eingefunden haben, für Meinungsfreiheit ein, die sich auch auf Karikaturen bezieht. Vom Alten Fritz ist der Satz überliefert: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.“ Soweit mir bekannt ist, bezog sich dies in erster Linie auf christliche Religionen. Aber er bedeutet nicht uneingeschränkte Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo sie an die Grenzen des Anderen stößt. Wenn diese Regel im zwischenmenschlichen Bereich geboten ist, müsste sie nicht erst recht bei größeren Gemeinschaften angewendet werden? Muss man nicht auf so einem sensiblen Gebiet, wie dem des Glaubens, besonders achtsam sein? Kann man sich alles erlauben, nur mit dem Hinweis auf Freiheit und Demokratie? Sagt man doch, dass die Demokratie auch Karikaturen religiöser Personen und Darstellungen „ertragen“ muss? Wird man wirklich ein gutes Miteinander dadurch erreichen, dass man durch Karikaturen Menschen beleidigt? Wäre eine gewisse Zu­rück­haltung nicht angebracht? Oder existiert das Wort „Rück­sichtnahme“ heute nicht mehr?

Man spricht heutzutage viel von einem Werteverlust hier in Europa. Es geht dabei nicht um einen materiellen Verlust sondern um gravierenden Moralverlust: die Achtung vor dem Andersdenkenden. Auf religiösem Gebiet kommt noch hinzu, dass Symbolfiguren ins Lächerliche gezogen werden. Aber wie soll ein Volk bestehen, wenn es keine Gestalten hat, die das Positive im Leben und im einzelnen Menschen erwecken und zur Entfaltung bringen können? Ist das Leben heute wie ein Tanz auf einem Vulkan?

Inge Keller-Dommasch, Jonen/Schweiz

 

 

Tsipras’ Schachzüge gegen die EU

Zu: „Die Deutschen zahlen“ (Nr. 5)

Mit einer Konsequenz sondergleichen setzt der erst vor kurzem gewählte Alexis Tsipras, Ministerpräsident von Hellas, seine Wahlversprechen 1:1 um. Er weiß sehr wohl, dass dieses Vorgehen in Brüssel, in Berlin und anderswo großen Unmut, wenn nicht Zorn hervorruft – auch wenn nach außen alle Betroffenen Gelassenheit vorspiegeln.

Der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz reiste nach Griechenland und hat versucht, mit der neuen Regierung „Tacheles zu reden“. Nach ihm kam Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach Athen. Auffallend, die führenden Köpfe der EU – es fehlte noch

Jean-Claude Juncker – suchten den in ihren Augen renitenten griechischen Ministerpräsidenten auf. Dieser wird nicht zum Rapport nach Brüssel bestellt. Tsipras hat bei all seinen Verhandlungen mit den EU-Gesandten jedoch noch eine Trumpfkarte im Ärmel: Die Beziehungen zu Russland. Zwar hat Russland große finanzielle Probleme, aber diese Gelegenheit wird sich Putin nicht entgehen lassen, über Griechenland eine Sperrminorität im Europäischen Rat zu installieren: Die Beschlüsse werden vom Rat nach Artikel 31 des EU-Vertrags grundsätzlich einstimmig gefasst, jeder Staat hat also ein Vetorecht. So könnte Russland alle weiteren in Berlin ausgeheckten Sanktionen aushebeln. Im Rat der Europäischen Union (EU-Ministerrat) kann der Kreml mit Griechenland zumindest stören und eventuell mit anderen unzufriedenen Staaten eine Sperrminorität bilden.

Warten wir ab, welche Schachzüge Tsipras als nächstes vollzieht. Brüssel wird sich nolens volens dem Willen Tsipras anpassen müssen.

Dr. Jürg Walter Meyer, Leimen

 

 

Der Graben zwischen Politikern und Bürgern wird immer tiefer

Zu: Oben gegen unten (Nr. 2)

In der Diplomatie heißt es, solange miteinander gesprochen wird, schweigen die Waffen. Warum weigern sich nun gewählte „Volksvertreter“ auf den Montagsdemonstrationen vor friedlichen Pegida-Mitgliedern in Dresden zu sprechen? Warum werden die Demonstranten vom Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, als „komische Mischpoke“ verunglimpft und mit aller Macht von den etablierten Parteien zu Gegendemonstrationen gegen die freiheitliche Bürgerbewegung aufgerufen?

Haben denn Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Cem Özdemir im Ringen um ihren Machterhalt vergessen, dass hier der Souverän des Staates auch einmal gehört werden möchte? Hier demonstriert unter anderem auch der deutsche Steuerzahler in Dresden, welcher die Futtertröge im Deutschen Bundestag füllt. Auch Oma und Opa mit Rollator weisen darauf hin, dass die Altersarmut in Deutschland Formen annimmt, welche unerträglich werden.

Warum gibt es in Deutschland kein Einwanderungsgesetz wie in den USA, Kanada und Australien? Es wäre die verdammte Pflicht unserer hochdotierten Politiker gewesen, hier rechtzeitig und vorbeugend tätig zu werden.

Mit Bestürzung und unendlicher Trauer haben auch die Pegida-Demonstranten auf die Anschläge von gewalttätigen Islamisten auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und auf einen jüdischen Supermarkt in Paris reagiert. Insgesamt waren 17 Opfer zu beklagen.

Im Jahre 2014 sind über 6000 Juden in Frankreich auf Grund islamistischer Anfeindungen nach Israel ausgewandert. Auch diese Zahl ist sehr bedenklich und hat mit Toleranz und Weltoffenheit nichts zu tun. Bereits seit Mitte Oktober 2014 weist Pegida auf die Gefahr der Islamisierung in Europa hin und wurde deshalb von den etablierten Parteien und der gleichgeschalteten „Qualitätspresse“ schwer attackiert. Da mischt auch die Antifa als „Rotfront“-Schlägergruppe gerne mit.

Dresden und die Bürgerbewegung leben und erklären ihre Solidarität mit dem Volk Frankreichs. Es ist schon bemerkenswert, dass gerade Politiker in Deutschland, welche sich erhebliche Versäumnisse in der Asylpolitik schuldig gemacht haben, der Bürgerbewegung eine Trauerkundgebung in Dresden sogar noch verweigern. Zwischen Politik und Bürgerwillen gibt es in der Tat einen tiefen Graben. Ob hier noch etwas zu kitten ist, wird die Zukunft zeigen.

Gegenwärtig sieht es nicht danach aus, es sei denn, dass die Bevölkerung wieder als mündige Bürger und nicht als Mischpoke behandelt wird. Die Front-National-Politikerin Marine Le Pen, Staatspräsident François Hollande und Premierminister Manuel Valls sprachen nach den Gewaltanschlägen davon, dass man sich in einem „Krieg“ mit dem „islamistischen Fundamentalismus“ befinde. Die etablierten Politiker haben es in Frankreich nicht geschafft zu verhindern, dass eine verlorene Generation muslim-französischer Jugendlicher ihr eigenes Land bekämpft. Das sollte doch in Deutschland zu denken geben.

Hans-Joachim Nehring, Neubrandenburg


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Bernstein-Industrie im Aufwind
»Aufräumer« fördert heimisches Kunsthandwerk und geht gegen Diebe und Schmuggler hart vor

Lange Zeit war das Bernsteinkombinat in Palmnicken dem Niedergang geweiht. Der staatliche Eigner RosTech will das Unternehmen aus der Krise führen und der Bern-stein-Industrie im nördlichen Ostpreußen insgesamt Aufwind geben.

Wie der von Moskau eingesetzte Direktor des Kombinats, Michail Zazepin, bei einem Treffen mit Gouverneur Nikolaj Zukanow in Königsberg mitteilte, wurden 2014 im Palmnickener Bergwerk etwa 250 Tonnen Bernstein gefördert. Von diesen seien erstmals seit Langem rund 160 Tonnen im Königsberger Gebiet und damit für das heimische Kunsthandwerk verfügbar geblieben. Das Kombinat sehe sich in der Pflicht, die örtliche Weiterverarbeitung des Bernsteins und damit den Wirtschaftsstandort Königsberg zu fördern.

In den letzten Jahren wurde ein Großteil der Rohbernsteinproduktion über illegale Kanäle ins Ausland, insbesondere nach Polen, verbracht, wo man aus ihm vor allem in Westpreußen hochwertige Endprodukte gestaltete. Größere Rohbernstein-Exportströme erreichten sogar China. Dadurch fand quasi die gesamte Wertschöpfung im Ausland statt, ohne dass der russische Staat auch nur den Exportzoll regulär hätte einnehmen können. Verantwortlich hierfür war ein umfangreiches Netzwerk, das von „Schwarzgräbern“ und korrupten Mitarbeitern des Kombinats bis hin zu Unternehmen reichte, welche die Produktion des Kombinats „abschöpften“. Diese Unternehmen verfügten über „Sonderbeziehungen“ zur Kombinatsleitung und konnten so einen Großteil der Werksförderung günstig ein- und dann zu einem erheblich höheren Preis ins Ausland weiterverkaufen, ohne die Rohware in irgendeiner Form zu bearbeiten.

Um Ordnung zu schaffen, wurde im August 2013 Michail Zazepin, ein Sibirier und früherer KGB-Kader mit dem Nimbus eines „Aufräumers“, von Moskau nach Königsberg beordert – nicht gerade zur Freude der lokal etablierten Geschäftsleute sowie all jener Mitarbeiter seines Werks, die weitgehend in die ortsüblichen Praktiken involviert waren. Zazepin überstand eine ganze Reihe gegen ihn lancierter Kampagnen und räumte in der Tat ziemlich gut auf: Einige der kriminellen Netzwerke wurden stillgelegt und Strafen für Vergehen massiv verschärft. Von Raubgräbern konfisziert man neuerdings die Ausrüstung, wo früher bescheidene Bußgelder wirkungslos blieben. Sogar an der Qualifizierung des Bergwerkspersonals und an neuen Abbauverfahren wurde bereits gearbeitet, wodurch sich die bisher erheblichen Verluste bei der Förderung minimierten. Hierbei kommt auch zum Tragen, dass das Bernsteinwerk 2014 auf Betreiben Zazepins und auf Anordnung Putins in den Besitz von Russlands staatlichem Rüstungs- und Hochtechnologie-Konzern RosTech überging. Die infolge dieser Reformen in der Region erstmals wieder verfügbaren Bern-steinmengen riefen zur Überraschung vieler kritischer Beobachter Königsberger Kunsthandwerker auf den Plan, die nach Jahrzehnten ihre Fähigkeiten an gutem Rohmaterial entfalten konnten. Dies sind erste erfreuliche Anzeichen für einen Erfolg Zazepins.

Es wäre freilich illusorisch, bereits jetzt eine vollständige Austrocknung des über Jahrzehnte etablierten Bernsteinsumpfes zu vermuten. Noch sind viele der seit jeher tonangebenden Firmen auf dem Markt aktiv, und selbst der vermutliche „Pate“ des alten Systems, Viktor Bogdan, hat sich trotz eines Haftbefehls nach Polen absetzen können, von wo aus er weiter die Fäden in der Hand hält. Dazu passen auch jene Nachrichten aus Polen, die bereitwillig von den bun-desdeutschen Medien verbreitet werden: Angeblich gäbe es hier, unter anderem im Süden des Landes, umfangreiche Neufunde von Bernstein, die das nicht mehr aus Königsberg herauskommende Rohmaterial ersetzten. Ein Blick in diese Berichte zeigt jedoch jedem Kenner der Materie unzweifelhaft, dass es sich hier um eine ziemlich durchsichtige Kaschierung für weiterhin über die Grenze geschmuggelte Steine handelt, die zu „polnischen Funden“ umdeklariert werden. Wer auf russischer Seite bei diesem System mitspielt, lässt sich bisher hingegen weniger klar erkennen.

Bemerkenswert ist seit der Übernahme durch RosTech die offensive Verwendung des deutschen Namens Palmnicken bei offiziellen Verlautbarungen, während der von den Sowjets vergebene Kunstname „Jantarnyj“ – die Bernsteinstadt – auffällig in den Hintergrund tritt. Ohne eine deutliche Anknüpfung an das deutsche Erbe dürfte die Etablierung der „Marke Bernsteinland“ für das Königsberger Gebiet, von der man in Moskau wieder vermehrt spricht, in der Tat kaum zu erreichen sein.

Thomas W. Wyrwoll


Besucherrekord im Königsberger Tiergarten
Eigene Einnahmen und Unterstützung aus dem Zielprogramm zur Kulturförderung ermöglichen Umbauten

Der Königsberger Tiergarten, der auf eine reiche Geschichte zurückblicken kann, entwickelt sichwieder positiv, nachdem er jahrelang vor dem Verfall stand. Unter der Leitung von Direktorin Swetlana Sokolowa, die den Zoo seit drei Jahren leitet, wurden bereits viele Umgestaltungen vorgenommen. Auch führte sie zahlreiche, auch nicht ganz unumstrittene Neuerungen ein, um mehr Besucher anzulocken. Der Erfolg gibt ihr recht. Im vergangenen Jahr hatte der Zoo 371000 Besucher, 43000 mehr als im Jahr 2013. Zum Besucherrekord mag auch der günstige Eintritt in Höhe von umgerechnet zwei Euro in der Woche und 2,50 Euro am Wochenende beigetragen haben.

Das Zoogelände hat eine attraktive Infrastruktur bekommen, zusätzlich gibt es Veranstaltungen zu verschiedenen Themen, was einerseits als nicht zu einem Zoo passende kommerzielle Ausrichtung in der Kritik steht, andererseits aber zum Erfolg beigetragen hat. Denn vor allem Familien verbringen ihre Freizeit gerne in der grünen Oase, die mit Attraktionen und allen möglichen Cafés einlädt. Bevor Sokolowa mit den Umgestaltungsarbeiten begonnen hatte, hat sie die großen Zoos in Deutschland und Europa besucht, darunter auch Hagenbecks Tierpark in Hamburg, der einst dem Königsberger Tiergarten als Vorbild diente.

Im Königsberger Zoo kommen auch die Tierfreunde nicht zu kurz. Der Bestand wird ständig erweitert und somit auch vielfältiger. Allein im vergangenen Jahr wurden über 260 Jungtiere verschiedener Arten hier geboren, darunter Stachelschweine, europäische Rothirsche, Wildziegen, Zebras und andere exotische Tiere. Darüber hinaus kamen auch Tiere in den Zoo, die auf der „Roten Liste“ stehen wie der amurische Leopard, ein Weißhandgibbon sowie einige Affenarten. Insgesamt leben nun knapp 300 Tierarten im Tiergarten. Ohne die Kleinlebewesen sind es fast 2000 Einzeltiere.

Der heutige Zoo befindet sich auf dem Gelände des von Hermann Claaß errichteten Königsberger Tiergartens. Bei dessen Eröffnung am 21. Mai 1896 hatte er einen Tierbestand von 900 Einzeltieren aus 260 verschiedenen Arten. Während des Ersten Weltkriegs war der Tiergarten für Besucher geschlossen. Im Juli 1918 wurde er wieder geöffnet. Bei der Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg am 27. Juni 1947 betrug der Bestand nur 50 Tierarten. Dank der Unterstützung anderer russischer Zoos wuchs er schnell.

In den vergangenen Jahren drohte der Königsberger Zoo zu verfallen. Gebäude und Gehege waren völlig marode. Umfangreiche Baumaßnahmen wurden unvermeidlich. Zwar wurden 2014 keine neuen Gebäude eröffnet, dafür wurden aber viele alte restauriert. Erstmals seit 100 Jahren wurde die Fußgängerbrücke am Eingang modernisiert, wofür eine Summe von 15 Millionen Rubel (211000 Euro) aus dem Haushalt der Stadt bereitgestellt wurde.

Mit Hilfe von 40 Millionen Rubel (562000 Euro) aus dem regionalen Zielprogramm für die Entwicklung der Kultur im Königsberger Gebiet konnte die Planung des Robbenbeckens samt Reinigungsanlage abgeschlossen werden. In nächster Zeit soll auch das Löwengehege erneuert werden. Auch dafür werden Mittel aus dem Zielprogramm benötigt. Der Zoo hat aber auch eigene Mittel für Reparaturen aufgebracht. Für 3,4 Millionen Rubel (knapp 48000 Euro) gelang es, drei Gehege für Bergbewohner zu erneuern. Ein Teil des Geldes wurde auch für die Reparatur der beschädigten Abschnitte der Umzäunung des Tiergartens aufgewendet, durch die in der Vergangenheit streunende Hunde auf das Territorium des Zoos gelangt waren. Jurij Tschernyschew


MELDUNGEN

Entschädigung für Bauernhof

Allenstein – Der Deutsche Andreas S. erhält Entschädigung für den Bauernhof seiner Eltern in Diet-richswalde. 15790 Euro muss der Staat nach einem Urteil des Allensteiner Bezirksgerichtes an den Sohn von Ermländern zahlen, die in den 70er Jahren in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind. S. hatte sich um eine Entschädigung für die Landwirtschaft, die seine Eltern zurückgelassen hatten, bemüht. Er könne die Immobilie selbst nicht zurückfordern, weil es das Grundbuch nicht ermögliche, unterstreicht Agnieszka Zegarska, Pressesprecherin des Bezirksgerichtes in Allenstein. Der Rechtsanwalt von Andreas S. hält die Höhe der Entschädigung für ausreichend. Bis das Urteil rechtskräftig wird, kann noch Berufung beim Appellationsgericht in Bialystok eingereicht werden. PAZ

 

FSB markiert Grenze

Königsberg – Die Grenzsicherungsabteilung des russischen Geheimdienstes FSB hat begonnen, die Staatsgrenze zur Republik Litauen auf fast 300 Kilometern neu zu markieren. Anders als bei Grenzzeichen normalerweise üblich, werden die neuen Markierungen nur von Russland aufgestellt, und zwar direkt auf der Grenzlinie. Eine zweite Markierung durch die litauische Seite wird es laut Mitteilung des FSB nicht geben. Wie nach jedem Winter werden auch in diesem Frühjahr im Kurischen Haff neue Grenzbojen gesetzt. Diese besitzen an ihrer Spitze ein Signallicht, das nachts auf bis zu drei Kilometer Entfernung sichtbar sein soll. Im Winter werden diese Bojen durch gelbe Markierungszeichen auf dem Eis ersetzt. Ein unabsichtliches Überschreiten der innerostpreußischen Demarkationslinien, wie dies bislang nicht selten und zumeist ohne größere Folgen geschah, dürfte daher in Zukunft deutlich erschwert sein. T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. 7: Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle. Straße Nr. 16: Lyck [Ełk] – Klein Rutken [Rutki], Fällarbeiten. Straße Nr. 51: Hermenhagen [Osieka] – Heilsberg [Lidzbark Warminski], Fällarbeiten. Straße Nr. 54: Verkehrsknoten Braunsberg Süd [Braniewo], Fällarbeiten. Straße Nr. 57: Gallingen [Galiny] – Wusslack [Wozławki], Baustelle; Bischofsburg [Biskupiec] – Haasenberg [Labuszewo], Plankenreparatur. Straße Nr. 58: Niedersee [Ruciane] – Johannisburg [Pisz] – Bialla (Biała Piska) – Woiwodschaftsgrenze, Fällarbeiten. Straße Nr. 63: Johannisburg – Gehsen [Jeze] – Woiwodschaftsgrenze, Fällarbeiten. Straße Nr. 65: Goldap [Gołdap] – Treuburg [Olecko] – Lyck [Ełk], Fällarbeiten; Lyck – Grajewo, Fällarbeiten. EB


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es war keine gute Nachricht, die uns da vor einigen Tagen erreichte, und sie betrifft vor allem unsere Ostpreußische Familie: Der Kirchliche Suchdienst beendet seine Tätigkeit Ende September (siehe Nummer 7). Gerade wir verlieren mit ihm einen verlässlichen Ansprechpartner, der immer bereit war, auf unsere Fragen einzugehen – umgekehrt wie wir uns bemühten, ihn bei manchen Suchwünschen zu unterstützen. Wir stellten uns auch gerne als Informationsträger zur Verfügung, noch vor gar nicht so langer Zeit konnten wir über eine sehr erfolgreiche Suchaktion berichten. Bei Anfragen aus unserem Leserkreis wiesen wir auch immer auf die erfolgreiche Institution hin, da wir ja über keinen Datenbestand verfügen, sondern den ganz anderen Weg der Findung beschreiten, der direkt zu eventuellen Zeitzeugen führt. Es ist immerhin erfreulich, dass nach Information des BdV der Datenbestand dem Bundesarchiv übergeben werden soll und damit der Öffentlichkeit weiterhin zugänglich bliebe. Denn noch immer werden Suchfragen gestellt, die bisher nicht beantwortet werden konnten oder sollten, und es sind nicht wenige, und sie werden immer schwieriger. Das bekommen auch wir zu spüren und deshalb dauert die Veröffentlichung in manchen Fällen etwas länger, vor allem, wenn keine Genehmigung des Antragstellers zur Bekanntgabe seiner Adresse vorliegt, die aber für die Meldung möglicher Informanten notwendig ist. Die muss von uns angefordert werden und dann – herrscht oft Stillschwiegen. Keine Antwort, auch kein Zurückziehen der bereits formulierten Frage. So liegen im Augenblick wieder bei uns einige Suchfragen auf Warteposition. Und die Zeit läuft ungehindert weiter …

Nein, er steht noch nicht wieder auf der Domwiese und auch nicht an irgendeinem anderen Platz in Königsberg, der von dem Bildhauer Georg Fuhg geschaffene Minnesänger Walther von der Vogelweide, dessen Geschichte uns im vergangenen Jahr sehr beschäftigte. Der Bericht von Jörg Pekrul, wie und wo er die beschädigte Figur entdeckte, hatte viele Zuschriften zur Folge, in denen die Leser ihre Begegnung mit der noch unversehrten Figur schilderten. So auch Herr Dr. Hans-Dietrich Nicolaisen aus Büsum, der seine auf einer 1991 veranstalteten Studienreise gewonnenen Eindrücke schilderte, die wir in Nummer 50 veröffentlichten – leider aus Platzgründen ohne die von ihm gemachte Aufnahme. Die wollen wir nun heute veröffentlichen, nicht nur, weil sie einen sehr guten Eindruck von der Schönheit der von Fuhg geschaffenen Figur vermittelt, sondern weil in einer weiteren Zuschrift auf das Denkmal eingegangen wird. Frau Maria Riechert aus Hamburg schreibt:

„Ich, Jahrgang 1941, in Königsberg geboren, bin im August 1991, also fast sofort nach Öffnung der Grenze, mit meiner Mutter – die zwar nicht aus Ostpreußen stammt, aber an der Albertina studiert hat – nach Königsberg gefahren. Dort haben wir das Denkmal unversehrt an der Stelle gefunden, wo heute das von Herzog Albrecht steht. Bei späteren Besuchen habe ich dann nichts mehr gefunden, aber es hieß, die Skulptur befände sich auf dem Gelände der Universität, was ja heute noch offensichtlich der Fall ist. Man konnte schon nach wenigen Jahren aus Sicherheitsgründen das Universitätsgebäude nicht mehr betreten. Dem gegenüber sind meine Mutter und ich noch ungehindert in dem Gebäude bis ganz nach oben gegangen, weil meine Mutter mir ihr lateinisches Seminar zeigen wollte. Die Russen wussten damals noch nicht, wie weit Freiheit gehen durfte.“ Und wer kann noch – wie die von Herrn Dr. Nicolaisen zitierte russische Reiseleiterin – mühelos ein Gedicht des Minnesängers aufsagen? Frau Riechert gelingt es, die ersten Zeilen von „Ich saz ûf eime steine“ zu rezitieren: „Ich saz ûf eime steine, und dahte bein mit beine; dar ûf satzt ich den ellenbogen; ich hete in mîne hant gesmogen daz kinne und ein mîn wange.“ Es ist das Gedicht, nach dem sich der Bildhauer gerichtet hat, denn „genau wie der Vers sieht auch das Denkmal aus“ findet Maria Riechert. Womit sie Recht hat.

Von einer Entdeckung kann man nicht gerade sprechen, denn in Insiderkreisen wusste man, dass er vorhanden war, der von Georg Fuhg geschaffene Bildniskopf des ostpreußischen Schriftstellers Paul Brock. Er befand sich in einer Privatwohnung in der Lüneburger Heide, aber ihr Besitzer konnte sich nicht oft an ihm erfreuen, denn er wohnt jetzt in Hinterpommern. Und wenn ich nun noch sage „auf dem Lindenhof“, dann wissen unsere aufmerksamen Leser, dass es sich um Horst Zander handelt, der dort mit seiner Frau Lydia deren väterlichen Hof übernommen hat – in Nummer 2 brachten wir ja ihren letzten Erfahrungsbericht. Wie dieses Werk von Georg Fuhg in seinen Besitz gekommen ist, das hängt schon sehr mit unserer Zeitung zusammen, denn als der Bildhauer den Bildniskopf vor etwa 40 Jahren schuf, arbeitete Horst Zander als Redakteur beim Ostpreußenblatt. Auch Paul Brock war dort als Archivar tätig und schrieb sich seine Erinnerungen von der Seele, denn der ehemalige Binnenschiffer, der das Kapitäns­patent besaß, war schon in der Heimat zu einem der bekanntesten ostpreußischen Schriftsteller geworden. Seine Romane erzielten hohe Auflagen. Er hatte ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht, das Georg Fuhg bei einem seiner Besuche in der Redaktion zum Modellieren reizte. Und als er den Schriftsteller, mit dem er sich im gemeinsamen künstlerischen Schaffen für die Heimat verbunden fühlte, eines Tages fragte, ob er damit einverstanden wäre, sagte dieser sofort ja.

Horst Zander erinnert sich: „Also kam Georg Fuhg mit Arbeitsgerät und Material in die Redaktion. Da sich der Archivraum neben meinem Arbeitszimmer befand, nahm ich an den Gesprächen zwischen den beiden teil und schaute oft dem Wirken des Künstlers zu. Ich fand es faszinierend, wie der braune Klumpen unter seinen Händen zu einem menschlichen Kopf wurde. Und dann stand das Ebenbild unseres „Paulchen“ vor uns, dieses von Wind und Wetter gegerbte Gesicht mit all seinen Furchen und Falten und dem verhaltenen Lächeln, das immer in seinen Augenwinkeln saß. Wir alle freuten uns mit Künstler und Modell über die gelungene Büste, die dann in Bronze gegossen den Archivraum schmückte. Als sich Paul Brock am Ende seiner Redaktionstätigkeit in sein Haus in Großhansdorf zurück zog, erwarb ich von ihm die Büste zum ewigen Andenken. Von ihm hatte ich als Pommer viel über Ostpreußen gelernt. Er überließ mir seinen literarischen Nachlass. Er hatte oft geklagt, dass keiner seiner einstmals so bekannten Romane mehr im Handel war. Da entschloss ich mich 1979 seinen Roman ,Der Strom fließt‘ als Nachdruck im eigenen Gollenberg Verlag herauszubringen. Paul Brock widmete das Buch nun ,den Menschen meiner Heimat’“. Das ist die Entstehungsgeschichte dieses Kunstwerkes, das nun nach dem Wunsch von Horst Zander in andere Hände übergeben werden soll. Er kann den Bronzekopf nicht auf den nahe an der Grenze zu Westpreußen gelegenen Hof mitnehmen, und solch ein Kunstwerk gewinnt heute immer mehr an Bedeutung, da wir froh über jedes sichtbare Original sind, das zum ostpreußischen Kulturgut gehört. Dass es sich hier zudem um zwei bedeutende ostpreußische Kunstschaffende handelt – der eine als Gestalter, der andere als Modell und Sinnbild seiner eigenen literarischen Werke –, erhöht noch den Wert dieses Unikates. Wer sich für den Bronzekopf „Paul Brock“ von Georg Fuhg interessiert, warte bitte noch mit der Zuschrift, da wir diese Angelegenheit noch eingehender behandeln werden.

Es ist immer nett, wenn kleine Fehler, die sich gerade bei Personen- und Ortsnamen ergeben können, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger beanstandet, sondern mit freundlichen Worten korrigiert werden. So ließ mir Herr Alfred Rieder aus Hamm mit herzlichen Grüßen mitteilen, dass sein Name in der von ihm geschilderten Fluchtgeschichte in Nummer 6 fälschlicherweise mit Alfred Richter angegeben war. Ich bedauere dies, lieber Herr Rieder, und danke Ihnen auch für die anerkennenden Worte für unsere Ostpreußische Familie. Der heute 80-Jährige war als zehnjähriger Junge aus Lötzen, wo die Familie Rieder in der Angerburger Allee 1 wohnte, über das Eis des Frischen Haffes geflüchtet und hatte die Todesängste, die er durch Tieffliegerbeschuss und versinkende Menschen und Tiere durchlitt, nie vergessen.

In einer Suchanzeige müssen wir noch einmal nachhaken, denn da hatte sich eine Namensverwechslung eingeschlichen. Zwar bedankt sich Herr Manfred Goroncy höflich für die Weitergabe seines Suchwunsches, aber er muss leider darauf hinweisen, dass er nicht der Gesuchte ist, sondern sein Verwandter Adolf Goroncy. Also bringen wir in Kürze noch einmal sein Anliegen. Für seinen Stammbaum benötigt Manfred Goroncy einige Daten über Adolf Goroncy, *15. Dezember 1909 in Sophienthal, Kreis Osterode, vermisst seit der Schlacht von Monte Cassino 1944. Wann ist er gefallen, wo wurde er begraben? Der Vermisste war verheiratet mit Lisbeth (Elisabeth) geborene Papke, *27. Mai 1910 in Wildenau, Kreis Ortelsburg. Lisbeth hat nach dem Krieg in Bad Oeynhausen gelebt und soll 1970 in Pappenburg verstorben sein. Sie könnte durch erneute Heirat auch den Namen Lisbeth Ober getragen haben. Wer kann genaue Informationen über Adolf Goroncy und Lisbeth geborene Papke geben? (E-Mail: m.goroncy@gmx.net)

Und noch einmal Lardong – der Name lässt uns einfach nicht los, obgleich es noch keinen brauchbaren Hinweis auf die Herkunft des Vaters der litauischen Pflegerin Edita geborene Lardong gegeben hat, und das trotz emsiger Bemühungen unserer Leserschaft. Aber zu der Herkunft des Namens trägt Frau Dorothea Blankenagel nun einen interessanten Hinweis bei. Sie schreibt: „Wenn er aus dem französischen Teil der Schweiz stammt, ist er wohl wegen der Aussprache mit End–d etwas eingedeutscht worden. Meine Verwandten heißen nämlich Lardon.“ Als da sind Ernst Lardon, ehemals Lehrer in Gelszinnen und Klonowken, Kreis Bartenstein, und seine heute in Parchim und Leverkusen lebenden Söhne. Und Enkel Hartmut trägt den Namen weiter. Der Einwanderer aus der Schweiz könnte eventuell der Urahn von allen Lardons/Lardongs sein – so vermutet Frau Blankenagel. Sie ist schon interessant, die ostpreußische Familienforschung.

Eure Ruth Geede


Auf der Straße der verlorenen Träume
Als Flüchtlingskind im Feuersturm von Dresden

Sie glaubten, der Hölle entronnen zu sein, und kamen in das Inferno. Sie, das waren eine Mutter und zwei Töchter, die Älteste neun, die Jüngste fünf Jahre alt. Sie wollten von ihrem Hof bei Mohrungen vor den Russen fliehen, der Treckwagen wurde gestohlen, und sie fielen den Eroberern in die Hände. Sie mussten brutale Gewalt am eigenen Leibe erfahren, bis ihnen schließlich unter chaotischen Umständen doch die Flucht gelingt. Es wird eine Odyssee des Hungers und der Kälte, ein Fluchtweg nach nirgendwo, auf dem sie in einen Flüchtlingszug nach Dresden gelangen. Der Zug hält auf dem Hauptbahnhof, es ist am Abend des 13. Februar 1945. Noch ahnt niemand, dass diese Nacht Zehntausenden den Tod bringen wird. Frau Christa Jedamski hat sie miterlebt, sie war die Neunjährige, die nun im späten Alter ihre Erlebnisse „auf der Straße der verlorenen Träume“ niederschrieb – so ist das Buch betitelt, das sie unter dem Pseudonym Laura Kanert verfasst hat – es ist der Name ihrer Großmutter, die in der Heimat blieb und starb. Jetzt, nach genau 70 Jahren, ist die Erinnerung an die „Nacht von Dresden“ so lebendig wie nie zuvor:

„Plötzlich heulten die Sirenen, und wir mussten unseren schwer erkämpften Platz im Eisenbahnwagen verlassen. Ein heilloses Durcheinander war die Folge. Ich nahm meine kleine Schwester auf den Arm, und dann wurden wir von der sich zusammen ballenden Menschenmenge mit geschoben. ‘Lauft runter zu den Elbwiesen, die Tommies kommen, hier ist kein Mensch mehr sicher’, riefen uns die Eisenbahner zu. Jetzt brach Panik aus. Alles stürmte wie besessen den Ausgängen zu – aber wo war der Weg zu den Elbwiesen? Schon waren die Bomberverbände über uns, riesige Unheil verheißende Schwärme – und dann fiel in der Dunkelheit ihre tödliche Fracht, traf Schlag auf Schlag die schutzlosen Menschen, in Kellern zitternd, auf Straßen umherirrend, die Stadt voll mit Flüchtlingen und Soldaten aus allen Himmelsrichtungen. Die Erde bebte unter den Detonationen, der Himmel färbte sich brandrot von dem Feuersturm, unter den Einschlägen der Sprengbomben zerbarsten die Dächer und oberen Stockwerke, Menschen, lichterlohe Fackeln, liefen schreiend durch die Straßen. ‘Geh in die Hocke, lege deinen Kopf auf die Knie und atme ganz flach durch deinen Schal, wir müssen es schaffen bis dorthin in die Ecke!’ Meine Mutter schrie mir dauernd etwas zu, ich verstand sie kaum in dem Bersten und Krachen und dem Rauschen des Feuersturms. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, ich hatte nur noch Angst, furchtbare Angst. Entsetzt schrie ich auf, als unter uns der Boden erzitterte, dicht neben uns war eine Bombe in das Haus gekracht. Auf den Straßen hüpften die Phosphorflammen, züngelten an den Häuserwänden entlang – und wir liefen um unser Leben. Es gab keinen anderen Ausweg, nur schnell zu den Elbwiesen hinunter. Aber dort drängelten sich Massen von Menschen, alles, was sich bis dorthin gerettet hatte. Wo sollten wir hin, wo konnten wir bleiben, wo war noch Platz für uns?

Und dann tauchten die Tiefflieger auf, die in die schutzsuchende Menschenmenge schossen.

‘Wir müssen hier weg, raus aus dieser Falle, wir müssen zum Bahnhof!’ Mutter war wie von Sinnen und machte eine Kehrtwendung, um diesem Hexenkessel zu entkommen. Ich war starr vor Angst und blind von den Tränen, ich hatte keine Kraft mehr und wollte nicht mehr weiter. Die Stadt brannte wie tausend Fackeln, wir stolperten über Trümmer, die noch glommen, immer wieder überschüttet von Regen aus Feuerfunken, in dem Rauch und Staub der zusammenbrechenden Häuser sahen wir fast nichts mehr, die Orientierung ging verloren. Ich krallte mich in den Saum von Mutters Mantel. Meine kleine Schwester hockte im Rucksack auf ihrem Rücken. Meine arme Mutter, was für eine Last für sie, aber nur sie konnte den Weg aus diesem fürchterlichen Inferno finden. Unendlich müde und zerschlagen gelangten wir nach Stunden und über Irrwege doch noch zu den Gleisen. Fanden einen Waggon, krochen mit allerletzter Kraft hinein. Uns war jetzt alles egal, was noch passieren würde, nach der mörderischen Flucht aus Ostpreußen und jetzt in diesem mörderischen Bombenangriff. Wir hatten keine Hoffnung mehr. Meine kleine Schwester zitterte am ganzen Körper, wimmerte vor Hunger und Durst. Ihre Tränen bahnten sich Rinnsale durch das rußgeschwärzte Gesichtchen, und ich sah, sie hatte keine Wimpern mehr, keine Augenbrauen. Wo die Wollmütze verrutscht war, konnte man keine Haare mehr sehen. Vor Schreck tastete ich mein Gesicht und meinen Kopf ab: das gleiche Ergebnis, auch die Zöpfe waren nicht mehr da. Unsere Mäntel, Mützen, Schuhe, Trainingshosen, Schals, Tücher, alles, was uns vor der Kälte schützen sollte, war versengt, angekohlt, übersät mit Brandlöchern. Wir waren der brennenden Hölle entflohen, wir waren noch einmal davon gekommen. Und wir hatten uns nicht verloren. Ausgelaugt hockten wir in einem Winkel des kalten, furchtbar dreckigen Waggons, aber das machte uns nichts mehr aus. Mutter umarmte uns, ihre Tränen fielen auf unsere verrußten Gesichter, sie streichelte uns, tröstete uns mit den Worten: ,Es wird bestimmt alles wieder gut!‘ Ich wollte so gerne glauben, was sie sagte, ich spürte ihre Nähe, ihre Wärme – dann waren wir vor Erschöpfung eingeschlafen. Irgendwann ruckte der Waggon, eine Lok war angekoppelt worden, und nun rollte dieser Zug mit einer Unzahl von zusammen gewürfelten, entwurzelten Menschen, die sich in die Waggons geflüchtet hatten, aus der brennenden, zerborstenen Stadt hinaus, irgendwo hin …“ (Laura Kanert: Die Straße der verlorenen Träume, Dromos Verlag Frankfurt am Main, 2012, ISBN 978-3-940655-05-9.) R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 100. GEBURTSTAG

Tolkmitt, Benno, aus Gilgenburg, Kreis Osterode, am 21. Februar

ZUM 99. GEBURTSTAG

Voesch, Emma Martha, geb. Gorski, aus Lyck, am 23. Februar

Wisch, Konrad, aus Kumehnen, Kreis Samland, am 26. Februar

ZUM 97. GEBURTSTAG

Kohnert, Rudolf, aus Gilgetal, Kreis Elchniederung, am 22. Februar

ZUM 96. GEBURTSTAG

Gogoll, Anna, geb. Helten, aus Seefrieden, Kreis Lyck, am 21. Februar

ZUM 95. GEBURTSTAG

Dembek, Marie, geb. Kukla, aus Roggen, Kreis Neidenburg, am 23. Februar

Rüger, Hedwig, geb. Ziwitza, aus Altkirchen, Kreis Ortelsburg, am 25. Februar

Sturies, Alfred, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 21. Februar

Trott, Gustav, aus Lissau, Kreis Lyck, am 22. Februar

Vogt, Erna, geb. Petrick, aus Tewellen, Kreis Elchniederung, am 26. Februar

ZUM 94. GEBURTSTAG

Götzie, Erich, aus Elchwinkel, Kreis Elchniederung, am 23. Februar

Kargoll, Irene, geb. Plotzitzka, aus Roggenfelde, Kreis Treuburg, am 22. Februar

Karkowski, Erna, geborene Hempelmann, aus Gregersdorf, Kreis Neidenburg, am 23. Februar

Kindermann, Gertrud, geb. Schwarzenberger, aus Neu Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 24. Februar

Staufenbiel, Hildegard, geb. Michalzik, aus Lissau, Kreis Lyck, am 25. Februar

Ströhl, Gerhard, aus Wehlau, am 21. Februar

Wilzek, Irma, geb. Dehm, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 25. Februar

ZUM 93. GEBURTSTAG

Blomeyer, Hedwig, geb. Pfarrherr, aus Peyse, Kreis Samland, am 22. Februar

Heil, Hedwig, geb. Kizinna, aus Wihelmsthal, Kreis Ortelsburg, am 25. Februar

Holländer, Alfred, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 22. Februar

Hundertmark, Hildegard, geb. Klein, aus Klein Hubnicken, Kreis Samland, am 26. Februar

Liebold, Käte, geb. Glandien, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 26. Februar

Neumeister, Margarete, geb. Lemke, aus Struben, Kreis Neidenburg, am 21. Februar

Opalka, Elisabeth, geb. Chmielewski, aus Paterschobensee, Kreis Ortelsburg, am 26. Februar

Paslawski, Gerda, geb. Olschewski, aus Aulacken, Kreis Lyck, am 26. Februar

Viertel, Adelheid, geb. Bieber, aus Burgkampen, Kreis Ebenrode, am 21. Februar

Wanzke, Ursula, geb. Braun, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 24. Februar

ZUM 92. GEBURTSTAG

Abrolat, Gertrud, geb. Graschtat, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 27. Februar

Kemper, Erna, geb. Endom, aus Wehlau, am 23. Februar

Lorenzen, Ilse, geb. Dennig, aus Hanffen, Kreis Lötzen, am 23. Februar

Maaß, Helene, geb. Nilotzki, aus Neidenburg, am 26. Februar

Matzigkeit, Siegfried, aus Gronwalde, Kreis Elchniederung, am 25. Februar

Rohmann, Alfred, aus Klaussen, Kreis Lyck, am 21. Februar

Voss, Herta, geb. Steffan, aus Pohlau, Kreis Ebenrode, am 23. Februar

Zlomke, Horst, aus Opitten – Kirchspiel Königsblumenau, Kreis Preußisch Holland, am 14. Februar

ZUM 91. GEBURTSTAG

Baranski, Margarete, geb. Grommas, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 21. Februar

Breier, Hildegard, geb. Behnke, aus Polennen, Kreis Samland, am 22. Februar

Burk, Paul, aus Herzogshöhe, Kreis Treuburg, am 27. Februar

Cichon, Heidi, geb. Dreyer, aus Königsberg, am 21. Februar

Drochner, Heinz, aus Schlichtingen, Kreis Elchniederung, am 27. Februar

Gais, Margarete, geb. Scheffler, aus Klein Dirschkeim, Kreis Samland, am 26. Februar

Herrndörfer, Maria, geb. Klimaschewski, aus Millau, Kreis Lyck, am 24. Februar

Hömke, Helmut, aus Groß Kuhren, Kreis Samland, am 23. Februar

Hohmann, Ursula, aus Lyck, am 25. Februar

Jestrzemski, Hildegard, aus Lyck, am 24. Februar

Kopka, Alfred, aus Tapiau, und aus Rhein, Kreis Wehlau, und aus Lötzen, am 21. Februar

Kowalsky, Martha, geb. Bury, aus Flammberg, Kreis Ortelsburg, am 26. Februar

Kühl, Lilly, geb. Weichler, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit-am 26. Februar

Lesch, Lothar, aus Ludwigswalde, Landkreis Königsberg Ostpreußen, am 21. Februar

Mielke, Veronika, geb. Palkowski, aus Friedrichsthal, Kreis Wehlau, am 22. Februar

Neuweiler, Lotte, geb. Dohmann, aus Radomin, Kreis Neidenburg, am 24. Februar

Perschel, Helmut, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 27. Februar

Posny, Johanna, aus Kleineppingen, Kreis Neidenburg, am 21. Februar

Segatz, Luzie, geb. Schneider, aus Mulden, Kreis Lyck, am 27. Februar

Walendy, Bruno, aus Markgrafswalde, Kreis Treuburg, am 26. Februar

ZUM 90. GEBURTSTAG

Andrick, Bruno, aus Neidenburg, am 26. Februar

Bernhard, Wilhelm, aus Kalgendorf, Kreis Lyck, am 27. Februar

Falkenberg, Christel, geb. Neumann, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 21. Februar

Forster, Betty, geb. Buchholz, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 26. Februar

Giehmann, Hildegard, aus Prostken, Kreis Lyck, am 27. Februar

Gramsch, Franz, aus Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 27. Februar

Hamann, Richard, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 22. Februar

Jork, Elfriede, geb. Lehmann, aus Modelkau, Muschaken, Kreis Neidenburg, am 27. Februar

Junge, Irmgard, geb. Schulwitz, Kreis Neidenburg, am 22. Februar

Klein, Ingeborg, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 27. Februar

Lehmann, Heinz, aus Wehlau, am 25. Februar

Lendzian, Helga, geb. Gramatzki, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Straße 62, am 24. Februar

Müller, Horst, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 22. Februar

Olschewski, Horst, aus Langenhöh, Kreis Lyck, am 25. Februar

Poweleit, Edith, geb. Meller, aus Pobethen, Kreis Samland, am 24. Februar

Schareina, Irmgard, aus Popelten, Kreis Labiau, am 16. Februar

Schemionek, Erwin, aus Duneiken, Kreis Treuburg, am 23. Februar

Schulten, Eva, geb. Gabriel, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 23. Februar

Sopp, Gertrud, geb. Wrobel, aus Rogonnen, Kreis Treuburg, am 26. Februar

Wilmann, Erna, geb. Stegmann, aus Alt Passarge, Kreis Heiligenbeil, am 23. Februar

Zimmeck, Liesbeth, geb. Jeschik, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 26. Februar

ZUM 85. GEBURTSTAG

Ackermann, Ilse, geb. Hoppe, aus Lyck, am 25. Februar

Behme, Elfriede, geb. Loch, aus Schnippen, Kreis Lyck, am 22. Februar

Boiar, Heinrich, aus Farienen, Kreis Ortelsburg, am 25. Februar

Brinker, Gisela, geb. Didt, aus Wehlau, am 24. Februar

Derlath, Helmut, aus Garbassen, Kreis Treuburg, am 24. Februar

Ehlert, Günther, aus Wilkendorf, Kreis Rastenburg, am 21. Februar

Eichhorn, Siegfried, aus Siegersfeld, Kreis Lyck, am 24. Februar

Friedrizik, Helmut, aus Preußenwalde, Kreis Ortelsburg, am 27. Februar

Hamann, Johanna, geb. Hecht, aus Schuttschen, Kreis Neidenburg, am 26. Februar

Horn, Erich, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 21. Februar

Howe, Charlotte, geb. Beyer, aus Warten, Kreis Elchniederung, am 25. Februar

Koch, Elisabeth, geb. Karpinski, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 27. Februar

Koch, Ewald, aus Gollen, Kreis Lyck, am 24. Februar

Lockowandt, Reinhold, aus Laschmieden, Kreis Lyck, am 23. Februar

Reddig, Irmgard, geb. Gabriel, aus Aßlacken, Kreis Wehlau, am 23. Februar

Rösnick, Oskar, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 24. Februar

Rose, Kurt, aus Margen, Kreis Elchniederung, am 21. Februar

Sawitzki, Manfred, aus Pillau, Kreis Samland, am 27. Februar

Schenk, Irmgard, geb. Knorr, aus Grünlinde, Kreis Wehlau, am 26. Februar

Schupetta, Horst, aus Malshöfen, Kreis Neidenburg, am 22. Februar

Seidensticker, Meta, geb. Schulz, aus Waldwerder, Kreis Lyck, am 27. Februar

Zink, Marlis, geb. Meyer, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 22. Februar

ZUM 80. GEBURTSTAG

Bartels, Edeltraut, aus Nesobrust (Ostpreußen), am 22. Februar

Bergau, Ingeborg, geb. Kruse, aus Lyck, am 25. Februar

Bittoff, Herta, geb. Schilm, aus Sköpen, Kreis Elchniederung, am 23. Februar

Bonkowski, Erwin, aus Rodefeld, Kreis Ortelsburg, am 26. Februar

Brügmann, Bodo, aus Pillau, Kreis Samland, am 21. Februar

Brzoska, Heinz, aus Rostken, Kreis Lyck, am 25. Februar

Bubber, Gerhard, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 21. Februar

Dahl, Günther, aus Lyck, am 23. Februar

Damaschke, Dr. Erwin, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 25. Februar

Dembski, Margarete, geb. Karrasch, aus Großseedorf, Kreis Neidenburg, am 27. Februar

Gruber, Helga, geb. Schmuhl, aus Bardau, Kreis Samland, am 21. Februar

Gurgsdies, Inge, aus Deschen, Kreis Elchniederung, am 23. Februar

Gutzeit, Sigrid, geb. Wohlfeil, aus Pregelswalde, Kreis Wehlau, 23. Februar

Jaeckel, Kurt, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 23. Februar

Jonat, Eva, aus Kuttenhof, Kreis Tilsit-Ragnit, am 21. Februar

Joswig, Helmut, aus Gneist, Kreis Lötzen, am 23. Februar

Keil, Ilse, geb. Schmuck, aus Lötzen, am 26. Februar

Lenz, Winfried, aus Wallenrode, Kreis Treuburg, am 22. Februar

Maukisch, Erika, geb. Wisbar, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 25. Februar

Okun, Fritz, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 23. Februar

Piotrowski, Erich, aus Ebendorf, Kreis Ortelsburg, am 22. Februar

Polack, Irmgard, geb. Hofmann, aus Hollenau, Kreis Ebenrode, am 21. Februar

Posnatzki, Waltraut, aus Alt Sellen, Kreis Elchniederung, am 22. Februar

Rattay, Waltraud, geb. Fürst, aus Seeranken, Kreis Treuburg, am 24. Februar

Rautenberg, Hubertus, aus Klein Medenau, Kreis Samland, am 26. Februar

Rösnick, Siegfried, aus Warnicken, Kreis Samland, am 23. Februar

Ruoff, Gundel, geb. Arlinck, aus Lyck, am 25. Februar

Sawatzki, Alfred, aus Reiffenrode, Kreis Lyck, am 26. Februar

Steinfatt, Edith, geb. Bronnert, aus Herrendorf, Kreis Elchniederung, am 21. Februar

Stöltzing, Christian, aus Garbseiden, Kreis Samland, am 23. Februar

Teichmann, Helga, geb. Imber, aus Seekampen, Kreis Ebenrode, am 22. Februar

Traven, Margarete, geb. Bieber, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 24. Februar

Wasgindt, Brigitte, aus Wehlau, am 25. Februar

Wilms, Elisabeth, geb. Rohmann, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 26. Februar

Zapka, Erich, aus Monzwitz, Kreis Ortelsburg, am 24. Februar

ZUM 75. GEBURTSTAG

Appenrodt, Regina, geb. Nietz, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 24. Februar

Behncke, Giesela, geb. Saunus, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 21. Februar

Bode, Friedrich, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 26. Februar

Borchmann, Karl-Heinz, aus Moschnen, Kreis Treuburg, am 24. Februar

Gorn, Brigitte, geb. Münchow, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 25. Februar

Gross, Barbara, geb. Milbitz, aus Seerappen, Kreis Samland, am 17. Februar

Hahn, Arnold, aus Rummau-Ost, Kreis Ortelsburg, am 25. Februar

Hermann, Anton, aus Montwitz, Kreis Ortelsburg, am 24. Februar

Jedamski, Arthur, aus Schuttschen, Kreis Neidenburg, am 24. Februar

Jessat-Speit, Ingelore, geb. Speith, aus Giesen, Kreis Treuburg, am 24. Februar

Kasper, Klaus, aus Elbings Kolonie, Kreis Elchniederung, am 22. Februar

Matray, Karin, geb. Neumann, aus Johannisburg, am 22. Februar

Matthes, Klaus, aus Wartenhöfen, Kreis Elchniederung, am 27. Januar

Muhl, Irmgard, geb. Sawitzki, aus Farienen, Kreis Ortelsburg, am 23. Februar

Neumann, Helga, geb. Leuschner, aus Stadthausen, am 27. Februar

Rogalski, Herbert, aus Guhsen, Kreis Treuburg, am 27. Februar

Sakuth, Ursula, geb. Heckendorf, aus Schakendorf, Kreis Elchniederung, am 23. Februar

Schwarzat, Wulf, aus Scharfeneck, Kreis Ebenrode, am 23. Februar

Turowski, Reinhard, aus Partheinen, Kreis Heiligenbeil, am 23. Februar

Zitranski, Monika, geb. Zitranski, aus Balga, Kreis Heiligenbeil, am 22. Februar

Zöllmer, Gisela, geb. Bronsert, aus Friedrichsdorf, Kreis Wehlau, am 26. Februar


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Bad Pyrmont – Freitag, 20., bis Sonntag, 22. Februar, Ostheim: BJO-Frühjahrsseminar mit den Themen „2015 – Jahr der Jahrestage: Deutschland und (die) Ostpreußen im 20. Jahrhundert“. Die bekannte DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld zieht eine Bilanz zur Aufarbeitung des SED-Unrechts im Jahr 2015, während Dr. Heike Amos vom Institut für Zeitgeschichte auf die Aktivitäten der Staatssicherheit der DDR in Bezug auf die Vertriebenen eingeht. Der Altsprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, und der LO-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Manfred F. Schukat, können uns aus erster Hand über die Bedeutung des Mauerfalls für die Vertriebenen informieren. Dabei werden persönliche Erfahrungen aus der Zeit der DDR ebenso in den Fokus genommen wie die Herausforderungen diesseits und jenseits von Oder und Neiße nach 1990. Dr. Walter T. Rix teilt seine Erkenntnisse zum Ersten Weltkrieg in Ostpreußen mit uns, während wir zu den Geschehnissen im Frühjahr 1945 Zeitzeugen zu Wort kommen lassen möchten. Auskünfte und Anmeldung bei Jochen Zauner unter Presse@Ostpreussen-NRW.de.

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Ludwigsburg – Dienstag, 24. Februar, 15 Uhr, Kronenstuben, Kronenstraße 2: Jahreshauptversammlung. Die Tagesordnung: 1. Begrüßung, 2. Totenehrung, 3. Rechenschaftsbericht des ersten Vorsitzenden, 4. Kassenbericht des Kassenwarts, 5. Bericht der Kassenprüfer, 6. Entlastung des Vorstandes, 7. Anträge, 8. Wahlen aller Ämter, 9. Verschiedenes.

Ulm – Der Termin für das monatliche Treffen der Kreisgruppe im März in den Ulmer Stuben muss wegen Überschneidung verlegt werden. Bisher geplant: 14. März, 14.30 Uhr Neuer Termin: 7. März, 14.30 Uhr.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Landesgruppe – Sonnabend, 14. März, Kulturzentrum Ostpreußen, Deutschordensschloss Ellingen, Schloss-Straße 9. 91792 Ellingen: Landeskulturtagung. Das Tagungsprogramm:

9.30 Uhr: Eröffnung und Einführung in das Programm durch den Landeskulturreferenten Dr. Jürgen Danowski. Danach Grußworte.

9.50 Uhr: Andacht und Kurzvortrag „Reformation in Preußen“ von Pfarrer Klaus Plorin, Rückersdorf.

10.15 Uhr: „Wenn Seufzer Luftballons wären – Die Geschichte der deutschen Flüchtlinge des Lagers Rye in Dänemark 1945–1948, Vortrag von Annette Jakobsen, Dänemark. Danach Kaffeepause.

11.30 Uhr: „Das Kriegsende 1945 aus litauischer Sicht“, Vortrag von Dr. Joachim Tauber, Lüneburg. Danach Tagungspause und Mittagessen.

14 Uhr: Rundgang durch die Ausstellungsräume des Kulturzentrums mit Wolfgang Freyberg, Direktor des Kulturzentrums. Danach Kaffeepause.

15 Uhr: „Der große Unbekannte – Preußens Staatsgründer Albrecht von Brandenburg-Ansbach“, Vortrag von Peter Bräunlein, Ansbach.

17 Uhr Zusammenfassung und Tagungsabschluss durch Jürgen Danowski.

Wie im Vorjahr schon wird kein Tagungsbeitrag erhoben. Kaffee und Kuchen wird in den Pausen gereicht Das Mittagessen werden wir in dem „Schlossbräustübl“ gegenüber dem Schloss einnehmen. Anmeldung erbeten bis 28. Februar per Fax unter: (0981) 4884949 oder per E-Mail: dr.juergen.danowski@gmx.de oder per Post Jürgen Danowski, Am Weinbergplateau 11, 91522 Ansbach.

Ansbach – Sonnabend, 21. Februar, 14.30 Uhr, Film „Jokehnen“ (Arno Surminski) mit anschließendem Schmandheringessen. Bitte anmelden. – Zur Landeskulturtagung am 14. März besteht die Möglichkeit mit einem Bus nach Ellingen zu fahren. Anmeldungen bei: Heide Bauer, Telefon (0981) 85425

München – Sonnabend, 28. Februar, 14.30 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Vortrag von Erika Lausch über Emil von Behring und den Heimatkreis Rosenberg, zu Beginn gemeinsame Kaffeetafel. – Freitag, 6. März, 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens: Zusammenkunft der Frauengruppe.

Nürnberg – Noch bis Sonntag, 22. Februar, wird im Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloss Ellingen (Bahnstation) bei Weißenburg in Mittelfranken die Sonderausstellung „August 14 – Der Erste Weltkrieg in Ostpreußen“ – gezeigt. Dazu gibt es ein Sonderheft mit 366 Seiten, das zum Preis von sechs Euro zuzüglich Porto im Kulturzentrum bestellt werden kann. – Dienstag, 24. Februar, 15 Uhr, Haus der Heimat, Imbuschstraße 1 (Endstation der U1 Nbg.-Langwasser). Gisela Kohlhoff liest aus den Werken der Dichterin Agnes Miegel.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Frauengruppe – Jeder dritte Donnerstag im Monat, 15 Uhr, Hotel zur Post, Bahnhofsplatz 11, 28195 Bremen: Treffen.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Kippingstr. 13, 20144 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPEN

Insterburg – Die Gruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Stadtgemeinschaft Königsberg – Dienstag, 17. März, 12.30 Uhr, Café Harmonie, Alsterdorfer Straße 579, Hamburg-Ohlsdorf: Königsberger-Klopse-Essen. Für ein unterhaltsames Programm ist gesorgt. Anmeldungen bis Mittwoch, 11. März bei Brigitte Reimer, Telefon (040) 6720489.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Landesgruppe – Bei der Monatsversammlung im Januar teilte der Vorsitzende Lothar Hoffmann nach Begrüßung und Kaffeetrinken die neuen Jahresprogramme aus und machte auf die Kulturtagung im April in Weilburg aufmerksam, wo Jochen Naujoks seinen Bericht über den in Tilsit geborenen Hauptmann von Köpenick vortragen wird. Außerdem gab Kassenwartin Margitta Meier ihren Kassenbericht für 2014 ab, dem Entlastung erteilt wurde. Dann führte Bernd Kohlhauer den Film „Eine Reise durch Ostpreußen“ vor, den Dr. Lansfeld 2012 bei seiner Fahrt aufgenommen hatte.

Die Reise begann in Danzig, mit Krantor, dem Grünen Tor, dem langen Markt, dem Zeughaus mit Neptunbrunnen und vielen anderen Sehenswürdigkeiten, wie der Frauengasse mit den Beischlägen vor den Häusern und den Bernsteinhändlern sowie mit der gotischen Marienkirche. Weiter ging es über Preußisch Holland, Mohrungen, Allenstein mit dem Copernicus-Denkmal (er sitzt hier auf einer Bank), mit den steinernen Götterfiguren aus der Vorzeit. Über Nikolaiken mit dem sagenhaften Stinthengst, nach Heilsberg, dann nach dem Gut Cadinen, das mal dem kaiserlichen Prinzen Louis Ferdinand gehört hatte, nach Kahlberg auf der Frischen Nehrung, dem beliebten Badeort, von wo im Januar 1945 der Treck über das gefrorene Haff nach Frauenburg ging. Dort, im gotischen Backsteindom, war Copernicus Domherr.

Am Haffufer steht ein Gedenkstein für die auf der Flucht umgekommenen Menschen. Hier endete die Bilderreise. Im Anschluss teilte Lothar Hoffmann noch mit, dass er den Vorsitz der Kreisgruppe aus Alters- und Gesundheitsgründen abgeben will. Im Februar soll über den Vorschlag abgestimmt werden. dass künftig Dietmar Balschun 1. und Jochen Naujoks 2. Vorsitzender sein sollen. Beide haben von ihrer Seite aus zugestimmt. Zum Abschluss des Nachmittags sangen alle gemeinsam das Ostpreußenlied.

Die nächste Monatsversammlung findet am Mittwoch, dem

25. Februar, um 15 Uhr im Cafe Eckstein, Königsberger Straße, statt. Dann werden Ingrid Nowakiewitsch, Urte Schwidrich und Gundborg Hoffmann die Erzählung „Der Schaktarp“ von Ernst Wichert vorlesen.

Darmstadt – Unter der Reiseleitung des Angerburger Kulturpreisträger Siegfried Kugies findet vom Mittwoch, 8. Juli bis Mittwoch, 15. Juli, eine Ostpreußen-Reise statt. Los geht es am Mittwoch mit LO 5380 ab Frankfurt um 12.25 Uhr. Ankunft ist in Danzig um 13.55 Uhr. Nach einer kurzen Stadtrundfahrt geht es per Bus nach Lötzen. Unterkunft ist im Hotel Wodnik.

Folgende Ausflüge sind unter anderem im Programm: Fahrt zum Oberländer Kanal, wo die Schiffe „über Land fahren“. In Angerburg Empfang im Rathaus und Übergabe des Buches von Siegfried Kugies für das Archiv: „Der ostpreußische Eisenbahner und die Amerikaner“. Das gleiche Buch wird auch dem Angerburger Bahnhofs-Museum übergeben. Danach Treffen mit der Deutschen Gruppe Mauersee.

Weiter gibt es eine große Masuren-Rundfahrt, eine Stakenboot-Fahrt auf der Krutinna und zum Abschluss ein Picknick und Unterhaltungsprogramm. Der Sonntag, 12. Juli, steht frei für persönliche Unternehmungen. Auf dem Weg zum Flughafen Danzig am 15. Juli ist ein kurzer Halt an der Marienburg vorgesehen.

Lahn-Dill – Montag, 9. März, 18.30 Uhr, Restaurant Grillstuben, Stoppelberger Hohl 128, 35578 Wetzlar: Grützwurstessen. Danach sprechen Friederike Preuß und Karla Weyland zum Thema „Was Essen zum Genuss macht“. Kontakt: Kuno Kutz, Telefon (06441) 770559.

– Bericht –

„Humor wärmt und leuchtet, klingt nach wie ein Instrument“, zitierte Joachim Albrecht die ehemalige Redakteurin des Reichssenders Königsberg, Marion Lindt. Albrecht sprach beim Treffen der Landsmannschaft der Kreisgruppe Lahn-Dill in Wetzlar über den ostpreußischen Humor.

Menschen mit Humor kennen ihre kleinen Schwächen. Mit Humor lassen sich Brücken schlagen von Mensch zu Mensch“, so Albrecht. In Ostpreußen war er in der Volksseele verwurzelt und offenbart viel Lebensweisheit. Dem schlesischen Humor sagt man nach, er sei hintergründig, der ostpreußische Humor sei das Gegenstück, gerade heraus und von plastischer Derbheit. Oft treffe er den Nagel auf den Kopf. Typisch für ostpreußische Witze sei der Gebrauch der Verkleinung und Zärtlichkeitsform „che“.

Schlesier benutzen die Verniedlichung ebenfalls, aber hängen „le“ an. „Wir Ostpreußen sagen Herr Dokterche, Herr Pfarrerche, Herr Schneiderche“, schilderte Albrecht. Und er nannte weitere Beispiele wie „das liebe Gottche“ und „das Sonnche“. Kinder ruft man Liesche, Fritzche. „Ruft die Mutter hingegen Fritz oder Liese, dann weiß man, es ist dicke Luft zu Hause!“

Nach seinen einführenden Worten brachte Albrecht praktische Beispiele ostpreußischen Humors zu Gehör. Typisch seien Witze, bei denen die Personen aneinander vorbei reden: Fragt einer „Essen sie gerne Wild“, lautet die Antwort. „Nein, ich esse gerne gesittet.“ Ein anderer Witz handelt vom Arztbesuch. „Was hat der Arzt gesagt?“ Antwort: „20 Mark!“ „Nein, ich meine: Was hast du denn gehabt?“ „15 Mark.“ „Nein, was hast du denn jetzt?“ Antwort: „Na, 5 Mark.“

In Gumbinnen fragte ein Gast: „Ich suche das Kreiskrankenhaus“. Antwort: „Kreiskrankenhäuser haben wir nicht. Bei uns sind die Häuser alle eckig.“ Und Albrecht gab noch diesen Witz zum Besten: „Sagt der Hotelier zum Gast: Wir haben Zimmer für 3,50 und zu 4,50 Mark. Fragt der Gast: Ja, was ist denn da der Unterschied“. Hotelier: Na, eine Mark.“

Noch viele weitere Beispiele ostpreußischen Humors brachte der Referent. Auch andere Besucher des Abends hatten Texte aus der Heimat mitgebracht und stellten sie den Teilnehmern des monatlichen Treffens vor. Kuno Kutz, der Vorsitzende der Landsmannschaft, freute sich über den regen Besuch. Unter den Teilnehmern konnte er auch den BdV-Kreisvorsitzenden Manfred Hüber (Leun) und dessen Stellvertreter Viktor Jordan (Braunfels) sowie drei Gäste begrüßen, die erstmals das Treffen besuchten. Kutz wies darauf hin, dass der Landesverband am 18. und 19. April seine Landeskulturtagung im Amt für Lehrerfortbildung in Weilburg ausrichtet. Kutz ist auch Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen – Ortsverband Wetzlar. In diesem Zusammenhang kündigte er eine Busfahrt im Juli zur Rosenschau nach Bad Nauheim-Steinfurth an. Lothar Rühl

Wiesbaden – Mit einem bunten Fastnachtsprogramm feierte die Landsmannschaft ihren „Närrischen Nachmittag mit Kreppelkaffee“. Nach der launigen Begrüßung durch die stellvertretende Vorsitzende Helga Kukwa mit Erinnerungen an „Fastnacht in Ostpreußen auf dem Lande“ sorgte das Musik-Duo Mathias Budau und Dr. Markus Hübenthal mit Stimmungsliedern zum Mitsingen und Schunkeln für den richtigen Schwung im bunt geschmückten Saal.

Mit seinem Vortrag „So schabberten wir in der Heimat“ eröffnete der Heilsberger Landsmann Georg Lehmann den Reigen der Büttenreden. Im Gegenzug befleißigte sich Hermann Becker aus dem Rheingau, seine pointierten Beiträge in hessischer Mundart vorzutragen.

Die Lacher auf ihrer Seite hatte Margitta Krafczyk mit den gelungenen Vorträgen „Deeste mer“ und „Der liebe gute alte Herr“: „er hatte weiter keine Wünsche mehr, wenn er nur etwas jünger wär.“

Mit amüsanten Geschichten trug Lieselotte Paul zum Programm bei und erzählte von einem leidgeplagten Hausmann, dem die Tapetenbahnen stets kreuz und quer verrutschten und der letztlich verzweifelt feststellte: „Tapezieren ist doch schwer.“

Gern ließ sich das Publikum zum gemeinsamen „Rundgesang“ mitreißen, bei dem der Liedtext nur durch stetes Drehen des Blattes gesungen werden konnte.

Den Nerv des Publikums traf Helga Kukwa mit der Geschichte vom schlauen Grigoleit, der einen Bauern schließlich überzeugte, dass nur reichlich verzehrte Heringsköpfe schlau machten. Viel zum Lachen gab es auch bei einem „Gerichtsverhör“, in dem die Angeklagte auf die Fragen der Staatsanwältin stets singend mit bekannten Liedtexten antwortete, in die sodann die Narrenschar begeistert einstimmte. Für ihren gekonnt darbrachten Beitrag ernteten Helga Kukwa und Liesl Zekert verdienten Applaus.

Den Schlusspunkt des närrischen Nachmittags setzte ein langer Polonaisewurm, der sich durch den Saal wand und so nochmals Bewegung in die Preußenschar brachte.

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Parchim – An jedem dritten Donnerstag, 14.30 Uhr, Café Würfel, Scharnhorststraße 2, 19370 Parchim: Treffen der Kreisgruppe. Gemütlicher Nachmittag, um bei Kaffee und Kuchen über Erinnerungen zu sprechen, zu singen und zu lachen. Weitere Informationen: Charlotte Meyer, Kleine Kemenadenstraße 4, 19370 Parchim, Telefon (03871) 213545.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Braunschweig – Mittwoch, 25. Februar, 15 Uhr, Stadtparkrestaurant (Eingang Sozialverband), Jasperallee 42: Filmvorführung „Ostpreußen 1939 bis 1945“.

Buxtehude – Sonnabend, 26. Februar, Begegnungsstätte Hoheluft, Stader Straße 15: „Aus der alten Heimat schmeckt es am besten“ – bei unserer beliebten Auftaktveranstaltung bieten wir Königsberger Rinderfleck und Köngsberger Klopse an. Dazu eine Portion Humor und viel Musik. Unkostenbeitrag: Fünf Euro pro Person. Anmeldung mit Angaben des Essenswunsches bis zum Montag, 23. Februar. – Sonnabend, 14. März, Bahnsteig 2, Bahnhof Buxtehude: „Erlebnis Speicherstadt Hamburg“. Das Programm:

9.15 Uhr: Treffen Bahnhof

10.45 Uhr: Maritimes Museum Hamburg, Führung durch Kapitän Gebhard Knull. Themen: Mit dem Wind um die Welt, Geschichte des Schiffbaus, Dienste an Bord, Krieg und Frieden auf dem Meer, moderne Seefahrt

Ab 13 Uhr: Mittagspause. Danach: Bummel durch die Speicherstadt/Hafencity.

Kosten für Bahnfahrt, Eintritt und Führung: 15 Euro. Verbindliche Anmeldung bis zum Montag, 9, März.

Göttingen – Sonnabend, 28. Februar, 14.30 Uhr, Senioren Park Carpe Diem, Brauweg 28–30: Jahreshauptversammlung mit Neuwahl des Vorstandes. Im Anschluss findet das traditionelle Grützwurstessen statt.

– Masuren-Reise –

Vom 17. Bis 24. Juli bis bietet die Gruppe Göttingen wieder eine achttägige Fahrt nach Masuren an. Sie umfasst sieben Übernachtungen (inklusive jeweils einer Zwischenübernachtung auf der Hin- und Rückreise) mit Halbpension in Hotels der Mittelklasse, je eine Rundfahrt in Masuren und im Ermland sowie ein Besuch des Treffens der deutschen Minderheit in Bischofsburg. Nähere Informationen und schriftliche Anmeldungen bis zum 15. März an: Werner Erdmann, Holtenser Landstraße 75, 37079 Göttingen

Hannover – Freitag, 20. Februar, 14.30 Uhr, Restaurant des Ruderclubs Ihmeblick, Roesebeck-

straße 1: Nach dem gemeinsamen Kaffeetrinken zeigt Probst Erhard Wolfram den 2. Teil des Spielfilmes „Ostpreußenreise 1937“. Gäste sind willkommen. – Freitag, 20. März, 14.30 Uhr: Jahreshauptversammlung. Anträge und Vorschläge bitte bis zum 10. März an den Vorstand einreichen. Um rege Beteiligung wird gebeten, Es stehen Neuwahlen an. Roswitha Kulikowski, Telefon (05101) 2530.

Helmstedt – Donnerstag, 12. März, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Gemeinsames Treffen.

Oldenburg – Die Landsmannschaft Ostpreußen und Westpreußen Oldenburg (vormals Frauengruppe der Ostpreußen und Westpreußen Oldenburg) thematisierte die vor 70 Jahren einsetzende Flucht aus Ostpreußen an ihrem Nachmittag im Februar. Unser Kartograph und Geograph Jürgen Neumann hatte ausführliches Kartenmaterial vorbereitet, um die Frontbewegungen sowohl 1944 als auch im Januar 1945 zu verdeutlichen. Außerdem las er Fluchtberichte einiger unserer Mitglieder vor und hatte für alle von uns Schilder vorbereitet, damit wir an der großen Karte von Ostpreußen unsere Herkunftsorte markieren konnten. Für diese Mammutarbeit gebührt Herrn Neumann unser aller Anerkennung und Dank.

An unserem nächsten Nachmittag am 11. März hören wir einen Vortrag von Dr. Jörn Barfod, Kustos am Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg über „Alfred Partikel und die Königsberger Kunstakademie“, wie immer im Stadthotel Oldenburg um 15 Uhr. Freunde und Bekannte sind herzlich willkommen. Gisela Borchers

Osnabrück – Donnerstag, 26. Februar, 14 Uhr, gaststätte Bürgerbräu, Blumenthaller Weg 43: Literaturkreis.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Landesgruppe – Die diesjährige Frühjahrs-Delegierten-, Kultur- und Frauentagung findet am 14. März wieder in Oberhausen statt. Beginn: 10 Uhr. Der Vorstand bittet um zahlreiches erscheinen. Wahlen stehen an. Wir haben wieder ein interessantes Programm zusammengestellt und freuen uns besonders, dass wir Dr. Mario Kandil für einen Vortrag über Bismarck gewinnen konnten. Interessant werden auch die Ausführungen von Dr. Becker sein, der über seine Eindrücke in Ostpreußen sprechen wird. Sehr erfreut sind wir, dass die Broschüren von Professor Hartmut Fröschle „Die Deutschen in Polen 1918–1939“ und Schultze-Rhonhofs „Danzig und Ostpreußen zwei Kriegsanlässe 1939“ großes Interesse finden. Wir möchten es nicht versäumen, auch Ihnen diese Broschüre ans Herz zu legen. Sie wird auch auf unserer Tagung zu erwerben sein. Brigitte Gomolka

Bad Godesberg – Jeder erste Mittwoch des Monats, Stadthalle Bad Godesberg: Treffen der Frauengruppe – Jeder dritte Mittwoch des Monats, 15 Uhr, Erkerzimmer, Stadthalle Bad Godesberg: Stammtisch.

Bonn – Samstag, 28. Februar, 19.30 Uhr, kleiner Saal, Stadthalle Bad Godesberg: Winterball der „Ostdeutschen Landsmannschaften“ mit buntem, kulturellen Programm und einer großen Tombola. Eintritt: 15 Euro, Jugend und Studenten: 10 Euro. – Dienstag,

3. März, „Haus am Rhein”, Elsa- Brandström-Straße 74, 53225 Bonn-Beuel: Jahreshauptversammlung mit Neuwahl des Vorstandes und Königsberger-Klopse-Essen.

Düsseldorf – Mittwoch, 25. Februar, 8.40 Uhr: Tagesexkursion zur Sonderausstellung „Kreisauer Kreis“ im Haus Schlesien, Königswinter. – Donnerstag, 26. Februar, Konferenzraum, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: „Weggewaschen ohne Spur? Die Habsburger Monarchie und der Erste Weltkrieg“, Vortrag von Professor Matthias Stickler. – Mittwoch, 4. März, 15 Uhr, Raum 311, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH): ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt. – Mittwoch, 4. März, 19 Uhr, Konferenzraum, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH): „Die Ansiedlung polnischer Remigranten aus Nordrhein-Westfalen in Polen in den Jahren 1948–1950“, Vortrag von Arkadiusz Welniak. – Donnerstag, 5. März, 19.30 Uhr. Raum 412, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH): Offenes Singen mit Barbara Schoch. – Freitag,

6. März, 19 Uhr, Eichendorff-Saal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH): „Zuflucht in der Musik“ – Konzert mit dem Janacék Trio, das Werke tschechischer jüdischer Komponisten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges spielt. – Montag, 9. März, 19 Uhr, Ausstellungsraum, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH): „Russen, Juden, Deutsche“ – Eröffnung der Fotoausstellung (9. März bis 30. April) von Michael Kerstgens,

Mülheim an der Ruhr – Dienstag, 10. März, 15 Uhr, Handelshof: Jahresabschlussberichte der Vorsitzenden, der Frauengruppe und Kassenberichte. Danach: Referat zum Thema „Ostpreußische Persönlichkeiten“ und Königsberger-Klopse-Essen. Nach dieser Veranstaltung wird sich die Kreisgruppe auflösen, da es nur noch wenige Teilnehmer gibt.

Neuss– Sonntag, 22. Februar,

15 Uhr (Einlass: 14 Uhr), Marienhaus, Kapitelstraße 36: Jahreshauptversammlung mit Grütz-wurstessen. – Donnerstag, 26. Februar, 15 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube Neuss, Oberstraße 17: tag der offenen Tür mit Kaffee und Kuchen.

Remscheid – Jeder zweite Donnerstag im Monat, 14.30 Uhr, Gemeindehaus der evangelischen Johannes-Kirchengemeinde in der Eschenstraße: Treffen der Frauengruppe. – Jeder dritte Donnerstag im Monat, 14.30 Uhr, ,,Zunftstuben”, Palmstraße 10: Treffen der Ostpreußenrunde.

Wesel – Sonntag, 22. Februar,

15 Uhr, Heimatstube, Kaiserring 4: Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen. Alle Landsleute und Heimatfreunde sind herzlich eingeladen. Eine Kaffeetafel ist vorbereitet.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Sonnabend, 7. März, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44: „Ännchen von Tharau.“ – ein Kurzreferat von Alfred Zachau

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Dienstag, 24. Februar, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen – Freitag, 6. März, 15 Uhr, Sportgaststätte TuS Fortschritt, Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises.


S. 18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Am Donnerstag, 12. Februar, verstarb plötzlich und unerwartet im Alter von 72 Jahren, der weit über die Grenzen der Kommune bekannte und beliebte Stadtpräsident Neumünsters, Friedrich Wilhelm Strohdiek. In der ganzen Stadt wird getrauert!

Auch die Kreisgemeinschaft Lötzen zeigt Anteilnahme und große Betroffenheit. Friedrich Wilhelm Strohdiek (CDU) hat sich während seiner Amtszeit sehr für den Erhalt und die Pflege der seit 1954 bestehenden Patenschaft eingesetzt. Bereits kurze Zeit nach der Amtsübernahme im Sommer 2008 stattete er, zusammen mit seiner Frau, dem Lötzener Kreisarchiv und Heimatmuseum einen Besuch ab. In 2008 und in 2010 nahm er an den Heimatkreistreffen der Lötzener in der Patenstadt teil. Wiederholt äußerte er den Wunsch, doch einmal die Zeit zu haben, um nach Masuren zu reisen. Zu gern hätte er Stadt und Kreis Lötzen aus eigener Anschauung kennengelernt. Diese Absicht hat er leider wegen starker Terminbelastung und vielfältiger Funktionen, auch in karitativen Organisationen, nicht verwirklichen können.

In den Jahren 2011 und 2012 hat Friedrich Wilhelm Strohdiek intensiv, zusammen mit anderen Funktionsträgern der Stadtverwaltung, an der Suche nach einer guten Lösung für den Verbleib des Lötzener Archivs und der Lötzener Heimatsammlung in der Patenstadt Neumünster mitgewirkt. Mit Erfolg.

Mehrere Male hat er die Patenstadt auf dem von der Kreisgemeinschaft veranstalteten Klopse-essen (Neujahrsempfang) vertreten und Grußworte gesprochen.

Im Jahr 2013 wurde Friedrich Wilhelm Strohdiek einstimmig in seinem Amt bestätigt.

In Frühjahr 2014 eröffnete er warmherzig und unkompliziert die Ausstellung „Ostpreußen verzaubert“, die die Kreisgemeinschaft im Foyer des Rathauses zeigen konnte. Er packte mit an, um die Ausstellungstafeln in noch besseres Licht zu rücken.

Im Oktober des vergangenen Jahres nahm er, zusammen mit Oberbürgermeister Dr. Tauras, teil an der Feierstunde anlässlich des Jubiläums 60 Jahre Patenschaft und hielt die Grußansprache. Während des anschließenden Empfangs kam er – wie es stets seine Art war – mit den Teilnehmern gut ins Gespräch, hatte für Anliegen ein offenes Ohr, und so manches Mal hatte er auch ein ansteckendes Lachen. Er war ein Norddeutscher – mit Humor und Herz!

Bei der letzten Begegnung, die der Kreisvertreter und die Geschäftsführerin am 12. Januar mit ihm hatten – anlässlich des Neujahrsempfangs der Stadt Neumünster – strahlte er Optimismus aus und hatte eine für die Kreisgemeinschaft gute Nachricht.

Die Kreisgemeinschaft Lötzen wird sich an Friedrich Wilhelm Strohdiek stets mit Hochachtung und Wertschätzung erinnern. Sein viel zu früher Tod ist ein großer Verlust. Eine solche unverwechselbare Persönlichkeit, die Fried-rich Wilhelm Strohdiek war, hinterlässt eine sehr große Lücke.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Der Vorstand trat in Naumburg zu seiner ersten Sitzung im neuen Jahr 2015 zusammen. Auf der Tagesordnung standen die Vorbereitung der Jahrestagung der Stadtvertretung am 11. September in Bad Nenndorf, die Aufgabenstellung für das in diesem Jahr stattfindende Heimattreffen der drei Nachbarkreise Elchniederung, Tilsit-Ragnit und Tilsit-Stadt sowie die Konzeption für ein Heimattreffen im Jahr 2016. Wie schon in den vorangegangenen Jahren wird die Tradition eines gemeinsamen Treffens mit den beiden Nachbarkreisen fortgesetzt. Ausrichter für das Jahr 2016 ist turnusgemäß die Stadtgemeinschaft Tilsit. Erwin Feige erstattete einen Bericht über das

7. Deutsch-Russische Forum in Tilsit, welches in Presse und Funk ein großes Echo fand und dem Tilsiter Image sehr gut tat. In diesem Zusammenhang wurde das in Tilsit erschienene Buch „Tilsitskie Dominanty“ gewürdigt, mit dem ein gemeinsames Projekt der russischen Gesellschaft TILSIT und der Stadtgemeinschaft Tilsit seinen erfolgreichen Abschluss fand.

Im Ergebnis eines russisch-deutschen Gemeinschaftsprojekts liegt das Buch „Tilsitskie Dominanty“ vor. Die Tilsiter Kunsthistorikerin Tatjana Urupina und der Fotokünstler Jakov Rosenblum dokumentieren in dem Buch den kulturhistorischen und baukünstlerischen Reichtum der Stadt, sowohl den bereits verlorenen als auch den noch zu erhaltenden, in Wort und Bild. Auf 352 Seiten und mit 510 Fotos ist es den Autoren gelungen, das Gesicht der Stadt lebendig zu machen und seine Aura den Menschen zu präsentieren. Der Buchtext liegt zwar nur in russischer Sprache vor, gleichwohl vermittelt das Werk mit seinen 510 großformatigen Fotos samt deutschen Bildtexten auch dem deutschen Interessenten eindrucksvolle Einblicke in das Antlitz der „Stadt ohne Gleichen“. Interessenten können das Buch auf Spendenbasis erwerben bei der Stadtgemeinschaft Tilsit, PF 241, 09002 Chemnitz.

 

WEHLAU

Kreisvertreter: Gerd Gohlke, Syker Straße 26, 27211 Bassum. Telefon (04241) 5586. 2. Vors. und Schriftleiter: Werner Schimkat, Dresdener Ring 18, 65191 Wiesbaden, Telefon (0611) 505009840. Internetseite: www.kreis-wehlau.de

Die Volkshochschule unseres Patenkreises Diepholz veranstaltet vom 28. Mai bis 6. Juni eine Studienreise in die Partnerstädte unserer östlichen Nachbarn nach Polen und Russland (Schlesien, Pommern, West-und Ostpreußen, Königsberg).

Die Rückreise findet von Memel bis Kiel mit einem Fährschiff statt (Bus an Bord). Themen der Reise sind: 70 Jahre Ende des

2. Weltkrieges, 60 Jahre Patenschaft des Landkreises Diepholz für den Landkreis Wehlau, 25 Jahre nach Perestrojka, 20 Jahre Polen in der Europäische Union.

Seit der Wende im Jahre 1989 sind 25 Jahre vergangen. Seitdem haben einige Städte und Gemeinden des Landkreises Diepholz freundschaftliche Beziehungen zu Partnern in Polen entwickelt. Der Besuch bei unseren Nachbarn soll einen Gesamteindruck über das heutige Leben bieten, historische Entwicklungen aufzeigen und Eindrücke von unterschiedlichen Landschaften vermitteln. Polen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union und erlebt seitdem einen großen wirtschaftlichen Aufschwung.

Einbezogen in die Reise wird ein Besuch des früheren ostpreußischen Landkreises Wehlau, für dessen Bewohner der Landkreis Grafschaft Hoya im Jahre 1955 die Patenschaft übernommen hat.

Wir reisen in einem modernen Bus mit Klimaanlage, Bordküche und WC. Die Übernachtung erfolgt in ausgewählten komfortablen Hotels mit Halbpension (Frühstück und Abendessen). Mittags nutzen wir verschieden individuelle Möglichkeiten. Für den Aufenthalt im Königsberger Gebiet ist ein russisches Visum erforderlich. Dafür werden ein biometrisches Passbild, ein mindestens bis zum 10. November 2015 gültiger Reisepass und eine anerkannte Auslandskrankenversicherung benötigt. Anmeldungen bitte bis 15. März an Reiseservice Bittermann, Am Alten Sportplatz 2, 28857 Syke, Telefon (04242) 936243, Fax: (04242) 936244, E-Mail: info@reiseservice-bittermann.de.


S. 19 Heimatarbeit

Die Kirche des königlichen Architekten
Das Heinrichswalder Gotteshaus war nicht nur der Star in einem Preisrätsel. Es trägt auch die Handschrift eines großen Baumeisters

Abgebildet in der PAZ Nummer 1 (Seite 15) war die Zeichnung eines eindrucksvollen Kirchenbaus. „Erkennen sie dieses Gebäude?“, lautete die dazugehörige Frage. Die Ostpreußische Kulturstiftung Ellingen hatte es für ihr alljährliches Preisrätsel ausgewählt.

Für die pensionierte Oberstudienrätin Audlind Vohland (75) aus Marburg war die Rätselfrage eine willkommene Anregung, sich näbher mit dem Gotteshaus zu beschäftigen. Schon seit ihrem Studium hat sich die gebürtige Insterburgerin für Architektur interessiert. Eigentlich habe es die Lehrerin, die vor ihrer Pensionierung Deutsch und Religion unterrichtete, schon immer ein wenig geärgert, dass die körperlichen Künste im Bewusstsein der Menschen so wenig Beachtung fänden. Jeder könne große Schriftsteller und Maler nennen, aber Bildhauer und Architekten seien weitgehend unbekannt. Über die Preisrätselkirche und ihrem maßgeblichen Architekten hat sie daher für die PAZ einen Artikel verfasst.

Für das „kleine Preisrätsel“ wählte die Ostpreußische Kulturstiftung Ellingen diesmal das rote Ziegelgebäude der evangelischen Kirche von Heinrichswalde, dem mit 3460 Einwohnern (1939) einst zweitgrößten Ort im Kreis Elchniederung. Zur Zeit der Kircheneinweihung 1869 war Heinrichswalde nur ein größeres Dorf von nicht einmal 1100 Einwohnern. Trotzdem entstand hier keine schlichte Dorfkirche, sondern ein eindrucksvoller Neubau im Stil der von Friedrich August Stüler (1800–1865) geprägten Neugotik.

Stüler war der Bauberater des preußischen Königs, Friedrich Wilhelm IV., der ihn nach Fertigstellung der Burg Stolzenfels am Rhein (1842) zum Oberbaurat machte und ihm den Titel „Architekt des Königs“ verlieh, um seine umfassende Aufgabenstellung auszudrücken.

So war Stüler zuständig für die Umgestaltung des Königsberger Schlosses ebenso wie für die des Schweriner Schlosses. Unter Stülers Leitung wurde die Friedenskirche von Potsdam-Sanssouci (1846–1850/54) vollendet, und er entwarf die architektonischen Schauseiten der Weichselbrücke bei Dirschau und der Nogatbrücke bei Marienburg (bis 1857). Vor allem aber war Stüler maßgeblich zuständig für den ostpreußischen Kirchenbau seit Schinkels Tod (1781–1841).

Obwohl die Heinrichswalder Kirche nicht auf Stülers Werkliste steht und erst vier Jahre nach seinem Tod eingeweiht wurde, zeigt sie seine Stilmerkmale deutlicher als die schlichtere Kirche von Lasdehnen im Kreis Schlossberg, die ganz sicher von Stüler selbst entworfen wurde. Charakteristisch für die Stüler-Kirche in Heinrichswalde ist der dem Ostchor vorgesetzte Staffelgiebel mit durchbrochener Rosette und der schlanke Westturm mit den hohen Maßwerkfenstern. Dieser Turm verbindet oberhalb des Dachfirstes über der Uhrzone den viereckigen, fialengekrönten Turmschaft mit einer schlankeren, achteckigen Turm-Etage.

Mit dieser Vermittlung von Viereck und Achteck der Turmkonstruktion, die sich in vielen Stüler-Kirchen wiederfindet, griff er einen Grundgedanken der gotischen Baukunst auf, nämlich die Betonung der Vertikalen, und entwickelte diesen Stil weiter.

Die zierliche obere Achteck-Etage der Türme verlieh den Kirchengebäuden eine gewisse Eleganz, was beim Vergleich der Turmform von Heinrichswalde mit der schlichteren von Lasdehnen ins Auge fällt, wo diese „Verjüngung“ fehlt. Vergleichbar mit dem Turm von Heinrichswalde ist dagegen zum Beispiel die Paulskirche von Posen, die Kirche von Schönsee bei Briesen (Kreis Thorn) und der von Stüler an die ältere Kirche angefügte Turm von Kaukehmen (Kreis Elchniederung).

In geradezu kathedralartiger Steigerung hat Stüler die filigrane Wirkung der Achteckigkeit in Schirwindt im äußersten Osten Preußens (Kreis Schlossberg) durchgeführt, indem er dieser neugotischen Kirche (erbaut 1850–56) nicht etwa nur eine schlankeTurm-Etage gab, sondern zwei wirkungsvolle achteckige Fassadentürme hinstellte und die Vertikale auch noch in aufwendigster Weise durch Strebepfeiler vom Boden bis zu den Turmhelmen betonte.

Leider ist diese von König Fried-rich Wilhelm IV. geförderte und als kleines Gegenstück zum Kölner Dom gedachte Kirche vollständig kriegszerstört wie auch der gesamte Ort. Sie teilt im russischen Teil Ostpreußens das Schicksal von 158 anderen vernichteten Kirchen, die aber nicht etwa kriegsbedingt, sondern in den fünf Nachkriegsjahrzehnten bis zur Mitte der 90er Jahre verschwanden.

Die Kirche von Heinrichswalde aber hatte das Glück, zu den vier Projekt-Kirchen zu gehören, die große finanzielle Unterstützung aus Deutschland erhielten. Obwohl die russisch-orthodoxe Kirche die Besitzerin des Gebäudes ist, kann die dortige evangelische Gemeinde ihre Gottesdienste halten und Konzerte veranstalten.

In schier hoffnungslosem Verfall dagegen präsentierte sich die frühe Stüler-Kirche von Mehlauken (1846 eingeweiht), die mit ihrem freistehenden „Campanile“ an die Potsdamer Friedenskirche erinnert. Sie war eine große Emporenbasilika in frühchristlichem, „italienischem“ Stil, mit 1400 Plätzen ausgestattet.

Uns bleibt nur die Inspiration aus dem Wissen um die europäischen Zusammenhänge dieser vergessenen Kirchen-Architektur des 19. Jahrhunderts. Audlind Vohland


S. 20 Heimatarbeit

220000 Kilometer und jede Menge zu erzählen
Durch wildbewegte Zeiten ist Manfred Schukats gelber VW-Bus im Dienste der Ostpreußen gerollt – Ein Rückblick

Treu wie ein Pferd, Segen auf allen Wegen“ – so könnte der Nachruf auf den gelben VW-Transporter von Manfred Schukat, Vorsitzender der Landesgruppe Mecklenburg der Landsmannschaft Ostpreußen lauten. Kaum ein anderes Fahrzeug in seinem Wohnort Anklam kann auf solch ein bewegtes Autoleben zurückblicken. Doch der TÜV stellte nun so viele gravierende Mängel fest, dass die Kosten für eine Reparatur unverhältnismäßig sind. Denn der Kleinbus vom Baujahr 1989 hat in 25 Jahren rund 220000 Kilometer unter seine vier Räder genommen. Gekauft hatte ihn Schukat noch vor der Währungsunion im Juni 1990. Für 20000 D-Mark musste über die Kreissparkasse Anklam ein ERP-Kredit bei der „Europäischen Bank für Wiederaufbau“ beantragt werden. Das war damals und ist auch heute noch viel Geld – und die Zukunft im Wendejahr war mehr als ungewiss. Aber die Aufbruchsstimmung überwog. So kam es zum Kauf beim Autohaus Bonte in Braunschweig.

Sofern man das über ein Fahrzeug sagen kann, war es „Liebe auf den ersten Blick“ und ein unvergessliches Gefühl, erstmals ein Westauto zu fahren und sein eigen zu nennen.

Auf den VW-Transporter wartete ein Einsatz besonderer Art. Mit der Auftaktveranstaltung am 9. März 1991 gründete sich in Anklam ein Kreisverband des Bundes der Vertriebenen – von Anfang an mit eigener Note. Die grenzüberschreitende Zusam-menarbeit und die Völkerverständigung von Mensch zu Mensch standen recht bald im Mittelpunkt. Doch bevor man an Busreisen in die Heimat denken konnte, war immense Vorarbeit nötig. Die Bewährungsprobe kam im Mai 1992. Der erste Kultusminister von Mecklenburg-Vorpommern, Oswald Wutzke, hatte Kontakt zum Schulbuchverlag „Volk und Wissen“ in Berlin hergestellt. Dort sollten Duden, Fibeln, Heimatkunde- und Rechenbücher eingestampft werden. „Unser nagelneuer VW-Bus ging fast in die Knie, als ein Gabelstapler eine ganze Palette, immerhin ein halbe Tonne einlud“, erinnert sich Manfred Schukat. Und wohin damit? Nach Gumbinnen, dem heutigen Gussew im Königsberger Gebiet, wo Schukat 1943 geboren wurde. Schon zu DDR-Zeiten hatte sein Mitarbeiter Friedhelm Schülke Verbindungen nach Ostpreußen knüpfen können. Den Transport begleiteten auch Manfred Schukats Ehefrau Emmy sowie Charlotte Kirkamm aus Anklam, die 1922 ebenfalls in Gumbinnen geboren wurde.

Die humanitären Visa erteilte 1992 das damalige sowjetische Generalkonsulat Rostock. Das war der Auftakt für viele weitere Hilfs-transporte nach Ostpreußen – bis Ende der 1990er Jahre mindestens zwei Mal jährlich. Die Leute spendeten einfach alles: Waschmaschinen, Kühlschränke, Bettwäsche, Mäntel, Lammfelldecken, Schuhe, Kindersachen. Bekannte Ärzte und Sanitätshäuser gaben kartonweise Medikamente, Rollstühle und Gehhilfen, die kostenlos an Krankenhäuser, Sozialstationen und Kirchengemeinden in Königsberg und Umgebung verteilt wurden.

Doch nicht immer kehrte der gelbe VW-Bus leer zurück. Einmal bat ein russlandddeutsches Ehepaar aus Gumbinnen [Gussew] darum, mitgenommen zu werden. Die Ausreise- und Aufnahmepapiere waren alle fertig. Der Mann, Andrej Enders, war schon 79 und hatte unter Stalin viele Jahre im Gulag bei Magadan zugebracht. In ein einziges Köfferchen passten die wenigen Habseligkeiten. Sein letzter Wunsch: Nur noch in Deutschland sterben. Beim Passieren der Grenze rief er: „Sowjet-union – auf Nimmerwiedersehen!“

Mitten in der Nacht erreichten die Reisenden Anklam, wo Frau Schukat ein Nachtlager und eine Mahlzeit zubereitete. Am nächsten Tag wurde das Ehepaar von seinen Kindern aus Osnabrück abgeholt.

Oder die unvergessliche Familienzusammenführung nach 50 Jahren von Heidi Duckwitz aus Ziethen mit ihrem Bruder Alfred, der im Memelland (Litauen) zurückgeblieben war – alles hat der Kleinbus mitgemacht. Kein nennenswerter Unfall, kein Diebstahl oder Einbruch in all den Jahren, nur einmal in Tilsit [Sowjetsk]: Da musste Friedhelm Schülke vor den Augen russischer Straßenkinder das Auto mit Taschenmesser und Draht selber „knacken“. Die bettelnden Kinder hatten ihn zuvor so bedrängt, dass er die Tür von außen zuschlug – und der Schlüssel lag innen auf dem Sitz.

Auch von manch abenteuerlicher Erkundungsfahrt könnte der VW berichten. Er erlebte die Unabhängigkeit Litauens mit den ersten zaghaften Grenzkontrollen, auf der Kurischen Nehrung kam es zu Begegnungen mit Elchen, und im Sperrgebiet der Rominter Heide wäre er beinahe von einer Behelfsbrücke gestürzt. Ob bei Eis und Schnee oder in Sturm und Regen – der gelbe Kleinbus war einfach „unkaputtbar“.

Oder die jährlichen Tagesreisen mit hunderten Teilnehmern in mehreren Bussen in die Kreise Arnswalde und Friedeberg rund 100 Kilometer hinter Stettin. Heiße Würstchen, Kartoffelsalat, Schmalzstullen, Kuchen und heißer Kaffee – die komplette Essensversorgung war nachts in Anklam vorbereitet worden. Der Kleinbus brachte alles zuvor zum Treffpunkt auf den Arnswalder Marktplatz. „Für die Stromversorgung hatten wir ein 40 Meter langes Kabel mit. Ganz normale polnische Einwohner stellten uns kostenlos Strom aus ihren Wohnungen zur Verfügung – ob das wohl auch in Anklam so möglich wäre?“, fragt sich Manfred Schukat rückblickend.

Nicht wegzudenken war „der Gelbe“, wie er auch liebevoll genannt wurde, von den Großveranstaltungen der Landsmannschaft Ostpreußen in Anklam. Schon bei den Heimattreffen in den 1990er Jahren draußen im Restaurant „Peenegrund“ war er unverzichtbar – erst recht seit der ersten Veranstaltung in der neuen Mehrzweckhalle „Volkshaus Anklam“. Es war – wie sollte es anders sein – ein Ostpreußentreffen. „Inzwischen haben wir so viele Requisiten, Berge von Kunstblumen, die großen Schilder der Heimatkreise, über 150 Heimatfahnen, aber auch hunderte Bücher, tausende Flaschen Bärenfang, Getränke, Kaffeemaschinen, Wasserkocher, Geschirr und all die Utensilien, die für so eine Großveranstaltung nötig sind“, berichtet Manfred Schukat. Das wäre ohne den Transporter gar nicht gegangen. Noch nötiger war er zu den 20 jährlichen Landestreffen der Ostpreußen in Rostock, Schwerin oder Neubrandenburg mit jeweils etwa 2000 Besuchern. Sie werden auch von Anklam aus organisiert, und zwar bislang nie ohne den „Gelben“. Dass das Traditionsfahrzeug nun „in Rente“ geht, ist schon ein schwerer Abschied.

Sein „Ausstand“ war im Dezember 2014 beim letzten Transport von 400 Weihnachtspäckchen in das Memelland (Litauen) – voll beladen und ohne zu mucken. Unser Gelber – so was kriegen wir nicht wieder!

Oder vielleicht doch? Inzwischen steht ein silbergrauer Opel-Vivaro auf dem Hof. Heute haben wir ihn „eingeweiht“ – wohin? Nach Swinemünde – nur 50 Kilometer von uns. Das ist unser „kleines Ostpreußen“, es erinnert an Pillau und der breite Strand an die Samlandküste. Der „Neue“ hat das gleiche Kennzeichen wie der "Gelbe" = ANK-Z 569. Die Letzten von gestern sind die Ersten von morgen! Friedhelm Schülke


S. 21 Natur

Der Theodor und der Zorro
Echte und höchst lebendige Nerze tummeln sich am Steinhuder Meer − Erfolgreiche Wiederansiedelung der seltenen Tiere

Am Steinhuder Meer in Niedersachsen wurde der Europäische Nerz wiederangesiedelt. Eine Er­folgsgeschichte, auf der ein Schatten liegt: der Vormarsch des Amerikanischen Nerzes in Europa.

Das 1000-Seelen-Dorf Winzlar, 30 Kilometer nordwestlich von Hannover, ein Flecken niedersächsischer Backsteinidylle: scharlachrot geklinkerte Höfe, Streuobstwiesen, Rapsfelder, eine Biobäckerei. Zum Steinhuder Meer sind es keine zwei Kilometer Fußweg durch das Naturschutzgebiet Meerbruchswiesen. Feuchtwiesen umsäumen den Fuß- und Radweg. Mit dem Fernglas macht Thomas Brandt einen besetzten Seeadlerhorst aus. Voriges Jahr habe das Paar das Brutgeschäft abgebrochen. „Vermutlich war das Feuer eines Fesselballons die Ursache“, sagt der Biologe und Leiter der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM) in Winzlar.

Seit 2000 brüten die Seeadler wieder an Deutschlands größtem Flachsee. 2006 kehrte ein Fischadler-Paar dank Nisthilfe zurück. Beide Adlerarten waren lokal schon vor 1900 ausgestorben.

Zuletzt haben die Artenschützer noch ein Tier heimgeholt, das wie kaum ein anderes in Europa vom Aussterben bedroht ist: Der Europäische Nerz wurde am Steinhuder Meer wieder angesiedelt. 90 Nerze sind schon unterwegs, 20 sollen noch folgen. 2015 ist Schluss mit den Auswilderungen. Danach folgt die Beobachtung. Finanziert wird das pro Jahr rund 30000 Euro teure Projekt von einer Lotterie-Stiftung.

Zeit für eine Bilanz: „Die Europäischen Nerze kommen im Ansiedlungsgebiet sehr gut zurecht, wie Telemetriedaten und Beobachtungen zeigen“, sagt Eva Lüers, Landschaftsökologin bei der ÖSSM. Strenge Winter überleben die Tiere problemlos. Freigelassene Tiere schlagen das Futter aus, das ihnen zunächst weiter angeboten wird. Bislang kamen kaum Nerze zu Tode. Pro Jahr wurden zwei bis drei Tiere tot aufgefunden. „Die Überlebensrate ist somit als recht hoch einzuschätzen und dürfte nicht unter der einer freilebenden Population liegen“, sagt die 30-Jährige.

Ein Tier biss ein Fischotter tot. Zwei Ab­wanderer fielen Auto­fahrern zum Opfer. An­dere bezogen planmäßig Reviere am See. Unvorhergesehenes gab es auch: Mal ließ eine Fähe ihre Jungen im Stich und tummelte sich in den Vorgärten der Dörfer, mal verlor sich der Funkkontakt.

Auf den ultimativen Er­folgsnachweis wartet man noch: die Sichtung von Nachwuchs. „Äu­ßerst schwierig“ sei das, meint Lüers. „Selbst bei täglicher Telemetrie be­kommen wir die Tiere manchmal wo­chenlang nicht zu Ge­sicht.“ Sumpfiger Bruchwald und Verlandungszonen am See sind ideal für den Nerz, aber für Menschen kaum betretbar.

2010 startete das Projekt von ÖSSM, dem Verein EuroNerz in Hilter bei Osnabrück sowie der Wildtier- und Artenschutzstation in Sachsenhagen. Von allein wäre der Nerz nicht wiedergekommen. Die naturnahen Uferzonen des Flachsees sind für das Projekt ideal. Seit 2010 wurden jährlich im Schnitt 20 Nerze ausgewildert. Alle tragen einen Passivchip, der auf kurzer Distanz ausgelesen werden kann. 36 Tiere sind mit aktiven Radiosendern versehen. Die Tiere stammen aus einem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das der Zoo von Estlands Hauptstadt Reval leitet.

Vor der Auswilderung am Steinhuder Meer wurden schon im Saarland und im Emsland Europäische Nerze wiederangesiedelt. Im Saarland wurden von 2006 bis 2013 in den Tälern der Ill 162 Nerze ausgewildert − mit Erfolg

Zur Auswilderung werden am Ufer Gehege aufgebaut. Nach zwei Wochen wird eine Klappe geöffnet. Sind keine Nerz-Spuren mehr im Gehege zu finden, endet die Fütterung. Die Kolonisten erhalten alle Namen. Geschwister haben den gleichen Anfangsbuchstaben: Max und Moritz, Queenie und Quentin, Theodor und Trixie. Mit Zorro war das Alphabet erschöpft.

In Deutschland war der Europäische Nerz lange ausgestorben. 1925 war der letzte Nerz im Allertal gefangen worden, unweit des Steinhuder Meeres.

Die Ursachen für das Verschwinden von „Mustela lutreola“ waren Bejagung, Begradigung von Flüssen und Bächen, Gewässerverschmutzung, Bau von Wasserkraftwerken sowie der Niedergang ihrer Leibspeise, der europäischen Flusskrebsbestände. Nicht zu vergessen die Konkurrenz durch den Amerikanischen Nerz, den Mink, der größer und aggressiver ist und den Euro-Nerz aus seinen Revieren in Nebengewässer abdrängt. Dort droht dem der Hungertod. Sollte der Mink aber in den Naturpark Steinhuder Meer einwandern, könnte das ganze Nerz-Projekt für die Katz gewesen sein.

Heute listet ihn die Weltnaturschutzunion als „vom Aussterben be­droht“. Ursprünglich war der Euro-Nerz im Westen, Osten und der Mitte Kontinentaleuropas verbreitet. In der Schweiz wurde er letztmals 1894 gesichtet, aus Österreich verschwand er um 1880. Heute le­ben nur noch wenige 1000 freilebende Tiere in isolierten Beständen im Westen Frankreichs, in Nordspanien, in Rumäniens Donaudelta, in Estland, der Ukraine und in Russland westlich des Urals.

Nerze haben hohe An­sprüche. Die Einzelgänger aus der Familie der Marder benötigen bewaldete und schilfbewachsene Ufersäume von See, Bach, Fluss oder Sumpf, und das Wasser muss sauber sein. Zum Schutz vor Fressfeinden benötigt er Deckung und Unterschlupf. Den nimmt ihm aber der Mensch durch Kahlschlag, Bebauung, Begradigung, und Weidevieh direkt am Ufer.

Diesem Artenschutz laufen Rettungsaktionen von Pelzgegnern zuwider. „Eine Art verspürt keinen Schmerz, Individuen sehr wohl“, hieß es in einem Bekennerschreiben, nachdem 2007 im Jerichower Land (Sachsen-An­halt) 10000 Farm-Minks in Wald und Flur entlassen worden waren. Am Steinhuder Meer droht dieses Szenario nicht: In der Region gibt es keine Minkfarmen.

Acht Nerzfarmen gibt es nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes noch in Deutschland. Jährliche Pelzproduktion: etwa 100000 Nerze. Zentrum der europäischen Nerzzucht ist Dänemark. Laut Tierschutzbund werden dort auf 1665 Nerzfarmen jährlich 17 Millionen Minks getötet − durch Gas, Strom oder mit Knüppeln.

Wo Minks in Scharen auftauchen, können sie Vogelbestände arg dezimieren. Nachgewiesen wurde das für die Brut von Lachmöwen und Blässhühnern. Europaweit breitet sich die Art weiter aus, die Populationen wachsen zusammen. Allein mit Jagd ist der Spezies nicht beizukommen. Zu anpassungsfähig ist der Mink, dem jede Art von Gewässer genügt. Anders als sein Vetter nimmt er an Beute, was er kriegt, und pflanzt sich noch munterer fort. Wiederansiedlungen des Euro-Nerzes sind nur dort sinnvoll, wo der Mink nicht vorkommt. In Weißrussland ging das Verschwinden des Wildnerzes einher mit der Ankunft des Minks. So ähnlich die beiden Arten sich sind − Platz ist jeweils nur für eine da. Kai Althoetmar


Etwas zu kurz geraten
Das Fell besiegelte fast sein Ende − Jetzt ist der Luchs wieder zurück

Von Leuten mit Scharfblick heißt es, diese hätten Au­gen wie ein Luchs. Und darauf deutet auch sein aus dem Griechischen stammender Name: Lynx Lynx. Das bedeutet „Licht“, „funkeln“ und weist auf die phantastischen Augen des Tieres hin. Im Dunkeln kann er sechsmal so gut sehen wie ein Mensch. Die Rede ist vom Europäischen Luchs, der größten Katzenart Europas. Einst war der Luchs in ganz Europa häufig, wurde aber schon vor langer Zeit stark verfolgt. Man jagte ihn wegen seines kostbaren Pelzes, aber auch weil er Nutztiere des Menschen tötete.

Fast waren die Luchse aus den deutschen Wäldern durch Ausrottung ganz verschwunden. In­zwischen leben wieder mehr dieser Jäger auf leisen Sohlen bei uns, da sie gezielt durch Wildschützer angesiedelt wurden. Nach Bär und Wolf sind Luchse die drittgrößten Raubtiere unseres Kontinents. Man unterscheidet vier Arten: Der Europäische Luchs oder Nordluchs kommt in Europa und Asien vor, der Pardell-Luchs in Spanien und Portugal, der Kanada-Luchs in Kanada und Alaska, der Rot-Luchs in den USA und Mexiko.

Als Raubtiere gehören sie wie Löwen, Tiger und Hauskatzen zur Familie der Katzenartigen, lateinisch: Felidae. In freier Wildbahn werden sie etwa fünf Jahre, in Gefangenschaft können sie sogar 15 Jahre alt werden. Sie werden 80 bis 110 Zentimeter lang und etwas über einen halben Meter groß. Männchen sind größer als Weibchen, sehen aber gleich aus. Die hochbeinigen Katzen können 20 bis 22 Kilogramm schwer werden. Ihre Vorderbeine sind etwas kürzer. Ein Hinweis darauf, dass sie sehr gut sprinten und springen können.

Ihre auffällig großen Pranken haben dichte Haarpolster zwischen den Ballen und am Rand. Das schützt die Tiere nicht nur vor großer Kälte, sondern hilft ihnen auch im tiefen Schnee wie auf Schneeschuhen zu gehen. Aber auch in wärmerer Jahreszeit sind sie mit ihrem getupften, gelblichbraunen Fell hervorragend ge­tarnt. Sie lieben Waldgebiete und können sich so gut im Laub und Unterholz verstecken. Wir be­kommen sie leider selten zu Gesicht, weil sie uns immer schon vorher entdecken. Wichtiges Merkmal ist auch ihr auffallend kurzer Stummelschwanz mit schwarzer Spitze. Unklar ist, warum er so kurz geraten ist. Gut erkennbar sind auch die etwa vier Zentimeter langen „Pinsel“ auf ihren Ohren. Sie dienen als eine Art Antenne, mit der sie Geräusche orten können. Denn auch die großen Ohren der Luchse sind außerordentlich leistungsfähig. Noch aus 65 Meter Entfernung hören sie das Rascheln einer Maus im Gras.

Luchse streifen als Einzelgänger durch ihre Reviere, die 100 bis sogar 300 Quadratkilometer groß sein können. Sie pirschen sich als typischer An­schleichjäger an ihre Beute heran, jagen nachts und in der Dämmerung nach Fröschen, Mäusen, Hasen und Rehen. Ihre Beute verstecken sie häufig und decken sie mit Laub oder Schnee zu. Luchse miauen ähnlich wie unsere Hauskatzen, was man aber nur während der Paarungszeit im Februar/März hören kann.

Feinde der Tiere sind Wölfe oder Braunbären − und der Mensch. Freuen wir uns also, dass diese wunderschönen Katzen hoffentlich bald wieder so wie früher einmal häufig durch unsere Wälder streifen. Silvia Friedrich


Wächter der Tiere
Internationaler Tierschutz-Fonds setzt sich für bedrohte Arten ein

Kaum wird in den Medien über neuerliche Bemühungen zum Schutz bedrohter Tierarten berichtet, ist meistens nur vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) oder vom Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten (CMS), auch als Bonner Konvention bezeichnet, die Rede. Selten wird dabei auf den im Hintergrund stattfindenden Verhandlungspoker zwischen den jeweiligen Vertretern der 177 beziehungsweise 122 Mitgliedstaaten hingewiesen. Daran beteiligt sind stets auch Gesandte von Nichtregierungsorganisationen wie der IFAW (Internationaler Tierschutz-Fonds).

Der IFAW ist Mitglied der Weltnaturschutzunion (IUCN) und finanziert sich durch Spenden. Mit ihren Projekten setzt sich die 1969 gegründete Organisation heute in mehr als 40 Ländern für die Rettung einzelner Tiere sowie die Erhaltung bedrohter Arten ein, für den Schutz von Lebensräumen, gegen Wildtierjagd, Tierhandel und Grausamkeit gegen Tiere. Im Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel arbeitet der IFAW mit Interpol zusammen, auch besteht eine Kooperation mit der von Hillary Clinton ge­gründeten Initiative zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Elfenbein. Das internationale Bü­ro des IFAW hat seinen Sitz in Yarmouth Port, Massachusetts (USA). Drei von insgesamt 14 Regional- und Länderbüros liegen in Europa.

Seit den 80er Jahren setzt sich das IFAW-Team für die Rettung und Erforschung von Meeressäugetieren ein. Auf Initiative des IFAW fand 2010 die erste Konferenz zum Thema Walbeobachtung statt. Walbeobachtung ist eine für Küstenländer lukrative Branche, die den Walfang betreibenden Nationen Japan, Island und Norwegen langfristig wesentlich größeren Nutzen erbringen würde als der kommerzielle Walfang, den Japan unter dem Deckmantel der Forschung betreibt.

Für den Schutz der Haie gab es lange Zeit international kaum eine breitere Unterstützung aus der Politik, vermutlich weil Haie noch immer als „Bestien der Meere“ gelten. Seit Jahren sind die Bestände durch nicht regulierte Jagd und rücksichtslose Überfischung immer stärker zurückgegangen, in einigen Meeresgebieten wie der Adria sind Haie seit Jahren verschwunden. Ursachen für die Haifischerei sind die in Asien beliebte Haiflossensuppe, die Nachfrage nach Haifleisch unter anderem in Europa und den USA, Kosmetika, Lederproduktion und zweifelhafte Knorpelpräparate. Außerdem verenden Haie und Rochen zahlreich als Beifang beim Thun- und Schwertfischfang. Haie haben eine äußerst geringe Vermehrungsrate.

Mehr als ein Drittel der 470 bekannten Hai-Arten ist laut Roter Liste bedroht. Seit 2002 sind Weißer Hai, Riesen- und Walhai durch CITES geschützt. Ungeachtet der Erkenntnis, dass Haie für das ökologische Gleichgewicht der Meere unerlässlich sind, gab es auf der 16. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens von 2013 in Bangkok ein hartes Ringen zwischen Gegnern und Befürwortern, als es darum ging, fünf Hai-Arten in Anhang II von CITES aufnehmen zu lassen (Erfassung des Handels und Beschränkung auf ein „nachhaltiges“ Maß). Dass seinerzeit die notwendige Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen tatsächlich er­reicht und die Anträge zum Haischutz angenommen wurden, ist nicht zuletzt auch dem positiven Ansehen des IFAW zu verdanken, dessen Länderdirektoren mit politischem Auftrag als Lobbyisten für den Tierschutz auftraten.

Seit September 2014 besteht weltweit ein bedingter Schutz für den Heringshai, den Weißspitzen-Hochseehai, drei Hammerhai-Arten sowie die Gattung der Mantarochen. Werden diese Haie und Rochen gefischt, so ist nachzuweisen, dass sie aus Beständen mit ausreichender Population stammen. Damit seien erstmals kommerziell sehr bedeutsame „marine Ressourcen“ unter Schutz gestellt worden, erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hend­ricks (SPD). D. Jestrzemski


S. 22 Neue Bücher

Große Dame
Bismarcks Ehefrau Johanna

Angesichts heutiger Scheidungsraten erscheint es – zumindest auf privater Ebene – fast ebenso spektakulär wie die gelungene Reichseinigung: Bismarcks Ehe mit Johanna von Puttkamer, der Tochter von Rittergutsbesitzern aus altem hinterpommerschen Landadel, währte fast 50 Jahre und verlief allen Anschein nach besonders glücklich.

Die Bremer Historikerin und Autorin Gabriele Hoffmann hat in ihrem Buch „Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer. Die Geschichte einer großen Liebe“ die Charaktere beider Eheleute prägnant herausgearbeitet. Schritt für Schritt schreitet sie die Stationen ihrer Ehe nach. Dabei gelingt ihr eine lebhafte und spannende Schilderung, die sich liest wie ein realistisch angelegter Roman.

Die Autorin konnte dafür aus reichem Quellenmaterial schöpfen, vor allem aus dem umfangreichen Briefwechsel des Paares, aus Tagebüchern, Memoiren und Briefen von Zeitgenossen. Wie die Autorin selbst gelangt man als Leser rasch zur Überzeugung, dass Johanna keinesfalls jene geistig schlichte und langweilige Frau war, als die sie oft beschrieben wurde. So mochten sie die neiderfüllten Gattinnen der politischen Gegner ihres Mannes gesehen haben, was später dann wohl zur Vernachlässigung ihrer Person in der unübersehbaren Literatur über Bismarck geführt hat. Enge Freunde der Familie, aber auch Fremde, lobten sie in höchsten Tönen: Johanna sei eine wahrhaft große Dame. Sie reagiere unfehlbar sicher, wo ihr Herz es gebiete, sei „energisch, zugreifend, sich rasch orientierend“.

Bismarck entstammte ebenfalls einer altadligen, schon im 13. Jahrhundert in der Altmark ansässigen Familie von Rittergutsbesitzern. 1836 wurde er nach seinem Jurastudium Regierungsreferendar in Aachen, doch er langweilte sich, hatte Liebesaffären und machte Spielschulden. Ab 1839 bewirtschaftete er erfolgreich mehrere Güter aus Familienbesitz in Hinterpommern, übernahm 1845 das elterliche Gut Schönhausen bei Stendal, langweilte sich dort wiederum bis zur Verzweiflung.

Der „tolle Bismarck“, wie er in Adelskreisen hieß, trank zu viel, kämpfte mit Depressionen und sehnte sich nach einer eigenen Familie. Es bedurfte jedoch mehrerer Versuche von Freunden, sein Interesse auf Johanna zu lenken. In äußerlicher Hinsicht entsprach sie nicht seinem bisherigen Ideal, war auch nicht besonders begütert, und obendrein stand ihm die fromme junge Dame aus einer streng pietistischen Familie weltanschaulich fern. Das alles aber war kein Hinderungsgrund: Sie begann, ihn zu missionieren, und er war fasziniert von ihrem Klavierspiel und Gesang. Ende 1846 fand die Verlobung statt.

Angesichts der mit seinem Amt verbundenen Herausforderungen an Körper und Geist war Bismarck geradezu angewiesen auf die Ermutigung und Bestätigung seiner in sich ruhenden Gattin, hebt die Autorin hervor. Da wundert es, dass sich bislang kaum jemand für Johanna von Bismarck geborene von Puttkamer (1824–1894) interessierte. In jeden Fall ist es zu begrüßen, dass sich das mit dem Jubiläumsjahr von Bismarcks 200. Geburtstag am 1. April 2015 ändert (siehe PAZ 7, Seite 22). D. Jestrzemski

Gabriele Hoffmann: „Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer. Die Geschichte einer großen Liebe“, Insel Verlag, Berlin 2014, gebunden, 398 Seiten, 24,95 Euro


Beweise, die keine sind
NSU-Prozess im Zwielicht: Ein Buch zählt strittige Fakten auf

Nach und nach werden immer neue Ungereimtheiten im Fall Beate Zschäpe und den Nationalsozialistischem Untergrund deutlich. Aktuell weckt das dem NSU zugeschriebene Bekennervideo, das erstmals in voller Länge zu sehen ist (siehe Seite 3), wieder massive Zweifel an der offiziellen Darstellung.

Deren Ziel ist es wohl, den rechtsextremistischen NSU-Terror als unstrittige Tatsache im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Auf diesem Konsens fußen auch fast alle Medien-Veröffentlichungen. Offensichtliche Unstimmigkeiten werden dem menschlichen Versagen der Ermittler angelastet oder es wird eine Verstrickung der Dienste in die rechte Szene unterstellt. Kai Voss dagegen geht schon im Buchtitel nicht von einem terroristischen Komplex, sondern von einem inszenierten Phantom aus.

Eine brisante Sichtweise, vor der deutsche Verlage erst einmal zurückschreckten, so dass Voss – der Name ist ein Pseudonym – sein Buch in Österreich publizierte. Der Autor legt dabei eine insgesamt eher zurückhaltende Zusammenstellung der widersprüchlichen Ereignisse vor. Er hütet sich vor allzu reißerischen Theorien und Zuweisungen, schlägt aber einen weiten Bogen. Er fragt, warum die linksradikale RAF ein Interesse an der Tötung ihrer letzten beiden angeblichen Opfer Rohwedder und Herrhausen gehabt haben sollte. Er legt die Vermutung nahe, dass deren Bestrebungen um Schuldenerlass für Entwicklungsländer und alternative Wirtschaftsmodelle in der Ex-DDR wohl eher politisch entgegengesetzten Kreisen ärgerlich gewesen sind.

So ist auch beim vorgeblichen Treiben des NSU die bestimmende Frage, wem dieses nützt. Das Schreckbild der Terrortruppe kommt als Universallösung für eine ganze Reihe von Verlegenheiten in Frage. Auch die Randfiguren sind allesamt dubios. Keiner lässt sich so eindeutig in den Motiven seiner Handlungen erfassen, wie es uns von den beiden Toten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos versichert wird.

„Die Konzentration staatlicher Geldempfänger ist zu groß, um noch daran zu zweifeln, dass hier eine große Inszenierung stattgefunden haben muss“, schreibt Voss. In der Parade der V-Männer sind Personen vertreten, die zugleich in die rechte Szene, das „Mykonos“-Attentat oder islamistische Umtriebe verwickelt waren. Manche haben schon für die Staatssicherheit in der DDR spioniert. Es gibt den obdachlosen schießwütigen Radfahrer Michael Krause, der eine Geheimkarte von Erddepots bei sich trägt. Nach seinem Tod 2008 hören Morde des vermeintlichen NSU auf. Um diese Zeit ist auch die Anwesenheit eines V-Manns beim letzten Mord öffentlich geworden.

Lösen lässt sich das Verwirrspiel um den NSU und die ihm angelasteten Verbrechen nicht. Das Wirrwarr lässt sich nur lockern. Bei diesen Bemühungen tut sich auch Voss zuweilen schwer. Vieles ist an sich so zerfasert, dass die Lektüre Mühe bereitet. Das Kapitel über die Geburtsstunden des Phantoms am 4. November 2011 weist noch die größte Geschlossenheit auf. Einzeln werden die Morde und die „Beweismittel, die keine sind“, beschrieben, besonders der Bekennerfilm und seine Lancierung. Die teilweise kriminelle Vorgeschichte der Mordopfer findet Erwähnung.

Dabei enthält das Buch keine grundsätzliche Polemik. Es ist weitgehend frei von naheliegendem Sarkasmus und in einem eher ruhig-besorgten Ton gehalten. Nach der Darstellung aller Schattierungen ist nur eines gewiss: So wie es offiziell dargestellt wird, kann es nicht gewesen sein. Viele Einzelheiten, die im Buch erwähnt werden, könnten erst dadurch weiteres Gewicht erhalten, dass Vermutungen sich zu neuen Gewissheiten verdichten. Das ist aufgrund der Beschaffenheit der Umstände leider wenig wahrscheinlich.

Sebastian Hennig

Kai Voss: „Das NSU-Phantom. Staatliche Verstrickungen in eine Mordserie“, gebunden, Ares-Verlag Graz 2014, 288 Seiten, 19,90 Euro


Emotionale Möglichkeiten
Ein Wissenschaftler berichtet Staunenswertes über Dialekt und Hochsprache

Wer bisher dachte, Dialekte seien einfach nur schlechtes Hochdeutsch, irrt gewaltig. Ein Blick in Hubert Klausmanns Buch über den schwäbischen Dialekt bringt ungeahnte Erkenntnisse sogar für Norddeutsche, die allenfalls den berühmten baden-württembergischen Werbespruch kennen: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Es geht um Fragen wie: Woher kommen die Dialekte und wie stehen Dialekt und „Hochdeutsch“ zueinander?

Die Verfechter einer lupenreinen allgemeingültigen Sprache müssen dann allerdings ganz tapfer sein. In Klausmanns Buch ist zu erfahren, dass es gar kein Hochdeutsch gibt. Wissenschaftler bezeichnen es herablassend als „überregionale Kompromiss-Sprachform“. Auch mit einem anderen Mythos räumt das Werk auf: Die Menschen rund um Hannover sprechen nicht das beste Deutsch im Lande, wie vielfach behauptet. Sie pflegen allenfalls die schon erwähnte Kompromiss-Sprache und zwar mit norddeutschem Einschlag. Außerdem haben Dialekte, insbesondere das Schwäbische, keineswegs die gleichen Wurzeln wie der sprachliche Mittelweg, bisher als Hochdeutsch bekannt.

Klausmann selbst hat romanische Sprachwissenschaft studiert und erforscht seit über 30 Jahren Mundarten im süddeutschen Raum. Er lehrt als Professor an der Universität Tübingen und überrascht in seinem Buch noch mit vielen weiteren spannenden Erkenntnissen: Menschen, die Dialekt sprechen, denken zwar nicht anders als diejenigen, die in der überregionalen Kompromiss-Sprachform unterwegs sind, sie haben aber emotional viel mehr Möglichkeiten beim Sprechen zu variieren zwischen Dialekt, regionalem Dialekt, Regiolekt und der regionalen Standardsprache.

Faszinierend auch, wie viele Varianten und Abstufungen zu finden sind. Sogar die Nähe innerhalb der Familien-, Dorf- und Arbeitsgemeinschaften wird sprachlich abgegrenzt. Je enger der Kreis desto „heftiger“ der Dialekt. Übrigens ist auch die Sprache der Jugend nicht nur im ständigen Wechsel begriffen, sondern auch sehr regional geprägt, weshalb Lexika der Jugendsprache oft gar nicht von Jugendlichen verstanden werden.

Das in fünf Hauptkapitel unterteilte Buch ist keineswegs nur etwas für Sprachforscher, sondern bietet einen unterhaltsamen Einblick in unser aller Kulturgeschichte. Es liest sich wie ein spannendes Geschichtsbuch und ist als amüsante Lektüre nur zu empfehlen. Silvia Friedrich

Hubert Klausmann: „Schwäbisch: Schwätz g'scheit, schwätz Schwäbisch“, Theiss Verlag, Darmstadt 2014, broschiert, 192 Seiten, 19,95 Euro


Das Ende
Ein packendes Buch über den Kampf um Berlin 1945

Als am 16. April 1945 um vier Uhr früh an der Oderfront das russische Trommelfeuer losbricht, eröffnet die Rote Armee den Sturm auf Berlin. Die letzte Schlacht in diesem völkermordenden Wahnsinn nimmt ihren Anfang. Im größten Trümmerfeld Europas, der ehemaligen Reichshauptstadt Berlin, hocken die Menschen voller Angst in den Kellern und harren des Endes.

In seinem erstmals in den 1960er Jahren publizierten Dokumentarbericht schildert Cornelius Ryan eindrucksvoll die Chronologie dieser letzten Schlacht. Seine Darstellung beruht ebenso auf militärischen Dokumenten wie auf privaten Aufzeichnungen und Erinnerungen von Augenzeugen: Vom Berliner Milchmann bis zum Sowjetmarschall, vom GI bis zum Heeresgruppen-Oberbefehlshaber, von den Verfolgten des Hitlerregimes bis zu den Angehörigen der braunen Prominenz.

Ryan, 1920 im irischen Dublin geboren, war im Zweiten Weltkrieg Kriegsberichterstatter für die Londoner Tageszeitung „The Daily Telegraph“. Berühmtheit erlangte er durch seine Bücher „Der längste Tag“ und „Die Brücke von Arnheim“. Beide wurden mit großem Staraufgebot verfilmt.

Nach dem Krieg war Ryan Honorarprofessor für Literatur an der Ohio University. 1965 erschien sein Buch „Der letzte Kampf“. Jetzt, da sich das Ende des Weltsterbens zum 70. Mal jährt, ist es im Theiss-Verlag neu aufgelegt worden. Auch das alte Geleitwort von Willy Brandt, der 1965 Bürgermeister von Berlin war, wurde übernommen. Die Publikation sei „ein sehr erregendes, sehr menschliches und wichtiges Buch“ schreibt er.

Mit 127 Fotos und fünf Karten bietet „Der letzte Kampf“ Einblicke in unterschiedlichste Einzelschicksale. Der Leser wird schnell in den Bann gezogen. Man sieht die ausgebrannten Ruinen, spürt den Regen aus Ruß, blickt auf die Toten und Verletzten in den Straßen. Bewundernswert, dass die Berliner selbst jetzt nicht ihren makaberen Humor verloren hatten, wie Ryan schreibt. Sie wünschten sich „bleib übrig“ oder „praktisch denken, Särge schenken“, flüsterten heimlich „Führer befiehl, wir tragen die Folgen“.

Ryan hat über 700 Personen befragt. Zivilisten wie Offiziere, Verfolgte und Verfolger. 57 Dokumentenbehälter mit vielen hundert Mappen sind das Resultat dieser Interviews. Daraus entstand in romanhafter Form, eine eindrucksvolle, lesenswerte Chronologie. Silvia Friedrich

Cornelius Ryan: „Der letzte Kampf“, Theiss Verlag, Darmstadt 2015, gebunden, 544 Seiten, 29,95 Euro


Der Neuanfang
Als Combat Historian im Nachkriegsdeutschland

Der Autor, wurde 1920 in New York als Sohn polnischer Juden geboren. Im Auftrag der Historischen Abteilung der US Army bereiste er 1945 als Combat Historian mit offenen Augen das kriegszerstörte Deutschland und Österreich, die Sowjetische Besatzungszone eingeschlossen.

Melvin J. Lasky führt Gespräche mit Hoch und Niedrig, mit Tätern und Opfern, mit Freund und Feind, mit Jung und Alt. Er berichtet über Reibereien zwischen französischen Soldaten („frogs“) und seinen Leuten, zwischen weißen und schwarzen Angehörigen der Army.

Immer wieder zieht er Bilanz über das besiegte Volk, dem er tagtäglich begegnet. Dann schreibt er etwa: „Ich würde sagen, die Leute sind ganz in Ordnung. Alle waren freundlich und in ihrer Einstellung sogar antinazistisch. Aber die meisten sind natürlich noch ganz benommen … Wir hatten Partisanenaktionen erwartet, …, aber bis jetzt ist nichts vorgekommen.“

„Die Theorie der Kollektivschuld“ ist ihm „ein ungeheuerliches Ding“. Das Ende des Fraternisierungsverbotes begrüßt er mit allem Nachdruck. Denen, die es verfügt hatten, liest er mit größter Klarheit die Leviten: „Ich weiß, was es mit den Ankläfern auf sich hat. Sie kennen keine Deutschen, sie haben mit keinem Deutschen gesprochen, haben keine Ahnung von deutscher Geschichte.“

Wer 1945 schon gelebt hat, wird sich meist bestätigt fühlen, wer damals noch nicht geboren war, erhält einen fundierten Einblick in das, was sich während und gleich nach Hitlers Abgang abgespielt hat. Dass die USA zunächst ihren Verbündeten, die Sowjet-union, schonten und von den Massenmorden in Katyn nichts wissen wollten, dürfte heute weithin bekannt sein. Doch was Lasky aus Handreichungen der US-Streitkräfte für ihn und seine Kumpel zitiert, verdient doch ein Ausrufezeichen: „Es gibt zwei Arten von Diktaturen – solche die das Volk unterdrücken, und solche, die im Interesse des Volkes und zu dessen Wohl agieren.“ Lasky ergänzt: „Die Sowjetunion war ein Beispiel für die zweite Art.“

Lasky ist nicht Partei. Selbst Kriegsverbrechen und Verbrechen an deutschen Gefangenen erwähnt er ohne Pathos. Doch manches rührt ihn zu Tränen. Jahre später nimmt er seinen ständigen Wohnsitz in Berlin, das er offenbar lieb gewonnen hatte. Dort stirbt er 2004 als angesehener Journalist. Konrad Löw

Melvin J. Lasky „Und alles war still. Deutsches Tagebuch 1945“, Rowohlt, Berlin 2014, gebunden, 494 Seiten, 24,95 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Wir kommen voran / Warum Pegida sich berappelt, wie wir dieses Gesocks endgültig wegkriegen, und wie wir die Deutschen erfolgreich vertrotteln

Das hatte uns gerade noch gefehlt: Pegida berappelt sich. Dabei hatten Deutschlands Qualitätsmedien dieser obskuren Zusammenrottung doch schon vor Wochen freudig das Totenglöckchen geläutet. „Hat Pegida schon fertig?“ jubelte die „Bild“-Zeitung schon im Januar. Am darauf folgenden Montag legte die Dresdener Truppe mit mindestens 25000 Demonstranten ihren Allzeitrekord hin. Ärgerlich.

Zwischenzeitlich kamen einige Politiker regelrecht ins Trudeln und wussten nicht mehr ein noch aus bei der Frage: Müssen wir mit diesen Leuten am Ende doch noch reden? Nach dem Zerwürfnis der beiden Vorreiter, Kathrin Oertel und Lutz Bachmann, sollte es dann aber endgültig vorbei sein mit dem Spuk, dachten wir.

Wieder nichts, wie Sie auf Seite 1 gelesen haben. Wie konnte das passieren? Es war doch alles klar! „Islamisierung“, so ein Quatsch, hallte es den Pegiden aus allen Ecken entgegen. Erstens gebe es in Dresden kaum Moslems und zweitens klappe das Zusammenleben überall wunderbar, wo die Einheimischen hinreichend willkommenskulturell und buntgesinnt auftreten.

Nun ja, das erste Argument hatten Spötter frühzeitig damit abgeräumt, dass in Berlin ja auch gegen Walfang und illegalen Elfenbeinhandel demonstriert werde, obwohl die Spree für Wale viel zu flach sei und die letzten märkischen Mammuts lange vor Gründung der Stadt ausgestorben seien.

In den zweiten Einwand gegen Pegida treiben derzeit einige verantwortungslose Plappermäuler tiefe Risse, denn sie berichten uns von Vorgängen, die mit dem Begriff „Islamisierung“ durchaus treffend beschrieben werden könnten.

So verbreiten redselige Medien die Nachricht, ein islamisches Wählerbündnis namens „Ummah“ habe erreicht, dass die Stadt Duisburg „prüfen“ muss, „ob Schwimmzeiten und Schwimmkurse für muslimische Einwohner eingerichtet werden können“. Wie „Der Westen“ berichtet, unterhält jene „Ummah“ eine Kooperation mit der SPD im Duisburger „Integrationsrat“. Integrationsrat! So nennt sich ein Gremium, über welches Vorschläge lanciert werden, wie man die Trennung der Moslems von allen anderen Religionsgruppen und Atheisten bis in die Badeanstalten hinein zementieren kann.

Die Stadtverwaltung will aber nicht so recht. Warum nicht? Wegen der zementierten Trennung? Ach was. Man habe das in der Vergangenheit schon geprüft, Resultat: zu teuer. Die Fenster müssten bei muslimischen Frauenbadetagen blickdicht verhängt werden und das Personal dürfe dann nur aus Frauen bestehen.

„Blickdicht verhängt“ kommen laut dem Hamburger Institut für Lehrerbildung auch immer mehr Musliminnen zur Schule. In den Treppenhäusern der Schulen werde mit einem „Vorbeter“ gebetet und Mädchen, die sich nicht sittsam genug kleiden, würden von islamischen Mitschülern gehänselt. Weibliche Lehrkräfte würden „nahezu täglich“ beleidigt, deutsche Schüler mit dem Wort „Jude“ als Schimpfwort belegt. Bei Letzterem werde „dann allerdings sofort eingeschritten“, versichert ein Vertreter des schleswig-holsteinischen Verbandes der Realschullehrer.

Und jetzt? Hat Pegida etwa doch recht? Natürlich nicht, darf gar nicht sein. Interessant ist allerdings, dass in den besorgten Stellungnahmen diesmal der sonst obligatorische Hinweis fehlt, es handele sich bei den Vorkommnissen selbstverständlich nur um „Einzelfälle, die man nicht verallgemeinern darf“. Das kann nur damit zusammenhängen, dass sich die „Einzelfälle, die man nicht verallgemeinern darf“, derart vermehrt haben, dass man mit dem einst vorgeschriebenen Zusatz einen bitteren Lacher riskiert.

Das macht die Sache kompliziert. Wer hat schon Lust auf einen Berg von Protestschreiben weiblicher Lehrkräfte, die es satt haben, dass ihre täglichen Nöte mit dem Begriff „Einzelfälle“ vom Tisch gefegt werden? Niemand. Also muss dringend eine andere Marschroute her. Damit Pegida und ähnliches Gesocks trotz offenkundiger Problemlage keine Schule machen, muss dafür gesorgt werden, dass die Leute sich nicht trauen, allzu laut und zu öffentlich über die Misere zu reden.

Wie wir das hinkriegen sollen? Ganz einfach, die Lösung ist längst da. Sie kennen sie sogar, haben es womöglich nur noch nicht bemerkt.

In den zahllosen „Deutschland ist bunt“-Reden, die in Dauerschleife durch die Republik raunen, wird neuerdings dauernd vor denen gewarnt, „die unsere Gesellschaft spalten wollen“. Das ist nicht einfach so eine Floskel, das ist ein sagenhafter Schachzug!

Mit der Sprachregelung kann man nämlich jeden, der das problematische Verhalten bestimmter Gruppen kritisiert, zu Boden klatschen. Denn es wird immer jemanden geben, den die Kritik unglücklich macht – und schon ist die da, die „Spaltung“.

Das „Spaltungs“-Verbot ist nichts Geringeres als das Verbot, Massenprobleme, so offensichtlich und beunruhigend sie auch sein mögen, öffentlich zu beklagen, gar politische Konsequenzen zu fordern. Denn ob die Probleme existieren oder nur eingebildet sind, spielt ab jetzt überhaupt keine Rolle mehr. Um die „Spaltung“ zu verhindern, müssen sie beschwiegen oder zumindest kleingeredet werden. Da kann so ein Pegide tausendmal richtig liegen mit seiner Wahrnehmung, er „spaltet unsere Gesellschaft“, basta.

Auf diesem verheißungsvollen Weg der Demagogie kann man gleich noch einen Schritt weitergehen. Die „Frankfurter Allgemeine“ erläutert uns, dass es zwar unangemessen sei, deutsche „Wutbürger“ mit den radikal-islamischen Mördern von Paris und Kopenhagen auf eine Stufe zu stellen. „Doch“, so „FAZ“-Herausgeber Jürgen Kaube, „das kann nicht in den Hintergrund drängen, dass die Taten von Paris und Kopenhagen einem Muster folgen, von dem es auch friedliche Varianten gibt“, nämlich die „Dresdener Demonstrationen“.

Ich weiß, an der Stelle musste ich auch erst mal tief Luft holen. Das hat der wirklich geschrieben? Ja, hat er. Damit Sie das „FAZ“-Kunstwerk im Internet in voller Länge genießen können, gebe ich Ihnen gern die Quelle: Der Artikel erschien am 16. Februar unter der Überschrift „Anschläge in Europa – Woher kommt der Hass?“

Stellen wir uns vor, eine Horde blutrünstiger IS-Schergen fiele in Deutschland ein und gewisse „Dresdner“ gehen empört dagegen auf die Straße. (Können Sie sich nicht vorstellen? Konnten die Syrer vor ein paar Jahren auch nicht.) Nach der Lehre des Herrn Kaube wären die friedlichen Demonstranten dann nur die „friedliche Variante“ der Mörderbanden, gegen die sie auf die Straße gehen, denn „hasserfüllt“ (Kaube) sind beide. Kapiert?

Weil gut und böse, richtig und falsch hier völlig verschwimmen, können wir die Rollen ganz freihändig verteilen. Ein Politiker oder Journalist etwa, der die „Dresdner Demonstranten“ als Nazis, Mischpoke oder Schande abqualifiziert, der will natürlich „versöhnen“ und „Farbe bekennen für Toleranz“. Wenn die solcherart Beschimpften aber mit „Volksverräter“ oder „Lügenpresse“ zurückpoltern, „säen sie Hass“ und wollen „unsere Gesellschaft spalten“.

Was dieser ganze Blödsinn soll? Nun, denken wir mal zu Ende: Wenn das Volk alle Maßstäbe verloren hat, kann es auch nichts mehr beurteilen, nicht mal sich selbst, geschweige denn Politiker oder Medien. Es sinkt hinab zu einer Masse orientierungsloser Trottel, die nur von der Angst getrieben werden, vom Herrn und Gebieter zu den „hasserfüllten Spaltern“ geschlagen zu werden. Ein Traum für jeden Herrscher!

Kann so etwas denn überhaupt gelingen? Wer lässt sich das gefallen? Da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Hören Sie sich mal die Verrenkungen an, die selbst manche protestierenden Bürger aufführen in dem Bestreben, bloß nicht als „rechts“ bezeichnet zu werden, und Sie sehen: Wir kommen gut voran.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Illegaler Wodka wegen Krise

Moskau – Die Krise hat sich auch auf die Produktion des Wodka, des Russen liebstes Getränk, niedergeschlagen. 2014 brach die Herstellung regelrecht ein. Vor allem im November und Dezember wurden über 47 Prozent weniger Wodka produziert, was nicht bedeutet, dass auch weniger konsumiert worden wäre. Wegen der hohen Alkoholsteuer hat die Zahl illegaler Brennereien Schätzungen zufolge um 50 bis zu 65 Prozent zugenommen. MRK

 

Steuergeld für Demo

Dresden – Die Kundgebung „für ein weltoffenes Dresden und gegen Pegida“ am 10. Januar wurde mit mehr als 105000 Euro aus Steuermitteln bezuschusst. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage der AfD an die Stadt Dresden und die sächsische Landesregierung hervor. Der kultur- und jugendpolitische Sprecher der Dresdener AfD, Gordon Engler, kritisiert, mit dem Zuschuss sei „die staatliche Neutralitätspflicht verletzt“ worden. H.H.

 

Der moderne Theseus

Griechenlands Zukunft hängt am seidenen Ariadne-Faden. An den klammert sich der neue griechische Finanzminister Giannis Varoufakis, der sich wie der Held Theseus aus der antiken Mythologie vorkommen muss. Nachdem er den menschenfressenden Minotaurus getötet hat, fand einst schon Theseus den Weg aus dem Höhlenlabyrinth dank des Fadens der Ariadne.

Einen ähnlichen Weg aus der verworrenen Finanzkrise versucht auch Varoufakis zu finden. Da nicht der Minotaurus, sondern die Schulden Griechenland auffressen, will er diese in Stücke schlagen und notfalls ohne EU einen Ausweg finden. Wie das gehen soll, zum Beispiel mit dem Grexit, dem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, weiß nur er allein. In seinem 2012 auf Deutsch erschienenen Buch „Der globale Minotaurus“ erklärt der in England ausgebildete Ökonom und – wie er sich selbst bezeichnet – „liberale Marxist“ zwar, wer für die weltweite Finanzkrise verantwortlich ist – der unersättliche Minotaurus USA –, aber er beschreibt keine Lösungen.

Die sind aber umso mehr gefragt, nachdem der Schuldengipfel mit der EU nach nur einer halben Stunde geplatzt war (s. Leitartikel S. 1). Von dem 52-jährigen geschiedenen Vater einer Tochter, der seit 2005 mit einer Künstlerin liiert ist, darf man noch so manche Überraschung erwarten. Viele bezeichnen den parteilosen Professor der volkswirtschaftlichen Spieltheorie, die er an den Universitäten in Oxford, Athen und Austin/Texas lehrte, schon als Popstar der griechischen Regierung. Diesen Ruf pflegt er, wenn er lässig mit dem Motorrad davoneilt, trendbewusst seinen Internet-Blog betreibt und mit knappen, pointierten Sätzen vor allem bei Frauen seinen Charme versprüht. Solche Helden liebt das Volk, auch wenn sie Unheil bringen. Harald Tews


MEINUNGEN

Alexander Kissler macht im „Cicero“ (17. Februar) klar, was die Absage des Braunschweiger Karnevals an den Tag brachte:

„Die Absage des größten Karnevalsumzugs Norddeutschlands aus Angst vor islamistischen Anschlägen ist eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, besagt sie doch: Der Staat gibt auf, er zieht sich zurück, er legt die Definitionshoheit über den öffentlichen Raum und dessen Grenzen in die Hände islamistischer Terroristen – oder sogar nur solcher, die sich dafür halten. Der Hinweis eines Verbindungsmannes des Verfassungsschutzes in der Salafistenszene reichte offenbar für die Absage aus. So leicht knickt der Staat ein, wenn er es einmal nicht mit Verkehrs- oder Steuersündern zu tun hat. Stark zeigt er sich nur Schwachen gegenüber.“

 

 

Henryk M. Broder hat die Forderungen eines Kongresses von Immigranten-Nachkommen beobachtet und Merkwürdiges entdeckt. In der „Welt“ (11. Februar) fragt er:

„Nun fordern die ,neuen Deutschen‘, die Unterscheidung zwischen ihnen und den ,richtigen‘ Deutschen müsse aufhören. Im selben Atemzug verlangen sie die Einführung von Quoten. Ist das nicht ein wenig inkonsequent? Sich über Unterscheidungen zu beschweren und dann nach Maßnahmen zu deren Zementierung zu rufen?“

 

 

Cora Stephan meint zur deutschen Zuwanderungspolitik in der „Wirtschaftswoche“ (10. Februar):

„Wenn mehr als zwei Drittel der abgelehnten Asylbewerber dennoch bleiben, ist die Botschaft klar: Deutschland achtet die eigenen Gesetze gering. Das gleiche aber gilt für den eilfertig vorgezeigten Respekt vor ,anderen Kulturen‘, etwa der islamisch geprägten. Es wird den Deutschen nicht als Stärke, sondern als Schwäche ausgelegt.“

 

 

„Spiegel“-Co-Chefredakteur Nicolaus Blome streicht in „Spiegel-online“ (16. Februar) heraus, welch gefährliche Botschaft die Hamburg-Wahl für die CDU bedeutet:

„Angela Merkel, die Solide, die Verlässliche, kann sich ihres Kanzleramts vorerst ziemlich sicher sein, eben weil die Deutschen sich in Krisenzeiten hinter ihre Regierung stellen. Aber für ihre CDU muss sie eines zur Kenntnis nehmen: Wann immer die SPD in den Bundesländern ihren Politikstil kopiert und einen verlässlich wirkenden Amtsinhaber aufbieten kann, ist sie kaum mehr zu schlagen und die CDU geradezu erschütternd blank.“

 

 

Torsten Oelsner bezweifelt, dass sich Pegida bereits totgelaufen hat. Im Internet-Magazin „Journalistenwatch.com“ (16. Februar) stellt er einen interessanten Vergleich an:

„Betrachten wir noch einmal die letzte Einschätzung der Zukunftsaussichten von Pegida. Hier riesele noch etwas Asche herunter, aber der große Ausbruch sei vorbei, hatte Politikwissenschaftler Werner Patzelt vorhergesagt. Ein schönes Bild. Aber es stimmt nicht zuversichtlicher. Denn Historiker wissen: Pompeji wurde nicht durch Lava vernichtet, sondern unter einer meterdicken Schicht heißer Asche begraben.“