20.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 20/16 vom 20.05.2016

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Geht sie schon im Sommer?
»Abgehoben«: Spekulationen über Merkels Zukunft werden wieder lauter

In Union und SPD wachsen Verbitterung, Wut und Verzweiflung. Das könnte noch diesen Sommer dramatische Entscheidungen auslösen.

Zumindest die Journalisten dürfen aufatmen: Das bei ihnen so berüchtigte Sommerloch, jene quälend nachrichtenarme Zeit, dürfte dieses Jahr ausfallen. In den Parteien der Koalition wuchern Misstrauen, Wut und regelrechte Verzweiflung über die eigene Lage in rasantem Ausmaß. Die Perspektiven für die Regierenden nahmen sich selten so düster aus.

Inzwischen ist diese Stimmung auch auf die Wähler durchgeschlagen. 64 Prozent wollen laut Umfrage nicht, dass Angela Merkel 2017 noch einmal für das Amt der Bundeskanzlerin kandidiert. Union und SPD landen zusammen bei rund 50 Prozent der Stimmen, bei der Wahl 2013 erreichten sie noch stolze 67 Prozent. Für die Koalitionsparteien wie für die Regierungschefin sind es dramatische Zahlen.

Merkels Zerwürfnis mit der CSU ist bereits notorisch. Kenner der Berliner Szene konstatieren nun aber auch einen immer            tieferen Graben zwischen der CDU-Chefin und den Parlamentariern ihrer eigenen Partei, wo die Verdrossenheit über Alleingänge der Kanzlerin erheblich zunehme. Merkel sei abgehoben, heiße es in der CDU voller Bitterkeit. Sie meide den Dialog und lasse die eigenen Leute vor der Tür stehen.

Schon empfehlen erfahrene Kenner des politischen Berlin der Bundeskanzlerin, noch diesen Sommer freiwillig aus dem Amt zu scheiden; später könne es für den „freiwilligen“ Abschied mit erhobenem Haupt zu spät sein, denn die nächsten Einschläge rücken unerbittlich näher und könnten die Stimmung eskalieren lassen.

Die Asylkrise kann sich jederzeit erneut zuspitzen. Im Sommer steht zudem ein Beschluss über neue Milliarden für Griechenland an. Werden die Unionsabgeordneten der Kanzlerin dabei noch einmal folgen? Nicht sicher. Kurz danach blüht CDU wie SPD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September und in Berlin zwei Wochen später der nächste Schock. Wie der Mittelbau der Regierungsparteien auf dieses weitere Desaster reagiert, ist kaum abzusehen.

In der SPD treibt die Resignation über die Lage der eigenen Partei bereits absurde Blüten. Das Amt des Kanzlerkandidaten – früher heiß begehrt und erbittert umkämpft – wird hinsichtlich 2017 herumgereicht wie ein Giftbecher, der denjenigen politisch tötet, bei dem er hängenbleibt. Zu absehbar erscheint die Niederlage, als dass jemand Sigmar Gabriel den Posten abnehmen möchte.

Merkel verhalte sich wie viele Regierungschefs, die nach ihrer zweiten Wiederwahl den Kontakt zur Basis und zur Wirklichkeit verloren hätten, heißt es. Auch Adenauer und Kohl verwandelten sich in dieser Phase von der Lust zur Last ihrer Parteien, ebenso die legendäre Margaret Thatcher. So könnte das Ende der Ära Merkel, schon oft prophezeit und bislang nie eingetreten, näher sein als derzeit vorstellbar.            Hans Heckel


Nato aktiviert Raketenschild
Erste Stellung in Rumänien einsatzbereit – Moskau fühlt sich bedroht

Die Nato hat am Donnerstag vergangener Woche ihren sogenannten Raketenschild aktiviert. Vor sechs Jahren hatte das Bündnis auf Betreiben der USA beschlossen, entlang seiner Ostgrenze ballistische Raketen zu stationieren. Mit der Fertigstellung einer Batterie von SM-2-Rakteten im rumänischen Deveselu ist nun der erste Abschnitt des Raketenabwehrsystems nach dreijähriger Bauzeit einsatzbereit.

Nach offizieller Lesart der Nato dient die Maßnahme der Abwehr von Raketenangriffen vor allem aus dem Iran. Allerdings hat sich die Bedrohung durch atomare ballistische Flugkörper aus dieser Region durch das Nuklearabkommen mit Teheran deutlich verringert und die Begründung hinfällig werden lassen. Dass die Nato und allen voran Washington dennoch daran festgehalten, stützt die These, dass es dem Bündnis in Wirklichkeit nur um die Neutralisierung des russischen Nuklear- potenzials geht. In Moskau betrachtet man diese Form der Aufrüstung des Westens eindeutig als gegen sich gerichtet. Dementsprechend, so der Vorwurf des Kreml, gerate das strategische Gleichgewicht ins Wanken und die Eskalationsgefahr in Europa steige. Frank Rose, stellvertretender US-Außenminister, sagte dazu lapidar, nichts könne „von der Wahrheit entfernter sein“ als diese Bedenken.

Das vergleichsweise schwache Abwehrsystem ist demnach darauf ausgelegt, einzelne Raketen aus soge- nannten unfreundlichen Staaten in Vorderasien abzufangen. Es soll aber „keineswegs in der Lage oder dafür gedacht“ sein, russische Interkontinentalraketen abzufangen. In der Tat ist es unwahrscheinlich, dass das russische Nuklearpozential durch den Raketenschild der Nato neutralisiert werden könnte. Das dürfte jedoch kaum ausreichen, um Moskaus Sorge zu zerstreuen. In jedem Fall wird diese Aufrüstung der Nato in Osteuropa dort als ernstzunehmende Provokation angesehen.              J.H.


Rente: Vertrauen tot
Kein Glaube mehr an private Altersvorsorge 

Die Mehrheit der Berufstätigen in Deutschland hält die private Altersvorsorge für obsolet. Einer bundesweiten repräsentativen Umfrage des Axa-Versicherungskonzerns zufolge sind 55 Prozent von ihnen der Meinung, dass sich weitere Anlagen angesichts der Niedrigzinspolitik nicht mehr lohnten. Diejenigen, die weiter in ihre Altersvorsorge investieren wollten, würden zunehmend auf Immobilen setzen. Derzeit gebe es einen regelrechten „Run“ auf Immobilien zur Eigennutzung und Vermietung. So gab fast jeder fünfte Berufstätige an, den Erwerb eines Eigenheims zu planen. Jeder sechste will demnach in eine Immobilie zur Vermietung investieren. Hingegen setzen nur noch zehn Prozent der Erwerbstätigen zur finanziellen Absicherung ihres Lebensabends auf Spareinlagen, Renten und Lebensversicherungen sowie eine betriebliche Altersversorgung.

Wie aus dem „Axa Deutschland Report 2016“ weiter hervorgeht, wächst in Deutschland die Angst vor Altersarmut. Demnach gaben 57 Prozent der befragten Berufstätigen an, dass ihnen heute das Thema Altersvorsorge mehr Angst mache als früher. Jeder Dritte erklärte sogar, dass er sich persönlich vor Verarmung im Alter fürchte. Nicht einmal jeder elfte Erwerbstätige erwartet im Alter eine insgesamt verbesserte Lebensqualität. Davon berichte aber jeder vierte heutige Ruheständler, so die Axa-Studie. U.M.


Jan Heitmann:
Keine Opfer

Nehmen wir an, der Brachialsatiriker Jan Böhmermann würde wegen Beleidigung des ausländischen Staatsoberhaupts Erdogan verurteilt und der entsprechende Strafrechtsparagraf bald darauf abgeschafft werden. Wäre er dann ein Justizopfer, das rehabilitiert und entschädigt werden müsste? Wohl kaum, denn er wäre nach dem seinerzeit geltenden Recht verurteilt worden. Nicht anders ist die von Bundesjustizminister Heiko Maas geplante Rehabilitierung der bis 1994 nach § 175 des Strafgesetzbuches verurteilten Homosexuellen zu beurteilen. Um es gleich klarzustellen: Es geht an dieser Stelle nicht um die Frage, ob die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen ethisch-moralisch gerechtfertigt war. Sondern es geht darum, ob „heute Unrecht sein kann, was gestern noch Recht war“. Tatsache ist, dass dieser Strafrechtsparagraf, im Gegensatz beispielsweise zu den Rassegesetzen des NS-Unrechtsregimes oder dem DDR-Republikfluchtparagrafen, von einem demokratischen Rechtsstaat in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gesetztes Recht war. Die verurteilten Homosexuellen sind keine Justizopfer, wie Maas behauptet, denn die Justiz hat nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt. Somit sind sie auch nicht zu rehabilitieren.

Zweifellos ist es das gute Recht eines demokratisch legitimierten  Gesetzgebers, Strafrechtsnormen zu liberalisieren oder ganz zu streichen, wenn diese  angesichts veränderter ethisch-moralischer Maßstäbe und eines veränderten Rechtsempfindens nicht mehr mit der gesellschaftlichen Realität in Einklang zu bringen sind. Falsch wäre  es hingegen, wenn jeder, der danach rechtskräftig verurteilt wurde, den jeweiligen Strömungen des Zeitgeistes folgend pauschal rehabilitiert werden würde.

Spinnen wir den Gedanken weiter: Dann müsste Maas konsequenterweise auch alle nach dem bis 1969 gültigen Kuppel-Paragrafen Verurteilten rehabilitieren. Ginge es nach den „kinderfreundlichen“ Grünen, würde der sexuelle Missbrauch von Kindern straflos bleiben. Andere wiederum fordern die Streichung des Inzest-Paragrafen oder die Legalisierung des Drogenbesitzes. Unabhängig davon, dass diese Forderungen abzulehnen sind, hieße das nach der Logik des Justizmisters, dass dann jeder verurteilte Kinderschänder, widerrechtliche Beischläfer oder Junkie ein Justiz- opfer mit Anspruch auf Rehabilitierung wäre. Eine solche Entwicklung führt den Rechtsstaat ad absurdum.


S. 2 Aktuell

Wahrzeichen wiederhergestellt
Kriegszerstörte Marienburger Madonna rekonstruiert – Ordenshochmeister leitet Einweihungszeremonie

Zum Abschluss der Renovierung der Marienburg hat der Hochmeister des Deutschen Ordens die rekonstruierte Statue der Madonna mit dem Kinde in der Außenfassade der Sankt-Marien-Kirche eingeweiht. Die auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Marienburg ist die bedeutendste Burganlage des europäischen Mittelalters und größte Backsteinburg der Welt.

Gemeinsam mit dem Bischof von Elbing, dem in Allenstein geborenen Jacek Jezierski, zu dessen 1992 gegründetem Bistum die Marienburg heute gehört, zelebrierte der aus Südtirol stammende Hochmeister Bruno Platter die Messe. Anwesend waren neben ranghohen Vertretern der Region der polnische Kulturstaatssekretär Jarosław Sellin (PiS), der aus Heilsberg stammende frühere Marschall und jetzige Vizemarschall des polnischen Senats, Bogdan Borusewicz (PO), der norwegische Botschafter Karsten Klepsvig und der als Spezialist für die Geschichte des Deutschen Ordens ausgewiesene sudetendeutsche Historiker Udo Arnold, die jeweils kurze Reden hielten. Weithin bewegt hat die Anwesenden die Ansprache des Hochmeisters, der sich bei der polnischen Seite für die Pflege des gemeinsamen Kultur- und spirituellen Erbes bedankte, welche das polnische Volk und den Orden gerade in Form der Marienfrömmigkeit verbänden. Hierbei überreichte er der Kirche als symbolträchtiges Geschenk des Ordens einen großen, von einem tschechischen Künstler gestalteten Osterleuchter samt einer Kerze mit dem Zeichen der Ordensritter.

Den Abschluss der Wiedererrichtungsliturgien bildete die Segnung der wiedererrichteten Marienstatue, die der Hochmeister in Form einer schlichten Zeremonie vornahm. Hierzu gehörte auch die Enthüllung einer Gedenktafel durch den Hochmeister gemeinsam mit dem Zweiten Vorsitzenden der Mater-Dei-Stiftung, Andrzej Panek, und mit Staatssekretär Jarosław Sellin, der dabei die Worte des Hochmeisters über die Gemeinsamkeit des Marienkultes dankbar aufgriff. Die Gedenktafel selbst beschränkt sich auf wenige Worte und erwähnt lediglich die Zerstörung des Bildwerkes „im Jahre 1945“ und den Wiederaufbau durch die Stiftung mithilfe „vieler gutherziger Menschen“, womit sie sich vor jeder ideologischen Vereinnahmung schützt. Am Akt der Einweihung nahmen auch 20 aus der Bundesrepublik angereiste heimatvertriebene Marienburger teil, denen aus ihrer Kindheit beziehungsweise Jugend noch der Anblick der etwa acht Meter hohen und für ihre farbige Glasmosaikauflage bekannten Figur vertraut war.

Das Fehlen dieses Wahrzeichens ihrer Stadt hatten die meisten Marienburger stets als schmerzlich empfunden – auch wenn es über Jahrzehnte hinweg nicht opportun war, dies laut zu äußern. Der polnische Staat hatte die zerstörte Marienburg nach dem Krieg zwar als nationales Denkmal wiederaufgebaut, allerdings die Marienkirche mit der Statue ausgespart – das nur notdürftig befestigte Gebäude sollte dem Vernehmen nach als Mahnmal des Krieges unangetastet bleiben.

Diese pazifistische Haltung wurde den Regierenden wohl auch dadurch erleichtert, dass es sich bei der Madonna nicht nur um ein explizit christliches Symbol, sondern um ein Abbild der Patronin des Deutschen Ordens, also gewissermaßen um dessen ideologisches Emblem, handelt, auf das man im Zuge der allgemeinen „Polonisierung“ ostdeutscher Geschichtsstätten gerne verzichtete – besonders, da hier die polnische Volksfrömmigkeit Parallelen zu eigenen Glaubensinhalten erblickt haben könnte.

Im Jahre 2007, also zehn Jahre nach der Erklärung der Marienburg zum Unesco-Weltkulturerbe, gründeten polnische und verbliebene deutsche Marienburger um Bernard Jesionowski und Andrzej Panek die „Stiftung Mater Dei“ mit dem Ziel, das Bildnis der „Mutter Gottes“ wiederherzustellen. Den umtriebigen Spendensammlern fielen allerlei Aktionen ein, an denen sich ihre Mitbürger rege beteiligten – zum Beispiel der Verkauf symbolischer „Bauziegel“. Sogar ein eigenes Bier mit dem Namen „Schwarze Kreuzritter“ wurde gebraut, um die benötigen Gelder zusammenzubringen. Weitere Unterstützung kam zudem von polnischen und von im Lande ansässigen deutschen Unternehmen. Bemerkenswerterweise wurde von vorherein auch der Deutsche Orden in das Vorhaben einbezogen, denn es stand für die Marienburger Idealisten außer Frage, dass dessen Hochmeister die Einweihung ihrer Statue übernehmen sollte.

Maßgeblichen Aufwind bekam das Projekt, als die EU dem polnischen Kulturministerium 2014 Fördergelder in Höhe von knapp sechs Millionen Euro unter anderem für den Wiederaufbau der Marienkirche zur Verfügung stellte, von denen letztlich 4,3 Millionen in dieses Projekt flossen. Auch das Königreich Norwegen beteiligte sich großzügig mit Mitteln aus dem sogenannten Norwegischen Fonds, zu dem im Rahmen der Europäischen Freihandels-Assoziation auch zwei weitere Efta-Mitglieder im mit der EU assoziierten sogenannten Europäischen Wirtschaftsraum, Island und Liechtenstein, beitrugen. All dies zusammen erlaubte letztlich mit einem Zuschuss des polnischen Staates die Renovierung der gesamten Kirche.

Für die Wiederherstellung der Madonna standen den polnischen Restauratoren von den deutschen Denkmalschutzbehörden hergestellte Abgüsse und Farbfotografien sowie einzelne aus dem Schutt gesicherte Fragmente des Mosaiks als Grundlage zur Verfügung. Bei der Untersuchung ergab sich, dass die Madonna rund einen halben Meter kleiner war, als man bislang angenommen hatte – was in der Rekonstruktion aber immer noch ein Gewicht von 16 Tonnen ausmachte. Auch die Gestaltung der Mosaikauflage erwies sich als aufwendig, musste man doch einen in Danzig nicht in der gewünschten Farbgebung herstellbaren Teil der Tessera (Mosaiksteine) aus Venedig beschaffen – genau wie dies vermutlich einst die Ordenskünstler getan hatten.

In fast zwei Jahren Bauzeit wurden die Gewölbe sowohl der Hauptkirche als auch der darunterliegenden Sankt-Annen-Kapelle mit den Gräbern der Hochmeister sowie das Glöcknerhaus soweit als möglich in ihrer alten Form wiederhergestellt, wobei sogar die noch erhaltenen gotischen Schlusssteine einbezogen werden konnten. Andererseits machte man die Zerstörungen des Krieges bewusst erkennbar, indem alte und erneuerte Bestandteile klar voneinander unterscheidbar sind. Mit der Wiederherstellung ihrer Kirche hat die Ordensburg gewissermaßen ihr geistliches Zentrum zurückerhalten. Alle daran Beteiligten haben der Stadt Marienburg und dem alten Ordensland einen Teil seiner Identität zurückgegeben und vielen Menschen ein Stück inneren Friedens geschaffen. Thomas W. Wyrwoll


Wie hält es der Islam mit der Gewalt?
Interview: Der syrisch-katholische Bischof Youhanna Jihad Battah wirft ein neues Licht auf den Syrien-Konflikt

Am Rande der diesjährigen Lutwinus-Wallfahrt bot sich der PAZ in Mettlach an der Saar die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Patriarchalvikar Bischof Youhanna Jihad Battah von der syrisch-katholischen Kirche Antiochiens aus Beirut. Themen waren der syrische Bürgerkrieg, der Islam und die Lage der Christen in einer mohammedanischen Mehrheitsgesellschaft. Die Fragen stellte Bodo Bost

PAZ: Herr Bischof, wie ist die Lage der Christen in Syrien?

Bischof Youhanna Jihad Battah: Die Menschen leiden unter der Gewalt, vor allem aber unter der ständigen Angst. Viele fliehen in sichere Regionen des Landes oder ins Ausland. Manche Regionen des Landes sind bislang vom Krieg verschont geblieben, darunter auch die Hauptstadt Damaskus, wo die Lage ruhig ist. Anders dagegen in Aleppo, einst ein Zentrum der Christen. Die Stadt wird seit fast vier Jahren heftig umkämpft von vielen Fraktionen und Terroristen. In den von den Kurden kontrollierten Gebieten im Norden Syrien haben die dortigen Christen, zumeist Assyrer und Aramäer, sich bewaffnet und kämpfen gemeinsam mit den Kurden gegen den Islamischen Staat (IS).

PAZ: Wie konnte es zu diesem Krieg kommen? Handelt es sich wirklich um einen Bürgerkrieg?

Bischof Youhanna Jihad Battah: Eines der ersten Opfer eines Krieges ist immer die Wahrheit und die Presse, die nicht mehr frei berichten kann. Der syrische Bürgerkrieg wurde dem Lande von außen aufgezwungen, von den islamischen Nachbarstaaten Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Sie haben die Gegner von Präsident Assad von Anfang an mit Waffen und einer gefährlichen fundamentalistischen Islamideologie unterstützt. Später haben auch der Westen und Israel Waffen geliefert und den Konflikt mit angeheizt. Mit der Eroberung von Mossul sind den IS-Terroristen große Mengen von Waffen und Geld in die Hände gefallen, jetzt brauchen sie keine Unterstützung von außen mehr.

PAZ: Welche Rolle spielt der Islam in diesem Konflikt?

Bischof Youhanna Jihad Battah: Der Konflikt hat viele Schichten, er ist auch ein religiöser zwischen den Alawiten von Präsident Assad und den Sunniten, die von der Türkei, Katar und Saudi-Arabien unterstützt werden. Der Islam hat zurzeit ein starkes Identitäts- und Autoritätsproblem. Der Islam muss auch die Frage klären, wie er zur Gewalt im Namen der Religion steht. Vor allem bei den Sunniten gibt es keine religiöse Hierarchie und oberste Autorität, die im Namen der Religion sprechen oder verhandeln kann. Jeder kann sich heute selbst über das Internet zum Vorbeter (Imam) oder religiösen Führer erklären, ohne Studium oder religiöse Legitimation. Sie können sich dabei sogar auf den Koran berufen. Dieses Problem müssen die sunnitischen Muslime selbst lösen, leider sind die Christen zwischen die Fronten dieses von ihnen nicht beeinflussbaren Machtkampfes unter Muslimen geraten.

PAZ: Was verlangen die Gläubigen in dieser Situation von ihren Priestern und Bischöfen?

Bischof Youhanna Jihad Battah: Die orientalischen Christen sind Verfolgung aus der Geschichte gewohnt, denken Sie nur an die große Armenierverfolgung und den Völkermord vor 100 Jahren im Osmanischen Reich, denen damals auch Hunderttausende anderer christlicher Gruppen zum Opfer gefallen sind. Zum Osmanischen Reich gehörten damals auch Syrien und der Libanon sowie Teile des Irak. Alle orientalischen Christen kennen solche Verfolgungen aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. Sie erwarten deshalb von ihren kirchlichen Vorgesetzten Hilfe und vor allem Hoffnung. Die Christen wissen, dass die Gegner des Christentums Terror und Tod verbreiten können, sie können Häuser und Kirchen zerstören, aber nicht den Glauben in den Herzen der Gläubigen. Wir Hirten sind und bleiben mit unseren Schafen auf den offenen Feldern. Die örtlichen Kirchen helfen vor allem denen, die alles verloren haben, mit ihrer Solidarität und Nächstenliebe.

PAZ: Wie kann der Krieg gestoppt werden, was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?

Bischof Youhanna Jihad Battah: Vor allem muss man zuallererst den Islamischen Staat stoppen. Dessen Erfolge haben viele Trittbrettfahrer in den letzten Jahren mit auf den Plan gerufen und aus vielen zunächst gemäßigten Muslimen Fundamentalisten gemacht. Niemand darf diesen Terroristen mehr Waffen oder Geld schicken. Erst wenn diese Dschihadisten und Islamisten des IS gestoppt sind, ideologisch und militärisch, am besten sogar durch eigene muslimische Kräfte, dann brauchen wir einen Dialog mit allen anderen, um zu einem Frieden zu kommen. Das Volk will den Frieden in Syrien, aber das Ausland lässt dies nicht zu. Die Christen vor allem wollen Frieden, sie halten Kontakte zu allen Seiten, das sieht man am besten bei den Friedensgesprächen in Genf, da gibt es syrische Christen und Christinnen in allen Delegationen. In Syrien wird seit mehr als fünf Jahren gekämpft, viele Ortschaften haben Dutzende von Malen ihre Herren gewechselt, kaum noch jemand weiß, wofür überhaupt noch gekämpft wird. Wir bitten Gott um Frieden.


MELDUNGEN

Strache will Tirol vereinigen

Wien – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will die Südtiroler über ihre Landeszugehörigkeit abstimmen lassen. „Ich will die bestehenden Wunden heilen und Tirol die Möglichkeit geben, sich wieder zu vereinen“, sagte er der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. Immer noch würden die Südtiroler in vielen Lebensbereichen diskriminiert und ihnen eine italienische Bürokratie aufgezwungen. Durch die Errichtung eines Grenzzaunes am Brenner werde die Durchtrennung Tirols „noch einmal plakativer“. Südtirol, seit der Abtrennung von Österreich 1920 die nördlichste Provinz Italiens, solle die Möglichkeit zur Selbstbestimmung gegeben werden, um so frei über seine Zukunft entscheiden zu können. Dies könnte dazu führen, dass Südtirol als Bundesland zu Österreich zurückkehrt.          J.H.

 

Israel warnt vor Rassenmischung

Jerusalem – Das israelische Bildungsministerium hat es abgelehnt, die Erfolgsnovelle „Die Hecke“ der persisch-jüdischen Schriftstellerin Dorit Rabinyan als allgemeine Wahllektüre in den weiterführenden Schulen des Landes zuzulassen. In der Erzählung verlieben sich eine jüdisch-israelische Übersetzerin und ein palästinensischer Künstler in New York, müssen sich aber nach der Rückkehr in ihre Heimat voneinander trennen. Als Begründung für ihren Beschluss führt die israelische Regierung an, dass das dargestellte Liebesverhältnis die jüdische Identität gefährde, da die Schüler die Gefahren einer – explizit so benannten – Rassenmischung nicht hinreichend einschätzen könnten. Nachdem es zu vehementen Protesten gegen die Entscheidung gekommen war und sich Oppositionsführer Isaak Herzog diese zunutze gemacht hatte, ruderte die Regierung zurück und erlaubt jetzt zumindest die fakultative Lektüre des Buches „in fortgeschrittenen Literaturklassen“.        T.W.W.

 

Partnerschaft unerwünscht

Baku/Paris – Aserbaidschan, das im April einen weiteren erfolglosen Versuch unternommen hat, die Selbstständigkeit der Armenier in Berg Karabach mit Gewalt zu beenden, hat etwas gegen die Städtepartnerschaft der französischen Stadt Bourg-lès-Valence mit Berg Karabach. Deshalb kam der Gerichtsvollzieher, um den Franzosen im Auftrag der Republik Aserbaidschan, zu der Berg Kara­bach nach aserbaidschanischer Völkerrechtsinterpretation immer noch gehört, in Zukunft die Reisen in ihn und den Briefverkehr mit ihrer Partnerstadt zu verbieten. Bourg-lès-Valence hat nach Paris, Marseille und Lyon die viertgrößte armenische Gemeinde in Frankreich. Etwa die Hälfte der 20000 Einwohner sind Nachkommen von Überlebenden des Völkermordes von 1915, die sich nach Frankreich hatten retten können. Die Einschüchterungsversuche Aserbaidschans haben die Franzosen indes nur noch mehr ermutigt, in der Völkerverständigung mit Berg Karabach fortzufahren: „Frankreich, das Mutterland der Menschenrechte, braucht keine Lektionen von Vergangenheitsverleugnern und Menschenrechtsverachtern“, heißt es seitens der Stadt und der Departementsverwaltung.          B.B.


S. 3 Deutschland

Massive Bedrohungen und Schikanen
Christliche Flüchtlinge werden sehr oft von Muslimen in Asylbewerberheimen drangsaliert

Christliche Flüchtlinge und Angehörige anderer Minderheiten werden in Asylbewerberunterkünften häufig durch Muslime bedroht. Mehrere Menschenrechtsorganisationen warfen der Politik auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin vor, die Christen schutzlos zu lassen. Die Bundeskanzlerin solle sich „endlich mit dieser unerträglichen Situation“ befassen und sie zur Chefsache machen.

Die Politik in Deutschland lasse christliche Flüchtlinge und Angehörige anderer Minderheiten wie Jesiden gegenüber Bedrohungen durch Muslime weitgehend schutzlos. Diesen Vorwurf erhoben fünf Menschenrechtsorganisationen bei einem gemeinsamen Auftritt im Haus der Bundespressekonferenz. Es verfestige sich der Eindruck, dass die „dramatische Entwicklung verdrängt, verharmlost oder nicht beachtet“ werde, hieß es in einer Presseerklärung. Häufig werde fälschlicherweise nur von „Einzelfällen“ gesprochen. Die Organisationen forderten die Politik und Behörden auf, endlich für wirksamen Schutz zu sorgen.

Die Pressekonferenz wurde vom christlichen Hilfswerk „Open Doors“, dem Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland (ZOCD), dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“, der „Aktion für verfolgte Christen und Notleidende“ (AVC) und der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) veranstaltet. Als Zeugen waren die christlichen Flüchtlinge Fadi S. aus Syrien und Ramin F. aus dem Iran anwesend. Auf dem Podium saß auch Pfarrer Gottfried Martens von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Selk) in Berlin-Brandenburg, der schon seit Langem auf die unhaltbare Lage vieler Christen, aber auch zum Beispiel von Jesiden in Flüchtlingsheimen angesichts der Bedrohungen durch Muslime hinweist.

Die Organisationen appellierten an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich dieser „unerträglichen Situation von schweren Menschenrechtsverletzungen in Deutschland endlich zu widmen“ und dies zur Chefsache zu machen. Es genüge nicht, wenn Merkel die Religionsfreiheit nur im Ausland anspreche. Der Vorsitzende von „Open Doors“, Max Rode, sagte, unter christlichen Flüchtlingen in den Unterkünften herrsche häufig ein „Klima von Angst und Panik“. Rode stellte die Ergebnisse einer Befragung von Christen mittels Fragebögen vor. Darin sind allein aus zwei Monaten 231 Vorfälle aus ganz Deutschland dokumentiert. Bei ihnen geht es um Diskriminierung, Körperverletzungen, sexuelle Übergriffe und sogar Todesdrohungen durch Muslime. Die Christen gaben an, sowohl durch Mitflüchtlinge als auch vonseiten des Wachpersonals Verfolgung erlebt zu haben. Drei Viertel der Befragten wurden wiederholt angegriffen. 80 Prozent der Befragten wünschen sich eine getrennte Unterbringung von Christen und Muslimen.

Wie die IGFM erklärte, haben sich jesidische Frauen und Mädchen an sie gewandt, weil muslimische Dolmetscher sie bedroht oder ihre Aussagen in Anhörungsverfahren falsch übersetzt hatten. Über bewusst falsche Übersetzungen durch muslimische Dolmetscher hat auch schon „Report München“ vom Bayerischen Rundfunk berichtet. Wie der ZOCD mitteilte, unterhält er eine Notfall-Hotline, bei der an Spitzentagen bis zu 100 Anrufe betroffener Christen eingehen, häufig mit Meldungen über gewaltsame Übergriffe.

Die gemeldeten Vorfälle stellten nur die Spitze des Eisbergs dar, wurde betont. Vieles werde aus Angst vor Todesdrohungen – auch gegenüber den in Heimatländern verbliebenen Angehörigen – nicht gemeldet. Die Organisationen fordern die Erfassung der Religionszugehörigkeit bei der Erstaufnahme und Weitergabe der Daten bei Verlegung in andere Unterkünfte. Außerdem müsse der „nicht-muslimische Anteil“ beim Wachpersonal erhöht werden. Muslimischer Wachschutz sei „mehrmals selbst zum Täter“ geworden. Strafanzeigen würden praktisch nichts bewirken oder zu vermehrten Bedrohungen führen, hieß es. Pfarrer Martens hatte bereits im April auf einer Veranstaltung der CDU/

CSU-Fraktion zur Lage in den Flüchtlingsheimen erklärt, er rate Christen inzwischen von Strafanzeigen ab, außer in „extremen Fällen“. Denn nach seiner Erfahrung gebe es dann immer „massenhaft Gegenanzeigen“, es stünde Aussage gegen Aussage, und am Ende gingen die Christen als Verlierer hervor.

Auf der CDU/CSU-Veranstaltung hatten der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder und der katholische Bischof von Berlin, Heiner Koch, eine von vornherein getrennte Unterbringung von Christen und Muslimen als angeblich nicht nötig abgelehnt. Martens hatte damals für wenigstens Schutzräume plädiert, wenn akute Notlagen entstanden sind. Jetzt erklärte er auf Nachfrage der PAZ, er halte es nach wie vor für sinnvoll, nicht-muslimische Minderheiten von vornherein getrennt unterzubringen. Alle anderen derzeit dis-kutierten Lösungen seien schlechter. Das Bereitstellen von Schutzräumen sei nur ein Provisorium: „Jetzt müssen wir an Stelle des Staates die Menschen aus den Heimen herausholen. Das kann doch keine Dauerlösung sein.“

Die gemeinsame Unterbringung von Muslimen und Christen erfolge „ja immer unter dem Vorzeichen, es müsse doch möglich sein, dass Integration gelingt“. Aber die gelinge eben nicht, wenn die nicht-muslimischen Minderheiten weniger als fünf Prozent ausmachten. Hinzu komme die „fatale Entscheidung“, dass Asylbewerber sechs Monate in den Erstaufnahme-Einrichtungen verbringen müssen. „In der Zeit werden die Minderheiten bis zum Geht-nicht-mehr schikaniert“, erklärte Martens.

Paulus Kurt vom ZOCD hatte auf die Frage der PAZ erklärt, auch seine Organisation habe immer eine getrennte Unterbringung gefordert. „Aber nachdem wir gemerkt haben“, sagte Kurt, „dass die Politik und auch die Kirchen da nicht mitmachen, wollen wir wenigstens eine höhere Prozentzahl von Christen in einer Unterkunft.“ Martens bezweifelte hingegen, dass solche ausgewogeneren Verhältnisse in Zukunft hergestellt werden. Der syrische Christ Fadi S. erklärte: „Ich bin vor den Islamisten geflohen und begegne ihnen wieder hier im Flüchtlingsheim.“ Einige würden offen erklären, den Islamischen Staat (IS) zu unterstützen.         Michael Leh


Unfreiwillige Feuerwehr
Immer mehr Kommunen ziehen Bürger zum Pflichtdienst heran

Als die Gemeinde List auf Sylt 2005 eine Pflichtfeuerwehr aufstellte, sorgte das noch bundesweit für Aufsehen. Mittlerweile sind zahlreiche Kommunen diesen unpopulären Weg gegangen, weil ihre Freiwilligen Feuerwehren wegen Personalmangels nicht mehr einsatzfähig waren. Die rechtliche Handhabe dazu bieten landesrechtliche Vorschriften, nach denen die Gemeinden ihre Einwohner unter bestimmten Umständen zu öffentlichen Dienstleistungen heranziehen können. Herangezogen werden in der Praxis üblicherweise Personen zwischen 18 und 50 Jahren, sofern sie körperlich und geistig dienstfähig sind und nicht bestimmten, als unabkömmlich geltenden Berufsgruppen angehören. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Die Verpflichtung erfolgt nicht nach bestimmten Kriterien, sondern willkürlich, was bei den Betroffenen nicht gerade zur Akzeptanz der Pflichtfeuerwehr beiträgt.

Derzeit gibt es in Deutschland rund eine Million aktive freiwillige Blauröcke, die in 24000 Wehren organisiert sind. Doch Jahr für Jahr werden es weniger. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ganz allgemein steht das Ehrenamt gerade bei Jüngeren nicht mehr hoch im Kurs. Ein wichtiger Faktor ist zudem die demografische Entwicklung. Für die altersbedingt aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Kameraden gibt es keine Nachfolger. Auch hat die Freiwillige Feuerwehr als gesellschaftlicher Faktor und gemeinschaftsstiftende Institution vielerorts an Bedeutung verloren. Oft sind es auch interne Streitigkeiten wie Generationenkonflikte, die zu Massenaustritten von Mitgliedern führen. Viele Mitglieder gehen den Wehren zudem wegen berufsbedingter Ortswechsel verloren. Nicht zuletzt arbeiten viele Personen, die für den freiwilligen Dienst geeignet wären, weit von ihrem Wohnort entfernt, weshalb sie bei einer Alarmierung während der Arbeitszeit nicht zur Verfügung stehen würden.

In den Städten kommt ein weiteres Problem hinzu: Sie wachsen, aber die Berufsfeuerwehr wächst aus Kostengründen nicht mit. In Hamburg beispielsweise sind fast alle Löschzüge nicht mehr voll besetzt. Das hat zur Folge, dass die hauptamtlichen Kräfte die vorgegebenen Schutzziele nicht annähernd erreichen können. Damit der Grundschutz überhaupt noch gewährleistet ist, muss zu fast allen Einsätzen der Berufsfeuerwehr die Freiwillige Feuerwehr mit ausrücken. Doch auch die Hamburger Freiwilligenwehren leiden unter Mitgliederschwund. Innerhalb von nur zehn Jahren ist die Zahl der freiwilligen Feuerwehrleute um 70 zurückgegangen, was der Besatzung von zwei kompletten Wehren entspricht. Und selbst die Wachen, die noch gut besetzt sind, müssen sich zeitweise außer Dienst melden, weil ihre Mitglieder arbeitsbedingt ortsabwesend sind. Die Hamburger Innenbehörde sieht trotz allem keinen Grund zur Besorgnis, denn sie hat bereits eine Lösung für das Personalproblem parat. Sie will versuchen, „vermehrt Hamburger mit Migrationshintergrund“ für den Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr zu gewinnen.

Da sich die Personalsituation bei den Ehrenamtlichen kaum nennenswert bessern wird, muss der Staat den hauptamtlichen Sektor ausbauen, um seiner Pflicht zur Daseinsvorsorge im Bereich des Brandschutzes und der Hilfeleistung nachzukommen. Doch stattdessen spart er lieber weiter und nimmt seine Bürger an seiner Stelle in die Pflicht.  J.H.


Arbeitsteilung?
Wie die CSU-Führung die Merkel-kritische Basis befriedigen will

In Bayern, so beschwören es die Christsozialen, ist die Welt noch in Ordnung. Jüngsten Umfragen zufolge könnte die CSU auch bei den kommenden Landtagswahlen die absolute Mehrheit erzielen. Und angesichts der stabilen Werte für die Alternative für Deutschland (AfD) gibt es immer mehr Funktionäre der Christsozialen, die eine bundesweite Ausdehnung befürworten. Damit wird es zumindest zur nächsten Bundestagswahl im kommenden Jahr nichts werden, aber Parteichef Horst Seehofer übt in diesen Tagen unverhohlen die Machtprobe. Sollten CDU und CSU ihre inhaltlichen Differenzen nicht überbrücken können, werde die CSU 2017 einen eigenen Wahlkampf bestreiten, sagte der bayerische Ministerpräsident auf einer Sitzung der Strategiekommission seiner Partei. In einem solchen Falle würde er selbst auf Platz eins der Landesliste für den Bundestag kandidieren, sagte Seehofer einem „Spiegel“-Bericht zufolge. Den Wählern müsse dann klar gezeigt werden, dass sie nicht Merkel, sondern die CSU wählten. Die CSU werde sich dann im Wahlkampf als Garant dafür präsentieren, dass Merkel ihren Kurs nicht einfach fortsetzen könne.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ beruft sich dabei auf interne Quellen, die besagen, dass Seehofer in Wirklichkeit gar kein Bundestagsmandat anstrebe. Man könne es je nach Sichtweise entweder als Drohung oder aber als Arbeitsteilung sehen. Denn bisher habe Seehofer, sei es bei der Eurorettung oder der Asylkrise, am Ende seine Drohungen nicht umgesetzt und in Gesprächen mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel klein beigegeben. Eine eigenständige Kandidatur könnte zur Befriedung der CSU-Basis beitragen. Denn in einigen Wahlkreisen sei die Anti-Merkel-Stimmung zwi-schenzeitlich so ausgeprägt, dass örtlichen CSU-Kandidaten die Gretchenfrage drohte, ob sie Merkel im Bundestag ihre Stimme bei der Kanzlerwahl verweigern würden, berichtet das Magazin.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte unterdessen vor unabsehbaren Konsequenzen: „Na klar nehme ich das ernst.“ Eine bürgerliche Partei, die Volkspartei der Mitte sein wolle, müsse den Anspruch haben, stärkste Partei zu sein. Wenn sie diesen Anspruch nicht mehr habe, indem sie sich in Gruppen teile, habe sie einen wesentlichen Teil dieser faszinierenden Integrationskraft aufgegeben: „Das würde ich niemals machen.“ Er glaube auch nicht, dass Seehofer dies aufgeben wolle, sagte Schäuble gegenüber dem „Handelsblatt.“ Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte allerdings gegenüber dem „Spiegel“, es sei offen, ob es ein gemeinsames Wahlprogramm von CSU und CDU geben werde. „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass CDU und CSU mal bei einem zentralen Thema so weit voneinander entfernt denken und agieren können, wie sich das in der Flüchtlingsfrage gezeigt hat“, sagte Dobrindt: „Daraus muss man strategische Schlüsse ziehen und entsprechend handeln.“ Allerdings versuchten führende Christsoziale, einen möglichen Konflikt kleinzureden. Auch Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber hätten bereits für den Bundestag kandidiert, ohne das Mandat am Ende anzunehmen. Dies ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit, waren beide doch gemeinsame Spitzenkandidaten von CDU und CSU bei den Bundestagswahlen 1980 und 2002.     P. Entinger


MELDUNGEN

Polizei folgt Spur zur RAF

Hildesheim – Möglicherweise wären der Polizei drei seit Jahrzehnten untergetauchte Terroristen der Roten Armee Fraktion ins Netz gegangen, hätte sie nicht das falsche Auto verfolgt. Zuvor hatte das mas-kierte Trio vergeblich versucht, Geld bei einem bewaffneten Supermarktüberfall zu erbeuten. Die Polizei sieht Parallelen zwischen dieser Straftat und zwei Überfällen auf Geldtransporter in Stuhr bei Bremen und in Wolfsburg. Auch dort mussten die Täter ohne Beute fliehen. Durch DNA-Spuren konnte nachgewiesen werden, dass Daniela Klette (57), Ernst-Volker Straub (61) und Burkhard Garweg (47), Mitglieder der „dritten Generation“ der RAF, die Täter waren. Ihnen wird unter anderem der Sprengstoffanschlag auf das Gefängnis im hessischen Weiterstadt im Jahre 1993 zur Last gelegt.  J.H.

 

Pegida: »Rechte ohne Einfluss«

Dresden – Alle rechtsextremistischen Einflussnahmeversuche auf die „-gida“-Bewegungen könnten spätestens mit dem Sommer 2015 als gescheitert betrachtet werden, heißt es im neuen Jahresbericht des sächsischen Verfassungsschutzes. Zwar sei es bei Pegida zu einigen „ressentimentbehafteten Redebeiträgen oder Sprechchören“ gekommen, auch zeige ein Teil der Sympathisanten „ein Misstrauen bis hin zur Feindschaft gegenüber etablierten Parteien und Politikern, Medien sowie gegenüber Flüchtlingen“. Allerdings lägen „in der Gesamtschau“ keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine „verfassungsfeindliche Bestrebung“ vor. Vielmehr zeige sich, dass „die Abgrenzung zwischen bürgerlichem und offen extremistischem asylbezogenen Protest nach wie vor überwiegend besteht“. Das sächsische Landesamt sieht daher keine Veranlassung für eine Beobachtung der „-gida“-Bewegungen.                J.H.


S. 4 Der deutsche Mann

Er kann’s nur falsch machen
Der deutsche Mann sitzt zwischen allen Stühlen

Die Ereignisse von Köln wirken in der öffentlichen Debatte bis heute nach. Leider tun sie dies nicht immer mit Beiträgen, die diese weiterbringen. Obwohl sich mehr und mehr das Versagen von Poli­zeiführung und Politik als eigentliche Ursache herausgestellt hat, muss der deutsche Mann an sich als Schuldiger herhalten.

Die Argumente für diese Schuldzuweisung sind weder neu noch originell. Für die feministische Journalistin Anabel Schunke liegt die Ursache für die Ereignisse in der Silvesternacht in der männlichen Verweichlichung durch eine Erziehung, die an gewaltfreier Konfliktlösung, Gesetzestreue und Gleichheit von Mann und Frau ausgerichtet ist. Schunke nennt diese eher weiblichen Idealen folgende Erziehung „genderisiert“.

Ins gleiche Horn stoßen Journalisten wie der „Welt“-Korrespondent Eckhart Fuhr, für den die deutschen Männer Versager sind. Die Genannten sind damit auf die Linie der rechtsintellektuellen Zeitschrift „Sezession“ eingeschwenkt, in dessen Online-Ausgabe Autor Thor Kunkel den modernen „verhausschweinten“ Mann attackiert, weil der seine Beschützerpflicht nicht mehr erfülle. Kunkel spricht ihm sogar den Willen zur Selbsterhaltung ab.

Wenn der deutsche Mann schon kein Scheusal ist, dann ist er also ein Feigling. Die vielschichtige Lebenswirklichkeit deutscher Männer spielt keine Rolle. Da sind auf der einen Seite die überwiegend männlich besetzten Eliten in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Auf der anderen Seite findet man eine überwiegend männliche Obdachlosigkeit und in allen Altersgruppen eine deutlich höhere Selbstmord­rate bei den Männern als bei den Frauen. Männer stellen die Mehrheit in Gefängnissen und psychiatrischen Einrichtungen. Sie sterben eher – im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Die meisten Gewalttäter sind männlich – aber auch die meisten Opfer von Gewaltverbrechen. So nennt die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2010 145823 männliche Opfer von Gewaltverbrechen gegenüber 59165 weiblichen. Männer führen nicht nur die meisten Unternehmen, sondern auch die Statistik tödlicher Arbeitsunfälle an.

Auch die Jungen haben es schwer. Sie fallen gegenüber den Mädchen zurück, erreichen die schlechteren Schulabschlüsse und sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist ein stark männlich geprägtes Phänomen. Zudem ist Selbstmord unter Jungen und jungen Männern die häufigste Todesursache. Gleichzeitig steigt die Zahl von Jungen mit Verhaltensproblemen. Laut dem Ärztereport der Barmer GEK diagnostizierte man zwischen 2009 und 2011 an 620000 Kindern und Jugendlichen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – 76 Prozent dieser Jugendlichen waren Jungen.

Man sollte nun meinen, dass sich ein breites Spektrum an Institutionen und Organisationen um das schwächelnde Führungsgeschlecht kümmern würde. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt so gut wie keine Angebote für Männer, die Opfer von Kriminalität oder sexualisierter Gewalt geworden sind. Die Tatsache, dass auch Männer und Jungen Opfer von Sexualverbrechen werden, wird sogar abgestritten und geleugnet. Hilfsangebote von Opfern häuslicher Gewalt richten sich fast ausschließlich an Frauen, ebenso Angebote für Obdachlose oder für Menschen, denen Obdachlosigkeit droht.

Mit dem Patriarchat ist es also nicht weit her. Eine schmale Oberschicht wird privilegiert. Dagegen muss das Gros der Männer klaglos Härten ertragen, verbale und gelegentlich auch physische Gewalt hinnehmen und die eigenen Bedürfnisse hintenan stellen. Wer Schwächen zeigt, sich widersetzt, älter wird oder einfach nur schwer krank, den sortiert man als wertlos aus.

Vielleicht sollte man sich daher über die mangelnde alltägliche Kampfbereitschaft von Männern nicht allzu sehr wundern. Vielleicht hat hier auch besonnenes Verhalten Schlimmeres verhindert.          Friedrich List


MGTOW haben ausgecheckt
Unabhängig von konservativen wie feministischen Männeridealen

Immer mehr Männer haben es einfach satt. Sie haben Verhältnisse satt, in denen sie für so ziemlich alles, was schief läuft, pauschal verantwortlich gemacht werden. Viele Männer in der westlichen Welt und in Asien orientieren sich daher neu. Im englischsprachigen Raum nennen sie sich „MGTOW“. „MGTOW“ steht für „Men Going Their Own Way“, übersetzt „Männer, die ihren eigenen Weg gehen“. Das sind Männer, die sich genauso vom traditionellen Männlichkeitsideal abgewendet haben wie von den Ansichten, die der Feminismus über Männer hegt. In Japan heißen sie „Grasesser“, ein Verweis auf die japanische Identifizierung von Fleischessen mit Virilität und Stärke. Die „Grasesser“ sind individualistisch, künstlerisch und einzelgängerisch, wo der japanische Mann leistungsorientiert und auf das Kollektiv bezogen sein soll. Längst bilden sie eigene, durchaus wohlhabende Subkulturen.

In den USA fand das MGTOW-Phänomen erstmals 2013 größere Aufmerksamkeit. Damals schrieb die Psychologin Helen Smith in ihrem Buch „Men on Strike. Why Men Are Boycotting Marriage, Fatherhood, and the American            Dream – and Why It Matters“ über die wachsende Zahl von Männern, die sich sowohl von traditionellen wie von feministischen Forderungen abwenden. Aber diese Bewegung ist mindestens ein Jahrzehnt älter. Die ersten MGTOW fanden sich um 2003 auf der Internetseite „The Nice Guy“ zusammen. 2005 erschien ein erstes Manifest im Netz. Mittlerweile gibt es MGTOW auf der ganzen Welt. Auch in Deutschland werden es mehr, was sich nicht zuletzt an der wachsenden Zahl von Blogs und Gruppen in sozialen Netzwerken wie „Facebook“ ablesen lässt.

MGTOW haben ausgecheckt. Den eigenen Weg zu gehen, heißt, möglichst unabhängig zu sein von einem System, das in Männern wenig mehr als willige und jederzeit ersetzbare Arbeitskräfte sieht, das über Steuern und das Scheidungsrecht den Männern nimmt, sich vor Leistungen für Männer aber drückt.

Für Konservative wie für den Feminismus ist diese Entwicklung Besorgnis erregend. Beide Lager verlieren so mehr und mehr die, die für sie die Zeche zahlen.   F.L.


Der Niederschlag bei Twitter

Der Internet-Nachrichtendienst „Twitter“ ist so etwas wie der Tratschtresen der digitalen Welt. Twitter-Gespräche gruppieren sich unter Titeln oder „hashtags“. Einzelne Nachrichten oder „tweets“ haben 140 Anschläge. Auch die Geschlechterpolitik hat längst Einzug gehalten. Wer sich hier auf die richtigen Themen setzt, kann berühmt werden. Der hashtag „Aufschrei“ machte die Öffentlichkeit auf die Anzüglichkeiten Rainer Brüderles aufmerksam und sah im Land viele kleine Brüderles am Werk. Der Initiatorin Anne Wizorek verhalf er zum Grimme-Preis und zu Buchveröffentlichungen. Unter dem Stichwort „ausnahmslos“ lancierte sie nach den Ereignissen von Köln die nächste Kampagne, dieses Mal gegen sexuelle Gewalt und Rassismus.

Aber nun mussten sich die  Initiatorinnen vorhalten lassen, die Opfererfahrungen weißer Frauen abzuwerten und der sexualisierten Gewalt im Allgemeinen unterzuordnen, weil die Täter eindeutig nicht-weiß und daher selbst als Angehörige einer diskriminierten Minderheit galten. Darauf folgte „imzugpassiert“ von Anna Lena Bankel, die Belästigungen in der Bahn thematisierte und bereits nach 34 Tweets in nationalen Leitmedien auftauchte. Anlass war eine Meldung über Frauenabteile der Mitteldeutschen Regionalbahn. Als die MRB klarstellte, dass sie nur gesonderte Abteile für Familien und Rentner anbietet, war der Fall so gut wie erledigt. Zudem wurden die hashtags nach und nach von Pöblern und Parodisten übernommen.

Männerrechtler starteten ihrerseits zum 1. April „TüpischTüpen“, um sich über feministische Twitter-Kampagnen lustig zu machen. Das Medienecho blieb trotz tausender Tweets aus. Die Sache der Männer ist wohl die falsche Sache. Aber die Männerrechtler machen weiter. Aktuell sind sie unter „Article7“ unterwegs, der sich auf den Artikel 7 der Erklärung der Menschenrechte bezieht. Dieses Mal ist die reale Benachteiligung von Männern Thema. F.L.


Zeitzeugen

Anne Wizorek – Ein Kreis von Netzfeministinnen um die „Aufschrei“-Initiatorin lancierte nach „Aufschrei“ eine weitere Twitter-Kampagne unter dem Motto „ausnahmslos“, um klarzumachen, dass sexuelle Übergriffe wie zu Silvester in Köln und anderswo nur Teil einer übersehenen düsteren Realität sexuell motivierter Gewalt seien. Diese Gewalt sei Teil der Strategie, mit der Männer Frauen beherrschen.

Arne Hoffmann – Der Journalist, Buchautor und Blogger schreibt das Blog „Genderama“, eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Männerbewegung. In seinen Büchern und auf seinem Blog kritisiert er die konkreten Benachteiligungen von Männern und nimmt feministische Positionen immer wieder kritisch unter die Lupe. Als einer der ersten wies er auf sexualisierte Gewalt gegen Männer und die fehlenden Hilfsangebote hin.

Walter Hollstein – Der seit 2007 in Basel lebende Soziologe gilt als einer der profiliertesten und anerkanntesten Männerforscher des deutschen Sprachraums. In seinen Veröffentlichungen kritisiert er die Abwertung des Männlichen und die Umdeutung männlicher Tugenden zu Untugenden. Hollstein vertritt eine eigenständige Männerforschung und -politik, die sich an den realen Bedürfnissen von Männern orientiert.

Heike Diefenbach – Zusammen mit dem Wissenschaftler Michael Klein betreibt die in Großbritannien lebende und arbeitende Soziologin das Blog „sciencefiles“ und fordert, Jungen im Bildungswesen wieder stärker zu berücksichtigen. Außerdem existiert für sie in weiten Teilen der Erde kein Patriarchat mehr. Zudem fordert sie, die öffentliche Finanzierung von Gender-Forschung einzustellen.

Monika Ebeling – Die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar wurde 2011 in dieser Funktion abgelöst. Sie hatte mehr Geschlechtersensibilität bei Trennung und Scheidung angemahnt, weil ihr aufgefallen war, dass Väter oft nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Etwas später verlor sie auch ihren Job als Kita-Leiterin. Für sie ist die Inklusion der Männerpolitik in die Gleichstellungspolitik deren notwendige Weiterentwicklung.


S. 5 Preussen/Berlin

Länderfusion unbeliebter denn je
20 Jahre nach der gescheiterten Hochzeit: Brandenburger zeigen Berlin die kalte Schulter

Im Mai 1996 scheiterte der Versuch einer „Wiedervereinigung“ der Länder Berlin und Brandenburg. Die Akteure hofften damals, später mit einem zweiten Anlauf Erfolg haben zu können. Vergeblich: 20 Jahre danach hat eine Fusion speziell bei den Brandenburgern weniger Chancen denn je.

Bereits im vergangenen Jahr förderte eine Forsa-Umfrage zutage, dass sich die Ablehnungshaltung bei den Brandenburgern verfestigt hat. Gut 69 Prozent der Befragten sprachen sich gegen eine Zusammenlegung ihres Landes mit Berlin aus. Als am 5. Mai 1996 über ein Zusammengehen mit Berlin abgestimmt wurde, lag der Anteil der Nein-Stimmen in der Mark „nur“ bei 62,7 Prozent. Für eine Fusion stimmten damals in Brandenburg 36,6 Prozent.

Vermutlich stehen mehrere Ursachen dahinter, dass sich die ablehnende Haltung gegen eine Länderfusion mit Berlin im Laufe der Zeit noch verstärkt hat. Einer davon könnte sein, dass es auch ohne Fusion recht gut läuft mit der Zusammenarbeit. So betreiben Berlin und Brandenburg mittlerweile eine ganze Reihe von gemeinsamen Behörden und Institutionen.

2005 wurde beispielsweise das gemeinsame Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam geschaffen. Zusammengelegt wurden ebenso die Behörden für die Landesplanung, die Statistikämter  und die beiden Rundfunkanstalten SFB und ORB.

Im besten Fall funktionieren die neuen Behörden zwar ohne Probleme. Doch die versprochenen großen Effizienzgewinne sind oftmals ausgeblieben, wie inzwischen auch der brandenburgische Landesrechnungshof bestätigt. Als abschreckendes Beispiel für „gemeinsames Handeln“ gilt vielen Märkern das Projekt des Großflughafens Berlin-Brandenburg (BER). Nicht wenige Brandenburger haben beim BER den Eindruck, dass es sich dabei um ein Vorhaben handelt, das maßgeblich von Berliner Politikern an die Wand gefahren wurde.

Angesichts der kostspieligen Dauerbaustelle ist es kaum verwunderlich, dass es inzwischen auch in der Wirtschaft Brandenburgs einen deutlichen Stimmungsumschwung gegeben hat, was die Länderfusion anbetrifft. Wie im Februar 2016 eine Umfrage der Industrie- und Handelskammern ergab, plädierten 60 Prozent der Berliner Firmenchefs für eine Fusion. Von der brandenburgischen Wirtschaft wurde dagegen der vorläufige Zustimmungs-Tiefststand von nur noch 40 Prozent gemeldet. Noch in den 90er Jahren hatten auch Brandenburgs Unternehmer zu den eifrigsten Befürwortern einer Fusion gehört.

Spürbar gewachsen ist die Skepsis sogar bei den Bewohnern des sogenannten Speckgürtels rund um die deutsche Hauptstadt. Nicht zuletzt, weil es sich oftmals um ehemalige Berliner handelt, die nach 1990 in das märkische Umland gezogen waren, traf hier 1996 der Fusionsplan auf die größte Zustimmung unter den Regionen Brandenburgs. 20 Jahre später haben viele dieser Ex-Berliner jedoch die Vorzüge des Landes Brandenburg zu schätzen gelernt: Vieles ist verbesserungswürdig, im Vergleich zu den Berliner Verhältnissen herrscht inzwischen aber oftmals der Eindruck vor, in einer halbwegs heilen Welt zu leben. 

So sind im Speckgürtel behördliche Angelegenheiten wie eine Ummeldung oder ein  Passantrag innerhalb weniger Minuten erledigt. In Berlin bemisst sich die Wartezeit auf einen Termin beim Bürgerbüro mittlerweile in Wochen. Ein Vergleich der Schulen oder Kitas fällt ebenso oftmals zugunsten Brandenburgs aus.

Die Schwarzmalerei, welche mancher Fusionsbefürworter für den Fall eines Scheiterns der Länderhochzeit in den 90er Jahren betrieben hatte, sieht sich von der Realität widerlegt. Das selbstständig gebliebene Brandenburg ist keineswegs wirtschaftlich in eine Sackgassen geraten. Vor 20 Jahren gab Brandenburg auf verschiedenen Gebieten tatsächlich das Schlusslicht unter den neuen Bundesländern. Inzwischen ist die Arbeitslosigkeit – von einst 20 Prozent – aber auf gut neun Prozent zurückgegangen. Vor allem der Speckgürtel rund um Berlin pros­periert inzwischen. Anteil daran hat auch ein Lernprozess bei der brandenburgischen SPD, die seit 1990 ununterbrochen in Regierungsverantwortung steht. Lange Zeit war die Landesregierung bemüht, mit Großprojekten wie  etwa dem Lausitz-Ring oder der Ansiedlung einer Chip-Fabrik in Frankfurt an der Oder das Land quasi mit einem großen Wurf voranzubringen.

Nachdem derartige Vorhaben mit Regelmäßigkeit gescheitert sind, ist in Potsdam jedoch Pragmatismus eingekehrt. Die Verantwortlichen konzentrieren sich mittlerweile auf die eher unspektakuläre, aber erfolgreichere Entwicklung des Berliner Umlands, anstatt weiterhin Steuergelder in Mega-Projekten zu versenken.

Spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpakts für die neuen Bundesländer im Jahr 2019 könnte das Thema Länderfusion aus finanziellen Gründen aber erneut auf die Tagesordnung gelangen. Dabei dürfte es allerdings kaum mehr um einen Zusammenschluss von Berlin und Brandenburg gehen. Nach ihren Präferenzen befragt, äußern die Brandenburger einen klaren Favoriten: Bei einer Forsa-Umfrage gaben 58 Prozent der Märker an, die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern besonders gut leiden zu können. Sinnvoll erscheinen könnte es ebenso, über ein Zusammengehen Brandenburgs mit Teilen Sachsen-Anhalts, wie etwa der Altmark, nachzudenken. Dies wäre auch historisch gut begründet, denn eigentlich ist die Altmark der westlichste Landstrich der Mark Brandenburg.                 Norman Hanert


Museumsinsel
von Vera Lengsfeld

Berlin ist im Frühling besonders schön und reich an Attraktionen. Im Britzer Garten lockt die „Tulipan“, eine farbenprächtige Sammlung tausender Tulpen. Nicht nur im Botanischen Garten, auch im Zoo und im Tierpark blühen die Rhododendren um die Wette. Sie leuchten in Vorgärten und auf Hinterhöfen.

Mein Favorit ist aber die in alter Pracht auferstandene Museumsinsel, auch wenn sie mehr Kunst und Architektur als Natur zu bieten hat. Von der Friedrichstraße aus kann man sich der Westspitze mit dem Bodemuseum auf einem nach der Vereinigung angelegten Uferweg der Spree nähern. Um diese Zeit blüht üppig der Blauregen, der sich an schönen Gittern hochranken konnte. Stellenweise läuft man durch eine hellblaue Wolke.

Das Bodemuseum wurde lange und aufwendig saniert, rekonstruiert und modernisiert. Es präsentiert seine atemberaubende Skulpturensammlung nach allen Regeln der neuen Ausstellungskunst. Man würde in Vergessenheit und Schönheit versinken, wenn nicht ab und zu ein Zug auf der neben dem Kupfergraben angelegten Hochbahn vorbeifahren und an die Welt draußen erinnern würde.

Das Pergamonmuseum nebenan wartet noch auf die Fertigstellung seines neuen Eingangsgebäudes. Wenn alles fertig ist, wird man unterirdisch von Museum zu Museum laufen können, ohne sich Wind und Wetter aussetzen zu müssen, vorausgesetzt, man ist bereit, eine Verbundkarte zu kaufen.

Das Neue Museum stand am längsten als Ruine herum, bis es Anfang 2000 vom englischen Stararchitekten David Chipperfield aus seinem Dornröschenschlaf erweckt wurde. Sein Plan, das Gebäude zu heilen, ohne alle Wunden, die ihm vom Krieg und vom Lauf der Zeiten geschlagen wurden, verschwinden zu lassen, ist gelungen. Wenn man heute durch die Räume geht, ist man nicht nur beeindruckt, wie wunderbar die schönste Frau Berlins, Nofretete, ins beste Licht gesetzt wird, sondern auch von der Geschichtslektion, die von den Mauern erteilt wird.

Die Nationalgalerie strahlt in altem Glanz, umgeben von einem wieder intakten Kolonnadengang, der bis vor zehn Jahren noch gern als Kulisse für Kriegsfilme genutzt wurde. Auch die Grünanlagen sind nach alten Plänen neu angelegt worden.

Besonders harmonisch wirkt das Alte Museum von Schinkel, das so genannt wird, weil es als erstes gebaut wurde. Ihm schließt sich der Lustgarten an, auf dem zu Kaisers Zeiten Orangenbäume standen.

Gegenüber zeichnet sich die Schloss-Silhouette ab, schon mit Kuppel. Im Hintergrund die Friedrichwerdersche Kirche, auch ein Schinkelbau, und die Bauakademie-Installation. Wenn deren Wiederaufbau gelingt, ist das Gesamtensemble fast wieder hergestellt.


Lehrer verzweifelt gesucht
Brandenburgs Schulen: 118000 Stunden ersatzlos gestrichen

Die Einstellung von weiterem Lehrpersonal hat nicht verhindert, dass in Brandenburg häufig der Schulunterricht ausfällt. Wie durch eine parlamentarische Anfrage der Gruppe BVB/Freie Wähler bekannt wurde, mussten allein im ersten Schulhalbjahr 2015/2016 rund 118000 Stunden ersatzlos gestrichen werden.

Als Gründe für den Ausfall werden fehlende Bewerber für offene Stellen und die Fehlstunden von Lehrern genannt. So waren laut Bildungsministerium Ende 2015 rund 470 Pädagogen länger als drei Monate krank gemeldet. Die Gewerkschaft GEW schätzt, dass in Brandenburg derzeit 600 bis 800 Lehrer wegen Krankheit fehlen. Durch Einstellung neuer Lehrer konnte der Unterrichtsausfall 2014/15 im Vergleich zum Vorjahr an den Grund- und Oberschulen, Gymnasien und Oberstufenzentren nur minimal um etwa 1,7 Prozent vermindert werden.

Ähnlich wie bei Ärzten ist es vor allem im ländlichen Raum ein Problem, geeignete Lehrkräfte zu finden. Als besonders schwierig gilt die Lage in der bevölkerungsarmen Prignitz, der Uckermark und in der südlichen Lausitz. Um gegenzusteuern versucht Bildungsminister Günter Baaske (SPD) inzwischen, Lehrer aus anderen Bundesländern mit einer Prämie von 300 Euro mehr zum Monatsgehalt anzulocken. Angekündigt sind zudem weitere Zulagen für „schwer besetzbare Stellen“, etwa in ländlichen Regionen.

Auch sollen vermehrt Seiten­einsteiger qualifiziert und befristet als Vertretungslehrer eingestellt werden. Denn in den nächsten Jahren droht sich das Problem noch zu verschärfen: Der Altersdurchschnitt der Brandenburger Lehrer ist hoch. Fast jeder zehnte scheidet in den kommenden Jahren aus. Als Folge müssen bis 2020/2021 rund 1900 Lehrer ersetzt werden.

Weitere Faktoren verschärfen das Problem zusätzlich. Steigende Schülerzahlen durch die Kinder von Asylbewerbern werden ebenso höhere Lehrerzahlen erforderlich machen wie die sogenannte Inklusion, die Integration von behinderten Kindern in Regelschulen. Brandenburgs GEW-Chef Günther Fuchs rechnet damit, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 11000 Lehrer eingestellt werden müssen. Abzuwarten bleibt, wie erfolgreich Brandenburgs Bemühungen sein werden: So werben auch andere Bundesländer um Lehrer, meist sind dabei die Verdienst- und Laufbahnmöglichkeiten aber besser als in Brandenburg.               N.H.


Diebesgut in Asyllagern?
Heime sollen mit geklauten Möbeln ausgestattet worden sein

Berlin ist eine Hochburg für Einbrüche, wie jüngste Zahlen zeigen. Am Montag vor Pfingsten nahm die Polizei fünf Männer bei einem Einbruch in ein Zigarettenlager fest. Es ist ein spektakulärer Fall. Die Bande mit engsten Beziehungen zu arabisch-albanischen Klans belieferte offenbar von ihren Familien betriebene Asylunterkünfte mit Möbeln. Die Mitglieder gingen bemerkenswert sorglos vor und verursachten rund 100000 Euro Schaden. Die Täter fühlten sich im Schatten der legalen Geschäfte ihrer Familien mit der Berliner Sozialindustrie so sicher, dass sie auch vor auffälligsten Diebestouren nicht zurückschreckten.

Rücksichtslos nutzten sie Feuerlöscher, um Spuren zu verwischen oder verfolgende Polizeifahrzeuge abzuwehren. Um die Beute zu transportieren, stahlen sie Lieferwagen und prellten regelmäßig Tankstellen. Die Täter sind laut Staatsanwaltschaft verantwortlich für eine ganze Serie von Einbrüchen, dazu kommt eine hohe Zahl von sogenannten Begleitdelikten.

Die Bande stahl beispielsweise von Handwerkern abgestellte Kleinlaster, raubte aber auch in zwei Fällen Fahrzeuge, so bei einem VW-Händler. Ihr bevorzugtes Ziel waren Elektromärkte und Möbelhäuser. Die Tatverdächtigen Yasin und Jusuf R., Arton C., Sabah X. und Ervin R. sind zwischen 18 und 33 Jahre alt und sollen 41 Taten verübt haben. Ihre Bande verfügte noch über weitere Mitglieder. Die Polizei benötigte drei Lastwagen, um das sichergestellte Diebesgut abzutransportieren.

Die Täter waren nicht wählerisch, entwendeten auch sperrige Betten und ganze Sofagarnituren. Sogar Stahlschränke nahmen sie mit – einen stellten Polizeitaucher im Teltowkanal sicher. Die besseren Stücke landeten im Einfamilienhaus des Bandenchefs. Auch bei den anderen Verdächtigen wurde Diebesgut zu Hause gefunden.

Jetzt verfolgt das Landeskriminalamt Spuren einiger Möbelstücke bis in Unterkünfte für Zuwanderer. Das Brisante: Die in die Taten mutmaßlich verwickelten Klans sind schon vor Monaten ins Geschäft mit der Unterbringung von Zuwanderern eingestiegen. Pro Nacht zahlt das Land Berlin bis zu 50 Euro je Asylbewerber. Dieses fragwürdige legale Geschäftsmodell nutzten zumindest einige Klanmitglieder, um ein zweites illegales Geschäft zu betreiben. Ermittler vermuten, ein Teil der Beute diente zur Ausstattung der Unterkünfte.   SG


S. 6 Ausland

Zurück zu den Gestaden der Osmanen
Wie Recep Tayyip Erdogan mit Rückendeckung Angela Merkels die Türkei von Europa entfernt

Es hat wohl noch nie eine europäische Regierung die komplette Islamisierung eines Landes mit so viel hilfreicher Sympathie begleitet wie die Kanzlerin Angela Merkel den Weg des Recep Tayyip Erdogan zurück zu den Gestaden des Osmanischen Reiches. Denn sie tut ihr Möglichstes, um im Suchen nach der eigenen Befindlichkeit, der türkischen Urfrage, seit das Land eine Republik ist, die Illusion zu schüren, es hafte  Kleinasien etwas wesentlich Europäisches an, wobei sie gleichzeitig die asiatisch-islamischen Attitüden des Herrschers in Ankara wortlos hinnimmt.

Mustafa Kemal Pascha, genannt „Vater der Türken“, der im Jahre 1923 Sultanat und  Kalifat beendet hatte, tat das mit dem Hinweis: „Das Kalifat ist ein Märchen der Vergangenheit, das in unserer Zeit keinen Platz mehr hat. Religion und Staat müssen getrennt werden.“ Da diese Forderung einer Grundfeste des Islam widerspricht, die Türkei aber damals wie heute zu weit über 90 Prozent Mohammedaner zählt, hat er mit seiner Forderung nach einem laizistischen Staat diesem einen immerwährenden Zank als Morgengabe überlassen.

Denn seither streiten sich Laizisten und Religiöse in der Türkei um den richtigen Weg, sodass ausgerechnet der wesentliche Schritt des Staatsgründers hin zu einem europäischen Ordnungsmuster dem Islam die ewig dräuende Rolle der Alternative zur geltenden Doktrin zugespielt hat.  Mohammed ist als lauernder Geist überall gegenwärtig, und dass es meistens das Militär war, dem es zeitweise gelungen ist, diesen Geist zu zähmen, unterstreicht keineswegs die europäischen Ambitionen der verschiedensten türkischen Regierungen.

Erdogan aber will jetzt Ordnung nach seinem Verständnis schaffen, und er hat dem Islam Wohnrecht im Palast seines Größenwahns gewährt, der oftmals heimatlose Geist hat Einzug gehalten im Zentrum der Macht. Der Kampf zwischen dem Präsidenten und seinem Regierungschef Ahmet Davutoglu, der mit des letzteren Rücktritt entschieden wurde, spiegelt den alten Streit wider, den Atatürk seinem Volk hinterlassen hat.

Erdogan bedient sich denn auch in zunehmendem Maße aller Attitüden des früheren Sulta­nats: Dazu gehört die gnadenlose Verfolgung sowohl der politischen Gegner als auch der Krieg gegen die Kurden, deren Leben eine Beleidigung des Türkentums darstellt; dazu gehört der imperiale Ausgriff auf die Nachbarn, den er seinem Militär aufgetragen hat. Das reicht vom Artilleriebeschuss kurdischer Wohngebiete im benachbarten Syrien bis hin zu dem Militärflughafen, den die Türken im Irak errichtet haben, als Ergänzung für die Garnison, die ohnehin schon seit Längerem dort Fuß gefasst hat.

Auch die unverhohlene Unterstützung verschiedener Islamisten gehört zum Instrumentarium des Despoten, der sich den Zielen, die diese verfolgen, so innig verbunden fühlt, dass er weit davon entfernt ist, an ihren Methoden Zweifel zuzulassen. Insofern hat auch die Leugnung der türkischen Obrigkeit des Völkermords an den Armeniern im Jahre 1915 seine Richtigkeit: Sie ordnet den Tod von über einer Million Christen dem Missions-Auftrag des Propheten unter, und ist daher aus tiefer Seele empört, wenn man das im Westen Völkermord nennt.

So scheint Erdogan den ewigen Zwiespalt beendet zu haben, der aus Kemals Auftrag erwachsen ist, Religion und Staat zu trennen. Der heutige Präsident darf sich als Sieger über den Staatsgründer fühlen oder zumindest als derjenige, der diesen berichtigt. Doch wird man gerne so viel Vorsicht walten lassen, diesen Sieg Erdogans als nur vorläufig zu betrachten. Mehr noch. Mag sein, dass die Laizität in der Türkei vorerst Geschichte ist, doch sie ist nicht der einzige Zwiespalt, der bei der Gründung des Atatürk Pate gestanden hat, denn diese Gründung ist doppelt widersprüchlich.

Eng verbunden mit der Frage nach dem Glauben und doch als eigene Größenordnung wabert der Streit, ob denn die Türkei europäisch sei oder nicht, und dieser Streit hat sich längst über den Bosporus ins tatsächliche Europa ausgebreitet. Die multikulturellen Illusionisten neigen dazu, der Türkei die europäischen Merkmale zuzuerkennen, und beweisen damit, dass sie weder die eigene noch die Gegenseite kennen. Wer immer dem Christentum eine konstitutive Rolle an Europa zuspricht, und das leugnen allenfalls die Autoritäten der EU, wird die Rolle, die der Islam dabei spielen soll, nicht erkennen. Allein folgender Aspekt, der erstaunlicherweise in der Diskussion kaum je auftaucht, zeigt das: In der gesamten verbindlichen islamischen Literatur, also dem Koran und den Ahadit, fehlt irgendein Hinweis auf Wert und Würde der Freiheit. Diesen Begriff gibt es schlichtweg nicht. Doch auf ihn berufen sich in Europa sogar diejenigen, die daran sind, sie abzuschaffen.

Was nun das Verhältnis der neu entstehenden Türkei zu Europa oder aber der EU angeht, so ist es Erdogans Aufgabe, diesen zweiten Zwiespalt zu lösen. Hierin zeigt er sich merkwürdig unentschlossen. Auf der einen Seite fordert er im Zuge seines Asylsucher-Handels mit Kanzlerin Merkel nicht nur Visafreiheit in die EU, sondern auch beschleunigte Beitrittsverhandlungen ein, um aber in derselben Woche mit Blick auf  die türkische Gesetzgebung zu sagen, die Türkei gehe den türkischen Weg und die EU ihren eigenen.

Zudem kann kein beliebiger türkischer Potentat die EU-Frage nur mit Blick nach Westen behandeln. Gerade Erdogans Großmachtdünkel gebietet es ihm, die anderen Turkvölker in Mittel- und Ostasien in seine geostrategischen Überlegungen mit einzubeziehen. Es ist beispielsweise eine naheliegende Überlegung für Ankara, zusammen mit den Kasachen, den Kirgisen, den Turkmenen und Aserbaidschanern eine Turk-Union zu schaffen. Und wenn dem Staatschef in Ankara daran liegen sollte, seiner Abneigung gegen Russland gebührend Ausdruck zu verleihen, könnte er, angelehnt an die CIA-Farben-Revolutionen in Asien, Unruhe stiften unter den Turk-Völkern, die in Russland leben, von den Tataren über die Baschkiren bis hin zu den Jakuten in Russlands Fernem Osten. Schließlich sollte er die Uiguren nicht vergessen, das Turk-Volk, das in China lebt und dort ohnehin für Unruhe sorgt.

Geostrategie ist eben auch ein Teil Völkerkunde. Doch ergibt sich bei derlei Überlegungen für Erdogan ein weiterer Zwiespalt. Besinnt er sich auf das Potenzial, das ihm die Verwandtschaft mit so vielen Völkern, die auf eine so große Fläche verteilt sind, in die Hände geben kann, so schwächte er damit gleichzeitig seine europäischen Ambitionen. Nicht nur, weil er Gefahr liefe, seine Außenpolitik hoffnungslos zu überdehnen, sondern auch und vor allem deshalb, weil der Rückgriff auf die Turk-Völker das asiatische Herkommen und die asiatische Kultur der Türken in Kleinasien als Namensgeber der ganzen Völkerfamilie darstellt und belegt. Dies aber müsste alle Anbiederungen, die Türkei sei zutiefst europäisch, wie sie vor Kurzem noch Davutoglu versucht hatte, lächerlich erscheinen lassen.

So hat Erdogan an sich wenig Grund zur Überheblichkeit. Klarheit hat er nur in das Verhältnis zu Russland gebracht, in dem er es zerstört hat. Im Nahen Osten, wo er als Führungsmacht hatte auftreten wollen, hat er sich mit dem Iran ebenfalls einen Feind geschaffen, während das Verhältnis zu Saudi-Arabien unsicher ist. Was Europa angeht, so wird die Türkei bis auf Weiteres auf eine weiterführende Antwort warten müssen. Einzig die USA halten am Nato-Mitglied fest, wenigstens vorerst noch, weil sie den Flughafen Incirlik benötigen. Doch die USA sind zu einem gefährlichen Partner geworden. Weltenpläne kann Erdogan darauf nicht unbedingt bauen.  Florian Stumfall


Taiwan auf neuem Kurs
Präsidentin rückt von Peking ab, bleibt aber gesprächsbereit

An diesem Freitag wird Tsai Ing-wen in ihr Amt als Präsidentin der Republik China auf Taiwan eingeführt. Aus den im Januar durchgeführten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen waren die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) und ihre Vorsitzende mit 56 Prozent der über zwölf Millionen Wählerstimmen als eindeutige Sieger hervorgegangen. Die 59-Jährige, erstes weibliches Staatsoberhaupt des Landes, verfügt über kein besonderes Charisma, gilt aber als sehr entschlossen und beharrlich sowie als persönlich bescheiden und zurückhaltend. Im Wahlkampf setzte sie auf sozial- und wirtschaftspolitische Themen und den Ausstieg aus der Atomenergie; ihre Ziele sind soziale Gerechtigkeit und – keineswegs an letzter Stelle – die taiwanische Identität.

Bekanntlich sieht Peking den Inselstaat als „abtrünnige Provinz“ an, obwohl die Republik China seit 1911  existiert und niemals der 1949 ausgerufenen Volksrepublik China angehörte. Im „Konsens von 1992“ vertraten beide Seiten die Ansicht, es gebe nur ein China – wobei jede Seite sich ihre eigene Interpretation vorbehält. Diese Formulierung lehnt die DPP eindeutig ab, während Tsai hingegen jede Äußerung dazu bewusst vermeidet. In den folgenden Jahren kam es zu einer wirtschaftlichen Annäherung an Peking, bis die „Sonnenblumen-Bewegung“ der Studenten 2004 mit ihren Protesten vor einer zu großen Abhängigkeit vom Riesenland warnte, gehen doch 40 Prozent der Exporte Taiwans nach Festland-China.

Schon altersmäßig hat sich während der letzten Jahrzehnte die Bevölkerung der Insel stark verändert, gerade auch bedingt durch eine stärkere Politisierung der Jugend: Heute sehen sich 59 Prozent der Bewohner als reine Taiwanesen und nur noch 34 Prozent als Chinesen und Taiwanesen. Überwiegend will die Bevölkerung keine Wiedervereinigung mit dem kommunistischen China.

Die DPP tritt eindeutig für ein Ende des bisherigen Annäherungskurses gegenüber Festland-China und für ein starkes, von Peking auch staatsrechtlich unabhängiges Taiwan als Republik China ein. Tsai hingegen will diesen letzten Schritt nicht vollziehen, sie bevorzugt den Status quo. Sogleich nach ihrem Wahlsieg bot sie Peking einen Dialog auf Augenhöhe an und forderte recht selbstbewusst, die besondere Souveränität und Unabhängigkeit ihres Staates zu akzeptieren: „Unser demokratisches System, unsere nationale Identität und unser internationaler Bewegungsraum müssen respektiert werden. Jede Form ihrer Unterdrückung verletzt die Stabilität in den beiderseitigen Beziehungen.“ Das sind Töne, die Peking bisher aus der Hauptstadt Taipeh nicht gehört hatte.

Auf längere Sicht wird die DPP ohnehin einen härteren Kurs gegen die kommunistischen Machthaber Chinas verlangen. Diese indes bevorzugen – zumindest gegenwärtig – ebenfalls den Status quo, stehen sie doch im eigenen Land vor überaus großen Problemen. Für den Fall einer völligen Loslösung Taiwans von Festland-China drohen sie allerdings mit Krieg und verweisen auf ihre rund 1500 gegen den Inselstaat gerichteten Raketen. Dass man in Washington einen direkten Kriegsüberfall Chinas auf Taiwan hinnehmen würde, ist eher zu bezweifeln; die vielen U-Boote der USA in der Formosa-Straße deuten auf das Gegenteil hin. Es gibt aber keine Sicherheitsgarantie gegen­über Taipeh, allerdings das Versprechen der Vereinigten Staaten, im Falle einer solchen Bedrohung „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen.        Friedrich-Wilhelm Schlomann


Japan setzt auf den Iran
Nach dem Atomabkommen hofft Nippon auf gute Geschäfte

Nach 13 Jahren gingen am 14. Juli 2015 in Wien die Verhandlungen mit dem Iran über dessen umstrittenes Atomprogramm erfolgreich zu Ende. Noch am selben Tag äußerte Japan, das zwar nicht direkt an dem Prozess beteiligt war, sich jedoch am Handelsembargo gegen Teheran entgegen seinen ureigenen Handelsinteressen ohne zu zögern beteiligte, seine Zufriedenheit über das Ergebnis und dessen positive Auswirkungen auf den Nahen Osten. Dabei unterstrich das Land ausdrück­lich seine freundschaftliche Verbindung mit dem ehemaligen Persien.

Nachdem im zaristischen Russland 1879 erste Kontakte geknüpft worden waren, nahmen beide Staaten 1929 diplomatische Beziehungen auf. Der 1939 unterzeichnete Freundschaftsvertrag unterstrich das gute beiderseitige Verhältnis, das erst durch die alliierte Invasion 1942 ein jähes Ende fand. Die 1953 wiedereröffneten Legationen wurden 1955 zu Botschaften. Den 1958 erfolgten Besuch von Schah Mohammad Reza Pahlavi in Japan erwiderten 1960 der Kronprinz und seine Gemahlin. Im September 1978, kurz vor der sogenannten Islamischen Revolution, weilte Takeo Fukuda als vorerst letzter Premierminister zu Gast in Teheran.

Trotz der radikalen Veränderungen, welche die Machtübernahme durch den aus dem Pariser Exil zurückgekehrten Ayatollah Ruhollah Khomeini Anfang 1979 mit sich brachte, kamen regelmäßig hochrangige Besucher aus Tokio, darunter vier Außenminister und mehrere Stellvertreter. Das 1974 geschlossene Abkommen über Visafreiheit setzte man erst 1992 außer Kraft. Im Jahre 2000 machte der iranische Präsident Seyyed Mohammad Khatami einen Staatsbesuch in Nippon.

Vorvergangenen Monat wurde bekannt, dass Premier Shinzo Abe gegen­über der iranischen Regierung den Wunsch geäußert habe, vor oder nach seiner Teilnahme an der japanisch-afrikanischen Entwicklungskonferenz Ende August in Kenia den Iran zu besuchen. Innenpolitisch steht Abe unter Druck, nicht hinter die asiatischen Nachbarn zurückzufallen: Chinas Präsident Xi Jinping war bereits im Januar dort und Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye ist gerade vom Persischen Golf zurück.

Im Monat zuvor hatten beide Seiten eine Übereinkunft zum Schutze der Investitionen im jeweils anderen Land erzielt. Iran mit seinen fast 82 Millionen Einwohnern sowie riesigen Gas- und Ölreserven besitzt ein großes Potenzial für japanische Unternehmen, die dort wieder verstärkt Automobile und Elektrogeräte absetzen möchten. Ein weiterer Faktor ist Japans Wunsch, seine Abhängigkeit von seinen beiden zurzeit größten Erdöllieferanten, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate, zu verringern.

Die Beteiligung bedeutender wirtschaftlicher Akteure wie Japan an den internationalen Sanktionen war entscheidend für die Verhandlungsbereitschaft der Mullahs. Deshalb irritiert die Annäherung zwischen Teheran und Tokio die USA, denen noch das ballistische Raketenprogramm der Iraner sowie deren angebliche Terrorismusunterstützung und Nichtachtung der Menschenrechte im Magen liegen. Zukünftige Spannungen zwischen den verbündeten US-Amerikanern und Japanern sind somit mehr als wahrscheinlich.

                Markus Matthes


S. 7 Wirtschaft

Weniger Rente und mehr Steuern
Nur ungern beteiligen sich die Griechen an der Konsolidierung ihrer Staatsfinanzen

Im Zuge der Asylkrise verschwand die griechische Tragödie aus den Schlagzeilen. Nun kehrt der Schuldenstreit mit voller Wucht zurück.

Während die Politiker streiten, leidet die Bevölkerung unter den Sparmaßnahmen. Das griechische Parlament in Athen hat in der vergangenen Woche neue Sparmaßnahmen gebilligt. Durch die Kürzung der Renten sollen insgesamt 1,8 Milliarden Euro gespart werden. Zudem sollen weitere 1,8 Milliarden Euro durch die Steuererhöhungen in die Staatskassen fließen. Diese Maßnahmen sind Voraussetzung für weitere Hilfen seitens der internationalen Gläubiger. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte erklärt: „Das Rentensystem kann ohne eine weitreichende Reform nicht überleben“. Denn dem griechischen Staat fehlen Einnahmen, und die Ausgaben sind immer noch zu hoch.

Die Europäische Union hatte für ihre bisherigen Hilfspakete zahlreiche Auflagen gemacht. Griechenland tut sich schwer mit der Umsetzung, auch weil es im Land rumort. Kürzlich demonstrierten zehntausende Arbeiter in den großen Städten Griechenlands gegen die Kürzungs-Pläne. Allein in Athen gingen mehr als 20000 Menschen auf die Straße. Sie riefen Parolen wie „Erhebt Euch und werft die Regierung, die EU und den IWF raus“ und „Nein zur Auflösung der sozialen Sicherungssysteme“.

Die internationalen Gläubiger hatten die Reformen im vergangenen Sommer zur Bedingung für das dritte Hilfs­paket gemacht. Die Regierung von Tsipras hatte damals zugestimmt. Das Land muss deshalb nun 5,4 Milliarden Euro einsparen, damit die nächsten Kredite aus dem Hilfs­paket freigegeben werden.

Doch nach einem Bericht des „Manager Magazins“ warnen Experten, dass auch die neuen Reformen das griechische Sozialsystem nicht überlebensfähig machen würden. Keine Rentenreform könne funktionieren, solange die Wirtschaft in der Rezession stecke, die Arbeitslosenquote bei mehr als 24 Prozent liege und die Investitionen stockten. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre haben die Griechen fünf Rentenkürzungen hinnehmen müssen, aber es reicht immer noch nicht.

Wie das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) mitteilte, leben in der ganzen Europäischen Union insgesamt 8,2 Prozent der Menschen in Armut. Den höchsten Wert weist hierbei Bulgarien mit 34,2 Prozent auf, gefolgt von Rumänien mit 24,6 Prozent. Griechenland folgt mit 22,2 Prozent der Bevölkerung gleich auf Rang drei. Über die Krise in den Balkanländern ist viel geschrieben worden, gelten die EU-Neulinge doch als Europas Entwicklungsländer. Doch mit Griechenland trifft es nun einen Staat, der zum „Fleisch vom Fleische“ der Gemeinschaft gezählt wird. Eine Lösung scheint nicht in Sicht, auch wenn zwischen Brüssel und Athen abermals die Drähte glühen.

Im Frühjahr 2010 startete die EU die Sanierung Griechenlands. Heute hat das Land eine um fast 30 Prozent geringere Wirtschaftsleistung. Eine erfolgreiche Sanierung ist das sicher nicht. Die Armutsberechnungen von Eurostat sind daher mit großer Vorsicht zu genießen. Als arm gilt gemeinhin jeder, der weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient. Dieses mittlere Einkommen ist in Griechenland in den vergangenen Jahren allerdings rapide gesunken.

Eine Studie der European School of Management and Technology sieht die Schuld für die Entwick­lung nicht alleine bei den Griechen. Gerade einmal 9,7 Milliarden Euro von insgesamt 216 Milliarden kamen tatsächlich dem griechischen Staatshaushalt und somit mittelbar der griechischen Bevölkerung zugute. Mit dem Löwenanteil von 86,9 Milliarden Euro wurden alte Schulden abgelöst und in neue verwandelt, 52,3 Milliarden Euro mussten für den Zinsendienst aufgewandt werden. Der drittgrößte Anteil von 37,3 Milliarden Euro floss in die Rekapitalisierung griechischer Banken, die andernfalls bankrott gegangen wären.

Experten fordern nun Konsequenzen und ein Umdenken. Noch bestehe die Chance, die Eskalation der Griechenlandkrise zu vermeiden. „Dazu müssen die Geldgeber jedoch die griechische Regierung nicht nur von der Fortsetzung der Reformen überzeugen, sondern sie sollten den Fehler von Reformen auf Vorrat vermeiden und Griechenland eine Umstrukturierung der Schulden im Gegenzug zu einem erfolgreichen Abschluss des dritten Hilfsprogramms in Aussicht stellen. So könnte die nächste Saga des griechischen Dramas noch vermieden werden“, schreibt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Auch die Washingtoner Finanzinstitution glaubt, dass Athen das Ziel verfehlen werde, 3,5 Prozent Haushaltsüberschuss übernächstes Jahr zu erzielen, ohne den Schuldendienst zu bedienen wohlgemerkt. Die EU sieht die Sachlage optimistischer oder tut zumindest so.

Ein Schuldenschnitt, bei dem Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen verlieren, ist der Wunsch vieler Griechen. Es ist auch eine alte Forderung der Alternative für Deutschland. Doch die EU denkt eher daran, die Rückzahlungsfristen für Hilfskredite auf 70 bis 100 Jahre zu strecken. Das Sterben auf Pump könnte also noch weitergehen.       Peter Entinger


Schmerzliche Abhängigkeit
Trotz Sanktionen: US-Streitkräfte-Ausschuss stimmt für Ankauf russischer Triebwerke

Nach wie vor benötigen die USA für ihre Raketen der Atlas-Familie Triebwerke vom Typ RD-180 aus Russland. Nun hat der Streitkräfte-Ausschuss des US-Repräsen­tanten­hauses dafür gestimmt, für die kommenden sechs Jahre doppelt so viele Triebwerke von Russland zu kaufen, als ursprünglich geplant war. Damit beläuft sich der Handel auf 18 Triebwerke, was einer Summe von 540 Millionen US-Dollar entspricht.

Der Beschluss des Ausschusses wird von vielen der Mitglieder als umso schmerzlicher empfunden, als sein Vorsitzender, der republikanische Senator John McCain, im Jahr 2014 einen anderslautenden Beschluss des US-Kongresses bewirkt hatte, wonach auf Triebwerke aus russischer Produktion vollständig zu verzichten und die Entwicklung eines eigenen Aggregats aus US-Produktion zu beschleunigen sei. Dieser Entschluss wurde jedoch durch das Haushaltsgesetz aufgehoben, das im Dezember 2015 in Kraft getreten ist und bis Oktober 2016 gilt.

Ungeachtet der objektiven Gegebenheiten regt sich Unmut über diesen Handel nicht nur im zuständigen Kongressausschuss. So hat sich noch am 20. April US-Vizeverteidigungsminister Frank Kendall gegen den Import russischer Raketentriebwerke ausgesprochen. Das Pentagon halte es in dieser Frage völlig mit McCain, doch gebe es derzeit keine Möglichkeiten, auf die russische Technik zu verzichten. Die US-Amerikaner wären andernfalls nicht in der Lage, aus eigener Kraft ihre Raketen vom Typ Atlas V zu starten. Mit diesen Raketen bringt das Pentagon seine militärischen Satelliten in die Erdumlaufbahn.

Zwar könnten die US-Militärs im äußersten Fall auch ohne die Atlas-V-Raketen zurechtkommen, wenn sie ihre Satelliten mit den schwereren Raketen des Typs Delta IV ins Weltall brächten, so Kendall. Aber jeder Start einer solchen Rakete wäre 50 Millionen Dollar teurer, als der einer Atlas. Im Laufe des Jahres 2015 habe man neun Starts von Atlas-Raketen durchgeführt. Mit der Delta IV hätte das Programm mit allen Zusatzkosten etwa eine halbe Milliarde Dollar mehr gekostet. Nimmt man allerdings den Zeitraum bis 2021, so beliefen sich die Mehrkosten durch denkbare Delta-Starts auf mehrere Milliarden. Da kommen die 540 Millionen, die das Pentagon zähneknirschend an die Russen zahlt, erheblich billiger.

Jedenfalls ist es kein Wunder, dass rundum in Washington der Ruf ertönt, man müsse die Abhängigkeit von den Russen so schnell wie irgend möglich beenden. Allerdings, so schränkt US-Kongressmitglied Mike Coffman ein, dürfe das „nicht zum Schaden des garantierten Zugangs zum Weltall“ geschehen. Sein Kollege Duncan Hunter gab zu bedenken, was die Russen an Neuinvestitionen in ihr Militär mit den 540 Millionen vornehmen könnten, musste sich aber von Pentagon-Chef Ashton Carter sagen lassen, die Notwendigkeit, die RD-180 in Russland zu kaufen, sei „unangenehm“, aber es sei kein anderes Vorgehen möglich.

Dabei versteht es sich am Rande, dass in den USA auf der technischen Ebene alles geschieht, um so schnell wie möglich eigene Triebwerke zu entwickeln und zu bauen. Zwei private Unternehmen sind damit beauftragt, die allerdings nicht miteinander, sondern nebeneinander arbeiten und so eine Redundanz darstellen sollen: Man hätte dann immer noch eine zweite Chance, wenn eines der Unternehmen mit dem Vorhaben scheitern sollte. Im Pentagon heißt es unumwunden: „Wir sehen einfach keine andere Möglichkeit, früher als in sechs Jahren ein neues Triebwerk zu bekommen.“

Der Pessimismus ist nicht unbegründet: In den 90er Jahren hatte Washington die Lizenz für den Bau der RD-180 erworben, doch scheiterten mehrere Versuche, eines dieser Triebwerke zu bauen. Technische Alternativen wie die BE-4 von Blue Origin weisen eine geringere Leistungsstärke und einen geringeren Druck auf, kommen aber trotzdem teurer als das russische Modell.

Es bleibt also dabei: Das US-Außenministerium wird in den nächsten sechs Jahren noch 18 Raketentriebwerke aus russischer Produktion benötigen, um Militärsatelliten zu starten, und der Vizechef des Pentagons, Robert Work, hat das gegenüber der Agentur Reuters bestätigt. Doch damit sind die Probleme nicht behoben. Work erklärt: „Uns müssen mindestens zwei zugängliche und zuverlässige Methoden zur Verfügung stehen, um ins All zu gelangen.“ Da kann man mit nur einem System, das nicht einmal das eigene ist, nicht zufrieden sein. 

                Florian Stumfall


Schachzug der EZB
Strafzins: Warum der 500er kassiert wird

Laut einem Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) soll die 500-Euro-Banknote zwar gesetzliches Zahlungsmittel bleiben, neue Scheine will die Notenbank aber nicht mehr ausgeben. Gedruckt werden schon seit 2014 keine 500-Euro-Scheine mehr, allerdings sollen noch vorhandene Banknoten laut Beschluss des EZB-Rats bis Ende 2018 ausgegeben werden.

Als Begründung führt die Zentralbank an, dass der 500-Euro-Schein ein Instrument für illegale Aktivitäten sei. Dass der größte Geldschein der Euro-Zone faktisch zum Auslaufmodell wird, hat allerdings auch noch ganz andere Konsequenzen: Die Abschaffung der 500er ermögliche es der EZB, die Strafzinsen zu erhöhen, weil es für die Banken teurer wird, große Geldmengen in bar zu horten.

„Wenn die Banken nun gezwungen werden, statt der 500-Euro-Scheine die etwas kleineren 200-Euro-Scheine zu halten, steigen die Tresorkosten etwa auf das Zweieinhalbfache. Unter der Annahme, dass der genannte Strafzins von 0,3 Prozent, den die Banken auf ihre Einlagen bei der Notenbank zahlen, bereits durch die Tresorkosten limitiert wurde, könnte die EZB diesen Strafzins nach der Abschaffung der 500-Euro-Scheine rechnerisch auf das Zweieinhalbfache, also auf 0,75 Prozent erhöhen“, warnte Volkswirt Hans-Werner Sinn schon vor Monaten. Heute liegt der „Strafzins“ bereits bei 0,4 Prozent.

Die faktische Abschaffung der 500-Euro-Note droht allerdings nicht nur den Druck auf Banken, Unternehmen und Sparer in der Eurozone zu erhöhen. Auch die Schweiz sieht sich inzwischen der Forderung ausgesetzt, die 1000er-Note beim Schweizer Franken abzuschaffen.

Kritik an dem größten Geldschein der Eidgenossenschaft kommt etwa vom früheren US-Finanzminister Lawrence Summers, der ebenfalls mit der Bekämpfung von kriminellen Machenschaften argumentiert. Faktisch würde allerdings auch im Fall des Franken eine weitere Alternative zu Strafzinsen auf Bankguthaben verschwinden. Bislang gilt die 1000-Franken-Note noch als einer der wenigen großen Banknoten der Welt mit hohem Einzelwert.       

                Norman Hanert


MELDUNGEN

Alternative für Gazprom

Moskau – Russlands Erdgasgigant Gazprom hat mit der italienischen Edison und der griechischen DEPA eine Übereinkunft geschlossen, russisches Gas über den Grund des Schwarzen Meeres „und ein Drittland“ nach Griechenland und von dort weiter nach Italien zu leiten, um so Europa auch von Süden her mit Gas zu versorgen. Beim früheren Versuch zum Bau einer Schwarzmeerpipeline hatte die EU massiven Druck auf Bulgarien und die kleineren Balkanstaaten ausgeübt, keine russische Leitung auf ihrem Gebiet zuzulassen. Seine jetzigen Geschäftspartner erscheinen Russland als weniger leicht erpressbar.         T.W.W.

 

Brexit könnte teuer werden

London – Ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU könnte die Finanzbranche des Landes laut einer Studie der Beratungsfirma JWG in den kommenden zehn Jahren etwa 21,5 Milliarden Euro kosten. Unterdessen stellen sich die großen Unternehmen für den Fall des Brexit auf einen Kursverfall des Pfund um mehr als zehn Prozent ein. Vier Fünftel dieser Firmen hätten bereits entsprechende Absicherungsgeschäfte abgeschlossen, ergab eine Umfrage der Banken-Experten von East &Partners.   J.H.


S. 8 Forum

Keine Gnade
von Wolfgang Thüne

Die Einführung der „Heiligen Inquisition“ durch Papst Gregor IX. im Jahr 1231 gilt als einer der größten Fortschritte der Rechtsgeschichte. Doch auch Päpste sind bei der Durchsetzung ihrer weltlichen Machtansprüche nicht „heilig“, und so kam es zu Auswüchsen, die der „Inquisition“ einen negativen Ruf einbrachten, vor allem in den Zeiten der „Hexenverfolgungen“. Die Kirche des Mittelalters kannte keine Gnade, wenn es um die Einheit des Glaubens ging. Schließlich entstand ein gewaltiger bürokratischer Behördenapparat, der wie die modernen Geheimdienste unendlich viel Papier produzierte.

Diese frühe Form totaler religiöser und weltanschaulicher Intoleranz scheint heute wieder unrühmlich aufzuleben, denn auch Ideologien haben einen unbändigen Hunger nach Macht. Dies gilt insbesondere für Ideologien, die einen universalen oder globalen Machtanspruch haben. Das Vorhaben „Klimaschutz“ ist solch eine Ideologie, die sich mehr und mehr als alle Religionen überstülpende universale „Pseudo-Religion“ entpuppt. Der Weltkirchenrat hat bereits vor den Vereinten Nationen dem Weltklimarat den „Klima-Gehorsamseid“ geleistet wie Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato Si’“.

In dieser weltpolitischen Situation ist es nicht verwunderlich, dass die Justizministerin Loretta Lynch der Weltmacht USA die Initiative ergriffen und den US-Geheimdienst FBI beauftragt hat, herauszufinden, ob Kriterien vorliegen, die es „uns“ gestatten, Anklage gegen „Klimaleugner“ zu erheben. Der Generalbundesanwalt des Staates New York, Eric Schneiderman, hat mit vielen seiner Amtskollegen bereits Schritte gegen Individuen und Organisationen eingeleitet, welche die offizielle Version des Klimawandels in Frage stellen. Er sagte zur Begründung, der „Klimawandel ist real“!

Doch dies hat noch nie ein „Klimaleugner“ bestritten. Wer die offizielle Definition von „Klima“ der Weltorganisation für Meteorologie wie des IPCC akzeptiert, kann zu keinem anderen Schluss kommen. Er müsste den Wetterwandel leugnen. Und dies hat noch kein Mensch getan. Wenn das Wetter sich ewig wandelt, dann muss dies auch das vom Wetter abgeleitete „Klima“ tun. Ein für jeden Richter gutes und anschauliches Beispiel zeigen die täglichen Börsenberichte. Man braucht dazu nur die aktuellen Dow-   Jones oder DAX-Werte mit deren gleitenden Mittelwerten zu vergleichen.

Wenn in den USA in Justizkreisen erwogen wird, das Zweifeln an der bisher zwar behaupteten aber unbewiesenen „menschengemachten Erderwärmung“, die auf dem ebenfalls unbewiesenen „Treibhauseffekt“ aufbaut, zum Glaubensdogma und damit zum „Bundesverbrechen“ zu deklarieren, dann ist das ein Rückfall ins finstere Mittelalter mit seinen „Hexenverfolgungen“. Im Jahre 1965 wurde von Papst Paul VI. das „Heilige Offizium“ aufgelöst. Wird nun in den USA eine „Klima-Inquisition“ installiert, um eine unselige ideologische Irrlehre mit Strafandrohung abzusichern?


Islamisierung entgegentreten!
von Hermann Paul Winter

Der bizarre Satz „Der Islam gehört zu Deutschland!“ hat zu hitzigen Debatten geführt. Nun hat die AfD in ihrem Parteiprogramm erklärt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland!“ Die allgemeine Empörung ist groß, die Partei habe sich nun gegen die Religionsfreiheit ausgesprochen. Der Buddhismus ist die viertgrößte der Weltreligionen. Würde man sagen „Der Buddhismus gehört zu Deutschland!“ oder „Der Budd­hismus gehört nicht zu Deutschland!“? Weder noch! Dennoch angenommen, würde dies wohl kaum derart hohe Wellen schlagen. Aber weshalb?

Der Grund liegt auf der Hand: Der Islam unterscheidet sich von anderen Religionen grundlegend. Seine Lehre ist unabänderlich, sie erhebt Anspruch auf Alleinherrschaft und ihre radikalen Elemente treten regelmäßig zutage. Er ist nicht nur religiös, sondern auch politisch aufgestellt. Die Konferenz islamischer Staaten hat 1990 die Allgemeingültigkeit der Erklärung der Menschenrechte infrage und unter den Vorbehalt der Scharia gestellt.

„Der Islam“ ist ohnehin ein schillernder Begriff. Schon deshalb ist der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland!“ (oder eben nicht) problematisch. Der Islam kann ebenso wenig eindeutig verortet werden wie der Begriff „gehört zu“ exakt umschrieben werden kann, der wohl eine Art besonderer Verbundenheit ausdrücken soll.

Von besonderer Verbundenheit zum Islam kann in Deutschland nicht die Rede sein. Seine kulturellen Eigenarten unterscheiden sich bedeutend von denen islamischer Gesellschaften, die Rechtskulturen stehen im Widerspruch und die Wertvorstellungen weichen so drastisch voneinander ab, dass sie vielerlei gegensätzliches Denken und Handeln bewirken. Die Begriffe Dialog und Kritik haben im Islam eine völlig andere Bedeutung als im freiheitlich-europäischen Wertekanon. Vernunft und Verantwortung sind anders belegt. Die Rache und die Ehre haben einen anderen Stellenwert, wie auch der Bezug zwischen innerer Einstellung und äußerem Tun.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Islam ist die auf Immigration und Kinderreichtum fokussierte Missionierung. Politisch und professionell organisiert, aus islamischen Gesellschaften ideologisch geführt und mit erheblichen finanziellen Mitteln ausgestattet, rechtfertigt sie den Begriff der „Islamisierung“, gegen den die Riege der Verleugner und Realitätsverweigerer seit Jahr und Tag Sturm läuft.

Ein Blick auf die europaweite Ausbreitung der türkischen „Partei der Glückseligkeit“ (Saadet Partisi) und das permanente Wetteifern islamischer Vereine, religiös motivierte Freizügigkeiten als Religionsausübung zu deklarieren, alarmiert. Der Islamisierung muss – auch wegen hier friedlich lebender Muslime – entschieden entgegentreten werden. Bei aller Ungenauigkeit notfalls auch mit dem Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland!“.


Gegenwind
Angela Merkel quittiert’s mit Schweigen
von Florian Stumfall

Wenn ein Politiker dadurch auffällt, dass er etwas besonders Törichtes von sich gibt, dann hat er sich gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen müssen. Dies ist vor Kurzem dem britischen Premier David Cameron gelungen. Getrieben von den Umfrageergebnissen zu einem möglichen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU erklärte er, gerade diese habe Länder versöhnt, „die sich jahrzehntelang gegenseitig an die Gurgel gegangen waren“. Dass aber parallel mit dem zunehmenden Zusammenschluss die gegenseitigen Abneigungen und Vorurteile mehr anstatt weniger geworden sind – Stichwort: Kanzlerin Angela Merkel mit Hakenkreuz in griechischen Zeitungen –, das sagte er nicht dazu. Im Gegenteil. Sollte Großbritannien die EU verlassen, so Cameron weiter, sei seine Sicherheit des Landes gefährdet, es könnten sogar neue Kriege drohen. Das ist des Unsinns denn doch zu viel! Meint Cameron vielleicht, Spanien werde rüsten und sich für den Untergang seiner Armada anno 1588 rächen? Oder Deutschland versucht einen neuen Luftkrieg um England? Wer so etwas an die Wand malt, ist nicht ganz bei Verstand.

Die Wahrheit ist: Nicht in der EU drohen Gewalt und Krieg, sondern durch die EU drohen Gewalt und Krieg, genauer gesagt, ihre militärische Formation, die Nato, wobei damit der Welt-Kriegsherr, die USA, gleich mit eingeschlossen ist. Rechtlich sauber voneinander getrennt, sind doch die EU und die Nato in der politischen Wirklichkeit weitestgehend zu einer Macht verschmolzen. Ein Beispiel dafür gibt das offiziell neutrale Österreich, Mitglied der EU, nicht aber der Nato, durch das US-amerikanische Waffen- und Truppen-Transporte in großem Umfang gen Osteuropa geleitet werden.

Wer wie Cameron Krieg und Kriegsgefahr beklagt, sollte sich die Liste des Völkermordens vor Augen führen, das seit einem Vierteljahrhundert von der Nato begangen wird. Im Jahr 1991 wird Kuwait vom Iraker Saddam Hussein befreit, dem vorher der Wink gegeben worden war, er könne den Nachbarn gerne besetzen; ab Frühjahr 1992 bombt die Nato Serbien zusammen, was der damalige SPD-Kanzler Schröder später als rechtswidrigen Angriffskrieg bezeichnet hat; ab 1992 beginnen nebenbei die USA ihren bis heute andauernden Krieg gegen Somalia. Kleinigkeiten wie ein Bombardement von Bagdad im Jahre 1993 oder aber der mit Gewalt von US-Truppen durchgesetzte Regierungswechsel in Haiti im Jahr darauf fallen durch das Raster der Erinnerung, sollten aber dennoch auf der Waage ewiger Gerechtigkeit ihren Niederschlag finden. Mit Luftangriffen auf den Sudan 1998 und neuen Bombenangriffen auf dem Balkan ging das 20. Jahrhundert angemessen zu Ende.

Mit dem Beginn des Krieges in Afghanistan im Jahre 2001 beginnt das neue Jahrhundert nach gehabter Art, auch diesmal ist Deutschland wieder dabei, ungeachtet aller Rechtsvorschriften, die das verbieten. 2003 beginnt der dritte Golfkrieg, von dem man nicht sagen kann, dass er heute schon beendet sei. Im Jahr darauf folgt wieder ein ausschließlich US-amerikanisches Intermezzo, wieder auf Haiti, bevor im Jahr 2011 Libyen zerstört wird.

Einzelheiten über dieses Vorhaben hatte im Februar US-Senator John McCain in einem Hotel in Kairo mit einigen Golf-Potentaten besprochen, wobei gleichzeitig der Krieg in Syrien gegen den Präsidenten Baschar al-Assad abgesegnet wurde. Dies war bereits auf subversivem Wege vorbereitet worden, was den Blick auf die verschiedenen Farben-Revolutionen lenkt, die Erwähnung finden sollten, wenn von der Gewalt die Rede ist, die von der Nato, den USA und ihren Verbündeten in wechselndem Zusammenspiel ausgeht. Diese werden gerne von Nichtregierungsorganisationen vorbereitet und finanziert, meist von Altmeister George Soros im herzlichen Einvernehmen mit der CIA. Das reicht von Kirgisien über Georgien bis zum Maidan in Kiew.

Soweit die Bilanz der Nato-Friedens-Politik, deren integralen Bestandteil die EU darstellt. Anstrengungen dieser Art erklären auch den Aufwand, den die USA mit annähernd 1000 Militärbasen in aller Welt betreiben. Man will imstande sein, jederzeit und überall zu tun, was man als Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten bezeichnet. Doch weil das edle Streben teuer ist, mahnt US-Präsident    Obama, der Friedensnobelpreisträger, die Europäer und insbesondere die Deutschen zu mehr finanzieller Lebhaftigkeit in allen Belangen der Rüstung. Vor diesem Hintergrund fordert die Aufrüstung der Nato in Osteuropa natürlich die gesteigerte Aufmerksamkeit Russlands heraus. Dass sich die Nato immer mehr der russischen Grenze nähert, untergräbt nach Auffassung des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers und Russlandexperten Stephen Cohen die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit der beiden Seiten.

„Die von den USA angeführte Allianz vergrößert in unmittelbarer Nähe der russischen Grenzen rasant ihre Macht zu Lande, zu Wasser und in der Luft“, so der Professor. „Dieses Vorgehen der Nato kann die Bevölkerung von Russland an die Invasion von Nazideutschland im Jahr 1941 erinnern – das letzte Mal, als solche feindlichen Kräfte an den Grenzen des Landes zusammengezogen wurden.“

Öl ins Feuer gießt der neue Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Europa, Curtis Scaparrotti, der seinen Vorgänger Philip M. Breedlove an Schärfe anscheinend noch übertreffen will. Er hat gleich bei der Übernahme seines Kommandos die Mitglieder der Allianz dazu aufgerufen, immer bereit zu sein, den Bedrohungen seitens des „wieder auferstehenden Russland“ Widerstand zu leisten. Moskau hat wiederholt betont, dass es nicht an einem Anheizen der Konfrontation interessiert sei. Es sei aber zu angemessenen Antworten bereit.

Leider verhält es sich mit der Möglichkeit der Bundesregierung, selbstständig Entscheidungen zu treffen, nicht so vorteilhaft, dass es ihr zustünde, aus der allgemeinen Nato-Aufrüstung auszuscheren. Ganz aktuell zeigt Verteidigungsministerin von der Leyen, anderswo „Ursula, der Russenschreck“ genannt, durch ihr umfangreiches Rüstungsprogramm, dass sie die Nato-Doktrin gänzlich verinnerlicht hat. Für eine derartige Anstrengung lassen sich zwei gegensätzliche Argumente ins Feld führen. Das eine geht dahin zu behaupten, Russland sei dabei, die ganze Welt zu unterwerfen, und dagegen müsse man sich schützen. Das andere aber lautet: Da die Nato seit zwei Jahrzehnten ohne Unterbrechung irgendwo Krieg führt, Deutschland aber der Nato angehört und sein Militär derzeit in 17 Regionen der Welt stehen hat, muss man sich anstrengen, auch für die 18. bis 25. Militäraktion gerüstet zu sein.

Doch es sind nicht einmal in erster Linie die Auslandseinsätze der Bundeswehr, welche die Bedingungslosigkeit beschreiben, mit der Berlin der Strategie folgt, die das Pentagon vorgibt. Nicht nur, dass so gut wie der gesamte Drohnenkrieg, den die USA gegen den Nahen und Mittleren Osten führen, über die in Deutschland liegende US-Basis Ramstein abgewickelt wird, nicht nur, dass es dafür keinerlei rechtliche Legitimation gibt, nicht nur, dass die USA Ramstein und den Flughafen Bühel als exterritorial und unter US-Befehl stehend behandeln, sie haben obendrein dort ihre Atombomben modernisiert. Und im Rahmen der nuklearen Teilhabe der Nato werden deutsche „Tornados“ technisch umgerüstet und deutsche Piloten dazu ausgebildet, diese Bomben nach Russland zu tragen. Angela Merkel quittiert’s mit Schweigen.


S. 9 Kultur

Gipfeltreffen der Tastenzauberer
Beim Klavier-Festival Ruhr spielen die weltbesten Pianisten auf − Mit von der Partie ist auch eine Geigerin

Vom Frühjahr bis zum Herbst ist Festival-Zeit in der Metropole Ruhr. Aktuell findet das mit Stars gespickte Klavier-Festival statt, bei dem auch die weltbekannte Violinistin Anne-Sophie Mutter ihre Hände mit im Spiel hat.

Mit ihren hochkarätigen Festivals und spektakulären Spielstätten ist die Kulturlandschaft zwischen Hamm und Duisburg europaweit einzigartig aufgestellt. 1989 wurde das Klavier-Festival Ruhr vom neu gegründeten Verein Initiativkreis Ruhr als Leitprojekt für die Kulturförderung der Region ins Leben gerufen. Es ist heute das weltweit größte Kulturereignis dieser Art. 2011 übergab der Initiativkreis das kostspielige Festival einer eigens gegründeten Stiftung. Nun hängt das Fortbestehen des Klavier-Festivals Ruhr auf gleichem Niveau in erheblichem Maße vom Sponsoring privater Förderer und Mäzene ab.

Auch 2016 hat die Stiftung Klavier-Festival Ruhr wieder viele weltberühmte Pianisten und hoffnungsvolle Talente für die Mitwirkung verpflichten können. Noch bis zum 10. Juli finden insgesamt 69 Konzerte mit 93 Pianisten statt, darunter 41 Nachwuchskünstler und mehrere Debütanten. 350 Kompositionen werden auf 30 Bühnen in 23 Städten zur Aufführung gebracht, unter anderem  in der Jahrhunderthalle Bochum.

Im Mittelpunkt des Festivals steht in diesem Jahr erstmals die Musik von Johannes Brahms. Weitere musikalische Schwerpunkte gelten den Komponisten Max Reger anlässlich seines 100. To­destags sowie Ferrucio Busoni, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 150. Mal jährt. Auch die JazzLine mit acht Veranstaltungen gehört nun schon traditionell zum Festival. Mit dabei sind unter anderem der versierte Brahms-Interpret Gerhard Oppitz mit den Essener Philharmonikern, der Jazz-Pianist Monty Alexander mit dem Harlem Kingston Express, Sir András Schiff mit dem Chamber Orchestra of Europe, Gabriela Montero mit den Dortmunder Philharmonikern, Maria João Pires und Antonio Meneses (Cello), außerdem Krystian Zi­merman, Daniil Trifonow, Jewgeni Kissin, The Pianos Trio, Igor Levit und Markus Becker.

Einige der herausragenden Pianisten waren bereits mehrfach zu Gast auf dem Festival, unter ihnen die französische Pianistin Hélène Grimaud, Preisträgerin des Klavier-Festivals Ruhr 2015. Grimaud hat die Brahms-Klavierkonzerte Nr. 1 und 2 auf CD eingespielt und wird mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi beide Konzerte nacheinander am 28. und 29. Juni in der Philharmonie Essen spielen. Im zweiten Teil der Konzertabende wird die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen die 4. und die 1. Sinfonie von Johannes Brahms aufführen.

Zum Beinahe-Finale der Veranstaltungsreihe 2016 wird das Duo Martha Argerich und Daniel Ba­renboim am 10. Juli um 17 Uhr in der Philharmonie Essen zugunsten der Stiftung Klavier-Festival Ruhr ein Benefizkonzert geben. Zuletzt folgt am 22. Okto­ber außer der Reihe noch ein Konzert mit dem chinesischen Pianisten Lang Lang, der in den großen Konzerthäusern der Welt für Be­sucherrekorde sorgt. In der Mercatorhalle Duisburg wird er mit Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen Mozarts Klavierkonzert in c-Moll KV 491 aufführen.

Für all jene, die live nicht mit dabei sein können beziehungsweise konnten, gibt es auf den Rundfunksendern WDR 3 und Deutschlandfunk die Gelegenheit zum Nachhören der Klavierkonzerte von Johannes Brahms, Max Reger und Ferruccio Busoni. Die Sendetermine sind bis in das Jahr 2017 angesetzt. Neue CDs mit Live-Mitschnitten der Konzerte werden als Volume 35 der „Edition Klavier-Festival Ruhr“ noch vor Weihnachten in den Fachgeschäften erhältlich sein. 2005 wurde die „Edition Klavier-Festival Ruhr“ ins Leben gerufen, sie umfasst inzwischen 106 CDs.

Mit dem sogenannten Education-Programm des Klavier-Festivals wurde 2007 ein viel beachtetes Modellprojekt zur musikalischen Bildung geschaffen. Mit seinen vier Säulen Little Piano School, Discovery-Projects, Young Pro­fessional sowie Klavier Modern/Contemporary Piano Music ist diese Sparte des Klavier-Festivals Ruhr auf Musikvermittlung und Nachwuchsförderung ausgerichtet. Die Angebote richten sich an Kinder ab dem Kindergartenalter und Jugendliche, die man für klassische Musik und das Klavierspielen begeistern und zum Mitmachen anregen möchte. Zeitlich ist das Education-Programm nicht auf die Dauer der Spielzeit beschränkt. Zusammen mit der Stiftung Mercator ist das Klavier-Festival au­ßerdem Träger des schulübergreifenden Projektes „Über­Gänge – Brücken bauen durch Musik“. In Stadtteilen wie Duisburg-Marxloh hat das Projekt mit seinen unterschiedlichen Aktivitäten inzwischen eine wichtige Rolle bei der Einbindung von Kindern aus Neuzuwandererfamilien und sozial benachteiligten Familien übernommen.

Obwohl das Klavier im Mittelpunkt des Festivals steht, treten auch regelmäßig bekannte Solisten mit ihren jeweils anderen Instrumenten auf. Die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter ist dem Festival schon seit Jahren treu verbunden. Mit ihrer eigenen Stiftung fördert sie den musikalischen Spitzennachwuchs und unterstützt außerdem medizinische und soziale Arbeit in mehreren Ländern. Für ihre brillanten Interpretationen klassischer und moderner Werke der Violinmusik erhielt sie im In- und Ausland zahlreiche Auszeichnungen, darunter einen Ehrendoktortitel. Speziell wurde sie mehrmals für ihr karitatives Engagement geehrt.

Dieses Jahr gibt Anne-Sophie Mutter wieder mehrere Benefizkonzerte, so auch zugunsten der Stiftung Klavier-Festival Ruhr. Am 29. Mai wird sie in Essen zusammen mit Lynn Harrell (Cello) und Yefim Bronfman (Klavier) exklusiv für die generösen Spender und Mitglieder des „Silver Circle“ konzertieren, der 2013 als Instrument zur Geldbeschaffung für die Stiftung ins Leben gerufen wurde.

Es sei bedauerlich, dass die klassische Musik medial kaum noch eine Rolle spielt und somit aus dem Interessenfeld junger Menschen geraten sei, sagte die Star-Geigerin in einem Interview. Und es sei einigermaßen ver­rückt, dass junge Japaner in unserer Kultur mehr zu Hause sind als die gleiche Generation bei uns. Die Organisatoren und Förderer des Klavier-Festivals Ruhr haben sich zur Aufgabe gemacht, etwas dagegen zu tun.      D. Jestrzemski

Programm und Tickets im Internet unter www.klavierfestival.de. Telefon: (01806) 500803.


Verfall und Triumph
Vor 125 Jahren wurde DDR-Minister Johannes R. Becher geboren

Der in der DDR vielgerühmte Dichter des Textes der Hymne „Auferstanden aus Ruinen“ war zumindest nach den Wertevorstellungen des Kaiserreiches, in das er am 22. Mai 1891 hineingeboren wurde, ein missratener Sohn, eine gescheiterte bürgerliche Existenz. Und die Wertevorstellungen des Kaiserreiches waren auch die des Vaters, eines Amtsrichters, Staatsanwaltes und späteren Richters am Bayerischen Oberlandesgericht. Johannes entsprach nicht den Leistungserwartungen des Elternhauses. Seine Schulleistungen waren schlecht, und so schwebte dem Vater für den vermeintlichen Zivilversager eine Offizierslaufbahn vor. Das kam Johannes’ sportlichem Interesse entgegen, aber es kam anders.

Verständnis fand der Junge bei seiner Großmutter, die ihn wohl auch für die Dichtkunst gewann. Nach dem Abitur, das er dann doch schaffte, studierte er Philologie, Philosophie und Medizin. Einen Abschluss errang er nicht. Wie Heinrich von Kleist und dessen Freundin 1811 oder auch der österreichisch-ungarische Kronprinz Rudolf und dessen Geliebte 1889 wollten auch Becher und seine Jugendliebe gemeinsam aus dem Leben scheiden. Im Gegensatz zu Kleist und Rudolf scheiterte er jedoch auch hier. Auf Franziska Fuß feuerte er zwar erfolgreich, aber seinen eigenen Selbstmordversuch überlebte er schwer verletzt. Dank seinem Vater blieb ihm zwar eine Haftstrafe erspart, aber er wurde morphiumsüchtig und stieg sozial ab.

1914 erschien sein vieleicht wichtigstes expressionistisches Werk: „Verfall und Triumph“. Einen Verfall hatte er in der nun zu Ende gehenden kaiserlichen Ära hinter sich, einen Triumph im Schlepptau der Kommunisten noch vor sich.

Nach bürgerlichen Kategorien gescheitert, suchte Becher im Katholizismus Halt und fand ihn schließlich im Kommunismus. Die Kommunistische Partei bot ihm nicht nur Heimat, sondern auch Aufstiegsmöglichkeiten. Es ist auffallend, wie scheinbar losgelöst von Kurswechseln und Säuberungen der KPD und später der SED Bechers Aufstieg verlief. Er gilt denn auch als Opportunist.

Nachdem er sich in der Weimarer Zeit in der KPD durch Parteiarbeit einen Namen gemacht hatte, emigrierte er nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten über Prag und Paris nach Moskau. 1945 kehrte er mit den Sowjets nach Berlin zurück. Dort machte er schnell Karriere in der Kulturpolitik. Deren Krönung war 1954 die Übernahme der Leitung des Kulturministeriums der DDR.

Am Ende seines Lebens war Becher vom Sozialismus desillusioniert. Er verzichtete jedoch auf einen öffentlichen Eklat und fiel so nie bei den Machthabern in Ungnade. Dezent wurde er politisch kaltgestellt. Der erste Kulturminister der DDR wurde zwar nicht abgelöst, trat aber in der Öffentlichkeit kaum noch in Erscheinung. Da Becher bereits von einem Krebsleiden gezeichnet war, konnte dies geräuschlos unter Gesichtswahrung für alle Seiten geschehen. Am 11. Oktober 1958 starb Johannes Becher in Ost-Berlin. Und da er es zu einem offenen Bruch mit seinen Genossen nicht hatte kommen lassen, ehrten diese ihn nach seinem Tode als „größten deutschen Dichter der neuesten Zeit“.  Manuel Ruoff


Wie aus einem Guss
Köln präsentiert neue Ansichten der Bildhauerin Käthe Kollwitz

Die in Königsberg geborene Künstlerin Käthe Kollwitz ist für ihre zahlreichen ausdrucksstarken grafischen Werke bekannt. Krieg, Tod und Armut sind die Themen ihres Schaffens, ebenso wie Liebe, Ge­borgenheit und Mütterlichkeit – und der Einsatz für Frieden. Auch als Bildhauerin hat sich „die Kollwitz“ ei­nen Namen ge­macht. Doch an­ders als bei den grafischen Ar­beiten ist die Zahl der dreidimensionalen Werke überschaubar: Von insgesamt 43 plastischen Projekten sind gerade mal 19 Bildwerke erhalten ge­blieben. 15 davon wurden in Bronze gegossen.

Zum 30-jährigen Be­stehen des Kölner Käthe-Kollwitz-Mu­se­ums hat die Kunsthistorikerin Annette Seeler für die Ausstellung „Gussgeschichten“ das erste Werkverzeichnis dieser Arbeiten der Künstlerin erstellt. Dieses gilt als ein Meilenstein der Kollwitz-Forschung, der neue Aspekte zu ihrem künstlerischen Schaffen offenbart. Die Ausstellung „Gussgeschichten“ zeigt noch bis zum 5. Juni 140 Exponate, davon 50 plastische Werke in Gips, Stucco, Bronze und Zink.

Für Recherche und Analyse reiste Seeler rund fünf Jahre lang durch die Welt. Seeler stellt fest, dass Kollwitz erst im Alter von 37 Jahren mit der räumlichen Kunst in Berührung kam. 1904 studierte sie zwei Monate Bildhauerei in Paris, lernte dort die Künstler Auguste Rodin und Bernhard Hoetger kennen. Und schuf dann aber erst 1908 ihre erste plastische Arbeit: Ein Bildnisrelief ihres Großvaters Julius Rupp für einen Gedenkstein in Königsberg.

Die erste, noch erhaltene Plastik datiert aus den Jahren um 1910: Frau mit Kind im Schoß. Die späteren Plastiken, die in den 1930er Jahren entstanden, durften in Deutschland nicht ausgestellt und seit Kriegsbeginn 1939 nicht mehr mit Bronze gegossen werden – weil Bronze das „kriegswichtige“ Kupfer enthielt.

Vollkommen unbekannt war bislang auch, dass 1938 vier Bronzen in New York ausgestellt wa­ren. Neben autorisierten Nachgüssen konnte Kunsthistorikerin Seeler auch Fälschungen, sogenannte „Raubgüsse“, in Amerika entdecken.                S. Schmidtke

Käthe Kollwitz Museum Köln; Neumarkt 18–24, 50667 Köln, geöffnet Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Sonnabend und Sontag 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 5 Euro. Katalog/Werkverzeichnis (Hirmer Verlag) 39 Euro.


MELDUNGEN

Graffiti zieht nach drinnen

Berlin − Am 19. Mai wurde in der Bundeshauptstadt der Baustart des neuen Museums „Urban Nation“ verkündet. Das „Museum for Urban Contemporary Art“, wie das Museum für urbane zeitgenössische Kunst auf zeitgeistig anbiedernde englische Weise heißt, soll schon Mitte nächsten Jahres in der Bülowstraße 7 im Stadtteil Schöneberg eröffnet werden. In dem mit Mitteln der Berliner Lotto-Stiftung erbauten Haus er­hält die Straßenkunst ein wetterfestes Dach, die sonst auf das „Freiluftmuseum“ namens Stadt  mit ihren öffentlichen Plätzen und Hauswänden als kostenfreien Ausstellungsort setzt. Inzwischen macht der Kunsthandel auch mit „Streetart“ große Geschäfte. Für Werke des englischen Straßenkünstlers Banksy werden astronomische Summen geboten. Erst kürzlich brachte ein Selbstporträt des 1988 gestorbenen Graffiti-Künstlers Jean-Michel Basquiat bei einer Versteigerung in New York 50 Millionen Euro ein.         tws

 

Dachgarten à la Fürst Pückler

Bonn − Die von Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) nach englischen Vorbildern angelegten Landschaftsparks in Mus­kau, Babelsberg und Branitz zählen zu den Höhepunkten europäischer Landschaftsgestaltung im 19. Jahrhundert. Diese drei Parks stehen bis zum 18. September im Mittelpunkt der Ausstellung „Parkomanie. Die Gartenlandschaften des Fürsten Pückler“, die im Ge­bäude sowie auf dem Dach der Bonner Bun­deskunsthalle zu se­hen ist. Während drinnen der Gartenkünstler wiederentdeckt wird, der als exzentrischer Lebemann, passionierter Weltreisender und gefeierter Literat galt, ist auf dem Dach der Kunsthalle ein Gartenreich entstanden, dessen Gestaltungsprinzipien Pück­lers Ideen aufgreifen. Internet: www.bundeskunsthalle.de tws


S. 10 Geschichte & Preussen

Im »Gestapo-Keller« der US-Armee
Malmedy-Prozess 1946: Senator Joseph McCarthy protestierte energisch gegen Vertuschungsversuche

Dass die US-amerikanischen Streitkräfte bei der Behandlung von Gefangenen vielfach gegen nationales und internationales Recht verstoßen, weiß die Weltöffentlichkeit nicht erst seit Vietnam oder dem Bekanntwerden der schockierenden Bilder aus dem Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak. So gab es auch schon im Vorfeld des Malmedy-Prozesses vor 70 Jahren einen handfesten Folterskandal.

Die unmittelbar bevorstehende Ardennenoffensive sei die wichtigste Schlacht im Endkampf der Deutschen „auf Leben und Tod“, erklärte Adolf Hitler seinen Generälen am 12. Dezember 1944. Dabei kam der Vorausabteilung der 1. SS-Panzer-Division, die unter dem Befehl von Standartenführer Joachim Peiper stand, die Aufgabe zu, rasch bis zu den Maasbrücken bei Huy vorzustoßen. Bei deren Ausführung traf der Verband am 17. Dezember südöstlich von Malmedy – an der Straßenkreuzung von Baugnez – auf einen Lkw-Konvoi des 285th Field Artillery Observation Battalions der US Army. Was dann passierte, wurde nie endgültig juristisch geklärt. Auf jeden Fall fanden andere Truppenteile der US-Amerikaner hier einige Tage später die Leichen von 82 GI. Daraufhin sprach man in den Vereinigten Staaten von einem „Massaker“ an Soldaten, die sich ergeben hätten, und versuchte, die hierfür angeblich Verantwortlichen, zuvörderst natürlich Peiper, zu belangen.

Dahinter stand zunächst sicher die Absicht, von den eigenen Kriegsverbrechen abzulenken. Wie die Militärhistoriker Forrest Pogue und Peter Lieb an diversen Beispielen nachwiesen, wurden während der Kämpfe im Bereich der Westfront zahlreiche deutsche Gefangene ermordet, wobei es ganz besonders die Angehörigen der Waffen-SS traf. Zum anderen sollten die Deutschen laut Besatzungsdirektive JCS 1067/6 von 26. April 1945 aber auch verinnerlichen, dass sie „eine besiegte feindliche Nation“ seien. Und dazu gehörten eben Verfahren wie der Malmedy-Prozess, in denen die Devise galt, sich nicht um irgendwelche formellen juristischen Hindernisse zu kümmern.

Deshalb wurde restlos jeder der 73 Angeklagten, die ab dem 16. Mai 1946 wegen der Ereignisse an der Kreuzung von Baugnez vor dem General Military Government Court in Dachau standen, im Vorfeld der Verhandlung gefoltert, um ein Geständnis zu erzwingen. Dabei kamen unter anderem folgende Methoden zum Einsatz, von denen die US-Bürger später aus der „Washington Daily News“ und weiteren Zeitungen erfuhren, nachdem sich ein Insider, nämlich Richter Edward Van Roden, an die Presse gewandt hatte: Einzelhaft in Dunkelzellen oder sehr stark aufgeheizten Kammern, Einschlagen der Zähne, Spießrutenlauf, heftige Stockschläge in die Genitalien sowie Scheinhinrichtungen mit Anziehen des Stricks bis zur Bewusstlosigkeit. Überaus perfide war auch die Praxis der Untersuchungsbeamten, sich als Geistliche auszugeben, die den angeblichen Todeskandidaten die Beichte abnehmen wollten, sowie die Drohung, den Angehörigen der Angeklagten die Lebensmittelkarten zu entziehen, was sie dem Verhungern preisgegeben hätte. Verantwortlich für diese Schandtaten zeichneten vor allem Captain (Hauptmann) Raphael Shumaker, die First Lieutenants (Oberleutnante) Robert Byrne und William Perl sowie die Zivilangestellten Morris Ellowitz und Harry Thon.

Aufgrund der durch körperliche oder psychische Gewalt erpress­ten Geständnisse ergingen am 16. Juli 1946 folgende Urteile: 43-mal Tod durch den Strang, 22-mal lebenslängliche Haft und achtmal Gefängnis zwischen zehn und 20 Jahren. Da jedoch die Praktiken der Ermittler inzwischen ruchbar geworden waren, kam es am 28. Dezember 1946 zu einer Intervention, wie sie in der Rechtsgeschichte Seltenheitswert besitzt. Während die Haupt-Verteidiger, also die Colonels (Obristen) Willis Everett jr. und John Dwinell, Revision beantragten, reichte Chefankläger Lieutenant-Colonel (Oberstleutnant) Burton Ellis ein Gnadengesuch bei der War Crimes Group der US Army ein. Daraufhin ließ diese erneute Untersuchungen anstellen, bei denen die Waffen-SS-Soldaten insbesondere durch die Aussagen von Lieutenant-Colonel (Oberstleutnant) Hal McGowan entlastet wurden, der eine rundum korrekte Behandlung aller US-amerikanischen Gefangenen durch die Kampfgruppe Peiper attestierte.

Hieraufhin hob der War Crimes Board of Review am 4. Februar 1948 zunächst 15 der Schuldsprüche mangels Beweisen auf. Darüber hinaus setzte der oberste Gerichtsherr und Militärgouverneur in der US-Besatzungszone, General Lucius Dubignon Clay, die Strafen für 41 der Delinquenten – darunter 27 Todeskandidaten – herab, wonach 13 der Männer ohne weitere Begründung freikamen. Parallel hierzu bestätigte Clay freilich auch zwölf Todesurteile, die am 20. Mai 1948 vollstreckt werden sollten. Das wiederum bewog Everett zu einer Eingabe beim Secretary of the Army Kenneth Claiborne Royall, der die Exekutionen untersagte und die nochmalige Überprüfung sämtlicher Urteile durch das Richterduo Gordon Simpson und Leroy Van Roden sowie Lieutenant-Colonel (Oberstleutnant) Charles Lawrence vom Judge Advocate General’s Corps anordnete.

Diese Kommission verbreitete zunächst die Version, es sei alles ganz rechtsstaatlich verlaufen, empfahl aber trotzdem eine Abänderung der noch gültigen Todesurteile. Dazu war Clay indes nur in sechs Fällen bereit. Daraufhin wandte sich Van Roden im Januar 1949 an die Presse und enthüllte den Folter­skandal, wonach er im Interview mit der „Chicago Tribune“ sagte: „Wenn Gerechtigkeit Platz greifen soll, dann müsste man die ganze amerikanische Armee nach den Vereinigten Staaten zurückführen, um sie dort abzuurteilen.“

Infolgedessen setzte der US-Senat nun einen eigenen Untersuchungsausschuss unter der Leitung des Notars Raymond Baldwin ein. Der bestätigte wiederum die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, wogegen der republikanische Senator Joseph McCarthy, der an den Sitzungen teilgenommen hatte, am 20. Mai 1949 öffentlich Protest einlegte: Die Beschuldigten im Malmedy-Prozess seien definitiv Misshandlungen ausgesetzt gewesen, „wie sie nur von kranken Gehirnen erfunden werden konnten“ (siehe Kasten).

Die Konsequenz hieraus war die Aufhebung der letzten sechs Todesurteile durch Clays Nachfolger General Thomas Handy am 31. Januar 1951 sowie die erneute Abmilderung von 31 Haftstrafen im August des gleichen Jahres. Deshalb erlangten letztlich alle Angeklagten im Malmedy-Prozess bis 1957 die Freiheit, darunter auch Peiper, der später von Ellis explizit schriftlich bestätigt bekam, dass man die Waffen-SS-Männer keineswegs nach Recht und Gesetz behandelt habe. Wolfgang          Kaufmann


Passt in keine Schublade

In den Jahren 1930 bis 1934 machte sich der am 22. Mai 1896 in Hermsdorf, Kreis Pr. Holland geborene Maler Karl Gustav Weinert einen Namen in Königsberg durch zahlreiche Ausstellungen seiner Aquarelle und Ölbilder im Kunstsalon Teichert, im Krönungsgang des Schlosses und in der Kunsthalle am Wrangelturm. Danach gab es bis 1945 keine Ausstellungen mehr, weil seine Werke den Machthabern zu häufig Verfolgung, Gefangenschaft, Tod und Mord thematisierten. Selbst in seinen „Sonnenblumen“ von 1933 – verwelkend und hinter Stacheldraht – lassen sich sinnbildlich Gefangenschaft und Verderben erkennen.

Aber zunächst zum Lebensweg des Künstlers: Nach Schulabschluss, Wehr- und Kriegsdienstzeit begann er seine Ausbildung 1919 in Königsberg zweigleisig. Einerseits führte ihn seine gründliche Ausbildung als Textilkaufmann über seine Tätigkeiten als Abteilungsleiter, Werbeleiter und Geschäftsführer eines großen Textilhauses in Königsberg bis zur Selbstständigkeit durch die Eröffnung eines Modenhauses im pommerschen Körlin. Andererseits galt seine ganze Hinwendung seit früher Jugend der Kunst. Deshalb studierte er teilweise neben seiner beruflichen Ausbildung ab 1924 Kunstgeschichte und Psychologie in Königsberg. Daneben besuchte er ab 1925 die Malschule Manzau als Einzelschüler, und von 1927 bis 1931 war er Meisterschüler von Alexander Kolde in Königsberg. Ab 1930 betätigte Weinert sich – neben seinem Erwerbsberuf – als freischaffender Künstler. Binnen kurzer Zeit konnte er seine Werke der Öffentlichkeit präsentieren.

1938 zog Weinert mit seiner Familie nach Körlin. Doch schon 1940 bis 1945 kam Weinert erneut in den Kriegseinsatz, zuletzt als Oberzahlmeister der Marine. Mit dem Kriegs­ende verlor er seine Existenz in Körlin. Nach kurzer Gefangenschaft fand er 1945 seine Familie in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen wieder, und es folgte seine volle Hinwendung zur Kunst. Schon 1946 konnte er eine erste Ausstellung nach dem Krieg in Osterholz-Scharmbeck beschicken. Dort traf er mit dem damaligen Direktor der Staatlichen Kunstschule Bremen zusammen, und aus einem Dialog folgte seine Berufung als Dozent an eben dieser Schule. Zunächst unterrichtete er in den Abendkursen, war aber schon bald Leiter des zweisemestrigen Vorstudiums (Allgemeiner Zeichensaal), dann stellvertretender Direktor und zeitweilig amtierender Direktor.

Trotz seines starken Engagements an der Kunstschule hat Weinert sein freies Schaffen nie vernachlässigt. Von 1945 bis zu seiner Erkrankung 1958 schuf er noch mehr als 300 Zeichnungen, Aquarelle, Holzschnitte und Ölbilder. In diversen Ausstellungen in Bremen, Worpswede, Düsseldorf und Goslar wurden viele seiner Nachkriegswerke der Öffentlichkeit gezeigt.

Die Lehrtätigkeit und sein freies Schaffen musste Weinert 1958 wegen seiner schweren Parkinsonerkrankung aufgeben. Am 28. Juni 1965 starb er an seinem letzten Wohnsitz in Bremen. Einer bestimmten Stilrichtung lassen sich Weinerts Werke nicht zuordnen, dafür sind seine Motive, die angewandten Farben und Techniken zu vielfältig. E.B.

Einige seiner Werke befinden sich als Leihgaben in der Bremer Kunsthalle, andere im Besitz der Stadt Bremen. Seine Nachkriegswerke stellen aber nur den kleineren Teil seines Gesamtwerkes dar. Etwa 1000 Studien, Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder sind bei Kriegsende in Körlin geblieben. Ohne diese Werke wird sein Gesamtwerk nie mehr vollständig sein, es sei denn, dass verlorene Werke noch irgendwann und irgendwo auftauchen.E.B.

Ausdrucksstarke Werke Karl Gustav Weinert zum 100. Geburtstag

Durchweg erhielt er gute Kritiken in der Presse Königsbergs, welche die Erfolge seiner Ausstellungen deutlich machten.


S. 11 Geschichte & Preussen

Älteste gemischte Chorvereinigung der Welt
Vor 225 Jahren, am 24. Mai 1791, wurde die Sing-Akademie zu Berlin gegründet

Der 24. Mai 1791 gilt als das Gründungsdatum der Sing-Akademie zu Berlin, weil an jenem Tag ihr Begründer und erster Direktor, Carl Friedrich Christian Fasch, damit begann, ein Probentagebuch zu führen. Dort hielt er fest: „Den 24. May bey Mad. Voitus zum ersten mahl“.

Dreieinhalb Jahrzehnte vor diesem Probentagebucheintrag, im Jahre 1756, kam jener Zerbster Musiker und Komponist Carl Fried­rich Christian Fasch nach Berlin. Schnell avancierte er dort zum zweiten Hofcembalisten neben Carl Philipp Emanuel Bach. Seine Aufgabe bestand nicht zuletzt darin, Friedrich dem Großen beim Flötenkonzert zu begleiten. Allerdings gab der König das Musizieren 1778 auf, und Fasch bat deshalb mehrfach um Entlassung aus preußischen Diensten. Diese wurde ihm freilich immer wieder verwehrt. Aus diesem Grunde entschloss er sich, die Komposition einer 16-stimmigen A-capella-Messe in Angriff zu nehmen.

Fasch fand aber keinen Chor, der das Werk kompetent hätte vortragen können. Nolens volens griff er auf Privatschüler zurück. 1790 begann das Einstudieren der Messe. Im darauffolgenden Jahr entstand daraus der sogenannte Kunstverein für die heilige Musik. Dessen 28 Mitglieder – in der Regel Männer und Frauen aus dem Berliner Bildungsbürgertum – kamen am 24. Mai 1791 in der Wohnung der Witwe des preußischen General-Chirurgen Johann Christoph Voitus zur ersten offiziellen Probe des Vereins zusammen.

Der Öffentlichkeit stellte sich der Chor im September des Gründungsjahres in der Berliner Marienkirche vor, wobei jedoch noch nicht Faschs große Messe, sondern dessen Tondichtung zum 51. Psalm namens „Miserere Mei“ gesungen wurde. Dem folgte eine weitere intensive Probenarbeit. Diese litt schon bald zunehmend darunter, dass der schon immer recht kränkliche Chorleiter Anfälle von „Bluthusten“ bekam, so dass Carl Friedrich Zelter, der zwischen 1784 und 1786 insgesamt 168 musikalische Unterweisungen von Fasch erhalten hatte, mit dessen Vertretung betraut wurde.

Ab 5. November 1793 erlangte der Kunstverein den offiziellen Status einer selbständigen Gesellschaft. Damit einher ging die Umbenennung in „Singe-Accademie“, weil die Proben nun in den Räumlichkeiten der Königlichen Akademie der Künste stattfanden. Ansonsten verfolgte der Chor weiterhin das Ziel, dem Bürgertum Werke der geistlichen Musik näher zu bringen. Damit trug er zum Übergang von der höfisch-klerikalen Musikkultur zur Musikpflege durch das Bürgertum bei. In diesem Zusammenhang sorgte Fasch auch für eine Johann-Sebastian-Bach-Renaissance. Am aufsehenerregendsten war der neue, gemischte A-capella-Chorgesang, dessen Klang voll und ganz den frühromantisch inspirierten Geschmack der Zeit traf.

Vor größerem Publikum, darunter Prinz Louis Ferdinand von Preußen, trat die Singe-Accademie erstmals am 8. April 1794 auf. Hierdurch wurden einige der renommiertesten Komponisten der damaligen Zeit wie Joseph Haydn oder Ludwig van Beethoven auf den Chor aufmerksam und schrieben Stücke für ihn.

Ab 1796 nahm Faschs „Bluthusten“ dramatisch zu, sodass Zelter immer öfter für den Leiter der Akademie mit ihren inzwischen schon deutlich über 100 Mitgliedern einspringen musste. Von daher war es naheliegend, dass Zelter nach Faschs Tod am 3. August 1800 die Nachfolge übernahm. Zelter erwies sich als noch rühriger als sein Vorgänger. Er war nicht nur ein Vollblutmusiker, sondern ebenso ein gewiefter Kulturpolitiker und -manager. So erwirkte er 1817 die Verleihung der Korporationsrechte für die Sing-Akademie durch das preußische Ministerium des Innern. Das hatte für den Chor den Vorteil, dass er von nun an die Privilegien einer Körperschaft des öffentlichen Rechts genoss. Außerdem sorgte Zelter für dessen Fortbestehen in Kriegszeiten und gliederte ihm 1807/08 die Orchesterschule für ältere Musik („Collegium Musicum“) sowie den Männerchor „Berliner Liedertafel“ an. Darüber hinaus sorgte der gelernte Maurer und Architekt für den Bau eines eigenen Domizils der Sing-Akademie nach Plänen von Karl Fried­rich Schinkel. Und dann initiierte Zelter, der seit 1806 beziehungsweise 1809 Ehrenmitglied der Preußischen Akademie der Künste und erster Musikprofessor Preußens war, auch noch die Gründung von Instituten für Kirchen- und Schulmusik in Königsberg (1814), Breslau (1815) und Berlin (1822).

Die Fertigstellung des Konzertgebäudes der Sing-Akademie erfolgte Anfang 1827. Zwei Jahre später – am 11. März 1829 – fand dort die legendäre erstmalige Wiederaufführung der Matthäus-Passion nach dem Tode von Johann Sebastian Bach unter der Leitung des damals 20-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy statt, mit der die Bach-Vergötterung in Preußen ihren Höhepunkt erreichte. Ansonsten erlangte das Haus am Festungsgraben hinter der Neuen Wache späterhin noch Bedeutung, weil es von Mai bis September 1848 die Preußische Nationalversammlung beherbergte und wissenschaftlichen Größen der damaligen Zeit wie Alexander von Humboldt, Rudolf Virchow, Ferdinand Graf von Zeppelin und Heinrich Schliemann ein Podium für vielbeachtete öffentliche Vorträge bot. Und natürlich gastierten mit Niccolo Paganini, Franz Liszt, Clara und Robert Schumann, Johannes Brahms und Richard Strauß auch weltbekannte Vertreter der Musikprominenz des 19. Jahrhunderts in den akustisch perfekten, repräsentativen Räumlichkeiten der Sing-Akademie.

Dabei kam es nach dem Tode Zelters am 15. Mai 1832 zu einer deutlichen Stagnation im Repertoire des Chores, in dem eine zeitlang sogar der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck als Bass mitwirkte. Zwar ließ Zelters Schüler und Nachfolger Carl Friedrich Rungenhagen neben der Johannes-Passion und der h-Moll-Messe von Bach auch noch einige Händel-Oratorien und andere Werke einstudieren, doch setzte August Eduard Grell, der nach Rungenhagens Tod 1851 die Leitung übernahm, das nicht weiter fort. Vielmehr beschränkte er sich nun fast ausschließlich auf die Wiederbelebung diverser Werke von Johann Sebastian Bach. Ganz ähnlich verfuhr anschließend Martin Traugott Blumner, der Chorchef ab 1876.

Die Wende kam erst mit dem Amtsantritt des jungen Komponisten und Pianisten Georg Schumann im August des Jahres 1900. Der Sachse leitete die Sing-Akademie in der preußischen Hauptstadt über ein halbes Jahrhundert, nämlich bis 1952, und führte diese dabei konsequent in die Moderne, indem er nun beispielsweise auch Komponisten wie Giuseppe Verdi, Anton Bruckner und Max Reger aufführen ließ. Außerdem sorgte Schumann dafür, dass der Chor über Berlin hinaus wirkte. Konzertreisen führten ab 1913 nach Italien, Osteuropa und Skandinavien. Während der Zeit des Nationalsozialismus erreichte er eine Eingliederung in die Preußische Akademie der Künste unter Beibehaltung der rechtlichen Selbstständigkeit des Gesangsensembles. Dieser Umstand sicherte dessen Überleben nach Kriegsende, obwohl sein Domizil am 23. November 1943 durch alliierte Fliegerbomben beschädigt worden war, was zum Umzug nach Berlin-Steglitz führte.

Auf Schumann folgten dann Carl Mathieu Lange (1952–1973), Hans Hilsdorf (1973–1999), Joshard Daus (2002–2005) und schließlich seit 2006 Kai-Uwe Jirka, die sich auf jeweils ganz eigene Weise um eine künstlerische Weiterentwicklung des Chors bemühten. Dabei stand und steht bis heute aber ungeachtet aller Akzentsetzungen im Detail immer das Wechselspiel zwischen alter und neuer beziehungsweise zeitgenössischer Musik im Mittelpunkt.        

                Wolfgang Kaufmann


»Preussen« auf den Weltmeeren
Viele Schiffe waren nach dem Herzogtum, Königreich und Freistaat sowie Bundesstaat und Reichsland des Deutschen Reiches benannt

Schon seit der Antike ist es Brauch, dass Schiffe auf einen Namen getauft werden. Der Eigner wählt dabei aus Begriffen aus, die für ihn eine besondere Bedeutung haben. Gern sind das geografische Bezeichnungen, und so trugen mehrere Schiffe stolz den Namen „Preussen“ auf die Weltmeere hinaus.

Vor 125 Jahren, am 23. Mai 1891, lief das Dreimast-Vollschiff „Preussen“ bei der Hamburger Werft Blohm & Voss vom Stapel. Auftraggeber war die Reederei F. Laeisz, die führend im Salpeter-Import aus Südamerika war. Die „Preussen“, ein aus Stahl erbauter Frachtsegler, gehörte zu den „Flying-P-Linern“. Im Jahre 1856 hatte Carl Laeisz die Bark „Pudel“ auf den Spitznamen seiner Frau Sophie getauft, den sie wegen ihrer krausen Haare bekommen hatte. Fortan fingen die Namen aller Laeisz-Neubauten mit einem „P“ an. Auch wenn Dampfer im Passagier- und Frachtverkehr durch ihre Geschwindigkeit den Segelschiffen weit überlegen waren, blieben diese jedoch vorerst im Massengutverkehr konkurrenzlos günstig. Und die Laeisz-Segler waren durch ihre Schnelligkeit berühmt. Statt in 120 Tagen auf See schafften es die Flying-P-Liner bald in 70 Tagen nach Chile, und so rauschte auch die „Preussen“ unter vollen Segeln um das Kap Hoorn herum. Schon ab 1892 baute Laeisz noch größere Segelschiffe, erst als Viermaster und dann 1895 sogar als Fünfmaster. Die Dreimaster, wie die knapp 80 Meter lange „Preussen“, blieben jedoch weiterhin als fleißige Arbeitsschiffe in Fahrt.

1902 wurde dann ein weiterer Fünfmaster mit eleganten Linien und ausgefeilter Konstruktion in Dienst gestellt. Für das mit 147 Metern längste jemals gebaute Segelschiff der Welt wurde auch ein besonderer Name benötigt; deshalb wurde die alte „Preussen“ 1902 nach der damals preußischen Stadt Posen umbenannt. Im Oktober 1909 brach auf der „Posen“ aus ungeklärter Ursache Feuer aus. Um eine Explosion zu verhindern, wurde zwar das Dynamit über Bord geworfen, aber die anderen Ladungsgüter wie Fett, Öl und Teer gaben dem Feuer immer neue Nahrung. Das Schiff brannte völlig aus, die Besatzung konnte sich aber in die Boote retten und wurde von einem britischen Dampfer aufgenommen.

1902 kam dann das Fünfmastvollschiff „Preussen“ in Fahrt, das bis zu 8000 Tonnen Fracht tragen konnte. Die Menge entsprach der Ladekapazität von 18 Güterzügen mit je 30 Waggons. Dabei bestand die Schiffsbesatzung der „Preussen“ lediglich aus 45 Mitgliedern, sodass die Reisen mit einem vollausgelasteten Schiff für die Reederei sehr lukrativ waren. Allerdings zeigte sich auch, dass es schwierig war, so viel Ladung zu bekommen, gab es doch schon für die kleineren Segler kaum genug Fracht für den Hinweg. So musste über den Rückweg die gesamte Reise finanziert werden. Die „Preussen“ hält bis heute noch den Rekord für die schnellste Reise unter Segeln von Lizard am Südausgang des Englischen Kanals bis nach Iquique im nördlichen Chile mit nur 58 Tagen und schaffte ebenfalls mit 18,7 Knoten die höchste Durchschnittsfahrtgeschwindigkeit innerhalb von 24 Stunden. Gefahr drohte den sturmerprobten Laeisz-Seglern weniger um Kap Hoorn herum als im stark befahrenen Ärmelkanal, der durch die Enge für Segelschiffe immer schwerer zu passieren war. Gemäß geltenden Regelungen waren Dampfer verpflichtet, Segelschiffen auszuweichen. In der Praxis gab es durch Fehleinschätzungen allerdings immer wieder tragische Havarien. So kollidierte die „Preussen“ am 5. November 1910 unverschuldet mit der Kanalfähre „Brighton“ und schlug auf fünf Metern Länge leck. Bei dem Versuch, Dover als Nothafen anzusteuern, geriet die „Preussen“ in einen Sturm, in dem beide Ankerketten beim Notankern rissen. Zwei Schlepper kamen zur Hilfe und versuchten, die „Preussen“ sicher in den Hafen zu verbringen, als eine Trosse zum Schlepper brach und die Schiffe durch eine heftige Bö auf Land zugetrieben wurden. In einem letzten verzweifelten Versuch ließ Kapitän Nissen die Schleppertrossen loswerfen und wollte sich vom Land weg freisegeln. Dabei geriet das Vorschiff auf einen Unterwasserfelsen und die Strandung war nicht mehr zu verhindern. Durch einen weiteren Sturm war keine Bergung möglich, die „Preussen“ zerbrach in den Wellen. Immerhin konnte noch ein Teil der wertvollen Ladung geborgen werden, darunter Klaviere, die wegen der vibrationsfreien Fahrt bevorzugt mit Segelschiffen statt mit Dampfern transportiert wurden. Die traurigen Überreste der „Preussen“ ragten noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Klippen von Dover hervor. Der Verlust der „Preussen“ war eine tragische Verkettung widriger Umstände, und der wohlklingende Schiffsname wurde danach von der Reederei nicht wieder vergeben.

Auch andere Reedereien schick­ten ihre Dampfer mit „Preussen“ am Bug auf die Reise. Der Norddeutsche Lloyd aus Bremen brachte 1886 den Reichspostdampfer „Preussen“ auf Australien-Fahrt und die Hamburger Hapag baute 1922 einen Kombi-Frachtdampfer „Preussen“ für den Ostasiendienst.

Auf der Ostsee gab es zwei Fahrgastdampfer mit diesem Namen. Ab 1911 setzte die Reederei A. Zedler den Dampfer „Preussen“ zwischen Elbing und Kahlberg auf dem Frischen Haff ein. Trotz einer Länge von nur knapp 50 Metern war das Schiff für 1550 Passagiere in diesem Fahrtgebiet zugelassen. Es wurde bei Danzig 1945 versenkt. Nach dem Krieg wurde das Schiff gehoben und unter polnischer Flagge wieder als Ausflugsdampfer in Dienst gestellt.

1926 ließ der „Seedienst Ostpreußen“ ein wunderschönes weißes Seebäderschiff bauen. Bereedert wurde es von der Stettiner Dampfschiffs-Gesellschaft J.F. Braeunlich, die das Schiff auf der Linie Stettin–Pillau–Königsberg einsetzte. 1939 ließ die Kriegsmarine die „Preussen“ zum Hilfsminenschiff umrüsten. Das Schiff lief 1941 auf eine schwedische Minensperre und wurde von der Besatzung durch Sprengung versenkt.

Außerdem trugen noch eine Eisenbahnfähre, ein Eisbrecher und ein Panzerschiff der kaiserlichen Marine stolz den Namen „Preussen“. Inzwischen aber ist der Name wie von den Landkarten auch von den Weltmeeren verschwunden.                Britta Heitmann


S. 12 Leserforum

Leserforum

Deutscher Hamlet

Zu: Der verzettelte Shakespeare (Nr. 17)

Ein wirklich lobenswerter Artikel zum 400. Todestag von Shake­speare. Endlich einmal ein Beitrag, der nicht die Standard-Hymne auf Leben und Werk des Dramatikers sang, wie sie in den meisten anderen Medien nachzulesen, zu hören und zu sehen war.

Den fundierten Beitrag über den literarischen, nationalen und ideo­logischen Missbrauch des englischen Dramatikers in den vergangenen Jahrhunderten möchte ich ergänzen durch den Ausruf des Vormärz-Dichters Ferdinand Freiligrath, „Deutschland ist Hamlet“. Das war nicht nur als Absage auf den romantischen Hamlet-Kult gemeint, sondern auch als Kritik auf das zögerliche Bürgertum zum Aufstand. „In seinen Toren jede Nacht / Geht die begrabne Freiheit um“, schrieb Freiligrath im Gedicht „Hamlet“ und vollendete damit die Identifikation Deutschlands mit Shakespeares Dramenhelden.

Matthias Schöne, Hannover

 

 

Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Freihandels-Metzger selber

Zu: „Die Verhandlungen sind festgefressen“ (Nr. 18)

Bei den derzeit grundsätzlich reichlich vorgebrachten und für eine Ablehnung eigentlich ausreichenden Gegenargumenten zu TTIP scheint ein ganz wesentlicher Aspekt inzwischen aus dem Blickfeld geraten zu sein, welcher es zudem wahrlich in sich hat. Das Fehlen dieses Aspekts in der öffentlichen Dis­kussion ist schon ein „Erfolg“ der Geheimhaltung, die trotz gegenteiliger Beteuerungen offenbar immer noch funktioniert (einsehen darf man, nach draußen dringen darf nichts).

Gemeint mit dem fehlenden Aspekt sind die überhaupt nicht mehr erwähnten amerikanischen Trivialpatente („Micky-Maus-Patente“). Erinnert sei dazu an den Artikel „Trivialpatente durch TTIP“ in der PAZ vom 10. Januar 2015. Diese bieten die Möglichkeit, alltägliche Anwendungsusancen mit dem Verweis auf existierende Patente ab sofort als unzulässig zu unterbinden oder allenfalls gegen – willkürliche? – Gebühren zuzulassen. In Kombination mit den geplanten privaten Schiedsgerichten sind sie geeignet, deutschem Ingenieurwesen und der deutschen Wirtschaft den Garaus zu machen.

Bei den Trivialpatenten handelt es sich um solche, bei denen ein Deutscher im Traum nicht darauf gekommen wäre, sie für patentfähig zu halten. Erwähnt sei als Beispiel der von Microsoft am 18. No­vember 2004 angemeldete „Ungleich-Operator“. Der ist zwar seit Jahrzehnten aus Mathematik-Vorlesungen nicht wegzudenken, aber eben nun ein amerikanisches Patent, an dem wir nicht mehr vorbeikommen, wenn uns TTIP erst mal aufgezwungen wurde. Amerikanische Winkeladvokaten werden schon dafür sorgen, dass wir dann horrende Nutzungsgebühren oder bei Nichtbeachtung saftige Strafen dafür zu entrichten haben.

Kaum minder lächerlich ist das amerikanische Patent aus dem Jahr 2003 „Tabellen spaltenweise bearbeiten“. Gibt es etwa jemanden, der bei einer Tabellenerstellung noch nicht so vorgegangen ist? Es gilt zwar heute noch der Spruch „Wo kein Kläger, da kein Richter“, aber im Zeitalter des Internets und der elektronischen Überwachungsmöglichkeiten sind vollautomatische Strafbescheide dazu wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Und wir sind dumm genug, diesen Unsinn auch noch salonfähig zu machen. Wenn eine Anerkennung in Deutschland auch keinerlei Chancen hat, sollten wir vielleicht, um nicht ins Hintertreffen zu geraten, auch mal eine Tasse für Linkshänder (da ist der Henkel links) patentieren zu lassen versuchen. Und wenn dann ein Schlauberger daherkommt und meint, das sei doch ein alter Hut, man brauche doch nur die Tasse umzudrehen, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Erfahrung gezeigt hat, dass eine Patentidee gar nicht albern genug sein kann, um nicht zumindest in Amerika noch als patentfähig anerkannt zu werden. Aber im Ernst: Trivialpatente eigneten sich allenfalls für Spott und Belustigung, wenn sie nicht mit TTIP so fatale Folgen für uns hätten. Solche Heiterkeiten werden uns dann sehr schnell vergehen.

TTIP ist der Flugzeugträger, mit dem die USA ihre Kanonenbootpolitik gegen die europäischen Länder – vor allem Deutschland –  betreiben wollen. Mit dem Einverständnis zum TTIP-Vertrag unterschreibt Europa nach Ansicht mehrerer Fachleute seine Kapitulation und völlige Unterwerfung unter die USA. Wenn die Befürworter argumentieren, der Vertrag schaffe zwei Millionen Arbeitsplätze, dann wird das wohl eher auf das Gegenteil hinauslaufen. Und wenn Amerikaner das anders sehen, dann liegt das nur daran, dass sie Interessen und Absichten haben, die unseren zuwiderlaufen. Schon die Bezeichnung des Vertrages als „Freihandelsabkommen“ ist ein Etikettenschwindel, denn frei kann der Handel nicht sein, wenn er durch  Schiedsgerichte auf mehrfache Weise unterlaufen werden kann.

Man soll auch den Abschluss des TTIP-Vertrages nicht immer so hinstellen, als sei er die einzige Möglichkeit, unsinnige und den Handel behindernde Regelungen abzustellen. Dieses könnte auch mit Einzelverträgen geschehen, so auch für die sehr umständlichen Zertifizierungen. Konkret stehen diesem allerdings zwei Handicaps entgegen, zum einen, dass sie als Köder für die europäische Akzeptanz von TTIP herhalten sollen. Deswegen stehen sie aus amerikanischer Sicht auch nicht als Verhandlungsmasse zur Disposition. Zum anderen, dass sie mit den Staaten der USA, die alle darüber mitzubefinden haben, ausgehandelt werden müssen und somit ein Riesenproblem darstellen.

Für uns gilt beim TTIP-Vertrag sinngemäß, was Lenin über die Kapitalisten sagte: Sie „werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen“. Und was in diesem Schurkenstück die Europäer betrifft, so sagt dazu Wilhelm Busch: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber.“ Der Metzger ist in diesem Falle TTIP. Wie dumm muss man eigentlich sein, einen solchen Knebelungsvertrag zu akzeptieren und zu unterschreiben?

Als Fazit bezüglich der Pseudo-Transparenz des Abkommens eignet sich ein Zitat im Berliner Dialekt: „Nachtigall, ick hör dir trapsen!“

Dr. Hans-Joachim Kucharski, Mülheim

 

 

Von CDU gelernt

Zu: Historische Kampfansage (Nr. 18)

Ich habe mir das Grundsatzprogramm der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Internet angesehen und nicht schlecht gestaunt. Man könnte glauben, die dort vertretenen Werte sind aus einem Parteiprogramm der CDU von vor 20 Jahren abgeschrieben.

Wäre die CDU sich selbst – und damit ihren Wählern – treu geblieben, gäbe es die AfD heute nicht. Aber unter Bundeskanzlerin Angela Merkel befindet sich die CDU seit Jahren auf einem strammen Linkskurs, unter Verleugnung aller Werte, die einmal den Markenkern der Partei ausgemacht haben. Der konservative Flügel der CDU wurde amputiert, seine Repräsentanten in die politische Wüste geschickt. Die CDU vertritt inzwischen Standpunkte, die sich von denen der SPD oder gar den Grünen kaum noch unterscheiden. Wie anders könnte sich die CDU in Baden-Württemberg zum Junior-Partner einer von dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann angeführten Landesregierung machen lassen? Wie tief will diese Partei eigentlich noch sinken?

Damit ist rechts von der CDU – wo es nach Ansicht der CSU keinen Platz mehr für eine demokratische Partei geben soll – geradezu ein Vakuum entstanden, das auszufüllen die AfD nun angetreten ist. Dass immer mehr Wähler das genau so sehen, zeigen die in jüngster Zeit geradezu explosionsartig steigenden Wahlergebnisse der AfD. Es sind eben doch nach wie vor die von Oskar Lafontaine als „Sekundärtugenden“ diffamierten Werte, die Leben und Alltag einer breiten Mehrheit unseres Volkes bestimmen. Es wird höchste Zeit, diesen Werten im Parlament − der Volksvertretung – endlich wieder Sitz und Stimme zu geben.

Rolf Bürgel, Darmstadt


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Skandal um Deutsch-Russisches Haus
Königsberger Online-Medien lancieren Falschmeldung über angebliche Entscheidung des Amtsgerichts

Nach Berichten von Königsberger Online-Medien soll das Amtsgericht des Bezirks Königsberg-Mitte dem Deutsch-Russischen Haus (DRH) in der ostpreußischen Hauptstadt offiziell den Titel „Ausländischer Agent“ aufgedrückt haben.

Das DRH widerspricht dieser offensichtlich von einschlägigen Kreisen initiierten Kampagne: Das örtliche Gericht habe lediglich eine Empfehlung an das Königsberger Gebietsgericht ausgesprochen, eine endgültige Entscheidung über diesen wenig schmückenden Titel stehe aber bis auf Weiteres aus.

Formal gesehen wird eine solche Einstufung seit der Verabschiedung eines einschlägigen Gesetzes 2012 all jenen Einrichtungen zuteil, die sich in Russland politisch betätigen und dazu überwiegend auf ausländische Mittel zurück-greifen. Während eine primäre Finanzierung des DRH aus der Bundesrepublik außer Frage steht, welche allerdings umfangreich durch öffentliche russische Mittel ergänzt wird, dürfte es schwierig sein, in die bisher das Programm der Einrichtung bestimmenden Sprachkurse und allgemeinen Kulturveranstaltungen eine politische Ausrichtung hineinzulesen. Die russischen Behörden in Königsberg waren vom Wirken des DRH über viele Jahre hinweg stets sehr angetan.

Dies hat sich nun geändert. Der faktische Hintergrund der jüngsten Königsberger Auseinandersetzungen ist ein Affront des früheren bundesdeutschen Vize-Konsuls und Kulturattachés in Königsberg, Daniel Lissner, im August 2014, der erst jetzt in Moskau weite Kreise zieht. Dieser Diplomat mit US- und französischer Ausbildung hatte sich auf einem Gedenkabend zur Deportation der Wolgadeutschen im DRH neben verschiedenen antideutschen Ausfällen dazu verstiegen, eine „Annexion der Krim“ durch Russland zu geißeln, von einem gewaltsamen russischen Einmarsch in der Ostukraine zu reden, dem Gaststaat einen zunehmend totalitären Regierungsstil zu bescheinigen und die Anwesenden zuguterletzt gleich noch aufzufordern, ihr Land aus diesem Grunde möglichst umgehend zu verlassen.

Solche für einen Diplomaten unangemessenen Unverschämtheiten passten weder zum Inhalt des Abends noch zum Stil des Hauses, und sie sorgten daher für erheblichen Unmut bei den Vertretern des DRH, was dessen Leiter noch während der Veranstaltung in größter Deutlichkeit äußerte. Erfreulicherweise zeigte die russische Diplomatie damals mehr Fingerspitzengefühl als ihr deutscher Kollege, indem sie sich nicht öffentlich äußerte und dem Auswärtigen Amt die Gelegenheit gab, seinen schon zuvor durch deutliche Nato- und Pro-Polen-Positionierungen aufgefallenen Vertreter „auf eigenen Wunsch hin“ gesichtswahrend aus Königsberg abzuziehen – seitdem wirkt er im für seine Haltung deutlich empfänglicheren Kiew.

Ganz behoben war der Flurschaden damit nicht, da verschiedene gebietsferne Kreise im Moskauer Justizministerium verspätet auf den Vorfall aufmerksam wurden und durch ihn den Eindruck gewannen, das DRH würde sich mit antirussischer Zersetzungsarbeit beschäftigen – und damit ein „Ausländischer Agent“ sein. Hieraus entwickelte sich seitdem eine komplexe Abfolge juristischer Auseinandersetzungen, deren Tragweite erst durch die jüngsten Anwürfe der Königsberger Medien offenbar wurde. So ging es bei dem jetzigen Gerichtsverfahren um die „Ergebnisse“ von illegalen Inspektionen der russischen Strafverfolgungsbehörden im Juni und Juli 2015, über die bereits zuvor verhandelt wurde, ohne dass ein im Februar ergangenes Urteil Rechtskraft erlangte hätte und bekannt geworden wäre – der Leiter des DRH, Viktor Hoffmann, hatte gegen die juristische Verwendung der gemachten Beobachtungen geklagt. Ungewöhnlicherweise stellte das Gericht jetzt seine jüngste Beurteilung, obwohl das Verfahren noch andauert, auf seiner Internetseite ein und lieferte damit die Grundlagen für eine Schmutzkampagne, an der sich inzwischen mehrere Königsberger Online-Medien, nicht jedoch die seriöse Presse oder TV- und Radiosender beteiligen.

Das Gericht soll demnach entschieden haben, dass sich das DRH an der „Popularisierung der NS-Ideologie als einer Form des Extremismus“ beteiligt habe. Hierbei bezieht es sich auf das im Hause gepflegte Erbe Agnes Miegels, wobei unkritisch Anfeindungen der „BRD-Antifa“ übernommen werden. Diese verfehlte Beurteilung findet zwar in der örtlichen Verwaltung nicht unbedingt Gegenliebe, da man hier die dank ihrer „pro-russischen“ Gedichte durchaus völkerverbindende Dichterin oftmals sehr zu schätzen weiß. Dennoch wurden im nördlichen Ostpreußen allein im letzten halben Jahr zwei Miegel-Gedenksteine unter Berufung auf den sogenannten Anti-Extremismus-Paragraphen demontiert.

Ob die Angriffe gegen Miegel auf den Auftritt Lissners zurück-zuführen sind oder aber, wie Beobachter vermuten, das Ganze eine Retourkutsche auf die allzu bereitwillige Zusicherung der deutschen Kanzlerin während des Besuchs des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama ist, ihren Beitrag zur Nato zu erhöhen, sei dahingestellt. Schade nur, wenn das völlig unbeteiligte DRH in seinem bisher erfreulichen Wirken als Kulturbetrieb beeinträchtigt würde. Thomas W. Wyrwoll/MRK


Hohe Achtung vor Max von Schenkendorf
Die Stadt Tilsit ehrt einen ihrer bedeutendsten Lyriker – Buch mit 40 Gedichten in russischer Sprache herausgegeben

Max von Schenkendorf war einer der bedeutendsten Lyriker der Befreiungskriege. Er wurde Im Jahre 1783 in Tilsit geboren. Ein Denkmal erinnerte an den Sohn dieser Stadt. Auf einem Sockel von rotem Granit erhob sich die 2,80 Meter hohe Bronzestatue des Dichters, ein Werk des Tilsiter Bildhauers Martin Engelke. Das Denkmal verschwand in den Wirren des Krieges. Auch das Andenken an Schenkendorf verblasste. In Deutschland ist der Patriot rasch in Vergessenheit geraten.

Nicht so in seiner Geburtsstadt. Hier tat sich Erstaunliches. Beim Abriss des Denkmalsockels hatte man eine Kapsel mit seinen Gedichten gefunden. Sie wurden im Museum über viele Jahre als geschichtsträchtiges Zeugnis aus Tilsits Vergangenheit sorgsam gehütet. Schließlich war Tilsit einmal Drehpunkt europäischer Geschichte. Hier trafen sich drei Monarchen zum Friedensschluss und bald danach wurde von dem unweit gelegenen Tauroggen die Erhebung Preußens eingeleitet. Und es war Max von Schenkendorf, ein Dichter aus Tilsit, der mit seinen patriotischen Liedern und Gedichten die Vaterlandsliebe und den Freiheitsenthusiasmus der Preußen weckte. Sie gaben Kraft im Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft.

Nun hielt man endlich die Zeit für gekommen, dem Dichter die ihm gebührende Achtung seiner Vaterstadt zu erweisen. Auf Anregung der Direktorin des Museums für Stadtgeschichte, Angelika Spiljowa, wurde beschlossen, die gefundenen 40 Gedichte ins Russische zu übertragen und als Buch zu veröffentlichen. Es galt, den heutigen Bewohnern der Stadt am Memelstrom sein Schaffen nahezubringen. Mitglieder des örtlichen Schriftstellervereins machten sich an die nicht leichte Aufgabe, seine patriotischen Gefühle ideologiefrei einzufangen und sie lyrisch überzeugend in russischer Sprache wiederzugeben.

Im April dieses Jahres, am Welttag des Buches, konnte in einer Feierstunde in Tilsit der zweisprachige Gedichtband der Öffentlichkeit dank eines Zuschusses der Landsmannschaft Ostpreußen aus Mitteln der Stiftung Zukunft für Ostpreußen präsentiert werden. Das Ereignis rief große Aufmerksamkeit hervor. Zu den Ehrengästen zählten der Oberbürgermeister Nikolaj Woischew, der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Michael Banzhaf, und der Konsul der Litauischen Republik, Bronius Makauskas. Die Museumsdirektorin Spiljowa begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste und schilderte die Entstehungsgeschichte des Buches. Die deutsch-russische Ausgabe diene der Pflege des kulturhistorischen Erbes und der Bewahrung der geschichtsträchtigen Vergangenheit dieser Stadt. Sie gehe einher mit der Förderung des gegenseitigen Geschichtsverständnisses. Jekaterina Kudrjawtschewa, die die Gedichte ins Russische übersetzt hatte, gab Einblicke in Leben und Wirken des Tilsiter Dichters, der nur 34 Jahre alt wurde und doch deutliche Spuren in der deutschen Poesie und Geschichte hinterließ. Mit großer Aufmerksamkeit lauschten die Anwesenden der Lesung einiger seiner Gedichte, vorgetragen von den Literaten Ljudmila Eysa und Ljubow Spasskaja.

Oberbürgermeister Woischew würdigte in seiner Ansprache die Herausgabe des Gedichtbandes als Bereicherung des kulturellen Lebens und zugleich als wertvollen Beitrag zur Regionalgeschichte. Schenkendorf sei ein Sohn dieser Stadt gewesen und sein Denkmal habe einst als eines der Wahrzeichen von Tilsit gegolten. Das Buch sei ein Beitrag zur völkerverbindenden Zusammenarbeit und diene der Festigung gutnachbarlicher Beziehungen. Der deutsche Generalkonsul Banzhaf  dankte in seiner auf Russisch gehaltenen Rede für die hervorragende Leistung. Mit der Herausgabe des Buches in jener Stadt, in der Max von Schenkendorf geboren wurde, sei sein guter Name als patriotischer Dichter wiederhergestellt worden. Seine Gedichte seien in einer Zeit entstanden, als Preußen um sein Vaterland und seine Befreiung vom napoleonischen Joch gekämpft habe. Ihr Missbrauch durch die Nationalsozialisten habe leider dazu geführt, dass sie der heutigen Generation verschlossen geblieben seien, in Deutschland wie in Russland. Die heutige Präsentation, so betonte auch der litauische Konsul, sei ein wichtiger Schritt zur Offenheit und zum gegenseitigen Verständnis der Völker.

Der zustimmende Beifall und die anschließenden Gespräche bewiesen, dass Max von Schenkendorf von den jetzigen Bewohnern seiner Vaterstadt verstanden und mit Respekt angenommen worden ist. Man hielt es für nicht ausgeschlossen, dass sein Denkmal wie das der Königin Luise eines Tages wiedererrichtet wird. Hans Dzieran


MELDUNGEN

Peinliche Hexenjagd

Königsberg – Die Gebietsregierung hat die Schule, an der Agnes Miegel unterrichtet wurde, aus dem heimatkundlichen Besuchsprogramm der Regionalschulen gestrichen. Im Rahmen des Projektes „Bernstein-Mosaik“ sollte Miegels Gymnasium in Friedland von größeren Schülergruppen besucht werden, doch eine bekannte und in der Region zunehmend stalinnah auftretende Nachrichtenagentur skandalisierte dieses Gedenken. Bereits Ende 2015 war der Gedenkstein für Agnes Miegel an dem heute als Waisenhaus genutzten Gebäude demontiert worden, wobei man sie als Nazi-Dichterin bezeichnet hatte. T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. S7j: Rontzken [Raczki] –  Zalusken [Załuski], Baustelle. Straße Nr. 7: Elbing – Jazowa, Baustelle; Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle; Osterode – Hohenstein [Olszty-nek], Baustelle; Zalusken [Załuski] – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 7j: Zalusken – Neidenburg [Nidzica], Baustelle. Straße Nr. 15: Rheinsgut [Rynskie] – Mörlen [Morliny], Baustelle. Straße Nr. 16: Osterode – Alt Jablonken [Stare Jabłonki], Baustelle, Nikolaiken, Baustelle. Straße Nr. 22: Elbing – Fichthorst [Jegłownik], Baustelle. Straße Nr. 51: Heilsberg [Lidzbark Warminski], Baustelle; Allenstein – Pagelshof [Ameryka], Baustelle.            E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es ist immer erfreulich, wenn man als Kolumnistin feststellen kann, dass die eigenen Arbeiten als wichtige Informationsquelle gefragt sind und die Authentizität damit bestätigt wird. Verlässlichkeit ist eben eines der wichtigsten Kriterien für die Aufarbeitung dokumentarischer Themen, und dafür dankt uns der Germanist Christopher Spatz, dessen an der Berliner Humboldt-Universität entstandene Dissertation „Ostpreußische Wolfskinder“ jetzt als überarbeitete Einzelveröffentlichung des Deutschen Historischen Institutes Warschau in Buchform vorliegt. Ein Exemplar hat Christopher Spatz uns übersandt, und wir danken ihm sehr dafür, vor allem für die darin ausgesprochene Anerkennung unserer Mithilfe auf der Suche nach Zeitzeugen, die er in seinem Vorwort so formuliert:

„Zu danken habe ich allen Interviewpartnern, die sich mir ihre Lebensgeschichte anvertraut haben. Ohne sie wäre meine Arbeit einzig auf Schriftquellen angewiesen geblieben und infolgedessen eine völlig andere geworden. Hier unterstützten mich sämtliche Kreis- und Stadtgemeinschaften für das nördliche Ostpreußen, bei der Kontaktherstellung halfen mir zahlreiche, sehr engagierte Personen. An sie alle denkend möchte ich namentlich Ruth Geede vom Ostpreußenblatt sowie Anita Motzkus hervorheben, die mich über die reine Zeitzeugenvermittlung hinausreichend mit weiteren wertvollen Hinweisen versorgten.“

Bis sich der Doktorand für dieses Thema für seine Dissertation entschied, hatte er so gut wie keinen Zugang zu diesem lange verdrängten Kapitel der deutschen Vertriebenengeschichte, auf das ihn erst Frau Professor Dr. Ruth Leiserowitz aufmerksam werden ließ. Er dankt es ihr schon in den ersten Zeilen des Vorworts: „Ohne ihre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Wolfskinderforschung hätte ich während des Studiums gar nicht erst von der Existenz der ostpreußischen Bettelkinder erfahren.“ Aber dann hatte es ihn gepackt, und der Doktorand stürzte sich mit großem Elan auf seine Forschungsarbeit über die „Ostpreußischen Wolfskinder“. Mit dieser nicht unumstrittenen Bezeichnung, die sich aber wegen ihrer Griffigkeit inzwischen auch in der Forschung durchgesetzt hat, sind alle anhanglosen Kinder und Jugendlichen aus dem nördlichen Ostpreußen gemeint, die – um dem Hungertod zu entgehen – nach Litauen flohen und ihre deutsche Herkunft zeitweise oder mit Hilfe einer neuen Identität sogar dauerhaft verleugnen muss­ten. Welches Wechselbad der Gefühle diese jungen Menschen durchmachen mussten, die in eine neue Identität, Sprache und Kultur hineinwuchsen, zeigt sich in der Ausleuchtung der Erfahrungsräume der befragten Zeitzeugen, die Christopher Spatz zu persönlichen Gesprächen aufgesucht hat. Die 50 lebensbiografischen Einzelinterviews bilden die Quellengrundlage dieses Werkes, das damit einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung ostpreußischer Vertriebenenschicksale leistet und dessen dokumentarischer Wert wegen seiner hohen Aussagekraft nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Einer der Befragten ist der heute 77-jährige Günter G., der im Frühjahr 1947 auf dem Trittbrett eines Güterwagens nach Litauen fuhr, um dem drohenden Hungertod im Königsberger Gebiet zu entgehen. Zeitgleich taten dies Tausende weiterer Kinder und Jugendliche aus Ostpreußen. In keinem anderen Teil des Deutschen Reiches waren seit Kriegsende so viele Zivilisten an Gewalt, Seuchen und Unterernährung gestorben. Nirgendwo in Europa kreuzten so viele – wie Christopher Spatz es formuliert: elterngelöste – junge Menschen ohne staatliche Direktive eine ethnische Grenze. Der damals elfjährige Günter versuchte diese Erfahrungen mit bedingungsloser Anpassungsbereitschaft, Selbstdisziplin, Lern- und Arbeitseifer abzuschütteln. Nach außen funktionierte er scheinbar reibungslos, doch die meiste Kraft wendete er für das Verdrängen belastender Erinnerungen auf. Seine Erlebnisse aus der Kindheit ragen bis in die Gegenwart: Eine zerstörte Gesundheit, eine zerrissene Biografie und eine lebenslange Defensivhaltung, von der er sich in seinem Denken und Handeln zu keinem Zeitpunkt befreien konnte. Er fühle sich noch immer ganz ausgeschöpft – so bezeichnete er seinen Zustand auch nach nunmehr 77 Jahren.

Die Biografie des Günter G. soll hier für alle Einzelschicksale stehen, die in der bisherigen Wolfskinder-Dokumentation kaum berücksichtigt worden sind. Die eigentlichen Ursachen für die Entstehung der Wolfskinderbiografien sind bisher ebenso wenig verdeutlicht worden wie das zahlengemäße Ausmaß der Wanderungsbewegungen aus dem Königsberger Gebiet nach Litauen. Auch der bemerkenswerte Vorgang, dass sich die Gruppe aufgrund des starken Assimilationsdrucks untereinander mied und sich als solche irgendwann einfach nicht mehr wahrnahm, später aber mehrheitlich nach Deutschland transportiert wurde, fand in den betreffenden Veröffentlichungen kaum Erwähnung. Nach ihrer Rückkehr in die deutsche Gesellschaft gab es für diese jungen Menschen keinen öffentlichen Kommunikationsraum für ihre Erinnerungen – sie blieben in der Hinsicht einsam, eine kollektive Wolfskinder-Identität konnte sich nicht ausbilden. Diese änderte sich auch nach 1990 nicht, als sich die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit primär auf die in Litauen verbliebenen Kinder richtete.

Deshalb stellt Christopher Spatz die Frage in den Mittelpunkt seiner Arbeit, welche Selbstbilder die Zeitzeugen in ihrem von Verlust- und Einsamkeitserfahrungen geprägten Dasein entwickelt haben. Dadurch ergibt sich ein bisher nicht existenter Tiefenblick in die für die Wolfskinder charakteristischen Verflechtungen von Defensiverlebnissen und Überlebungskünsten, wie schon am Lebensbild des Günter G. verdeutlicht. So gesehen schließt dieses Buch von Christopher Spatz eine Lücke, und die Zeit gibt ihm Recht. Noch konnten diese erstaunlich große Anzahl von Zeitzeugen befragt werden, noch immer sind die Erinnerungen der meisten dieser ehemaligen Wolfskinder ungetrübt und – was das Wichtigste ist – sie waren bereit zur Aussage. Jedenfalls möchte ich allen danken, die zum Gelingen dieser großartigen Dokumentation beigetragen haben. Für unsere Familienarbeit wird sich das Buch noch in manchen das Thema Wolfskinder betreffenden Fällen als eine sichere Infoquelle erweisen. (Christopher Spatz: „Ostpreußische Wolfskinder, Erfahrungsräume und Identitäten in der deutschen Nachkriegsgesellschaft“ fibre-Verlag Osnabrück, ISBN 978-3-944870-40-3.)

Sie kommen zurück, die Erinnerungen an die Kindheit, und je älter man wird, desto mehr gewinnen sie an Klarheit. „Niemals vergessen, auch 68 Jahre danach!“, so schreibt unser Landsmann Gerhard Thal aus Unterreichenbach über seine „ glückliche, behütete, gesegnete Kindheit“ in Königsberg, und da er diese Erinnerungen anlässlich des diesjährigen Osterfestes aufzeichnete, beinhalten sie auch viel Österliches. Es ist kein Wunder, dass ihm besonders das letzte Osterfest vor der Russenbesetzung in Erinnerung blieb, denn seine Oma hatte es so liebevoll für Gerhard und seine Familie, die am Holzweg in der Altstadt am Pregel ausgebombt war, bereitet. Mit einem voll gedeckten Tisch – was heute kaum glaubhaft erscheint, denn es handelte sich ja um das Osterfest Anfang April 1945. Das war’s dann aber auch, denn am nächsten Sonntag stürmten sowjetische Besatzer das Haus am Bey­dritter Weg, und drei Jahre unter russischer Herrschaft begannen, in denen die Mutter und ihre drei Kinder zum Glück vor dem Schlimmsten bewahrt blieben. Es war für den Jungen tröstlich, dass er in seinem geliebten Königsberg bleiben konnte, bis die Ausreise erfolgte – wieder an einem Osterfest. „Im Güterwagen vom Verschiebebahnhof Königsberg heraus und gen Süden bis nach Pasewalk, wo wir unter Quarantäne gestellt wurden. Mutter und wir drei Kinder kamen dann bald zu Vater, der aus der Gefangenschaft entlassen, im sächsischen Freital gelandet war. Gerettet, gesund geblieben – jetzt hieß es Brot verdienen beim Bauern. Dann sechs Wochen Schule, um ein Zeugnis zu bekommen. Und schließlich Anfang September schwarz in den Westen.“ Hier fanden die einer evangelischen Glaubensgemeinschaft angehörenden Thals in Detmold Aufnahme bei der Predigerfamilie Bethke aus Tilsit. Noch heute spürt man die tiefe Dankbarkeit für diese glücklichen Schicksalsfügungen in allem, was Gerhard Thal schreibt – aber dominierend ist die Liebe zu Königsberg, die er sogar auf seiner Visitenkarte sichtbar bekundet: „Heimat: Königsberg am Pregel, Holzstraße 5, Altstadt“ steht da nach seiner heutigen Anschrift – aber die benötigen wir heute, denn Herr Thal stellt am Ende seiner Aufzeichnungen die Suchfrage nach ehemaligen Königsbergern, die wie er mit dem Transport am 29. März 1948 vom Verschiebebahnhof aus Königsberg verließen und im Quarantänelager Pasewalk in Pommern landeten? (Gerhard Thal, Landhausstraße 53 in 75399 Unterreichenbach, Telefon 07235/9756124.)

Auch für Frau Dorothea Blankenagel kam die Erinnerung an unbeschwerte Kindertage zurück, als sie in Folge 17 über die Königsberger Rennbahn las, die sich ein Autor als Schauplatz für seinen neuen Roman ausgewählt hatte. Zwar konnte sie sich verständlicherweise nicht an das Geschehen auf dem Rennplatz erinnern, aber an die Atmosphäre, die von ihm ausging und bis nach Kalthof spürbar war, denn die Wohnung ihrer Großeltern lag in der Rennparkallee. Nach dem Rennen gab es ein Feuerwerk, und danach dipperten schon die Kinder, die dieses Ereignis auf einem Mauervorsprung stehend erleben durften. Und da kann ich zu Frau Blankenagels Erinnerungen an ihr Kinderparadies auch etwas beitragen, denn sie fragt, ob ich mich auch an das „Bächlein im tiefen Tal“ erinnere, das von Devau kommend, an der Rennparkallee einen Knick machte, um durch den Kalthöfer Park durch das unbebaute Gelände in Richtung Pregel zu fließen. Hier an den mit Blumen und Bäumen bewachsenen Hängen sang ihre Großmutter das alte Volkslied vom „Blümlein im Wiesengrund“ und „vom Wässerlein, das so fort fließt“ – und genau diese Landschaft erlebten die Kinder am Kupfergraben, denn so hieß das Fließgewässer, das einmal eine Mühle betrieben hatte. Nie vergessen, und deshalb genügten ein paar Zeilen in unserer Kolumne, um es aus der Erinnerung zurück zu holen.

Eure Ruth Geede


»Das war kein Traum, es war ein Beschluss«
Die deutsche Vorzeigegrundschule in der Republik Polen feierte ihr 20-jähriges Bestehen

Bei der Delegiertenbezirksversammlung der Deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln, haben wir 1993 beschlossen, dass alle Gemeinden mit einer Ortsgruppe unseres Verbandes eine zweisprachige Schule anstreben sollten. Ich habe damals gesagt, ich werde das in meiner Gemeinde durchsetzen, und ich habe das auch getan. Ich bin damals zu Konsul Strieder gegangen. Der sagte mir, dass wir Gelder bekommen, wenn wir das Ganze politisch durchsetzen“, erinnert sich Joachim Niemann an den Auftakt des folgenden zähen Ringens. Der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) von 1992 bis 2005 blieb in diesem Ringen stets die Speerspitze. 1996 schaffte er die Gründung einer deutschen Grundschule in seiner Gemeinde Birawa [Bierawa].

Andere waren damals schneller, aber die Grundschule im Ortsteil Solarnia ist bis heute quasi die Musterschule geblieben, die Delegationen aus der Bundesrepublik wohl am häufigsten besuchen. Sie war 1996 im Ortsteil Brzezetz [Brzezce] entstanden, während drei Jahre später für sie ein Neubau in Solarnia vollendet wurde.

Ausgerechnet an einem Freitag, dem 13. konnte nun diesen Monat das 20. Geburtstagsjubiläum der Schule gefeiert werden. Jenseits der Grenze zur anderen oberschlesischen Woiwodschaft, der „Woi­wodschaft Schlesien“, war man damals übrigens in Ratibor-Studen schneller. Doch die dortige Grundschule ist die einzige zweisprachige in ihrer Woiwodschaft geblieben. Dass die „Oppelner“ Deutschen damals trotz des Anspruches für ihre Dörfer zeitlich das Nachsehen hatten, dafür hat Joachim Niemann eine Erklärung: „Wofür haben wir Deutschen im Oppelner Land damals die Gelder ausgegeben? Für Rohre, die unter der Erde laufen, die jetzt keiner sieht. Das hätte in die Bildung gemusst und in die Kultur“, kommentiert er verärgert die Politik des damaligen Oberhaupts der Minderheit, Henryk Kroll, der sich die Zustimmung von Mitgliedern wie auch vielen Polen durch Infrastrukturinitiativen sicherte.

„Richtig schwierig aber war – und ist es im Übrigen bis heute –, Eltern zu überzeugen, dass ihre Kinder überhaupt eine bilinguale Schule besuchen. Die Ängste vor einer Diskriminierung sind da häufig stärker als die faktischen Vorteile“, analysiert der 83-Jährige. Und dem großen Ziel eines flächendeckenden Schulnetzes läuft die Minderheit bis heute hinterher.

Für den Oppelner Bezirksverband betonte bei der Jubiläumsfeierlichkeit Zuzanna Donath-Kasiura: „Der Traum, in jeder Gemeinde eine zweisprachige Schule einzurichten, blieb für viele ein Traum und für den Verband ist es weiterhin eine Aufgabe.“ Joachim Niemann klang das zu verhalten. Er beharrt rigoros: „Das war kein Traum, es war ein Beschluss, und den galt es umzusetzen“. Ein langjähriges Dilemma, vermeidet der Verband doch stets deutliche Kritik gegenüber staatlichen Stellen. Denn eigentlich hat sich Polen mit der „Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen“ verpflichtet, sogar Grundschulen mit alleiniger deutscher Unterrichtssprache einzurichten – und zwar nicht nur partiell, sondern im Grunde flächendeckend, dort wo die Minderheit stark vertreten ist. Seit 2012, als der Europarat nach einer Prüfung hierzu Polen offiziell rügte, führt die AGMO e.V. – Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen einen einsamen Windmühlenkampf, das Thema höher zu hängen. Die Bundesregierung scheut ein entschiedenes Engagement.        

                Edmund Pander


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 99. GEBURTSTAG

Ortmann, Ulrich, früher Freese, aus Lyck, am 26. Mai

ZUM 97. GEBURTSTAG

Bärthel, Ingeborg, geb. Walden, aus Schareiken, Kreis Treuburg, am 25. Mai

Paulsen, Anni, geb. Bitschkat, aus Giesen, Kreis Treuburg, am 20. Mai

Schunk, Hildegard, geb. Fortak, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 24. Mai

ZUM 96. GEBURTSTAG

Bombor, Ernst, aus Neuendorf, Kreis Treuburg, am 21. Mai

Czesnat, Elisabeth, geb. Weidmann, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 20. Mai

Glatzel, Hildegard, geb. Reisgies, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 21. Mai

Kundt, Gretel, geb. Kuckuck, aus Freudenfeld, Kreis Wehlau, am 26. Mai

Plauk, Edith, aus Rauterskirch, Kreis Elchniederung, am 24. Mai

ZUM 95. GEBURTSTAG

Cramer, Ursula, geb. Hecht, aus Wehlau, am 21. Mai

Günther, Frieda, geb. Scharnowski, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 24. Mai

Hübner, Herbert, aus Rothenen, Kreis Samland, am 22. Mai

Lucks, Hildegard, geb. Meyer, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

Moser, Heinz, aus Pillau, Kreis Samland, am 26. Mai

Siedler, Gerda, aus Großheidekrug, Kreis Samland, am 26. Mai

Treczoks, Liesbeth, geb. Bolz, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Straße 143, am 21. Mai

ZUM 94. GEBURTSTAG

Arnoldt, Renate, geb. Pawlitzek, aus Westpreußen, Kreis Samland, am 21. Mai

Bendig, Erich, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 23. Mai

Best, Ilse, geb. Ströhl, aus Eichen, Kreis Preußisch Eylau, am 23. Mai

Dagott-Becker, Ilse, aus Rauschen, Kreis Samland, am 21. Mai

Daul, Eva, geb. Melis, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 25. Mai

Gallinger, Eva-Maria, geb. Haake, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 22. Mai

König, Emma, geb. Conrad, aus Tawe, Kreis Elchniederung, am 21. Mai

Oschkinat, Otto, am 22. Mai

Robbert, Hildegard, geb. Mügge, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 19. Mai

Schettkat, Gerda, geb. Borm, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 25. Mai

Sembach, Hermann, aus Ebenrode, am 25. Mai

Zwiener, Ottilie, geb. Kondritz, aus Kalkhof, Kreis Treuburg, am 21. Mai

ZUM 93. GEBURTSTAG

Baden, Elsbeth, geb. Knopp, aus Treuburg, am 22. Mai

Fritzsche, Helene, geb. Luft, aus Birkenmühle, Kreis Ebenrode, am 26. Mai

Gronau, Klaus, aus Dannenberg, Kreis Elchniederung, am 22. Mai

Klingohr, Emmy, geb. Bokühn, aus Gottesgnade, Kreis Preußisch Eylau, am 25. Mai

Leipacher, Edith, geb. Schaade, aus Gruten, Kreis Elchniederung, am 21. Mai

Lischka, Waltraud, geb. Wnendt, aus Weißengrund, Kreis Ortelsburg, am 23. Mai

Michalzik, Jutta, geb. Klein, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 21. Mai

Mosner, Erna, geb. Hoffmeister, aus Sanditten, Kreis Wehlau, am 21. Mai

Nowoczin, Friedrich, am 26. Mai

Scheffler, Lieselotte, geb. Tersch, aus Wehlau, am 26. Mai

ZUM 92. GEBURTSTAG

Czieslik, Heinrich, aus Dreimühlen, Kreis Lyck, am 20. Mai

Dibbert, Lotte, geb. Kumpies, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 25. Mai

Drewe, Gerda, geb. Niederstrasser, aus Dräwen, Kreis Ebenrode, am 20. Mai

Erith, Alfred, aus Weidicken, Kreis Lötzen, am 21. Mai

Hopp, Annemarie, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 25. Mai

Janke, Hermann, aus Passenheim, Kreis Ortelsburg, am 22. Mai

Katzmarzik, Luise, geb. Notebohm, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 24. Mai

Koppetsch, Martha, geb. Fuchs, aus Mecken, Kreis Ebenrode, am 23. Mai

Penski, Werner, aus Lötzen, am 23. Mai

Prieß, Christel, geb. Kalweit, aus Lötzen, am 20. Mai

Sievers, Emmi, geb. Kowalewski, aus Moddelkau, Kreis Neidenburg, am 22. Mai

Viell, Erika, geb. Saborowski, aus Hornheim, Kreis Neidenburg, am 26. Mai

ZUM 91. GEBURTSTAG

Albrecht, Erna-Gertrude, geb. Wessel, aus Kirpehnen, Kreis Samland, am 20. Mai

Eggert, Ursula, geb. Karschau, aus Heiligenkreutz, Kreis Samland, am 24. Mai

Gutheil, Erna, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 26. Mai

Händel, Gertrud, geb. Ruschinczyk, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 26. Mai

Kosrien, Erna, geb. Taschinsky, aus Parschwitz, Kreis Samland, am 22. Mai

Kuberka, Kurt, aus Lyck, am 21. Mai

Kugland, Elfriede, geb. Sadowski, aus Lyck, am 21. Mai

Makoschey, Helmut, aus Deumenrode, Kreis Lyck, am 26. Mai

Masurek, Käthe, geb. Sahmel, aus Berkeln, Kreis Elchniederung, am 21. Mai

Pagio, Helene, aus Millau, Kreis Lyck, am 24. Mai

Regutzky, Walter, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 23. Mai

Roehl, Edith, geb. Buttgereit, aus Hellmahnen, Kreis Lyck, am 22. Mai

Schubert, Gertrud, aus Lyck, am 25. Mai

Tanbach, Willi, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 26. Mai

Ubben, Ruth, geb. Hamann, aus Rothenen, Kreis Samland, am 21. Mai

ZUM 90. GEBURTSTAG

Bednarek, Gertrud, geb. Groß, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 26. Mai

Bickele, Herta, geb. Szepan, aus Grammen, Kreis Ortelsburg, am 20. Mai

Crispien, Margot, geb. Legien, aus Elchdorf, Kreis Samland, am 20. Mai

Eichmann, Edith, geb. Leifert, aus Neusorge/Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 24. Mai

Hebel, Herta, geb. Kullik, aus Schönhorst, Kreis Lyck, am 24. Mai

Kolpazik, Marga, geb. Wohlgethan, aus Wormen, Kreis Preußisch Eylau, am 24. Mai

Kraus, Kurt, aus Duneiken, Kreis Treuburg, am 23. Mai

Manko, Walter, aus Talken, Kreis Lyck, am 23. Mai

Neugart, Charlotte, geb. Ziggert, aus Willkau, Kreis Samland, am 26. Mai

Ottenberg, Elfriede, geb. Mursal, aus Ortelsburg, am 26. Mai

Reingräber, Irmgard, aus Hanffen, Kreis Lötzen, am 25. Mai

Sczesny, Hildegard, geb. Kiyek, aus Ulleschen, Kreis Neidenburg, am 25. Mai

Stolz, Renate, geb. Hubert, aus Schatzberg, Kreis Preußisch Eylau, am 25. Mai

Zimpel, Erika, geb. Nitschmann, aus Widminnen, Kreis Lötzen, am 25. Mai

ZUM 85. GEBURTSTAG

Baumgart, Hildegard, geb. Schiemann, aus Dorf Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 25. Mai

Bernhardt, Dr. Marion, geb. Matthae, aus Fischhausen, Kreis Samland, am 21. Mai

Götze, Traute, geb. Reetz, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 23. Mai

Gritzuhm, Eva, geb. Gritzuhn, verw. Keim, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 23. Mai

Hennings, Helga, geb. Korgitta, aus Ortelsburg, am 21. Mai

Johst, Eva, geb. Kohse, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

Junga, Heinz, aus Schuttschen, Kreis Neidenburg, am 23. Mai

Kelbassa, Anna, geb. Soldanski, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 26. Mai

Knizia, Hugo, aus Alt Keykuth, Kreis Ortelsburg, am 20. Mai

Kobusch, Hannelore, geb. Schlenther, aus Ibenberg, Kreis Elchniederung, am 24. Mai

Kranzhöfer, Georg, aus Allenstein, am 20. Mai

Kuphal, Horst, aus Wehlau, am 23. Mai

Lorenschat, Kurt, aus Wartenhöfen, Kreis Elchniederung, am 23. Mai

Lossau, Waltraut, geb. Prorok, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 21. Mai

Lyssewski, Rudolf, aus Lyck, Hindenburgstraße 64, am 24. Mai

Messinger, Gerdi, geb. Reinke, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 25. Mai

Meyer, Hans, aus Eichensee, Kreis Lyck, am 22. Mai

Mielke, Karl, aus Tewellen, Kreis Elchniederung, am 21. Mai

Moselewski, Martha, geb. Nistral, aus Ulrichsee, Kreis Ortelsburg, am 21. Mai

Patz, Gertrud, geb. Siegmund, aus Groß Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, am 21. Mai

Philipowski, Willy, aus Langenwalde, Kreis Ortelsburg, am 24. Mai

Pieszek, Erich, aus Talhöfen, Kreis Neidenburg, am 21. Mai

Pregel, Else, geb. Roller, aus Groß Hanswalde, Kreis Mohrungen, am 25. Mai

Prorok, Hartmut, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 21. Mai

Reins, Herta, geb. Jonischkeit, aus Rokitten, Kreis Elchniederung, am 22. Mai

Stanko, Elfriede, geb. Nikulla, aus Wilhelmshof, Kreis Ortelsburg, am 26. Mai

van Santvliet, Elfriede, geb. Makoschey, aus Hellmahnen, Kreis Lyck, am 26. Mai

Westphal, Elfriede, geb. Schnell, aus Herdenau, Kreis Elchniederung, am 25. Mai

Zeil, Hildegard, geb. Dahlmann, aus Schloßgut, Kreis Neidenburg, am 21. Mai

ZUM 80. GEBURTSTAG

Borawski, Georg, aus Groß Lasken, Kreis Lyck, am 20. Mai

Brandhöfer, Klaus-Dieter, aus Rosenheide, Kreis Lyck, am 24. Mai

Eder, Fritz, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 24. Mai

Fröse, Bernhard, aus Erlen, Kreis Elchniederung, am 20. Mai

Grimm, Edeltraut, geb. Christensen, aus Lyck, am 26. Mai

Gusek, Marlies, geb. Buchholz, aus Grabnick, Kreis Lyck, am 22. Mai

Heinzelmann, Erna, geb. Schirrmacher, aus Lüdtkenfürst, Kreis Heiligenbeil, am 22. Mai

Horn, Christa, geb. Engeleit, aus Dorf Trakehnen, Kreis Ebenrode, 21. Mai

Junga, Herbert, aus Schuttschen, Kreis Neidenburg, am 26. Mai

Kempf, Günter, aus Groß Hubnicken, Kreis Samland, am 24. Mai

Klaus, Dorothea, geb. Czyperreck, aus Prostken, Kreis Lyck, am 21. Mai

Krippner, Renate, geb. Lapschies, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 21. Mai

Krüger, Christel, geb. Tuchlinski, aus Alt Kriewen, Kreis Lyck, am 21. Mai

Kyte Greystones, Dorothea, geb. Peterson, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 21. Mai

Laskowski, Hans, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 24. Mai

Lindner, Herta, geb. Holtey, aus Raging, Kreis Elchniederung, am 20. Mai

Merchel, Herbert, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 24. Mai

Neugarth, Heinz, aus Milucken, Kreis Ortelsburg, am 20. Mai

Nowitzki, Edith, aus Bunhausen, Kreis Lyck, am 24. Mai

Pentzek, Günther, aus Fronicken, Kreis Treuburg, am 24. Mai

Purwien, Siegfried, aus Dünen, Kreis Elchniederung, am 20. Mai

Schirrmann, Klaus-Dieter, aus Richau, Kreis Wehlau, am 25. Mai

Schröder, Rose-Luise, geb. Riech, aus Pillau, Kreis Samland, am 24. Mai

Schulze, Helga, aus Lyck, am 26. Mai

Theilmann, Erika, geb. Schwab, aus Groß Ponnau, Kreis Wehlau, am 25. Mai

ZUM 75. GEBURTSTAG

Barth, Heidrun, geb. Bunge, aus Grünhausen, Kreis Elchniederung, am 23. Mai

Bastigkeit, Dieter, aus Groß Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 22. Mai

Blanke, Edeltraud, geb. Schütz, aus Halldorf, Kreis Treuburg, am 23. Mai

Broß, Helga, geb. Cziehso, aus Waldwerder, Kreis Lyck, am 22. Mai

Dieke, Hannelore, geb. Friedrichkeit, aus Lötzen, am 20. Mai

Dietz, Erhardt, aus Alt Passarge, Kreis Heiligenbeil, am 20. Mai

Dugnus, Heinz, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 25. Mai

Elsner, Brigitte, aus Ebenrode, am 24. Mai

Engels, Gerhard, aus Alt Passarge, Kreis Heiligenbeil, am 20. Mai

Kayss, Reinhard, aus Jägersdorf/Freidorf, Kreis Neidenburg, am 22. Mai

Laskowski, Jochen, aus Treuburg, am 24. Mai

Pätsch, Karl-Hartmut, aus Wehlau, am 24. Mai

Petrick, Peter, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 24. Mai

Riemer, Ilse, geb. Schulz, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

Wilner, Siegmar, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 24. Mai


S. 16-17 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Marius Jungk, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreussen.de.

Sonntag, 19. Juni: Kleines Ostpreußen- und Schlesiertreffen auf Schloss Burg bei Solingen. Der BJO nimmt mit einem Infostand teil. Beginn der Veranstaltung:

11 Uhr, Kundgebung: 14 Uhr. Freitag, 24. bis Sonntag, 26. Juni: Wanderwochenende zur Ostpreußenhütte im Salzburger Land. Informationen: http://www.junge-ostpreussen.de/47-0-Aktivitaeten.html

Montag, 8., bis Sonntag, 21. August: BJO-Sommerfahrt ins Memelland. Weitere Informationen: www.junge-ostpreussen.de/47-0-Aktivitaeten.html

Freitag, 30. September, bis Montag, 3. Oktober: BJO-Herbstseminar und BJO-Bundestreffen. Informationen: www.facebook.com /events/1032910313418878/

Donnerstag, 24., bis Sonntag, 27. November: Adventstreffen im ostpreußischen Osterode. Informationen: www.junge-ostpreus-sen.de/47-0-Aktivitaeten.html

Donnerstag, 29. Dezember, bis Dienstag, 3. Januar: Silvesterfahrt nach Ostpreußen: Informationen: www.junge-ostpreussen.de/47-0-Aktivitaeten.html

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Ludwigsburg – Montag, 23. Mai, 15 Uhr, Kronenstuben, Kronenstraße 2: Stammtisch.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Kitzingen – Freitag, 20. Mai, 15 Uhr, Hotel Würzburger Hof: Vortrag von Gustav Patz und Bericht über die Fahrt zur polnischen Ostseeküste.

Landshut – Dienstag, 7. Juni: Ausflug mit eigenen Pkw zum Wendelstein (1838 Meter) im Mangfallgebirge.

Nürnberg – Dienstag, 24. Mai, 15 Uhr, Haus der Heimat, Imbuschstraße 1, Nbg.-Langwasser, (Ende U 1): Wir feiern den Muttertag.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Bartenstein – Treffen der Gruppe. Anfragen bitte an Elfi Fortange, Telefon 4944404, richten.

Königsberg – Freitag, 20. Mai, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin-Halensee: Gemeinsames Treffen. Anfragen: Elfi Fortange, Telefon 4944404. – Freitag, 10. Juni, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin-Halensee: Gemeinsames Treffen. Anfragen: Elfi Fortange, Telefon 4944404.

Rastenburg – Sonntag, 22. Mai, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Gemeinsames Treffen. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826. – Sonntag, 5. Juni, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Treffen. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Tilsit-Ragnit/Tilsit-Stadt – Sonnabend, 28. Mai, 15 Uhr, Ratskeller Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 102, 10585 Berlin, Anfragen bei Hermann Trilus, Telefon (03303) 403881.

Frauengruppe – Mittwoch, 8. Juni, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Das Thema steht noch nicht fest. Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Gumbinnen/Johannisburg/Lötzen/Sensburg – Diens-tag, 21. Juni, 13 Uhr, Restaurant Muna, Albrechtstraße 52, 12167 Berlin: Sommerfest mit Essen. Anfragen für Gumbinnen bei Joseph Lirche, Telefon (030) 4032681, für Johannisburg und Sensburg bei Andreas Maziul, Telefon (030) 5429917, für Lötzen bei Gabriele Reiß, Telefon (030) 75635633.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Bericht – Wiederum war unsere Jahreshauptversammlung erfreulich gut besucht. Der Vorstand bedankt sich für die erneut zum Ausdruck gebrachte Anerkennung seitens unserer Mitglieder und die einstimmig erteilte Entlastung. Für einige neu zu besetzende Vorstands-posten konnte im Mitgliederkreis erfreulicherweise Ersatz gefunden werden. Neuer Kassenführer wurde Klaus C. Rosinowski, als stellvertretende Kassenführerin wurde Ruth Struckmeyer gewählt, die auch die Vertretung für Frau Sadowski in der Geschäftsstellenarbeit wahrnehmen wird. Herr Klaus Papies wurde als stellvertretender Schriftführer und Frau Hanna Jodat als „Beisitzerin Westpreußen“ in den Vorstand gewählt. Auf den übrigen Positionen wurden die bisherigen Amtsinhaber wiedergewählt. Wir danken den ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern Frau Laugallies, Herrn Klein und Herrn Kuhn für ihr Engagement in unserer Landsmannschaft.

Inzwischen liegt auch die Siebenbürgen-Reise hinter uns.

17 Personen, zumeist Mitglieder unserer Landsmannschaft, nahmen daran teil und kehrten mit bewegenden Eindrücken aus dieser merklich deutsch geprägten Kulturregion zurück. Erst 1990 bis 1992, unmittelbar nach der politischen Wende, wurde sie von mehr als 100000 Siebenbürger Sachsen verlassen, überwiegend weil diese Menschen damals kein Vertrauen mehr in eine Verbesserung ihrer persönlichen Lebensverhältnisse hatten.

Vor der Sommerpause lädt die Frauengruppe alle Mitglieder und Freunde der Landsmannschaft noch zu dem üblichen Spargelessen herzlich ein. Es findet in diesem Jahr am Freitag,

27. Mai, um 12.30 Uhr im Hotel Robben, Grollander Krug, Emslandstraße 30, in Bremen-Grolland statt. Es gibt pro Person 500 Gramm Stangenspargel, Sauce Hollandaise oder Butter, Salzkartoffeln sowie wahlweise Schnitzel, Schinken oder Schweinemedaillons – Preis: 19,90 Euro pro Person. Suppe und Dessert sind möglich aber im Preis nicht enthalten. Sie erreichen das Lokal mit den BSAG-Linien 1 und 8, Haltestelle: „Norderländerstraße“. Anmeldungen bitte bis spätestens 23. Mai bei Frau Richter, Telefon 405515, oder in der Geschäftsstelle.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISKGRUPPEN

Elchniederung – Mittwoch, 25. Mai, 14 Uhr, Haus Lackemann, Litzowstieg 8: Treffen der Gruppe zum gemütlichen Beisammensein mit fröhlichem Gesang und heiteren Erzählungen sowie Besprechung der sommerlichen Ausfahrt. Gäste sind herzlich willkommen.

Gumbinnen – Sonnabend, 11. Juni, 14 Uhr, Traditionshaus Lackemann, Litzowstieg 8, 22041 Hamburg: Heimatnachmittag. Neuordnung der Heimatkreisgruppe Gumbinnen. Für ein abwechslungsreiches Programm mit Filmvorführung ist gesorgt. Über jeden neuen Gast würden wir uns sehr freuen. Das Haus Lackemann ist mit der U1 bis Wandsbek Markt gut zu erreichen. Zwischen dem Einkaufszentrum Quarree und dem Hotel Thiefenthal den Durchgang „Hinterm Stern“ nehmen, dann sind es nur wenige Schritte zum Restaurant. Für Pkw-Anreisende Parkhaus 2.

Heiligenbeil – Die Kreisgruppe Heiligenbeil feiert ihr Sommerfest am 18. Juni, um 14 Uhr, im AWO Seniorentreff, Am Gojenboom 46, in den neuen Räumen der AWO, im Stadtteilhaus „Horner Freiheit“. Die Mitglieder der Gruppe wollen ihr „Neues Domizil“ mit allen ihren Freunden und Gästen gebührend feiern. Bei Kaffee und Kuchen, wollen wir in geselliger Runde mit Ihnen einige fröhliche und besinnliche Stunden miteinander verbringen.

Sie erreichen den AWO Seniorentreff mit der U3 Richtung Billstedt/Mümmelmannsberg, bis Horner Rennbahn, hier den Ausgang, Am Gojenboom benutzen, direkt daneben ist das Stadtteilhaus Horner Freiheit, für Rollstuhlfahrer und Rollatoren gibt es einen Fahrstuhl, der zum Einkaufszentrum hinaufführt, hier sind es dann einige Minuten Fußweg bis zum Stadtteilhaus Am Gojenboom 46, zu gehen.

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Fried-rich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de

BEZIRKSGRUPPEN

Hamburg-Bergedorf – Donnerstag, 26. Mai: Die Gruppe trifft sich zur Ausfahrt nach Ratzeburg mit Dampferfahrt, Mittagessen, Kaffee und Kuchen um 10 Uhr, Bahnhof Lohbrügger Seite zur Fahrgemeinschaft. – Freitag, 27. Mai, 15 Uhr, Haus des Begleiters, Harders Kamp 1: Lesung aus dem Buch von Freya Klier „Wir sind die letzten Kinder Ostpreußens“ und kleine Hörgeräte-Akustiker Information.

 

HESSEN

Vorsitzender: Ulrich Bonk, Stellvertretender Vorsitzender: Gerhard Schröder, Engelmühlenweg 3, 64367 Mühltal, Telefon (06151) 148788

Darmstadt/Dieburg – Unsere nächste Zusammenkunft findet am 21. Mai um 15 Uhr wie gewohnt im Luise-Büchner-Haus/ Bürgerhaus am See, Grundstraße 10 in Kranichstein statt.  „Fröhlich in den Frühling“ ist unser Motto an diesem Tag. Mit musikalischer Begleitung wollen wir das Frühlingsfest feiern und würden uns über eine rege Teilnahme freuen. Allen Kranken wünschen wir gute und baldige Genesung.

Dillenburg – Bei der letzten Monatsversammlung sprach Doris Wille über „Leben und Wirken des masurischen Pfarrers Michael Pogorzelski“, den Paul Fechter in seinem Büchlein den „Zauberer Gottes“ nannte.

Michael Pogorzelski wurde am 4. September 1737 in Lepacken, Kreis Lyck, geboren. In Masuren gab es zu allen Zeiten Familien mit dem Namen Pogorzelski. Schon im 16. Jahrhundert waren 16 Familien bekannt. Nikolaus war 1540 Kirchenvater in Drygallen, 1539 lebte in Johannisburg der vermögende Krüger (Gastwirt) Barthel Pogorzelski. Zu Ordenszeiten war unter dem letzten Hochmeister im Amt Rhein Raphael Pogorzelski tätig, der später in Lyck Küster wurde. Als Anerkennung für seine Dienste für den Orden verlieh ihm der Herzog Land. Im Einwohner-Adressbuch des Bezirks Lyck von 1938 sind 16 Pogorzelskis aufgeführt, von denen die Hälfte Landwirte waren. Im Laufe der Zeit waren vier Mitglieder der weitverbreiteten Familie Pfarrer geworden. So verwundert es nicht, dass Michael Pogorzelski, der in seiner Familie ein Nachkömmling war – er hatte zwei ältere Brüder, die den zirka 90 Morgen großen Hof des Vaters übernahmen – den Wunsch hatte, auch Pfarrer zu werden. Er war ein richtiger Bauernjunge, der die Gänse hütete und auch sonst Landarbeit verrichtet. Er besuchte zunächst die Dorfschule. Nach dem frühen Tode des Vaters zog er nach Königsberg, knapp 17 Jahre alt.

Er besuchte das Altstädtische Gymnasium und ab 1761 die Universität. Während seiner Schüler- und Studentenzeit schlug er sich durch, indem er jüngere Leute unterrichtete. Moralische Unterstützung erhielt er vom Dekan Friedrich Samuel Bock, der ihn ermunterte, Theologie und Philosophie zu studieren. Zur gleichen Zeit schrieben sich etwa zehn Abiturienten aus dem Lycker Bezirk an der Albertina ein, unter anderem Johann Gottfried Herder. Einer seiner Professoren war Immanuel Kant, der ihn sehr beeindruckte. Michael Pogorzelski schloss sein Studium nach zwölf Semestern ab. Andere brauchten dazu länger, bis zu zehn Jahren.

Mit 31 Jahren trat Michael Pogorzelski sein erstes Amt als „Schulkollege und Organist“ in Ragnit an. Vier Jahre später wurde er Rektor in Kutten. Hier konnte er sich endlich bewähren. Die Gemeinde war mit dem neuen Rektor zufrieden. Aber Pogorzelski wollte mehr, er wollte selbst Pfarrer sein. Als der Gemeindepfarrer starb, lehnte das Konsistorium seine Berufung ab mit dem Hinweis, er habe zwar einen tadellosen Wandel geführt, doch seien seine theologischen Kenntnisse gering und er eigne sich wenig zum Predigen. Darum bat er um die Versetzung nach Litauen. Pogorzelski beherrschte alle drei Sprachen, die im östlichen Preußen gesprochen wurden (Deutsch, Litauisch und Masurisch-Polnisch) perfekt. Alle seine Schreiben sind in tadellosem Amtsdeutsch abgefasst.

Erst nach 1780, als Pogorzelski bereits 43 Jahre alt war, wurde er endlich in Kallinowen als Pfarrer ordiniert. Hier fühlte er sich wohl. Kallinowen galt als „Grenzdorf zum polnischen Großherzogtum Litauen“. Die menschlichen Beziehungen zwischen hüben und drüben waren immer gut und stark. 1780 gab es im Dorf drei Schulzen, vier erbfreie und 13 Scharwerkbauern, drei Krüger, drei Eigenkätner (Handwerker), zwei Prediger, eine Prediger-Witwe, ein Rektor, ein Glöckner, fünf Hospitaliten und einen Hirten. Jetzt heiratete Pogorzelski auch endlich, die 22 Jahre jüngere Rahel Gutowski. In das von ihm angelegte Traubuch schrieb er schlichte Verse, die von den Gefühlen zeugten, die ihn bewegten, erst als reifer Mann zu heiraten. Diese Verse schrieb er in Deutsch, daneben aber auch im masurisch-polnischen Dialekt, als Beweis dafür, dass er in beiden Sprachen zu Hause war. Michael Pogorzelski und seine Frau Rahel bekamen fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, von denen die beiden jüngsten kurz nach der Geburt starben. Einige Wochen später starb auch Rahel, erst 33,5 Jahre alt. Der Witwer war 55 Jahre alt, die Kinder elf, zehn und acht Jahre.

Im Winter 1797/98 hörte Pfarrer Pogorzelski, dass auf dem nahegelegenen Skomantsee Menschen in Lebensgefahr geraten seien, da der See voll brüchigem Eis war. Er eilte zum See, schnürte sich ein Seil um den Leib und zog unter großer Anstrengung Menschen und Pferde samt Wagen vom Eis. Dabei verkühlte er sich Lunge und Niere und lag mehrere Wochen krank zu Bett, ehe er am 29. April 1798 starb, ein Beispiel und Vorbild bis in den Tod. Er gehörte zu den Vieltausend Pfarrern, die das, was sie predigen, auch vorleben. Zu seiner Amtstätigkeit ist zu sagen, dass er bei seinen verhältnismäßig geringen Einkünften gut wirtschaftete. Er sorgte dafür, dass das Hospital im Ort erhalten blieb, sorgte sogar für einen Neubau, auch des Rektorats und des Schulgebäudes. Die Kirche ließ er renovieren. Vor allem sorgte er für das Schulwesen, indem er neue Schulgebäude schuf, um die Schulwege der Lehrer und Schulkinder abzukürzen, er hielt regelmäßig Lehrerkonferenzen ab und kannte die Leistungen seiner Schulmeister. So konnten in den Jahren 1792/93 in Marynowen von den 21 Knaben zwölf gut lesen, schreiben und rechnen, von den zwölf Mädchen acht. Es wurden Versäumnislisten geführt. Pogorzelski forderte von den Schulen, für Schulversäumnisse Strafgelder zu erheben. Die Erfolge waren leider gering. Aber der für das Schulwesen zuständige Erzpriester war bei einer Visitation in Kallinowen des Lobes voll.

In Kallinowen befindet sich neben der Kirche das Grab von Michael Pogorzelski; es dürfte auch heute noch erhalten sein – eine Erinnerung an einen treuen masurischen Pfarrer.

Ingrid Nowakiewitsch, Schriftführerin der Kreisgruppe Dillenburg

Kassel – Donnerstag, 2. Juni, 14.30 Uhr, AWO-Heim Am Wehrturm 3: Vortrag von Egmond Prill: „Blickpunkt Israel – ein interessantes und merkwürdiges Land“.

Zum Maitreffen der Gruppe konnte kurzfristig die Landesfrauenreferentin der LOW Hessen, Karla Weyland, als Referentin gewonnen werden. Sie sprang für den erkrankten Vorsitzenden, Gerhard Landau, ein. Der ursprünglich vorgesehene Beitrag über den deutschen Adel wird nun voraussichtlich im zweiten Halbjahr angeboten. Aus aktuellem Anlass wählte Frau Weyland aus ihrem breiten Themenschatz einen Überblick über das Leben der „Ausnahmejournalistin Ruth Geede“. Keine Frage: die PAZ-Leser kennen und bewundern die Hochbetagte seit vielen Jahren. Der Aufmerksamkeitspegel erklomm folglich beachtliche Höhen. Eine der schönsten Texte der begnadeten ostpreußischen Erzählerin und Lyrikern – nämlich das Gedicht „Der Wiesenblumenstrauß“ trug die Mitvorsitzende Gertraud Nitschky vor: Die letzten Zeilen desselben enden so: „Ich bring dir einen Wiesenblumenstrauß / und liebevoll ist alles eingebunden / was ich an unsern Wegen hab‘ gefunden: / Ich schütte es in deine Hände aus! So liebevoll eingebunden war auch der bunte Beitrag von Karla Weyland über die 100-Jährige.

Wetzlar – „Die Besiedlung des südlichen Ostseeraumes“: So lautet das Thema beim Treffen der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen – Kreisgruppe Wetzlar am Montag, 13. Juni, um 19 Uhr. Dazu zeigt die Kunsthistorikerin Oda Peter einen Lichtbildervortrag im Restaurant Grillstuben (Stoppelberger Hohl 128). Der Eintritt ist frei. Kontakt: Kuno Kutz, Telefon (06441) 770559.

Bericht

Ex-Staatsminister Dr. Christean Wagner spricht über seine Heimatstadt: „Das Intellektuelle Leben in Deutschland ist ohne Königsberg nicht denkbar. Mein erster Besuch in meiner Heimatstadt Königsberg im Jahr 1992 war eine sehr emotionale ,Hoch-Zeit‘“. Mit diesen Worten beschrieb der ehemaligen Staatsminister Dr. Christean Wagner (CDU) die Erlebnisse, die er beim Betreten seiner Geburtsstadt machte. Im voll besetzten Restaurant Grillstuben sprach Wagner aus Lahntal-Goßfelden bei der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Kreisgruppe Wetzlar. Deren Vorsitzender Kuno Kutz hieß den Politiker herzlich willkommen und wies darauf hin, dass Wagner auch Mitglied der Kreisgruppe ist. Im März 1943 wurde Wagner in Königsberg geboren. Ein Jahr später holte sein Vater ihn und seine Mutter aus Sorge vor den herannahenden russischen Soldaten aus Ostpreußen heraus. „Ich kann mich nicht mehr an unsere Flucht erinnern“, erzählte er. Aber er sei ganz im Sinne seiner ostpreußischen Herkunft erzogen worden. „In der Familie wurde viel über unsere Heimat gesprochen. Wir haben vieles gesammelt über Ostpreußen und Königsberg.“

Wagner ist in Marburg und Alsfeld aufgewachsen. Später siedelte die Familie nach Bremen um. Das beherzte Eingreifen seines Vaters 1944 habe ihn, seine Mutter und Großeltern vor vielem Schreck-lichen bewahrt, das auf die noch verbliebenen Ostpreußen zukam. Dabei erinnerte er an die Gräueltaten der Roten Armee, an die Schüsse auf die über das Haff Flüchtenden oder die Versenkung des Kreuzfahrtschiffes Wilhelm Gustloff durch ein russisches U-Boot. Dabei kamen mehr als 9000 Menschen ums Leben, die mit dem Schiff aus Ostpreußen über die Ostsee geflüchtet waren. Der Referent erinnerte daran, dass rund zwei Millionen Deutsche auf der Flucht vor den russischen Soldaten umgekommen sind.

Über viele Jahrzehnte war ein Besuch in Königsberg nicht mehr möglich. Die politische Wende brachte auch Wagner nun dazu, seine Geburtsstadt aufzusuchen. Mit 49 Jahren betrat er erstmals wieder die Stadt seiner Vorfahren. „Endlich konnte ich das erleben, was ich in meinem Träumen ersehnt hatte“, schildert der Politiker die Gefühle damals.

Weil Wagner ein ärmlicher Säugling war, wurde er vom Pfarrer des Königsberger Domes im Krankenhaus notgetauft. Überraschend hat sich der kleine Patient erholt und ist heute eine gestandene Persönlichkeit. Er sei am 15. Mai mit Wasser aus dem Fluss Pregel getauft worden. Alle seine Geschwister wurden an einem 15. Mai getauft, dem Geburtstag des Vaters.

Als Schüler sei er neidisch gewesen auf die Kinder in Hessen, „weil wir keine Gräber hier hatten“, erinnert er sich. Wagner ging auf die Geschichte Königsbergs ein, dessen Burg im Jahr 1255 gegründet wurde. 1724 wurde die Stadt begründet. In Königsberg wurden 1701 Friedrich I. als König gekrönt und 1861 der spätere Kaiser Wilhelm. Nach Marburg wurde in Königsberg 1544 die zweitälteste Universität Deutschlands gegründet. Die Stadt war ein großes Zentrum der Kultur und der Wissenschaften.

Aus Königsberg stammen viele bekannte Persönlichkeiten wie Immanuel Kant, Johann Georg Hamann, Friedrich Wilhelm Wessel, Käthe Kollwitz, Johannes Kepler, Johann Gottfried Herder oder Georg Weisel, der das Lied „Macht hoch die Tür“ verfasste. Ende 1944 wurden große Teile der Stadt bei Bombenangriffen zerstört.

In den letzten Jahrzehnten wurde der Königsberger Dom vor allem durch Geld aus Deutschland wieder aufgebaut. Bei seinem Besuch 1992 war Wagner überrascht wie viele Gebäude aus deutscher Zeit noch erhalten waren. Schon viele Male hat er seine Heimatstadt wieder besucht. 1999 hat er seinen Sohn Laurence im Königsberger Dom taufen lassen. Bei seinen Besuchen hat er erfahren, dass es Kaliningrader gibt, die die Altstadt wieder aufbauen wollen. Zudem gebe es eine Initiative, um der Stadt wieder ihren alten Namen zurückzugeben. Wagner ist Vorstandsmitglied der Stadtgemeinschaft Königsberg, einem Verein ehemaliger Königsberger mit rund 3000 Mitgliedern. Zudem ist er Vorsitzender des Freundeskreises der Königsberger Diakonie in Wetzlar und setzt sich für die Freundschaft zu seiner Heimatstadt ein. Die Stadt Duisburg habe eine Patenschaft für Königsberg übernommen. Das dort entstandene Museum über Ostpreußen wurde inzwischen in das Landesmuseum in Lüneburg überführt. Es sei ein „Beitrag zur Zukunft unseres Volkes, damit unsere Kindeskinder noch erfahren, was in Königsberg an Leben war“, so Wagner.

Wiesbaden – Sonnabend, 21. Mai, 15 Uhr, Haus der Heimat, Großer Saal, Wiesbaden, Fried-richstraße 35: Monatstreffen. „Tausend Silberkätzchen trägt der Weidenbaum“. Ein Nachmittag mit Gedichten, Geschichten und Gesang zur Maienzeit, gestaltet von unserer Frauengruppe und Mitgliedern des Chors. Zuvor gibt es Kaffee und Kuchen.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Braunschweig – Mittwoch, 25. Mai, 15 Uhr: Treffen im Stadtparkrestaurant, (Eingang Sozialverband) Braunschweig, Jasperallee 42, Film: „Ostpreußen – Land und Leute 1913 bis 1945“.

Göttingen – Internationale Begegnungstagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, in Verbindung mit der Gemeinnützigen Gesellschaft Albertinum e.V., Göttingen: „Deutsche im heutigen Polen und im Kaliningrader Gebiet. Ungewisse Zukunft trotz reicher Tradition?“ Beginn Sonnabend, 4. Juni, 14 Uhr, Hotel Astoria, Hannoversche Straße 51, 37075 Göttingen, und Sonntag, 5. Juni, 9.30 Uhr im Collegium Albertinum, Bonhoefferweg 2, 37075 Göttingen. Die internationale Tagung will eine Begegnung und einen Erfahrungsaustausch von Vertriebenen, Minderheitenangehörigen, Studierenden aus Deutschland, Polen und der Oblast Kaliningrad sowie weiteren Multiplikatoren ermöglichen, und damit zur Weiterentwicklung der Verständigung beziehunsweise des friedlichen und freundschaftlichen Umgangs der Nachbarn in Europa beitragen.

Helmstedt – Donnerstag, 9. Juni,  15 Uhr Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Treffen der Gruppe.

Osnabrück – Freitag, 20. Mai, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe. – Donnerstag, 26. Mai, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Literaturkreis. – Dienstag, 31. Mai, 16.30 Uhr, Hotel Ibis, Blumenhaller Weg 152: Kegeln.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Landesgruppe – Vorankündigung – Die Kulturveranstaltung der Landsmannschaften der Schlesier und Ostpreußen, Landesgruppen NRW, findet am 19. Juni auf Schloss Burg statt.

Bielefeld – Donnerstag, 2. Juni:  Gesprächskreis der Königsberger und Freunde der ostpreußischen Hauptstadt. – Montag, 6. Juni:  Frauengruppe. – Donnerstag,

16. Juni: Heimatliteraturkreis.

Alle Veranstaltungen beginnen um 15 Uhr in den Räumlichkeiten der Ostdeutschen Landsmannschaften in Bielefeld in der Wilhelmstraße 1b, 33602 Bielefeld. Außerdem findet zusammen mit den Schlesiern eine Busfahrt nach Schloß Burg zum kleinen Ostpreußentreffen am 19. Juni statt.

Bonn – Dienstag, 24. Mai, 14 Uhr: Treffen des Frauenkreises der LM Ostpreußen. Ort: Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49.

Dortmund – Montag, 23. Mai, 14.30 Uhr, Heimatstube, Landgrafenschule (Eingang Märkische Straße): Gemeinschaftliches Treffen.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorffsaal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland unter der Leitung von Radostina Hristova. – Montag, 23. Mai, 19 Uhr, Konferenzraum, GHH: Vortrag zum Thema „Das Jahr ohne Sommer 1816“. – Mittwoch, 1. Juni, 19 Uhr, GHH/Raum 412: Vortrag von Arnd Kolb über den Verein Domid in Köln (Konzept eines Migrationsmuseums). – Sonnabend, 4. Juni, 11 Uhr, Infostand Hauptbahnhof: Wandertreff. – Mittwoch, 8. Juni, 19 Uhr, GHH/Raum 412 „Ostpreußen“: Vortrag von PD, Dr. Jürgen Nelles: „Starke Frauen oder schwaches Geschlecht?“ – Gerhart Hauptmanns Heldinnen. Literarische Werke, die anschließend im Mittelpunkt stehen werden.

Neuss – Donnerstag, 26. Mai: „Tag der offenen Tür“ fällt wegen Feiertag Fronleichnam aus.

Witten – Montag, 23. Mai, 15 Uhr, Versammlungsraum, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6–10: Deutsche Lieder und Wanderlieder.

Wuppertal – Sonnabend, 28. Mai, 14 Uhr: 6. Ostpreußisches Maifest, Stennert 8, Alte Färberei in Wuppertal-Oberbarmen. Es wirken mit: Musiker Christoph Marr, Chorfreunde Wuppertal unter Leitung von Marharyta, Mundharmonika-Duo Waltraud und Ulla Busch, Ritas Rasselbande, außerdem werden noch Sketche aufgeführt. Für Kaffee und Kuchen beziehungsweise Brötchen wird gesorgt. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

Landesgruppe – Sonnabend, 4. Juni, 10 Uhr (Einlass ab 9 Uhr), Saal des „Kleingartenvereins Seilbahn“, Max-Liebermann-Straße 91–93, 04157 Leipzig: 4. Heimattreffen. Kulturelle Höhepunkte sind der Auftritt des „Ensemble Sonnenschein“, des „Männerchores Leipzig-Nord“ sowie von Rosa & Peter Wegelin. Für das leibliche Wohl ist gesorgt. Nähere Auskünfte:  Eberhard Grashoff, Telefon: (0341) 9010730, E-Mail.: ebs.grashoff@web.de

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle,  Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Freitag, 27. Mai, 16 Uhr, TuS Zielitzer Straße: Treffen des Singekreises. – Dienstag, 7. Juni, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner. Geschäftsstelle: Telefon (0431) 554758, Wilhelminenstr. 47/49, 24103 Kiel.

Flensburg – Freitag, 3. Juni, 12 Uhr, Spargelessen in den „Delfter Stuben“, Flensburg-Mürwik

 

THÜRINGEN

Vors.: Edeltraut Dietel, August-Bebel-Straße 8 b, 07980 Berga an der Elster, Tel. (036623) 231414.

Meiningen – Freitag, 10. Juni, 14 Uhr, „Wolkenlos“: Sommerfest der Ostpreußen.

Schmalkalden – Donnerstag, 2. Juni, 14 Uhr, Club der Volkssolidarität: Heimatnachmittag der Gruppe „Immanuel Kant“.


S. 18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ALLENSTEIN LAND

Kreisvertreter: Hans-Peter Blasche, Lankerstraße 40, 40545 Düsseldorf, Telefon (0211) 17181290; (02131) 902700 (dienstl.), Telefax (02131) 902430 (dienstl.) Geschäftsstelle: Gemeindeverwaltung Hagen, Postfach 1209, 49170 Hagen, Telefon (05401) 9770. www.allenstein-landkreis.de

Sonnabend, 28. Mai, Bochum: Kirchspieltreffen Göttkendorf, Alt Schöneberg und Jonkendorf im Hölterweg 4, 444894 Bochum-Werne. Informationen: Gerhard Sawitzki, Hölter Weg 4, 44894 Bochum, Telefon (0234) 230624.

 

GOLDAP

Kreisvertreter: Stephan Grigat, Telefon (05231) 37146, Fax (05231) 24820, Heidentalstraße 83, 32760 Detmold. Geschäftsstelle: Annelies Trucewitz, Hohenfelde 37, 21720 Mittelnkirchen, Telefon (04142) 3552, Telefax (04142) 812065, E-Mail: museum@goldap.de. Internet: www.goldap.de.

Einladung zum Tag der Offenen Tür am Sonntag 22. Mai 2016 von 11 bis 17 Uhr: Internationaler Museumstag.“Ostpreußen erleben“ im Patenschaftsmuseum Goldap in Ostpreußen, Harsefelderstraße 44 a, 21680 Stade:

– Ein Tag mit Führungen durch die Ausstellungen

– 12.30 Uhr Filmvorführung

– 15 Uhr Lesung – Ute Latendorf liest aus ihrem Buch „Heimat. Flucht. Vertreibung. – Abschied und Neubeginn“, anschließend Zeitzeugengespräche im Erzählcafé. Familienforschern steht die Fachbibliothek zur Verfügung – mit Beratung. Für Ostpreußenfreunde: Ostpreußenliteratur, Spezialitäten und Bücherflohmarkt.

Das Museumsteam freut sich auf einen interessanten Tag mit Ihnen!

 

INSTERBURG − Stadt und Land

Vorsitzender Stadt & Land: Reiner Buslaps, Am Berg 4, 35510 Butzbach-Kirch-Göns, Tel.: (06033) 66228, Fax (03222) 3721953, E-Mail: R.Buslaps@t-online.de. Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt & Land e. V.,  Geschäftsstelle, Am Marktplatz 10, 47829 Krefeld, Postfach 111 208, 47813 Krefeld, Tel.: (02151) 48991, Fax (02151) 491141, E-Mail: info@insterburger.de, Internet: www.insterburger.de, Bürozeiten: Montag – Freitag von 8 bis 12 Uhr.

Die Treffen der Heimatgruppe Köln finden immer um 15 Uhr statt. Für die Weihnachtsfeier am 7. Dezember wird um Anmeldung bis zum 30. November gebeten.Infos: Carola Maschke, Forststraße 11, 50767 Köln, Telefon (0221) 796942.

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Liebe Heimatfreunde, unser Herbsttreffen findet vom 5. bis 7. August im Hotel park inn by radisson, Am Johannisberg 5, 33615 Bielefeld (http://www.park-inn-bielefeld.de) statt. Bei diesem Treffen werden wir verschiedene Pferdestärken kennenlernen.

Die Fahrkosten werden von der Kreisgemeinschaft bezahlt. Die Übernachtung und Verpflegung muss jeder selbst bezahlen.

75 Euro pro Nacht im Doppelzimmer inklusive Frühstück, 55 Euro pro Nacht im Einzelzimmer inklusive Frühstück. Wir treffen uns um 18.30 Uhr zur Begrüßung im Speiseraum des Hotels,  anschließend Abendessen in Buffetform. Essen 23 Euro pro Person. Grillen am Sonnabend 19,50 Euro pro Person. Lunchpaket für Sonntag 10 Euro pro Person.

Bitte meldet Euch bis zum 3. Juli an. Per Mail: heidi-mader@gmx.de oder per Brief Heidi Mader, Richard-Taylor-Straße 6, 28777 Bremen.

Ich freue mich auf eine schöne Zeit mit Euch in Bielefeld und auf dem Trakehnergestüt in Melle.              Heidi Mader

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Unlängst wurde die Ausstellung „Tilsit – die Stadt ohne Gleichen“ im Königsberger Staatlichen Archiv präsentiert. An der Eröffnung nahmen zahlreiche Heimatforscher, Journalisten und Kulturschaffende teil. Erschienen waren der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Michael Banzhaf, der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat, der Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen, Wolfgang Freyberg und weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Auf 28 Tafeln werden in deutscher und russischer Sprache eine Fülle von Informationen, Bildern, Karten und Archivstücke vermittelt. Die Ausstellung wird ab Juli im Tilsiter Museum für Stadtgeschichte zu sehen sein.

Für alle, die keine Gelegenheit haben, die Ausstellung persönlich in Augenschein zu nehmen, wurde ein Katalog herausgegeben, der den Inhalt der Ausstellungstafeln in vollem Umfang wiedergibt. Auf 30 Seiten im DIN-A4-Format erfährt man die Geschichte der Stadt von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Es gibt Abhandlungen zur Ordensburg Tilse, zur Stadtgründung, zur Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert, zum Tilsiter Friedensschluss, zum Leben im 19. Jahrhundert und in der Zeit der beiden Weltkriege. Mehrere Seiten zeigen Tilsit als Handelszentrum, als Verkehrsknotenpunkt, als Industriestandort, als Garnisonsstadt. Dargestellt werden die Tilsiter Schulen, die Glaubensgemeinschaften und Gotteshäuser, die Königin-Luise-Brücke und die Tilsiter Denkmäler.

Die Broschüre hilft, die Atmosphäre des Tilsiter Lebens nachzuempfinden und in die verschiedenen Epochen einzutauchen. Sie kann von der Stadtgemeinschaft Tilsit auf Spendenbasis erworben werden unter der Anschrift: Manfred Urbschat, Bahnhofstr. 82, 03051 Cottbus, E-Mail :urb.man@freenet.de, Telefon (0355) 53 55 44.

Zum diesjährigen Schultreffen, das in der Zeit vom 22. bis 25. April in Gera stattfand, waren 14 Personen angereist. Traditionsgemäß begann das Treffen mit einer Kaffeetafel. Die Schulkameraden wurden von Gerhard Pfiel herzlich begrüßt. Er berichtete, dass Klaus Bluhm die Revision bei ihm in Potsdam durchgeführt und die korrekte Erfassung aller Daten bescheinigt hat. Anschließend folgte die Totenehrung, die Klaus-Jürgen Rausch vornahm. Dabei wurde der 14 Schulkameraden gedacht, die uns für immer verlassen haben, unter anderem Georg Dargelies und Werner Rhaese, die in den vergangenen Jahren den weiten Weg aus Kanada beziehungsweise Südafrika nicht scheuten, um bei den Schultreffen dabei zu sein.

Abends trafen wir uns zum Essen und geselligen Plachandern an einem für uns reservierten Tisch im Restaurant des Penta-Hotels. Am Sonnabend stand das Programm des Regionaltreffens im Vordergrund, das am späten Nachmittag endete. Schwerpunkte waren der Festvortrag von Frau Manuela Rosenthal-Kappi und die Lesungen von Frau Monica Grabs. Abends gingen wir gemeinsam „griechisch“ essen. Am Sonntagvormittag erwarteten wir vor dem Hotel den Bus zu einer Stadtrundfahrt. Gera machte auf uns den Eindruck einer sehr sauberen Stadt mit viel renovierter Bausubstanz aus den letzten beiden Jahrhunderten. Die Sehenswürdigkeiten wurden von unserer Führung ausführlich erklärt. Am Nachmittag war der Besuch des Stadtmuseums angesagt. Anderthalb Stunden waren dafür eingeplant. Wir merkten erst anschließend, dass die Zeit viel zu kurz bemessen war, um den Ausstellungen für Otto Dix (Gemälde aus verschiedenen Epochen seines Schaffens), über die Logen in Deutschland und die geschichtliche Entwicklung der Stadt Gera gerecht werden zu können – schade. Abends trafen wir uns zum gemeinsamen warmen Abendessen im Restaurant „Rübezahl“ – nur wenige Gehminuten vom Penta-Hotel entfernt.

Das sehr harmonisch verlaufene Schultreffen endete mit dem Frühstück am 25. April. Es folgte die Heimreise – und Überlegungen, ob man eventuell Schul- und Heimattreffen im nächsten Jahr wieder trennen und sich zum Beispiel in Potsdam oder Berlin treffen sollte.         Gerhard Pfiel stellvertretender Schulsprecher

 

TREUBURG

Kreisvertreterin: Ingrid Meyer-Huwe, Heinrich-Heine-Straße 51, 30173 Hannover, Telefon/Fax (0511) 884928, E-Mail: eusebius@kabelmail.de. Stellvertreterin: Eva Knierim, Kaiserstraße 38, 58300 Wetter, Telefon (02335) 846853, e-knierim@t-online.de. Geschäftsführerin: Irmgard Klink, Schlehdornweg 30, 47647 Kerken, Telefon (02833) 3984 (Fax: 3970), iklink@gmx.de. www.treuburg.de. Ansprechpartnerin in Ostpreußen: Hannelore Muraczewska, Wisniowa 1, PL 19-400 Olecko, Telefon (0048) 875 20-3180.

Das Treuburger Hauptkreistreffen 2016 mit allen Dörfern findet im eurostrand-Resort Lüneburger Heide, Bruchweg 11, 27389 Fintel, statt. Bahnhof: Lauenbrück, Taxi Cordes (Fintel) Telefon (04265) 1503), Taxi Dreyer (Scheeßel/Lauenbrück) Telefon (04263) 872. Festtag: Donnerstag, 2. Juni 2016 um 10 Uhr in der Tropic-Halle

Wir laden Sie ganz herzlich ein, in dieser Runde von Ihren Kinder- und Jugendtagen zu berichten. Wir laden aber auch ganz besonders die Jüngeren ein, Verbindungen zu knüpfen und Bekannte ihrer Eltern zu treffen. Kommen Sie alle – ob jung oder alt.

Organisatorin: Gabriele Janßen, St.-Barbara-Weg 4B, 47647 Kerken, Telefon (02833) 3228, janssen.53@web.de


S. 19 Heimatarbeit

Wehlauer Geschichte im Kreismuseum Syke
Der ostpreußische Patenkreis ist ein fester Bestandteil der Diepholzer Heimatsammlung und Nachkriegsgeschichte

Im Kreismuseum Syke kann man vieles entdecken. Gleich neben dem Haupthaus steht ein Speicher. „Offen“, sagt das Schild an der Tür. Ein Ort, der sich von dem sonst so geräumigen Kreismuseum unterscheidet. Herzlich willkommen im Wehlauer Heimatmuseum: einem eigenen Museum im Museum. Hier geht es nicht um den Kreis Diepholz und seine Vorgängerkreise, sondern um den Wehlauer Patenkreis aus Ostpreußen.

Öffnet man die Tür, so fallen die ersten Blicke auf Modelle von Backsteinkirchen und Burgen. Exponate, Bild und Textmaterial geben einen Einblick in die Geschichte Ostpreußens sowie des Landkreises Wehlau und wecken erste Erinnerungen. Der Kreis Wehlau war von der Land- und Forstwirtschaft geprägt. In der Kreisstadt Wehlau fand auch der Wehlauer Pferdemarkt statt, der in den 1920er Jahren Europas größter Pferdemarkt war.

Geht man weiter, taucht man in den Teil der Geschichte ein, der für die ostdeutschen Provinzen alles änderte: der Zweite Weltkrieg und die Flucht. Eine Fluchtwageninszenierung begleitet die Besucher von Ostpreußen vorbei an Westpreußen, Danzig, Schlesien und Pommern. Im ersten Stock kommen die Besucher an in der Inszenierung einer Amtsstube des Kreises Grafschaft Hoya in Syke. Die Flüchtlingsämter waren wichtige Anlaufstellen für die Flüchtlinge und Vertriebenen in ihren neuen Landkreisen.

Dieser Teil der Ausstellung hat nicht nur die Wehlauer im Blick. Er geht vom heutigen Landkreis Diepholz aus, in deren Vorgängerkreisen zahlreiche Flüchtlinge ein neues Zuhause fanden. Die Wohnzimmereinrichtung von 1954 aus einem Bassumer Siedlungshaus erzählt von dem Ende der Notunterkünfte und Proviso-rien. Für die Flüchtlinge und Vertriebenen setzte wieder ein Stück Normalität ein – doch die Sehnsucht und die Erinnerung an die Heimat blieben.

Erinnerungen sind ein wichtiges Stichwort. In kleinen Filmen erzählen Zeitzeugen und deren Kinder von ihren Erlebnissen und dem Umgang mit ihrer Heimat, beziehungsweise der Heimat der Eltern. Neben Erinnerungsstücken, die zum Fluchtgepäck oder zu den ersten Habseligkeiten nach der Ankunft gehörten, finden sich auch neuere Erinnerungsstücke. Dinge, die gebastelt oder auf Reisen gekauft und mitgebracht wurden. Ein besonderes „Mitbringsel“ ist ein Stapel Porzellan. Dieser wurde 1945 vor der Flucht in Goldbach vergraben und 48 Jahre später beim Erdaushub für eine neue Scheune wieder ausgegraben. Durch Zufall sahen dies gebürtige Goldbacher, die gerade im Rahmen einer Erinnerungsreise (1993) vor Ort waren. Sie erhielten einige Stücke des Fundes, die nun hier im Wehlauer Museum gezeigt werden.

Offiziell trägt das Museum den Titel „Wehlauer Heimatmuseum – Flucht und Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten 1945–1948. Neuanfang und Integration im heutigen Landkreis Diepholz“. Ein sperriger Name, der eine ganze Museumsgeschichte in sich trägt: 1955 übernahm der ‚Agrarkreis‘ Grafschaft Hoya die Patenschaft für den ‚Pferdekreis‘ Wehlau in Ostpreußen. Gleich zur Patenschaftsübernahme wurde ein Wehlauer Zimmer im Syker Kreishei-matmuseum eingerichtet, das hatte aber nur wenige Jahre Bestand.

1981 erhielt die Kreisgemeinschaft, auf Betreiben des Wehlauer Kreisvertreters Werner Lippke, den Ochtmannier Speicher auf dem Gelände des Kreisheimatmuseums zur Nutzung. Dieser wurde mit viel Engagement zu einer Erinnerungsausstellung ausgestaltet, blieb aber für die Öffentlichkeit weitgehend unzugänglich. Klaus Schröter übernahm 1998 die Verantwortung für die Ausstellung. „Er hat aus einer Heimatstube ein Heimatmuseum gemacht“, so Ralf Vogeding, der Leiter des Kreismuseums, der nun beratend zur Seite stand. Jetzt hatten alle Besucher des Kreismuseums Zugang zu der Ausstellung über Ostpreußen und Wehlau. Nach dem Tod Schröters, unter Regie des gebürtigen Königsbergers Gerd Gohlke, unternahm die Kreisgemeinschaft Wehlau gemeinsam mit dem Kreismuseum einen wichtigen Schritt zur Zukunftssicherung. Zusammen mit dem hier ebenfalls aktiven BdV-Kreisverband und einem Gestaltungsbüro wurde die Ausstellung neu gestaltet und 2009 als „Wehlauer Heimatmuseum“ wiedereröffnet. Mit Hilfe einer Kooperationsvereinbarung ist das Museum mit seiner informativen Ausstellung, das weiter in Trägerschaft und Verantwortung der Kreisgemeinschaft liegt, zu einem festen Bestandteil des Kreismuseums geworden. Darauf sind alle Beteiligten stolz.

Die ursprünglichen Patenkinder, die Kreisgemeinschaft Wehlau und der Kreis Diepholz, sind sich in den letzten 20 Jahren immer näher gekommen. Nach längerer Pause finden seit einigen Jahren die Kreistreffen wieder im Patenkreis statt. Zudem hat sich die Zusammenarbeit mit dem Kreismuseum intensiviert. Zunächst zeigte die Kreisgemeinschaft kleine, eigene Sonderausstellungen im Kreismuseum. 2014 war im Kreismuseum eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg geplant. Der Patenkreis wurde eingeladen, eine Parallelausstellung für das Foyer zu konzipieren. Denn anders als in den Vorgängerkreisen des Landkreises Diepholz war Wehlau in Ostpreußen direkt vom Geschehen des Ersten Weltkrieges betroffen. Im Folgejahr (2015) ging die Kooperation noch ein Stück weiter. Wieder anlässlich eines Krieges, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, entstand im Kreismuseum die Ausstellung „Die Not vor Augen. Europa im Blick. Alltagssorgen, Neuanfänge und Visionen in den Altkreisen Grafschaft Hoya und Grafschaft Diepholz 1945–1948“. Hierfür arbeiteten zwei Kuratorinnen im Auftrag des Kreismuseums und des BdV-Kreisverbandes/der Kreisgemeinschaft Wehlau eng verzahnt die Nachkriegsgeschichte auf.

Auch im Museum tut sich was. Bald nach der Wiedereröffnung wurde klar, dass die modernen Sitzgelegenheiten für die Besucher des Wehlauer Museums ungeeignet waren. So wurden diese umgebaut. Zudem steht in Aussicht, dass in den nächsten Jahren im Museum zusätzliche Inhalte gezeigt werden können. Und auch das Wehlauer Archiv, in dem weitere Sammlungsbestände bewahrt werden, wird aktuell intensiv bearbeitet, damit ebenfalls dieses für die Zukunft gesichert werden kann. Ulrike Taenzer

Das Wehlauer Museum hat gleiche Öffnungszeiten und Adresse wie das Kreismuseum Syke, Herrlichkeit 65, 28857 Syke. Montags geschlossen, Sommeröffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14 bis 17 Uhr, Sonnabend 14 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr (zu den Winteröffnungszeiten siehe www.kreismuseum-syke.de). Ansprechpartner: Gerd Gohlke für das Wehlauer Museum (04241) 5586 und für das Kreismuseum Syke (04242) 2527.


S. 20 Heimatarbeit

Lebendige Tradition in historischem Ambiente
Am St. Georgstag stattete der Hochmeister des Deutschen Ordens, Bruno Platter, Bad Mergentheim einen Besuch ab

Anlässlich der Heimattage von Baden-Württemberg kamen im Schloss von Bad Mergentheim Vertreter des Deutschen Ordens zusammen, um eine langjährige Tradition zu pflegen.

Wenn sich eine Personengruppe in schwarzen Umhängen mit dem Wappen des Deutschen Ordens an der linken Seite auf dem Kirchplatz versammelt und gemeinsam mit anderen Uniformierten das Münster betritt, weckt dieses Bild allemal die Neugier der Anwesenden. Den Einwohnern von Bad Mergentheim jedoch sind solche Szenen vertraut. Schließlich befindet sich in ihrem Städtchen das ehemalige Deutschordensschloss. Und außerdem: Am traditionellen St. Georgs-Tag gehören das Deutschmeisterfest in der Wandelhalle und die feierliche Messe im Münster St. Johannes zum gewohnten Ritual.

So geschehen auch bei der Auftaktveranstaltung der diesjährigen Heimattage von Baden-Württemberg vom 22. bis zum 24. April. Bad Mergentheim liegt im fränkisch geprägten Nordosten des Bundeslandes und pflegt die bis heute bestehende enge Beziehung zum Deutschen Orden. Zu den Leuchtturmveranstaltungen im Jahresprogramm gehören eben auch die St. Georgstage, die diesmal durch den Besuch des Hochmeisters Abt Bruno Platter eine besondere Ehrung erfuhren. An den Festtagen beteiligten sich die Historische Deutschorden-Compagnie zu Mergentheim sowie zahlreiche Uniformierte und historische Gruppen in Begleitung der Parforcehornbläser der Kreisjägervereinigung Mergentheim, die einen Umzug durch die Innenstadt boten.

Während der St. Georgstage wurde im feierlichen Rahmen auch die Sonderausstellung „Schätze des Deutschen Ordens im Schloss“ eröffnet. Bis zum 10. Juli 2016 ist im Deutschordensmuseum von Bad Mergentheim eine Auswahl von wertvollen Objekten aus der Schatzkammer des Deutschen Ordens in Wien zu bewundern. Die Präsentation in den Fürstlichen Räumen des Schlosses umfasst rund 70 Exponate des Schatzes, der bis ins 19. Jahrhundert in der Residenz Mergentheim untergebracht war. Die Bestände wurden 1809 – als der Deutsche Orden in den Rheinbundstaaten aufgelöst wurde – zum neuen Sitz des Hochmeisters nach Wien gebracht.

Zu den herausragenden Stücken gehören ein goldener Hund, auch „Wenckheim’scher Willkomm“ genannt, der sich auf den Hochmeister Georg Hund von Wenkheim bezieht, sowie mehrere Kunstkammer-Objekte aus Silber und Gold.

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit der Schatzkammer des Deutschen Ordens in Wien mit der Stadt Bad Mergentheim und dem Deutschordensmuseum in Bad Mergentheim sowie mit institutionellen und privaten Leihgebern entstanden.

Neben dem Rundgang durch die wechselnden Sonderschauen ist ein vertiefender Besuch des Museums besonders empfehlenswert. Das ehemalige Deutschordensschloss von Mergentheim war seit 1219 eine Niederlassung des Deutschen Ordens und von 1525 bis 1809 Residenz der Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten des gesamten Schlosses wurde das Museum im Jahr 1996 neu eingerichtet. Veranschaulicht werden Aspekte der Ordensgeschichte von seiner Gründung im Jahr 1190 über die Säkularisation bis hin zum Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie zum Wiederaufbau.

Informiert wird auch darüber, dass der Deutsche Orden nicht nur an den Kreuzzügen im Mittelalter beteiligt war, sondern auch heute noch existiert und mit seinen drei Instituten (Brüder, Schwestern, Familiaren) im sozial-karitativen Bereich aktiv ist.

Schon gleich beim Betreten der historischen Gemäuer wird der Besucher mit der architektonischen Besonderheit der Berwarttreppe aus dem Jahr 1574 empfangen. Die Dokumentation von 800 Jahren Deutscher Orden wird anhand von Kunstwerken und Objekten, Bildern, Dokumenten, Texten und Karten dargestellt.

Meilensteine gab es im 13. Jahrhundert, als auf dem Gebiet des späteren Ost- und Westpreußen ein mächtiger Deutschordensstaat errichtet wurde. Das Territorium des Ordens wurde durch Gebiete wie Pomerellen und Danzig (1308), Estland (1346) und Gotland (1398) erweitert. Ebenfalls im 13. Jahrhundert erhielt der Orden großen Besitz im Mittelmeerraum und im Römischen Reich. Auch in Livland breitete sich der Orden aus. Mit dem Erwerb der Neumark hatte das Deutschordensland im Jahre 1402 seine größte Ausdehnung erreicht. Seit dem 15. Jahrhundert verlor der Orden an politischer Bedeutung. Nachdem Napoleon die Existenz des Ordens 1809 in den Rheinbundstaaten beendet hatte, war nur noch in der Habsburgermonarchie Österreich ein Fortbestand möglich. Er erneuerte sich und ist heute ein klerikaler Orden. Erst durch die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Orden wieder in Deutschland ansässig.

Präsentationsschwerpunkte und Exponate veranschaulichen auch das Thema „Preußen“. So etwa wird informiert, dass der Deutsche Orden ab 1230 Preußen unterwarf und in Livland 1237 das Erbe des Schwertbrüderordens übernahm. Von der Marienburg, ab 1309 Zentrale des Ordens, übte der Hochmeister gemeinsam mit den Bischöfen und Domkapiteln die Landherrschaft in Preußen aus. Anhand von historischen Plänen und Karten sowie einigen Objekten wird gezeigt, dass der Orden in Preußen und Livland Landesausbau und Stadtgründungen förderte. Für seinen Eigenhandel kam ihm die Mitgliedschaft in der Hanse zugute.

Auch wenn das Deutschordensland nach außen wie eine Einheit wirkte, stellte es faktisch zwei voneinander unabhängige Herrschaftsgebiete dar: Der Landmeister von Livland regierte in seinem Meistertum ebenso frei wie der Hochmeister als Landmeister von Preußen.

Als Folge von außen- und innenpolitischen Konflikten und militärischen Niederlagen wurde die Ordensherrschaft geschwächt. Mit der Reformation und der Umwandlung in weltliche Fürstentümer endete 1525 die Herrschaft und Anwesenheit des Ordens in Preußen, 1562 geschah dies in Livland.

Der Deutsche Orden hatte über 300 Niederlassungen in Mitteleuropa, im Heiligen Land, in Preußen, im Ostsee- und Mittelmeerraum. An den meisten dieser Orte, wo oft prächtige Burgen, Schlösser oder Amtshäuser auch heute noch an die Macht des Ordens erinnern, ist der ehemalige Kreuzfahrerorden weitgehend vergessen. Vor diesem Hintergrund haben das Deutschordensmuseum und die Stadt Bad Mergentheim eine thematische Wanderausstellung konzipiert, die bis Ende dieses Jahres  an 18 Stationen zu sehen sein wird. Die Präsentation unter dem Motto „Lebendiger Orden mit großer Tradition. Die Geschichte des Deutschen Ordens von 1190 bis heute“ will man das Verständnis für die Hauptmerkmale der Deutschordensgeschichte wecken. Auch soll das reiche Kulturerbe, das der Deutsche Orden hinterlassen hat – darunter prachtvolle Bauten wie Schloss Altshausen, Schloss und Insel Mainau, die Marienburg in Polen oder die Residenz in Bad Mergentheim – mit seiner Geschichte und Bedeutung für Besucher besser verständlich werden. Die Wanderausstellung richtet sich an ein allgemein kultur- und geschichtsinteressiertes Publikum.            Dieter Göllner


S. 21 Lebensstil

Erholung für die Nase
Duftrevolution unweit vom Dom − Weil die Kölner schlecht gerochen haben, erfand ein Italiener das Kölnisch Wasser

Die Kölner Domplatte ist für ihre üblen Gerüche berüchtigt. Wer sich davon erholen will, sollte ein paar Schritte weiter das Duftmuseum Farina besuchen.

4711 ist die bekannteste, nicht aber die älteste Duftmarke Kölns. Diese Ehre gebührt dem Farina-Haus, der ältesten bestehenden Kölnisch-Wasserfabrik überhaupt. Gegründet wurde das Unternehmen 1709 von Johann Baptist Farina in der Domstadt. Das heutige Farina-Duftmuseum am Gülichplatz lockt mit einer Entführung in die Welt des Geruchssinns. Menschen aus aller Welt strömen in das Haus, um sich in das Reich der Düfte entführen zu lassen und sich auf die Spuren der bekanntesten Duftkomposition der Welt zu begeben.

Der Erfinder des Eau de Colognes aber war Johann Baptists jüngerer Bruder Johann Maria, der 1685 im Bergdorf Santa Maria Maggiore im Piemont geboren wurde. Von Anfang an entwickelte er einen überaus sensiblen Geruchssinn und eignete sich alle wichtigen Kenntnisse über Aromen an. Seine Heimat lieferte die beste Vorlage für seine empfindliche Nase. Im Frühling sind die Bergwiesen übersät von Narzissen. Giovanni konnte diesen Duft nie mehr vergessen. Er sollte zur Inspiration seines späteren Er­folgs werden. Mit 21 Jahren kam der junge Mann erstmals nach Köln. Für eine feine Nase wie die des jungen Giovanni waren es harte Zeiten.

Die Städte stanken, da bildete Köln keine Ausnahme. Überall Dreck, Ausdünstungen, Abfälle. Dazu der Gestank, den die Gerber produzierten, indem sie Tierhäute in offenen Bottichen gerbten und alles in die Bäche schütteten. Wie gut, dass hin und wieder eine Rheinüberschwemmung für eine kurze Reinigung der Straßen sorgte. Erst 1667 hatte hier die letzte Pestseuche getobt. Zudem war das Waschen des eigenen Körpers verboten, denn Wasser galt als schädlich. Mittelalterliche Badehäuser waren wegen der hohen Ansteckungsgefahr seit Ausbrechen der Seuchen wie Syphilis, Cholera und Pest geschlossen. Die Annahme, dass Wasser eine grundsätzliche Gefahr für Leib und Leben sein soll, verbreitete sich schnell. Es war nicht abwegig, denn fast immer war das Wasser verunreinigt und musste zum Trinken abgekocht werden. Schweiß und ungewaschene Kleider bildeten zusammen mit den schweren Parfums wie Moschus und Sandelholz eine unsägliche Mischung. Üble Ausdünstungen sollten so überdeckt werden.

Johann Maria arbeitete an einem gänzlich neuen Parfum. Er beherrschte die Kunst des Destillierens von Alkohol. Bisher bestanden Düfte nur aus schweren Ölen. Auf der Basis eines geruchsfreien Alkohols kreierte Farina eine Duftkomposition aus Bergnarzissen, Orangenblüten und Extrakten der Bergamotte. Es handelte sich um eine völlig neue Frucht, die kurz zuvor erst durch Züchtung entstanden war. Hinreißend, leicht und erfrischend war das Aroma, so wie ein italienischer Frühlingsmorgen nach dem Regen. Zu Ehren seiner neuen Heimatstadt nannte er es „Eau de Cologne“. Sein Bruder Giovanni  Battista betrieb in der Stadt seit 1709 ein Geschäft mit „Französisch Kram“, das Luxusartikel für den reichen Teil der Bevölkerung führte. 1714 stieg Giovanni Maria in den Betrieb ein und brachte als genialer Parfümeur das Rezept für das besondere Parfüm mit. Das Markenzeichen der Tulpe wählten sie, weil diese Pflanze als Kostbarkeit galt und sogar mit Gold aufgewogen wurde.

Beide Brüder deutschten ihre Namen ein, so dass nun Johann Maria und Johann Baptist Farina das Geschäft führten. Im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln sind seit 1709 alle Einkäufe, Verkäufe, Briefwechsel und Produktionen im Original dokumentiert. Somit ist das Farina-Archiv die vollkommenste Sammlung einer Handelshausgeschichte nördlich der Alpen. Bald schon fanden sich Europas Adel, die Schönen und Reichen auf der Käuferliste: So auch Ludwig XIV.,  Friedrich der Große, Maria Theresia, Goethe oder Mozart. Sogar Napoleon ließ sich den Duft literweise liefern. Doch der Luxus war unsagbar teuer. Um 1720 kostete eine Flasche, Rosolie genannt, einen Reichsthaler. Es war das Monatsgehalt eines Handwerkers.

1723 zogen die „Fratelli Farina“ an den heutigen Gülichplatz und lieferten ihr Produkt in viele Länder. Doch der Erfolg rief Nachahmer auf den Plan. 1803 erwarb ein Mann namens Wilhelm Mülhens die Namensrechte eines un­bekannten Herrn Farina, der nichts mit dem Parfümeur zu tun hatte. Nun konnte auch Mülhens seine Kreation Farina nennen. Außerdem verkaufte er die Na­mensrechte an 30 weitere Personen. Eingetragene Marken gab es noch nicht. So ließen die Farinas ihren Duft erst 80 Jahre später als erstes Produkt in Deutschland schützen. Herrn Mülhens wurde der Namensgebrauch untersagt. Also nannte dieser seinen Duft nach der inzwischen weltbekannten Hausnummer seines Unternehmens: 4711.

Die Firma Johann Maria Farina „gegenüber dem Jülichs-Platz“, wie sie exakt heißt, ist seit acht Generationen im Besitz der Familie Farina. Sie allein kennt die ge­heime Rezeptur, die noch im­mer unverändert ist. „Eau de Cologne“ bezeichnet heute leichte Düfte und ist somit als Begriff in den Sprachgebrauch eingegangen, obwohl sie mit dem Duft der Farinas nichts zu tun haben.

Ähnlichkeiten zu Patrick Süßkinds Roman-Welterfolg „Das Parfum“ sind im Lebenslauf Giovannis immer wieder zu finden. So trägt die Figur im Buch möglicherweise nicht zufällig die Vornamen „Jean-Baptiste“. Es ist durchaus denkbar, dass der Autor sich den genialen Parfümeur aus Italien zum Vorbild für sein Buch nahm.           Silvia Fried­rich

Duftmuseum im Farina-Haus, Obenmarspforten 21, 50667 Köln. Telefonische Anmeldung für eine Führung unter (0221) 3998994 oder www.farina.org


Königlicher Alterssitz
Laut Fontane zum Schnäppchenpreis erworben − Auf Schloss Kossenblatt kurierte Friedrich Wilhelm I. seine Gicht

Die preußischen Königsschlösser in Berlin, Potsdam, Rheinsberg, Oranienburg und Königs Wusterhausen kennt jeder. Doch wer kennt Kossenblatt, Preußens östlichstes Königsschloss und bevorzugter Alterssitz von Friedrich Wilhelm I. an der ehemaligen Grenze zwischen Preußen und Sachsen? Und wer kennt schon seinen heutigen Besitzer?

So lange historische Bauten bestehen, schreiben sie Geschichte. Als eine der neuesten Schlossbesitzer in Brandenburg hat sich Anna Fiebig, Berliner Inhaberin einer Werbeagentur, darin verewigt. Die Motivation, mit der ganzen Familie aufs Land zu ziehen, war vorhanden. Doch als sie ihr Weg an den Rand des knapp 600 Quadratkilometer großen Naturparks Dahme-Heideseen südöstlich von Berlin führte, wurde aus der vagen Absicht „königliche“ Realität.

„Kossenblatt“, so Fiebig, „entdeckte ich durch Zufall. Das schöne Angerdorf und die Idylle und Weite der Umgebung haben mich sofort begeistert.“ 2013 erwarb sie den gepflegten Gutshof, der mit seinen gelben Fachwerkmauern unübersehbar das Straßenbild prägt, 2014 das dazu gehörige Schloss. „Wir wollten eine Einheit“, erklärt die Zugereiste, wo­bei sie noch vorsorglich hinzufügt, „und haben nichts falsch ge­macht.“

Seitdem erwacht das kleine Spree-Dorf am Rande des Kleinen und Großen Kossenblatter Sees in der 485-Seelen-Gemeinde Tauche langsam aus seinem Dornrös­chenschlaf. Noch liegt Fiebigs Hauptaugenmerk auf den Außenanlagen und dem Gutshof samt Herrenhaus mit Hotel, Café und Restaurant. Und auf der Vermarktung, um den Ort regional wie überregional bei Rad-, Wasser- und Fußwanderern sowie Kulturinteressierten bekannt zu ma­chen. Ein Termin steht schon fest: Am 25. Juni findet auf Kossenblatt das zweite Sommerfest mit Live-Musik statt.

„Das Schloss muss warten“, so die Schlossherrin, „es steht schon 300 Jahre und wird nicht so schnell zusam­menfallen. Auch über die Nutzung müssen wir uns noch Gedanken ma­chen.“ Am Wahrheitsgehalt  ihrer Worte lässt der imposante Ba­rockbau keinen Zweifel, konnte er doch nach dem Zweiten Weltkrieg in gu­tem baulichen Zu­stand gehalten und bereits von 1963 bis 1967 restauriert werden. Der Gutshof erfuhr seine Sanierung von 1992 bis 1996.

Bauherr des stattlichen Schlosses war Reichsgraf Albrecht von Barfuss, einst Kanzler in Preußen und Generalfeldmarschall des Großen Kurfürsten. Barfuss hatte die Herrschaft Kossenblatt 1699 für die zur damaligen Zeit beträchtliche Summe von 32000 Talern und 100 Dukaten von dem Vorbesitzer erworben. Schon im Jahr darauf ließ er unter Leitung des holländischen Architekten van Spieren mit dem Schlossbau beginnen. Die Fertigstellung er­lebten allerdings weder der Reichsgraf noch sein Baumeister. Beide starben bereits 1704.

Für den Weiterbau bis zur Vollendung 1712 sorgte Ehefrau Eleonore, eine geborene Gräfin von Dönhoff. Der Sage nach eine starke Persönlichkeit, die sich nicht scheute, über Leichen zu gehen, wie bei Theodor Fontane nachzulesen ist. In seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ schrieb er:

„Sie war eine stolze Frau und es geht die Sage, dass sie bemüht gewesen sei, ihrem einzigen überlebenden Sohne sein Erbe nach Möglichkeit zu schädigen und zu schmälern. Sie ließ zu diesem Behuf einen holländischen Baumeister kommen, befahl ihm, unterhalb der Keller des Schlosses einen zweiten Keller zu graben und zu wölben, und tat dann alles hinein, was sie an Gold und Kostbarkeiten besaß. Dann gab sie Befehl, die Gruft in ihrer Gegenwart zu schließen, und nahm dem Baumeister einen Eid ab, die Stelle niemandem zu verraten. Voll Zweifel aber … zog sie das Sichere vor und ließ ihn auf der Rückreise nach Holland aus dem Wege räumen… Als sie fühlte, dass es mit ihr zum letzten gehe, befahl sie, den gesamten Hausrat auf den Schlosshof zu tragen, und vergoldete Stühle und Tische, Spiegel und Konsolen, Divans und Kommoden wurden nun zu einer Pyramide aufgetürmt. In einem Rollstuhle ließ sie sich dann an die Tür des Gartensaales fahren, gab Order, zwei Fackeln anzulegen, und starrte lang und befriedigt in die hoch aufsteigende Flamme… Als alles niedergebrannt war, saß sie tot in ihrem Rollstuhl.“

Erbsohn Ludwig entging da­nach nicht nur das Inventar, sondern nach nur acht Jahren Schlossherren-Freuden auch der Besitz. Denn wie Fiebig heute, hatte sich einst Friedrich Wilhelm I. in die Gegend verliebt. Um sich Kossenblatt zu sichern, trickste er den jungen Grafen Barfuss geschickt aus. Dieser hatte, um den König „abzuwimmeln“, den exorbitanten Kaufpreis von 180000 preußischen Talern gefordert und damit entgegen seines ei­gentlichen Willens Verkaufsabsicht geäußert. Auf dieser bestand der König aber, ließ den Besitz schätzen und erwarb ihn dann, nach Fontane, für 132000 Taler.

Kossenblatt wurde für Friedrich Wilhelm I. von 1736 bis zu seinem Tod 1740 zum bevorzugten Alterssitz, an dem er sich jedes Jahr mindestens einmal für mehrere Wochen aufhielt. In einem Jahr sogar dreimal: zum Jagen, zum Malen und um seine Gicht zu kurieren. Dabei sind 40 Bilder entstanden, die heute in Königs Wusterhusen zu sehen sind. In Kossenblatt zieren einige etwas verloren wirkende Kopien das Treppenhaus des ansonsten leeren Schlosses. Nur ein Raum ist hübsch möbliert. Er dient als Trauzimmer.

Vom 21. Mai bis 3. September ist Kossenblatt im Rahmen des diesjährigen Schlösserfahrten-Programms Brandenburg mit  Tages-Busfahrten ab Berlin und zusammen mit den Streleburgen Storkow und Beeskow zu besichtigen. Die Familie von Strele prägte die Region im 13. und 14. Jahrhundert als Lehnsherren und nannte dabei auch die Burg von Friedland ihr Eigen. Ursprünglich stammte das Reichsministerialiengeschlecht aus der Burggrafschaf Strehla an der Elbe. Seit dem 11. Jahrhundert war es den Wettinern zu Diensten und besaß zwischen 1202 und 1879 auch mehrere Burgen und Ortschaften.

                Helga Schnehagen

Schlossführung Kossenblatt nach Anmeldung, Telefon (033674) 429790, E-Mail info@gut-kossenblatt.de. Schlösserfahrten Brandenburg finden bis 1. Oktober statt: www.reiseland-brandenburg.de oder www.tagesfahrten-brandenburg.de


Wasserbüffel auf Pfaueninsel

Auch in diesem Jahr bietet die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) einer kleinen Gruppe Wasserbüffel ein Sommerdomizil auf der Berliner Pfaueninsel. Damit wird die Beweidung der Hechtlaichwiese aus den Vorjahren fortgesetzt. Sie fand erstmals im Luisenjahr 2010 statt.

Die Beweidung mit den vier Tieren hat sich als Alternative zur maschinellen Mahd bewährt. Die Wasserbüffel sollen die artenreichen Feuchtwiesen von Gehölzaufwuchs freihalten und damit seltene Pflanzenarten fördern. Zudem vermitteln sie den Besuchern eindrucksvoll die frühere Weidenutzung der Pfaueninsel. Vor allem in diesem Bereich ist der landschaftliche Charakter seit nahezu 200 Jahren fast unverändert. Bereits ab 1801 bis zur Auflösung der Menagerie im Jahr 1842 wurden Wasserbüffel auf der Pfaueninsel am Büffelteich westlich der Meierei als „Zootiere“ gehalten.

Die Tiere stammen wie in den Vorjahren von der Wasserbüffelzüchterin Sonja Moor aus Hirschfelde. Voraussichtlich bis Mitte Okto­ber sind die Tiere auf der Feuchtwiese sowie auf der nordöstlich der Meierei gelegenen  Fläche zu bestaunen.        PAZ


S. 22 Neue Bücher

Ein wirres Bündel
Autor müht sich an Themen ab

Heribert Prantl, geboren 1953, vormals Richter, derzeit Journalist,  hat ein wirres Bündel eigener Texte publiziert. Sie gaukeln Gedankentiefe vor, schaffen aber nur unfreiwillige Komik. Oder kann jemand Prantls Dicta ins Deutsche übersetzen: „Schöpfung ist nicht das, was einmal war“, „Jungfrauengeburt ist Chiffre für die emanzipatorische Idee“, Snowdens „Outing“ war eine „Art modernes Pfingstwunder“.

Prantl müht sich an vielen Themen ab, äußert aber meist nur linke Gemeinplätze: „Bethlehem heißt heute Lampedusa.“ Es ist ihm unbenommen, sich für den „Schutz von Homosexuellen“ zu ereifern, aber er sollte nicht verschweigen, dass dieses Thema international auf massive Ablehnung stößt, etwa bei 74 Prozent der Russen, und dass das „Adoptionsrecht für homosexuelle Partnerschaften“ im EU-Land Slowenien am 20. Dezember 2015 per Referendum abgelehnt wurde.

Prantl verwirft Gewalt gegen Kinder, die er an einem Gemälde von Max Ernst und einer obskuren Sekte exemplifiziert. Würde dieses „Mitglied der Chefredaktion“ der „SZ“ mitunter in Zeitungen schauen, wären ihm Tayler, Yagmur, Chantal und andere Kleinkinder ein Begriff, die in jüngster Zeit von ihren Müttern und deren „Lebensgefährten“ totgeschlagen wurden. So etwas zu erwähnen, schließt Kritik an strafwürdigen Versäumnissen von Jugendämtern ein, die alle diese Fälle zuvor kannten. Bequemer ist es, linke Gebetsmühlen zu drehen, dass „zugerichtete Kinder“ als Exekutoren des NS-Regimes taugten.

Prantels Ignoranz tut mitunter weh. Da lässt er mal eben den Namen Janusz Korczak fallen, falsch geschrieben und unkommentiert. Mit den Büchern dieses jüdischen Kinderarztes und Waisenhausgründers sind Generationen von Polen groß geworden, dem Vermächtnis dieses Philanthropen widmet sich die Internationale Korczak-Gesellschaft, die daran erinnert, dass Korczak 1942 seine jüdischen Waisen freiwillig ins Vernichtungslager Treblinka begleitete und diesen Todesmarsch als fröhlichen Schulausflug tarnte.

Kaum besser fällt aus, was Prantl über den Prager Reformer Jan Hus sagt: „Hus heißt auf Tschechisch Gans“ – Quatsch, weil die tschechische Gans „husa“ heißt. Was zu Hus’ Kirchenauffassung zu sagen ist, so reiht sich Prantl in den Chor derer ein, die seit 600 Jahren denselben Stuss wiederholen: Hus habe den Briten Wyclif fortgeführt und den Deutschen Luther vorweggenommen. Für solche Debatten musste nicht der Prager Universitätsrektor Hus 1415 zum Konzil nach Konstanz reisen, zumal ihm Kaiser Sigismund freies Geleit zugesichert hatte. Dass er dennoch auf dem Scheiterhaufen landete, lag an seiner politischen Gegnerschaft zu den „deutschen“ Habsburgern, die sich an ihm rächten.

Seit 1990 ist der 6. Juni als „Tag der Verbrennung von Hus“ Staatsfeiertag in Tschechien, was Rom so übel nimmt, dass mit Prag ein vertragsloser Zustand herrscht, als einzigem Land Europas „mit katholischer Tradition“. Präsident Havel war dreimal im Vatikan, sein Nachfolger Klaus zweimal, sechs Tschechen wurden zu Kardinälen ernannt. Aber solche Themen überfordern Prantl. Er kultiviert nachbarschaftliche Ignoranz und propagiert seine Wortschöpfung von der „dritten deutschen Einheit“, nämlich der „Inklusion“ von „vier Millionen Muslimen in Deutschland“.

                Wolf Oschlies

Heribert Prantl: „Kindheit. Erste Heimat. Gedanken, die die Angst vertreiben“, Süddeutsche Zeitung Edition, München 2015, Hardcover, 172 Seiten, 14,90 Euro


Bezahlte Besserwisser
Vince Ebert geht dem Beruf des Beraters auf den Grund

Der Einstieg in das Buch „Unberechenbar. Warum das Leben zu komplex  ist, um es perfekt zu planen“ ist wenig prickelnd und noch weniger ermutigend, wenn man liest, dass „Ihre Existenz das Produkt eines unglaublichen Zufalls“ ist, „unser Leben nicht den geringsten Sinn“ hat, „unsere Existenz nicht Teil eines universellen Plans“ ist, „jede Form von Glück letztlich auf Selbstbetrug“ beruhe und „Gefühle nicht berechenbar“ seien. Dennoch glauben die meisten von uns an das Gegenteil, und auch Vince Ebert hält sich keineswegs streng an sein Credo.

Als Physiker, dann Unternehmensberater und jetzt Kabarettist bezeichnet er die Tätigkeit von Beratern, Coaches, Trainern als „bezahlte Besserwisserei bei maximaler Verantwortungslosigkeit“. „Coach“ kann sich jeder nennen. Es ist kein Ausbildungsberuf und daher die „Abbrecherquote“ sensationell gering. Die Legende, Erfolg sei machbar, stammt „zum überwiegenden Teil von Menschen, die niemals erfolgreich ein Unternehmen gegründet oder geführt haben“. „Inzwischen nehmen sich sogar Coaches einen

Coach, der sie coacht, wie man am besten coacht“. Man begegne hier einem klassischen Statistikfehler, denn man ignoriere, dass „erfolglose Menschen nun mal keine Erfolgsbücher“ schreiben. „Erfolgsgurus verwechseln allesamt ein komplexes System mit einem komplizierten System. Ein Flugzeug zu fliegen ist kompliziert, doch Menschen sind komplex. Und komplexe Systeme verhalten sich ziemlich unberechenbar. Doris Day hatte vollkommen recht, als sie in „Que sera, sera“ sang: „the future’s not ours to see“!

In dem Kapitel „von schwarzen und blauen Schwänen“ steht: „Die Peinlichkeit, zu sagen: Ich weiß es nicht, ist für uns offensichtlich schlimmer, als etwas daherzuschwafeln, was sich im Nachhinein als kompletter Quatsch erweist.“ Einzig Sokrates habe die Weisheit besessen zu sagen: „Ich weiß, dass ich nicht weiß!“ Luther prophezeite dreimal das Ende der Welt: 1532, 1538 und 1541.

Ebert gibt allen Apokalyptikern den Rat: „Wenn Sie einen Weltuntergang prognostizieren, achten Sie darauf, ihn weit nach Ihrem eigenen Tod zu legen.“ Der Sozialpsychologe Tetlock hatte 248 Experten aller Wissensdisziplinen Prognosen machen lassen und diese nach 20 Jahren überprüft: „Das Ergebnis war niederschmetternd. Die Einschätzungen der Fachleute waren praktisch alle falsch.“ Ebert: „Ich wundere mich jedes Mal, wie ernst man Leute nimmt, die es trotzdem immer wieder tun.“ Er vermied es dabei geschickt, sich konkret mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung anzulegen.

Dabei ist die „Klimakatastrophe“ noch unwahrscheinlicher als der „schwarze Schwan“, der als Symbol von einem „extrem seltenen, unvorhersehbaren Ereignis“ angesehen wird. Das Klima existiert nur als „statistische Größe“ ohne ein natürliches Eigenleben, wie es das Wetter hat. Es ist Angst vor dem „Zeitgeist“, wenn Ebert sagt, dass „Klimamodelle nicht die Realität abbilden“, aber man „trotzdem etwas über die grundlegenden Zusammenhänge des Klimas lernen“ könne. Was, das verschweigt er. Dann: „Schwarze Schwäne, Unschärferelation und Chaostheorie führen uns permanent vor Augen, dass die Zukunft niemals voraussagbar und planbar sein wird.“

Dennoch hängen wir immer noch dem „Modell des Laplace’schen Dämons, dem Irrglauben einer berechenbaren Weltbildes“ an. Bei den meisten unserer Ansichten pfeifen wir auf Fakten, wir glauben einfach. Wir glauben vornehmlich das, was emotional ist und sich gut anfühlt. Wir sind blind gegenüber unserer eigenen Blindheit, wobei der Grad unserer Selbstüberschätzung oft mit dem Grad unserer Inkompetenz korrespondiert.

Das Buch ist in vier Hauptkapitel untergliedert: Privatleben, Arbeitswelt, Wissenschaft, Zukunft. Es endet mit Science-Fiction „Zukunft is the future“. Die einzige Konstante ist der Wechsel. Die stetige Zunahme der „Entropie“ als Maß der Unordnung erkläre schlichtweg den Ablauf der Dinge: „Geburt, Leben, Tod. Am Ende, in ein paar hundert Milliarden Jahren wird der Wärmetod des Universums“ eintreten. Ob die Apokalyptiker, die sagen, „es kommt schlimm! Ganz schlimm“, deswegen so hoch gehandelt werden? Vielleicht rührt unsere Angst vor dem Klimawandel daher, dass wir die südlichen Breiten verlassen haben, wo es das ganze Jahr reichlich zu essen gibt und man von der Hand in den Mund lebt. Hübsch ist der Hinweis auf das Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“, wo man sich der „Politiker, Versicherungsvertreter und Klimaforscher“ entledigte und auf einen „neuen Heimatplaneten“ verfrachtete.

Insgesamt ein lesenswertes Buch, das mit der scherzhaften Bemerkung endet: „Denn Erfolg ist wie ein Furz: Wenn du ihn erzwingst, geht’s meistens in die Hose.“        Wolfgang Thüne

Vince Ebert: „Unberechenbar. Warum das Leben zu komplex ist, um es perfekt zu planen“, Rowohlt Polaris, Hamburg 2016, broschiert, 316 Seiten, 16,99 Euro


In den Fängen des IS
Betroffene schildert, wie sie aus Gefangenschaft und Folter floh

Seit der Irakkrise rückt der Islamische Staat in die Sied-lungsgebiete der Kurden im  Nordirak vor. Die ebenfalls dort siedelnde religiöse Minderheit der Jesiden ist der Verfolgung des IS in besonderem Maße ausgesetzt, da dieser  die Jesiden als „Ungläubige“ ansieht. Jesiden betrachten sich ethnisch als Kurden. unterscheiden sich jedoch in Tradition und religiösen Bräuchen von ihnen. Sie beten nicht Mohammed, sondern „Melek Taus“, den Gottesengel, an.

Wie perfide der IS bei seinen Eroberungszügen vorgeht, wie er es schafft, die gut bewaffneten kurdischen Peschmerga-Kämpfer in die Flucht zu schlagen und das erbeutete  Kriegsgerät gegen seine Feinde einzusetzen, berichtet in dem Buch „Shirin. Ich bleibe eine Tochter des Lichts“ eine Betroffene. Shirin ist eine inzwischen 20-jährige Jesidin aus dem nordirakischen Dorf Hardan. Dort lebte sie bis zum Herbst 2014 friedlich und in der Tradition ihres Glaubens mit ihrer Familie. Sie war ein aufgewecktes Mädchen, das sich in der Schule mit Streichen, aber auch mit guten Leistungen hervortat. Ihre Nachbarn waren Araber, mit denen sie sich gut verstanden und die sogar ihren kurdischen Dialekt sprachen. Das alles änderte sich schlagartig, als der IS vor der Tür stand. Kurdische Freunde wurden zu Verrätern, dank derer Hilfe der IS gezielt jesidische Familien gefangennahm. Die jungen Männer wurden zu IS-Kämpfern ausgebildet, Jungfrauen mussten zum Islam konvertieren, wenn sie nicht versklavt werden wollten.

Als Gefangene versucht Shirin sich unter verheirateten Frauen zu verstecken – denn denen tun die IS-Kämpfer nichts – bis sie schließlich doch aufgespürt wird. Da sie sich strikt weigert, Muslimin zu werden, wird sie als Sklavin verkauft. Damit beginnt ihr Leidensweg. Sie erduldet Entehrung, Vergewaltigung und Folter. Neben allen traumatischen Erlebnissen erfährt sie auch unter Moslems so etwas wie Menschlichkeit. Dank der Unterstützung eines solchen Mannes gelingt ihr die Flucht. Über den deutsch-kurdischen Psychiater und Traumatologen Jan Kizilhan gelangt sie nach Deutschland. Ihre erschütternde Geschichte hat sie der Journalistin Alexandra Cavelius in zehn Einzelsitzungen erzählt. Was aus der traumatisierten Frau wird, ist völlig ungewiss.

                Manuela Rosenthal-Kappi

Shirin mit Alexandra Cavelius und Jan Kizilhan: „Ich bleibe eine Tochter des Lichts. Meine Flucht aus den Fängen der IS-Terroristen“, Europa Verlag 2016, gebunden, 363 Seiten, 18,99 Euro


Ein deutsches Leben in »zwei Welten«
Gerhard Barkleit verarbeitet in seiner Biografie die Flucht aus Ostpreußen und seinen Werdegang in der DDR

Die Biografie des 1943 geborenen Autors beginnt mit den Kriegshandlungen in seiner Heimat Ostpreußen, der Flucht und  seinem  Leben als Vertriebenenkind in Mittelsachsen; das Essen bestand oft aus wenigen Pellkartoffeln mit etwas Salz, der Vater war nach seiner Kriegsgefangenschaft in England geblieben, die Mutter musste hart auf dem Felde arbeiten. 1952 waren beide besuchsweise im Westen. Er machte keinen großen Eindruck auf sie, für ein Leben dort fehlte die Kraft zum Neubeginn. Vom Volksaufstand 1953 hörte der Schüler nur am Rande. Unter dem Druck der SED-Propaganda in der Schule zögerte er vor einer Konfirmation, doch der Druck in der Familie war stärker.

Obwohl sein Stiefbruder der Bundeswehr angehörte, wurde er zur TH Dresden zugelassen. Voraussetzung war indes „ein Jahr praktischer Produktionsarbeit“,  welches er als Walzwerker in einem Edelstahlwerk ableistete. Dass die DDR durch den Bau der Berliner Mauer „den europäischen Frieden gerettet habe“, vermochte weder ihn noch die meisten Mitstudenten zu überzeugen.

1967 wurde Barkleit Assistent der Bergakademie Freiberg. Auch hier war die Plan-Erfüllung das Wichtigste: „Die SED opferte die Freiheit der Hochschulen in Lehre und Forschung bedenkenlos wirtschaftlichen Interessen.“ Ohnehin musste er bald feststelle, dass „fachliches Können immer nur in zweiter Linie wichtig war“. Trotz seines öffentlichen Be­kenntnisses zur Kirche gelangte er in den Gemeinderat, dessen Kompetenzen mit der gefährlichen Trinkwasser-Belastung an den SED-Wirtschaftsplänen endeten. Nach seiner Promotion ernannte man ihn zum Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung der Akademie der Wissenschaften. Eine massive Förderung von Kernforschung und Kerntechnik aber kann sich die DDR nicht leisten. Hoffnungen auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der UdSSR erfüllen sich nicht. Immerhin darf der Autor im dortigen Kern­forschungs-Institut Dubna arbeiten. Auch für eine erfolgreiche Mikroelektronik fehlte der DDR das Geld. Vieles wurde wettgemacht durch die Industriespionage des MfS im Westen. Im Privatbereich musste der Verfasser seine Kinder zur atheistischen Jugendweihe schicken: Vorausset­zung zum Besuch der Erweiterten Oberschule.

Ab 1980 formierte sich in den Kirchen eine eigene Friedensbewegung: Mit ihrem Programm „Erziehung zum Frieden“, deren öffentlicher Stärkung pazifistischer Haltungen und der Ablehnung des obligatorischen Schul-„Wehrunterrichts“ bezogen sie erstmals Positionen im politischen Raum. Als sein Sohn in einem Wehrlager Scharfschießen verweigerte, erfuhr der Autor, „dass unser Sohn ein Pazifist sei und unser sozialistischer Staat eine solche Intelligenz nicht brauche“. Gorbatschows Politik und der allgegenwärtige Mangel in der DDR führten zur zunehmenden Unzufriedenheit, es kam zu Demonstrationen und andererseits zu Aufmärschen der „bewaffneten Organe der DDR“. Groß war seine Sorge vor „Chinesischen Zuständen“ auch in der DDR.

Besondere Erinnerungen an die Wiedervereinigung hat der Buchautor nicht. Erschreckend empfand er das Verhalten bundesdeutscher Regierungsbeamter, die als „der Sieger der Geschichte“ nicht einmal bereit waren, Anregungen von DDR-Wissenschaftlern anzuhören. Andererseits betont er zu Recht, dass niemand zum Eintritt in die SED gezwungen wurde.

In einem vielleicht zu idealisti­schen Glauben vom „Wächteramt des Journalisten“ wurde er Redakteur bei einer Dresdner Tageszeitung. Es ruft ihn dann das nach vielen Schwierigkeiten seitens der Bürokratie das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an die TH Dresden. Der Leser erlebt die Streitgespräche zwischen einsti­gen DDR-Wissenschaftlern, von denen keiner einer Gefährdung durch die SED ausgesetzt war, und alles besser wissenden Westlern, die den Verfasser zu den Worten hinreißen lassen: „Ich möchte übrigens auch kein Wessi werden!“

Das Buch klingt aus mit einer seitenlangen Reminiszenz an seine Heimat Ostpreußen.

                Friedrich-Wilhelm Schlomann

Gerhard Barkleit: „Einblick in zwei Welten“, OEZ-Verlag, Berlin 2016, gebunden, 518 Seiten, 24,90 Euro


S. 23 Anzeige Rautenberg Buchhandlung

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S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Land oder Leben! / Warum sich die EU-Größen vor den Briten verstecken, wie sich Eroberer eben verhalten, und wieso man das mit uns machen kann

Dass Politiker zur Selbstkritik unfähig seien und ein völlig überzogenes Selbstbild pflegten, ist ein gern ventiliertes Vorurteil. Dabei ist sich der Vorverurteiler sicher, dass diese blinde Ich-Bezogenheit umso schlimmer wuchert, je weiter die Politiker vom Volk entfernt sitzen – am schlimmsten also bei der EU in Brüssel.

Tja, denkste! Die drei Spitzenvertreter der Europäischen Union haben uns soeben mit dem Beweis beschämt, dass wir ihnen grob Unrecht tun. Alle drei, der EU-Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz, haben nämlich versprochen, bis zum 23. Juni nicht mehr nach Großbritannien zu fahren, weil sie fürchten, ihr Auftritt könnte sich negativ auf die Chancen eines Verbleibs des Königreichs in der EU auswirken. An jenem Tag stimmen die Briten bekanntlich über den „Brexit“ ab.

Da haben wir den Beweis: Die drei Herren sind sich völlig darüber im Klaren, wie fürchterlich sie auf das Volk wirken. Sie ahnen, dass die Menschen eher geneigt sind, immer exakt das Gegenteil dessen zu tun, was sie empfehlen, als der Truppe aus Brüssel zu folgen. Warum? Weil man sich vor ihnen gruselt und ihnen nicht über den Weg traut.

Das ist doch was! Bleibt allerdings die Frage, warum die EU-Größen immer wieder machen, was sie machen, wiewohl sie doch zu wissen scheinen, dass man sie dafür ablehnt an der Basis.

Hier kann es nur eine einfache, nicht eben schmeichelhafte Antwort geben: Weil es den Tusks, Schulzes und Junckers völlig egal ist, was das Volk will und denkt. Deshalb verschwinden sie schlau in der Kulisse, wenn die Bürger         – wie bei der „Brexit“-Abstimmung – ausnahmsweise mal das Sagen haben. Um kurz darauf in alter Macht und Dreistigkeit die Bühne wieder einzunehmen.

Bei den britischen Buchmachern sollen die Wetten auf einen Verbleib der Insel in der EU vorherrschen. Die Wettbüros, so heißt es, seien weitaus zuverlässigere Seismografen für den Ausgang bevorstehender Ereignisse in Britannien als die Umfrage-Institute. Die Meinungsforscher geben schillernde Signale von sich. Danach liegen EU-Gegner und      -Befürworter Kopf an Kopf. Aber was heißt das? Wer sagt denn, dass die Forscher nicht für die etablierten EU-Freunde lügen und die Buchmacher noch falscher liegen?

Im deutschsprachigen Raum begegnen wir Umfrage-Instituten mittlerweile mit Vorsicht. Beim ersten Durchgang der österreichischen Präsidentenwahl hatten die ja von einem „Kopf-an-Kopf-Rennen“ der Kandidaten von Grünen und FPÖ geschwafelt. Wenn das gestimmt hat, muss der Grüne seinen Kopf an einer langen Stange vor sich her getragen haben, denn am Ende siegte der FPÖ-Mann mit 35 zu 21 Prozent.

Hernach gab ein Meinungsforscher im Fernsehen zu, gemogelt zu haben. Na, und was die Österreicher können, dürften die Briten, immerhin die Erfinder der modernen Propaganda, doch erst recht draufhaben.

Allerdings muss für einen EU-gemäßen Ausgang des Briten-Referendums nicht nur sichergestellt sein, dass sich vor allem Juncker und Schulz nicht am Ärmelkanal blicken lassen. Auch sollten die „Flüchtlinge“ vorerst die Füße stillhalten. Und keine Interviews mehr geben!

Wie beispielsweise dieses hier: In Idomeni beteuerte ein aufgeregter Orientale vor der Kamera, dass er nichts mit den Attentätern von Brüssel zu tun haben wolle: „Wir lieben Belgien“, ließ er wissen, um danach etwas Merkwürdiges anzufügen. Wenn wir sie aber nicht freiwillig über unsere Grenzen ließen, würden sie illegal über die Berge eindringen. Und dann brächten sie den Terror mit.

So sprachen in der Vergangenheit Eroberer von den antiken Perserkönigen bis in die allerjüngste Zeit: Öffnet uns freiwillig die Tore oder wir greifen euch an. Die Aussage des Mannes ist ein hässlicher Schlag. Seit Monaten haben sich alle Gutmeinenden mit großem Erfolg darum bemüht, das Wort von der „Flüchtlings-Invasion“ zusammen mit „Migrationswaffe“ auf den Index für braunen Unrat zu befördern. Doch jetzt kommt dieser unvorsichtige Kerl und droht uns mit Terror, falls wir auf unsere Gesetze und unsere Souveränität bestehen!

Hoffentlich hat das in England keiner gesehen. In Deutschland ist das egal. Wir sind längst Meister darin geworden, uns selbst so gründlich und politisch korrekt in die Bewusstlosigkeit zu entführen, dass wir offene Widersprüche nicht mal mehr dann bemerken, wenn sie uns direkt vor Augen stehen. So haben wir nur beiläufig die neueste Nachricht zur Kenntnis genommen, dass Deutschland dem Sudan und Eritrea dabei helfen will, einen effektiven Grenzschutz aufzubauen, um die Wanderungsströme in der Region unter Kontrolle zu bekommen.

Ist doch verblüffend, nicht wahr? Seit vergangenem Sommer predigt uns die Bundeskanzlerin, dass es nicht möglich sei, die deutschen Grenzen gegen unkontrollierte Asylfluten zu schützen. „Wir haben es nicht in der Hand, wer zu uns kommt“, so Angela Merkels zu jeder Gelegenheit wiederholter Merksatz.

Was wir an den verhältnismäßig kurzen Grenzabschnitten in Deutschlands Süden mit ihrem gut erschlossenen Hinterland „nicht in der Hand haben“, das kriegen wir mit einem Häuflein Personal an den endlos langen, durch wilde Gebiete gezogenen Grenzen Ostafrikas sehr wohl in den Griff. Dazu reichen ein wenig bessere Technik für die dortigen Grenzer und etwas deutsche Assistenz, fertig.

Wie bitte? So etwas lassen wir uns tatsächlich bieten? Die müssen uns ja für vollkommen bescheuert halten, wenn sie meinen, dass wir ihnen diesen frechen, offenkundigen Betrug nicht um die Ohren hauen!

Ja, das tun sie, und sie haben recht damit. Die Deutschen darf man nach Belieben veräppeln, die sind dermaßen weich und harmlos geworden, dass man sie kaum wiedererkennt. Widerspruch? Den übt heute nicht einmal mehr die Jugend, die eigentlich schon seit den Tagen des Wandervogels ein steter Quell der Aufmüpfigkeit gewesen war.

Dieses Lebensgefühl, die jugendliche Renitenz, wurde dem Nachwuchs jedoch gründlich aberzogen. Ein TV-Nachrichtenkanal bietet vor seinen Hauptnachrichten immer Musik feil, die man beim Sender käuflich erwerben kann. Diese Woche lief eine Schnulze, die den Zeitgeist treffgenau wiedergibt: „So wie wir leben, sind wir schon okay. Unsere Träume, die tun keinem weh“ singt, nein besser: gähnt ein jugendliches Duo ins Mikrofon zu einer verpennt-belanglosen Melodie.

Die Welt ist eine Kissenschlacht! Oder nicht mal mehr das, denn in dem Wort „Schlacht“ ist schon viel zu viel Aggression enthalten, die „jemandem weh tun“ könnte. Also: Hauptsache nirgends anecken. Wer doch noch einen Resthauch Dampf auf dem Kessel verspürt, der kann ja im Gefolge seiner Lehrerin oder seines Uni-Dozent zu irgendeiner Anti-Rechts-Demo latschen. Das mag die Regierung, das mögen die Medien, das liebt die Lehrerin, das ist „schon okay“.

In ihrer blassen Entschlossenheit, alles recht zu machen, stürzen die Akteure auch mal weit über den Rand der Lächerlichkeit. Die Begegnungsstätte einer Hamburger Kirchengemeinde in einem sozialen Brennpunkt mit hohem Ausländeranteil grüßt ihre Besucher mit einer Hinweistafel in etlichen Sprachen: Türkisch, Arabisch etc. Darüber grinst der selige Gruß „Schalömchen!“

Man wollte vielleicht seinen Nazi-Knacks streicheln, daher das hebräische Willkommen. Das allerdings hätte die (dort zahlreich siedelnden) muslimischen Mitmenschen „provozieren“ können, also bastelten sich die Lieben von der Gemeinde eine verniedlichte Version des jüdischen Grußes. Da muss doch jeder begreifen, dass man allen nur Nettes will ... „unsere Träume“. Wie diese Leutchen wohl reagieren, wenn die Weltgeschichte mit aller Macht bei ihnen anklopft?


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Mehrheit: Islam gehört nicht dazu

Köln – 60 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, nur 34 Prozent vertreten dagegen die Auffassung, dass der Islam sehr wohl Teil Deutschlands ist. Dies ergab eine Umfrage des WDR, die einen deutlichen Meinungsumschwung offenlegt: 2010 hatten noch 49 Prozent der Befragten der Formulierung des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, „der Islam gehört zu Deutschland“, zugestimmt.       H.H.

 

Baby-Mangel erschüttert Rom

Rom – Italiens Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin prophezeit ihrem Land wegen zurückgehender Geburtenzahlen eine „Apokalypse“. Halte der Trend an, kämen ab 2026 weniger als 350000 Babys pro Jahr zur Welt, sagte sie der Zeitung „La Repubblica“. Rom will gegensteuern mit einer Verdoppelung der monatlichen Baby-Prämie von derzeit 80 Euro für Haushalte unter 25000 Euro Jahresbruttoeinkommen. H.H.

 

Vielleicht nur Kurzzeitkanzler

Kraft Verfassung ist in Österreich folgendes politisches Szenario denkbar: Sollte der FPÖ-Politiker Norbert Hofer im Juli zum Bundespräsidenten gewählt werden, könnte er den amtierenden Bundeskanzler absetzen und stattdessen seinen Parteifreund Heinz-Christian Strache ernennen. Als Chef einer Minderheitsregierung wird Strache dann Neuwahlen ansetzen. Nachdem schon Hofer die erste Runde der Präsidentschaftswahlen klar gewonnen hat, stehen die Chancen für die FPÖ gut, gegenwärtig auch eine Kanzlermehrheit stellen zu können.

Sollte es zu diesem Szenario kommen, stünde dem neuen Bundeskanzler Christian Kern eine kurze Amtszeit bevor. Nach dem Rücktritt von Werner Faymann soll nun der Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die Regierungsgeschäfte übernehmen. In der SPÖ gilt der 50-Jährige als Rettungsanker, der möglichst schnell das in der Bevölkerung verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen soll. Als ÖBB-Chef ist ihm das seinen Kunden gegenüber schon gelungen. Anders als in der Bundesrepublik sind die österreichischen Züge pünktlich, sauber und preislich transparent. Und anders als in Stuttgart blieb der Bau des neuen Wiener Hauptbahnhofs im Zeit- und Kostenrahmen.

Der Manager, der sich aus einem Wiener Arbeiterbezirk nach ganz oben gearbeitet hat, muss mit dem Vorwurf der Politikferne leben. Früh in linksanarchistische Bewegungen verstrickt, fand er als Wirtschaftsjournalist den Weg zur SPÖ und war in den 1990ern Büroleiter und Pressesprecher des Fraktionschefs im Nationalrat. 1997 wechselte er zum Stromanbieter Verbund, ehe er Karriere bei den ÖBB machte. Seine politische Karriere wird nun eng mit dem Auf- oder Abschwung der FPÖ verknüpft sein.            H. Tews


MEINUNGEN

Christoph Seils ahnt im „Cicero“ (9. Mai) schon ein vorzeitiges Ende der Großen Koalition voraus:

„Es scheint derzeit so, als bringe die Große Koalition nicht mehr die Kraft auf, um die Legislaturperiode geordnet und mit solider Regierungsarbeit zu Ende zu bringen. Ein Schrecken mit Ende wäre dann allemal besser als quälende Lethargie bis zum bitteren Ende.“

 

 

In eine ähnliche Richtung denkt auch der Kulturtheoretiker Martin Burckhardt, der in der „Welt“ (11. Mai) schreibt:

„Unsere Krisenkanzlerin ist, wie es scheint, der Krise nicht mehr gewachsen. Die Rede von der ,europäischen Lösung‘ bei der zunehmenden Isolation (Deutschlands) in Europa, die Bereitschaft, Erdogan ... zum Türsteher zu machen, die Intervention des Diktators und die verdruckst-beflissenen Reaktionen darauf – all dies entblößt Schwächen, die vor Kurzem noch undenkbar waren.“

 

 

Roland Tichy erklärt auf seinem Blog (9. Mai), warum so viele Deutsche der Politik und den meisten Medien nicht mehr trauen, wenn es um das Asylproblem geht:

„Die Zahl der Zuwanderer wurde kleingerechnet, ihre Unterschiedlichkeit durch den Begriff Flüchtlinge für alle vernebelt, ihr Bildungsstatus ins Groteske hochgeredet, die zunehmende Kriminalität geleugnet. Kostenfaktoren wurden zu Rentenrettern umfrisiert und die importierte  mentale Gestrigkeit zur neuen Modernität geschminkt; Anpassung und Integration einseitig den Einheimischen auferlegt.“

 

 

Wolfram Weimer sieht in der Ankündigung der CSU, wegen der Asylpolitik 2017 ohne die CDU Wahlkampf machen zu wollen, den offenen Bruch. In „The European“ (11. Mai) schreibt er:

„Damit ist in der wichtigsten politischen Frage dieser Legislatur die Koalition offiziell gescheitert. Da die CSU in dieser Frage aber die Mehrheit der eigenen Wählerschaft auf ihrer Seite weiß, wirkt die Ankündigung wie eine Abmahnung an die Kanzlerin. Deren Macht erodiert ohnedies im Zeitraffer. Die Unionsumfragen sind im freien Fall.“

 

 

Alexander Kissler fragt sich im „Focus“ (13. Mai), wie Hass, Gewalt und Dummheit in der politischen Linken derart um sich greifen konnten:

„Die Linke ist auch deshalb in Wort und Tat so ziemlich heruntergekommen, weil ihr ein kritischer Widerpart fehlt, der ihre Selbstwidersprüche entlarvte ... Der Schlaf der Vernunft im Schnellzug zur Macht rächt sich. Die Linke bezahlt ihre Erfolge mit Differenzierungsscheu und Relativierungsgier im Angesicht des Hasses.“

 

 

Regina Mönch wundert sich in der „FAZ“ (10. Mai) über das Schweigen zur Christenverfolgung in deutschen Asylheimen:

„Inzwischen wagen es viele christliche Flüchtlinge nicht mehr, sich als solche zu erkennen zu geben ... Warum gibt es außer Volker Kauder kaum einen deutschen Politiker, der zumindest die Gefährlichkeit dieses Konfliktes, auch für unser Gemeinwesen, erkannt hat?“