28.03.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 26/15 vom 27.06.2015

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Wie ein Schritt ins Licht
Verbindung des Gedenkens schafft Verständnis für die deutschen Vertriebenen

Trotz seiner Internationalisierung sind die deutschen Schicksale am Vertriebenengedenktag in aller Form gewürdigt worden.

Erstmals wurde am vergangenen Wochenende der bundesweite Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung begangen. Damit ist ein langgehegter Wunsch der deutschen Vertriebenen in Erfüllung gegangen. Die Lösung, ihnen kein eigenständiges, sondern nur ein an den Weltflüchtlingstag gekoppeltes Gedenken zuzugestehen, kann nicht voll befriedigen. Andererseits hat ihr Schicksal dadurch, dass es in Zusammenhang mit dem von Millionen „Migranten“ unserer Tage in Zusammenhang gebracht wird, in größerem Maße öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, als es bei einem eigenen Gedenktag womöglich der Fall gewesen wäre. Nun werden auch die deutschen Vertriebenen endlich als Opfer anerkannt und nicht länger als Angehörige des „Tätervolkes“ angesehen, die selbst schuld an ihrem Schicksal haben.

Kein Geringerer als Bundespräsident Joachim Gauck hat bei der zentralen Gedenkveranstaltung in Berlin daran erinnert. Mit begrüßenswerter Klarheit benennt er den „Albtraum“ der Entrechtung und des Heimatverlusts für 14 Millionen Menschen, spricht von Verfolgung und Tod, aber auch von einer großartigen Integrations- und Aufbauleistung. Er räumt Scham darüber ein, lange nicht erkannt zu haben, dass die Ostdeutschen für den Krieg „so unendlich mehr bezahlt“ haben als „vermeintlich zwangsläufige Strafe für die Verbrechen der Deutschen“. Gauck wäre nicht Gauck, würde er uns nicht eben diese an der einen oder anderen Stelle vorhalten, aber immerhin mit einer für ihn ungewohnten Zurückhaltung. Auch ein kleiner Seitenhieb auf die Landsmannschaften und Vertriebenenfunktionäre darf nicht fehlen, hätten diese doch „über lange Jahre Ansprüche verteidigt und Illusionen geschürt“ und durch ihre Rhetorik die Heimatliebe diskreditiert. Aber diese Worte mögen getrost hinter denen, die bedeutungsvoller sind, verblassen.

Vollkommen vertut sich das Staatsoberhaupt allerdings, wenn es davon spricht, die „Schicksale von damals und die Schicksale von heute“ gehörten „auf eine ganz existenzielle Weise zusammen“. Unverhohlen sagt Gauck, worum es ihm eigentlich geht: „Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen von heute vertiefen.“ Nämlich um uns zu mahnen, noch mehr Zuwanderer aufzunehmen. Denn: „Vor 70 Jahren hat ein armes und zerstörtes Deutschland Millionen Flüchtlinge zu integrieren vermocht. … Warum sollte ein wirtschaftlich erfolgreiches und politisch stabiles Deutschland nicht fähig sein, in gegenwärtigen Herausforderungen die Chance von morgen zu erkennen?“ Der Vergleich von Deutschen, die aus Deutschland nach Deutschland vertrieben wurden, mit Immigranten, von denen, wie Gauck selbst zugibt, ein großer Teil gar keine Asylgründe hat, ist Geschichtsklitterung. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt. Jan Heitmann


Russe dirigiert Berliner
Kirill Petrenko wird Leiter der Berliner Philharmoniker

Die Musikfreunde in der Bundeshauptstadt müssen sich an einen neuen Namen gewöhnen. Kirill Petrenko soll 2018 bei den Berliner Philharmonikern die Nachfolge von Sir Simon Rattle antreten. Das gab jetzt der Orchestervorstand bekannt, nachdem eine erste Wahl unter den Musikern – die Philharmoniker dürfen als eines der wenigen Orchester von Weltrang ihren Dirigenten selbst wählen – Mitte Mai ergebnislos verlaufen war und man ur­sprünglich vor der Sommerpause keine Entscheidung hatte fällen wollen.

Die Philharmoniker sorgten so gleich für zwei Überraschungen. Zum einen, dass die Wahl so plötzlich, um nicht zu sagen überstürzt, kam. Und zum anderen, dass keiner der arrivierten Dirigenten den Vorzug bekam. Die zuvor gehandelten Favoriten wie Christian Thielemann oder Daniel Barenboim haben bereits einen großen Namen. Der 1972 in Omsk geborenen Russe Petrenko, der von 2002 bis 2007 als Generalmusikdirektor an der Komischen Oper in Berlin wirkte, muss ihn sich erst noch erarbeiten.

Für die Philharmoniker bietet sich die Chance, mit einem relativ jungen Dirigenten wieder in die Bedeutung hineinzuwachsen, die sie noch in der Karajan-Ära unzweifelhaft besaßen: das neben den Wiener Symphonikern weltweit führende Orchester. Dieser Ruf gilt als angekratzt, nachdem viele zuletzt den allzu „britischen“ Orchesterklang unter dem seit fast 13 Jahren dort dirigierenden Rattle moniert hatten.

Jetzt wird man sich an russische Töne gewöhnen müssen. Dass der medienscheue Petrenko vom Charakter her das exakte Gegenteil des extrovertierten Rattle ist, weiß das Orchester auszunutzen, gilt hier doch die Devise: Das Orchester ist der Chef, nicht der Dirigent. Doch nur eine durchsetzungsfähige Persönlichkeit kann es in die Spur zurückbringen. Harald Tews


Aus für Luckes »Weckruf«
Parteischiedsgericht der AfD verbietet »Spalter-Verein«

Das Bundesschiedsgericht der AfD hat den Bundesvorstand der Partei angewiesen, die umgehende Auflösung des im Mai von Parteichef Bernd Lucke gegründeten Vereins „Weckruf 2015“ anzuordnen. Zur Begründung heißt es, der Verein sei mit der Satzung der AfD nicht vereinbar. In ihm sollten Richtungsentscheidungen vorgenommen werden, die allein einem Bundesparteitag vorbehalten seien. Dieses Vorgehen aber sei eindeutig satzungswidrig. Für Lucke bedeutet diese Entscheidung eine schwere Niederlage in dem in der Parteiführung öffentlich ausgetragenen Streit.

In der Interessengemeinschaft wollte Lucke seine Anhänger vom wirtschaftsliberalen Parteiflügel versammeln, um Druck auf die rechtskonservativen Kräfte um die Co-Vorsitzende Frauke Petry auszuüben. Er drohte sogar indirekt mit einer Spaltung der Partei, indem er dazu aufrief, Entscheidungen über die Zukunft des „Weckruf“ erst nach dem anstehenden Parteitag zu treffen. Seine parteiinternen Gegner warfen ihm daraufhin die Zerstörung der innerparteilichen Demokratie vor. Lucke hingegen vertritt die Ansicht, dass der „Weckruf“ die Partei nicht nur nicht spalte, sondern sie sogar stabilisiere.

In einem Interview mit der „Welt“ hat der ansonsten sehr von sich überzeugte Lucke eingeräumt, einen strategischen Fehler gemacht zu haben, indem er „die Programmarbeit und die inhaltliche Positionierung der AfD“ aufgrund der vielen Wahlkämpfe vernachlässigt habe. Weiter erklärte er, dass ein geschlossener Austritt der „Weckruf“-Mitglieder auch dann nicht beabsichtigt sei, wenn sie ihre Ziele auf dem Parteitag verfehlen sollten. Er selbst wolle auf dem Parteitag als Vorsitzender antreten, denn die AfD habe die „historische Chance, eine neue, bürgerliche Volkspartei“ zu werden. J.H.


Jan Heitmann:
Hinhören!

Lob aus dieser Richtung bekommt der Papst selten. Selbst Linke und Grüne überschlagen sich geradezu vor Begeisterung über dessen Enzyklika „Laudato si“. Kein Wunder, sehen sie sich darin doch voll bestätigt. Denn mit deutlichen Worten prangert der Heilige Vater die Umweltzerstörung, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die Wegwerfkultur, den Klimawandel, die Globalisierung und den ausufernden Kapitalismus an. Dieser leidenschaftliche Appell zur Rettung der Erde, heißt es, sei eine revolutionäre Schrift, ein ökologisches Manifest, ein eindringlicher Weckruf, der weit über die katholische Welt hinaus Wirkung entfalten werde. Quer durch den Blätterwald sind sich die Kommentatoren einig: Hört auf den Papst!

Möglicherweise wäre der kollektive Jubel verhaltener ausgefallen, wenn die neuen An- hänger des Papstes ihm selbst zugehört hätten – bis zum Ende zugehört hätten. Denn Franziskus hat keine „Umweltenzyklika“ vorgelegt, sondern er äußert sich in seinem Lehrschreiben auch zu Lebensfragen, in denen Linke und Grüne ganz anderer Meinung sind als der katholische Oberhirte. So setzt er sich für den Schutz des ungeborenen Lebens ein und lehnt Abtreibung unmissverständlich ab. Auch der Ideologie des Gender-Mainstreaming, der „Auslöschung des Unterschiedes zwischen den Geschlechtern“, tritt er klar entgegen.

Wer den Papst als Leitinstanz in umweltpolitischen Fragen anerkennt, kann ihm nicht gleichzeitig bei Fragen des Le- bensschutzes, der Lebensweise und der Sexualethik jede Autorität absprechen. Also, liebe Linke, Grüne, Ökoaktivisten, Friedensbewegte und Gender-Fanatiker: Hört richtig hin!


S. 2 Aktuell

Ramstein ermöglicht erst den »Mord«
Höchste deutsche Gerichte müssen sich mit dem von den USA geführten Drohnenkrieg beschäftigen

Wenn auch die Öffentlichkeit über den Drohnenkrieg, den die USA gegen verschiedene Länder der Welt führen und an dem Deutschland hilfreich mit beteiligt ist, hinwegsieht, so müssen sich doch höchste deutsche Gerichte damit beschäftigen.

Zu den zahlreichen Orten im Jemen, die von US-Drohnen mit Raketen – „Hellfire“ (Höllenfeuer) heißt der beliebteste Typ – beschossen werden, gehört Khasahmir in der Region Hadramut. Dort verlor der Ingenieur Faisal bin Ali Jaber zwei Familienangehörige durch die Drohnen: seinen Schwager, den Imam Salim bin Ali Jaber, der gegen die al-Kaida gepredigt hatte, und seinen Neffen Abdullah ibn Ali Jaber, einen Polizisten. Im Gegensatz zu den tausenden anderen hilflosen Betroffenen beschloß Faisal, sich zur Wehr zu setzen. Er erhob in Deutschland Klage gegen die Bundesregierung, weil sie sich systematisch an den völkerrechtswidrigen Drohnenangriffen der USA beteiligt. Wesentliche rechtliche Grundlage der Klage ist der Artikel 26 des Grundgesetzes, der die Führung eines Angriffskrieges verbietet. Es ist der einzige Grundgesetzartikel, der mit einer Strafandrohung versehen ist.

Die sachliche Begründung für die Klage, die zwar den US-Drohnenkrieg betrifft, aber gegen die Bundesregierung gerichtet ist, besteht in der Tatsache, dass die US-Luftwaffe ihre tödlichen Raketen ohne deutsche Hilfe nicht ins Ziel bringen könnte. Zwischen Mittelasien oder auch dem Nahen Osten und den USA bedarf es einer Relaisstation und die steht im deutschen Ramstein.

Ramstein ist ein kleiner Ort in Rheinland-Pfalz mit kaum 8000 Einwohnern. Seine überregionale Bekanntheit und Bedeutung hat er denn auch von dem dort liegenden US-Luftwaffenstützpunkt, dem weltweit größten außerhalb der USA. Auf ihm tun 35000 GI und 6000 Zivilangestellte Dienst. Eine ihrer strategisch wichtigsten Aufgaben ist es, die Verbindung zwischen den US-Drohnen irgendwo in Asien oder Afrika und den jeweiligen Stützpunkten in den USA herzustellen. Ohne Ramstein kein Bombenkrieg, das heißt, ohne die willfährige Duldung der Bundesregierung, Ramstein für den Krieg zu missbrauchen, keine Drohnen-Toten.

Dass Ramstein für die US-Luftwaffe unverzichtbar ist, stellt kein Geheimnis dar. Es wird aber von einem ehemaligen Drohnen-Piloten, Brandon Bryant, eindringlich bestätigt. Er hat mit seinem Job bei der United States Air Force gebrochen, weil sein Gewissen nicht mehr standgehalten hat. Von 2005 bis 2011 hat er 1626 Menschen getötet, einfach so, per Mausklick, vor seinem Bildschirm. Heute sagt er: „Mein Land hat mich zu einem Mörder gemacht.“

Was Faisals Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln angeht, so wies Richterin Hildegund Caspari-Wierzoch diese zurück, sie sei „in der Sache unbegründet“. Das muss umso mehr erstaunen, als die Richterin gleichzeitig den Drohnenkrieg einen „Mord mit gemeingefährlichen Mitteln“ nannte und im Gerichtssaal verkündete: „Ramstein spielt eine nicht unerhebliche Rolle im Drohnenkrieg der USA.“ Es wurden schon gegen Urteile, die mehr Logik beinhalteten, Rechtsmittel eingelegt, und eben das wird Faisal bin Ali Jaber auch in diesem Fall tun.

Wie schwach die Position der Bundesregierung ist, zeigt sich in der Beflissenheit, mit der sie sich die Ausrede der USA, in Ramstein würden Drohneneinsätze weder befehligt noch gelenkt, zu eigen macht. Sie versucht dabei zu übersehen, dass dies gar nicht der Vorwurf ist, sondern vielmehr Ramstein das fehlende Glied zwischen Befehl und Einsatz bildet und so den „Mord mit gemeingefährlichen Mitteln“ erst ermöglicht. Gleichzeitig billigt Berlin de facto die völkerrechtswidrige Anmaßung der USA, sie hätten angesichts des 11. September das Recht, überall auf der Welt und mit allen Mitteln den Terror zu bekämpfen, gleichgültig, wer dabei zu Schaden kommt. Offiziell allerdings wäscht man in Berlin seine Hände in Unschuld: Man habe „keine gesicherten Erkenntnisse über die Aktivitäten der USA in der Basis Ramstein“.

Übrigens ist der Ingenieur aus dem Jemen nicht der einzige, der wegen des Drohnenkrieges vor Gericht gezogen ist. Der Kaiserslauterer Wolfgang Jung, ein Nachbar der GI in Ramstein, hat ebenfalls mit Berufung auf den Grundgesetzartikel 26, der einen Angriffskrieg verbietet, schon vor Längerem Klage erhoben, die aber bislang nicht entschieden worden ist. Er und seine Anwälte wollen erreichen, dass die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesverteidigungsministerium, dazu verurteilt wird, Ramstein zu überwachen. Dabei geht es im speziellen um das Air and Space Operation Center und die SATCOM-Relaisstation. Jung will zudem bewirken, dass sich Angriffe nur gegen Zielpersonen richten, „die zum Zeitpunkt des Angriffs als Kombattanten einzustufen sind und die Tötung und Verletzung einer unverhältnismäßigen Zahl von Zivilpersonen ausgeschlossen ist“.

Könnte Jung ein derartiges Urteil erwirken, so hätte das zweierlei Folgen: Zum einen müsste die Bundesrepublik Deutschland den Nachweis führen, dass sie im Stande ist, gegenüber den USA ihre Souveränitätsrechte in Ramstein durchzusetzen, und zum anderen könnten die USA angesichts einer Quote von über 20 getöteten Unbeteiligten bei einem Terroristen ihren Drohnenkrieg einstellen. Die beiden bisherigen Instanzen haben erklärt, Jung sei nicht klageberechtigt. Das macht die Sache einfach. Florian Stumfall


Unterstützung für Cameron
Wahlsieger in Dänemark wollen Briten bei EU-Reform unterstützen

Die Chancen des britischen Premiers David Cameron, eine grundlegende Reform der EU zu erreichen, sind mit den dänischen Parlamentswahlen vom 18. Juni deutlich gestiegen. Sieger bei den Folketingwahlen ist ein Mitte-Rechts-Lager geworden, das bereits vor den Wahlen Rückendeckung für die britischen Reformbemühungen signalisiert hatte.

Zwar wurden die Sozialdemokraten der bisherigen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt mit 26,4 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft. Insgesamt bringt das Mitte-Links-Bündnis, auf das sich Thorning-Schmidt bisher stützten konnte, aber nur noch 85 der 179 Sitze im Folketing zusammen. Der sogenannte blaue Block aus Dänischer Volkspartei (DF), Venstre – Danmarks Liberale Parti (V), Liberaler Allianz (LA) und Konservativer Volkspartei (K) konnte dagegen 90 Mandate erringen.

Als eigentlicher Wahlsieger kann sich die Dänische Volkspartei sehen, die den bisher größten Erfolg ihrer Geschichte einfuhr: Rund 21 Prozent der Wähler stimmten für die EU-Kritiker um Kristian Thulesen Dahl, die damit zur zweitstärksten Partei Dänemarks wurde. Venstre unter Lars Løkke Rasmussen, der voraussichtlich neuer Regierungschef wird, musste dagegen herbe Verluste einstecken. Die Partei sackte auf 19,4 Prozent der Stimmen ab und ist künftig nur noch drittstärkste Partei im Folketing.

Offen ist, ob die Dänische Volkspartei sich an einer Regierung unter Rasmussen direkt beteiligen wird. Bislang ist die Partei gut damit gefahren, nicht selbst auf der Regierungsbank zu sitzen, sondern über eine Tolerierung indirekt Einfluss zu nehmen.

Bereits vor der Wahl hatte der Mitte-Rechts-Block in einer gemeinsamen Erklärung bekannt gegeben, dass er im Falle eines Wahlsieges die britischen Bemühungen zur Reform der EU unterstützen werde. „Wir stehen hinter Großbritannien und den Bemühungen ähnlich gesinnter Nationen, die verhindern wollen, dass sich die EU in eine Sozialunion umwandelt“, so ein Kernpunkt der Erklärung. Deutlich gemacht hat Rasmussen obendrein, dass er Camerons Bemühungen unterstützen will, die Einwanderung in das Sozialsystem durch Bürger anderer EU-Länder einzuschränken. Diese klare Positionierung kam einer politischen Sensation gleich: Bislang stand Rasmussens Partei in Dänemark für eine EU-unkritische Politik. Norman Hanert


Reines Feigenblatt
Sanktionen gegen Russland fast wirkungslos

Die EU-Staaten haben eine Verlängerung der gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen bis Ende Januar kommenden Jahres beschlossen. Damit sollten die Sanktionen an Termine angepasst werden, die im Friedensabkommen von Minsk vorgesehen sind. So bleibe noch Zeit, die Umsetzung von Minsk zu bewerten, bevor erneut entschieden werden müsse, heißt es dazu aus Brüssel. Die Strafmaßnahmen waren im Sommer des vergangenen Jahres für zunächst ein Jahr beschlossen und im September verschärft worden. Sie richten sich unter anderem gegen russische Staatsbanken, die Rüstungsindustrie, den Öl- und Gassektor sowie rund 150 Politiker, Beamte und Unternehmer, die mit Reise- und Vermögenssperren belegt wurden.

In der Praxis ist das umfangreiche Maßnahmenpaket indes mehr oder minder wirkungslos geblieben. Nachforschungen des Recherchenetzwerkes Leading European Newspaper Alliance (Lena), dem unter anderem die „Welt“ angehört, haben ergeben, dass in mindestens neun der 28 EU-Mitgliedstaaten „keinerlei Vermögenswerte von Individuen, Unternehmen und Organisationen auf der EU-Sanktionsliste eingefroren oder beschlagnahmt“ wurden. Demnach teilten Spanien, Malta, Finnland, Kroatien, Slowenien, Slowakei, Ungarn, Irland und Litauen auf Anfrage mit, dass keinerlei Meldungen vorlägen. In Schweden beträgt die Summe gesperrter Gelder laut Zeitungsallianz gerade einmal etwa 200 Euro. Auch in den meisten anderen Ländern mit Ausnahme Italiens waren die Beträge sehr gering. In Deutschland wurden nach Informationen des Recherchenetzwerks gut 124000 Euro eingefroren und selbst in Zypern, dem bei vermögenden Russen besonders beliebten EU-Land, waren es unter 120000 Euro.

Einige EU-Mitgliedsstaaten gaben keinerlei Auskünfte, andere machten nur vage Angaben. Weder die EU-Kommission noch der Rat der Europäischen Union konnten trotz mehrmaliger Nachfrage der Zeitungsallianz die Summe der eingefrorenen Gelder, Immobilien und Vermögensgegenstände in den EU-Mitgliedstaaten beziffern. J.H.


MELDUNGEN

Vertreibung bewegt bis heute

Berlin – Einer vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Deutschland, Polen und Tschechien durchgeführten repräsentativen Studie zufolge bewegen Flucht und Vertreibung die Menschen noch immer. Demnach beschäftigt das Thema die Deutschen heute mehr als noch vor zehn Jahren. Gut ein Viertel der Befragten sieht einen persönlichen oder familiären Bezug. Vor allem für die persönlich betroffenen Menschen spielt das Thema eine wichtige Rolle. Eine knappe Mehrheit der Deutschen begrüßt die Einführung eines Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Auch begrüßt eine Mehrheit die Einrichtung eines Informations- und Dokumentationszentrums zum Thema. Die polnischen Befragten räumen Flucht und Vertreibung der Deutschen einen ähnlich großen Stellenwert wie die deutschen ein; in Tschechien hingegen liegt dieser Wert niedriger. U.M.

 

Sejm korrigiert Eigentor

Warschau – Das polnische Parlament (Sejm) hat die Bezeichnung des Gedenktags am 14. Juni durch Hinzufügung des Wortes „deutsch“ als „Nationalem Gedenktag für die Opfer der deutschen nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager“ spezifiziert. Ursache ist, dass sich infolge der polnischen Beanspruchung historisch ostdeutscher Gebiete als polnisch in Teilen der ausländischen Medien eine vermeintlich absichernde Bezeichnung als „polnische Lager“ eingeschlichen hatte. Ähnliches geschah bereits früher, als sich übereifrig der polnischen Sprachpolitik anbiedernde westliche Journalisten anstelle der alten deutschen Ortsnamen für Stätten nationalsozialistischer Konzentrationslager polnische Bezeichnungen gebrauchten und so einen Proteststurm der polnischen Politik hervorriefen. Über Planungen des polnischen Parlaments hinsichtlich eines Gedenktages für die Opfer polnischer Konzentrationslager ist bisher nichts bekannt. T.W.W.

 

Russland plant Super-Träger

Moskau – Russland plant den Bau des größten Flugzeugträgers der Welt. Das von der russischen Marine auf dem militärtechnischen Forum „Armija 2015“ vorgestellte Schiff soll 90 Maschinen tragen können und damit mehr als die bisher weltgrößten Flugzeugträger der US-amerikanischen Nimitz-Klasse, die maximal 85 Flugzeuge tragen können. Die Maschinen können mithilfe von zwei Katapulten und zwei elektromagnetischen Beschleunigungsanlagen starten. Das Schiff soll mit einem aus vier Modulen bestehenden Flugabwehr-Artilleriesystem und zwei U-Boot-Abwehr-Raketensystemen bewaffnet werden. Der Super-Träger mit einer Länge von 330 und einer Breite von 40 Metern wurde vom Forschungszentrum Krylow in Sankt Petersburg entwickelt. Die Höchstgeschwindigkeit soll 28 Knoten (rund 52 km/h) betragen. Zwar liegt die Realisierung des Projekts noch in weiter Ferne, doch kann es als Signal Moskaus im gegenwärtigen Muskelspiel zwischen Russland und den Nato-Staaten gesehen werden. Derzeit hat Russland mit der veralteten und reparaturanfälligen „Admiral Kusnezow“ nur einen einzigen Flugzeugträger im Dienst. J.H.


S. 3 Deutschland

Weckruf für den Wahlgang?
»Zu dumm und zu antriebslos« ist der Bürger den Parteien – Sie rätseln, wie sie ihn zur Stimmabgabe animieren

Immer mehr Stimmberechtigte bleiben den Wahllokalen fern. Die Bürgerentscheide in Hamburg und Bremen brachten neue Minusrekorde. Nun trafen sich die Generalsekretäre und Geschäftsführer von sechs Parteien in Berlin um Gegenmaßnahmen zu beraten. Das eigentliche Problem aber klammerten sie aus.

Man traf sich an einem Freitagmorgen um 8 Uhr in Raum 3114 des Berliner Jakob-Kaiser-Hauses und hatte sich jede Menge zu sagen. Beim flotten Gedankenaustausch flogen die brillanten Ideen der Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer von CDU, CSU, SPD, Linken, Grünen und FDP nur so durch den Raum. Kurz vor Beginn des Wochenendes galt es schließlich bei Kaffee, Tee und Kleingebäck ein Grundübel der Demokratie in Deutschland zu lösen: die schwindende Wahlbeteiligung.

Bei der letzten Bürgerschaftswahl in Hamburg machten sich nur noch 56,5 Prozent der Wahlberichtigten die Mühe, einen Stimmzettel auszufüllen. Ein paar Wochen später in Bremen waren es 50,2 Prozent. Längst vorbei sind die legendären Zeiten als 91,1 Prozent der Bürger bei einer Bundestagswahl ihren politischen Willen kundtaten. 1972 war das. Damals rangen Rainer Barzel und Willy Brandt um die Kanzlerschaft und um die Ostpolitik. Als Angela Merkel und Peer Steinbrück sich im letzten Wahlkampf im Jahr 2013 vorwiegend lieb hatten, rafften sich gerade mal 71,5 Prozent der Stimmberechtigten zum Urnengang auf.

Aber zurück in den Raum 3114: Das Schlagwort „Supermärkte“ wird Yasmin Fahimi gleich zu Beginn in die Runde eingebracht haben. Die SPD-Generalsekretärin hatte sich bereits im letzten Jahr medienwirksam um die sinkende Wahlbeteiligung gesorgt und empfohlen, Wahlkabinen auch in Supermärkten und Bahnhöfen aufzustellen. CSU-Obere sprachen damals aus, was viele dachten: „Blanker Unsinn.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte: „So etwas praxisfernes und manipulationsanfälliges werden wir in unserer funktionierenden Demokratie nicht zulassen.“

An diesem Freitagmorgen blieb man dagegen auf Kuschelkurs. Die „GaGroKo“, die „Ganz Große Koalition“, so die „Süddeutsche Zeitung“, demonstrierte beflissene Einigkeit. Keiner habe die Vorschläge „der anderen von vornherein kaputtgeschlagen“, hieß es später. Scheuers Gegenvorschlag, den er zusammen mit dem CDU-Generalsekretär Peter Tauber einbrachte, lautete: Die Wahllokale zwei Stunden länger, also bis 20 Uhr, geöffnet halten. Grüne und Linke sprachen sich dafür aus, mittels Volksabstimmungen das Politikinteresse der Bürger zu wecken. Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer plädiert für E-Voting, also die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe. Ebenfalls in der Diskussion: Der Vorschlag das Wahlrecht zu vereinfachen. Viel zu kompliziert seien die Stimmzettel in Hamburg und Bremen gewesen. Kein Wunder, dass sich niemand damit auseinandersetzen wolle.

Nach 90 Minuten war das Treffen beendet. Beschlossen wurde nichts. Man ging auseinander mit der Direktive, zunächst einmal nach den Ursachen der Wahlmüdigkeit forschen zu lassen. Die parteinahen Stiftungen sollen sich der Sache annehmen und ein weiteres Treffen vorbereiten.

Eigentlich hätte man sich gewünscht, dass die versammelte Politprominenz nach der gemeinsamen Gesprächsrunde noch zum nahegelege Brandenburger Tor geschlendert wäre. Was hätten die Bürger wohl gesagt, wenn Yasmin Fahimi und Kollegen mit ihnen das Problem diskutiert hätten? Wie hätten sie darauf reagiert, wenn ihnen unterstellt worden wäre, für das hiesige Wahlrecht leider ein bisschen zu dumm zu sein, und daneben auch noch so antriebslos, dass man ihnen die Wahlurne bis in den Supermarkt nachtragen muss?

Nach der Bürgerschaftswahl in Bremen hat das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap Nichtwähler befragt, warum sie daheim geblieben sind. 67 Prozent gaben an, „Politiker verfolgen doch nur ihre eigenen Interessen.“ 58 Prozent stimmten dem Satz zu: „Derzeit vertritt keine Partei meine Interessen.“

Man könnte es auch anders formulieren; Wer zur Wahl geht, möchte auch eine echte Wahl haben. Während sich die großen Parteien zwar noch in ihrem Namenskürzeln und dem handelnden Personal unterscheiden, haben sie inhaltlich etwa so viele Differenzen zu bieten wie zwei Klonschafe. Themen wie die totalitäre Genderideologie, der Umgang mit Immigranten, der Rück-zug der Polizei aus der Öffentlichkeit und eine wuchernde, machtversessene EU-Bürokratie stehen nicht zur Wahl. Das beste Rezept gegen Wahlmüdigkeit wären keine heimeligen Treffen in trauter Gerenalsekretärsrunde gewesen, sondern ein krachender Streit über genau diese Punkte. Frank Horns


»BND arbeitet in Grauzone«
Geheimdienstchef will klarere Regeln hinsichtlich Zuständigkeit

Gerhard Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), fordert eine genauere gesetzliche Regelung hinsichtlich der Zuständigkeit seiner Behörde bei der Überwachung des internationalen Datenverkehrs. Vor dem NSA-Untersuchungsausschuss führte er aus, in etlichen Bereichen müssten Rechtsgrundlagen geschaffen werden, die „klarer und besser definiert“ seien. Klarstellungsbedarf sieht der Chef des Auslandsnachrichtendienstes unter anderem da, wo seine Behörde von Standorten vom Inland aus den Datenverkehr ausländischer Teilnehmer beobachtet. Viele Bereiche der Datenerfassung und Datenanalyse seien nicht geregelt oder bewegten sich in Grauzonen. Hintergrund ist, dass nach geltendem Recht der BND in Deutschland keine Zuständigkeit hat.

Wenn es allerdings um die Abhöranlage in Bad Aibling geht, die hauptsächlich satellitengestützte Kommunikation im Nahen und Mittleren Osten überwacht und die Informationen an die NSA weitergibt, will der 62-jährige Volljurist Schindler von gesetzlichen Regelungen nichts wissen. Dazu beruft er sich auf die Weltraumtheorie genannte Rechtsauffassung des BND, nach der bestimmte Daten mehr oder weniger ungeschützt sind. Auch wenn die Erfassung auf deutschem Boden stattfinde, teile er die Auffassung nicht, dass es sich dabei um eine Erfassung im Inland handele: „Die Erhebung dieser Daten findet im Ausland statt“, sagte er. Der Geltungsbereich der deutschen Datenschutzgesetze ebenso wie der des BND-Gesetzes erstrecke sich schließlich nicht auf den Weltraum. Zu der Tatsache, dass sich lediglich die Satelliten, welche die Daten aussenden, im Weltraum befinden, die Satellitenantennen, welche die Daten erfassen, hingegen auf deutschem Boden, fiel ihm lediglich die Erklärung ein, das sei die „gelebte Rechtspraxis im BND“, wie er sie bei seinem Amtsanritt im Januar 2012 vorgefunden habe. Nach Ansicht des BND-Chefs agiert sein Dienst hier also quasi im rechtsfreien Raum und damit in jedem Fall legal.

Der Geheimdienstchef bekräftigte zudem seine Auffassung, dass der BND auch nicht rechtswidrig handele, wenn er Ziele im europäischen Ausland ausspähe, um sogleich abzuwiegeln: „Dass wir über Rechtsfragen diskutieren, heißt nicht, dass wir es machen.“ Das BND-Gesetz unterscheide lediglich zwischen Inländern sowie in Deutschland lebenden Ausländern, die vor Überwachung durch seine Behörde geschützt seien, und Ausländern, für die dies nicht gelte, ob es sich nun um Bürger der Europäischen Union oder andere handele.

Auch aus der EU-Grundrechtecharta sei keine Verpflichtung des deutschen Nachrichtendienstes abzuleiten, Bürger von EU-Staaten unbehelligt zu lassen. Die Grundrechtecharta gelte lediglich für Organe der Europäischen Union, nicht aber für die Tätigkeit einer nationalen Behörde wie den Bundesnachrichtendienst. Ebenso wenig biete die Europäische Menschenrechtskonvention eine Handhabe, denn diese sei von den Vertragsstaaten lediglich auf deren eigenem Territorium zu befolgen. Allerdings hatte Schindler im November 2013 eine mündliche Weisung erlassen, die seine Mitarbeiter dazu anhält, bei ihrer Tätigkeit „auf europäische Interessen Rück­sicht“ zu nehmen. U.M.


MELDUNGEN

NS-Zentralstelle bleibt erhalten

Ludwigsburg – Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg bleibt erhalten. Solange es noch mögliche Straftäter gebe, werde die Ermittlungstätigkeit weitergehen, so der Beschluss der Justizminister. Zudem habe die Aufklärungsstelle heute im Gegensatz zu früher die Möglichkeit, beispielsweise Archive in Russland, Peru und Ecuador auszuwerten. Von dort seien neue Erkenntnisse zu erwarten. Die 1958 eingerichtete Stelle führt Vorermittlungen durch und gibt die Ergebnisse an die zuständigen Staatsanwaltschaften weiter, die über eine Anklageerhebung entscheiden. J.H.

 

Ende einer »Heldinnensaga«

Berlin – Die im November 2014 nach einer tätlichen Auseinandersetzung gestorbene Tugce Albayrak bekommt kein Bundesverdienstkreuz. Wie das Bundespräsidialamt mitteilte, hätten „eine ausführliche Prüfung und die Würdigung aller Umstände“ ergeben, „dass die sehr engen Voraussetzungen für eine posthume Verleihung nicht im erforderlichen Maße erfüllt“ seien. Weil Albayrak vor der Tat zwei Mädchen vor dem Angreifer beschützt haben soll, wurde sie als Ikone der Zivilcourage gefeiert, geradezu zur Märtyrerin erhoben und der Fall Gegenstand einer medialen Heldinnenverehrung. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) forderte sogleich das Bundesverdienstkreuz für die Tote, was die Bundesregierung begrüßte und beim Bundespräsidenten auf offene Ohren stieß. Während des Prozesses gegen den Täter stellte sich jedoch heraus, dass der Fall von Zivilcourage nicht so eindeutig war, wie er öffentlich dargestellt wurde. Vielmehr soll das Opfer sogar durch sein eigenes Verhalten zur Eskalation der Auseinandersetzung beigetragen haben. J.H.


S. 4 Kommunistischer Totenkult

Ein Körper für die Ewigkeit
Immer noch wird um die Leiche Lenins ein bizarrer Kult betrieben

Der in kommunistischen Regimen herrschende Personenkult setzt sich in vielen Fällen bis über den Tod des Führers hinaus fort. Prominentestes Beispiel ist Russlands Revolutionsführer Wladimir Lenin, dessen Leichnam bis heute in einem Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau aufbewahrt wird.

Hinter den Mauern des Lenin-Mausoleums kümmert sich eine Gruppe, bestehend aus sechs bis sieben Personen, um den Erhalt von Lenins Körper. Alle haben bedeutende wissenschaftliche Positionen an anderen Instituten und in der Lehre. In den 1960er und 1970er Jahren, seiner Glanzzeit, hatte das Mausoleum-Institut bis zu 200 Mitarbeiter. Ihre Arbeit war streng vertraulich, in ihre Praktiken wurde kaum ein Einblick gestattet.

Die für Lenin vorgesehenen Behandlungen wurden im Laboratorium unter dem Mausoleum zunächst an experimentellen Körpern vollzogen. Dabei werden die Körper wahlweise mit den inneren Organen oder auch ohne diese konserviert.

Laut dem in den USA lehrenden russischen Anthropologen Alexej Jurtschak befindet sich Lenins Körper in einem „dynamischen Zustand“, das heißt, nach seinem Tod wurden die inneren Organe entfernt, einschließlich des Gehirns. Bis heute muss er einmal im Jahr neu einbalsamiert, ständig getestet und in Teilen erneuert werden. Nicht nur Flüssigkeit, sondern auch das Gewebe werde ausgetauscht, so dass von seinem ursprünglichen Körper kaum noch etwas übrig bliebe.

Nach Ansicht der Ärzte starb Lenin an Arteriosklerose der linken Seite des Gehirns. Sein Gehirn wird im Institut für Gehirnforschung aufbewahrt, das in Moskau noch vor dem Tode Lenins gegründet worden war. Sein erster Direktor wurde Oskar Vogt, der bis dahin Direktor des Gehirnforschungsinstituts in Berlin gewesen war. In den 1920er Jahren sei es Mode gewesen, das Wesen der Genialität durch Untersuchung der Gehirnstrukturen mit einem Blick ins Mikroskop zu erforschen. Bei der Sezierung hatte Vogt das Gehirn in 30000 Schnitte zerlegt und meinte, es auf herausragende Intelligenz untersuchen zu können, was sich aber als irrig erwies.

Gemäß Lenins Willen wollte die sowjetische Führung ihn zunächst nicht aufbewahren, doch dann erhielt sein Leichnam unerwartet großen Besucherzustrom aus aller Welt. Daraufhin beschlossen die Bolschewiki den Körper ihres einstigen Führers – trotz ihrer atheistischen Einstellung – als ein Nationalheiligtum und Staatssymbol aufzubewahren und der Bevölkerung zu zeigen.

Aus der materiellen Verewigung Lenins leiteten die Kommunisten Russlands die Legitimation ihrer ewig währenden Herrschaft ab. So wie Lenins Körper trotz Ersetzung und Modifizierung einzelner Teile der gleiche bleibe, bleibe auch seine Ideologie trotz Veränderungen unter seinen Nachfolgern von Stalin über Chruschtschow und Breschnjew zu Gorbatschow im Kern dieselbe.

Lenin wurde kurz nach seinem Tode am 21. Januar 1921 von seinem Sterbeort Gorkij nach Mos-kau transferiert. Das einzige Mal, das Lenins Körper aus dem Mausoleum in Moskau entfernt wurde, war 1941, als der Kreml aus Furcht, Lenins Leichnam könne den Deutschen in die Hände fallen, nach Tjumen im Westen Sibiriens evakuiert wurde. Dort blieb er vier Jahre ruhen, wurde nach Moskau zurückgebracht und nach immer verfeinerten Methoden konserviert.

Unter Russen ist der Totenkult seit Jahren umstritten.

Hans-Joachim Hoppe


Alte und neue Symbolkraft
Kremlherr Wladimir Putin hält an Existenz des Mausoleums fest

Nach der „Wende“ vom November 1989 dachten aufgeklärtere Kreise in Russland, Lenin gehöre nun auf den „Kehrichthaufen der Geschichte“ – eine Formel, die Lenin selbst gegen seine Gegner gerichtet hatte. Sogar die Russische Orthodoxe Kirche meinte nach Jahrzehnten des Leidens unter staatlicher Repression, ein noch so großer Politiker sei immer noch ein Mensch und dürfe nicht „vergöttert“ werden. Intellektuelle wie Professor Jurtschak schlugen vor, Lenin zu beerdigen und aus dem Mausoleum ein Mahnmal zu machen, wo man die sowjetische Geschichte reflektieren könne – als Ort der Utopien, der Tragödien, der Menschlichkeit und der Verbrechen.

Immer wieder wird in Moskau darüber diskutiert, ob die Art der Aufbahrung von Lenins Leichnam noch zeitgemäß sei. Einige fordern seine Beerdigung und die Umwandlung des Mausoleums in ein Museum oder den Abriss. Andere wollen an dem Mausoleum als einmaliger Attraktion und Touristenmagnet festhalten. Präsident Putin, der die Auflösung der Sowjetunion für den größten Fehler der Geschichte hält, lässt die imperialen Traditionen Russlands wieder aufleben und hält das Lenin-Mausoleum für ein Symbol russischer Macht und Größe, aus der man die 70 Jahre sowjetischer Vergangenheit nicht ausklammern sollte.

Eigentlich sollte Lenin sieben Tage nach seinem Tod beerdigt werden. Sein Körper wurde damals im Haus der Gewerkschaften in Mos-kau ausgestellt, wo lange Menschenschlangen an ihm vorbeidefilierten. Teils deshalb schob die Führung seine Beerdigung hinaus. Als darauf sein Körper im provisorischen hölzernen Mausoleum aufgebahrt wurde, war es minus 20 Grad kalt, weshalb man ihn nicht zudecken musste. Erst 1930 wurde ein steinernes Mausoleum errichtet.

Von den zehn Körpern der Staatsführer, die vom Moskauer Laboratorium einbalsamiert wurden, sind nur vier weiterhin öffentlich ausgestellt: Lenin als Führer des bolschewistischen Russlands, Vietnams Führer Ho Chi Minh und die beiden Kims von Nordkorea. In Peking liegt immer noch Mao Tse Tung im Mausoleum, jedoch haben ihn die Chinesen wegen des damaligen Konflikts zwischen Moskau und Peking mit einer erstaunlich einfachen Technologie selbst einbalsamiert.

Putin soll im Dezember 2012 bei einem Treffen mit Geheimdienstlern und anderen Getreuen unter Hinweis auf die Klöster, darunter denen auf dem Berg Athos in Griechenland, der Auffassung widersprochen haben, die Nichtbestattung eines Körpers nach dem Tode widerspreche den orthodoxen Traditionen. Die Aufbewahrung von Lenins Körper sei ein historisches Monument und entspreche der historischen Situation, meinte Putin. Das Mausoleum sei nicht nur ein Teil der sowjetischen Geschichte, sondern eines ihrer wichtigsten Symbole. Lenin jetzt zu beerdigen, bedeute, die 70 Jahre der sowjetischen Vergangenheit zu negieren und als falsch anzusehen. Das passt nicht zu Putins Versuch, die imperialen Traditionen Russlands ausgerechnet in unserer Zeit wieder aufleben zu lassen. HJH

Hans-Joachim Hoppe


Staatsmänner, bestattet in Gedenkhallen

Trotz des Baus von Mausoleen und pompösen Gedenkhallen wurden die Leichname einer Vielzahl großer Staatsführer nicht zur Schau gestellt: Kaiser Napoleon I. Bonaparte beispielsweise wurde 20 Jahre nach seinem Tod 1840 im Invalidendom beigesetzt. Mustafa Kemal Atatürk, der Begründer der modernen Türkei, wurde beerdigt ebenso wie Josip Broz Tito, der langjährige Staatschef Jugoslawiens. Letzterer fand nach seinem Tod 1980 in Belgrad in einem Mausoleum seine letzte Ruhestätte.

Auch der kubanische Revolutionär Che Guevara wurde 30 Jahre nach seinem Tod 1997 in einem Mausoleum in St. Clara beigesetzt. Ajatollah Khomeini, Gründer der Islamischen Republik Iran, wurde 1989 in einem Mausoleum nahe Teheran in einem Sarkophag, mit seinem Foto versehen, bestattet.

In einem Fall misslang die geplante Aufbahrung eines kommunistischen Führers. Für den stalinistischen Diktator der Tschechoslowakei, Kliment Gottwald, wurde nach dessen Tod am 14. März 1953 – kurz nach Stalins Tod – ein Mausoleum auf dem Prager Veitsberg errichtet. Wegen des zu späten Zeitpunkts misslang die Einbalsamierung, so dass die Mumie zerfiel. Nach öffentlichen Diskussionen um den Personenkult wurde der Leichnam 1962 entfernt und verbrannt. Die Asche wurde in einem Monument aufbewahrt. Nach dem Ende des Kommunismus 1989/1990 wurde er auf dem Prager Ehrenfriedhof beerdigt.

In Moskau schränkte Boris Jelzin in den 90er Jahren den Totenkult ein. Er zog die Ehrenwache des Kremlregiments ab. Putin dagegen lässt zumindest die Ewige Flamme am Grabmahl des unbekannten Soldaten im benachbarten Alexandergarten wieder bewachen. HJH


Zeitzeugen

Wladimir Iljitsch Lenin – Das Mausoleum wurde nach seinem Tod am 21. Januar 1921 auf Geheiß seines Nachfolgers Stalin als Holzbau an der Kreml-Mauer errichtet. 1930 wurde es durch einen Steinbau ersetzt. Lenins Leichnam wurde einbalsamiert. Bis heute ist Lenin in einem offenen Sarg im Mausoleum aufgebahrt.

Mao Tse-Tung – Der chinesische Partei-, Staats- und Regierungschef wurde am 9. September 1976 in einem Mausoleum am Tiananmen-Platz im Zentrum Pekings einbalsamiert und aufgebahrt. Mao ist einer der wenigen Kommunistenführer, der zu Lebzeiten schon seine Einbalsamierung wollte. Er wird in einem Kristallglassarg zur Schau gestellt. Das Mausoleum ist bis heute eine Kultstätte und ein Pilgerort von Anhängern des „Großen Führers“.

Ho Chí Minh – Der Parteiführer, Regierungschef und Präsident Vietnams Ho Chí Minh wurde am 2. September 1969 in Hanoi in einem Mausoleum nach dem Vorbild des Lenin-Mausoleums einbalsamiert und konserviert. Sein Körper ist in einem Glassarkophag in gedämpftem Licht aufgebahrt. Das Mausoleum wurde 1975 eingeweiht und steht in der Nähe des Platzes, an dem Ho Chí Minh am 2. September 1945 die Unabhängigkeitserklärung öffentlich verlas.

Georgi Dimitrow – Der Generalsekretär und bulgarische Regierungschef (1946–1949) wurde nach Lenins Vorbild einbalsamiert und in Sofia in einem Mausoleum aufgebahrt. 1990 ließ die neue Regierung, den Leichnam einäschern und beisetzen. Nach einer öffentlichen Kontroverse über die Erhaltung des Gebäudes wurde das Mausoleum von der demokratischen Regierung abgerissen.

Kim Il-Sung – Der langjährige Herrscher Nordkoreas wurde im Juli 1994 einbalsamiert und in einem Mausoleum am Palast der Sonne in einem Glassarg aufgebahrt. Sein Kopf ist auf einem traditionellen koreanischen Kissen gebettet, ihn bedeckt eine Flagge der Koreanischen Arbeiterpartei. Sein Sohn und Nachfolger Kim Jong-Il wurde am 17. Dezember 2011 ebenfalls im Mausoleum aufgebahrt. Beide, werden gottähnlich als „ewige Führer“ Koreas verehrt.


S. 5 Preussen/Berlin

Entmachtete Mieter
Manche Berliner Baugenossenschaften gebärden sich wie Immobilienhaie

Bislang stehen Wohnungsgenossenschaften immer noch im Ruf, günstiges Wohnen in gepflegtem Umfeld zu ermöglichen. Gesetzliche Lücken und die Goldgräberstimmung auf dem Wohnungsmarkt haben jedoch dazu geführt, dass sich in Berlin manche Genossenschaften für Betroffene immer öfter als Albtraum entpuppen.

Für die Bewohner der in Neukölln gelegenen Heidelberger Straße 15 bis 18 war es einigermaßen überraschend, was sie im September vergangenen Jahres in ihren Briefkästen fanden. Gleich auf der Frontseite des Mitteilungsblatts ihrer Verwaltung prangte der Entwurf eines Neubaus. Der vorgesehene Ort: eben jene Adresse in der Heidelberger Straße.

Im März dieses Jahres folgte dann der nächste Paukenschlag. In einer Versammlung wurde den Bewohnern ganz offiziell unterbreitet, ihre Häuser würden abgerissen, um einem Neubau Platz zu machen. Bereits zum Ende des Jahres müssten die Wohnungen geräumt sein.

Handelte es sich bei dem Vermieter um ein gewöhnliches Privatunternehmen, hätte die Öffentlichkeit die Baupläne angesichts der Goldgräberstimmung auf dem Berliner Wohnungsmarkt kaum zur Kenntnis genommen. Der Fall in Neukölln hat aber seine Besonderheit. Initiator der Abrisspläne ist der Vorstand einer Genossenschaft. Die Betroffenen sind keine gewöhnlichen Mieter, sondern als Genossenschaftsmitglieder sogar Miteigentümer – als solche sind sie allerdings nie gefragt worden, was sie vom Abriss ihrer Wohnungen halten. Ob das Bauvorhaben auf große Zustimmung gestoßen wäre, wenn es zu einer Abstimmung gekommen wäre, ist fraglich. Teilweise schon Jahrzehnte in den 1960 errichteten Häusern lebend, zahlen die Bewohner in der Heidelberger Straße zwischen 4,50 und 5,50 Euro nettokalt je Quadratmeter – in dem Neubau wird mit 8,50 Euro zu rechnen sein.

Vorgänge wie in Neukölln sind dem Ruf des Genossenschaftsgedankens kaum förderlich. Ursprüngliches Ziel war es einmal, den Mitgliedern preiswertes Wohnen und sogar das Recht auf Mitentscheidung zu ermöglichen. In der Realität bleibt inzwischen beides immer öfter auf der Strecke. Angesichts der starken Nachfrage auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat so mancher Vorstand der über 80 Berliner Wohnungsbaugenossenschaften ambitionierte Bauprojekte angeschoben.

Bekannt sind insbesondere Vorhaben in den Großsiedlungen im Osten Berlins. Ähnlich wie bei dem Beispiel aus Neukölln wird dabei auffällig oft über die Köpfe der Genossenschaftsmitglieder hinweg entschieden. Vieles, was dort zu Neubauprojekten oder Nutzungsentgelten beschlossen wird, entspricht weder den Einkommensverhältnissen noch den Vorstellungen vieler Betroffener. Die bereits 2008 gegründete Initiative „Genossenschaft von unten“ kritisiert, dass die Erhöhungen des Nutzungsentgelts oft mit dem Mietspiegel begründet würden, obwohl Genossenschaften nach dem Kostendeckungsprinzip arbeiten sollten, statt von ihren Mitgliedern höchstmögliche Preise zu verlangen.

Bei den Mitgliedern bleibt zunehmend das Gefühl zurück, dass sie trotz Miteigentums eigentlich nichts zu sagen haben. Verstärkt wird das Unbehagen noch dadurch, dass sich so mancher Vorstand inzwischen auch ganz offen so aufführt, als wäre die Genossenschaft sein Privatunternehmen. Nicht nur viele Bauvorhaben sind undurchsichtig, auch nach welchen Kriterien externe Aufträge vergeben werden oder wie die Vergütung der Vorstände bestimmt wird, ist den Genossenschaftern oftmals ein Rätsel.

Die Lage auf Berlins Wohnungsmarkt hat zweifellos beschleunigend gewirkt, allerdings muss sich die Politik den Vorwurf gefallen lassen, überhaupt erst die Grundlagen für die Entwicklung gelegt zu haben. Obwohl inzwischen lang genug Erfahrungen vorliegen – Preußen hatte 1867 bereits das erste Genossenschaftsgesetz –, weisen die gesetzlichen Regelungen aus Sicht von Kritikern gravierende Schwachpunkte auf.

So können ganz legal in Genossenschaften mit mehr als 1500 Mitgliedern statt einer Generalversammlung aller Mitglieder Vertreterversammlung durchgeführt werden. In vielen Genossenschaften wird der Vorstand nicht einmal von den Mitgliedern oder Vertretern gewählt, sondern vom Aufsichtsrat bestellt. In der Praxis hat dies oftmals zu einer Abkoppelung der Vorstände von den Mitgliedern geführt. Mehr noch: So, wie sich die Rahmenbedingungen nach mehreren Gesetzesänderungen inzwischen darstellen, scheinen die Wohnungsgenossenschaften besonders anfällig für Korruption, Misswirtschaft und persönliche Bereicherung.

Im Extremfall kann dies zu Zuständen führen wie im Fall einer Wohnbaugenossenschaft in Berlin-Marzahn, die vor einiger Zeit regional für Aufsehen sorgte. Unter Missbrauch einer Neuregelung des Genossenschaftsgesetzes hatten es einige Akteure geschafft, öffentliche und genossenschaftliche Finanzmittel abzusaugen und überteuerte Bauaufträge zu verschieben. Kritische Genossenschaftsmitglieder wurden an der Teilnahme an Mitgliederversammlungen gehindert und sogar mit körperlicher Gewalt bedroht. Trauriger Endpunkt war die Insolvenz der Genossenschaft. Norman Hanert


Sommerfeste
von Vera Lengsfeld

Traditionell gibt es im Juni drei Sitzungswochen des Deutschen Bundestages statt der üblichen zwei. Warum eigentlich? Liegt vor der Sommerpause besonders viel parlamentarische Arbeit an?

Kaum. Dafür gibt es so viele Sommerfeste, dass die kaum in zwei Wochen unterzubringen wären. Jede Landesvertretung, jede Fraktion, jede stärkere Gruppierung innerhalb der Fraktionen lädt zum Feiern ein. Finanziell gefördert werden diese Feste von den Lobbygruppen, die das Regierungsviertel bevölkern.

Eines der schönsten Feste ist das der Parlamentarischen Gesellschaft, einer Vereinigung von aktiven und ehemaligen Parlamentariern, die sich nach dem Vorbild eines englischen Clubs organisiert haben.

Das Domizil des Vereins ist das Reichstagspräsidentenpalais direkt gegenüber dem Osteingang des Parlaments. Wer das prächtige Gebäude heute sieht, mit dem wiedererstandenen Garten, kann sich nicht vorstellen, dass es lange Zeit vereinsamt und vernachlässigt im Grenzgebiet gestanden hat. In den unteren Etagen war die Geschäftsführung von VEB Amiga, der staatlichen Schallplattenfirma der DDR, untergebracht. Wer hier arbeitete, war besonders vertrauenswürdig, brauchte aber trotzdem einen Grenzausweis, der zum Betreten der Sperrzone berechtigte.

Unterm Dach hatte die Staatssicherheit ihre Richtmikrofone aufgebaut, mit denen sie jedes Wort abhören konnte, das im Reichstag gesprochen wurde. Nicht, dass viel zu hören gewesen wäre, denn der Bundestag tagte hier höchstens zweimal im Jahr.

Heute ist der volkseigene Mief vollständig aus dem Haus verschwunden. Die Räumlichkeiten erstrahlen in alter Pracht, einschließlich der Kaminzimmer, in die sich die Abgeordneten zurückziehen können, um beim Kartenspiel die Fraktionsränke für einen Abend zu vergessen.

Beim Sommerfest sieht man den Garten vor lauter Menschen nicht. Manch ehemalige Parlamentslegende schiebt sich gealtert und unerkannt durch das Gedränge – in der Hoffnung, ein bekanntes Gesicht aus den guten alten Zeiten zu erspähen.

Regierungsmitglieder und Ministerpräsidenten sind dicht umringt von devoten Hinterbänklern, die auf ein gemeinsames Foto hoffen. Manche Kabinettsmitglieder sind so unbekannt, dass sie unbeachtet bleiben wie Staatsministerin Maria Böhmer, die ganz allein ihr hart erkämpftes Essen verzehren musste.

Erst am späten Abend lichtet sich die Menge, und man kommt ohne Anstehen an die Köstlichkeiten der Büffets.

Am Schönsten aber ist es draußen. Das Gebäude leuchtet festlich, Musik klingt über die Gartenmauer und begleitet den Festgast am Spreeufer noch eine Weile, bevor er wieder in den Großstadtlärm eintaucht.


»Schöner« Zynismus
Linke Gruppe inszeniert Beisetzung einer ertrunkenen Syrerin

Das „Zentrum für Politische Schönheit“ (ZPS) lädt als „Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit“ Medien und Politiker zur symbolischen Beerdigung auf den Friedhof Berlin-Gatow. Die Inszenierung ist perfekt: Festtribünen, Verlautbarungen gegen Politik und Mitbürger. Die Gruppe habe das „menschenunwürdige Grab“ einer syrischen Mutter auf Sizilien entdeckt, die Leiche exhumiert.

Stefan Pelzer, ihr „Eskalationsbeauftragter“, sagt: „Diese Frau wurde auf das Boot gezwungen, nicht von Schleusern, sondern von den politisch Verantwortlichen in Europa.“ Laut Pelzer sind in dem Sarg die Überreste einer 34-Jährigen, die im Mittelmeer mit ihrer Tochter vor den Augen ihres Mannes und der zwei Söhne ertrunken sein soll.

Doch die Geschichte nährt Zweifel: Mann und Söhne leben laut ZPS im Flüchtlingsheim eines anderen Bundeslandes, der Besuch der Beerdigung ist ihnen laut Pelzer behördlich verwehrt. Das wäre unüblich. In welchem Bundesland der Vater und die Kinder leben, wollte das ZPS nicht sagen. Das und die Art der Überführung legen nahe, dass die Angehörigen über die Grablegung gar nicht informiert waren: In Bayern stellte die Polizei Tage vor der Beisetzung einen Kleintransporter aus Italien, dessen Fahrer unter Drogen standen – geladen waren zwei weiße Särge.

Theatermacher Philipp Ruch, Kopf des ZPS, räumte ein, die Überführung organisiert zu haben, das seien aber andere Leichen. Wer im Sarg liegt, ist somit unklar. Bei bisherigen Aktionen nahm es das ZPS mit der Wahrheit wenig genau: 2014 stahl die Gruppe Gedenkkreuze der Berliner Mauertoten und setzte so DDR-Unrecht mit dem Ertrinken an der EU-Grenze gleich, ließ vermeintliche Flüchtlinge mit den – wie sich später herausstellte – Kopien der Kreuze posieren. Das ZPS versuchte den Zaun zwischen der Türkei und Bulgarien einzureißen, was am Durchgreifen der bulgarischen Polizei scheiterte. In Berlin blieben die geladenen Politiker lediglich fern.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU) sagte, er habe zwar Verständnis für die „Empörung vieler Bürger über die tausende im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge“, doch nicht die Politik, sondern Schlepper „tragen Schuld“. Derartige Moral- statt Realpolitik eröffnet extremen Aktivisten viel Raum: Sie kündigten eine weitere „muslimische Beerdigung eines Opfers der militärischen Abriegelung Europas“ an. SG


Neuer Realismus
BER-Chef schraubt Erwartungen herunter

Der neue Chef der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg, Karsten Mühlenfeld, geht davon aus, dass der Hauptstadtflughafen BER nach seiner Eröffnung eine deutlich geringere Drehkreuzfunktion haben wird, als bisher erwartet wurde. Nur 20 Prozent Umsteiger werde der Flughafen zählen, wenn er 2017 tatsächlich öffnet. Bislang war von mindestens 30 Prozent die Rede gewesen.

Derzeit liegt der Anteil der Reisenden, die in Berlin nur das Flugzeug wechseln, sogar bloß bei gut vier Prozent. Wie der Flughafenchef auf einer Veranstaltung des Luftfahrt-Presse-Clubs (LPC) deutlich machte, verspricht er sich vor allem von neuen Langstrecken-Billigfluggesellschaften, wie sie beispielsweise in Kanada oder Singapur entstehen, positive Effekte für den BER.

Völlig neue Töne sind auch im Hinblick auf eine mögliche Teilprivatisierung des Flughafens zu hören. Einem Bericht zufolge prüft die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg den Einstieg eines privaten Investors. Die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund sollen diese Option bereits seit einem Jahr prüfen, um neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Ein möglicher Investor soll dem Vernehmen nach mit maximal 49,9 Prozent beteiligt werden.

Indes: Ob mit dem Einstieg eines Privatinvestors überhaupt Geld hereinkommt, ist fraglich. Interne Berechnungen sollen ergeben haben, dass an einen privaten Mitgesellschafter womöglich sogar einige hundert Millionen Euro gezahlt werden müssten, damit er beim BER überhaupt einsteigt. N.H.


Merkwürdiges zum 17. Juni

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hat anlässlich des 62. Jahrestages des Volks- und Arbeiteraufstandes in der DDR die Forderung erhoben, den 17. Juni wieder zum Feiertag zu erheben. Im Westteil Deutschlands war der 17. Juni von 1954 bis 1990 ein gesetzlicher Feiertag. Mit der Vereinigung wurde der 3. Oktober Feiertag, der 17. Juni fiel weg. Der DDR-Volksaufstand von 1953 habe den Grundstein für die friedliche Revolution im Herbst 1989 gelegt, begründete Henkel seinen Vorschlag. Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), würdigte anlässlich des Jahrestags den Aufstand: „Wir verneigen uns in dankbarem Gedenken vor seinen Opfern.“ Pikant: Die SPD regierte von 2002 bis 2011 mit einem rot-roten Senat die Stadt. Die Partei, die sich jetzt „Die Linke“ nennt, ist die Nachfolgepartei der früheren DDR-Staatspartei SED. Henkels CDU führte 1990 die Bundesregierung an, als der 17. Juni als Feiertag abgeschafft wurde. H.L.


S. 6 Ausland

Moskau läutet neue Phase ein
Eurasische Achse gewinnt an Bedeutung: Russland verpachtet Land an Chinesen

Russland und China, die sich beide vom Hegemon USA bedrängt fühlen, wagen den Schulterschluss. Neben engeren Wirtschaftsbeziehungen gibt es Pläne, den Zuzug chinesischer Arbeiter in Sibrien zuzulassen.

Was vor ein paar Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre, könnte bald zur Normalität werden: Chinesen sollen künftig in den grenznahen Regionen Sibiriens legal siedeln können. Bisher betrachtete Moskau die illegale Einwanderung von Chinesen stets als Gefahr, da sie Vorhut einer chinesischen Invasion sein könnte.

Von diesen Ängsten scheint die russische Regierung sich allmählich zu lösen. In Transbaikalien, einer dünn besiedelten Region im südlichen Sibirien nahe der Grenze zur Mongolei und China, leben nur knapp über 500000 Russen. Der Ackerboden dort zählt zu den fruchtbarsten Böden der Welt. In den vergangenen 30 Jahren ist dieser allerdings nicht mehr bearbeitet worden, teils, weil Arbeitskräfte fehlten, teils, weil es in der rohstofflastigen Wirtschaft an Interesse für die Landwirtschaft mangelte. Nun sollen Chinesen aushelfen. Russland will sibirisches Ackerland für die nächsten 50 Jahre an chinesische Unternehmer verpachten. Ein entsprechendes Pilotprojekt entsteht in Transbaikalien, dessen Regierung mit dem chinesischen Unternehmen Zoje Resources Investment und dessen Tochterfirma Huae Sinban bereits einen Pachtvertrag für 115000 Hektar Ackerland unterschrieben hat. Das chinesische Unternehmen verpflichtet sich, umgerechnet 392 Millionen Euro in die Entwicklung der Landwirtschaft zu investieren. Die Region soll künftig russische und chinesische Märkte mit Agrarprodukten beliefern. Neben dem Anbau von Futtermitteln, Getreide und Ölsamen ist der Aufbau einer Geflügel-, Fleisch- und Milchproduktion geplant.

Dies ist erst die erste Etappe der Zusammenarbeit auf dem Agrar-sektor; die Pläne sollen bis 2018 umgesetzt werden. Wenn sich das Projekt erfolgreich entwickelt, will Russland den Chinesen ab 2019 weitere 200000 Hektar Land verpachten. Für die erste Etappe werden etwa 3000 chinesische Arbeiter benötigt.

Damit die Zusammenarbeit auf Dauer erfolgreich sein kann, fordert die chinesische Seite eine grundlegende Änderung des russischen Einwanderungsgesetzes für seine Bürger. Die Chinesen nennen die von ihnen erworbenen Regionen Russlands „Entwicklungsbezirke“. Neben Transbaikalien haben die Chinesen Interesse an weiteren Regionen. In Russlands Pazifikraum gibt es neun sogenannte „Territorien besonderer Entwick-lung“ (TOR). China will in eine von ihnen, die Region Primorje, Regierungsbezirk Wladiwostok, zirka 80 Millionen Dollar investieren. Ein besonderes Interesse haben chinesische Firmen der benachbarten Provinz Heilongjiang am TOR „Michajloswskij“. Die Chinesen spielen ihre Trumpfkarte – Kapital und Arbeitskräfte – gezielt aus, um eine Öffnung der russischen Grenzen zu erzielen in dem Wissen, dass der Nachbar kaum eine Möglichkeit hat, die chinesische Expansion zu verhindern. Ohne Arbeitskräfte kann das Land nicht bearbeitet werden, und Russen aus dem europäischen Teil nach Asien zu locken, ist aussichtslos.

Neben fruchtbaren Böden ist Transbaikalien reich an Bodenschätzen. In der Region lagern Gold, Blei, Zink und Kohle, die mangels einer modernen Infrastruktur bislang nicht ausgebeutet werden konnten. Peking hat die Einrichtung eines 16-Milliarden-Dollar-Fonds für die Entwicklung eine Eisenbahnroute von Russland über Zentralasien nach China angekündigt.

Während die EU sich wegen der Einhaltung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland zusehends als Partner Russlands verabschiedet, gewinnt die Achse Moskau-Peking-Neu Delhi immer mehr an Bedeutung. Nicht zuletzt an der Errichtung eines eigenen Bankensystems, der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), wird deutlich, dass die Schwellenländer des BRICS-Bündnisses (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) vom Hegemon USA die Nase voll haben. Sie werden ihre wirtschaftliche Entwicklung auch ohne Unterstützung von USA und EU vorantreiben. Die Zahlen sprechen für sich: 1990 hatten diese Länder einen Anteil von zirka 25 Prozent an der Weltwirtschaftsleistung, heute stehen sie für 56 Prozent derselben und für 85 Prozent der Weltbevölkerung. Sie kontrollieren zirka 70 Prozent der Weltdevisenreserven, und sie wachsen pro Jahr im Durchschnitt um vier bis fünf Prozent.

Russland baut sich neue Handelswege auf. Im Mai wurde ein Abkommen über Gaslieferungen im Umfang von 30 Milliarden Kubikmeter jährlich von Vorkommen in Westsibirien nach China abgeschlossen. Das Besondere: Gazprom und China National Petroleum Corporation haben vereinbart, dass nicht in Dollar, sondern entweder in Rubel oder Yuan abgerechnet wird. Eine gefährliche Entwicklung für die USA und den Dollar, sollte dieses Beispiel Schule machen.

Pekings Seidenstraßen-Projekt (die PAZ berichtete), Russlands Plan für ein transkontinentales Eisenbahnnetz zur Errichtung eines chinesisch-mongolisch-russischen Wirtschaftskorridors sowie Machbarkeitsstudien für ein transnationales Stromnetz zeugen davon, dass Russland eine neue Phase eingeleitet hat: Die eurasische Achse ist bereits weit vorangeschritten. EU-Firmen, deren Verträge gekündigt wurden, haben das Nachsehen.

Manuela Rosenthal-Kappi (siehe auch Seite 8)


Etablierte in der Krise
In Spanien geht der Trend zu Protestparteien

Ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen in Spanien steht fest, dass das bisherige Zweiparteiensystem der Vergangenheit angehört. Das neue Protestbündnis „Podemos“ (Wir können), das aus dem linksalternativen Spektrum stammt, greift nach der Macht.

Bei den Kommunalwahlen, die kürzlich stattfanden, musste die regierende konservative Volkspartei (Partido Popular, PP) des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy dramatische Verluste hinnehmen, unter anderem den Bürgermeisterstuhl in der Hauptstadt Madrid räumen. Die PP, die bisher in 35 der 52 Provinzhauptstädten regiert hatte, musste in etwa der Hälfte der Metropolen die Macht abgeben. In Madrid wurde die parteilose Juristin Manuela Carmena zur neuen Bürgermeisterin gewählt. Zu ihren Unterstützern gehörte neben den Sozialisten auch Podemos. Von den fünf größten Städten Spaniens werden vier von Bürgermeistern aus dem Lager der alternativen Linken regiert. Neben Madrid und Barcelona sind das Valencia und Saragossa. Das politische System auf der iberischen Halbinsel gerät aus den Fugen. Nach dem Ende des Franco-Regimes Mitte der 70er Jahre etablierten sich Konservative und Sozialisten und regierten das Land entweder im Wechsel oder miteinander. Nun haben sie Konkurrenz bekommen. Während die Euro-kritische und Etablierten-feindliche Podemos um Protestwähler buhlt, präsentiert sich Ciudadanos (Die Bürger) als liberale Reformpartei der Mitte. Beide Parteien haben massiven Zulauf, liegen in Meinungsumfragen mit jeweils rund 20 Prozent auf Augenhöhe mit den Etablierten.

Und während Konservative und Sozialisten von Korruptions­skandalen geschüttelt werden, präsentieren die Neulinge unverbrauchte, junge Köpfe. Pablo Iglesias Turrión, der Anführer von Podemos, ist ein 36-jähriger Hochschuldozent und wird von seinen Anhängern verehrt wie ein Popstar. Mit langen Haaren und einem Dreitagebart wirkt er wie das Gegenstück zu den Anzugträgern im Parlament. Betont bürgerlich kommt Albert Rivera daher. Mit gerade einmal 34 Jahren lehrt der Ciudadanos-Wortführer den Konservativen das Fürchten. Der Katalane bekennt sich zur Einheit des Landes und kritisiert die zunehmend erstarkende separatistische Bewegung. Einig sind sich die beiden Außenseiter in der Ablehnung des etablierten Politikbetriebs und des EU-Zentralismus. „Wir wollen eine souveräne Regierung und keine Kolonialregierung unter Angela Merkel“, verkündete Pablo Iglesias und Albert Rivera meint: „In diesem Jahr muss die spanische Demokratie einen qualitativen Sprung machen.“ Unverhohlen kämpfen beide um die Rolle als Königsmacher. Meinungsforscher gehen davon aus, dass Podemos zwar aufgrund der Popularität von Iglesias besser abschneiden werde, Ciudadanos aber bessere Aussichten auf eine Regierungsbeteiligung habe. Rivera könnte sowohl den Konservativen als auch den Linken zur Macht verhelfen. Allerdings wird er dies nicht ohne weitreichende Zugeständnisse tun. Der Ton gegenüber den EU-Partnern dürfte deutlich schärfer werden. „Spanien hat sich in ein anderes Land verwandelt“, schrieb die Zeitung „El Mundo“ und sprach von einer „Revolution“. Podemos-Chef Iglesias sendet schon mal Giftpfeile nach Brüssel: „Ab dem Herbst werden die Uhren anders gehen.“

Peter Entinger


Von Düsseldorf nach Ankara
Ehemalige Abgeordnete der Linkspartei im türkischen Parlament

Fast 50 Jahre hatte es keinen christlichen Abgeordneten mehr im türkischen Parlament gegeben, bis vor vier Jahren der Aramäer Erol Dora den Bann brach und als Direktkandidat der Kurdenpartei HDP ins Parlament einzog. Dass es bei der kürzlichen Parlamentswahl gleich vier christlichen und erstmals zwei jesidischen Kandidaten gelang, ins Parlament einzuziehen, ist eine wahre Revolution. Neben Dora, der sein Mandat behielt, gelang es erstmals drei Armeniern ausgerechnet im Gedenkjahr an den großen Genozid, ins Hohe Haus der türkischen Republik einzuziehen.

Neben den Christen erhielten erstmals überhaupt auch zwei Vertreter der Jesiden ein Mandat. Diese sind in Deutschland keine Unbekannten, denn beide waren bereits Abgeordnete der deutschen Linkspartei. Feleknas Uca war von 1999 bis 2009 „Linke“-Abgeordnete im Europaparlament und Ali Atalan war Abgeordneter im Landtag von Nord-rhein-Westfalen. Die Jesiden sind Angehörige einer uralten Religion, die seit Jahrhunderten Verfolgung zu erleiden haben und von vielen Muslimen als „Teufelsanbeter“ beschimpft werden. Zuletzt wurden im Irak tausende von ihnen Opfer der islamistischen Terrormiliz IS. Zum ersten Mal in der Geschichte der türkischen Republik hat mit dem Politiker Özcan Purcu zudem ein Vertreter der Roma einen Sitz im Parlament gewonnen. Die türkischen Roma sind zwar alle Muslime, aber sie werden auch in der islamischen Türkei sozial ausgegrenzt, so dass viele ihre Identität verbergen und gar nicht bekannt ist, wie viele eigentlich in der Türkei leben.

Dass gleich drei Armeniern der Einzug ins Parlament gelang, zeigt, wie sich die türkische Gesellschaft trotz Erdogan weiterentwickelt hat in Hinblick auf einer Anerkennung des Genozids. Allerdings gehört zu den drei Armeniern auch Markar Esayan (46), der für Erdogans AKP ins Parlament einzieht. Er ist Kolumnist und Autor der regierungsfreundlichen Tageszeitung „Yeni Safak“. Trotz seiner armenischen Sozialisation vertrat er im Wahlkampf voll Erdogans Linie, auch was die Frage der Anerkennung des Genozids betrifft.

Anders dagegen Selina Dogan (38), Mitglied der kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP). Sie ist die erste armenische Frau, die als Abgeordnete gewählt wurde. Die junge Rechtsanwältin setzt sich für die Menschen- und Minderheitenrechte ein. Ebenso auch der dritte armenische Kandidat, Garo Paylan (43), von der HDP, der als Schulmanager im privaten armenischen Schulwesen der Türkei gearbeitet hat. Zwei weitere armenische Kandidaten, Filor Uluk und Murad Mihci, sind nur knapp gescheitert.

Dass fast alle christlichen und jesidischen Abgeordneten im türkischen Parlament ihren Platz über die HDP gewonnen haben, ist bezeichnend für die Minderheiten- und Religionspolitik der Regierung Erdogan. Die Zehnprozenthürde bei den Parlamentswahlen wurde einst gerade deswegen eingeführt, um Vertretern von Minderheiten den Einzug ins Parlament zu verwehren. Aus diesem Grunde mussten Vertreter der kurdischen Minderheit bislang immer als unabhängige Kandidaten antreten, um ins Parlament zu kommen. Ihre Partei HDP hat es diesmal zum ersten Mal selbst geschafft, die Zehnprozenthürde zu knacken.

Bodo Bost


MELDUNGEN

Grenzen zu für »Migranten«

Budapest/Paris – Mit einem 175 Kilometer langen und vier Meter hohen Zaun zum Nachbarland Serbien geht die ungarische Regierung gegen die illegale Zuwanderung vor. Rechtlich ist das kein Problem, denn Serbien gehört nicht zur EU. Ungeachtet der auf Freizügigkeit innerhalb der EU pochenden Kritiker regelt auch die französische Linksregierung den Strom der „Migranten“. An der Grenze zu Italien werden diese nicht mehr herein-, an den übrigen Grenzen nicht mehr herausgelassen. Innenminister Bernard Cazeneuve begründet dies mit dem „Migrationsphänomen beispiellosen Ausmaßes“. U.M.

 

Vom Zeitgeist-Mob vernichtet

London – „Wenn sie im Labor sind, passieren drei Dinge: Du verliebst dich in sie, sie verlieben sich in dich, und wenn man sie kritisiert, fangen sie an zu weinen.“ Diese scherzhaft gemeinte Bemerkung über Wissenschaftlerinnen hat den Nobelpreisträger Tim Hunt (72) seine Existenz gekostet. Denn noch während der Konferenz im südkoreanischen Seol verbreiteten Teilnehmerinnen seine Worte über die sozialen Netzwerke und entfachten damit einen Sturm der Entrüstung. Keine 48 Stunden später erfuhr der verdienstvolle Biochemiker und Krebsforscher bei seiner Rückkehr nach London, dass er seine Professur verloren hatte und aus der Royal Society sowie dem Europäischen Forschungsrat ausgestoßen worden war. Nicht einmal eine „Ehrenerklärung“ seiner Frau, selbst eine renommierte Wissenschaftlerin und bekennende Feministin, konnte ihm helfen. Allerdings findet Hunt auch Unterstützer. Kollegen kritisieren den „Blutrausch der Öffentlichkeit“ und Londons Bürgermeister Boris Johnson spricht von „Göttern der Unterwelt“, die von Hunts Worten entfesselt worden seien. J.H.


S. 7 Wirtschaft

Die Zeit arbeitet für Griechenland
Hellas’ Staatspleite wird zusehends teurer und die Angst der Gläubiger davor entsprechend größer

Die chaotische Zuspitzung im griechischen Schuldendrama lässt schnell vergessen, dass die Regierung in Athen lange Zeit eine ganz bewusste Eskalationsstrategie betrieben hat. „Griechenlands Führung hat Deutschland wie eine Violine gespielt“, so das zugespitzte Fazit dessen, was in den Verhandlungen mit Griechenland bislang abgelaufen ist.

Je länger die Verhandlungen mit Athen angedauert haben, desto größer ist das Ausfallrisiko für Griechenlands Gläubiger geworden. Berechnungen, die der „Financial Times“-Autor Wolfgang Münchau angestellt hat, legen nahe, dass eine griechische Staatspleite allein für Deutschland und Frankreich mittlerweile Verluste von über 160 Milliarden Euro bedeuten würde. Mit Blick darauf, wie dieses Risiko seit Jahresbeginn angestiegen ist, zieht der US-Wirtschaftsjournalist Mike „Mish“ Shedlock ein Fazit, das für die deutsche Regierung nicht besonders schmeichelhaft ausfällt: „Griechenlands Führung hat Deutschland wie eine fein gestimmte Violine gespielt.“ Shedlocks Berechnungen zufolge lag das Risiko für Frankreich und Deutschland mit Stichtag 22. Januar bei „nur“ 129 Milliarden Euro. Am 4. März waren bereits 145 Milliarden Euro erreicht. Aktuell sollen die „großen Vier“ – Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – bereits 273 Milliarden Euro im Feuer haben. Zu Recht wird die Frage gestellt, wie das wirtschaftlich angeschlagene Italien einen Verlust von 63 Milliarden oder Spanien 43 Milliarden Euro stemmen soll. Im Fall Deutschlands droht Kanzlerin Angela Merkel, dass ihre Griechenland-Hilfe als der größte finanziellen Verlust in die Geschichtsbücher eingeht, den je ein Bundeskanzler zu verantworten hatte.

Entsprechend auftrumpfend war in den letzten Wochen das Auftreten der Regierung in Athen. Griechenland werde „geduldig warten, bis die Gläubiger-Institutionen ,realistischere‘ Forderungen stellen“, so Regierungschef Alexis Tsipras, nachdem abermals eine der unzähligen Verhandlungsrunden gescheitert war. In die Hände gespielt hat Athen dabei die Konstruktion der Währungsunion. So hat die Kapitalflucht aus Griechenland in andere Euro-Länder die Verbindlichkeiten der griechischen Zentralbank im Verrechnungssystem der Euro-Zone (Target2-System) stark anwachsen lassen. Voll ins Risiko gegangen ist die Europäische Zentralbank auch bei den Nothilfen für Griechenlands Bankensystem, der so genannten Emergency Liquidity Assistance (ELA). Zwar ist ausgemacht, dass das Kreditrisiko für die Liquiditätsnothilfen bei Griechenland verbleibt. Laut Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hat die griechische Zentralbank allerdings nur eine Haftungsmasse, die für 41 Milliarden Euro an ELA-Krediten ausreicht. Längst überschritten ist allerdings die Marke von 80 Milliarden. Die Folge: Nicht Griechenland, sondern die Steuerzahler von Ländern wie Deutschland oder Frankreich haften letztendlich für die Kapitalflucht und die Notkredite an griechische Banken. Entsprechend aufgewertet wurde die Verhandlungsposition der griechischen Regierung.

Vermieden werden konnte von Athen insbesondere, dass mit den Gläubigern ernsthaft über Griechenlands Rentensystem, eines der gravierendsten Probleme des Landes, verhandelt wird. Auf den ersten Blick scheint der Befund eindeutig. Im europäischen Vergleich leistet sich Griechenland in Relation zum Volkseinkommen das teuerste Rentensystem. So bezifferte die EU-Kommission die Gesamtaufwendungen Griechenlands für sein Rentensystem im Jahr 2013 auf 16,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist mehr, als sich etwa Italien mit seinem ebenfalls problematischen Rentensystem leistet, und weitaus mehr, als osteuropäische Länder für Renten ausgeben. Dass eine eigentlich notwendige grundlegende Reform des griechischen Rentensystems bislang unterblieben ist, liegt nicht zuletzt daran, dass es auch als Ersatz für eine fehlende Sozialhilfe genutzt wird. Ohne die Rente der Großeltern kämen viele griechische Familien kaum noch über die Runden. So wird in Griechenland mit seiner grassierenden Arbeitslosigkeit nur für ein Jahr ein Arbeitslosengeld gezahlt.

Eine Sozialhilfe, die dem deutschen Hartz IV entspräche, kennt Griechenland nicht. Hinzu kommt, dass auch in Griechenland Politiker immer wieder gerne in den Rententopf griffen, wenn es galt, einzelnen Gruppen der Gesellschaft Gefälligkeiten zuzuschanzen. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob Vereinbarungen mit Griechenlands Gläubigern zur Reform des Rentensystems überhaupt nachhaltig Bestand haben können. So hat es zwar bereits seit 2010 Rentenkürzungen gegeben, aber Griechenlands oberstes Gericht hat vor Kurzem entschieden, dass diese Einschnitte wieder rück­gängig gemacht werden müssen. Norman Hanert


Preistreiber Freihandel
Wie US-Hersteller Medikamente weltweit teurer machen wollen

War bislang meist nur allgemein von Lobbyisten die Rede, wenn es darum ging, dass die geheim geführten Freihandelsverhandlungen der USA möglicherweise von der Wirtschaft beeinflusst werden, so liegen nun sehr konkrete Informationen vor. Interne Unterlagen zum geplanten Pazifik-Freihandelsabkommen der USA, der sogenannten Transpazifischen Partnerschaft (TPP), die von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht und von der „New York Times“ ausgewertet worden sind, lassen nämlich darauf schließen, dass große Pharmaunternehmen versuchen, mithilfe von Freihandelsabkommen international höhere Preise durchzusetzen. Wie die „New York Times“ berichtet, ist es unter allen Branchen die pharmazeutische Industrie, die bei den Verhandlungen zur Transpazifischen Partnerschaft hinter den Kulissen die meiste Lobbyarbeit betreibt. Unter dem Etikett „Markttransparenz“ geht es „Big Pharma“, so die gängige Bezeichnung in den USA für die Großen der Branche, offenbar darum, im großen Rahmen das Preisniveau für Medikamente anzuheben. Das angeführte Argument lautet „faire Preise“ als Kompensation für jahrzehntelange pharmazeutische Forschung.

Bestimmt werden die Preise für Medikamente bislang nach sehr verschiedenen Systemen. In den USA selbst können Pharmaproduzenten den Preis für ihre Produkte weitgehend selbst festlegen – überwiegend orientiert an dem, was der Markt hergibt. Eine scheinbar marktkonforme Regelung, die allerdings nicht verhindert hat, dass sich in den USA das teuerste Gesundheitssystem der Welt etabliert hat. Das komplette Gegenteil zum US-Modell stellt Neuseelands und zum Teil auch Australiens System dar. So hat Neuseeland eine sehr effektive Regelung zur Kostenreduzierung bei Medikamenten entwickelt. Das Gesundheitssystem des Landes gilt damit inzwischen als Modell für den gesamten Pazifikraum.

Bereits vergangenes Jahr waren Bemühungen der US-Unterhändler bekannt geworden, bei denen es um die Durchsetzung von „Patent Evergreening“ ging. Für eine pharmakologische Substanz, die als Medikamentenmarke bereits so lange auf dem Markt ist, dass ihr Patentschutz abläuft, wird dabei ein sogenanntes Sekundärpatent beantragt. Kleine Änderungen in der Zusammensetzung, eine andere Dosierungsform oder lediglich ein modernisierter Produktionsprozess sollen dabei genügen, um ein Medikament als neue Erfindung auszuweisen. So wird erreicht, dass der Patentschutz für den Hauptwirkstoff um weitere zehn Jahre verlängert wird. Insgesamt bleibt das betreffende Medikament damit auch in der Zukunft so profitabel wie zu seiner Markteinführung. Das Nachsehen haben sowohl Patienten als auch kleinere Pharmaunternehmen, die sich auf die Produktion sogenannter Generika spezialisiert haben.

Gegen den Versuch der US-Unterhändler, das „Patent Evergreening“ in der Transpazifischen Partnerschaft international durchzusetzen, haben alle anderen zehn Teilnehmerstaaten – darunter auch Kanada – Widerspruch eingelegt. Wie die „New York Times“ unter Berufung auf ein internes Papier aus Europa berichtet, sollen die Verhandlungsführer der USA versuchen, auch bei den Gesprächen mit der EU das „Patent Evergreening“ durchzusetzen. N.H.


Teuer und ungerecht
Viele Mütter gehen bei der Mütterrente leer aus

Durch die höhere Mütterrente seien die Altersbezüge für Frauen in Deutschland um etwa ein Zehntel gestiegen, sagt der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann. Ende 2014 erhielten Frauen im Schnitt rund 626 Euro pro Monat, 2013 waren es noch 572 Euro gewesen. Viele Betroffene erhalten jedoch knapp ein Jahr nach der Einführung der Mutterrente statt mehr Gerechtigkeit bei der Anerkennung von Erziehungszeiten oder mehr Rente undurchsichtige oder gar keine Bescheide. Gerade kleine Renten steigen kaum.

Es sei nicht gelungen, gerade denen eine finanzielle Anerkennung zukommen zu lassen, die das Geld am nötigsten hätten, stellte Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) im Mai fest. Eine parlamentarische Anfrage in dem Bundesland hatte ergeben, dass die Zahl derer, die wegen Verrechnung mit anderen Sozialleistungen leer ausgehen, nicht einmal erfasst wird.

Die Mütterrente gilt nicht als eigene Rentenart. Es ist eine höhere Leistung, die Mütter oder Väter für ihre vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kinder erhalten. Nicht jeder, der Anspruch hat, erhält Geld. Die Leistung wird in abstrakte Entgeltpunkte umge- und mit anderen Sozialleistungen verrechnet. Die Bürger erhalten Bescheide, in denen oft von „Nachzahlung“ die Rede ist. Aufgrund der komplexen Anrechnung kommt es oft nicht zur Auszahlung. Gerade geringe Renten würden durch die Mütterrente nicht aufgebessert, kritisieren Sozialverbände. So kann der Bezug einer Witwenrente ein Grund für eine Nichtauszahlung sein. „Frauen mit sehr kleinen Renten profitieren kaum von diesen Reformen, die soziale Schieflage und die Benachteiligung von Frauen wird dadurch leider nicht beseitigt“, so Rundt.

Die Bundespolitik spart, und so wird die Mütterrente schrittweise ausgezahlt. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) bat die Frauen letzten Sommer um Geduld. Es werde Wochen dauern, bis alle

9,5 Millionen Frauen die höhere Rente erhielten. In manchen Fällen steht die Zahlung bis heute aus. Eine Frau aus Bayern, die schon Rente für zwei Kinder bekam, sollte durch die Mütterrente mehr erhalten. Einen Antrag müsse sie nicht stellen, teilte ihr die Rentenversicherung mit. Erst im Juni 2015 kamen der Bescheid und das Geld. Sozialverbände geben jetzt Kurse, wie Frauen „schlafende Mütterrente“ einfordern. Es sei „verlorenes Kapital“ für jede der „Nur-Hausfrauen“, wenn sie sich jetzt nicht um die Anerkennung der Kindererziehungszeit kümmere und sei es durch eine freiwillige Beitragszahlung.

Die Politik hat mit Versprechen und schleppender, schwer verständlicher Umsetzung viele verprellt. Im Internet ließen Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung letzten Sommer Frust ab: Für viele Rentner sei nicht vorstellbar, welche Mehrarbeit wegen „Mütterrente, neuer Altersrente, etc.“ entstehe. Dass die Politik das Gesetz nur Tage vor Inkrafttreten fertigstellte, erntete Kritik.

Die Kosten des Projekts sind umfangreich. Für 2014 kalkulierte die Politik 3,3 Milliarden Euro ein, dieses Jahr 6,7 Milliarden Euro. Bis 2030 wird die Mütterrente geschätzt mehr als 100 Milliarden Euro insgesamt kosten. Diese Kosten müssen – da es nur eine geringe Steuerfinanzierung gibt – vor allem die Beitragszahler erbringen. Sverre Gutschmidt


MELDUNGEN

Illegale Preisabsprachen

Bonn – Das Bundeskartellamt hat aufgedeckt, dass bei Massenprodukten wie Kaffee, Süßigkeiten, Körperpflegemitteln und Tierfutter die Hersteller in den vergangenen zehn Jahren mit den großen Handelsketten die Endverkaufspreise abgesprochen haben. So konnten die Hersteller überhöhte Preise in den Markt drücken und vor allem Preiserhöhungen leichter durchsetzen. Die Handelsketten wiederum sicherten sich so eine höhere Gewinnmarge. Händler, die nicht mitmachen wollten, wurden mit einem Lieferboykott bedroht. Zu den Herstellern gehören unter anderem Haribo, Ritter und Melitta, zu den Supermarktketten Rewe, Edeka, Aldi, Kaufland und Metro. J.H.

 

Viele Fachkräfte anerkannt

Berlin – Von April 2012 bis Dezember 2013 wurden nach Angaben der Bundesregierung rund 26500 Anträge nach dem Anerkennungsgesetz für ausländische Arbeitnehmer gestellt, wobei die meisten Berufsqualifikationen teilweise oder vollständig als gleichwertig mit inländischen Abschlüssen anerkannt wurden. Die Regierung sieht das als einen wichtigen „Beitrag zur Fachkräftesicherung“ und will noch mehr Menschen mit ausländischen Abschlüssen ins Land holen. U.M.


S. 8 Forum

Von Sinnen
von Jan Heitmann

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat US-Präsident Barack Obama Russland als zu vernachlässigende „Regionalmacht“ verhöhnt. Jetzt schickt er Truppen und schwere Waffen an die Ostgrenze der Nato. Als Reaktion auf die aggressive und sicherheitsgefährdende Politik Mos­kaus, so die Begründung. Nur so könne man Wladimir Putin vor einer möglichen Aggression gegen das Bündnis abhalten. Die mächtige Nato hat also Angst vor einer „Regionalmacht“? Das verlangt nach einer Erklärung. Wenn schon

Obama sie nicht liefert, dann vielleicht der Nato-Generalsekretär? Ebenfalls Fehlanzeige. Der übt sich stattdessen lieber in wildester Kriegsrhetorik.

Im Gegenzug hält auch Putin große Reden und seine Streitkräfte im Dauermanöverzustand. Seine Marine träumt sogar vom Bau des größten Flugzeugträgers der Welt. Beide Seiten sind wie von Sinnen dabei, sich wie zu Zeiten des Kalten Krieges hochzuschaukeln. Es ist schon fast wie damals, keiner weiß überhaupt noch so richtig, wer mit dem Irrsinn angefangen hat. Eine Rolle spielt es sowieso nicht mehr.

Dabei kann der Westen sich eigentlich entspannen. Russland würde einen Rüstungswettlauf nämlich ebenso wenig durchhalten wie weiland die Sowjetunion. Anders als damals hat man jetzt allerdings schon einen Kriegsschauplatz: die Ukraine.


Also Königsberg
von Thomas W. Wyrwoll

Das litauische Internetportal „Delfi“ führte ein umfangreiches Gespräch mit dem US-amerikanischen „Experten für Informationskriegführung“ J. Michael Waller. Dieser riet der litauischen Regierung, die zur Zeit nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat ist, durch Anträge an die Vereinten Nationen zur Zersetzung Russlands beizutragen.

Ein besonderes Gewicht legte er dabei auf die Königsberg-Frage: Der Status von Königsberg sei weder auf der Konferenz von Jalta noch auf der von Potsdam geklärt worden und daher offen. Dies sei etwas, was Litauen und „der Westen“ aufgreifen sollten. Eine Bewertung des Zwei-plus-Vier-Vertrages ließ der amerikanische Professor dabei ebenso außen vor wie die formaljuristisch recht eindeutige Tatsache, dass Ostpreußen völkerrechtlich zum Deutschen Reich, aber sicher nicht zu Litauen gehören würde. Die Herauslösung diverser Gebiete aus der Russischen Föderation wie etwa Burjatiens, Jakutiens oder Kareliens, für die Waller wirbt, ist nach seiner Einschätzung nicht als anti-russisch zu verstehen, sondern sei allein gegen die „Tschekisten“ im Kreml gerichtet, die nur durch einen Diebstahl von Finanzhilfen des Westens reich und mächtig geworden seien.

Auf einen derart bizarren Ratgeber, der sich vor allem selber im Krieg mit von ihm unverstandenen Informationen zu befinden scheint, wird sich hoffentlich nicht einmal die US-hörige Führung Litauens verlassen.


Fahrt ins Abseits
von Manuela Rosenthal-Kappi

In einem Interview mit der spanischen Zeitung „Corriere della Sera“ hielt Wladimir Putin kürzlich dem Westen den Spiegel vor, indem er fragte, ob die EU für das, was sie in der Ukraine erreicht habe, wirklich einen Krieg benötigt hätte. Die Zerschlagung der wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Russland und der Ukraine habe die EU allein 13 Milliarden Euro gekostet, die Exporte der Ukraine in die EU seien nicht gestiegen, obwohl alle Zollgrenzen aufgehoben worden seien – aus dem einfachen Grund, dass die EU die Produkte aus der Ukraine nicht benötige –, der Donbass sei nach den Zerstörungen durch den Krieg für die EU wertlos geworden.

Unrecht hat er ja nicht, der scharfsinnige Kremlherr. Im Gegensatz zu seinen Kollegen in Brüssel kann er sich zurücklehnen. Die Sanktionen verfehlen weitgehend ihr Ziel (siehe Seite 2), und obwohl die russische Wirtschaft drastische Einschnitte hat hinnehmen müssen, sind Russlands Verluste geringer als die der EU. Der Handel mit den USA, von denen die Verhängung von Sanktionen überhaupt erst ausgingen, floriert unterdessen.

Russland hat das letzte Jahr nicht ungenutzt verstreichen lassen. Der Agrarsektor wurde wiederbelebt, Waren aus heimischer Produktion finden ihren Absatz und Russland konnte neue Wirtschaftspartner entlang der eurasischen Achse China–Indien gewinnen. Die EU dagegen, so scheint es, spielt nur noch eine Nebenrolle. Deren Politiker sind zu sehr mit internen Problemen wie Griechenland beschäftigt. Extern sind sie in den Ukrainekonflikt verwickelt, so dass sie offenbar gar nicht mehr mitbekommen, dass etwas gewaltig schief läuft.

Die gerade erst beschlossene Verlängerung der Sanktionen gegen Russland wird verheerende Folgen für Europa haben. Zwei Millionen Arbeitsplätze sind gefährdet, bis zu einer halben Million allein in Deutschland. Der wirtschaftliche Schaden beträgt 100 Milliarden Euro. Folgeschäden nicht ausgeschlossen.

Die EU hat gegenüber Russland Vertrauen verspielt. Messbare Schäden bekamen unter anderem Siemens und Alstom zu spüren. Siemens flog bei einem Großprojekt raus, Alstom hat den Auftrag für die Bahnstrecke Moskau–Peking verloren. Die Bahnstrecke wird dennoch gebaut, aber wahrscheinlich werden chinesische Züge dort verkehren.

Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, befürchtet, dass der Westen die Auseinandersetzung mit dem Rest der Welt verlieren wird. Entgangenes Wachstum, entgangene Lohnzahlungen, entgangene Einzahlungen in das Sozialsystem und entgangene Steuern – die Menschen in Deutschland und der EU zahlen diesen Preis durch entgangene Wohlstands- und Stabilitätsmehrung.


S. 9 Kultur

Hinter sieben Schlössern
Prag und der Streit um die Kronjuwelen − Tschechen wollen 2016 ihren Schatz außerhalb des üblichen Ausstellungszyklus zeigen

Die Tschechen freuen sich über ein „Geschenk“ ihres Staatsoberhaupts Miloš Zeman: Als Oberster der sieben „Schlüsselhüter“ der „böhmischen Kronjuwelen“ verfügte er, dass der Schatz 2016 außerhalb des seit 1993 obligatorischen Fünfjahresrhythmus im Prager Veitsdom gezeigt werde.

Als die Juwelen am 9. Mai 2013 anlässlich von Zemans Amtseinführung präsentiert wurden, kam er direkt von einer „Siegesfeier“ in der russischen Botschaft zur Eröffnung – sturzbetrunken und blicklos in den Preziosen wühlend, wie sich die damalige Parlamentspräsidentin Miroslava Ne­mcová und weitere Ehrengäste erinnerten. 2016 wird die Juwelenschau zum 700. Geburtstag von Karl IV., böhmischer König und ab 1355 römisch-deutscher Kaiser, stattfinden, was auch einen notorischen Schluckspecht wie Zeman zügeln dürfte.

Karl IV. wurde 1378 auf dem Hradschin im Veitsdom beigesetzt, den auf seinen Wunsch der Baumeister Peter Parler ab 1344 errichtete, neben der Prager Karlsbrücke das beeindruckendste Bauwerk dieses genialen Schwaben. In der Kathedrale liegen die Kronjuwelen in der „Krönungskammer“, die der berühmte Architekt Josef Gocar 1929 mit sechs raffinierten Schlössern und einem besonderen Safe, zu dem allein der Staatspräsident einen Schlüssel hat, ausstattete. Die restlichen sechs „Schlüsselhüter“ sind: Premier Bohuslav Sobotka, Prags Erzbischof Dominik Kardinal Duka, die Parlamentspräsidenten Jan Hamácek (Abgeordnetenhaus) und Milan Stech (Senat), der „Dekan“ des Veitsdoms Vaclav Maly und Prags Oberbürgermeisterin Andriana Krnacova. Die Juwelen umfassen ein Schwert und die „Krone des Heiligen Wenzel“, die Karl zu seiner Krönung am 2. September 1347 anfertigen ließ, was sie angeblich zur viertältesten in Europa macht, sodann ein Reliquienkreuz aus dem späten 14. Jahrhundert, Reichsapfel, Zepter, Krönungsmantel und was Kaiser Leopold II. 1791 auf Wunsch böhmischer Stände sonst noch nach Prag bringen ließ.

Der letzte in Prag gekrönte Herrscher war 1836 Ferdinand der Gütige, dann verschwanden die Kleinodien bis 1929 hinter den Mauern des Veitsdoms. Ihr bester „Schutz“ ist der tschechische Volksglaube, dass jeder rasch stirbt, der Karls Krone unbefugt aufsetzt. Als Beweis dient Hitlers „Reichprotektor Böhmen und Mähren“ Reinhard Heydrich, der die Krone sich und seinem 1933 geborenen Sohn Klaus überstülpte: Vater Heydrich erlag am 4. Juni 1942 einem Attentat, sein Sohn starb am 24. Oktober 1943 bei einem Verkehrsunfall. Aus Angst vor deutscher Vergeltung und alliierten Bombenangriffen wurden die Kronjuwelen den ganzen Krieg über an immer neuen Prager Orten verborgen.

Mit Kriegsende begann ein bizarrer „Krieg“, in dessen Mittelpunkt der Veitsdom stand. Es begann mit der Vertreibung von über drei Millionen Deutschen, wogegen die katholische Kirche als nahezu einzige Institution im Lande protestierte, und das nicht, weil sie mehr als ein Drittel ihrer Gläubigen und Geistlichen verlor. Das war nur der Anfang, dem immer neue politische und wirtschaftliche Repressalien des seit 1948 allmächtigen kommunistischen Regimes folgten. Am 16. De­zember 1954 verfügte die Regierung, dass der Dom, der das „goldene“, das „hunderttürmige“ Prag so majestätisch überragt, „dem ganzen Volk gehört“. Im Klartext hieß das Verstaatlichung, wogegen Gottesstreiter wie Miloslav Kardinal Vlk vergeblich aufbegehrten. Sie konnten die schleichende rote Säkularisierung von Karls IV. Erbe nicht aufhalten. 1962 wurden die im Dom gehüteten Kronjuwelen zum „nationalen Kulturdenkmal“ proklamiert. En­de der 1980er Jahre plante man, den Dom zu einem „nationalen Pantheon“ umzuwandeln, aus dem alle religiösen Bezüge getilgt würden.

Dem kam 1989 Prags „samtene Revolution“ zuvor, auch wenn diese „zu samten“ ausfiel, wie Kardinal Vlk polterte, und „manche Genossen in ihren Netzwerken aus den 50er Jahren beließ“. Das ging gegen den Senat des Obersten Gerichts, der die kirchliche Klage vom 30. De­zember 1992 zwecks Restitution des Doms negierte. Die folgenden 18 Jahre waren ein juristisches Scharmützel zwischen Staat und Kirche, bei dem sogar weltberühmte Wissen­schaft­ler wie Otto Wichterle, der Erfinder der weichen Kontaktlinsen, gegen die Kirche votierten. Die siegte im Sommer 2006 und verlor am 16. Februar 2007, als das Oberste Gericht die „Verstaatlichung des Doms legal und unbezweifelbar“ nannte.

Erst im Mai 2010 einigten sich der neue Kardinal Duka und Präsident Vaclav Klaus, dass die Kathedrale beiden „zur Hälfte“ gehöre. Jetzt muss der Staat die vierte Generalreparatur der Domorgel, 1891 von dem deutschen Orgelbauer Anton Mölzer errichtet, bezahlen. Die wird teurer als die Restaurierungen von 1932, 1970 und 1997, denn nun soll die Orgel erstmals in allen Teilen des Gotteshauses zu vernehmen sein.

Vom Ergebnis können sich vom 10. bis 19. Mai 2016 die Besucher überzeugen, wenn sie über die „Alten Schlosstreppen“ zum Dom pilgern – „Eintritt frei, mit fünf Stunden Wartezeit ist zu rechnen, Erfrischungen und Toiletten stehen bereit“. Wenn alles klappt, werden nach dem königlichen Geburtstag wohl frühere infantile Streitereien aufhören, ob Karl 1348 die „Karls-Universität“ als „römisch-deutscher König“ oder als „König von Böhmen“ schuf.

Der böhmische, deutsche, römische Herrscher Karl IV. überragte seine multiethnische Untertanenschaft, wie Franz Palacky 1830 in seiner Chronik „der alten böhmischen Geschichtschreiber“ nachgewiesen hat: Karl liebte Böhmen und seine Einwohner, er sammelte und ergänzte alte Chroniken über sie, um am Ende in seiner Autobiografie zu seufzen, „wie er, der Böhmen überdrüssig, das Königreich ge­gen die Pfalz am Rhein zu tauschen gesucht habe“.

Und „Böhme“ war seit Karl IV. im 14. bis zu Adalbert Stifter im 19. Jahrhundert ein multiethnischer Sammelbegriff für Tschechen, Deutsche, Juden und andere, die im und um den Böhmerwald lebten. Wolf Oschlies


Kreative Meeresklänge
25 Jahre JazzBaltica − Am 2. Juli startet das Festival im Norden

Das zum Timmendorfer Strand gehörige Ostseebad Niendorf in der Lübecker Bucht ist Norddeutschen ein Begriff. Dass sein Name in die Welt getragen wird, dafür sorgt das Festival JazzBaltica, das nicht nur vom NDR aufgezeichnet und gesendet wird, sondern über den Programmaustausch innerhalb der ARD und in der europäischen Rundfunk-Union auch überregional Verbreitung erfährt. Dazu tragen weiter nicht minder der Deutschlandfunk und der Fernsehsender 3sat bei.

Diese Medienpräsenz kommt nicht von ungefähr. „JazzBaltica wurde zu einem der wichtigsten Festivals der Welt, es ist einmalig und ungewöhnlich, vollzieht sich in einer sehr angenehmen At­mosphäre. Es gibt uns als kreative Musiker die Gelegenheit mit einer Vielzahl von an­deren Künstlern zu spielen. Mit Musikerkollegen, die wir vielleicht noch gar nicht kennen, mit denen wir auch niemals Gelegenheit hätten zu­sammenzutreffen – das ist großartig“, fasst der Saxophonist Mi­chael Brecker zusammen, wa­rum er und seine Kollegen immer wieder gerne zu JazzBaltica kommen.

Als Auftaktveranstaltung von Ars Baltica, einem auf Initiative der Landesregierung von Schleswig-Holstein gegründeten Netzwerk für kulturelle Zusammenarbeit der Ostsee-Anrainerstaaten, gestaltete Rainer Haarmann das Programm der JazzBaltica 1991 zum ersten Mal. In seinem Jubiläumsjahr richtet JazzBaltica seinen Blick vom 2. bis 5. Juli erneut auf die baltische Jazz-Szene, aber auch darüber hinaus. Die 25. Ausgabe wird gebührend gefeiert: Aus dem ersten Jahr mit dabei sind Nils Landgren, Günter Baby Sommer und Manfred Schoof. Aber auch Stars wie Enrico Rava, Maceo Parker, Nils Petter Molvær, Axel Schlosser, Vladyslav Sendecki, Marcin Wasilewski, Wolfgang Haffner und Michael Wollny – langjährige Freunde und Weggefährten von JazzBaltica – werden auf der Bühne zu erleben sein.

Als Mann der ersten Stunde hat der schwedische Star-Posaunist Nils Landgren seit 2012 die künstlerische Leitung des Festivals inne. Seit dem Jahr, in dem das Festival von Salzau auf das Gelände der Evers-Werft in Niendorf ans Ufer der Ostsee gezogen ist. Seit 2002 ist JazzBaltica Teil des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Als Kernzelle von JazzBaltica formiert sich seitdem jedes Jahr das JazzBaltica Ensemble. In wechselnder Besetzung finden sich in dieser „kleinen“ Big Band hochkarätige Musiker aus dem Ostseeraum zusammen, um spezielle Programme für das Fest des Ostseejazz zu erarbeiten. Seit vier Jahren agiert das JazzBaltica Ensemble ohne musikalischen Leiter. Die Komposition und Arrangements entstehen aus der Mitte der Gruppe.

„Beim ersten Mal traf ein Haufen von Typen aufeinander, von denen keiner wusste, wohin es gehen sollte“, erinnert sich Nils Landgren und fügt hinzu: „Doch man freundete sich schnell an, zumal alle Getränke frei waren – allerdings nur in diesem ersten Jahr.“ Nachdem im vergangenen Jahr mehr als 10000 Be­sucher dem Motto „Komm mit ans Meer!“ gefolgt waren, ist Nils Landgrens nüchterne Prognose heute: „Der Erfolg zeigt, dass es für JazzBaltica eine Zu­kunft gibt.“ Und das sicher weit über das Jubiläumsjahr hinaus! Helga Schnehagen

Programmhöhepunkte: 2. Juli ab 20 Uhr Sonderkonzert in Husum. 3. bis 5. Juli zwischen 11 und 1.30 Uhr zirka 27 Veranstaltungen am Niendorfer Hafen. Neben den Konzerten auf der großen Bühne gibt es ein kostenfreies Freiluft-Programm, auch der Eintritt zu den Konzerten „@ the beach“ und auf der „Night Stage“ ist frei. 5. Juli um 11 Uhr Familienkonzert für die kleinen Jazzfans.


Schwimmender Wald
Frankreich rüstet auf − mit einer Holz-Fregatte aus Urzeiten

Vom französischen Atlantikhafen La Rochelle aus stach am 18. April die neue „Hermione“ in See, der originalgetreue Nachbau einer gleichnamigen Fregatte der königlich-französischen Marine aus dem Jahr 1780. Die Kopie des historisch bedeutsamen Kriegsschiffs gilt als Sensation. Möglich wurde sie durch die im britischen Marinemuseum Greenwich erhaltenen Pläne der baugleichen Fregatte „Concorde“, die von den Briten gekapert worden war und von der sie seinerzeit Konstruktionszeichnungen angelegt hatten.

Die „Hermione“ ist aktu­ell unterwegs im Atlantik. Ihre Fahrt steht im Zeichen der französisch-amerikanischen Freundschaft, so wie einst die Jungfernfahrt der älteren „Hermione“. Mit dem Schiff hatte der junge General Marquis de la Fa­yette 1780 den Atlantik überquert. An der Seite George Washingtons beteiligte er sich 1781 am Virginia-Feldzug, der mit der Kapitulation der Briten bei Yorktown endete. Auf dem Reiseplan stand daher für den 5. Juni zunächst die kleine Stadt Yorktown in der Nähe der Chesapeake Bay. Insgesamt zwölf Häfen an der nordamerikanischen Ostküste wird die neue „Hermione“ anlaufen, darunter Alexandria, Boston und New York, wo das Schiff voraussichtlich am 1. Juli eintreffen wird. Am 19. Juli heißt es dann Abschied nehmen mit dem Kurs nach Brest.

1793 sank die ursprüngliche „Hermione“ vor der bretonischen Küste. Nachdem man 1992 Reste des Wracks geborgen hatte, entwarfen französische Geschichts- und Segelenthusiasten den Plan, den Dreimaster aus Eichenholz nachzubauen, und zwar auf der Werft von Rochefort, dort, wo die Fregatte von 45 Metern Rumpflänge und 1166 Tonnen Leergewicht 1779 nach nur elf Monaten vom Stapel gelaufen war. In Rochefort besteht das Wissen um den Bau von traditionellen Großseglern bis heute fort. Wie erwartet erwies sich die Umsetzung des Projektes, das 1997 startete und insgesamt 25 Millionen Euro verschlang, als äußerst schwierig und erforderte die Mitwirkung von Experten aus aller Welt.

Von einer „unglaublichen Wiedergeburt“ sprachen anfangs die Franzosen. Alles begann mit der Beschaffung des geeigneten Bauholzes. 2000 Eichen wurden für den Nachbau des historischen Kriegsschiffs gefällt. Für das Spantengerüst im Innern des Schiffs bevorzugte man krumm gewachsene Bäume, um die Standfestigkeit der Gesamtkonstruktion zu gewährleisten. Insgesamt verzehrte der Bau 300 Hektar Wald. Mit einbezogen waren 50 Handwerksbetriebe vom Zimmermann, Schmied und Segelmacher bis zur „Königlichen Seilerei“ von Rochefort, seit 1926 ein Museum. Es wurden 400000 Einzelteile aus Holz und Metall angefertigt, sämtlich mittels handwerklicher Techniken aus dem 18. Jahrhundert. Jun­ge Menschen aus dem In- und Ausland beteiligten sich an den Arbeiten auf der Werft. Nach dem Stapellauf er­folgte die Absenkung der Masten durch Öffnungen in den Decks mit Hilfe eines elektrischen Krans. Zu­letzt wurden die Segel von 2200 Quadratmetern Fläche an den daran befestigten Rahen angeschlagen.

Es sollte 17 Jahre dauern, ehe die mit 26 Zwölf-Pfünder-Kanonen be­stück­te und mit den französischen Farben bemalte Fregatte im Oktober 2014 erstmals ihren Heimathafen verließ. Während die Besatzung einer Fregatte in früherer Zeit aus 300 Matrosen, Kanonieren und Soldaten be­stand, fahren unter Kapitän Yann Cariouzur nur noch 80 Mann auf der neuen „Hermione“. Na dann: Allzeit gute Fahrt! D. Jestrzemski


S. 10 Geschichte

Am Anfang stand eine Katastrophe
438 Menschen starben beim Untergang der »William Nelson« – Das Unglück gab den Anstoß zur Gründung des Raphaelswerkes

Vor 150 Jahren sank im Atlantik der Dreimaster „William Nelson“. Bei diesem schlimmsten Unglück auf einem Auswanderungsschiff verloren 438 Menschen, zumeist deutsche und Schweizer Auswanderer, ihr Leben. Unter dem Eindruck dieser Katastrophe legte der Kaufmann Peter Paul Cahensly wenige Wochen später auf dem Katholikentag in Trier vom September 1865 das Fundament des St. Raphaels-Vereins, der sich seitdem um das leibliche und seelische Wohl von Auswanderern kümmert, mittlerweile als Raphaelswerk.

Die „William Nelson“ war in Antwerpen am 2. Juni 1865 in See gestochen. Der US-amerikanische Dreimaster hatte 600 Tonnen Eisenbahnschienen, Wein und verschiedene andere Handelsgüter, knapp 500 zumeist deutschsprachige Auswanderer sowie eine Mannschaft von 30 Seeleuten an Bord. Das Kommando führte der US-amerikanische Kapitän John Levi Smith. Das Schiff, das im Jahre 1850 gebaut worden war, hatte 173 Meter Länge, 36 Meter Breite und 20 Meter Tiefgang.

Das Ziel der Reise war New York, die größte Stadt der Neuen Welt. Die Reise mit einem Segelschiff dauerte zwar bis zu acht Wochen, war aber wesentlich günstiger als die mit einem Dampfschiff, das in einer Woche seine Passage über den Atlantik schaffte. Deshalb befanden sich auf der „William Nelson“ vorwiegend arme und mittellose Auswanderer. Sie stammten zumeist aus Süddeutschland und der Schweiz. Mit 530 Personen war das Schiff, das nur 450 Menschen transportieren durfte, deutlich überladen.

Nach einer vierwöchigen Reise, die bei schwachem Seegang ohne Zwischenfälle verlaufen war, kam es zu neun Todesfällen von Kindern und zu vermehrten Fieberanfällen von Passagieren. Ursache waren die mangelhaften hygienischen Bedingungen sowie die schlechte und nicht ausreichende Ernährung in den Unterdecks. Der Kapitän, der fürchtete, dass es zu einer Epidemie kommen könnte, gab am 26. Juni die Order, die Passagierdecks mit Teerschwaden auszuräuchern, eine damals übliche Hygienemaßnahme. Infolge einer Unvorsichtigkeit bei dieser Maßnahme fing das Segelschiff jedoch Feuer. Das Feuer griff sehr schnell um sich. Zunächst versuchten alle, Passagiere wie Mannschaft, das Feuer mit Eimern und Menschenketten zu löschen. Als dies nichts nützte, wurden die vier Rettungsboote ins Meer gelassen. In den Booten war nicht einmal Platz für 100 Personen. 438 Menschen kamen in den Fluten des Wassers oder im Feuer ums Leben. Von der Besatzung starben nur sechs Matrosen, auch der Kapitän überlebte in einem Rettungsboot.

Nach einem Tag kam das französische Postdampfboot „Lafayette“, das von New York nach Le Havre fuhr, zur Unglücksstelle und rettete 44 Überlebende aus zwei Rettungsbooten, das russische Schiff „Ilmori“ rettete weitere 17 Überlebende aus einem dritten Rettungsboot. Das US-amerikanische Schiff „Mercury“ konnte später noch 43 Überlebende aus dem Wasser fischen, die sich an Wrack­teile geklammert hatten. Unter den Geretteten war auch ein Baby der Familie Margraf aus Zell an der Mosel, das erst auf dem Schiff geboren worden war. Der zwei Wochen alte Junge hatte mit seiner kleinen sechsjährigen Schwester als einziger von seiner Familie das Unglück in einem Rettungsboot überlebt, weil er von einer hochschwangeren Frau, Anna Meyer aus Solothurn in der Schweiz, die das Baby mit ihrem Speichel eine Nacht lang ernährt hatte, gerettet worden war. In Le Havre, wohin die wenigen Geretteten gebracht wurden, wurden die beiden Kinder von dem dortigen preußischen Konsul in Empfang genommen.

Nach ihrer Rettung klagten die Überlebenden in Le Havre über schlechte Behandlung und Schläge seitens der der deutschen Sprache unkundigen Besatzung an Bord der „William Nelson“, über schlechte und unzureichende Ernährung sowie über schwere Verletzungen des sittlichen Gefühls. Die Schlafstätten waren ohne jede Berück­sichtigung von Alter und Geschlecht angewiesen worden.

In Le Havre wirkte damals auch ein junger Kaufmann aus Limburg an der Lahn, dessen Vater aus Graubünden stammte. Peter Paul Cahensly, so sein Name, hörte sich die Schilderungen der in Le Havre angekommenen Überlebenden der „William Nelson“ an und machte sich zum Anwalt der Auswanderer, forderte bessere materielle Bedingungen auf den Auswanderungsschiffen, die ja eigentlich Frachtschiffe für den Transport von Tabak und Baumwolle von Amerika nach Europa waren und von Europa aus Auswanderer als Fracht mitnahmen. Schockiert zeigte sich Cahensly vor allem von den psychischen und seelischen Bedingungen der Auswanderer auf den Schiffen, die auf den Unterdecks nicht nur auf Hygiene, Lebensmittel und Wasser, sondern auch auf Privat­sphäre, familiären Zusammenhalt und oft auch auf ihre menschliche Würde verzichten mussten.

„Muss man nicht gegen diese, aller Moral Hohn sprechende Menschenverpackung, ohne Unterschied der Geschlechter, mit allem Nachdruck die Stimme erheben? Wie lange soll es noch dauern, dass unsere armen Landsleute, welche von den geistigen und körperlichen Gefahren dieser neuen Verhältnisse wohl selten eine Ahnung haben, dass sie zu Tausenden jährlich um ihre höchsten sittlichen Güter betrogen werden?“ Diese Worte richtete Cahensly, kaum sechs Wochen nach den dramatischen Ereignissen auf der „William Nelson“, an die Teilnehmer der Generalversammlung des Katholikentages in Trier.

Cahensly gründete mit Gleichgesinnten 1868 auf dem Katholikentreffen in Bamberg das Comité zum Schutze deutscher Auswanderer und 1871 auf dem Katholikentag in Mainz den St. Raphaels-Verein zum Schutz katholischer Auswanderer. Er gewann in Italien, einem Land, das ebenfalls Millionen Menschen durch Auswanderung verloren hatte, den Bischof von Piacenza, Giovanni Battista Scalabrini, für seine Ideen und sicherte sich auch die Unterstützung durch die Päpste Leo XIII. und Pius X. Das war die Grundlage für die kanonische Gründung von St. Raphaels-Vereinen auch in anderen europäischen Ländern, unter anderem auch in der Schweiz. Auch in den Vereinigten Staaten, Nordafrika und in Australien wurden St. Raphaels-Vereine gegründet. Bis heute kümmert sich das Raphaelswerk mit einem Netz von Beratungsstellen in Europa und Übersee um das materielle und sittliche Wohl der Auswanderer.

Als langjähriger Abgeordneter des preußischen Landtags und des deutschen Reichstags war Cahensly 1897 auch an der Ausarbeitung des „Reichsgesetzes zum Schutz der deutschen Auswanderer“ federführend beteiligt. Er starb am zweiten Weihnachtstag 1923 in Koblenz. Bodo Bost


Wie Karlsruhe seinen 300. Geburtstag feiert
500 Veranstaltungen zu »Lebensqualität«, »Demokratie und Recht«, »Technologie und Wissenschaft« sowie »Kunst und Kultur«

Unter Deutschlands Großstädten ist Karlsruhe, das gerade einmal 300 Jahre auf dem fächerförmigen Straßenbuckel hat, eine recht junge Erscheinung. Gründer der Planstadt war Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach. Seine ehemalige Residenz und Landeshauptstadt hat sich prächtig entwickelt. Sie ist ein europäisches Zentrum der Informations- und Kommunikationstechnologie. Als Sitz des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts trägt sie den Beinamen „Residenz des Rechts“.

Die Bezeichnungen „Zirkelstadt“ und „Fächerstadt“ hat Karlsruhe hingegen Karl Wilhelm zu verdanken. Dem Leben und Wirken des Gründers der Planstadt ist im Badischen Landesmuseum eine Ausstellung gewidmet, die 287 Bilder, Dokumente und Objekte umfasst. Ihr Schauplatz ist das Karlsruher Schloss. Keimzelle der Residenz und Stadt ist der 300 Jahre alte achteckige Schlossturm. Noch vor dessen Grundsteinlegung stiftete Karl Wilhelm den „Ordre de la Fidélité“, der später in „Orden der Treue“ umbenannt wurde und heute noch als Hausorden von Baden besteht. „Fidelitas“ sowie die mit den badischen Wappenfarben identischen Ordensfarben Rot und Gelb wurden in Karlsruhes Stadtwappen übernommen.

Mit den ersten neun Ordensrittern legte der Markgraf den Grundstein zum Turm. Auf ihn führen in regelmäßigen Abständen von Süden neun Straßen zu. So entstand die „Fächerstadt“, in der sich die durch Steuerprivilegien, Religionsfreiheit, bürgerliche Gerichtsbarkeit und kostenlose Grundstücke nebst Baumaterial angelockten ersten Bürger Karlsruhes niederließen. Die anderen 23 strahlenförmig auf den Turm ausgerichteten Straßen erschließen den Hardtwald und den Schlossgarten. Der Schlossbezirk wird von einer Ringstraße umschlossen, die Karlsruhe die Bezeichnung „Zirkelstadt“ eingetragen hat. Als Karl Wilhelm 1738 starb, hatte die Kleinstadt rund 2000 Einwohnern, heute sind es knapp 300000.

„Karl Wilhelm 1679–1738“, die Große Landesausstellung über Karlsruhes Gründer im Badischen Landesmuseum, bildet sicherlich einen Höhepunkt im Rahmen des Festprogramms aus Anlass des 300. Geburtstages. Ein weiterer ist die mit der Markgräfin Karoline Luise von Baden ebenfalls einer Person gewidmete Ausstellung „Die Meistersammlerin“ in der Staatlichen Kunsthalle. Im Mittelpunkt steht die Rekonstruktion ihres ursprünglich über 200 Gemälde umfassenden „Mahlerey-Cabinets“, das mit Prachtwerken flämischer und holländischer Meister des 17. Jahrhunderts und französischer Maler des 18. Jahrhunderts bestückt war.

Gleichfalls zum Geburtstagsprogramm gehören 500 Veranstaltungen zu den Kernthemen „Lebensqualität“, „Demokratie und Recht“, „Technologie und Wissenschaft“ sowie „Kunst und Kultur“. Zentraler Anlaufpunkt des Festivalsommers ist der im Schlosspark nach dem Entwurf des renommierten Architekturbüros J. Mayer H. und Partner errichtete Pavillon, der mit seinen in die Erde gerammten Holzbalken spektakulär windschief aussieht.

Attraktive Beiträge zum Festivalsommer liefern die Städtische Galerie und das Zentrum für Kunst und Medientechnologie, die in einer gigantischen ehemaligen Munitionsfabrik residieren. Die Städtische Galerie präsentiert ab diesem Sonnabend anhand von Bauplänen, Architekturmodellen und digitalen Rekonstruktionen das Schaffen des Baumeisters und Stadtplaners Friedrich Weinbrenner. Mit seinen klassizistischen Bauwerken prägt er bis heute das Erscheinungsbild Karlsruhes, etwa den Markt mit Rathaus, der wie ein antiker Tempel aussehenden Stadtkirche und der zu einem Wahrzeichen der Stadt gewordenen Pyramide, unter der sich die Gruft des Stadtgründers Karl Wilhelm befindet. Der Markt und viele andere Bereiche der Innenstadt sind jedoch für die nächsten zweieinhalb Jahre eine riesige Baustelle, denn der Straßenbahn- und Autoverkehr sollen fortan in Tunneln fließen.

Großes kündigt das Zentrum für Kunst und Medientechnologie an: Das neue Kunstformat „Globale“, das auf einem um die Naturwissenschaften erweiterten Kunstbegriff basiert, untersucht ab diesem Monat 300 Tage lang die kulturellen Effekte der Globalisierung und Digitalisierung anhand von Ausstellungen, Konzerten, Aufführungen, Vorträgen und Konferenzen. Das hört sich ziemlich abschreckend und erschlagend an. Die beiden ersten Projekte versprechen jedoch, ein packendes Erlebnis zu werden. Seit dem 21. Juni schwebt im Lichthof 8 und 9 eine künstliche Wolke. Sie wird vom Energietechnikunternehmen Transsolar und dem Architekten Tetsuo Kondo erzeugt, um zu zeigen, wie der Mensch Naturphänomene in Zukunft immer stärker beeinflussen kann. Das zweite Projekt sind die während des Festivalsommers laufenden Lichtspiele. Künstler und Künstlergruppen bestrahlen mit eigens entwickelten Werken die Fassade des Schlosses.

Veit-Mario Thiede

Informationen zu der bis zum 18. Oktober zu sehenden Ausstellung „Karl Wilhelm 1679–1738“ bietet das Badische Landesmuseum, Schloss, 76131 Karlsruhe, Telefon (0721) 9266514, Fax (0721) 79266537, E-Mail: info@landesmuseum.de. Informationen zu der bis zum 6. September 2015 zu sehenden Ausstellung „Die Meister-Sammlerin“ bietet die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2–6, 76133 Karlsruhe, Telefon (0721) 9263359, Fax (0721) 9266788, E-Mail: info@kunsthalle-karlsruhe.de. Informationen zu der bis zum 4. Oktober 2015 zu sehenden Ausstellung „Friedrich Weinbrenner 1766–1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus“ bietet die Städtische Galerie, Lichthof 10, Lorenzstraße 27, 76135 Karlsruhe, Telefon (0721) 133-4401, E-Mail: staedtische-galerie@karlsruhe.de.


S. 11 Preussen

»Arbeitsscheu und vergnügungssüchtig«
Trotz dieser Einschätzung machte Bismarck den »gescheiten und schlagfertigen« Friedrich zu Eulenburg zu seinem Innenminister

Vor 200 Jahren wurde der preußische Staatsmann Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg geboren, dessen Verwaltungsreformen dafür sorgten, dass sich Preußen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem modernen Rechtsstaat entwickelte. Des Weiteren schloss er 1861/62 als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister für Preußen erste diplomatische Verträge mit Japan, China und Siam, dem heutigen Thailand.

Die Wurzeln des Adelsgeschlechts derer von Eulenburg reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, wobei die damaligen Ileburgs zunächst im Sächsischen residierten, bevor sie dann ab dem 15. Jahrhundert ins Herzogtum Preußen wechselten. Dem folgte 1786 die Verleihung des Grafentitels durch Friedrich den Großen. Wenig später entstand das Bonmot „Klug wie die Eulenburgs“, das darauf Bezug nahm, dass sich die männlichen Angehörigen des Geschlechts immer wieder durch außergewöhnliche Geistesschärfe hervortaten. Das galt auch und gerade für Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg, der am 29. Juni 1815 in Königsberg geboren wurde. So bezeichnete Eduard von Simson, der spätere Präsident von Reichstag und Reichsgericht, den jungen ostpreußischen Adligen als den begabtesten Menschen, der ihm je begegnet sei.

Eulenburg verließ das Gymnasium als Schulbester und studierte hernach Rechts- und Staatswissenschaften in Königsberg und Berlin. Dem folgten von 1836 bis 1849 diverse Anstellungen als Auskultator, Referendar, Gerichts­assessor und Regierungsbeamter in Frankfurt an der Oder, Koblenz, Münster, Köln, Oppeln und Merseburg. Anschließend kam Eulenburg ins Ministerium des Innern, wo er schnell zum Vortragenden Rat avancierte und durch seine Intelligenz und Schlagfertigkeit von sich reden machte.

Diese Eigenschaften förderten dann auch seine weitere Karriere, die ihn 1852 in den diplomatischen Dienst führte. Zunächst bekleidete Eulenburg das Amt des Generalkonsuls in Antwerpen, bevor er – mittlerweile mit der Kammerherrenwürde versehen – im April 1859 zum Generalkonsul in Warschau ernannt wurde. Diesen Posten trat er allerdings nicht an, weil König Friedrich Wilhelm IV. kurz darauf beschloss, den Grafen zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister zu ernennen und an die Spitze der „Preußischen Expedition nach den ostasiatischen Gewässern“ zu stellen.

Zweck des Unternehmens, das von Oktober 1859 bis April 1862 dauerte, war es, im Namen aller Staaten des Deutschen Zollvereins, der Hansestädte und beider Mecklenburgs Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträge mit China, Japan und Siam abzuschließen. Hierzu entsandte das Königreich im Rahmen der seinerzeit üblichen Kanonenbootpolitik ein Geschwader von vier Kriegsschiffen, darunter die Fregatte „Thetis“ und die Korvette „Arcona“. An Bord derselben befanden sich dabei auch Wissenschaftler und Künstler, wie der offizielle Expeditionsmaler Albert Berg und der Fotograf Carl Bismarck, ein unehelicher Sohn Eulenburgs.

Die Mission wurde durch zahlreiche Missgeschicke erschwert – beispielsweise sank der Begleitschoner „Frauenlob“ am 2. September 1860 in einem Taifun vor Yokohama, wobei die gesamte Besatzung von 49 Mann ums Leben kam. Zudem fiel der Dolmetscher der Expedition, den der US-amerikanische Konsul in Japan, Townsend Harris, zuvorkommenderweise zur Verfügung gestellt hatte, Anfang 1861 einem Mordanschlag von antiwestlichen Samurai zum Opfer. Darüber hinaus weigerte sich die japanische Militärregierung unter dem Shogun Tokugawa Iemochi, Verträge mit mehreren Partnern zugleich einzugehen und bestand auf einem bilateralen Pakt mit Preußen, der dann am 24. Januar 1861 abgeschlossen wurde. Anschließend gelang es Eulenburg, am 2. September des gleichen Jahres beziehungsweise 7. Februar 1862 weitere Verträge mit China und Siam unter Dach und Fach zu bringen, die diesmal nun auch die anderen 31 deutschen Staaten einschlossen.

Nach seiner Rückkehr erhielt der erfolgreiche Emissär den Roten Adlerorden II. Klasse und das Angebot, Handelsminister zu werden, was er jedoch ablehnte. Dahingegen erklärte sich der Graf im Dezember 1862 bereit, das Amt des preußischen Innenministers zu übernehmen. Die Berufung erfolgte in diesem Fall auf massive Fürsprache des neuen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck, der Eulenburg zwar einerseits für „arbeitsscheu und vergnügungssüchtig“, andererseits aber eben auch für besonders „gescheit und schlagfertig“ hielt. Und genau so einen Mitstreiter brauchte Bismarck in der aufreibenden Zeit der massiven parlamentarischen Angriffe auf Krone und Regierung.

Als Minister widmete sich Eulenburg vor allem der umfassenden Reform der preußischen Verwaltung, die umso dringender wurde, als infolge der Kriege von 1864 und 1866 neue Gebiete an Preußen fielen. Augenfälligster Ausdruck seiner Bemühungen waren dabei die neue Kreisordnung von 1872 sowie die Provinzialordnung und das Verwaltungsgerichtsgesetz von 1875. Diese liefen allesamt auf eine Beseitigung überholter ständischer Privilegien hinaus, was den Grafen in einen Konflikt mit den Altkonservativen stürzte. Denen stand er politisch eigentlich sehr nahe, doch war er war – ähnlich wie sein Kabinetts­chef Bismarck – nicht strukturkonservativ, sprich er vertrat die Ansicht, dass sich ein zeitgemäßer Konservatismus auf Neues einlassen müsse, wenn die realen Gegebenheiten dies erforderten. Und dann opponierten schließlich auch noch die Liberalen und Freisinnigen gegen Eulenburgs Entwurf für eine neue Städte- und Gemeindeordnung in den westlichen Provinzen.

Hier hätte Bismarck seinem Minister den Rücken stärken müssen, äußerte aber stattdessen lieber den verletzenden Vorwurf, Eulenburg mache „nach links unpraktische Concessionen“, weil ihn offenbar „ein gewisses Popularitätsbedürfniß überfallen“ habe, das „ihm früher ferngeblieben war, so lange er gesund genug war, sich zu amüsiren“. Angesichts dessen nahm der politisch Isolierte im Oktober 1877 einen längeren Erholungsurlaub, dem dann am 30. März 1878 die freiwillige Demissionierung folgte.

Das Amt des Innenministers ging daraufhin an seinen Neffen zweiten Grades, Botho Wendt August Graf zu Eulenburg, der aber im Februar 1881 ebenfalls über einen Konflikt mit Bismarck stolperte. Wenige Monate später war Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg tot. Er verstarb am 2. Juni 1881 in Schöneberg bei Berlin, ohne eine Witwe oder legitime Nachkommen zu hinterlassen, und wurde hernach auf dem Schlossgut eines weiteren engen Verwandten, nämlich Phi­lipp Friedrich Alexanders zu Eulenburg und Hertefeld, in Liebenberg bestattet. Wolfgang Kaufmann


Der Bankier des Eisernen Kanzlers
Gerson von Bleichröder verwaltete Bismarcks Privatvermögen und organisierte die Finanzierung der Einigungskriege

Der Jude ist infolge seiner natürlichen Veranlagung im Gelderwerb klüger als der Christ; er ist, wenigstens solange er noch kein Vermögen erworben hat, arbeitsamer und sparsamer als viele seiner christlichen Mitbewerber in der Branche, in der er überhaupt tätig ist. Und selbst wenn er sein Ziel erreicht hat und reich geworden ist, bleibt er sparsamer, solange ihn die Renommiersucht nicht erfasst.“ Mit diesen Sätzen in einem Artikel für die „Hamburger Nachrichten“ vom 23. Juli 1892 kämpfte Otto von Bismarck gegen die damalige „antisemitische Agitation“ in der Judenfrage an. In seiner durchaus positiv gemeinten Äußerung spiegeln sich wahrscheinlich die langjährigen persönlichen Erfahrungen mit seinem Bankier und Vertrauten Gerson Bleichröder. Dieser besaß in Berlin sein eigenes Bankhaus S. Bleichröder und stand in engem geschäftlichen Kontakt mit den europaweit agierenden Rothschilds.

Bleichröder galt als schwerreich und als eine der ersten finanziellen Adressen in Preußen. Mit einigem Recht kann man ihn den eigentlichen Finanzier der deutschen Einheitskriege nennen, weil er für den preußischen Staat alle diesbezüglichen Geschäfte organisierte und alle finanziellen Reserven an den Börsen mobilisierte. Zur Belohnung ließ ihn der dankbare Bismarck im Jahr 1872 adeln. Der preußische Ministerpräsident und deutsche Reichskanzler hielt einen sehr engen Kontakt zu dem immer gut informierten und geschäftlich stets diskreten Bleichröder.

Böse Zungen behaupteten sogar, Bleichröder werde stets bei Bismarck ohne Anmeldung vorgelassen, wohingegen mancher altgediente Geheimrat des Auswärtigen Amts stundenlang auf einen Vortragstermin warten müsse. Bismarck dementierte diese Unterstellung am 31. Dezember 1892 in den „Hamburger Nachrichten“ energisch. Zwar habe Bleichröder sogar Bismarcks Privatvermögen verwalten dürfen, doch gerade weil es sich bei den Unterhandlungen mit Bleichröder zumeist um Privatangelegenheiten gehandelt habe, habe er Bleichröder stets privat, aber niemals in seiner Geschäftszeit empfangen.

Allerdings dürfte Bleichröder seinen vielen Gesprächen mit Bismarck durchaus wertvolle politische Informationen entnommen haben, die sich an der Börse nützlich verwerten ließen. Damals war es im Gegensatz zu heute nicht verpönt, sogenannte Insiderinformationen geschäftlich zu nutzen. Noch kurz vor Bismarcks Sturz organisierte der umtriebige, gesellschaftlich gut vernetzte Bleichröder ein Treffen des Regierungschefs mit dessen früheren Intimfeind Ludwig Windthorst von der katholischen Zentrumspartei, in welchem beide die Möglichkeiten einer künftigen politischen Zusammenarbeit ausloteten.

Wie eng das Verhältnis zwischen Bismarck und seinem finanzpolitischen Berater Gerson Bleichröder war, hat der in Breslau geborene bedeutende deutsch-jüdische Historiker Fritz Stern in seinem umfangreichen Werk „Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder“ beschrieben. Sterns Buch kann man ungemein viel über die privaten wirtschaftlichen Aktivitäten Bismarcks entnehmen, der es durchaus nicht verschmähte, selbst Profit zu machen, sondern dies im Interesse seiner Familie sogar für geboten hielt. Bismarck, der eine große Liebe zur Natur besaß und sich in der Baumzucht und -pflege sowie in der Forstwirtschaft vorzüglich auskannte, machte viel Geld mit dem Holz seiner Besitzungen. Fachlich unterstützt von Bleichröder, erzielte Bismarck beispielsweise im Jahr 1879 mehr Gewinn, als sein Gehalt als Reichskanzler betrug.

Wenn Bleichröder allerdings seine guten Beziehungen zu den preußischen Behörden dazu nutzte, eine ihm lästig gewordene Geliebte von der Polizei ins Ausland abschieben zu lassen, so war Bismarck daran unbeteiligt. Das besorgte für den einflussreichen Bleichröder der ihm wohlgesonnene Königliche Polizeipräsident von Berlin, Guido von Madai. Auch als Bleichröder in Sachen seiner Geliebten sehr leichtsinnig einen Meineid schwor und nun viele Jahre lang in steter Furcht vor dem Zuchthaus leben musste, konnte er in dieser Sache nicht auf die Unterstützung Bismarcks rechnen. Nur mit Hilfe exzellenter Rechtsanwälte gelang es Bleichröder, diese Krise zu bewältigen, die ihm seine letzten Lebensjahre vergällte. Bei Fritz Stern, der die dazu noch vorhandenen preußischen Justizakten leider nur ganz flüchtig gelesen hat, kommt Bleichröder bezüglich dieser Affäre viel besser weg, als er es verdient.

Obwohl als Jahrgang 1822 sieben Jahre jünger als Bismarck, überlebte er diesen nicht, verstarb vielmehr bereits 1893 in seinem Geburtsort Berlin.

Jürgen W. Schmidt


S. 12 Leserforum

Leserforum

Sind wir noch eine Demokratie?

Zu: Warum Deutschland wirklich ausstirbt (Nr. 23)

Nun wissen wir es also ganz genau, obwohl wir es anders in Erinnerung hatten: Schuld an der familienfeindlichen Politik der Demokraten ist der böse Mann aus Braunau. Das Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“, das nach dem Krieg „Die Mutter und ihr erstes deutsches Kind“ genannt wurde, gab es auch in unserem Haushalt. Was Wunder, dass wir gut behütet, seelisch und geistig gesund und den Umständen entsprechend puppenlustig aufwuchsen. Ich kann mich nicht erinnern, dass Freunde oder Klassenkameraden während meiner Schulzeit verhaltensgestört waren. Das kannte man gar nicht!

Heute werden Kinder an den Schulen förmlich krankgequatscht. Überwiegend gesunden Kindern werden Drogen verabreicht (Retalin). ADHS (bedeutet sicher: Adolf Hitlers Schuld) ist die große Modekrankheit. Was sich heute an den Schulen und bei den Auszubildenden tummelt, ist das Produkt der seit 1969 propagierten antiautoritären Erziehung. Ein Großteil der heutigen jungen Familien ist bereits Opfer der antiautoritären Erziehung. Sie haben nie gelernt, wie man Kinder erzieht. Die Massenabtreibungen sind eine Erfindung der Demokraten. Der Genderwahnsinn ist eine Erfindung der Demokraten. Die Frühsexualisierung ist eine Erfindung der Demokraten. Achtjährige sollen sexuelle Praktiken erlernen, die mir als alte Frau unbekannt sind. Für mich ist das staatlich organisierte Körperverletzung, noch schlimmer, Verletzung der Kinderseelen. Die Liste der allgemeinen sittlichen und moralischen Verwahrlosung ließe sich noch beliebig fortsetzen.

Man muss sich fragen, ob wir noch eine Demokratie sind, da es keine einzige Partei gibt, die diesem allgemeinen Wahnsinn entschieden Widerstand leistet. Auffallend übrigens ist, dass besonders Prominente, die mit Ach und Krach ein einziges Kind zustande gebracht haben, meinen, laut gackern zu müssen wie ein Huhn, das sein erstes Ei gelegt hat.

Karin Khemlyani-Albrecht, Bendestorf

 

 

Nach dem 8. Mai 1945 atmete die Zivilbevölkerung nicht auf

Zu: 70 Jahre Kriegsende (Nr. 19)

Mit der militärischen Kapitulation und dem Waffenstillstand hört normalerweise nach einem Krieg das gegenseitige Schlachten und Töten auf. Die Zivilbevölkerung atmet auf. Doch nicht so nach dem 8. Mai 1945, an dem die staatlich geordnete Lebensmittelversorgung zusammenbrach. Die einheimischen Bewohner, die ohne Arbeit waren, mussten zusehen, wie sie überleben konnten. Auf Lebensmittelkarten gab es, wenn überhaupt, Lebensmittel mit einem Brennwert von 800 bis 1000 Kalorien pro Person und Tag. In der US-Armee waren 4000 Kalorien pro Person und Tag festgelegt.

Die Militärregierung verfügte auf Anordnung des amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman, dass keine internationale Lebensmittelhilfe an Deutsche geliefert werden durfte. Erst auf Druck der internationalen Presse, die über das Hungerelend und Sterben berichtete, der amerikanischen Bevölkerung und von 34 US-Senatoren erlaubte Truman, die Nahrungssituation im besetzten, nicht befreiten, Deutschland und die hohe Sterblichkeit zu untersuchen. Der eingerichtete „American Council of Relief Agencies for Foreign Service“ gab ein vernichtendes Urteil ab. Er hielt im Untersuchungsbericht fest: „Die Nahrungsmittelsituation zeigt ein Bild solch furchtbaren Schreckens, dass es die Vorstellungskraft erschüttert und belegt, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika mitschuldig an einem schlimmen Verbrechen gegen die Menschheit machen.“

Jetzt erst zog die US-Regierung die Konsequenzen und gründete am 19. Februar 1946 das „American Council of Relief Agencies Licensed to Operate in Germany“. Diese staatliche Institution war die einzige offizielle Möglichkeit, um Hilfslieferungen zu verteilen. Zunächst geschah dies nur in der amerikanischen Besatzungszone und später auch in den anderen westlichen Besatzungszonen. Ab Mitte 1946 wurde es erstmalig erlaubt, hungernden deutschen Kindern durch Importe von Baby-Nahrungsmitteln aus Drittländern zu helfen.

Erst im Jahr 1948, nach der Währungsreform besserte sich der Zustand in den westlichen Besatzungszonen wieder, und die Deutschen konnten nun, nach zwölf Jahren Diktatur und fünf Jahren Krieg, ein neues Leben in Frieden und Freiheit beginnen. Besonders schlimm war in den Nachkriegsjahren die Situation für die Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen. Zu der eklatanten Nahrungsmittelkrise kam für diese armen Menschen noch der Wohnungsmangel hinzu.

Wolfgang Thüne, Oppenheim

 

 

Der Bogen ist zu kurz gespannt

Zu: Richtfest am Schloss (Nr. 24)

Der Kommentar von Vera Lengsfeld spannt einen zu kurzen Bogen. Denn erstens bleibt trotz der langen Wartezeiten sowie der hohen Preise im früheren „Palast der Republik“ die Idee, in einem Parlamentsgebäude auch Diskos oder Bowling anzubieten, immer noch eindeutig sympathischer, als wenn man, wie etwa gegenwärtig beim Deutschen Bundestag, Lobbyisten akkreditiert. Und zweitens liegt der wichtigste Grund für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses weniger in der Ära von Erich Honecker als vielmehr noch in jener von Walter Ul­bricht. Da es nun einmal eine erhebliche Kulturbarbarei bedeutet, eine neue Epoche damit einläuten zu wollen, indem man historisch bedeutsame Gebäude sprengt, die nicht in das eigene ideologische Weltbild passen. Weswegen man hier ebenfalls den Blick an andere Orte wie Potsdam schweifen lassen muss, da das dortige Projekt, dem Stadtbild die Garnisonkirche zurückzugeben, dieselbe Handschrift eines starkes Respektes vor der Geschichte trägt.

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

 

 

»Dort drüben, jenseits des Ozeans steht der Schuldige«

Zu: 70 Jahre Kriegsende (Nr. 19)

Zum 70. Mal hat sich dieser Tag gejährt, der von den Politikern und Medien euphorisch als Tag der Befreiung gefeiert wird – von „was“ wird ausgeblendet und verschwiegen. Das Deutsche Reich und die Bevölkerung wurden am 8. Mai 1945 befreit von: insgesamt 243767 Quadratkilometern Staatsgebiet; 110000 Tonnen Industrieanlagen, seiner historischen Bausubstanz, indem über 1000 Städte in Schutt und Asche gebombt wurden; unzähligen Kunstschätzen, Patenten, Erfindungen und Gebrauchsmusterschutz; 1,5 Millionen deutschen Kriegsgefangenen, darunter sind viele auf den Rheinwiesen verhungert, verdurstet und erfroren.

Dann wurden noch befreit:

15 Millionen Staatsbürger von ihrem Eigentum und ihrer Heimat; hunderttausende Mädchen und Frauen jeden Alters von ihrer Ehre, indem sie von marodierenden Soldaten der Alliierten brutal vergewaltigt wurden. Die Restbevölkerung, die den alliierten Bombenterror überlebt hat, war der Willkür und der Rachsucht der „Befreier“ ausgeliefert.

Deutschland wurde nicht zerstört, weil es so schlecht war, sondern, weil es so gut war. Es war der Neid, die Eifersucht und der Hass der Alliierten auf die Schaffenskraft des Volkes, und genau diese musste zerstört werden. Die Directive ICS 1067 (Weisungen der Vereinigten Staaten an den Oberkommandierenden der US-amerikanischen Besatzungskräfte) besagte ganz deutlich: Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als besiegter Feindstaat. Ziel ist nicht die Unterdrückung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige Absichten der Alliierten zu verwirklichen. Diese Absichten waren, die Deutschen auszuplündern, auszurauben, zu unterwerfen und zu entrechten.

Dann gab es verschiedene perfide Pläne, wie Deutschland mittels Völkermord von der Landkarte verschwinden könnte. Zum Beispiel den „MorgenthauPlan“, der vorsah, die Deutschen verhungern zu lassen. Dann den „Kaufman-Plan“, der die Vernichtung der Deutschen durch Sterilisation vorsah. Auf diese Weise sollte insgeheim ein unblutiger Völkermord an den Deutschen begangen werden.

Die USA stehen kurz vor dem Zusammenbruch und dem totalen Ruin. Der norwegische Friedensforscher Professor Johan Galtung, der 1980 den Zusammenbruch der Sowjetunion innerhalb der nächsten zehn Jahre vorhersagte, prophezeit schon den Niedergang der USA als Supermacht bis zum Jahr 2020.

Erst dann werden Deutschland und das deutsche Volk sowie die übrige Welt befreit sein von den Gräueln, den Verbrechen und dem Bombenterror, den die USA über die ganze Erde gebreitet haben.

„Ich klage die Vereinigten Staaten an, im ständigen Zustand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu sein“, und „dort drüben, jenseits des Ozeans steht der Schuldige“, schreibt Joachim Fernau in seinem Buch „Halleluja“.

Barbara Koerber, Gräfenberg

 

 

Der Grund, warum Gauck immer wieder die These von der Kollektivschuld aufwärmt

Zum Leserbrief: Bundespräsident führt Bürger wie Tanzbären am Nasenring (Nr. 21)

Jedes Wort und jeder Satz findet meine Zustimmung. Der Verfasser, Herr Wiegand, stellt mit seiner Lesermeinung die Frage: „Was ist die wahre Absicht von Gauck, immer wieder die These von der Kollektivschuld aufzuwärmen …?“

Das hat folgenden Grund, den jeder Amtsträger jeglicher Couleur hat, nämlich die Angst, das politische Amt, den Posten, zu verlieren, falls er sich doch einmal „verplappern“ sollte. Man könnte die „heile“ Situation auch so deuten: „Überlegen Sie jetzt gut, was Sie sagen wollen, die Mikrofone sind geschaltet und die Kameras auf Sie gerichtet.“ Denn Vorsicht muss sein: Oberaufpasser vom linken Spektrum, von den Medien und ihren Agenturen bis zum Zentralrat der Juden in Deutschland, sind unter uns. Wir sind nicht nur noch „besetzt“, sondern stehen unter Beobachtung. Deshalb wird immer das Gleiche hinausposaunt, um alle Beobachter zufriedenzustellen: Ausländerfeindlichkeit, Schuld der Deutschen, Toleranzverpflichtung, Willkommenskultur, Islam gehört zu Deutschland und so weiter. Ja, das beruhigt Umerzieher.

Seit Jahren läuft ein massenpsychologisches Lehrstück über die deutsche Bühne, wie es in solcher Deutlichkeit kaum je zu finden war. Die völlig gleichgeschalteten Massenmedien setzen alles daran, in vollkommener Perversion der Begriffe eine Bewusstseinslage aufzubauen, die nur noch als grotesk bezeichnet werden kann. Und das Schlimmste ist – in allen Medien verspritzt eine käufliche Journaille ihr Gift gegen deutsche Gefühle, Denkweisen, und auch das gibt es, gegen Nationalbewusstsein, welches, man könnte meinen als ekelhafte Krankheit, verachtet werden. Es ist eine gefährliche Bestrebung, weil unser Volk mit so vielen Lügen, Schwindel, Halbwahrheiten und Desinformationen vollgestopft wurde und wird: In jeder Windung des Hirns setzt sich das fest. Etwas bleibt immer hängen. Die Ursache ist ein widerlicher Nachrichtencocktail.

Aber es gab auch andere Zeiten und tatsächlich mutige Politiker. Und niemand jagte sie aus Ämtern damals. Selbst die „Presseorgane“ registrierten nur und unterrichteten brav. Wie bitte? Sie glauben das nicht? Doch, kann ich Ihnen sagen. Eine Rückschau möge man verzeihen.

Für unseren Bundespräsidenten Joachim Gauck ist es sicherlich auch interessant zu wissen: Bis etwa 1960 war der deutsche Soldat noch weithin angesehen. Ja, wirklich, man kann es heute gar nicht begreifen – alle Parteien warben um die ehemaligen Soldaten und somit blieb nur wenigen Schreiberlingen in den Gewerkschaftszeitungen, gegen die Soldaten zu hetzen. Die spätere Welle der brutalen Vergangenheitsbewältigung setzte etwa mit der Wiedervereinigung 1990 ein. Merken Sie was? Mit der niederträchtigen Losung „Nie wieder Deutschland“ und der unverschämten Anschuldigung „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ knüppelte man munter drauflos. Die Drahtzieher hierfür waren die Fernsehjournalistin Lea Rosh und Dr. Eberhard Jäckel, die damals schon die Keule der Kollektivschuld gegen jeden Bürger, der deutsche Vorfahren hat, erhoben haben. Und damit sind wir in der Gegenwart und beim Thema Bundespräsident und seine Botschaften: „… Wir sind die Nachfahren derer, die eine Spur der Verwüstung gelegt haben …!“

Man stelle sich vor, zum 70. Jahrestag des Kriegsendes wären seine Worte gewesen: „Die Angehörigen der Waffen-SS waren Soldaten wie andere auch, ehrenhaft! Und im Gedenken: Aus dem Zweiten Weltkrieg sind mehr als 900000 Angehörige der Waffen-SS nicht zurückgekehrt. Sie war weder mit der allgemeinen SS, noch Organisationen der Menschenvernichtung gleichzusetzen, sondern hat sich selbst als Art vierter Wehrmachtsteil gefühlt – sie war kriegsbedingt und für Kriegszwecke geschaffen worden.“

Oben angeführte Aussagen machten aber 1951 Kurt Schumacher (SPD-Vorsitzender), in einer Ehrenerklärung, die er auch schriftlich abgab, und 1953 Konrad Adenauer (Bundeskanzler), der sich ebenfalls uneingeschränkt vor die Soldaten stellte. Das bedeutet aktuell: Unser Staats­oberhaupt hätte sofort nach dem 8. Mai 2015 seinen Dienst quittieren müssen. Er weiß das selbst. Und wir kennen diese Abläufe ja auch.

Und dann das: Herr Gauck besucht die sowjetische Ge­denk­stät­te am 8. Mai in der Ortschaft Lebus, nördlich von Frankfurt/Oder. Von dort sind es nur wenige Kilometer nordwestlich nach Diedersdorf. Dort gibt es einen deutschen Soldatenfriedhof. Einen Kranz, ein Gedenken, passende angebrachte Worte? Nichts da! Er war ja nicht dort. Das Protokoll sah es nicht vor – sicherlich aus den schon bekannten Gründen. Beschämend und einmalig „in diesem unserem Land“. Einfach erbärmlich.

Mein Appell an den Bundespräsidenten lautet: Sich auf jene Grundlagen des gesellschaftlichen Seins der Vergangenheit besinnen, die dem deutschen Volk dienlich waren. In Erinnerung rufen, wie unser Deutschland zu dem wurde, was ihm Achtung, Wertschätzung und Ansehen einbrachte. Ganz einfach deutsche Interessen vertreten, aber nicht den deutschen Menschen gegen das Schienbein treten. Soll nach sieben Jahrzehnten seit Ende des schlimmsten aller Kriege noch immer einem fleißigen Kulturvolk eine Schuldbekundung abverlangt werden? Kollektivschuld – und die bis zur Hundertjahrfeier 2045? Fürchterlich! Die Antwort kann nur „Nein!“ lauten. Aber möglich ist ja alles. Denken wir an das Geschichtsthema Erster Weltkrieg vor 100 Jahren.

Und, Herr Wiegand, Ihr Wort: Mir wäre auch „speiübel“. Bleiben wir hellwach und wachsam, es lohnt sich! Ich bemühe mich jedenfalls mit 78 Jahren.

Karl-Heinz Rieger, Kiel


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Mückenstiche im Allensteiner Sommer
30 Teilnehmerinnen webten und stickten während der 13. Werkwoche, die im Kopernikushaus stattfand

Der Sommer hat in Allenstein Einzug gehalten, und mit ihm die Insekten. Mit lebenden Mücken haben die in der Überschrift erwähnten Stiche allerdings nichts zu tun. Um Mückenstiche, Rosenstiche und ähnlich komplizierte Dinge ging es im Rahmen der Werkwoche der Landsmannschaft Ostpreußen, die vom 7. bis 14. Juni in Allenstein im Haus Kopernikus der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit stattfand.

Unter der Leitung von Uta Lüttich und der fachkundigen Anleitung von Gudrun Breuer und Liesa Rudel nahmen knapp 30 Frauen aus unterschiedlichen deutschen Gemeinschaften im südlichen Ostpreußen an der Werkwoche teil. Es ist bereits die 13. in Ostpreußen, seit es die Möglichkeit gibt, diese Ende der 50er Jahre in der Bundesrepublik entstandene Veranstaltung auch dort zu organisieren, und die achte im Haus Kopernikus. „Es ist schade, dass wir hier nicht alles anbieten können“, meint Liesa Rudel, „aber der Transport eines großen Webstuhls übersteigt unsere Möglichkeiten.“ Die Arbeit daran sowie das Nähen von ostpreußischen Trachten ist nur auf den Werkwochen in Bad Pyrmont möglich, und dorthin fahren auch regelmäßig einige der teilnehmenden Frauen.

Doch auch auf den zur Verfügung stehenden Handwebrahmen lassen sich komplizierte Muster und schöne Werke erreichen. Kamila Manka war die Jüngste und trotz der laufenden Prüfungszeit an der Allensteiner Universität erstmals dabei. Sie wollte eine Tasche weben, hatte aber zu Beginn Schwierigkeiten: „Man muss die Ketten selber aufziehen, das ist nicht einfach. Das Weben danach ist leichter, wenn erst einmal der Rhythmus da ist.“ Für das Band der Tasche ist wieder eine andere Technik notwendig, so Liesa Rudel: „Das ist so wie bei den Jostenbändern. Es handelt sich um einen sogenannten Kettenrips. Zwar ist die Struktur der Schüsse sichtbar, aber nur die Farben der Ketten. Auf dem Webrahmen ist das umgekehrt.“ Einfluss auf das Ergebnis haben auch das gewählte Garn und der Anschlag. Je nach der Festigkeit des Materials und der Verarbeitung entstehen steifere oder flexiblere Stoffe.

Kleinere Elemente lassen sich durch Webknüpfen einbauen, man kann Bilder gestalten, und sogar Farbschattierungen sind möglich. „Der Faden wird mit der Hand festgeknüpft und eingearbeitet, dann muss man zweimal darüber weben. So wird das Ganze eingeklemmt und dadurch stabil“, erklärt Liesa Rudel. Eine bekannte, immer wieder auf Bändern vorkommende Figur ist das „Madamchen“. Sie ist wie auch Buchstaben ein Beispiel für runde Formen, die an das Können der Handarbeiterinnen große Herausforderungen stellen.

Bei der Arbeit herrschte trotz der großen Anzahl Menschen im geräumigen „Bayerischen Saal“ eine so andächtige Stille, dass das Rauschen der Autos auf der Hauptstraße im vierten Stock deutlich vernehmbar war. Unterbrochen wurde sie manchmal durch Erklärungen von Gurdrun Breuer, die den Bereich Stricken und Sticken unter sich hatte. Sie waren trotz des bereits vorhandenen Könnens vieler Frauen hin und wieder nötig.

Während eine Teilnehmerin den Kolleginnen ihren ersten orange-braunen Handschuh in Doppelstrick präsentierte, kämpfte Krystyna Bochna aus Sensburg gerade tapfer mit dieser Technik. „Es soll ja von der einen Seite genauso aussehen wie von der anderen, nur mit vertauschten Farben. Da muss ich ständig zwei Fäden mitnehmen“, beschreibt die Debütantin ihr Problem. Am Tisch daneben

blickte Janina Manka auf ihren Stickrahmen durch eine große Lupe, die für die Arbeit notwendig ist und noch eine besonders starke kleine Lupe eingebaut hat. „Sonst übersieht man die kleinen Stiche, und trifft die geplanten Linien gar nicht“, sagt sie. Sie ist mit dem langsamen Tempo beim Weißstich vertraut, denn sie war schon mehrmals bei der Werkwoche dabei. Trotzdem hat sie sich ein relativ großes und kompliziertes Muster ausgesucht.

Die Ergebnisse der Werkwoche wurden wie üblich am Sonn-abendnachmittag in einer Ausstellung präsentiert, zu der auch Gäste von außen kamen. In diesem Jahr fand unter anderem Wiktor Marek Leyk, der Bevollmächtigte des Marschalls der Woiwodschaft Ermland-Masuren für nationale und ethnische Minderheiten, den Weg ins Haus Kopernikus. Ermöglicht wurde die Werkwoche durch die finanzielle Unterstützung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien über das Kulturreferat am Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg.

Uwe Hahnkamp


Zoo-Modernisierung schreitet voran
Brücke im Königsberger Tiergarten nach Umbau wiedereröffnet – Löwenhaus und Robbenbassin erneuert werden

Im Königsberger Tiergarten ist erstmals seit 100 Jahren die Fußgängerbrücke, die den Hauptzugang zum Zoo darstellt, rekonstruiert worden. Ein Jahr lang war die um die vorletzte Jahrhundertwende in Ostpreußen gebaute Brücke gründlich restauriert worden. Die Hauptbrücke, die das Parkflüsschen überquert, wurde 2012 als einsturzgefährdet eingestuft, und im Sommer 2014 wurde sie für Restaurierungsarbeiten gesperrt.

Die Sanierung der 36 Meter langen Brücke hat umgerechnet rund 250000 Euro gekostet. Obwohl der Tiergarten von der Stadt Königsberg verwaltet wird, wurde ein Großteil der Mittel, etwa 180000 Euro, aus dem Gebietshaushalt beigesteuert. Nur den Rest hat die Stadt finanziert.

Die Brücke musste von Grund auf saniert werden: Es wurde die Umzäunung ersetzt, die Abhänge zum Wasser mussten befestigt werden, die Ziegelstützen der Brücke wurden neu aufgemauert, das umliegende Gelände erhielt eine neue Bepflanzung und die Beleuchtung wurde komplett erneuert. Jetzt ist die Brücke auch nachts beleuchtet, so dass man sie auch außerhalb des Zoos von der benachbarten Brücke in der Nähe des ehemaligen Stadtbauinstituts sehen kann.

Die Zooleitung hofft, dass auch zwei weitere Brücken erneuert werden können; eine Fußgängerbrücke von 11,5 Metern Länge, die sich im Inneren des Zoos befindet sowie eine befahrbare Brücke von sechs Metern Länge, die von den Versorgungsfahrzeugen genutzt wird. Zu diesem Thema hat sich Gouverneur Nikolaj Zukanow bereits geäußert: „Die Rekonstruktion der Fußgängerbrücke ist die erste Etappe, die Brücken im Zoo in Ordnung zu bringen. Im laufenden Jahr werden Rekonstruktionsarbeiten an zwei weiteren Brücken beginnen. Sie werden im gleichen Stil gestaltet sein.“

Im Zoo erwartet man mit Ungeduld die Rekonstruktion des Wasserbeckens für Robben und des Löwenhauses. Die Kostenübernahme erhofft man sich vom staatlichen Ministerium für Kultur. Die Kosten werden erheblich sein.. Die Gebietsregierung versicherte, sie habe alle notwendigen Dokumente bereits eingereicht und alles Notwendige veranlasst.

Die Pläne für den Bau des Robben-Bassins sind bereits fertig. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 5,3 Millionen Euro: zirka 3,3 Millionen für das Bassin und knapp zwei Millionen für das Löwenhaus.

Im kommenden Jahr wird der Königsberger Tiergarten sein 120-jähriges Jubiläum feiern. Bis dahin wird sich im Zoo noch vieles ändern und erneuert werden. Es bleibt zu hoffen, dass er sein Jubiläum würdig feiern kann.

Jurij Tschernyschew


MELDUNGEN

Frauenburg wird verschönert

Frauenburg – Touristen können diesen Sommer den modernisierten Markplatz im Zentrum von Frauenburg bewundern. Der Platz wird mit Granit-Pflaster belegt. Grundlage für die Platzgestaltung wird das Sonnensystem mit Bänken auf der Stelle der Planeten, sein. Das stellt eine Verbindung zu dem einst in der Stadt wohnenden Nikolaus Copernicus her. Es werden eine neue Beleuchtung und ein kostenloser Internet-Zugang installiert. Die Revitalisierung des Marktplatzes und des Copernicus-Kanals wird vier Millionen Zloty kosten. Der Zuschuss des Marschallamtes der Woiwodschaft in Allenstein beträgt gut zwei Millionen Zloty . PAZ

 

Illegaler Holzeinschlag

Königsberg – Im Wyschtyter Naturpark an der Ostgrenze des Königsberger Gebietes ist es zu einem illegalen Holzeinschlag gekommen. Dies hat die örtliche Umwelt-schutzorganisation „Grüne Front“ festgestellt und zur Anzeige gebracht. In dem ökologisch wertvollen Gebiet ist jede Holzgewinnung grundsätzlich verboten. T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. 7: Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle; Osterode – Hohenstein [Olsztynek], Baustelle; Berghof [Tatary] – Candien [Kanigowo], Baustelle; Palicken [Pawliki] – Powiersen [Powierz], Baustelle; Powiersen – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 16: Groß Herzogswalde [Laseczno] Fußgängerzonenbau; Wyssocken [Wysokie] – Rutki, Baustelle; Kulessen [Kulesze] – Skomentnen [Skometno], Baustelle. Straße Nr. 16d: Lyck [Ełk], Umgehungsstraße, Baustelle. Straße Nr. 51: Bartenstein [Bartoszyce], Baustelle; Heilsberg [Lidzbark Warminski], Olsztynskastraße, Baustelle; Spiegelberg [Sprecowo] – Diwitten [Dywity], Baustelle; Allenstein [Olsztyn] – Pagelshof [Ameryka], Baustelle. Straße Nr. 53: Kösnick [Kosno] – Scheufelsdorf [Tylkowo], Randstreifenarbeiten. Straße Nr. 57: Groß Schiemanen [Szymany], Baustelle. Straße Nr. 58: Gut Eichental [Kaliszki] – Bialla [Biała Piska] – Staatsgrenze, Baustelle; Hohenstein – Gimmendorf [Zgniłocha], Baustelle. Straße Nr. 59: Salza [Zalec], Randstreifenarbeiten; Moythienen [Mojtyny] – Altkelbunken [Stare Kiełbonki], Baustelle, Wymiary – Friedrichshof [Rozogi], Baustelle. Straße Nr. 59a: Aweyden [Nawiady] – Moythienen [Mojtyny], Baustelle. Straße Nr. 63: Angerburg [Wegorzewo], Zamkowastraße, Baustelle. Straße Nr. 65: Treuburg [Olecko], Umgehungsstraße, Baustelle; Lyck [Ełk] – Prostken [Prostki], Baustelle; Bogusze – Staatsgrenze, Baustelle. E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

wieder müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass ein vielen Lesern vertrauter Name in unserer Kolumne zukünftig nicht mehr erscheinen wird, denn nun ist auch Frau Frieda Lukner aus Orlando, Florida, von uns gegangen. Ihre Töchter haben uns mitgeteilt, dass ihre Mutter am ersten Junisonntag nach kurzer schwerer Krankheit verstorben sei. Sie wurde 96 Jahre alt und hat auch im hohen Alter nie ihre geliebte Heimat vergessen. Ihre Heimatstadt Labiau durfte nur kurz in unserer Zeitung erwähnt werden, dann sprang schon bei ihr der Funke über und sie musste ihre Erinnerungen mit einbringen. Und die betrafen nicht nur glückliche Kindertage an der Deime in der Geborgenheit von Familie und Elternhaus, sondern auch die schweren Jahre nach missglückter Flucht unter der Russenherrschaft, das Leid der Vertreibung und die nie versiegte Liebe zur Heimat, von der viele Beiträge zeugten. Frieda Lukner hat unsere Ostpreußische Familie jahrzehntelang begleitet und dazu beigetragen, dass Wünsche und Fragen unserer Leser behandelt und oft auch erfüllt werden konnten. Sie hatte wirklich ihre Kindheit in die Tasche gesteckt und sie mitgenommen auf die große Reise, die sie in die Neue Welt führte. Und sie war auch dann, als sie die 90 weit überschritten hatte, immer noch für eine ungetrübte Erinnerung gut, wobei sie auch zu anderen Lösungen beitrug.

Unvergessen bleibt da die Geschichte von dem „Katholischen Unterrichts- und Erbauungsbuch“, das sie im Jahr 1999 irgendwo in Florida entdeckt hatte und das wohl von einer Einwandererfamilie aus Süddeutschland hinterlassen wurde. Obgleich dieser noch aus deren badischer Heimat stammende Fund nun nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Ostpreußen zu tun hatte, bat sie uns, nach in Deutschland lebenden Angehörigen der Familie zu suchen, was anhand der in dem alten Buch eingetragenen Namen auch erfolgte. Die Schwierigkeit lag darin, dass unser Ostpreußenblatt bei der badischen Verwandtschaft der Ausgewanderten mit Sicherheit unbekannt war. Nein, von denen wurde es nicht gelesen, aber von ostpreußischen Landsleuten, die nach Flucht und Vertreibung in der Gegend wohnten, und durch deren Bemühungen tatsächlich Angehörige der in dem Buch verzeichneten Namen im Raum Konstanz gefunden wurden. Die waren natürlich sehr erstaunt und beglückt über den Fund, der nach etwa 150 Jahren wieder in sein Ursprungsland zurückkehrte. Das war eine hübsche Geschichte, die ein gutes Echo auch in der dortigen Presse fand – und bei uns noch nach fast einem Jahrzehnt Wellen schlug, als sich im Februar 2008 ein Interessent für den Fund meldete, der für eine Familie Handloser Ahnenforschung betrieb – dieser Name stand auch in dem Gebetsbuch. Wir haben die Angelegenheit nicht weiter verfolgt, aber eventuell hat Frau Lukner mit dem gefundenen Erbauungsbuch auch zu einer Familienfindung in Deutschland beigetragen. Mag diese außergewöhnliche Geschichte hier zur Erinnerung an die tatkräftige Ostpreußin stehen, deren Töchter Doris Jesse und Kathy Macho mit ihren Familien in Liebe und Dankbarkeit von Frieda Lukner Abschied genommen haben. Ihnen gilt unsere Anteilnahme, denn wir können verstehen, was sie mit ihrem Tod verloren haben.

Was wäre unsere Ostpreußische Familie wohl ohne unsere treuen Mitdenker, die nun schon zum „alten Stamm“ gehören und immer wieder für Anregungen und Lösungen sorgen. Einer von ihnen ist unser Königsberger Landsmann Werner Mai aus Maisach, der uns heute freudig berichten kann, dass er aktiv an einer Glockenweihe teilgenommen hat, die uns Ostpreußen erfreuen wird. Es handelt sich um die große Glocke aus Kiwitten, die heute im Glockenstuhl in Oberschleißheim hängt – wieder hängt, denn sie wurde 2007 bei einem dreisten Glockendiebstahl entwendet. Sie kehrte zwar wieder zurück, war aber so beschädigt, dass sie nicht geläutet werden konnte. In einer Glockenklinik wurde sie „geheilt“ und kam an ihren alten Platz zurück, der allerdings nicht ihr angestammter ist, denn der befindet sich im Turm der Kirche von Kiwitten. Werner Mai hatte auf einer Ostpreußenreise im Jahr 1989 Kiwitten besucht, und es gelang ihm auch, die Erlaubnis für eine Turmbesteigung zu bekommen. Dort hat er noch drei kleine Glocken gefunden – die große Glocke befand sich ja mit drei kleineren Glocken in Oberschleißheim, sie war zum Glück nicht eingeschmolzen worden und konnte geläutet werden, was auch bis zum Diebstahl geschah. Jahrelang war sie verstummt – bis Werner Mai sie nun zum Schwingen brachte, denn er durfte am 8. Mai die große Glocke nach deren Weihe durch den Geistlichen Werner Ambrosy einläuten. Es war eine eindrucksvolle Feier mit vielen Gästen, auf der Rolf Rossius, Erster Vorsitzender der Ost- und Westpreußenstiftung in in Oberschleißheim, die wechselvolle Geschichte der großen Glocke von Kiwitten eingehend behandelte. Die Freude, dass ihr Geläut nun wieder ertönt, klingt aus den Worten von Werner May, denn es sind ja für ihn heimatliche Klänge.

Die von Frau Sigrid Matthée-Kohl aus Rohrbach gestellte Frage nach dem Standort des Hotels Breslauer Hof – Gumbinnen oder Pillkallen? – wurde ja nach der Veröffentlichung in Folge 17 umgehend geklärt, das stellt auch unser Leser Gerhard Lithaus aus Berlin fest. Und belegt die Lösung – Pillkallen! – mit jeder Menge Beweise in Form von Ansichtskarten, mit denen man die Entwicklung des Ende des 20. Jahrhunderts erbauten Hotels bis in die letzte Zeit verfolgen kann. Es ist schade, dass ich diese Ansichten hier nicht wie einen bunten Bilderbogen aufblättern kann, aber eine Kostprobe bringen wir doch, nämlich die Ansicht aus dem Jahr 1937 – nicht von, sondern aus dem Breslauer Hof auf den Pillkaller Marktplatz. Sie lässt schon die für ostpreußische Landstädte typische Weite des Platzes erahnen, die dann auf einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1935 in ihrer Großflächigkeit sichtbar wird. Die älteste Aufnahme, gestempelt 20. Juli 1899, weist das Hotel noch als Deutsches Haus aus, schon da ist der Vorbau zu erkennen. Die nächste Stufe war dann Loeffkes Hotel, wie aus einer Aufnahme aus dem Jahr 1907 hervorgeht. Und hier klärt sich auch die von Frau Sigrid Matthée-Kohl gestellte Frage nach einem angeblich zweiten Pillkaller Hotel, mit dem der Name Loeffkes Hotel in Verbindung gebracht wurde. Herr Lithaus vermerkt, dass ihm ein zweites Hotel unbekannt sei und, wie seine Ansichtskarten beweisen, gab es auch keines, es war immer das „Erste Haus am Platz“, das schließlich zum Breslauer Hof wurde, wie Ansichten aus den frühen 20er Jahren beweisen. Ich danke Herrn Leithaus sehr für diese sorgfältig zusammengestellte Präsentation, der er sogar noch Kopien von fünf Königsberger Ansichten als Zugabe beifügt – „margriesch“ für mich, denn sie wurden alle in meinem Geburtsjahr 1916 geschrieben. Gerhard Leithaus meint dazu: „Ansichtskarten aus der Heimat bringen auch nach fast 100 Jahren längst durch Kriegseinwirkung zerstörte Bauwerke in Erinnerung und zeigen uns Vertriebenen mehr Wissenswertes als manches Geschichtsbuch.“ Und gewähren durch ihre Beschriftung Einblick in die Freuden und Sorgen unserer Voreltern. Die sie mitteilungswert fanden – oder finden mussten wie ein Kartengruß aus einem Königsberger Lazarett beweist. Da quält sich der Gefreite Franz Neumann gerade mal zwei Zeilen an eine junge Dame in Friedland ab, der er ohne Anrede mitteilt: „Deinen Brief erhalten, dafür meinen besten Dank. Mit mir ist es noch immer dasselbe.“

Eure Ruth Geede


Viel mehr als nur ein Who is Who
Nach 80 Jahren Erstausgabe einer verschwunden geglaubten Goldstein-Biografie

In unserem Bericht über die Entdeckung der ersten Liebe unserer ostpreußischen Dichterin Frieda Jung, den wir in Folge 24 brachten, hatte ich angekündigt, dass wir mehr über die Memoiren des Königsberger Publizisten und Kunsthistorikers Ludwig Goldstein bringen würden, denen wir die Aufzeichnungen entnommen hatten. Das will ich nun tun, obgleich das nicht leicht ist, denn das von seiner Großnichte Monika Boes herausgegebene Buch ist 626 Seiten stark. Wohlgemerkt: Textseiten, denn es ist kaum illustriert! Es wurde als Manuskript gedruckt, das der Autor in den 30er Jahren in der von dem damaligen Regime erzwungenen Isolation verfasst hatte. So ist es erklärlich, dass er seine Erinnerungen an das reiche Kulturleben Königsbergs im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, an dem er selber einen regen Anteil hatte, so unglaublich lebendig und facettenreich schildern konnte, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand geben möchte. Wir wollen es heute vorstellen und berichten, wie es überhaupt zu einer Drucklegung kam, denn auch das ist eine außergewöhnliche Geschichte. Und es zeigt, was nachfolgende Generationen nach Jahr und Tag bewirken können, wenn sie sich um das verschollen geglaubte geistige Erbe ihrer Vorfahren unbeirrt bemühen. Was Monika Boes bewegte, die Lebenserinnerungen ihres Großonkels als Buch „Heimatgebunden – Aus dem Leben eines alten Königsbergers“ herauszubringen, schildert sie selber in einem Vorwort. Ehe wir aber auf dieses eingehen, bringen wir für unsere Leser, denen der Name des Autors nichts oder wenig besagen will, eine Kurzbiografie des Verfassers:

Dr. Ludwig Goldstein (1867–1943), Journalist und Kunsthistoriker, wurde als Sohn des jüdischen Schneidermeisters Bernhard Goldstein und dessen Ehefrau Elisabeth geborene Goldmann, in Königberg geboren. Er studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Indologie an der Albertus-Universität, 1896 erfolgte die Promotion zum Dr. phil. Drei Jahre später begann mit der Mitarbeit an der bekannten Königsberger „Hartungschen Zeitung“ seine publizistische Laufbahn. 1906 übernahm er die Leitung des Feuilletons, die er 1933 aufgeben musste. Zu einer herausragenden Persönlichkeit im ostpreußischen Kulturschaffen wurde er als Vorsitzender des von ihm 1901 mit gegründeten Königsberger Goethe-Bundes. Jahrzehntelang förderte er junge Künstler und schaffte gleichzeitig für Kulturinteressierte einen öffentlichen Zugang zu Kunst und Literatur. 1933 wurde er als Halbjude von dem neuen Regime seiner zahlreichen Ämter enthoben und zog sich verbittert zurück. 1936 begann er mit der Niederschrift seiner Lebensgeschichte, die er auch trotz schwerer Erkrankung vollenden konnte, ehe er am 12. Juli 1943 verstarb.

Diese Aufzeichnungen beschäftigten nun lange Jahrzehnte später seine Großnichte Monika Boes, weil ihr Vater immer wieder darauf zu sprechen kam. Die 1938 in Königsberg Geborene hatte ihren Großonkel auf den in Rauschen stattfindenden Familienfesten persönlich nie erlebt – warum er nicht teilnehmen durfte, hat sie erst später durch das Lesen seiner Lebensgeschichte erfahren. Monika Boes schreibt in ihrem Vorwort: „Mein Vater, ein Neffe von Onkel Lou, meinte, dass es sehr schade sei, dass ich das Manuskript wohl nie mehr lesen könne, da es in Königsberg verbrannt sei. Dieser Satz meines Vaters kam mir schlagartig in den Sinn beim Aufsuchen der Stätten meiner Kindheit in meiner Heimatstadt im Jahr 2008. Meine Erkundigungen in der dortigen Stadtbibliothek erweckten in mir den Willen, nach dem vielleicht doch noch vorhandenen Lebenswerk meines Großonkels zu suchen. Findig wurde ich im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Durch meine wachsende Neugier und Begeisterung beim Lesen des schon vergilbten Manuskripts entstand bei mir die freudige innere Verpflichtung, dieses umfangreiche, kulturhistorisch wertvolle Werk meines Großonkels als Ganzes zu veröffentlichen. Ein weiterer wichtiger Impuls für meine Entscheidung war das Nachwort seiner langjährigen Mitarbeiterin Meta Zilian. Es ist ihr zu verdanken, dass heute überhaupt ein Exemplar im Geheimen Staatsarchiv in Berlin einsehbar ist, allerdings ohne das verloren gegangene, im Originalmanuskript enthaltene Bildmaterial.“

Hierzu schreibt Meta Zilian in ihrem Nachwort: „Ich bin meinem Geschick dankbar, das es mir ermöglichte, durch alle Gefahren des damaligen Systems – zweimal drohte mir eine Hausdurchsuchung – wenigstens ein Exemplar dieser wertvollen Erinnerungen zu retten, die ich, seine Helferin durch 28 Jahre, für ihn in den letzten Jahren seines bitteren Lebensausgangs zu Papier bringen durfte. Zwar ist das Hauptexemplar, das mit einer Unmasse wertvollsten Bildmaterials ausgestattet und der Königsberger Staats- und Universitätsbibliothek zur Aufbewahrung übergeben wurde, durch die geschichtlichen Ereignisse verloren gegangen, verloren wie alle jene Arbeiten des Verstorbenen, die ich nach seinem Willen als sein literarischer Testamentsvollstrecker an Staats- und Stadtbibliothek, Prussiamuseum und Universität verteilte. Denn diese Institutionen sind ja mehr oder weniger Opfer der Bombenangriffe geworden. So zeuge denn dieses umfangreiche Werk von der rastlosen Tätigkeit, der hingebenden Heimatliebe, von der grenzenlosen Güte und dem so weit greifenden Wissen des Verewigten.“

So haben zwei Frauen, seine langjährige Mitarbeiterin Meta Zilian und seine Großnichte Monika Boes, dazu beigetragen, dass das Lebenswerk des Dr. Ludwig Goldstein erhalten blieb und nun einer interessierten Leserschaft zur Verfügung steht. Für unsere dokumentarische Arbeit erschließt sich eine kaum auslotbare Informationsquelle. Allein das Namensregister ist ein Who is Who im Königsberger Kulturleben jener Jahre, es erfasst rund 900 Namen, von Johanna Ambrosius bis Carl Zuck­mayer. Mit vielen Schauspielern, Sängern, Literaten und bildenden Künstlern hatte Dr. Goldstein anregende Begegnungen, die sich im Laufe der Jahre festigten. Das Buch lässt in jeder der behandelten Episoden die Liebe des Autors zum Wort spüren, es ist ein Genuss, diese akribisch geschilderten Erinnerungen zu lesen – nur benötigt man dazu schon einige Zeit. Aber die sollte man sich nehmen, wenn man ein bis in den letzten Winkel ausgeleuchtetes Spiegelbild des ostpreußischen Kulturlebens jener Jahrzehnte erfassen will. Eines aber ist gewiss: Als Ludwig Goldsein in seiner erzwungenen Isolation sein Lebenswerk schrieb, ahnte er nicht, dass er damit zum untrüglichen Chronisten einer durch Bomben und Beschuss vernichteten Stadt und eines verlassenen Landes, das er so geliebt hat, werden würde.

(Ludwig Goldstein: „Heimatgebunden – Aus dem Leben eines alten Königsbergers“, Nora Verlagsgemeinschaft Berlin, 626 Seiten, broschiert, 29 Euro) R.G.


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 98. GEBURTSTAG

Ihle, Maria-Charlotte, geb. Helmcke, aus Dreimühlen, Kreis Lyck, am 29. Juni

Saager, Lore, geb. Drengwitz, aus Lyck, Bismarckstraße 16, am 1. Juli

ZUM 97. GEBURTSTAG

Cudnochowski, Anna, geb. Reinert, aus Großdorf, Kreis Johannisburg, am 3. Juli

ZUM 95. GEBURTSTAG

Dittmar, Heinz, früher Dibowski, aus Neidenburg, am 2. Juli

Gietz, Ursula, geb. Krafzik, aus Lötzen, am 30. Juni

Gottschalk, Margarete, geb. Sudau, aus Gutsfelde, Kreis Elchniederung, am 28. Juni

Plettner, Felicitas, geb. Wiesemann, aus Grüneberg, Kreis Elchniederung, am 3. Juli

Rasokat, Otto, aus Königshuld, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. Juli

ZUM 94. GEBURTSTAG

Dombrowski, Erna, geb. Paetz, aus Bergenau, Kreis Treuburg, am 29. Juni

Droske, Werner, aus Montzen, Kreis Lyck, am 27. Juni

Haas, Ursula, geb. Patschke, aus Pobethen, Kreis Samland, am 27. Juni

ZUM 93. GEBURTSTAG

Anger, Else, geb. Lyssewski, aus Sieden, Kreis Lyck, am 2. Juli

Bartsch, Dora, geb. May, aus Rudau, Kreis Samland, am 2. Juli

Clausen, Elise, geb. Joswig, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 3. Juli

Kiesewalter, Frieda, geb. Borowski, aus Auglitten, Kreis Lyck, am 28. Juni

Klein, Erwin, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Linnemann, Erna, geb. Hochmuth, aus Wehlau, am 3. Juli

Ossowski, Anneliese, geb. Lingk, aus Glinken, Kreis Lyck, am 29. Juni

Weidmann, Ursula, geb. Smaka, aus Metgethen, Kreis Samland, am 27. Juni

Zozmann, Martha, geb. Bern, aus Waiblingen, Kreis Lyck, am 30. Juni

ZUM 92. GEBURTSTAG

Beyer, Edith, geb. Gampert, aus Lötzen, am 1. Juli

Bittner, Hildegard, geb. Skrodzki, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 30. Juni

Flogerzi, Gerda, geb. Steckel, aus Kahlau, Kreis Mohrungen, am 27. Juni

Gehrau, Edith, geb. Timm, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 29. Juni

Genoch, Waltraut, geb. Kompa, aus Maldanen, Kreis Ortelsburg, am 1. Juli

Karnehl, Margarethe, geb. Apsel, aus Quilitten, Kreis Heiligenbeil, am 3. Juli

Neumann, Willy, aus Lank, Kreis Heiligenbeil, am 3. Juli

Raulin, Emma, geb. Schneider, aus Hansbruch, Kreis Lyck, am 30. Juni

Richter, Dr. Brigitte, geb. Loertzer, aus Lyck, Hindenburgstraße 3/4, am 3. Juli

Sander, Hildegard, geb. Jeromin, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 1. Juli

Schummer, Traute, geb. Lamshöft, aus Grunau, Kreis Heiligenbeil, am 29. Juli

Sczepan, Gerhard, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 29. Juni

Suchodolski, Luise, geb. Serra, aus Alt Werder, Kreis Ortelsburg, am 2. Juli

Viebrock, Waltraut, geb. Fingel, aus Rodental, Kreis Lötzen, am 27. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bandilla, Otto, aus Milussen, Kreis Lyck, am 2. Juli

Bessel, Werner, aus Zohpen, Kreis Wehlau, am 3. Juni

Ebel, Hildegard, geb. Boseniuk, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 3. Juli

Hähne, Brunhilde, geb. Ziehe, aus Tutschen, Kreis Ebenrode, am 27. Juni

Haentjes, Margarete, geb. Nilson, aus Groß Allendorf, Kreis Wehlau, am 30. Juni

Heyduck, Karl, aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, am 30. Juni

Hofemann, Lieselotte, geb. Rundmann, aus Baitenberg, Kreis Lyck, am 27. Juni

Krüger, Anneliese, aus Lyck, am 3. Juli

Mangold, Emmi, geb. Kowalski, aus Klein Schläfken, Kreis Neidenburg, am 1. Juli

Marzian, Johanna, geb. Matzat, aus Masuren, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Pyko, Karl, aus Plöwken, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Zahn, Hildegard, geb. Nilenski, aus Kutzburg, Kreis Ortelsburg, am 3. Juli

Zarske, Frieda, geb. Zielke, aus Rockeimswalde, Kreis Wehlau, am 27. Juni

ZUM 90. GEBURTSTAG

Barnieck, Hildegard, geb. Schmidt, aus Lyck, Lycker Garten 61, am 30 Juni

Biskupek, Ingeborg, geb. Till, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 1. Juli

Figur, Waltraut, geb. Sawitzki, aus Littfinken, Kreis Neidenburg, am 28. Juni

Gottuck, Liesbeth, geb. Jerosch, aus Lyck, am 29. Juni

Kertscher, Irmgard, geb. Czybulla, aus Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg, am 30. Juni

Lange, Frieda, geb. Puschinski, aus Neu Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 27. Juni

Leidwanger, Erna, geb. Kurapkat, aus Seekampen, Kreis Ebenrode, am 27. Juni

Litschke, Ruth, geb. Becker, aus Tawe, Kreis Elchniederung, am 27. Juni

Schneidereit, Herbert, aus Wartenhöfen, Kreis Elchniederung, am 30. Juni

Stepputt, Werner, aus Lindental, Kreis Elchniederung, am 28. Juni

Tomkowitz, Elfriede, geb. Samotia, aus Birkenwalde, Kreis Lyck, am 27. Juni

Truffner, Ursula, geb. Eckert, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 3. Juli

ZUM 85. GEBURTSTAG

Balsam, Gertraud, geb. Thomzik, aus Bottau, Kreis Ortelsburg, am 1. Juli

Bednarzik, Hans, aus Moschnen, Kreis Treuburg, am 2. Juli

Bleck, Erika, geb. Kraft, aus Kalkhofen, Kreis Lyck, am 27. Juni

Bohrke, Hans, aus Ebenrode, am 28. Juni

Bruns, Gertrud, geb. Schlicker, aus Peterswalde, Kreis Elchniederung, am 28. Juni

Budzinski, Ruth, aus Eichensee, Kreis Lyck, am 28. Juni

Busch-Skwarra, Hildegard, geb. Skwarra, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 27. Juni

Danger, Herta, geb. Bundt, aus Gerhardsheim, Kreis Elchniederung, am 29. Juni

Dreßler, Gertrud, geb. Grünheit, aus Eichen, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Gottschling, Hubert, aus Trankwitz, Kreis Samland, am 1. Juli

Jesgars, Klaus-Jürgen, aus Birkenwalde, Kreis Lyck, am 2. Juli

Jung, Kurt, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Klein, Gerhard, aus Tannwalde, Kreis Königsberg, am 3. Juli

Kück, Gerda, geb. Treidel, aus Köthen, Kreis Wehlau, am 28. Juni

Kuhn, Magdalena, geb. Kuhn, aus Moterau, Kreis Wehlau, am 27. Juni

Lange, Vera, geb. Willuweit, aus Schulzenwiese, Kreis Elchniederung, am 29. Juni

Laskowski, Walter, aus Reiffenrode, Kreis Lyck, am 28. Juni

Löwedey, Siegfried, aus Groß Rödersdorf, Kreis Heiligenbeil, am 15. Juni

Mairose, Elfriede, geb. Mantwill, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 28. Juni

Mischel, Erwin, aus Bieskobnicken, Kreis Samland, am 29. Juni

Müller, Gertrud, geb. Kompa, aus Wilhelmsthal, Kreis Ortelsburg, am 1. Juli

Reihs, Gerhard, aus Güldenboden, Kreis Elbing, am 30. Juni

Sawitzki, Gerhard, aus Goldensee, Kreis Lötzen, am 30. Juni

Scheel, Irmgard, geb. Schepput, aus Streulage, Kreis Elchniederung, am 1. Juli

Schlüter, Helga, geb. Oberpichler, aus Wabbeln, Kreis Ebenrode, am 27. Juni

Schulte, Herta, geb. Wagner, aus Gilkendorf, Kreis Elchniederung, am 27. Juni

Surek, Bruno, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 3. Juli

Wawrzinski, Heinz, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 3. Juli

Wegner, Irmgard, geb. Chrzanowski, aus Fylitz, Kreis Neidenburg, am 29. Juni

Weissenberg, Franz, aus Schanzenort, Kreis Ebenrode, am 28. Juni

ZUM 80. GEBURTSTAG

Benischowski, Gertrud, geb. Klein, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 27. Juni

Bielski, Werner, aus Reuß, Kreis Treuburg, am 30.Juni

Bödder, Günter, aus Groß Michelau, Kreis Wehlau, am 30. Juni

Brauer, Herbert, aus Dorntal, Kreis Lyck, am 29. Juni

Broszio, Hans-Werner, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 27. Juni

Buchholz, Gerda, geb. Becker, aus Fuchshagen, Kreis Ebenrode, am 2. Juli

Buttler, Anita, geb. Stemke, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Dietrich, Horst, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 27. Juni

Dworak, Horst, aus Waiselhöhe, Kreis Neidenburg, am 2. Juli

Eggert, Martha, geb. Dartsch, aus Schönrade, Kreis Wehlau, am 27. Juni

Grabowski, Guenter-Ernst, aus Großschläfken, Kreis Neidenburg, am 27. Juni

Gutzeit, Erich, aus Kompehnen, Kreis Samland, am 27. Juni

Kohnert, Erich, aus Kleinwarschen, Kreis Elchniederung, am 27. Juni

Kroese, Anneliese, geb. Littek, aus Theerwisch, Kreis Ortelsburg, am 28. Juni

Krüger, Horst, aus Klimmen, Kreis Ebenrode, am 1. Juli

Maul, Luise, geb. Kreutzer, aus Schwengels, Kreis Heiligenbeil, am 3. Juli

Meyer, Günter, aus Bolken, Kreis Treuburg, am 1. Juli

Meyer, Wilhelm, aus Hassel, am 30. Juni

Milewski, Kurt, aus Vierbrücken, Kreis Lyck, am 2. Juli

Schittig, Werner, aus Königsberg-Prappeln, Dorfstraße, am 14. Juni

Schlisio, Hanfried, aus Klein Engelau, Kreis Wehlau, am 30. Juni

Waldow, Irmgard, geb. Plewka, aus Hügelwalde, Kreis Ortelsburg, am 30. Juni

Wulf, Adalbert, aus Petersgrund, Kreis Lyck, am 2. Juli

Zipris, Siegfried, aus Bergwalde, Kreis Lötzen, am 27. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Ahrens, Peter, aus Groß Keylau, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Dzubiella, Eckard, aus Kutzen, Kreis Treuburg, am 30. Juni

Franz, Waltraud, aus Baringen, Kreis Ebenrode, am 29. Juni

Kaden, Erika, geb. Meyer, aus Seedranken, Kreis Treuburg, am 1. Juli

Kaiser, Anneliese, geb. Schimkat, aus Altschanzenkrug, Kreis Elchniederung, am 2. Juli

Kretschmar, Luzie, geb. Genz, aus Tölteninken, Kreis Wehlau, am 1. Juli

Maye, Gretel, geb. Schlisio, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 29. Juni

Molzahn, Gisela, geb. Laukandt, aus Angertal, Kreis Angerburg, am 5. Juli

Pfeiffer, Alfred, aus Preußenwall, Kreis Ebenrode, am 30. Juni

Schadwinkel, Heinz, aus Poppen-dorf, Kreis Wehlau, am 27. Juni

Schönwald, Helmut, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 29. Juni

Schreiber, Kriemhild, geb. Kastaun, aus Seedranken, Kreis Treuburg, am 3. Juli

Schröder, Lothar, aus Wolittnick, Kreis Heiligenbeil, am 28. Juni

Siebert, Lothar, aus Groß Schirrau, Kreis Wehlau, am 3. Juli

vom Stein, Hannelore, aus Klenzkau, Kreis Neidenburg, am 30. Juni

Diamantene Hochzeit

Gutowski, Herbert, und Ehefrau Anneliese, geb. Heinecke, aus Mingfen, Kreis Ortelsburg, am 29. Juni


S. 16 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Stefan Hein, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Schloss Burg – Sonntag, 5. Juli: Der BJO beteiligt sich am Kleinen Ostpreußen- und Schlesiertreffen auf Schloss Burg an der Wupper. Beginn der Veranstaltung: 10 Uhr, Kundgebung: 14 Uhr. Weitere Informationen: www.ostpreussen-nrw.de. Dort links auf den Button „Ostpreußentreffen“ klicken.

Breslau – 26. September: In der niederschlesischen Stadt Breslau findet dieses Jahr das Kulturfestival der deutschen Minderheit in der Jahrhunderthalle statt. Dieses gibt es nur alle drei Jahre und ist durchaus etwas Besonderes.

Die Stadtfahrt dient dazu, sich gemeinsam einen Eindruck von der Veranstaltung zu verschaffen, und bietet Gelegenheit, die schöne Stadt zu erkunden, und das natürlich nicht nur am Tage. Die Teilnehmer treffen sich in Breslau am Abend des 24. Septembers und reisen am 27. September wieder ab. Der Altersschwerpunkt der Stadtfahrt liegt zwischen 16 und 35 Jahren. Die Einladung mit weiteren Einzelheiten findet sich auf www.junge-ostpreussen.de.

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Sonnabend, 27. Juni, 10 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat: Kulturtagung der LM Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Deutsch-Balten, Weichsel-Warthe. Unter dem Motto „Die alte Heimat an der Ostsee und im Nordosten Europas und die neue Heimat im Südwesten Deutschlands“ stellen sich am Vormittag die Landsmannschaften vor. Nach dem Mittagessen hält Wolfgang Freyberg, Direktor des Ostpreußischen Kulturzentrums im Deutschordensschloß Ellingen, einen Vortrag zum Thema „Die Geschichte des Deutschen Ordens von der Gründung bis zur Gegenwart“. Die Veranstaltung klingt mit „kleinen literarischen Kostbarkeiten“ aus. Musikalisch umrahmt wird der Tag von Ralph Demski aus Pforzheim. Wir bitten um zahlreichen Besuch. Gäste sind herzlich eingeladen.

Frauengruppe – Dienstag, 30. Juni, 14.30 Uhr, Kleiner Saal, Haus der Heimat: Uta Lüttich gestaltet mit der Frauengruppe den Heimatnachmittag zum Thema „Bedeutende ostpreußische Persönlichkeiten“, die in diesem Jahr einen Gedenktag haben. Die Mitglieder der Kreisgruppen und Gäste sind herzlich eingeladen.

Göppingen – Jeweils am ersten Mittwoch im Monat trifft sich um 14 Uhr im Lokal Glashaus, Vordere Karlstraße 41, 73033 Göppingen die Kreisfrauengruppe zu ihren Kulturnachmittagen. Ansprechpartner ist Vera Pallas, Telefon (07162) 5870.

Heidelberg – Sonntag, 5. Juli, 15 Uhr, Hotel Leonardo, Bergheimerstraße 63: Gemeinsames Treffen mit der Landesvorsitzenden Uta Lüttich. Zum 150. Geburtstag von Frieda Jung hält sie einen Vortrag über die Dichterin, die am 4. Juni 1865 in Kiaulkehmen im Kreis Gumbinnen geboren wurde. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

Schwäbisch Hall – Mittwoch, 1. Juli, 14.30 Uhr, Hotel Sölch, Hauffstraße 14, Schwäbisch Hall: Die Kreisgruppe der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen sowie Pommern e.V. bietet den Beitrag „Der Erste Weltkrieg in Ostpreußen“ bereits am Heimatnachmittag am Mittwoch, den 1. Juli an. Am 3. Oktober fährt die Kreisgruppe zur Hengstparade in das Haupt- und Landgestüt nach Marbach. Interessierte melden sich bitte bei Elfi Dominik, Telefon (0791) 72553, an. Bereits am 26. Mai erlebten Mitglieder und Freunde einen herrlichen Ausflug ins Neckartal. Höhepunkte waren die Schifffahrt auf dem Main bei Miltenberg und die Besichtigung des Elfenbeinmuseums in der Residenzstadt Erbach im Odenwald.

Ulm / Neu Ulm – Sonntag, 12. Juli, 18 Uhr, Donauschwäbisches Zentralmuseum: Südostdeutscher Volkstumsabend mit einer Musikgruppe, Tanz und dem Seniora Chor Ulm.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Landshut – Dienstag, 7. Juli, 14 Uhr, Minigolf-Platz Mittenwöhr: Gemeinsames Treffen.

München – Freitag, 10 Juli. 14 Uhr, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, 81669 München: Treffen der Frauengruppe.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Landesgruppe – Sonnabend, 18. Juli, 14 Uhr, Traditionshaus „Lackemann“, Litzowstieg 8, 22041 Hamburg (Parkplatz Quarree, Parkhaus P2): Sommerfest 2015: Zum buntem Programm gehören Lesungen, kleine Geschichten zum Schmunzeln sowie ein Filmvortrag „65 Jahre Landesgruppe Hamburg“. Nach der gemeinsamen Kaffee- und Kuchentafel wird Herr Dziobaka die Festgemeinschaft mit seinem LAB-Chor fröhlich einstimmen.

Das Traditionshaus „Lackemann“ ist sehr gut zu erreichen mit der U1 und Bussen. Vom U1- und Busbahnhof Wandsbek-Markt sind es nur wenige Gehminuten. Wenn Sie von der Wandsbeker Marktstraße den Durchgang „Hinterm Stern“ zwischen Quarree und Hotel Tiefenthal durchgegangen sind, sehen Sie es bereits. Weitere Auskunfte erteilt Organisator Siegfried Grawitter, Telefon (040) 205784.

KREISGRUPPEN

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

 

HESSEN

Vorsitzender: Eberhard Traum, Wächtersbacherstraße 33, 63636 Brachtal, Telefon (06053) 708612.

Wetzlar – Sonnabend, 11. Juli, 13 Uhr, Treffpunkt ist das Schützenhaus am Bobenhöllerwald in Nauborn: Grillfest. Kontakt: Kuno Kutz, Telefon (06441) 770559. Am 11. August wird es einen Tagesausflug nach Bad Nauheim geben mit Besuch der Rosenstadt Steinfurth.

Wiesbaden – Sonnabend, 27. Juni, 15 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat, Friedrichstraße 35, Wiesbaden: Monatstreffen. Zu sehen ist ein Film über Königin Luise, eine Frau, die Spuren in der Geschichte hinterließ und oftmals als die populärste Frau der preußischen Geschichte und als herausragende Persönlichkeit der Hohenzollerndynastie bezeichnet wird. – Donnerstag, 9. Juli, 12 Uhr, Haus Waldlust, Ostpreußenstraße 46, Wiesbaden-Rambach: Stammtisch. Wegen der Platzdisposition bitte unbedingt anmelden bis spätestens Freitag, 3. Juli, bei Irmgard Steffen, Telefon (0611) 844938, ESWE-Busverbindung: Linie 16, Haltestelle Ostpreußenstraße

 

MECKLENBURG-VORPOMMERN

Vorsitzender: Manfred F. Schukat, Hirtenstraße 7 a, 17389 Anklam, Telefon (03971) 245688.

Parchim – An jedem dritten Donnerstag, 14.30 Uhr, Café Würfel, Scharnhorststraße 2: Treffen der Kreisgruppe. Gemütlicher Nachmittag, um über Erinnerungen zu sprechen, zu singen und zu lachen. Weitere Informationen: Charlotte Meyer, Kleine Kemenadenstraße 4, 19370 Parchim, Telefon (03871) 213545

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Göttingen – Die Landsmannschaft Ostpreußen – Gruppe Göttingen – e.V. trauert um ihr langjähriges Mitglied Manfred Näth, der am 2. Mai im Alter von 75 Jahren verstarb, Manfred Näth hat sich durch seine kenntnisreiche Mitarbeit im Vorstand um die Gruppe verdient gemacht. Wir werden sein Andenken in Ehren halten. Unser Mitgefühl gehört seiner Frau Erna und seinen Angehörigen. Werner Erdmann. 1. Vorsitzender

Helmstedt – Jeder zweite Donnerstag im Monat, 15 Uhr Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Gemeinsames Treffen. Die nächsten Termine: 9, Juli, 13. August, 10. September

Osnabrück – Dienstag, 30. Juni, 16.30 Uhr, Hotel „Ibis“, Blumenhaller Weg 152: Kegeln.

Rinteln – Donnerstag, 9. Juli, 15 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße, 42, 31737 Rinteln: Bei diesem Monatstreffen wird Dr. Hans-Walter Butschke aus Lemgo anläßlich des 200. Geburtstages von Otto von Bismarck einen Vortrag zum Thema „Bismarcks Entlassung – Ursachen und Wirkungen“ halten. Angehörige und Freunde sowie interessierte Gäste aus Nah und Fern sind ebenfalls herzlich willkommen. Auskünfte und Informationen zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat, Telefon (05751) 5386 oder: rebuschat@web.de

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorff-Saal, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Chorprobe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft „Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland“ unter Leitung von Radostina Hristova.

Neuss – Donnerstag, 2. Juli, 15 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube, Oberstraße 17: Tag der offenen Tür mit Kaffee und Kuchen.

Siegen – Die Frauengruppe der Ost- und Westpreußen trifft sich an jedem dritten Dienstag im Monat um 14 Uhr im barrierefreien Café Patmos in Siegen-Geisweid in der Sohlbacher Straße.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16: Kartenspielen. – Jeder vierte Dienstag im Monat, 15 Uhr, Mundus Residenz, Große Bleiche 44: Heimatliche Gesprächsrunde. – Donnerstag, 21. Juni, 13.30 Uhr, Haupteingang des Hauptbahnhofes: Fahrt mit dem Zug nach Bad Münster am Stein/Ebernburg. Besuch des Weingutes Rapp.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

BdV Kreisverband Leipzig – Zum Bericht von Hannelore Kedzierski aus dem Ostpreußenblatt Nr. 23 vom 6. Juni 2015 möchte ich gerne noch einige ergänzende Zeilen hinzufügen. Auch vom BdV Kreisverband Leipzig war eine Gruppe zu den Feierlichkeiten anlässlich der Einweihung der Gedenktafel für die Wolfskinder im Altvaterturm angereist, mit dabei das „Wolfskind“ Ingrid Laue.

Ingrid Laue wurde 1935 in Königsberg geboren. Der Vater war bereits gefallen, die Mutter mit drei Kindern alleine, als sie beim Einmarsch der russischen Truppen verhaftet und verschleppt wurde. Die Kinder kamen in ein Lager. 1946 floh Ingrid mit 13 Kindern aus dem Lager, sie schlugen sich nach Litauen durch. Dort löste sich die Gruppe auf und Ingrid blieb allein zurück. Mit 10 Jahren irrte sie bettelnd und schmutzig durch Litauen, schlief in Scheunen oder im Wald, bis eine mitleidige Bäuerin sie auflas. Dort konnte sie nicht bleiben, kam in ein Kinderheim und endlich zu einer Familie für die Betreuung der Kinder. Ingrid musste die Schule besuchen und die litauische Sprache lernen, sie wurde eine Litauerin. Als sie erwachsen war, fand sie einen netten Mann und gründete eine Familie. Mit ganz viel Glück erfuhr sie 1962, dass ihre Mutter lebte und in der Bundesrepublik gelandet war.

Das Wiedersehen nach 16 Jahren kann man kaum beschreiben. Von ihrem Schicksal berichtet Ingrid Laue auch bei der Veranstaltung im Altvaterturm mit sehr viel Herzklopfen und bebender Stimme. Die Kinder einer 5. Schulklasse, von der Lehrerin sehr gut vorbereitet, konnten es kaum erwarten, Ingrid Laue viele Fragen zu stellen. Nicht nur für alle Teilnehmer war diese Veranstaltung ein bewegendes Erlebnis, für unser „Wolfskind“ Ingrid Laue war auch ein Gefühl der Dankbarkeit dabei, dass nach so vielen Jahren ihr und ihren Schick-salsgefährten mit der Einweihung der Tafel ein würdiges Denkmal gesetzt wurde. Zu ihrer litauischen Familie“ hat Ingrid Laue immer noch ein gutes und liebevolles Verhältnis und war schon oft dort zu Besuch. Inge Scharrer

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle, Telefon privat (0345) 2080680.

Dessau – Montag, 13. Juli.

14 Uhr, Seniorenfreizeitstätte Krötenhof, Wasserstraße 50: Sommerfest

Magdeburg – Dienstag, 30. Juni, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Bad 0ldesloe – Thema des Nachmittags im Juni war Matthias Claudius (15. August 1740 geboren im holsteinischen Reinfeld, verstorben am 21. Januar 1815 in Wandsbek). Gisela Brauer ging in ihren Ausführungen auf die Lebens- und Berufsdaten ein und sprach über sein Wirken als Dichter und Re-dakteur. In „Tändeleien und Erzählungen“ gab er seine ersten Arbeiten heraus. Als Redakteur des „Wandsbeker Boten“ konnte er später seine Arbeiten veröffentlichen. Für diese Zeitung konnte er auch weitere Dichterpersönlichkeiten gewinnen: Goethe, Lessing, Klopstock, Herder und Gleim. Dabei wurden auch Erinnerungen an frühere Schulstunden geweckt. Außerdem wurde über den gelungenen Jahresausflug gesprochen, den Georg Baltrusch organisiert hatte. Am Pfingstsonntag ging es bei herrlichem Sommerwetter mit der „Nils Holgersson“ auf der spiegelglatten Ostsee nach Rostock. Dabei konnten sich die Gäste an einem reichhaltigen Büffet stärken. Neue Omnibusse waren auf dem Schiff dabei, die die Reisenden nach Warnemünde brachten. Nach einem interessanten Aufenthalt dort ging es mit den Bussen zurück. In den anschließenden Gesprächen ging es um Erlebnisse bei Kriegsende mit der Roten Armee in der Heimat und in Mitteldeutschland und mit der Besetzung im Westen Deutschlands.

Gisela Brauer

Neumünster – Mittwoch, 8. Juli, 15 Uhr, Restaurant am Kantplatz: Gemeinsames Treffen mit dem Thema „Ostpreußische Sprachkultur – so schabberten wir to Hus!“ – Ein typisch ostpreußischer Nachmittag. Gäste sind willkommen!

Pinneberg – Sonnabend, 28. Juni, 15 Uhr: Sommerfreuden, Lieder und Gereimtes. Anmeldungen bis spätestens vier Tage vorher, Telefon (04101) 62667.

 

THÜRINGEN

Vors.: Edeltraut Dietel, August-Bebel-Straße 8 b, 07980 Berga an der Elster, Tel. (036623) 25265.

Schmalkalden – Donnerstag, 2. Juli, 14 Uhr, Klub der Volkssolidarität: Heimatnachmittag der Kreisgruppe „I. Kant“.


S. 17-18 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

ANGERBURG

Kreisvertreter: Kurt-Werner Sadowski. Kreisgemeinschaft Angerburg e.V., Landkreis Rotenburg (Wümme), Postfach 1440, 27344 Rotenburg (Wümme), Landkreis: Telefon (04261) 9833100, Fax (04261) 9833101.

Eine kleine Frau mit großem Engagement wird 80 Jahre: Am 6. Juli wurde Herta Andrulonis in Schwenten/Ogonken vor 80 Jahren geboren, wo sie bis heute lebt. In diesem Jahr kann sie auf ein arbeitsreiches Leben zurückblicken, denn sie ist nicht im „Ruhestand“, was man bei einem gewissen Alter glauben möchte. Mit dem Fall der innerdeutschen Mauer veränderte sich auch das Leben der in der Heimat Verblienenden. Mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft Mauersee in Angerburg [Wegorzewo] vor zwanzig Jahren war an „Ruhestand“ nicht zu denken. Als Vorsitzende leitete sie die ganzen Jahre über die Geschicke des Vereins bis zu dem heutigen Tag. Zu ihren Aufgaben gehört sowohl der bürokratische Teil als auch das gerechte Verteilen von Hilfsgütern, das Organisieren von Festen des Vereins und vieles mehr.

Nicht zu vergessen die Sozialstation in Angerburg, in deren Verwaltung sie in den letzten Jahren verstärkt eingebunden wurde. Hier können sich alle Hilfsbedürftigen hinwenden. So wurde sie im Laufe der Jahre Ansprechpartnerin für die in der Heimat Lebenden und die, die ihre Heimat wieder besuchen. Mit ihrem Einsatz und ihrem Engagement hat Herta Andrulonis in unserem Heimatkreis mit zur Völkerverständigung beigetragen. Und so wurde ihr für ihre Verdienste am 15. September 2001 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wegorzewo verliehen. Nur vier Bürgern zuvor wurde nach 1945 diese Ehre zuteil.

Mit dem „Silbernen Ehrenzeichen“ wurde sie von der Landsmannschaft Ostpreußen für ihren unermüdlichen Einsatz ausgezeichnet.

Für das neue Lebensjahrzehnt wünschen die Angerburger Herta Andrulonis viel Glück und vor allen Dingen Gesundheit und Kraft. Liebe Herta, herzlichen Glück-wünsch zum 80. Geburtstag.

Susanne Hagen

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Der Journalist und ehemalige Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Karl Feldmeyer (76) über eine Ostpreußen-Reise mit der Kreisgemeinschaft Elchniederung im Juni:

Ostpreußen ist ein Land der Sehnsucht – nicht nur für Ostpreußen, sondern für viele Deutsche anderer Herkunft bis heute geblieben. Das Land der dunklen Wälder und kristallenen Seen – was ist daraus geworden in den 70 Jahren seit der Vertreibung? In seinen südlichen Teil zu reisen ist ebenso problemlos wie ins einstige Memelland. Schengen sei Dank

Aufwendiger ist es, die Oblast Kaliningrad, das Land zwischen Litauen und Polen, zu besuchen. Es ist das Verdienst der Kreisgemeinschaft, insbesondere das ihres Mitglieds Dieter Wenskat, Reisen anzubieten, die nicht nur punktuelle Eindrücke vermitteln, sondern ein Bild des Landes insgesamt. Das galt auch für die Fahrt vom 1. bis 9. Juni. Zwei von neun Tagen der Reise waren verständlicherweise der Elchniederung vorbehalten. Sie war schon zu deutscher Zeit besonders dünn besiedelt und wegen des Tieres berühmt, dessen Namen sie trägt: dem Elch. Kaiser Wilhelm II. jagte hier ebenso wie nach ihm der Reichsjägermeister Göring. Das Jagdschloss Pait benutzten beide. Es hat die Zeitläufte überdauert, wenn auch nicht unversehrt. Als dies nach dem Ende der Sowjetunion möglich wurde, kümmerte sich der Berliner Jäger und Naturfreund, Jürgen Leiste, um seine Wiederherstellung. Inzwischen ist er weitergewandert, nach Lauknen, ein winziges Dorf im Großen Moosbruch, wo er sich um den Naturschutz verdient macht.

Die Fahrt von Tilsit zum Moosbruch führt durch Dörfer wie Heinrichswalde, Groß Friedrichsdorf und Gerhardswalde. Der Weg durch das flache Land, wo nur der Horizont den Blick begrenzt, geht durch unbestellte ehemalige Felder, die versteppt und mit herrlich blühenden Weißdornbüschen geschmückt sind. Bestelltes Land kommt vor, ist aber selten. Deprimierend ist der Anblick der Dörfer. Relativ wenige Plattenbauten zwischen alten Häusern aus deutscher Zeit. Beide haben eines gemein: den Zerfall. Dazwischen stehen auch Häuser in guten Zustand. Sie machen die Tristesse der übrigen nur noch deutlicher sichtbar.

Am deprimierendsten ist der Zustand der meisten Dorfkirchen, darunter mehrere, die der Schinkel-Schüler Stüler gebaut hat. Eingestürzte Dächer öffnen den Blick in den Himmel. Die Dörfer sind einfach zu groß. In ihnen gibt es keine Arbeit und folglich nur wenige meist alte Menschen, die als Selbstversorger ihr Dasein fristen. Etwas besser sehen Landstädte wie Labiau und die größeren wie Tilsit aus. Gumbinnen, heute Gusev, ist die große Ausnahme. Hier hat ein tüchtiger Bürgermeister vorgemacht, wie gut auch die übrigen Landstädte aussehen könnten – wenn die Gelder dorthin flössen, wohin sie sollten.

Dieter Wenskats Reisekonzept ermöglicht es, einen Überblick über das Land zu gewinnen, weil es flexibel ist. Von unserem Hotel in Tilsit fahren wir über Insterburg, das Gestüt Georgenburg (ein ehemaliges Vorwerk von Trakehnen, das in alter Pracht neu erstanden ist) über Gumbinnen und Stallupönen nach Trakehnen (das dabei ist renoviert zu werden. Das Landmeisterhaus ist schon renoviert und der Tempelhüter wieder am Ort). Weiter gehts bis in die Rominter Heide, nach Nassawen bis zum Wystiter See. Ein unvergleichlich herrlicher Blick über den See und die dunklen Wälder an seinen Ufern begeistern.

In krassestem Gegensatz zum Verfall des übrigen Landes präsentiert sich das Samland mit seinen beiden wichtigsten Städten, Königsberg und Pillau sowie den Ostseebädern Cranz, Rauschen und Palmnicken, wo nach wie vor Bernstein gefördert wird. Vom einstigen Zentrum Königsbergs ist wenig mehr als der wiedererrichtete Dom geblieben. Weite Teile des alten Königsberg sind noch vorhanden. Die Gegend um den Zoo zum Beispiel, aber auch Viertel wie Maraunenhof, Amalienhof und Metgethen sind wieder das, was sie damals auch schon waren: ziemlich gepflegte Villenviertel.

Manchmal nimmt die Geschichte ironische Züge an, so auch hier. Dort wo die Sowjets das Stadtschloss gesprengt und abgeräumt haben, steht seit gut 20 Jahren ein Torso. Offiziell heißt er „Haus der Räte“, die Königsberger nennen ihn nur das „Monstrum“. Zehngeschossig steht er da als Ruine, unbewohnt, mit leeren Fensterhöhlen. Mangels Stabilität ist der Bau unbewohnbar und soll demnächst abgerissen werden. Und was soll an seine Stelle kommen? – Man mag es kaum glauben: Ein Neubau von Teilen des einstigen Stadtschlosses ist nicht nur im Gespräch, sondern konkret in der Planung. Die Baupläne, so wird erzählt, liegen vor.

Zieht man nach neun Tagesreisen eine Bilanz, so bleibt festzuhalten: Das Land befindet sich in schneller Wandlung, dessen Ergebnisse noch nicht absehbar ist. Was für Russland am Königsberger Gebiet wertvoll ist, fällt sofort ins Auge: Das Samland mit Königsberg, Pillau und den Seebädern. Von der gut eine Million Menschen, die im Gebiet leben, wohnen 600000 bis 800000 allein in Königsberg.

Hier wird Geld verdient und investiert, die Häuser sind weitgehend in gutem Zustand und moderne Neubauten entstehen – so wie bei uns auch. Unklar ist, was aus dem übrigen Land werden soll, wo weder investiert noch verdient wird, wo die Bevölkerung wegzieht und fast nur Alte bleiben, die als Selbstversorger ohne ein relevantes Einkommen dahinvegetieren. Was macht man mit einem Land, das man nicht braucht, in dem sich die aus Russland, der Ukraine und anderen Teilen der einstigen Sowjetunion zusammengewürfelte Bevölkerung fremd fühlt und „nach Hause“ möchte? Einerseits irritiert viele die territoriale Trennung von Russland, andererseits sind vor allem die Jüngeren mit ihren Interessen nach Westen orientiert, auch weil Berlin nur 600, Moskau aber 1200 Kilometer entfernt ist.

Noch etwas verdient Beachtung: Bevölkerung und Obrigkeit haben die deutsche Vergangenheit des Landes neu entdeckt und ihre Verdrängung beendet. In Tilsit stehen mitten auf dem Leninplatz ein Wegweiser mit Straßenschildern in deutscher Sprache; im Hotel Rossija empfangen uns im Treppenhaus die bekannten Portrait-Gemälde von Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III, im Stadtpark ist das Luisen-Denkmal neu errichtet und die Königin-Luise-Brücke überbrückt die Memel so selbstverständlich wie eh und je. Auch andernorts erinnert man sich offenkundig aus eigenem Antrieb der deutschen Vergangenheit. Dem entspricht ihr Umgang mit den Gästen. Sie sind nicht nur freundlich und hilfsbereit. In Cranz zeigen sie uns ihre Schulen, die neu erbauten und mit Elektronik phantastisch ausgestattete ebenso wie ihre Musikschule, wo uns die Kinder mit deutschen Liedern begrüßen. Auch Landrat und Bürgermeister haben Zeit für uns. Fast könnte man glauben, unsere Kriege hätten nie stattgefunden. Haben sie aber doch. Mental aber scheinen sie überwunden – und dieser Eindruck ist der beste der ganzen Reise.

 

LÖTZEN

Kreisvertreter: Dieter Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg. Geschäftsstelle: Ute Eichler, Bilenbarg 69, 22397 Hamburg, Telefon (040) 6083003, Fax: (040) 60890478, E-Mail: KGL.Archiv@gmx.de

Die Idee hatte der Stadtführer Horst Budelmann: Als ihn eine größere Gruppe ehemaliger Absolventen der Textilfachschule Neumünster anlässlich eines Treffens engagierte und einen besonderen Stadtrundgang wünschte, schlug er einen informativen Rundgang durch die Böcklersiedlung vor.

Er ist der Auffassung, dass die Böcklersiedlung, die in den 50er Jahren errichtet wurde, um die damals vor allem unter Flüchtlingen und Vertriebenen herrschende Wohnungsnot zu lindern, bereits ein Stück Geschichte der Stadt Neumünster ist. Und genauso ist das Lötzener Archiv und Heimatmuseum im sechsten Jahrzehnt seines Bestehens ein Bestandteil der Nachkriegsgeschichte der Stadt Neumünster.

Es bot sich an, den Stadtteilrundgang im Ausstellungsraum der Kreisgemeinschaft Lötzen enden zu lassen. Die Betreuerin von Kreisarchiv und Heimatmuseum, Ute Eichler, hatte einen Kurzvortrag vorbereitet, in dem sie anhand ausgewählter Exponate deutlich machte, welche Besonderheiten die ständige Ausstellung zur Kultur und Geschichte des Kreises Lötzen aufweist. Mit kurzen Beispielgeschichten als „Augenöffner“ versuchte sie zu verdeutlichen, welche „Schätze“ das Archiv beinhaltet.

Eine Kurzinformation gab sie zum Zustandekommen der aktuellen Sonderausstellung „Die Kurische Nehrung mit Maleraugen gesehen“, die ebenfalls auf großes Interesse stieß. Einer der 30 Gäste brachte es am Ende auf den Punkt: „Ihr Vortrag war spannender als jeder Tatort!“ – Für nicht wenige Teilnehmer dieser besonderen Stadterkundung war das Lötzener Museum eine Entdeckung und Überraschung. Sie verabschiedeten sich mit: „Hier kommen wir unbedingt wieder her!“ – Das Lötzener Museum würde die Zusammenarbeit mit dem Stadtführer Budelmann gern fortsetzen.

Pressearbeit zahlt sich aus! Beständigkeit ist auch erforderlich, um Monat für Monat die Lokalzeitungen der zentralen Region Schleswig-Holsteins, in der die Patenstadt Neumünster liegt, mit aktuellen Informationen und rechtzeitig mit den Veranstaltungshinweisen zu versorgen. Aber nur so gelingt es, immer wieder neue Besucher in das Lötzener Museum zu locken, Menschen für Sonderausstellungen und Veranstaltungsangebote zu interessieren und den Beweis anzutreten: Es gibt sie noch – aktive (alte) Ostpreußen.

Die Kunstausstellung „Die Kurische Nehrung mit Maleraugen gesehen“ hat sich inzwischen zu einem Besuchermagnet entwickelt. Am vergangenen Sonnabend kamen nicht wenige Besucher mit Interesse an Kunst allgemein, aber auch mit Vorwissen über die Maler der Künstlerkolonie Nidden und ihre Werke. Andere nutzten das Betrachten der hier seit Ende März gezeigten Gemälde und Aquarelle, um Reiseerinnerungen aufzufrischen oder – in mehreren Fällen – auf diese Weise eine Art Reisevorbereitung zu treffen für ganz konkrete Vorhaben in diesem Jahr. In einem Fall hatte ein Ehepaar die im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald gezeigte Ausstellung „Zwei Männer – ein Meer“ (Pechstein und Schmidt-Rottluff an der Ostsee), die dort bis einschließlich 28. Juni zu sehen ist, besucht und wollte jetzt die in Neumünster im Lötzener Museum ausgestellten Werke als Ergänzung und zusätzliche Bereicherung betrachten.

Auf erfreuliches Besucherinteresse stieß ebenfalls der angekündigte Vortrag „Die Kurische Nehrung – eine besondere Landschaft im Spiegel von Reiseführern und literarischen Texten“, den die Betreuerin des Lötzener Archivs und Heimatmuseums, Ute Eichler, mit großem Aufwand an Literaturrecherche vorbereitet hatte. Die Zuhörer konnten im Anschluss an den Vortrag in einer Fülle von ausgelegten Büchern zum Thema Kurische Nehrung blättern und eine vierseitige Literaturliste mit nach Hause nehmen.

In einer Woche gut 80 Besucher im Lötzener Museum – Verantwortliche eines professionell geführten Museums mögen über solch eine Besucherzahl lächeln. Für eine ostpreußische Heimatsammlung jedoch bedeutet eine solche Besucherzahl den Beweis der Lebendigkeit und auch, dass der eingeschlagene Weg ein richtiger ist.

Sonnabend, 18. Juli. 10 bis 16 Uhr, Lötzener Heimatmuseum: „Bücher aus 100 Jahren“ – Ein Verkaufsangebot von Sachbüchern und Belletristik. Der Erlös kommt der Museumsarbeit zugute. Letzter Tag der Ausstellung „Die Kurische Nehrung mit Maleraugen“!

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Eva Lüders, Telefon/Fax (04342) 5335, Kührenerstraße 1 b, 24211 Preetz, E-Mail: Eva.lueders@arcor.de.

Im Pfingstheft 2015 des Heimat-briefes „Land an der Memel“ ist die Einladung der Patenstadt Plön und die Anmeldung zum diesjäh-rigen Schillener Patenschaftstreffen vom 12. bis 13. September veröffentlicht. Anmeldetermin ist der 31. Juli.

Inzwischen haben mehrfach Landsleute mitgeteilt, dass sie bei der Nutzung des Anmeldeformu-lars Probleme haben. Deshalb hat der Kirchspielvertreter von Schillen das Anmeldeformular aus dem Heft abgescannt und ausgedruckt. Es wurde bereits an alle Teilnehmer versandt, die sich beim letzten Patenschaftstreffen am 2. Juni 2013 in die Anwesenheitsliste eingetragen haben. Bei Bedarf kann das Anmeldeformular bei Walter Klink angefordert werden. Vom 19. bis 29. Juni hat er jedoch eine Fahrt nach Ost-preußen geplant.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Fast ein Jahrzehnt lang trafen sich jährlich in der ersten Augustwoche die „Neustädtischen“ in der „ Alten Fuhrmannsschänke“ in der Lüneburger Heide. Natürlich wurde die Gruppe immer kleiner, aber Tradition und Heimatverbundenheit machten diese Treffen zu einer „Pflichtveranstaltung“ für unsere mittlerweile „verschworene Gemeinschaft“. Erstmals haben wir in diesem Jahr die Situation, dass durch gesundheitsbedingte Einschränkungen und dem Tod unserer Uschi Abicht – einer „Aktivistin der ersten Stunde“ – das Jahrestreffen in der „Fuhrmannsschänke“ in der ersten Augustwoche ausfallen muss. Unser Treffen wird aber nur verschoben!

Wir verbinden unser Schultreffen mit dem traditionellen Treffen der drei Nachbarkreise „Stadt Tilsit“, „Tilsit-Ragnit“ und „Elchniederung“ am 11. und 12. September in Bad Nenndorf. Alle erforderlichen Organisationsfragen sind im letzten Rundbrief aufgeschrieben. Am Freitag, 11. September sollte spätestens die Anreise erfolgen, wenn möglich im Hotel „Deutsches Haus“, in dem Erwin Feige logiert. Ab 19 Uhr treffen sich offiziell die „Neustädtischen“ in diesem Hotel im Rahmen der „Tilsiter Runde“ an reservierter Tafel. Am Sonnabend nehmen wir dann gemeinsam am zentralen „Drei-Kreise-Treffen“ im Hotel „Esplanade“ teil, auch hier sitzen wir an einem Tisch. Bis dahin zufriedene Gesundheit, Auf Wiedersehen in Bad Nenndorf!

Erwin Feige, Schulsprecher und Vorstandsmitglied


Tolle Kulisse, gute Stimmung
In Sensburg: Das große Sommerfest des Dachverbandes Ostpreußen

Über 1000 Teilnehmer versammelten sich zum diesjährigen Sommerfest am 20. Juni im Amphitheater in Sensburg. Vor eindrucksvoller Kulisse direkt am Schloßsee begann die Veranstaltung traditionell mit einem Ökumenischen Gottesdienst. Heinrich Hoch begrüßte als Vorsitzender des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren alle Gäste und nahm die Grußworte entgegen. Neben der Bürgermeisterin von Sensburg, Otolia Siemieniec, sprachen auch der LO-Sprecher Stephan Grigat, die Bevollmächtigte des Woiwoden für die nationalen Minderheiten, Joanna Wanskowska-Sobiesiak, und der Landrat des Kreises Sensburg, Antoni Karas.

Trotz wechselhaften Wetters sorgte ein kurzweiliges Programm für gute Stimmung. Die Chöre und Tanzgruppen der deutschen Minderheit zeigten mitreißend, wie lebendig und jung die heimatlichen Tänze und Lieder auch heute noch erklingen können. Zu sehen waren unter anderem die Tanzgruppe „Saga“ aus Bartenstein, der Chor „Masurenklang“ aus Peitschendorf, Monika Krzenzek aus Ortelsburg, und – zum ersten mal dabei – die Kindertanzgruppe „Rastenburger Schlümpfe“. Eine besondere Ehre wurde der Vorsitzenden des deutschen Vereins in Angerburg zuteil: Herta Andrulonis (siehe auch Seite 17) erhielt das Goldene Ehrenzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen. Edyta Gladkowska

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe der PAZ den ausführlichen Bericht über das große Sommerfest.


Stolz und selbstbewusst ...
... kann die deutsche Volksgruppe sein, erklärte Stephan Grigat

Zu den Rednern auf dem Sommerfest in Sensburg zählte auch Stephan Grigat, der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen. Hier ist seine Rede im Wortlaut:

Meine Damen und Herren,

liebe Ostpreußen und Freunde Ostpreußens!

Ich überbringe Ihnen die Grüße und guten Wünsche der Landsmannschaft Ostpreußen und der ihr angehörenden 200000 Ostpreußen, gebürtige Ostpreußen und deren Nachkommen sowie auf andere Weise mit Ostpreußen verbundener Menschen.

Ich freue mich darüber, dass Sie der Einladung des Dachverbandes der Deutschen Gesellschaften im südlichen Ostpreußen nach Sensburg so zahlreich gefolgt sind und damit ein Bekenntnis zur Deutschen Minderheit und zu Ostpreußen ablegen

Heute wird in Deutschland zum ersten Mal der Gedenktag für die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung begangen. Die deutsche Bundesregierung hat bewusst bestimmt, diesen Tag am bisher schon bestehenden Weltflüchtlingstag zu begehen.

An diesem heutigen „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ wird der weltweiten Opfer von Flucht und Vertreibung und insbesondere der deutschen Vertriebenen gedacht. Damit wird das Vertreibungsgeschehen in Deutschland am Ende des letzten Krieges in eine Reihe mit allen anderen Vertreibungen in der Welt – gestern und heute – gestellt.

Ich hatte die Wahl, diesen besonderen Tag bei einem Empfang des Bundespräsidenten in Berlin oder hier beim Ostpreußischen Sommerfest in Sensburg zu verbringen. Ich habe mich für Ostpreußen entschieden.

Ich habe mich so entschieden, weil Sie es verdienen, dass die besondere Bedeutung der Deutschen Volksgruppe in Ostpreußen und Ihr Schicksal hervorgehoben wird. Auch Sie sind von Flucht und Vertreibung betroffen, selbst oder durch Familienangehörige.

Viele von Ihnen oder Ihren Eltern und Großeltern sind auch auf die Flucht gegangen, die dann aus vielerlei Gründen nicht geklappt hat. Sie mussten hier bleiben und Ihr Leben in Ostpreußen leben.

Sie haben Ihr Leben in Ihrer zunächst zerstörten Heimat gemeistert und mussten erleben, dass die Heimat zunehmend fremder wurde und es den zurückgebliebenen Deutschen oftmals schwer gemacht wurde. Auch Sie sind in gewisser Weise Vertriebene, Vertriebene im eigenen Land. Aber Ihr Hierbleiben hat jedenfalls im Nachhinein etwas von einem Privileg: Denn man könnte statt „Sie mussten hierbleiben!“ auch sagen „Sie durften hierbleiben!“

Sie hatten die Chance, Ostpreußen weiter zu tragen und es immerhin etwas am Leben zu erhalten. Denn Sie erhalten dem Land durch Ihre ostpreußisch gefärbte Sprache, Ihre Erinnerungen und Ihren Erfahrungsschatz, durch Ihre gelebten Bräuche seine ostpreußische Seele und bereichern dadurch auch die ostpreußische Gegenwart!

Sie haben ihre Chance genutzt! Dafür brauchen Sie sich nicht zu schämen, und Sie brauchen sich nicht zu verstecken. Jeder von Ihnen kann stolz sein auf seine Überlebensleistung, auf die Bewahrung seiner Identität und seine Verwurzelung in unserer ostpreußischen Heimat.

Die deutsche Volksgruppe als ganzes kann stolz sein auf das Erreichte und selbstbewusst ihren Platz in der modernen Gesellschaft dieses Landes einnehmen. Ich wünsche Ihnen für heute und die Zukunft alles Gute, viel Kraft und Energie, Erfolg und Frieden.

Die Landsmannschaft Ostpreußen wird stets an Ihrer Seite stehen. Ostpreußen lebt!


S. 19 Heimatarbeit

Gedruckte Smartphones
In Ellingen: Eine spannende Ausstellung über den Buchduck

Stürmisch und mit Nachdruck eroberte der Buchdruck im 15. Jahrhundert die Medienwelt. „Fortschritt! Frisch gepresst“ – heißt daher auch der Titel einer Wanderausstellung, die sich der damaligen Leserevolution mit vielen Exponaten widmet und ab sofort im Kulturzentrum Ostpreußen im bayerischen Ordensschloss Ellingen zu sehen ist.

Konzipiert wurde sie im Mainzer Gutenberg-Museum. Kostbare Handschriften, seltene frühe Drucke und andere Exponate aus seinen reichhaltigen Beständen hat es für die Ausstellung zusammengestellt. Sie dokumentieren den spannenden Umbruch zwischen der Zeit, als Bücher nur durch mühsames Abschreiben vervielfältigt werden konnten, und jener bahnbrechenden Neuerung, die es ermöglichte, sie ihn nahezu unbegrenzter Zahl zu produzieren.

Die moderne Drucktechnik mit beweglichen Lettern veränderte nicht nur die Herstellung von Büchern, sondern auch das Leseverhalten der Menschen. Neue Arbeitsplätze entstanden vor allem für Drucker, Redakteure, Autoren und Übersetzer. Sie verdrängten die klassischen Schreiber und Buchmaler, die zuvor den Markt beherrschten. Die neue Generation bewirkte einen rapiden Anstieg des Informationsflusses, durch den mittels der Wissenschaftssprache Latein die Ansichten und Erkenntnisse der Forschung europaweit publiziert werden konnten. Seefahrer, Reformatoren und Mediziner profitierten von dem breiten Wissens- und Informationsaustausch ebenso wie Papst und Kaiser. Der Buchdruck ließ das Leben keines Menschen unberührt.

Die moderne Form der Ausstellungspräsentation unterstreicht den fortschrittlichen Aspekt der Erfindung und veranschaulicht ihn den Besuchern des 21. Jahrhunderts. Denn so nostalgisch ihre feine Druck- und Illustrationskunst auch anmuten mag, zu ihrer Zeit waren Inkunabeln, also die allerersten gedruckten Bücher, so modern wie heute das hochentwickeltste Smartphone.

Die Ausstellung kann bis zum 13. September im zweiten Obergeschoss des Kulturzentrums Ostpreußen, Schloßstraße 9, 91792 Ellingen, besichtigt werden. Öffnungszeiten: Täglich, außer montags, von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr. Weitere Informationen: Telefon (09141) 86440. Internet: www.kulturzentrum-ostpreussen.de PAZ


Einzigartige Sanmmlung
Bizarre Gebirgslandschaften, stolze Städte – Schlesienansichten

H istorische Schlesienansichten aus der Graphiksammlung Haselbach zeigt das Museum im Haus Schlesien. Unter dem Titel „Zeit-Reisen“ sind Landschaftsdarstellungen aus unterschiedlichen kunsthistorischen Epochen, überwiegend aus Romantik und Biedermeier, zu sehen. Regional wird dabei fast die gesamte ehemalige preußische Provinz Schlesien abgedeckt.

Die hochwertigen Faksimiles führen in eine faszinierende Welt bizarrer Gebirgslandschaften, stolzer Städte und früher Industriehochburgen. Sie stammen aus einer einzigartigen Sammlung von über 4000 Kupferstichen,

Radierungen, Lithographien, Zeichnungen und Aquarellen, die Albrecht Haselbach (1892–1979), Brauereibesitzer in Namslau, Anfang der 1940er Jahre erworben hatte. Die im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg und im Schlesischen Museum zu Görlitz aufbewahrten Sammlungsbestände wurden im Rahmen einer deutsch-polnischen Kooperation mit dem Herder-Institut in Marburg und dem Architekturmuseum in Breslau vollständig dokumentiert und digital zusammengeführt.

Die daraus hervorgegangene Wanderausstellung des Deutschen Kulturforums östliches Europa ist noch bis zum 9. August im Eichendorffsaal von Haus Schlesien, Dollendorfer Straße 412, 53639 Königswinter, zu sehen. Weitere Informationen: Telefon (02244) 8860. D. Göllner


S. 20 Heimatarbeit

Eine schmackhafte Kombination
Zwölf Frauenporträts tischt uns Helga Tödt in ihrem Buch auf – feingewürzt mit 120 Kochrezepten

Was ist reizvoller: Zwölf schön geschriebene Lebensbilder ostpreußischer Frauen aus der Feder einer sachkundigen Autorin oder 120 ostpreußische Rezepte von großer Vielfalt, vom Aprikosenauflauf bis zum überbackenen Zander? Die Frage bezieht sich auf das ansprechend gestaltete Buch mit dem Titel „Die Kunst Marzipan zu machen – Lebensgeschichten ostpreußischer Frauen und ihre Kochrezepte“, herausgegeben und bearbeitet von Helga Tödt aus Kleinmachnow bei Berlin.

Wie auch immer die persönliche Antwort ausfällt, in jedem Fall bietet der reich bebilderte Band sowohl Lesevergnügen als auch die Vorfreude auf baldiges Nachkochen so mancher Gerichte. Helga Tödt hat jedes der zwölf Portraits „unberühmter“ ostpreußischer Frauen mit acht bis zehn passenden Kochrezepten aus Ostpreußen kombiniert.

Das Konzept ist stimmig und beruht auf der Tatsache, dass die Frauen aus den unteren und mittleren Gesellschaftsschichten einen großen Teil ihres Lebens mit Kochen, Backen und Servieren verbrachten, entweder zur Versorgung der eigenen Angehörigen oder im Dienst einer gutsituierten Familie. Hinzu kamen noch die zeitaufwendige Vorbereitung der Zutaten in der Küche sowie die Vorratshaltung, also die Konservierung von Lebensmitteln, fast das ganze Jahr hindurch.

Die 1946 geborene Autorin ist Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen. Seit 1986 war sie Leiterin der Gesundheitsbehörde im Landkreis Hameln-Pyrmont. Im Bereich der ärztlichen Weiterbildung lehrte sie an mehreren Akademien für öffentliches Gesundheitswesen und Sozialmedizin. Seit ihrer Pensionierung widmet sie sich der Erforschung von Lebensläufen im Kontext der Zeitgeschichte. 2012 erschien ihr Buch über die Elbinger Industriellenfamilie Schichau. Einen familiären Bezug zu Ostpreußen hat Helga Tödt nur über eine Urgroßmutter, die schon 1892 durch Heirat ins Ruhrgebiet kam. Ihr neues, reich bebildertes Werk verdankt seine Entstehung dem Umstand, dass sie gebeten wurde, ein in altdeutscher Schreibschrift beziehungsweise Sütterlinschrift abgefasstes Rezeptbuch aus Ostpreußen zu übersetzen. Die Verfasserin war Maria Röwer, verheiratete Schmidt (1885–1949), eine Stellmachersfrau, die bis zu ihrer Flucht 1944 in Schwentischken im Kreis Stallupönen lebte, gelegen im Norden der Rominter Heide. Die im vorliegenden Buch veröffentlichten Rezepte stammen überwiegend aus ihrer Rezeptsammlung.

Zu Recht kann sich die Autorin darauf berufen, dass die hier repräsentierte ostpreußische Kochkunst auf einem über Generationen hinweg, von 1860 bis um 1930, zusammengetragenen Wissensschatz beruht. Maria Röwer erbte 1905 die Rezeptsammlung ihrer Großmutter und ergänzte sie fortlaufend, wobei sie als versierte Köchin oftmals nur die Zutaten und Mengen in ihrer Kladde notierte. In den älteren Rezepten sind Maßeinheiten wie Stof, Quartier und Lot angegeben. Sie galten, bevor Bismarck 1869 das metrische System in Preußen einführte. Vermutlich blieben aber die Landfrauen danach noch eine gewisse Zeitlang bei den gewohnten Mengen und Begriffen. Helga Tödt hat sämtliche Rezepte überprüft.

„Gegessen wurde, was das Land hergab. Ein eigenes Stück Land, Kleintierhaltung und Vorratswirtschaft waren bittere Notwendigkeit.“ Das stimmt, dennoch trifft die Bemerkung, dass „die Menschen im landwirtschaftlich geprägten Osten Selbstversorger waren“, nur bedingt zu. Helga Tödt schreibt ja selbst, dass die Lage an der Ostsee und die alten Handelswege der Hanse schon im Mittelalter eine privilegierte Versorgungssituation zur Folge hatte. „Auf dem ostpreußischen Speisezettel dominierten deftige Gerichte. Immer wieder begegnet man Rezepten mit Weißkohl und Kartoffeln, eingelegtem Obst und Gemüse in vielfältigen Kombinationen aus süß und sauer. Beim Fleisch stand Schwein und Geflügel im Vordergrund. Das Meer lieferte den Hering, die Seen Süßwasserfische wie Aal, Hecht, Zander, Maränen und Stinte, die gekocht, gebraten oder geräuchert auf den Tisch kamen. Gehaltvolle, sättigende Süßspeisen vervollständigten die Mahlzeit. Bei Familienfesten, Hochzeiten und Gesellschaften wurde in Ostpreußen auf hohem kulinarischem Niveau getafelt. Dann war nichts zu teuer. Das belegen die Speisefolgen.“

Nachdem ihre Neugier einmal geweckt war, begann die Autorin mit der Suche nach „unspektakulären“ Lebensläufen ostpreußischen Frauen. Manches war ihr schon aus früheren Recherchen bekannt und wurde nun unter dem neuen Blickwinkel wieder aufgenommen und ergänzt. Die Lebensgeschichten von Dorothea Sudermann, geborene Raabe (1825–1923), ging aus der Autobiografie ihres Ehemannes, des bekannten ostpreußischen Schriftstellers Hermann Sudermann hervor. Ähnlich ist es bei Luise Harder (1842–1927). Sie wird in den Lebenserinnerungen ihrer Tochter, der Schriftstellerin Agnes Harder, beschrieben.

Andere Porträts entstanden aufgrund von Büchern über ostpreußische Dörfer und Familien (Bertha und Luise Klebba, Emma Schettling und Frieda Scheller). In etlichen Fällen erhielt Helga Tödt bei ihren Nachforschungen Unterstützung von Verwandten der von ihr porträtierten Frauen, darunter neben Bildern auch eigene Familienrezepte. So ist die einfache Hausmannskost (Königsberger Klopse, Gänseschwarzsauer und Grützwurst) durch Rezepte von Amalie Lipka (1895-1984) aus Selbongen im Kreis Sensburg vertreten.

Ganz anders als das im Allgemeinen wenig abwechslungsreiche Hausfrauendasein verlief das Leben von Anna Hinz (1875–1945), die in einfachsten Verhältnissen in einem Dorf nahe Elbing aufwuchs. Ihr beruflicher Aufstieg zur Köchin des Elbinger Industriellenehepaares Ziese und schließlich zur Gesellschafterin von Elisabeth Ziese begann als Küchenmagd auf einem Gutshof. Dort lernte sie gründlich kochen und die feine Küche. „Anna träumte davon, in feinen Häusern den Duft des Reichtums zu schnuppern. Ehrgeizig, wie sie war, eignete sie sich gute Umgangsformen und eine gepflegte Sprechweise an.“ 1905 wurde sie als Köchin im neuen, außerhalb von Elbing gelegenen Landhaus des Ehepaars Ziese eingestellt. Elisabeth Ziese war die Tochter von Ferdinand Schichau, des Gründers der Schichau-Werke (Maschinen- und Lokomotivfabrik, Schiffswerft und Eisengießerei) in Elbing und Danzig, und sie war eine ausgezeichnete Pianistin. „In der Villa Ziese wurde große Gastlichkeit gepflegt. Meist jedoch gab es kleine intime Essen für engere Freunde, bei denen Wissenschaftler, Ingenieure und Künstler zugegen waren und bei denen Köchin Anna Hinz dafür sorgte, dass Schmackhaftes auf den Tisch kam.

Aber gleich ob Anna Hinz oder eine andere der zwölf Porträtierten – Helga Tödt hat allen ein würdiges Denkmal gesetzt.

Dagmar Jestrzemski

Helga Tödt: „Die Kunst Marzipan zu machen – Lebensgeschichten ostpreußischer Frauen und ihre Kochrezepte“, Pro-Business-Verlag, Berlin 2014, broschiert, Paperback, 269 Seiten, 16 Euro


K wie Karline & keifern

2300 Wörter und Redensarten, damit nicht ganz vergessen wird, wie man in Ostpreußen schabbern konnte“, heißt das Büchlein, dass der pensionierte Pfarrer Felix Arndt – heute Oldenburg, früher Gumbinnen – in fleißiger Kleinarbeit zusammengestellt hat. Die PAZ bringt in loser Folge Auszüge. An dieser Stelle geht es weiter mit Teil 29:

K

Kalus, Kalut(te) = Gefängnis (bei Kalus langes „u“)

Kampen = Anschnitt des Brotes oder Bratens

Kanapee = Sofa

kankauksch = mäklig

kapitelfest = sachkundig

Kapotthütchen = beson-ders kleiner Damenhut

karesig = dreist, frech, mutig

kariert = großspurig

Karline = Scheltwort für Mädchen oder Frau

karsch = dreist

karwendig sein = viel Selbstbewusstsein zeigen

kaschätern = freundlich plaudern

Kasel = altes Kleid

Kasewelk = Umschlagtuch, Schultertuch der Bäuerin

Kastriebel = leerer Blechbehälter

katzbalgen = scherzhaft handgreiflich werden

Katzenkopf = hart streifender Stoß am Kopf mit den Knöcheln der Faust

Kausch = Schöpflöffel

Keen = Knie

keifern = heftig schimpfen

Keilchen = kleine Kartoffelklöße mit gebratenen Speckstücken oder: längliche Klöße zum Nudeln der Gänse

keine nich = gar keine

keiweln = hastig gehen, fast laufen, dabei fast stolpern

kelstern, kölstern = hüsteln

kielfrätsch = mäklig


S. 21 Reise

Mal kurz zu den Klassikern geradelt
Per Muskelkraft die Saale entlang − Radweg entlang des Flusses zählt zu einem der schönsten und lehrreichsten im ganzen Lande

Der Saale-Radwanderweg ist ein Traum für bewegungsfreudige Menschen. Von der Quelle bei Zell im Fichtelgebirge bis zur Mündung in die Elbe bei Barby am Rande der Magdeburger Börde folgt er über 427 Kilometer der Saale durch drei Bundesländer: Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Wegen der vielen steilen Höhenunterschiede im 148 Kilometer langen Oberlauf der Saale gilt er als einer der anspruchsvollsten Fluss-Radwege Deutschlands. In Saalfeld jedoch wechselt sein Verlauf von sportlich anspruchsvoll zu familienfreundlich. Ohne die eine oder andere Steigung verläuft natürlich auch das 165 Kilometer lange Herzstück zwischen Saalfeld und Halle nicht. Ein wenig trainiert sollten die Waden schon sein.

Folgt man dem Flusslauf, kann man ab und zu von dessen Gefälle profitieren und seine Kräfte schonen. Wer dabei das Volkslied „An der Saale hellem Strande“ im Kopf hat, sucht das Gestade jedoch vergeblich. Dafür schlängelt sich der Fluss am Rand des Thüringer Waldes gemächlich durch eine abwechslungsreiche grüne Landschaft, durch Wiesen und Auen, Felder und Wälder, an Weinbergen entlang.

Doch die Idylle täuscht. Das Gebiet ist dicht besiedelt. Weicht man von der Route ab, findet man sich schnell im Merseburger Industriegebiet von Leuna oder der schmucklosen Südstadt von Halle wieder. Der Vorteil ist, die Bahn begleitet den gesamten Weg im Stundentakt (Radtransport gratis) und bietet eine bequeme Alternative, wenn das Wetter oder die Kräfte nicht mitspielen oder Besichtigungen mehr Zeit einnehmen als geplant.

Daneben ist der Kulturreichtum kaum zu erfassen. Ein kultureller Höhepunkt folgt auf den anderen: Luther, Händel, Goethe, Schiller, Dome, Schlösser, Burgen. Saalfeld bietet gleich eine doppelte Überraschung: Unterirdisch be­sitzt es mit den Feengrotten, einem nach rund 60-jährigem Dornröschenschlaf 1914 als Schaugrotten wiederbelebtem Alaunschieferbergwerk, laut dem Guinness-Buch der Rekorde die farbenreichsten Tropfsteinformationen der Welt. Oberirdisch bildet es als über 1100 Jahre alte „Steinerne Chronik Thüringens“ den Auftakt zu einer Reihe reizvoller alter Städte beziehungsweise Altstadtkerne, die den Radler auf dieser Tour wie Perlen auf der Schnur begleiten: Rudolstadt, Kahla, Naumburg, Weißenfels, Merseburg, Halle, selbst Jena besitzt noch einen letzten Teil seiner alten Stadtbefestigung.

Saalfeld bietet den exemplarischen Querschnitt: mittelalterliche Stadtmauer, spätgotische Hallenkirche, Rathaus und Bürgerhäuser der Renaissance, Barock­schloss und mit der Burgruine Hoher Schwarm am Saaleufer direkt neben dem Radweg die erste der Festen, die im Mittelalter über den Fluss wachten. Später entstanden aufwendige Schloss­anlagen, wie sie in Rudolstadt, Weißenfels und Merseburg majestätisch über der Stadt thronen. Unverhältnismäßige Residenzen einstiger Zwergstaaten und heute allesamt mit kunst- beziehungsweise kulturhistorischen Museen versehen und viel Geschichte.

Schloss Merseburg ist daneben immer noch Verwaltungssitz, ge­genwärtig des Saalekreises, von 1815 bis 1933 des Bezirkes Merseburg in der preußischen Provinz Sachsen. Noch heute wacht Fried­rich Wilhelm III. hoch zu Ross über den Schlossgarten. Mit dem Schloss verwachsen ist der Dom, dessen Grundsteinlegung vom 10. August bis 9. November mit der Ausstellung „1000 Jahre Kaiserdom Merseburg“ gewürdigt wird.

Der durch die Vereinigten Domstifter mit dem Merseburger Dom verbundene Naumburger Dom hat sich noch mehr vorgenommen: Er und die hochmittelalterliche Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut hoffen, 2015 auf der internationalen Liste des Unesco-Welterbes zu stehen. Ihr Trumpf ist der Naumburger Meister, dessen charmante Stifterfigur Uta im Westchor schon im Mittelalter als Schönheitsideal galt und bis heute verzaubert. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn neben dem Dom besitzt Naumburg als ehemalige Modellstadt für Stadtsanierung eine liebevoll restaurierte Innenstadt voller historischer und baulicher Schmuckstücke. Besonders den Marktplatz mit seinen vielen Cafés und Restaurants möchte man nicht mehr verlassen. Das Schlösschen am Markt zeigt noch bis zum 31. August eine Sonderausstellung zum Welterbeantrag.

Die Schlösser an der Saale zogen schon Goethe in ihren Bann. 14 Kilometer hinter Jena erheben sich hoch über dem Tal strahlend schön die drei Dornburger Schlösser in grandioser Gartenlandschaft, der Sommersitz der Herzöge von Sachsen-Weimar. Der Anstieg ist entsprechend steil. Dennoch zog es Goethe, der Minister unter Herzog Carl August war und das Hoftheater leitete, immer wieder nach Dornburg. Er schrieb: „Die Aussicht ist herrlich und fröhlich, die Blumen blühen in den wohlunterhaltenen Gärten, die Traubengeländer sind reichlich behangen, und unter meinem Fenster seh ich einen wohlgediehenen Weinberg.“ Die Zeilen sind bis heute aktuell. Nach dem Tod von Carl August zog sich Goethe auf die Anhöhe zurück, um in aller Stille um den Freund zu trauern. Sein Aufenthalt vom 7. Juli bis 11. September 1828 ging in die Literatur ein, die Räume sind jetzt Goethe-Gedenkstätte.

Im Leben von Friedrich Schiller spielte das Saaletal eine vielleicht noch bedeutendere Rolle: In Ru­dolstadt lernte er im Haus der Lengefeld seine Ehefrau Charlotte kennen, in Jena war er Dozent, besiegelte hier vor allem seine Freundschaft mit Goethe. Der Be­such der reizvollen Schillerhäuser ist in beiden Orten ein Muss.

Besser als im Krug zum Grünen Kranze, in dem schon Wilhelm Müller, Dichter des Volksliedes „Das Wandern ist des Müllers Lust“, Einkehr hielt, kann die Tour nicht ausklingen. Vom anderen Saaleufer grüßt Burg Giebichenstein, die älteste aller Saaleburgen. Daneben besitzt Halle mit der Moritzburg, heute wichtiges Kunstmuseum der klassischen Moderne, passenderweise auch deren jüngste. Halle unternimmt viel, um sich als kulturelle Hochburg zu präsentieren: Händels Geburtshaus, Lu­thers Totenmas­ke, die Himmelsscheibe von Nebra, die in die Unesco-Liste als Weltdokumentenerbe aufgenommen wurde, sind Besuchermagneten. Die von August Hermann Francke um 1700 gegründete Schulstadt, Vorbild für das preußische Schulwesen und die preußischen Tugenden, soll die höheren Weihen noch erhalten. Die Franckeschen Stiftungen stehen auf der Vorschlagsliste für das Unesco-Welterbe. Auch in Halle lohnt es also, länger zu verweilen. Helga Schnehagen

Auswahl radfreundlicher Unterkünfte: Gasthaus Feengrotten, Saalfeld; Waldhotel Linzmühle im Leubengrund bei Kahla; Traditionsgasthaus und Hotel Zur Henne in Naumburg; der Ankerhof in Halle. Infos im Internet: www.saale-radwanderweg.de


Wundersamer Aufstieg
Textilregion blüht wieder auf − Das nordböhmische Schönlinde entwickelt sich dank eines neuen Nationalparks zum Touristenmagneten

Ein Schmuckstück mit deutscher Vergangenheit ist das heute in Tschechien liegende Schönlinde. Der etwa eine Autostunde östlich von Dresden liegende Grenzort blüht in einer strukturschwachen Re­gion förmlich auf.

Überall Spuren großer deutscher Geschichte: In den Orten des oberlausitzer und böhmischen Berglandes reiht sich eine Industriellenvilla neben die andere. Ausgedehnte Parkanlagen er­zählen von altem Glanz. Eibau oder Ebersbach auf deutscher Seite oder das heute tschechische Varnsdorf waren einst durch die Textilindustrie wohlhabend. Der Strumpfhersteller Kunert hat in Varnsdorf seinen Ursprung.

Heute ist vom alten Reichtum wenig geblieben. Auf deutscher Seite verfallen die Häuser seit der „Wende“ immer mehr. Jedes Jahr verlassen junge Leute die Region, jedes Jahr sterben mehr Menschen als geboren werden. Seit 1989 sind kaum Neubauten in der Region entstanden – es gibt einfach keinen Bedarf. Touristen, die die verbliebenen Schönheiten der Orte und der Landschaften erleben wollen, verirren sich selten hierher, und wenn, dann sind es meist sudetendeutsche Sehnsuchtsurlauber, die die Region aus ihrer Kindheit kennen. Die Hotels in dem Winkel südlich von Bautzen und westlich von Zittau bieten meist gestrigen Standard, Wellness ist noch ein Fremdwort.

Auf der tschechischen Seite erschien der Niedergang lange Zeit noch augenfälliger. Nach der Vertreibung der Deutschen waren nur wenige Tschechen und Slowaken in das Gebiet, das auch Schluckauer Zipfel genannt wird, nachgerückt. In die vielen verlassenen und leer stehenden Häuser zogen nach und nach vor allem Roma-Familien.

Der bauliche Niedergang der Orte unterstützte noch den negativen Eindruck und verhinderte, dass sich hier ein neuer Tourismus entwickeln konnte, verhinderte, dass es für diese Orte nach dem Niedergang der Industrie eine neue Zukunft gibt.

Wäre da nicht Schönlinde ... Der kleiner Ort mit seinen kaum 4000 Einwohnern, der den hübschen deutschen Namen Schönlinde trägt – auf Tschechisch heißt das übersetzt Krasna Lipa –, ist wie ein Komet aus der ganzen Nachbarschaft des Nie­dergangs und der Vorurteile aufgestiegen. Schönlinde zeigt, wie man den Strukturwandel von der grauen Industriestadt zum bunten Touristenort schaffen kann.

Dabei gehörte Schönlinde einst zu den besonders vergessenen und geschundenen Orten hinter der Grenze. Ein Teil der Randbebauung des Marktplatzes war zerstört, die Grundstücke lagen brach, in den Straßen des Ortes hätte sich kein Tourist freiwillig aufgehalten.

Heute ist alles anders geworden. In den letzten zehn Jahren wurde ein neues Schönlinde geboren. Das auch auf Deutsch erscheinende Magazin „Tor“, das sich der Vermarktung der Ur­laubsregion Böhmische Schweiz widmet, behauptet mutig und vielleicht nicht ganz zu Unrecht, dass man in Schönlinde nun mühelos zwei Wochen Urlaub machen könne, ohne dass einem langweilig werde.

Was ist geschehen? Im Jahr 2000 erhob die Prager Regierung die Böhmische Schweiz zum Nationalpark. Der formelle Akt hat nicht nur den Schutz der Landschaft befördert, sondern auch die Voraussetzungen für einen neuen Tourismus geschaffen. In Schönlinde entstand das Informationszentrum für den Nationalpark – direkt am Marktplatz. Diese staatlich gelenkte Investition hat private Initiativen nach sich gezogen. Im Nachbarhaus neben dem Informationszentrum hat die Kirnitzsch-Privatbrauerei eröffnet, die in eigener Gastronomie das dunkle und helle „Falkenstejner Bier“ anbietet. Auf der große Brache südlich der Platzes und in angrenzenden leerstehenden Ruinen wurden im Jahr 2013 ein Hotel, ein Hostel und eine Pension fertig gestellt, die als „Resort Lipa“ gemeinsam betrieben werden. Während Pension und Hostel in denkmalgeschützte Altbauten untergebracht sind, wurde das Appartement-Hotel ganz neu gebaut – nach dem Entwurf der tschechischen Architekten Hoffmann, Horsky und Kuva.

Am Rande Tschechiens schufen die Architekten ein überraschend modernes, ge­schwungenes Bauwerk mit Holzlamellenverkleidung. Ob­wohl oder gerade weil sie auf eine Rekonstruktion des historischen Platzes verzichten, gelingt ihnen die Neuausrichtung der Stadt. Plötzlich steht sie nicht mehr unter dem Zeichen des Niedergangs des Alten, nun erscheint sie zukunftsgewandt.

Auch die historischen Nachbarbauten profitieren von Neubau, der 2013 mit einem tschechischen Architekturpreis ausgezeichnet wurde. Sie wirken jetzt längst nicht mehr ganz so traurig wie früher, sie sind, auch wenn noch nicht alle saniert, plötzlich sehr interessant und sehenswert.

An einer der Hausfassaden kann man eine zweisprachige Tafel entdecken, die an den Motorrad-Fabrikanten Albin Hu­go Liebisch erinnert, einst ein angesehener Bürger des Ortes. Doch noch gibt es Ecken von Schönlinde, die weiter verfallen. Das tschechische Touristenmagazin empfiehlt den Reisenden, schnell den Friedhof zu besuchen, da sich das einmalige Heizwerk des Mausoleums in fortgeschrittenem Verfall befindet und nur allzu bald einstürzen könnte.

In einem guten Zustand erscheint das Filmtheater des Ortes, das Anfang der 1920er Jahre in expressionistischer Architektur errichtet wurde. Ein bauhistorisches Juwel, das unverändert als Kino genutzt wird.

In Schönlinde scheint eine schwierige Schwelle überschritten zu sein: Vom verwahrlosten Ort im Nirgendwo hin zu einem Zentrum für den regionalen Tourismus, zum Ausgangspunkt für einen neuen Wander- und Radtourismus durch die Berge bis nach Dresden. In der Tiefgarage des Lipa-Resorts stehen bereits heute genauso viele deutsche wie tschechische Fahrzeuge. Das Konzept scheint aufzugehen: Der Staat hat den ersten Schritt getan und ein Nationalparkzentrum eingerichtet, die privaten Investoren sind gefolgt – und nun kommen (hoffentlich) die Reisenden in Scharen.

Ist Schönlinde ein Vorbild für die deutschen Orte auf der anderen Seite der Grenze, die sich unverändert im Niedergang befinden? Es ist zu hoffen. Einen Nationalpark gibt es in der deutschen Oberlausitz gegenwärtig nicht. Aber viele Chancen warten dennoch auf eine Nutzung. Vielleicht werden die einmaligen Umgebindehäuser einst zum Weltkulturerbe erklärt (einen vorbereiteten Antrag gibt es bereits), vielleicht lässt sich die große Geschichte der Textilindustrie touristisch nutzen und nicht zuletzt ist auch das Oberlausitzer Bergland bei Oybin und Jonsdorf kaum weniger attraktiv als die Böhmische oder die Sächsische Schweiz.

Schönlinde alias Krasna Lipa kann deutschen Städten Hoffnung machen: Wenn hier Unmögliches gelingt, wieso nicht auch in Deutschland? Nils Aschenbeck


S. 22 Neue Bücher

Narren im Porträt
Historischer Roman

Richtig lustig war so ein „Narrenleben“ nur selten. Aber das ist die Perspektive der Heutigen und sehr wahrscheinlich auch die der Narren. Die Fürsten an den Höfen des 18. Jahrhunderts hingegen sahen es anders. Zumindest ließen sie sich ihre Spaßmacher etwas kosten. Den beiden bekanntesten Narren ihrer Epoche, Joseph Fröhlich (1694–1757) und Peter Prosch (1744–1804) hat der Berliner Schriftsteller Hans Joachim Schädlich nun ein literarisches Denkmal gesetzt. Wieder einmal – nach der Novelle „Sire, ich eile“, in der die Beziehung zwischen Fried-rich dem Großen und Voltaire Gegenstand war – gelingt es ihm, einen historischen Stoff in großer Dichte zu präsentieren. Er schreibt Geschichte im besten Sinne.

Zu lesen ist zunächst, wie es Fröhlich gelingt, sich am Hof Augusts des Starken zu etablieren. Der Kurfürst von Sachsen und König von Polen ernennt ihn zum „Lustigen Rat“, lässt sich gern unterhalten, allerdings auch wirklich beraten. Fröhlich ist zudem das ungenierte „Du“ gestattet, wenn er seinen Fürsten anspricht. Seine Feststellung, ein Narr wider Willen sei kein Narr, sondern ein Idiot, hätte durchaus auf seinen „Kollegen“ Peter Prosch zielen können, zumindest trifft sie tragisch auf ihn zu. Prosch treibt Handel, insbesondere mit Handschuhen, vor allem aber ist er als Narr tätig und eingeladen – unter anderem in Würzburg, München und Salzburg.

Bis nach Wien, zur regierenden Fürstin Maria Theresia, stößt er vor, hier wird er reich beschenkt. Im Unterschied zu Fröhlich wird Prosch permanent gedemütigt. Die mehr als derben „Späße“, für die er herhalten muss und bei denen man ihn nicht selten in lebensbedrohliche Situationen bringt, kann man modern getrost als Sadismus bezeichnen. Resignierend, aber dennoch immer wieder das Ganze auf sich nehmend, bekennt Prosch: „Je mehr ich ertrage, desto größer ist mein Ertrag.“

Auch wenn es sich um ein literarisches Werk handelt, stützt sich der Autor stark auf Quellen. Zitate tragen das Ihre zur ohnehin gut nachvollziehbar gestalteten Atmosphäre bei. Der äußerst knappe, fast protokollarische Stil ermöglicht die Einführung einer schier unglaublichen Zahl von historischen Personen und Begebenheiten auf engstem Raum. Vor allem im ersten, weit umfangreicheren Teil des Buches, der dem Leben Fröhlichs gewidmet ist, wird das Geschehen im Umfeld Augusts des Starken lebendig. Hier begegnet Fröhlich zum Beispiel Jakob Paul von Gundling, der ihm gegenüber darauf besteht, als Berliner Akademiepräsident etwas Besseres zu sein, und doch vom Soldatenkönig als Narr vorgeführt und verhöhnt wird. Insofern hat der „Lustige Rat“ Fröhlich einen nahezu privilegierten Stand. Sein Kurfürst hört ihn sogar an, als er ihm die Heirat mit der preußischen Königstochter Wilhelmine ausredet.

Auch eine Legende wird zerstört, die von der 350-fachen Vaterschaft Augusts – ein böses Gerücht, in die Welt gesetzt von der verschmähten Wilhelmine. Dies und anderes lässt Schädlich Fröhlich im Gespräch mit dem ihm befreundeten Buchhändler Johann Christian Crell erfahren.

Der Autor verknüpft die Schick-sale „seiner“ beiden Narren, die sich nie begegnet sind, indem er Prosch einen Lebensbericht an Fröhlich schreiben lässt. Allerdings ist Fröhlich zu dieser Zeit längst tot. Kommentieren braucht er den Weg des Jüngeren jedoch ohnehin nicht – sein eigener ist Parallele und Kontrast genug.

Erik Lommatzsch

Hans Joachim Schädlich: „Narrenleben. Roman“, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 2015, gebunden, 175 Seiten, 17,95 Euro


Bomber über Bayern
Ein erstaunliches Werk über den Luftkrieg in Süddeutschland

Luftkrieg von Aschaffenburg bis Zwiesel“, und das gleich in drei Bänden. Da hat die Luftkriegsgeschichte doch Interessanteres zu bieten, mag sich mancher denken. Die Arbeit von Harald G. Dill und Karlheinz Hetz will ein „militärisch-technisches Feature zur Heimatgeschichte Bayerns“, so der Untertitel, sein. Sie geht aber weit darüber hinaus. Das liegt nicht allein daran, dass in dem behandelten Raum bekannte Städte wie Bamberg, Bayreuth oder Hof und erst-rangige Luftkriegsziele wie das Industriezentrum Schweinfurt lagen. Ihren Wert schöpft die Arbeit auch daraus, dass sie in dieser Form wohl einmalig sein dürfte und ihr Inhalt exemplarisch für die damaligen Verhältnisse und Ereignisse in anderen Regionen des Reiches steht.

Mit bewundernswerter Akribie arbeiten die Autoren alle, aber auch wirklich alle, Aspekte des Luftkriegsgeschehens zwischen 1939 und 1945 in Nordbayern, im östlichen Baden-Württemberg sowie am Rande Sachsens und Thüringens heraus. Der Leser erhält eine solche Fülle an sowohl in die Breite wie in die Tiefe gehenden Informationen, dass sie hier nicht einmal auszugsweise wiedergegeben werden können. Deshalb muss die Nennung der Hauptkapitel mit einigen Erläuterungen genügen. Nach einem Vorwort, in dem „der Weg zum Buch“ beschrieben wird, heißt es „Nach dem Krieg ist vor dem Krieg“. Dieses Kapitel ist dem Ersten Weltkrieg und der „quasi-fliegerlosen Epoche“ danach gewidmet, bevor die Luftwaffenstandorte in Nordbayern einzeln vorgestellt werden. Das nächste Hauptkapitel ist der Fliegerausbildung gewidmet, indem auf einen Überblick eine Darstellung der entsprechenden Einrichtungen in „Nordbayern und den angrenzenden Gebieten“ folgt. Dass es auch ohne Feindeinwirkung immer wieder zu Verlusten durch Flugunfälle gekommen ist, wird im folgenden Kapitel thematisiert.

Nordbayern war auch deshalb ein wichtiges Ziel der alliierten Bomberflotten, weil es eines der Zentren der deutschen Flugzeugfertigung war. Der Leser erfährt in dem betreffenden Kapitel, welche Maschinen wo gefertigt wurden und wo sich welche Test- und Versorgungseinrichtungen der Luftwaffe befanden. Unter der Überschrift „Der Alliierte strategische Bombenkrieg im Übergang zum taktischen Luftkrieg“ geht es um Luftraumüberwachung und Flug-leitsysteme, um die bodengestützte Flugabwehr sowie die luftgestützte Abwehr der alliierten Luftangriffe in Nordbayern, bevor die regionale Entwicklung „unter besonderer Berücksichtigung der alliierten Luftangriffe“ dargestellt wird. Hier werden die einzelnen Luftkriegsorte und die auf sie geflogenen Angriffe beschrieben. Im letzten Hauptkapitel geht es um „die zeitliche Entwicklung des taktischen Luftkrieges in Nordbayern unter besonderer Berück-sichtigung der Luftwaffeneinsätze“, also um den vergeblichen Versuch der deutschen Flieger, sich gegen ihre weit überlegenen Gegner zu behaupten.

Dass die Kapitel teilweise bis in die Ära der Bundeswehr hineinreichen, dürfte daran liegen, dass Dill Luftwaffenoberst der Reserve ist und hier vermutlich seinem speziellen Interesse folgt, was aber keineswegs störend ist. Die „Analysen und Schlüsse“, die am Ende fast eines jeden Kapitels stehen und den Leser zur eigenen Betrachtung anregen, sind fundiert und enthalten sich jeder zeitgeistgemäßen und damit nur selten sachlich begründeten Wertung. Denn, so Dill in einem Zeitungs-Interview: „Es ist billig, pauschale Urteile zu fällen“.

Jedes Kapitel wartet mit zahlreichen, teilweise farbigen Fotos, zeitgenössischen und aktuellen Luftbildern sowie Kartenausschnitten auf. Insgesamt sind es über 1000 Illustrationen.

Damit hat es aber noch nicht sein Bewenden, denn nach einer „Auswahl der wichtigsten Quellen“ von beachtlichem Umfang folgen eine tabellarische Übersicht über die Luftangriffe im Untersuchungsgebiet, die Flugzeugabstürze und -unfälle sowie die Bombenangriffe der US-Luftwaffe auf die Flugzeugindustrie. Die Datenblätter über alle in jener Zeit am bayerischen Himmel aufgetauchten Flugzeuge, die eingesetzten Funkmessgeräte sowie Waffen und Geschütze dürften eher etwas für ausgesprochen Technikinteressierte sein, sie runden das Werk aber auf beeindruckende Weise ab. Ein Glossar, eine Übersicht der Schlüsselwörter zu Geräten, Einrichtungen und Truppenteilen, ein Ortsregister mit rund 1600 Eintragungen, Zahlenangaben zur US-Luftwaffe und Betrachtungen über die „Erinnerungskultur in Zeit und Raum“ stehen am Ende der insgesamt über 1000 Seiten.

Für jeden an der Kriegsgeschichte des Untersuchungsgebietes Interessierten sind die drei Bände quasi Pflichtlektüre, jedem, der sich für Luftkrieg und speziell die deutsche Luftwaffe in der Reichsverteidigung interessiert, sind sie uneingeschränkt zu empfehlen. Jan Heitmann

Harald G. Dill, Karlheinz Hetz: „Luftkrieg von Aschaffenburg bis Zwiesel“, Verlag Heinz Späthling, Weißenstadt 2014, gebunden, 1014 Seiten, drei Bände, 78,90 Euro


Überhistorische Wahrheiten
Wie aktuell ist Rousseau heute? Der Politologe Timo Pongrac anzwortet

Bildungsbeflissene werden bedenklich das Haupt schütteln: Eine Einführung in Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag auf 104 Seiten? Das Werk des Genfer Philosophen und Naturforschers gilt immerhin als eine der einflussreichsten Schriften der Menschheitsgeschichte. Der Berliner Politologe Timo Pongrac, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften, hat es trotzdem gewagt, die Hauptgedanken des Geistesriesen aus dem 18. Jahrhundert für heutige Wissbegierige aufzubereiten. Rousseaus Abhandlung. schreibt er, suche als philosophische Schrift nach allgemeinen und überhistorischen Wahrheiten. Im Gesellschaftsvertrag betreffe das die Grundsätze des Staatsrechts.

Sind Rousseaus Positionen und Argumente noch heute überzeugend? Um das zu beantworten, müssten, so der Autor, die Begründungszusammenhänge des Textes betrachtet werden. Nur deren Kenntnis gestatte ein Urteil darüber, welche Bedeutung der Gesellschaftsvertrag auch für die Gegenwart noch haben könnte.

In vier Schritten erfolgt die systematische Rekonstruktion des rousseauschen Textes. Beginnend mit der Erläuterung der grundlegenden Absicht, die hinter dem Werk steckt, geht es weiter mit dem spezifischen Begründungsrezept zur Rechtfertigung des Gesellschaftsmodells. Es folgt die Auseinandersetzung mit dem Thema, welche konkreten politischen Einrichtungen und Institutionen auf diesem Wege Legitimation und Begründung finden sollten. Um schließlich die externen Bedingungen zu betrachten, unter denen eine Umsetzung des rousseauschen Modells möglich wäre. Alles in allem ist es eine nicht ganz einfache, aber empfehlenswerte Lektüre, um die Gedankenwelt des Klassikers neu und gegenwartsbezogen kennenzulernen. Zumal der Cividale-Verlag ein erstaunliches Beiprogramm zum Buch bietet: Auf der Internetseite des Verlages gibt es Zusatzmaterialien wie etwa ein Interview mit dem Autoren.

Wer dann auf den Geschmack gekommen ist, kann sich auf ähnliche Art sogar noch mit einem zweiten großen Denker auseinandersetzen, zu dem auch ein Cividale-Buch vorliegt: Der Diplom-Politologe Andreas Lotz erklärt die staatstheoretischen Ideen des Aristoteles.

Silvia Friedrich

Timo Pongrac: „Rousseau für Einsteiger. Eine Einführung in den Gesellschaftsvertrag“, Cividale Verlag, Berlin 2015, broschiert, 104 Seiten, 8,90 Euro


Die PAZ und der Geruch nach Heimweh
Schwedens Ex-Minister Orback forscht der eigenen deutschen Vergangenheit als Vertriebener nach – ein ärgerliches Buch

Autor Jens Orback, 1959 als Sohn einer Deutschen aus Pommern in Stock-holm geboren, war von 2004 bis 2006 schwedischer Minister für Demokratie, Stadtpolitik und „Gleichstellungsfragen“. 2013 machte er sich lächerlich mit der Forderung: „Wir müssen offen und tolerant zum Islam und den Muslimen sein, damit sie es zu uns sind, wenn wir zur Min­derheit werden.“ Das erschien als Neuauflage des „Stockholm-Syndroms“ von 1973, als Opfer einer terroristischen Geiselnahme sich mit den Tätern solidarisierten. Mit „Schatten auf meiner Seele. Ein Kriegsenkel entdeckt die Geschichte seiner Familie“ forscht er nun den Spuren der eigenen Vergangenheit nach. Er serviert eine verworrene Familiensaga mit Stammbaum und zwei Landkarten als Beigabe, ohne die der Leser die Orientierung verlöre.

Dabei ist der Autor selber desorientiert, klickt im Internet zu „Seiten über Deutsche, die wieder in ihre Heimat zurückwollen“. Unter anderem stößt er auf die Preußische Allgemeine Zeitung und die scheint „den Geruch nach Heimweh zu verbreiten“. Was immer das heißen soll, eine PAZ-Ausgabe hatte Orback wohl noch nie in der Hand. Böswillige Ignoranz Orbacks ist es, dem Bund der Vertriebenen (BdV) Propaganda vorzuwerfen, „dass früher alles besser war, die Hitlerzeit inklusive“. Für Orback sind die organisierten Vertriebenen nur verachtenswerte Leute, „die sich in den Details des Krieges suhlten“. Wovon redet dieser Autor? Der BdV hat sich bereits 1950 in seiner „Charta“ dazu bekannt, „Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend“ zu überwinden, zumal er wie niemand sonst die menschlichen Folgen früherer Fehlentwicklungen kennt: Viele Millionen Vertriebene oder Spätaussiedler.

Orback gibt vor, das Elend von Vertreibungen aus familiärer Sicht zu behandeln, aber er versucht nur Geschichten zu verifizieren, die er jahrelang am Familientisch hörte, mit allen Vorurteilen, etwa dem, dass das westslawische Volk der Kaschuben ein Zwischending aus Polen und Deutschen sei. Die Kaschuben, etwa 200000 Angehörige, und seit altersher um Danzig siedelnd, haben ab 1989 unter klugen Volkstumsführern wie Józef Borzyszkowksi autonome Identität erfolgreich demonstriert, aber davon hat Orback auch nach zahlreichen Reisen durch Polen nie etwas bemerkt. Wäre sein Buch etwas pfleglicher lektoriert worden, dann hätte man nicht wenige Ausfälle ersatzlos gestrichen, etwa dieser Art: „Schleswig-Holsteiner sind unbarmherzig. Bestimmt ist der Bauer auch für Hitler gewesen.“

Geradezu Widerwillen wird im Leser erweckt, wenn der Autor seine Mutter mit dem Tonband bedrängt, bis sie ihm nicht mehr „entkommt“. Nämlich vor der Aussage zum 13. März 1945, als russische Soldaten deutsche Frauen vergewaltigten. Die opfern vergeblich „ihren Körper als Schutz für ihre Kinder“, was grausige Resultate zeitigt: „Katja hat Gonorrhö. Dorchen hat Syphilis, Frieda war schwanger geworden, der Vater des Kindes war ein Russe“. Die Großfamilie flieht vorwärts, versucht eine Rückkehr in die alte Heimat, von der sie sich laut beigefügter Landkarte nicht weit entfernt hat. Diese Umkehr in verzweifelter Hoffnung ist der einzige interessante Aspekt in Orbacks Buch, der eine systematischere Darstellung verdiente.

Der Neubeginn scheitert, nach Monaten fährt die Familie über Stettin zuerst nach Schleswig-Holstein. Die jungen Frauen suchen und finden dann in Schweden Arbeit und neue Heimat. Jahrzehnte später kann Neu-Schwede Orback in die alte Heimat zurück. Sie gehört nun zur Republik Polen, was die neuen Bewohner ihn demonstrativ spüren lassen. In Ermanglung anderer Verständnismöglichkeiten unterhält er sich mit Polen und Kaschuben auf Deutsch und avanciert dadurch zum Deutschen: „Ihr habt den Krieg angefangen, und wir haben gewonnen“, bekommt er angeblich zu hören. Das klingt wenig glaublich, wenn man bedenkt, dass die Polen bei Kriegsende ein dem Deutschen tragisch ähnliches Vertriebenenschicksal erlitten. Wolf Oschlies

Jens Orback: „Schatten auf meiner Seele – Ein Kriegsenkel entdeckt die Geschichte seiner Familie“, Verlag Herder, Freiburg 2015, gebunden 263 Seiten, 19,99 Euro


S. 23 Rautenberg Buchhandlung

Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Verteidiger des Smørrebrøds / Vorsicht vor Pølser-Populisten, warum das Volk ständig mitgenommen werden muss und warum zu Griechenland nichts mehr einfällt

Europa gerät aus den Fugen. Nein, nicht dort, wohin Ihre Gedanken jetzt wie unter Zwang fliegen. Nicht nur in Südsüdostost-Europa kracht es gewaltig im Gebälk. Obwohl ein Ministerpräsident dort davon faselt, eine Seefahrernation müsse sich auf neue Meere wagen, „um neue sichere Häfen zu finden“. Nun weiß man ja seit Odysseus, wie lange solche Irrfahrten bei dieser Seefahrernation dauern können. Der Ministerpräsident ist dann auch prompt in Moskau an Land gegangen, hat den passenden Hafen allerdings noch nicht entdeckt. Trotzdem liegen Sie mit Ihrer Vermutung falsch, die griechischen Geisterfahrer allein ließen Europa aus den Fugen geraten. In dem Fall kann gar nichts mehr aus den Fugen geraten, weil sowieso schon lange nichts mehr im Lot ist.

Nein, das wirkliche Debakel hat sich in einer Ecke ereignet, in der man es nun wirklich nicht erwartet hat. Aber das ist ja meist so – das Unglück schlägt zu, wo man sich eigentlich sicher wähnt. Seefahrer sind die Leute, um die es hier geht, auch. Viele Inseln haben sie ebenfalls. Ansonsten aber sind die Dänen alles andere als nördliche Griechen. Das erkennt man schon daran, dass sie keinen neuen Hafen suchen, sondern ihren Hafen dicht machen wollen. Zumindest wollen sie bestimmen, wer in ihrem Hafen an Land gehen darf. Und vor allem: wer nicht! Es ist eine Katastrophe, dieses Wahlergebnis im Land der roten Pølser! Vor lauter Schrecken und Entsetzen brachte es die „Tagesschau“ fertig, in einer einzigen Nachricht vom Ergebnis der dänischen Parlamentswahl gefühlte 50 Mal zu betonen, dass nunmehr die Populisten in Dänemark an der Macht seien. Ja, wo kommen wir denn da hin? Populisten! Übler geht es kaum. Die Marxisten, Leninisten, Stalinisten und Maoisten, die mit Hilfe der neonazistischen Goldenen Morgenröte Griechenland im Griff haben, die gehen doch noch locker hin, für die darf die Partei „Die Linke“, bitteschön, mehr Solidarität einfordern. Da kann man doch nicht meckern. Hoch die Internationale Solidarität.

Aber doch nicht mit Populisten. Es ist, als sei Dänemark, dieses hübsche, liebenswerte, drollige Land unter dem fröhlich flatternden Dannebrog plötzlich von Krätze und Räude, verbunden mit Schleimhusten, befallen.

Über den üblen Charakter von Krätze, Räude und Schleimhusten kann es keinen Zweifel geben. Aber Populismus, wieso eigentlich Populismus? Nach der Definition des Dudens ist ein Populist ein Politiker, der die Gunst der Massen gewinnen will (und der darum Wünsche der Wähler zu seinem Programm macht). Ja, wieso, wollen das denn nicht alle Politiker? Scheinbar nicht, denn sonst könnten die einen nicht die anderen als Populisten beschimpfen. Man muss die Dinge allerdings schon ganz schön verdrehen, um aus dem Populisten einen Kampfbegriff gegen politische Gegner zu machen.

Wie war das noch mal? „Alle Gewalt geht vom Volke aus“? Ach ja, Grundgesetz, Artikel 20. Angeblich eines der unerschütterlichen Fundamente des Grundgesetzes. Aber das funktioniert leider nicht, wenn das Volk zu doof ist. Wenn das Volk partout etwas anderes will, als die politischen Amtsträger in ihrem weisen Ratschluss beschlossen haben. Und das unmündige Volk, das im Zuge einer ständigen Mitleidsaktion permanent „mitgenommen“ werden muss, weil es keine Ahnung von jener „Nachhaltigkeit“ hat, an die unsere Politiker voller Selbstqualen bei Tag und bei Nacht denken. Und darum ist auch die Sache mit den Pølser-Populisten so gefährlich. Weil die nicht mehr mit jedem ihr Smørrebrød teilen möchten. Das war nicht immer so. Die Dänen hatten bereits eine erstaunliche Willkommenskultur, als das Wort beim südlichen Nachbarn Deutschland noch gar nicht erfunden worden war. In Kopenhagens alternativem Wohnquartier Christiania war es immer so lustig und bunt. Irgendetwas muss einen Sinneswandel ausgelöst haben. Rätsel. Rätsel. Könnte ein Grund sein, dass die Christiania inzwischen ein vollgedröhntes Altenheim ist? Jedenfalls wollen viele Dänen – vielleicht – etwas genauer an den Grenzen hinsehen, wer da zu ihnen und in die angesagten Quartiere strebt. Nun hat Dänemark ja nicht unbedingt viele feste Landesgrenzen. Eigentlich nur eine. Weil der Rest von Wasser umschlossen ist. Aber dies eine, kleine Stück hat Dänemark eben doch und das grenzt ausgerechnet an Schleswig-Holstein. Weshalb der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) schon mal vorsorglich nach der Parlamentswahl erklärte, er lehne permanente Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark ab. Das kann er gerne, weil die Dänen auf ihrer Seite der Grenze machen können, was sie für richtig halten. Das haben sie schon mal getan. So sind sie, die dänischen Populisten. Dabei tut die deutsche Bundespolizei doch schon, was sie kann. Pausenlos hindert sie Schlepper und Drogenkuriere an der Weiterreise nach Dänemark. Aber das ist den Dänen offenbar noch nicht genug. Wahrscheinlich haben auch sie die beeindruckende Zahl der Ganoven zur Kenntnis genommen, die während der Grenzkontrollen zur Zeit des G7-Gipfels in Bayern erwischt wurden. Weshalb ja selbst in Bayern einige (wenige) Leute auf den Gedanken kamen, wieder regelmäßig an den Grenzen zu kontrollieren. Aber das war dann auch ganz schnell wieder vom Tisch.

Grenzüberschreitungen als künstlerische Aktion sind selbstverständlich etwas ganz anderes. Künstler dürfen, was andere Menschen nicht dürfen. Und auch nicht tun. Weil sie die Grenzen des Anstandes kennen. Weil sie wissen: Wer auf Dauer tolerant sein möchte, der muss gelegentlich auch Grenzen der Toleranz aufzeigen. Sonst verkommt vor lauter Toleranz der letzte Rest Anstand. In Berlin wurde am Wochenende vom „Zentrum für politische Schönheit“ vorgemacht, wie man aus dem Elend und Tod tausender Asylbewerber im Mittelmeer ein krachendes Event macht. Um den Toten „ihre Würde zurückzugeben“, sollten angeblich Leichen exhumiert und in Berlin vor dem Kanzleramt erneut bestattetet werden. Mit allem Tamtam einer großen Totenfeier. Was dann vorsorglich amtlich untersagt wurde – man kann ja nie wissen, wie weit die Provokation getrieben werden soll. Das Event selbst fand dann statt, weil es „unsere Schuld“ ist, weil wir es „unseren Toten“ schuldig sind. In den Feuilletons sinnierten die Kulturredakteure mit wohlgesetzten Worten über die Zulässigkeit einer solchen Aktion. Regen wir uns nicht weiter auf. Schließlich wollte die blasphemische Aktion genau diese Reaktion provozieren. Aber dann drängt sich doch der Gedanke auf, dass an dem gleichen Tag in der gleichen Stadt zum ersten Mal offiziell der Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht wurde – und dass diesmal auch die Flüchtlinge aus Ostpreußen, aus Pommern, aus Schlesien, aus dem Sudentenland mit eingeschlossen waren. Mit eingeschlossen, immerhin. 70 Jahre nach dem Ende des Krieges, immerhin.

Wenn Sie jetzt fragen, warum Sie an dieser Stelle noch nichts über die griechische Schuldenkrise lesen konnten, schließlich hat das Gezerre und Gewürge die Schlagzeilen der Woche bestimmt, dann ist die Frage berechtigt. Aber offen gestanden, zu Griechenland fällt einem nichts mehr ein. Nach dem sogenannten Sondergipfel schon gar nicht. Nach vier Stunden ist wieder außer Spesen nichts gewesen, die Hängepartie geht weiter. Nicht einmal zu den üblichen Formulierungen der so zuversichtlichen wie nichtssagenden Vorhersagen reichte das Ergebnis aus. Selbst jene Politiker, die jedes Ereignis durch einen Kommentar würdigen, blieben diesmal sprachlos. Nichts kann man nicht kommentieren. Das Gezerre und Gewürge geht also weiter, weil wieder einmal von den bockigen Halbstarken aus Athen die Hausaufgaben nicht rechtzeitig abgeliefert wurden. Nun müssen die neuen Vorschläge (die so neu gar nicht sind und deren Ertrag eher zweifelhaft erscheint) wieder von den Experten geprüft und gerechnet werden, müssen die Termine verschoben werden. Wieder ein allerletztes Mal. Bis zum nächsten Mal. Wie bei einem Zeitungsroman von mäßiger Qualität kann jetzt schon versprochen werden: Fortsetzung folgt (leider!).


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Drei Milliarden für Asylbewerber

München – Einer Prognose des bayerischen Finanzministeriums zufolge muss der Freistaat bis Ende 2016 fast drei Milliarden Euro für Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aufwenden, „mehr als der gesamte Etat von Wirtschaft, Gesundheit und Umwelt zusammen“, so Finanzminister Markus Söder. Zudem würden neue Stellen für Bezirksregierungen, Polizei und Justiz benötigt. In einigen Bereichen komme das Bundesland bereits in einen Ausnahmezustand für die öffentliche Verwaltung. J.H.

 

Ministerien unter dem Regenbogen

Berlin – Vor dem Bundesumwelt- und dem Familienministerium weht die Regenbogenfahne, das Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung. Damit solle ein „deutliches Zeichen für Weltoffenheit und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung“ gesetzt werden. Das Bundesinnenministerium, das die Aktion hätte genehmigen müssen, wurde nicht einmal konsultiert. J.H.

 

Ein netter Herr kontra EU

Vielleicht kann die AfD von der Dänischen Volkspartei noch etwas lernen. Als es mit der EU-kritischen Partei in Dänemark nach einigen Wahlerfolgen bergab ging und sie mit innerparteilichen Querelen zu kämpfen hatte, nahm Parteigründerin Pia Kjærsgaard ihren Hut und übergab 2012 ihrem finanzpolitischen Sprecher den Parteivorsitz. Der hieß Kristian Thulesen Dahl, galt als blass, bieder, höflich und nicht so energisch wie seine kämpferische Vorgängerin.

Doch allen Befürchtungen zum Trotz wurde die Volkspartei unter dem netten Herrn Dahl bei den jüngsten Parlamentswahlen mit 21 Prozent unerwartet zweitstärkste Kraft im Land. Obwohl die Sozialdemokraten unter Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt deutlich mehr Stimmen bekamen, war Dahl der eigentliche Wahlgewinner. Denn da Thorning-Schmidts Mitte-Links-Bündnis insgesamt an Stimmen einbüßte, gab sie noch in der Wahlnacht ihren Rücktritt bekannt und machte so dem rechtsliberalen Oppositionsbündnis Platz. Jedoch nicht Dahl, sondern Lars Løkke Rasmussen dürfte als Anführer dieses Bündnisses neuer Ministerpräsident werden, obgleich seine Venstre-Partei nur drittstärkste Kraft wurde.

An der Seite Rasmussens wird der 45-jährige Dahl in der neuen Regierung vor allem in der Europapolitik ein gewichtiges Wort mitreden. Die Griechenrettung und die EU-Einwanderungspolitik werden mit dem Vater dreier Kinder, der in Aalborg Betriebswirtschaft und Handelsrecht studierte, als Verhandlungspartner von Minister Schäuble und Co. gewiss nicht einfacher. Der Ritter des Dannebrogordens, eines hohen dänischen Verdienst­ordens, wird sein Augenmerk auf die sozialen Nöte seiner Landsleute legen. In der Renten- und Gesundheitspolitik gilt seine Volkspartei als vorbildlich. Harald Tews


MEINUNGEN

Heribert Seifert moniert in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (16. Juni) eine merkwürdige Schlagseite bei der Medienberichterstattung in Deutschland über die nahezu unkontrollierte Massenzuwanderung:

„Die Beschwörungen einer Bereicherung der Gesellschaft durch die neue Buntheit und Vielfalt überspringen Erfahrungen von Verlust an Gewohntem und die Belastung durch Konfrontation mit Fremden. So zahlreich die sensib­len Reportagen über Schwierigkeiten der Migranten bei Eingewöhnen in einen fremden Alltag sind, so selten finden sich Gegenstücke, die zu verstehen versuchen, wie Deutsche die Verwandlung ihres Viertels in ein neues ,multikulturelles‘ Viertel erleben.“

 

 

Für Roland Tichy ist es ein böses Zeichen, dass die Deutschen den 17. Juni nahezu vergessen haben. In seinem Blog „Tichys Einblick“ (18. Juni) warnt der frühere Chef der „Wirtschaftswoche“:

„Der 17. Juni als Feiertag wurde zu Gunsten des 3. Oktober abgeschafft, dem Tag der Wiedervereinigung. Seither ist der 17. Juni aus unserem Gedächtnis verschwunden. Dabei wäre es ein Grund, auf die mutigen Männer und Frauen stolz zu sein – es gibt wenige solche Tage. Die Abschaffung des Feiertags zeigt Wirkung; wir haben den Tag der Freiheit vergessen und die Bahn ist frei für die alten Feinde der Freiheit im neuen, chicken Kostüm.“

 

 

Neuköllns früherer Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ist entsetzt darüber, wie die Muslimin Batül Ulusoy den Staat hintergangen hat (PAZ berichtete). In einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung (17. Juni) nimmt er auch das Bundesverfassungsgericht aufs Korn:

„Das Bundesverfassungsgericht hat die Trennung von Staat und Religion in Form einer distanzierenden Neutralitätspflicht bei hoheitlicher Tätigkeit gekillt ... Damit ist der Weg frei für Staatsdiener mit religiöser Montur von Pluderhose bis Bhagwan-Robe und in letzter Konsequenz in den Religionsstaat. Ich will das nicht. Aber beim politischen Islam geht es noch nicht einmal um die Religion. Es geht schlicht um staatliche Macht und gesellschaftliche Dominanz.“

 

 

In einem Interview des Deutschlandfunks (16. Juni) beantwortete der slowakische liberale Europaabgeordnete Richard Sulík die Frage, warum die Staats- und Regierungschefs der EU den Grexit scheuen:

„Weil die meisten Politiker Feiglinge sind. Die haben Angst vor richtigen vernünftigen Lösungen. Und man sagt ja nicht umsonst, dass die Politiker zuerst alle anderen möglichen Lösungen ausprobieren, bevor sie zu den richtigen kommen und zu den funktionierenden. Wir sind einfach Feiglinge, die meisten sind unfähig, die würden nicht einmal einen Kiosk leiten können, und deswegen sind die oft in der Politik, weil die ansonsten nichts machen können oder nirgendwo Geld verdienen würden, und so sieht es dann auch mit der Politik aus. Das ist das Erste.

Das Zweite: Das Fachwissen, das fehlt einfach. Frau Merkel, die hat Physik studiert, Herr Schäuble Jura, Herr Juncker Jura, Herr Schulz ist auch kein Volkswirt. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie wären am Darm erkrankt, liegen im Krankenhaus, und da steht ein Konsilium, da sind Biologen dabei, da sind Physiker, ein Pförtner ist dabei, nur keine Ärzte, und ungefähr so sieht es in der Politik aus.“