26.04.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 51/16 vom 23.12.2016

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Blutweihnacht
Der islamische Terror hat Deutschland in seiner ganzen Abscheulichkeit erreicht

Der Berliner Terroranschlag ist keine Naturkatastrophe. Er ist die direkte Folge einer verfehlten, pflichtvergessenen Politik.

Nun also hat der islamische Terror Deutschland in seiner ganzen Abscheulichkeit erreicht. Die Kanzlerin, der Bundespräsident und andere Spitzenpolitiker äußern ihr Entsetzen und geben an, mit ihren „Gefühlen bei den Angehörigen“ zu sein. Das hätten sie auch nach einer Naturkatastrophe gesagt. Doch was in Berlin passiert ist, war keine unabwendbare Tragödie. Die Tat war nicht nur vorhersehbar nach der Blutspur, welche islamische Terroristen bereits durch Europa und die Welt gezogen hatten. Sie war vor allem eines: vermeidbar.

Die Identität des gleich nach dem Anschlag festgenommenen Verdächtigen war zunächst schwer zu ermitteln, weil er laut Berichten ohne Papiere eingereist sei und mehrere Identitäten angegeben habe. Zudem wurde bekannt, dass der Verdächtige bereits als Krimineller in Erscheinung getreten sei, obschon er sich erst seit Anfang 2016 in Deutschland aufhalte.

Es ist die Politik, es sind die Parteien des Bundestages und ihre Abgeordneten, die Gesetze machen und verantworten, welche es ermöglichen, dass so eine Person überhaupt in Deutschland bleiben durfte. In jedem „normalen“ Land hätte man ihm längst die Tür gewiesen.

Behörden sprechen von tausenden „Gefährdern“ und muslimischen Extremisten in Deutschland, die, obwohl sie keinen deutschen Pass besitzen, nicht ausgewiesen werden. Warum?

Nun werden Forderungen laut, Weihnachtsmärkte und andere Massenveranstaltungen besser zu schützen, etwa durch Betonpoller und andere Sperren. Sobald sich der erste Selbstmordattentäter auf einem Markt in die Luft gesprengt hat, sind wohl auch Eingangskontrollen zur Durchsuchung der Passanten nicht mehr fern. So entsteht ein Gewirr von Grenzen und „Checkpoints“ im Inneren des Landes, nur weil sich die Politik weigert, die Außengrenzen angemessen zu schützen, da dies angeblich nicht gehe.

Eine Regierung hat die Pflicht, für Frieden, Freiheit und Sicherheit in dem ihr anvertrauten Staatsgebiet zu sorgen und nicht für Frieden und Sicherheit auf der ganzen Welt. Letzteres anzustreben ist löblich und vernünftig, es darf die zuerst genannten Pflichten aber keinesfalls überschatten.

Deutschlands EU-Partner werden sich durch die Berliner Blutweihnacht aufs Brutalste in ihrer Haltung bestätigt sehen, sich nicht an der „Verteilung“ der Zuwanderer und Asylsucher zu beteiligen, die massenhaft und weitgehend unkontrolliert in die Bundesrepublik gelassen wurden. In Warschau gibt es keinen islamischen Terror, in Prag auch nicht.

Berlin dagegen setzt derzeit mit viel Energie den Familiennachzug ins Werk, über den die sogenannten „Ankerflüchtlinge“ ihre zahlreichen Angehörigen nachholen können. Europa schüttelt den Kopf: Die deutsche Politik hat nichts gelernt.           Hans Heckel


Geburtstagskonkurrenz zum Fest
Das Wiegenfest des Messias Jesus und das des Propheten Mohammed fallen von Zeit zu Zeit auf denselben Tag

Das Geburtsfest des Propheten stand seit seiner Entstehung im 11. Jahrhundert immer in Konkurrenz zum christlichen Weihnachtsfest. Der 24. Dezember des gregorianischen Ka- lenders war im letzten Jahr auch der 12. Tag des Monats Rabi’ al-‘Awwal des islamischen Jahres. An diesem Tag feiern viele sunnitische Muslime den Geburtstag des Propheten Mohammed. Da sich die islamische Zeitrechnung am Mond orientiert und nicht an der Sonne wie die christliche, ist das islamische Jahr elf Tage kürzer und die Feiertage wandern so quer durchs Jahr und können zu jeder Jahreszeit stattfinden. In diesem Jahr fällt das Geburtsfest des Islamgründers also bereits auf den 13. Dezember. Es wird 150 Jahre dauern, bis die Geburtsfeste Christi und Mohammeds wieder zusammenfallen.

Mohammed wurde um das Jahr 570 n. Chr. in Mekka geboren. Ein genaues Geburtsdatum ebenso wie eine zeitgenössische Biografie über ihn gibt es nicht. Ein Fest in Erinnerung an die Geburt des Propheten ist erst in nachkoranischer Zeit entstanden. Erst um 750 wurde das Haus in Mekka, in dem Mohammed angeblich geboren worden war, zu einem Ort des Gebets ausgebaut. Erst seit der Islam infolge der Kreuzzüge in engeren Kontakt mit dem westlichen Christentum gekommen ist, wo es eine Tradition des Geburtsfestes Jesu seit den Anfängen des Christentums gab, entstand auch eine Tradition von Geburtstagsfeiern für den Propheten in der islamischen Welt. Erstmalig wurde das Fest im 11. Jahrhundert begangen. Da die Schiiten sich verwandtschaftlich dem Propheten am nächsten fühlten, weil ihr Kalif Ali, auf den sie sich als Gründungsfigur berufen, ein Schwiegersohn Mohammeds gewesen sein soll, begannen sie auch als erste mit dem Feiern des Geburtstages Mohammeds.

Im 12. und 13. Jahrhundert übernahmen auch die sunnitischen Herrscher diesen Brauch, gegen 1190 wurde das Fest erstmals in Mekka selbst begangen. Im 13. Jahrhundert bezeichnete der maghrebinische Gelehrte Abu-l-ʿAbbas den Feiertag auch als Maßnahme zur ideo- logischen Abwehr des Christentums, vor allem in Nordafrika und Andalusien, wo sich beide Religionen bekämpften. Damit wird auch für dieses Fest etwas deutlich, das für den gesamten islamischen Kultus prägend war, die Abgrenzung von christlichen und anderen vorislamischen Bräuchen.

Die sogenannten Maulid-Feiern, abgeleitet von Maulid an-Nabi, dem arabischen Begriff für „Geburtstag des Propheten“, sind geprägt von Festmählern und Banketten. Aber nur in Hinterindien, in Indonesien und Malaysia, hat es das Fest heute zu einem staatlich anerkannten Feiertag gebracht. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es mehrere Strömungen des sunnitischen Islam, die die Zulässigkeit der Maulid-Feiern bestreiten und sie als einen Verstoß gegen das Prinzip, dass „allein Gott Verehrung gebührt“, ablehnen. Die Gegner des Maulid an-Nabi argumentieren auch damit, dass das Fest eine Nachahmung des christlichen Weihnachtsfestes sei. Andere Muslime behaupten, Mohammed selbst und seine Gefährten hätten seinen Geburtstag mit Fasten und nicht mit Festlichkeit begangen.

Dabei hätte man mit dem „Propheten“ ‛Isaā, wie Jesus im Koran genannt wird, nicht nur den Retter der christlichen Welt, sondern auch einen herausgehobenen Propheten des Islam als gemeinsamen Grund zum feiern. Der Koran berichtet über ‛Isaā weit mehr als über Mohammed. ‛Isaā wird, über 93 Verse verteilt, in 15 Suren erwähnt und neben seiner wundersamen Geburt werden unter anderem seine Wundergaben, wie etwa die Heilung von Kranken und die Erweckung von Toten und seine Himmelfahrt, allerdings nicht sein Kreuzestod, auch im Koran geschildert.         Bodo Bost


Jan Heitmann:
Merkels Opfer

Es gibt Situationen, in denen man keine Freude daran hat, Recht behalten zu haben. Das ist angesichts von zahlreichen Toten und Verletzten der Fall, die in Berlin Opfer eines islamistischen Terroranschlags wurden. Schuldig der mittelbaren Täterschaft: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese Menschen sind Merkels Opfer. Sie haben bekommen, was Merkel bestellt hat, als sie die unkontrollierte Einreise von hunderttausenden Muslimen förderte und damit islamistischen Terror und Kriminalität importierte. Nur notorische Reali- tätsverweigerer konnten bestreiten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich ein von Islamisten verübter Massenmord auch in Deutschland ereignet. Doch wer davor warnte, wurde als Populist, geistiger Brandstifter und Hetzer verunglimpft. Nun wissen wir, wer recht hatte.

Nichts wäre für Merkel und ihre „nützlichen Idioten“ von der Gutmenschen-Fraktion jetzt fataler, als wenn Straßen und Plätze aus Angst vor weiteren Anschlägen verwaist blieben. Denn dann wäre das Scheitern ihrer Willkommens-Politik ganz offensichtlich. Deshalb fordern sie uns nach ihrer geheuchelten Betroffenheit auf, „den Feinden der Freiheit“ die Stirn zu bieten und weiter zu öffentlichen Veranstaltungen und Silvesterfeiern zu gehen – obwohl uns der Staat nicht schützen kann. Wir sollen also unsere Haut buchstäblich zu Markte tragen, damit die Willkommens-Befürworter so tun können, als herrsche Normalität. Die Polizei hingegen weiß, dass es die nicht mehr gibt. In geradezu anrührender Hilflosigkeit hat sie die Berliner nach dem Anschlag aufgefordert, nicht aus dem Haus zu gehen. Freiwilliger Hausarrest aus Angst vor „dringend gesuchten Fachkräften“. Merkel sei Dank!


S. 2 Aktuell

»Der Westen ist schuld am Chaos«
Ignatius Joseph III. Younan über den Überlebenskampf des Christentums in der Region, in der es entstanden ist

Der Patriarch der mit Rom unierten syrisch-katholischen Kirche von Antiochien, Ignatius Jo­seph III. Younan, hat diesen Monat seine Gemeinde im Saarland besucht. Nach einem Gottesdienst in Saarlouis hat er mit dem PAZ- Korrespondenten Bodo Bost gesprochen.

PAZ: Wie geht es den Christen in Syrien und dem Irak?

Ignatius Joseph III. Younan: Die Konflikte in beiden Ländern gehen unvermindert weiter. Die religiösen und nationalen Minderheiten haben am meisten unter der chaotischen Situation des Krieges zu leiden. Ich komme gerade von einem Besuch der verlassenen christlichen Ortschaften in der Ninive-Ebene bei Mossul im Irak zurück. Ich war schockiert, als ich die zerstörten Orte und Kirchen von über 100000 vor zwei Jahren vertriebenen Christen gesehen habe, deren Existenzgrundlage von den Terroristen des Islamischen Staates (IS) ausgelöscht wurde. Alle Kirchen der einst christlichen Städte Qaraqosh, Bartella und Karamles wurden profaniert und zerstört. Überall konnte man an den Mauern Hassbotschaften gegen Christen und deren Symbole lesen. Die Terroristen haben auch versucht, fast alle christlichen Gebäude anzuzünden, darunter auch Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und Gemeindezentren, so als wolle man die Rückkehr der Geflüchteten für immer verhindern. Es war zu erkennen, dass nur Christen das Ziel der Zerstörungswut der islamistischen Terroristen waren.

PAZ: Wie ging es dann weiter?

Ignatius Joseph III. Younan: In Qaraqosh, einst eine christliche Stadt von 50000 Einwohnern, habe ich einen Gottesdienst auf einem improvisierten Altar vor einem verbrannten Tabernakel in der Kirche der Unbefleckten Empfängnis gefeiert, die in den 1930er Jahren von Überlebenden des osmanischen Völkermords erbaut worden war. Nur ein paar christliche Soldaten und Pressevertreter haben an dem Gottesdienst teilgenommen. Ich erinnerte sie daran in meiner Predigt, dass wir Christen die Nachkommen von Glaubenszeugen und Märtyrern seien und dass das Kreuz zugleich ein Symbol des Leidens und der Auferstehung sei. Ich möchte den Heiligen Vater bitten, diese Kirche zu einer Basilika zu erheben. Im Anschluss an den Gottesdienst habe ich mit Vertretern der Regierung und von Hilfs­organisationen die Zukunft des Christentums im Nordirak besprochen. Dabei wurde deutlich, dass keine Christen in diese einst mehrheitlich christliche Region in der Ninive-Ebene zurückkehren werden, wenn es nicht für sie internationale Sicherheitsgarantien geben wird. Die Frage einer christlichen Autonomie wurde auch angeschnitten, aber sie ist für uns nicht vorrangig.

PAZ: Sie haben die Lage der Christen im Nahen Osten mit dem Völkermord von 1915 verglichen. Warum?

Ignatius Joseph III. Younan: Wie 1915 beim großen Völkermord der Christen im Osmanischen Reich bilden auch heute wieder die Bürgerkriege in Syrien und dem Irak mit dem durch diese verursachten Chaos den Nährboden für Hass und Gewalt gegen die Minderheiten, die wie 1915 als Sündenböcke, diesmal für die Fehler des Westens, herhalten müssen. Ich weiß, wovon ich spreche, meine Eltern stammen aus der heute türkischen Stadt Mardin. Sie wurden 1915 mit den Armeniern in die mesopotamische Wüste getrieben um zu sterben. In Mesopotamien haben sie die heutige Stadt Hassake in Syrien gegründet, wo ich geboren wurde.

PAZ: Wieso sind die Islamisten gerade jetzt so mächtig geworden?

Ignatius Joseph III. Younan: Die Islamisten sind nicht zufällig so mächtig geworden. Der Beginn des Chaos war nicht der Arabische Frühling von 2011, sondern die US-Intervention im Irak von 2003. Das war der Beginn des IS im Irak und später in Syrien. Die Christen haben in der Geschichte des Irak und Syriens nach der Unabhängigkeit eine wichtige Rolle gespielt. Es gab viele christliche Minister und Abgeordnete in beiden Ländern. Dies war mit der Invasion von 2003 und dem Sturz von Saddam Hussein vorbei. Der

Westen mit seinem Wunsch, Demokratie von oben einzuführen, ist schuld am Chaos in unseren Ländern. Der Arabische Frühling hat dann das Chaos noch verstärkt. Es ist jetzt die Pflicht jener Nationen, die diese ungeheuerliche Situation mit geschaffen haben, sich dafür einzusetzen, dass das Chaos beendet wird.

PAZ: Warum dauert der Konflikt in Syrien so lange?

Ignatius Joseph III. Younan: Die Situation in Syrien ist eine ganz andere als in Ägypten, Tunesien oder Libyen. Syrien ist ein Land vieler religiöser und ethnischer Minderheiten, die den ganzen Konflikt viel komplexer machen. Man glaubte, das Assad-Regime würde schnell zusammenbrechen, aber stattdessen wurden fast eine halbe Million Menschen getötet, viele Millionen vertrieben, und der Krieg ist heute, nach fünf Jahren, genauso festgefahren wie zu Beginn des Konfliktes. Der Westen wollte nach dem Beginn des Arabischen Frühlings die Demokratie in den Nahen Osten bringen, aber hier gibt es keine wirkliche Trennung zwischen Religion und Staat. Deshalb konnten diese Staaten die Demokratie nicht akzeptieren. Erst als in Frankreich hunderte Menschen dem Islamismus zum Opfer fielen und in Deutschland eine Million Flüchtlinge vor der Tür standen, gingen einigen Politikern die Augen auf. Sie merkten, dass der Westen weit mehr in diesem Konflikt beteiligt ist, als man bisher glaubte. Während man sich bis dahin durchaus mit einem nie endenden Konflikt oder auch mit einigen neuen „gescheiterten Staaten“ abgefunden hatte, musste jetzt schnell gehandelt werden, um die Terroristen und die Flüchtlinge zu stoppen. Auch die westlichen Medien, die ein ganz verzerrtes und einseitiges Bild des Konfliktes gaben, haben sich dadurch zu Komplizen dieser Katastrophe gemacht.

PAZ: Weshalb kommen gerade jetzt so viele Flüchtlinge nach Europa?

Ignatius Joseph III. Younan: Als man im letzten Jahr den leblosen Körper eines Kindes am türkischen Strand gefunden hat, sind viele Menschen im Westen menschlich und mitfühlend geworden. Aber warum hat die internationale Gemeinschaft nicht Druck auf Saudi-Arabien und die Golfstaaten ausgeübt, diese Staaten kann man von Syrien zu Fuß erreichen, ohne ein Meer zu durchqueren. Warum hat man Saudi Arabien nicht gesagt: „Ihr seid ein menschenleeres Land, ihr habt viel Öl und Geld. Warum lasst ihr nicht diese armen Leute, die eure Glaubensbrüder sind und am Ertrinken sind, in euer Land. Zur großen Wallfahrt kommen doch auch Millionen Muslime nach Mekka jedes Jahr.“ Vielleicht ist es Saudi-Arabiens Strategie, diesen Muslimen nicht zu helfen, weil sie andere Interessen haben? Stattdessen sagt man uns in Syrien, das saudische Regierungssystem sei besser als das in Syrien. Warum sind Zigtausende von islamistischen Söldnern aus aller Welt in unser Land gekommen? Gewöhnlich kommen Kämpfer aus einem Nachbarland, wie es in Afrika und Asien geschieht. Aber im Falle Syriens kamen Dschihadisten aus der ganzen Welt. Kein Land hat sie gestoppt, das ist ein Beweis für die unehrliche Politik des Westens. Viele dieser islamistischen Söldner kommen doch auch aus dem Westen, dennoch hat der Westen Assad dafür kritisiert, dass er die Syrer vor diesen Verbrechern beschützt hat, die man frei hat ausreisen lassen und von denen man weiß, wie gefährlich sie sind.

PAZ: Welche Rolle spielt der Papst?

Ignatius Joseph III. Younan: Der Papst ist ein Verteidiger der Gerechtigkeit. Er hat oft zu einem Ende der Gewalt und zur Solidarität mit den verfolgten Christen im Nahen Osten aufgerufen und gebetet. Aber die bedrohten Gemeinschaften brauchen jetzt mehr als Worte, sie brauchen Taten. Die Geste des Papstes, zwölf muslimische syrische Flüchtlinge von Griechenland aus mit nach Rom zu nehmen, haben viele syrische Christen nicht verstanden. Er wollte mit dieser Geste der Welt zeigen, dass das Christentum niemanden wegen seiner Religion, Rasse oder Hautfarbe diskriminiert. Wenn ich dem Papst begegne, werde ich ihm sagen: Heiliger Vater, mit zwölf Syrern ist das Problem nicht gelöst. Wir wollen, dass der Papst das Gewissen der Welt auch für die Lage der Christen im Nahen Osten aufrüttelt.

PAZ: Sie haben auch den syrischen Staatschef Baschar Al Assad getroffen?

Ignatius Joseph III. Younan: Präsident Assad hat vor Kurzem eine Gruppe von Bischöfen empfangen. In einem sehr offenen Gespräch hat er ein großes Interesse geäußert, dass die Christen in Syrien bleiben. Er hat selbst nach der Rückeroberung der christlich-aramäischsprachigen Stadt Maalula die zerstörten Kirchen und Klöster besucht und die Ikonen von der Erde aufgehoben. Das unter Assad eingeführte säkulare Regime war das einzige im Nahen Osten, das den Christen und anderen Minderheiten und auch den Frauen die volle Teilnahme an der Gesellschaft ermöglichte. Das darf man nicht aufs Spiel setzen und durch das jetzt herrschende Chaos ersetzen. Präsident Assad geht von einer ausländischen Verschwörung aus, welche zum Ziel hat, Syrien zu unterwerfen und zu zerstören. Wir haben ihm die verzweifelte Lage vieler Christen vorgestellt, und er hat versprochen, dass Syrien bald von den Terroristen befreit sein wird.

PAZ: Was fühlten Sie nach den Terroranschlägen in Paris und Nizza?

Ignatius Joseph III. Younan: Wir fühlen uns sehr traurig wegen dieser Terroranschläge, und wir haben Angst vor der Zukunft wegen dieser Bedrohung durch dschihadistische Angriffe. Allerdings spielten westliche Politiker und Medien keine gute Rolle bei diesen Attentaten. Sie pflegten ihre Augen vor dem Problem der Radikalisierung des Islams zu verschließen. Sie behaupten, das Ganze sei nur ein Problem von einigen Muslimen oder von ein paar Radikalen. Aber meiner Meinung nach geht das an der Wurzel des Problems vorbei. Die große Mehrheit der muslimischen Gemeinschaft will Religion und Staat nicht trennen. Und da sie ihren Koran wörtlich verstehen, werden wir für immer diese fanatischen, radikalen Menschen haben, die sagen: „Das ist das Wort von Gott, der uns bittet, die Ungläubigen zu bekämpfen.“ Das ist die Wurzel des Problems. Es gibt im Koran gewaltverherrlichende Verse im Namen Gottes. Wir wissen, dass im Islam der Koran wörtlich gelesen und interpretiert wird. Jede islamische Gruppe kann diese Verse interpretieren, wie sie möchte, weil es keine endgültige religiöse Autorität gibt. Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber leider sind die Terroristen des 21. Jahrhunderts bislang fast alle Muslime gewesen.

PAZ: Was persönlich war die tiefste Wunde in diesen Jahren des Konflikts für Sie?

Ignatius Joseph III. Younan: Da ich selbst aus Hassake stamme und den syrischen Konflikt aus erster Hand erlebe, hat mich am meisten schockiert, als der IS im letzten Jahr in die friedlichen assyrischen Dörfer der Khabur-Region in der Nähe von Hassake eingedrungen ist und die Bewohner, allesamt Nachkommen des christlichen Genozids im Osmanischen Reich, zwang zu fliehen. Ungefähr 300 bis 400 Menschen wurden entführt. Einige wurden freigelassen, das Saarland hat eine Gruppe dieser Befreiten aufgenommen, aber wir wissen noch nichts über viele andere. Dafür sei dem Saarland ganz herzlich gedankt, und das war auch ein Grund, warum ich gerade nach Saarlouis, wo viele dieser ehemaligen Geiseln leben, gekommen bin.


MELDUNGEN

Brüssel gibt Kuba nach

Brüssel – Die EU wird von der kubanischen Regierung keine Reformen im Bereich der Menschenrechte und der politischen Freiheit mehr verlangen. Seit 1996 hatte sie stets auf die Verbesserung der Menschenrechtslage als Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba gepocht, was Havanna als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas energisch zurückgewiesen hatte. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach jetzt von einem „Wendepunkt der Beziehungen zwischen der EU und Kuba“. Mit dem neuen Abkommen sei die EU bereit, Kubas Prozess einer wirtschaftlichen und sozialen Modernisierung zu unterstützen.  J.H.

 

Neues Islamradio in Österreich

Wien – „Sout al Khaleej, the voice of the Gulf“, einer der wichtigsten, flächendeckenden Radiosender des Nahen Ostens und der Golfregion mit Hauptquartier in Katar, ist nun auch in Österreich zu hören. Die Internetplattform „unzensuriert.at“ hat aufgedeckt, dass als Netz-Provider des Islamsenders der Verein „Digitalradio Österreich“ fungiert. Zu dessen Trägern gehören verschiedene Medienunternehmen, der Auto-Motor- und Radfahrerbund Österreich, der Fachverband für Elektro- und Elektronikindustrie und erstaunlicherweise auch die katholische Kirche in Form ihres Vereins Radio Maria Österreich und ihrer Stiftung Radio Stephansdom. Laut Eigendarstellung hat der Verein unter anderem „die Förderung und Entwicklung des digitalen Hörfunks in Österreich sowie die Etablierung des Hörfunks auf neuen Plattformen“ zum Zweck.   J.H.

 

Service für alle Zuwanderer

Berlin – Die Bundesregierung beteiligt sich mit zunächst sechs Millionen Euro am EU-Programm „Better Migration Management“, mit dem kriminelles Schleusertum und Menschenhandel am Horn von Afrika eingedämmt sowie die „Rechte von Migranten gestärkt“ werden sollen. Ziel sei es, „dass Beamte des Grenzmanagements schutzbedürftige Flüchtlinge und Migranten erkennen und sie unter Beachtung aller internationalen Standards an die zuständigen staatlichen und/oder zivilgesellschaftlichen Stellen weitervermitteln“, schreibt die Regierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dies sei in den Ländern Äthiopien, Dschibuti, Kenia, Somalia, Südsudan und Uganda geplant. Nach derzeitigen Planungen seien mit dem deutschen Geld „Ausstattungen für Büros oder Unterkünfte für Migranten und Flüchtlinge (wie Safe Houses, Migrant Response Centers etc.) vorgesehen“. Es fällt auf, dass die Bundesregierung in der Drucksache zwar eine Unterscheidung zwischen „schutzbedürftigen Flüchtlingen“ und gewöhnlichen „Migranten“, also Personen, die keinen Flucht- oder Asylgrund haben, vornimmt, beide Gruppen offensichtlich aber gleichermaßen undifferenziert in den Genuss des EU-Programms kommen sollen.                J.H.


S. 3 Deutschland

Die inszenierte Wirklichkeit
Von der TV-Schnulze bis zur Geschichtsdoku: Wie ARD und ZDF die Wahrheit verfälschen

Fake News, gefälschte Nachrichten, machen derzeit angeblich das Internet unsicher und dessen Nutzer stupide. Lautstark vibriert die Alarmstimmung in den Main-stream-Medien. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen sich hocherregt. Aber wie viel Falschheit bieten sie uns eigentlich selbst. – Ein Wochenende als medienkritischer Zuschauer von ARD und ZDF.

„,Krauses Glück‘ gewinnt den Tag“, wissen die Quoten-Rechercheure von Meedia, einem Internet-Portal der Medien-Branche. 4,68 Millionen Zuschauer haben die TV-Komödie um den Ex-Polizeihauptkommissar Horst Krause – bekannt aus der Krimireihe „Polizeiruf 110“ – verfolgt. Damit hat „Das Erste“ die erfolgreichste Sendung an diesem Freitag im Dezember ausgestrahlt. ARD-Programmdirektor Volker Herres und seine Mitstreiter im Münchener Funkhaus wird es freuen. Die Botschaft ist unter das Volk gebracht. ‘Krauses Glück’ besteht darin, dass er eine syrische Flüchtlingsfamilie im Brandenburgischen bespaßt und umtüdelt. Die Geschichte ist zuckersüß, der Hauptdarsteller sympathisch und die jugendlichen Mimen der Flüchtlingskinder schauen mit herzerweichend großen Kulleraugen in die Kamera.

Die Asylflut gerinnt zum schaumigen TV-Zuckerwerk. Ähnliche Multikulti-Verherrlichungs-Streifen strahlen die öffentlich-rechtlichen Sender derzeit zuhauf aus. Eine kleine Auswahl: In „Dreiviertelmond“ überwindet Griesgram Hartmut (Elmar Wepper) dank der superniedlichen sechsjährigen Hayat aus der Türkei Lebenskrise und Fremdenfeindlichkeit. Der minderjährigen Nama aus Mali ist „der Andere“. Er kittet die zerrüttete Beziehung zwischen Rentner Willi (Jesper Christensen) und seinem Sohn Stefan. Nebenbei schmilzt Polizist Stefans Fremdenfeindlichkeit dahin wie Softeis in Afrikas Sonnenhitze.

„24 Milchkühe und keinen Mann“ hat Jutta Speidel als bayerische Bäuerin Elli. Raymond aus Simbabwe hat Gottseidank ebenso ein Händchen für Rinder wie für einsame Landwirtinnen. Schließlich sind selbst die fremdenfeindlichen Dörfler dem smarten Neger wohlgesonnen.

Wer ARD und ZDF ein Wochen-ende lang kritisch verfolgt, erkennt, wie viele TV-Formate die rot-grüne Denke transportieren. Komödien, „Tatort“-Krimis, klassische Nachrichtensendungen, Satire, Naturreportagen und Vorabendserien kommen nicht ohne kräftige Meinungsmache aus: Putin ist böse, Assad ein Schlächter, Trump ein Irrer und Gentechnik Teufelszeug. Ursündig ist auch der Deutsche als solcher. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Umweltzerstörung sind nicht fern, wenn diese Sorte Mensch vor die Kamera tritt. Tapfere, edle Kräfte halten zum Glück dagegen: Die Europäische Union ist ein Wunderwerk. Ominöse „Aktivisten“ haben weltweit nur Gutes im Sinn, ebenso wie die „Flüchtlinge“, von denen es leider noch viel zu wenige in Deutschland gibt.

Die öffentlich-rechtliche Inszenierung der Wirklichkeit wird mit enormem Aufwand betrieben. 25000 Angestellte und zehntausende an freien Mitarbeitern kümmern sich darum. Geld genug ist da. Deutschland gönnt sich das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt. Allein in den Jahren zwischen 2013 und 2016 haben ARD, ZDF und Deutschlandradio 35 Milliarden Euro ausgegeben, besagt die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“. Vom Gebührenzahler kamen davon knapp 30 Milliarden. Im 14. Stock, der Chefetage des ZDF-Hauptquartiers auf dem Mainzer Lerchenberg, künden echte Kunstschätze von Pablo Picasso, Henry Moore und Joseph Beuys von diesem Reichtum. Der medienkritische Autor Hans-Peter Siebenhaar („Die Nimmersatten“) beschreibt, wie das millionenteure Beuys-Werk eines Tages von einer Hausangestellten zufällig im Keller des ZDF-Quartiers entdeckt wurde. Aber Misswirtschaft und Schludrigkeit der Öffentlich-Rechtlichen sind ein anderes Thema.

Eigentlich wären derlei Zustände dennoch eine herrliche Vorlage für Oliver Welkes satirische „ZDF-heute show“. Ihr Jahresrückblick wird an diesem Wochenende gleich dreimal auf verschiedenen Kanälen und zu verschiedenen Zeiten gesendet. Aber Selbstironie darf man von dieser unsäglichen Sendung nicht erwarten. Es fallen humorfreie Lügensätze wie „Der IS ist so islamisch wie Mao Tse-tung katholisch war“. Man ulkt und witzelt auf niedrigstem Niveau. Wer sich die 30 Minuten des TV-Formates bis zum Ende antut, kann sich des bitterbösen Gedankens nicht erwehren, dass die Fans dieser Sendung die wahren Dunkeldeutschen und – mit Verlaub – das echte Pack sein müssen.

Kaum weniger einfältig geht es in manchen Geschichtssendungen zu. Am Sonntag um 22.45 Uhr wiederholt der Spartensender ZDFinfo die dreiteilige eigenproduzierte Dokumentation „Rom am Rhein“. Flugs werden dabei die alten Germanen zu einer Art Vorläufer der Syrer von heute umgedeutet. Großmütig gewähren die Römer ihnen Teilhabe an der eigenen Hochkultur. Fleißig und bestens integriert leisten die Germanen dann wiederum ihren Beitrag zum prosperierenden Weltreich.

In Tunika und Toga gewandete Fake News. Was die Geschichtsforschung wirklich über das Verhältnis zwischen Römern und Germanen weiß, hat beispielsweise der renommierte Althistoriker Alexander Demandt beschrieben. Die fremdenfreundlichen und auch vom christlichen Motiv der Nächstenliebe getriebenen Römer ließen zu Zeiten der Völkerwanderung immer mehr Germanen ins Reich. Demandt: „Überschaubare Zahlen von Zuwanderern ließen sich integrieren. Sobald diese eine kritische Menge überschritten hatten und als eigenständige handlungsfähige Gruppen organisiert waren, verschob sich aber das Machtgefüge, die alte Ordnung löste sich auf.“ Das Reich war dem Untergang geweiht.

Der Professor an der Freien Universität Berlin hat einiges darüber geschrieben. Wer ARD und ZDF ausgeschaltet lässt, hat Zeit genug, es zu lesen.

                Frank Horns


Ab in die Schuldenfalle
Immer mehr deutsche Haushalte sind hoffnungslos überschuldet

Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche ihren Armutsbericht vorgestellt. Die neuen Zahlen sind alarmierend. Vielen Deutschen geht es offenbar schlecht. Wie aus dem Papier hervorgeht galten im vergangenen Jahr 2,05 Millionen Haushalte als überschuldet. Das betraf mehr als vier Millionen Menschen. Damit setzt sich eine bereits seit Jahren andauernde Entwicklung fort. „Es wird ein Trend, bestätigt, nach dem seit 2006 ein stetiger Anstieg der Überschuldung zu verzeichnen ist“, heißt es in dem Papier.

2013 war noch eine Zahl von 1,97 Millionen Haushalte mit finanziellen Schwierigkeiten festgestellt worden. In 20 Prozent der Fälle war Arbeitslosigkeit der Hauptauslöser. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, sagte gegenüber DPA aber auch, „dass Überschuldung und prekäre Beschäftigung oft zusammenhängen.“

Die Statistik unterscheidet dabei zwischen guten und schlechten Schulden. Menschen, die für den Bau eines Hauses einen Kredit aufgenommen haben oder ein Auto leasen und die Raten regelmäßig zurückzahlen, gelten als verschuldet. Dies darf man aber nicht mit überschuldet verwechseln. „Hart“ überschuldet bedeute, dass es bereits einen juristisch relevanten Sachverhalt gibt, etwa eine Privatinsolvenz, erklärt Michael Bretz von der Creditreform Wirtschaftsforschung, die den Schuldneratlas erstellt, gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Als „weich“ überschuldet gilt jemand, der „nachhaltige Zahlungsstörungen“ aufweist – etwa, wenn man Verpflichtungen wie der Mietzahlung nicht nachkam und bereits mehrfach gemahnt wurde.

An dem Armutsbericht arbeiten gut 100 Experten mit. Er wird alle paar Jahre für die Bundesregierung erstellt. In Deutschland ist laut der jüngsten Veröffentlichung noch immer jedes 20. Kind mit Armut konfrontiert. Seit dem Anstieg bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts habe sich die Armutsrisikoquote von Kindern aber nicht weiter erhöht, Deutschland liege unter dem EU-Durchschnitt. „Nur wenige Kinder in Deutschland leiden unter materieller Not“, heißt es in dem Bericht.

Wenn der Anteil der Haushalte „mit einem beschränkten Zugang zu einem gewissen Lebensstandard und den damit verbundenen Gütern“ betrachtet werde, dann seien fünf Prozent der Kinder betroffen. Arbeitslosigkeit, Trennung und Krankheit sind die häufigsten Gründe für private Überschuldung. Übermäßiger Konsum folgt auf dem vierten Platz vor der gescheiterten Selbstständigkeit.

Auffallend ist, dass es sich bei 30 Prozent der Betroffenen um alleinstehende Männer handelt. Oftmals spielen psychosoziale Faktoren eine Rolle. Ohne Familie  sinke das Verantwortungsbewusstsein. Zudem sei es immer noch leicht, sich Geld zu leihen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, macht dagegen auch den breiten Niedriglohnsektor für die Entwicklung verantwortlich: „Die Zahl der überschuldeten Menschen steigt, weil der Anteil derer steigt, die keinerlei Reserven haben.“ Immer mehr Menschen lebten von der Hand in den Mund. Da reiche ein kleiner Ausfall, um in die Überschuldung zu rutschen. Bestätigung findet Schneider in dem vorliegenden Bericht. Ein Schick­salsschlag könne demnach ausreichen, um ein Leben finanziell zu ruinieren.                P.E.


Bahn vor radikalem Sparkurs
Stellenabbau aber wohl erst nach der Bundestagswahl

Nach einem Milliardenverlust im Jahr 2015 will Konzernchef Rüdiger Grube der Deutschen Bahn in den kommenden Jahren offenbar einen radikalen Sparkurs verordnen. Laut Medienberichten soll es im Rahmen eines Programms „Operative Exzellenz“ (Opex) bei dem bundeseigenen Konzern Einsparungen von mehr als einer halben Milliarde Euro geben. Als Ziel wird angegeben, den Gewinn der Deutschen Bahn ab 2021 um knapp 800 Millionen Euro pro Jahr zu heben. Im Fokus des Sparprogramms stehen die Werkstätten der Bahn und der sensible Bereich der Instandhaltung von Schienen und Loks. Derzeit beschäftigt die Bahn in diesem Bereich noch zehntausende Mitarbeiter. Da im „Opex“-Programm auch 100 Millionen Euro für sogenannte Restrukturierungskosten erwähnt werden, sind inzwischen Vermutungen aufgetaucht, dass sich hinter diesem Punkt Kosten für einen ganz massiven Stellenabbau, zum Beispiel für Abfindungszahlungen, verbergen. Unter Berufung auf Konzernvertreter wird zudem berichtet, dass über das Thema Arbeitsplatzabbau nicht vor der Bundestagswahl 2017 entschieden werden soll, um Unruhe in der Politik und speziell beim Eigentümer Bund zu vermeiden.

Schon jetzt ist unübersehbar, dass der Einfluss der Politik auf den Staatskonzern seit dem Wechsel des einstigen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla zur Bahn weiter gewachsen ist. Obendrein ergeben die Signale der Politik an den Bahnkonzern keineswegs ein einheitliches Bild: So hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Anfang des Jahres erklärt, Gewinnmaximierung könne nicht das oberste Ziel des Staatsunternehmens Bahn sein. Auch hat der Haushaltsausschuss des Bundestages jüngst eine Milliarde Euro für Investitionen bei der Bahn bewilligt. Auf der anderen Seite sind Äußerungen aus Regierungskreisen bekannt geworden, wonach man erwartet, dass die Bahn ihre Investitionen aus eigenen Umsätzen selbst stemmt.

Vor diesem Hintergrund ist das Sparprogramm nicht nur für Bahnchef Grube eine sehr spezielle Herausforderung, sondern auch für Pofalla. Zusätzlich zu seiner Aufgabe als Chef-Lobbyist der Deutschen Bahn ist der CDU-Politiker mit Wirkung vom 1. Januar 2017 zum Vorstand für Infrastruktur bestellt worden, außerdem rückt er zum Stellvertreter von Grube auf. Er wird inzwischen sogar als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Grubes gehandelt. Versagt er als Infrastruktur-Vorstand, könnte dies den weiteren Aufstieg in der Bahnhierarchie allerdings gefährden.

Wie hoch das Risiko eines Scheiterns mit Sparprogrammen wie „Opex“ ist, macht die Krise bei der Berliner S-Bahn vor einigen Jahren deutlich. Wegen Wartungsmängeln und Technikproblemen zog das Eisenbahnbundesamt damals mehrere hundert Wagen aus dem Verkehr. Auf dem Höhepunkt der Krise im Jahr 2009 musste das Berliner Tochterunternehmen der Deutschen Bahn sein Angebot so stark einschränken, dass einige Verbindungen zeitweise gar nicht mehr bedient werden konnten. Als Ursache der über Jahre andauernden Krise bei der Berliner S-Bahn wird der Sparkurs des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn gesehen, der die DB fit für einen Börsengang machen wollte.  N.H.


MELDUNGEN

Extremisten in Flüchtlingshilfe

Berlin – Die Bundesregierung weiß von mehr als 600 Hinweisen „auf Aktivitäten in Deutschland lebender Islamisten mit Bezug zu Migranten“. Darunter befinden sich etwa 360 Hinweise zu unmittelbaren Kontaktaufnahmeversuchen. Art und Umfang der vor allem im Umfeld von Gemeinschaftsunterkünften erfolgenden Kontaktaufnahmen seien sehr heterogen. Die dezentral organisierten Aktivitäten deutscher Linksextremisten reichen der Bundesregierung zufolge von der Sammlung von Sachspenden und deren Verteilung an den Grenzen der EU und der Initiierung von „Fluchthilfekonvois“ bis zur Beteiligung an Hausbesetzungen, die „Migranten Wohnraum schaffen“ sollen. Aktivitäten von Rechtsextremisten in der Flüchtlingshilfe betrachtet die Bundesregierung „als nahezu ausgeschlossen“.      J.H.

 

Neue Chefin für Preußenarchiv

Berlin – Der Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat sich für die Historikerin, Germanistin und Archivarin Ulrike Höroldt als zukünftige Direktorin des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz entschieden. Damit soll die derzeitige Honorarprofessorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Leiterin des Landesarchivs Sachsen-Anhalt im Juli kommenden Jahres Jürgen Kloosterhuis folgen, der nach 20 Jahren in dieser Position in den Ruhestand geht. Für das Geheime Staatsarchiv sind Höroldt neben der bestandsgerechten Unterbringung der Archivalien auch deren Digitalisierung und der Ausbau der Internetpräsenz des Archivs ein zentrales Anliegen. Darüber hinaus möchte sie die wissenschaftliche Arbeit mit und über das Archivmaterial sowie die internationale Zusammenarbeit fördern.           J.H.


S. 4 Hacker

Politisch gewollte Schwächen
Kritische Infrastrukturen könnten effektiver geschützt werden, aber Berlin ist dagegen

Die Hackerattacke auf rund 900000 Router der Telekomkunden am ersten Advent war nur eine von vielen ähnlichen Aktionen während der letzten Jahre. Dabei gerieten immer wieder auch lebenswichtige Bereiche der Infrastruktur ins Visier der Cyberkriminellen.

Laut Aussage des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, hat sich die Zahl der Angriffe auf Computersysteme in unserem Land von 2015 auf 2016 verdoppelt. Darüber hinaus schätzt er, dass die Täter damit wohl deutlich mehr Geld ergaunerten als die Drogenmafia: durch Erpressung der Gehackten, Wirtschaftsspionage, Sabotage, Daten- und Identitätsdiebstahl sowie finanzielle Manipulationen. Gefährlich wird es vor allem, wenn die Attacken sogenannten Kritischen Infrastrukturen gelten, die von lebenswichtiger Bedeutung sind. Darunter fallen die Energie- und Wasserversorgung, die Nahrungsmittelbranche, das Gesundheits- und Bankwesen sowie der Kommunikationssektor.

Wie leicht es ist, hier Unheil zu stiften, zeigen diverse Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. So fand im Dezember 2015 ein Hackerangriff auf Kraftwerke in der Westukraine statt – daraufhin blieben 220000 Menschen mitten im tiefsten Winter tagelang ohne Strom. Ähnlich gefährlich waren die Einbrüche in die Computersysteme der Krankenhäuser von Neuss, Arnsberg und Mönchen­gladbach Anfang 2016, weil in deren Folge zahlreiche wichtige Operationen abgesagt werden mussten. Ansonsten zählten auch schon Geldinstitute und Ölkonzerne zu den Betroffenen.

Gleichzeitig mehren sich die Hinweise darauf, dass eine hochprofessionelle Hackergruppe versucht, große Teile des Internets lahmzulegen, was natürlich enormes Chaos stiften würde. Beim letzten diesbezüglichen Testlauf im Herbst dieses Jahres kam es immerhin fast zur Blockade des US-Online-Riesen Verisign, der sämtliche Internetadressen verwaltet, die mit „com“ oder „net“ enden.

Um den Schutz gegen Cyberattacken zu verbessern, verabschiedete der Bundestag im Juli 2015 das Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme, für das sich die Politik hernach kräftig selbst feierte, obwohl es bisher keinerlei spürbare Wirkung zeitigte. Zwar existiert jetzt eine Meldepflicht der Unternehmen nach Angriffen auf sensible Einrichtungen, damit das BSI die Bedrohungslage analysieren und Abwehrstrategien entwickeln kann, allerdings fehlt eine klare Definition, welche Infrastrukturen denn nun genau als „kritisch“ einzustufen sind. Das resultiert aus dem Wirken von Lobbyisten, die beispielsweise verhindern wollen, dass Banken über Fälle von Cyberbetrug berichten müssen, was diese aus Imagegründen und wegen des administrativen Aufwandes unbedingt vermeiden wollen. Deshalb erhielt das BSI in den ersten zwölf Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes gerade einmal sieben Meldungen.

Ebenso gilt die Anzeigepflicht nicht für entdeckte Sicherheitslücken, obwohl deren Kenntnis und die nachfolgende Warnung aller relevanten Unternehmen die mit Abstand beste Prävention darstellen würde. Damit sollen wohl die Interessen der Geheim- und Sicherheitsdienste gewahrt bleiben, die solche Schwachstellen gerne für ihre ureigensten Zwecke nutzen. Dadurch sind die Kritischen Infrastrukturen in der Bundesrepublik Deutschland aber deutlich weniger effektiv geschützt, als es technisch und organisatorisch möglich wäre. Wolfgang Kaufmann


Schwachstelle KKW
Auch Kernkraftwerke sind von Hackern bedroht

Zu den sensibelsten Infrastruktureinrichtungen überhaupt gehören Kernkraftwerke (KKW). Aber die sollen ja angeblich nicht durch Hackerangriffe gefährdet sein, weil ihre kritischen Systeme keine Verbindung mit dem Internet haben – behauptet jedenfalls die Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Köln. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit, denn Schadsoftware kann schließlich ebenso über Wechseldatenträger wie USB-Sticks in die internen Netzwerke von Nuklearanlagen gelangen. So geschehen 2014 in mehreren Atommeilern des südkoreanischen Energieerzeugers Korea Hydro & Nuclear Power und dann auch im leistungsstärksten deutschen Kernkraftwerk Gund­remmingen im schwäbischen Landkreis Günzburg. Dort wurde im April 2016 festgestellt, dass ein Rechner in der Steuerung der Brennelemente-Lademaschine des Blocks B mit dem Virus „W32.Ramnit“ sowie dem Wurm „Conficker“ infiziert war. Diese Schädlinge ermöglichen unter anderem das Öffnen von Hintertüren im System und das Ausspionieren von Passwörtern.

Deshalb warnte Yukiya Amano, der Direktor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), sehr zu Recht vor Hackerattacken auf Kernkraftwerke: „Das ist kein imaginäres Risiko. Das Problem der Cyberangriffe auf Nukleareinrichtungen sollte sehr ernst genommen werden. Wir wissen nie, ob wir alles darüber wissen oder es nur die Spitze des Eisbergs ist.“

Wie verletzlich Kernkraftanlagen sein können, zeigt ein Vorfall in der Ukraine am 21. November 2015. Damals sprengten Saboteure im Oblast Cherson die Hochspannungsleitungen in Richtung der von Russland besetzten Krim. Hierdurch kam es in den beiden großen ukrainischen Kernkraftwerken Juschnoukrajinsk (drei Reaktorblöcke) und Saporischschja (sechs Blöcke) zu Lastabwürfen aufgrund des schlagartig abnehmenden Verbrauchs. In solchen Situationen ist es von größter Wichtigkeit, dass die Hauptkühlpumpen funktionieren. Wenn also nun zugleich noch das Stromnetz im Umfeld der Kraftwerke durch Hacker unterbrochen worden wäre, hätte es zu einer Katastrophe gigantischen Ausmaßes kommen können.           W.K.


Schützer der Verfolgten oder der Hacker?

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat eigentlich die Aufgabe, „Kritische Infrastrukturen“ sowie Computer und Kommunikationsnetze zu schützen. Allerdings war sein Vorgänger, die Zentralstelle für das Chiffrierwesen, eine geheime Abteilung des Bundesnachrichtendienstes – und heute wiederum untersteht das BSI dem Innenministerium, das auch für das Bundeskriminalamt und den Verfassungsschutz zuständig ist.

Hieraus ergeben sich ganz offensichtlich Interessenkonflikte: Einerseits soll das BSI die Bundesrepublik und deren Bewohner vor Schadsoftware und Cyberangriffen schützen, andererseits hilft es staatlichen Einrichtungen dabei, selbst als Hacker aufzutreten und die Bürger unter Ausnutzung von Sicherheitslücken auszuforschen. So geschehen beispielsweise im Falle des sogenannten Staatstrojaners für Online-Durchsuchungen, der seit diesen Februar zum Einsatz kommt. Dies belegt die auf der Internet-Plattform für digitale Freiheitsrechte „netzpolitik.org“ publik gemachte vertrauliche Kommunikation zwischen BSI und Bundesinnenministerium. Letzteres hat dem Bundesamt tatsächlich explizit aufgetragen, das BKA bei der Entwick­lung der Schnüffelsoftware zu unterstützen.

Andererseits ist es dem BSI nach der Verabschiedung des IT-Sicherheitsgesetzes nun zumindest verboten, Informationen über Sicherheitslücken an Geheimdienste weiterzugeben. Doch das Misstrauen bleibt: Wieso machte das BSI seinen mit Steuergeldern erarbeiteten „Trojaner-Leitfaden“ über die Gefährdungen durch spezialisierte Schadprogramme aus dem Jahre 2007 erst kürzlich öffentlich zugänglich – nachdem er komplett veraltet war? Deshalb schlagen Kritiker des BSI nun vor, das Bundesamt in eine unabhängige Behörde zu verwandeln. Nur so könne die verlorengegangene Glaubwürdigkeit des BSI wieder hergestellt und der Schutz der „Kritischen Infrastrukturen“ wie auch der Rechte der Bürger gewährleistet werden.        W.K.


Zeitzeugen

Arne Schönbohm – Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) meinte im April 2016, sämtliche Warnungen davor, dass Hacker auch die Rechner in den sensiblen Bereichen von Kernkraftwerken manipulieren könnten, seien „Quatsch“. Schönbohm ist allerdings kein IT-Fachmann, sondern studierter Betriebswirt ohne einschlägige technische Kenntnisse, weshalb er von Kritikern gerne als „Cyberclown“ verspottet wird.

Angela Merkel – Nach Bekanntwerden der Hackerattacke auf die Router der Telekom sagte die Bundeskanzlerin vor der versammelten Presse in der Hauptstadt: „Solche Angriffe gehören heute zum Alltag. Und wir müssen lernen, damit umzugehen. Und dazu müssen wir die Menschen sehr informieren … Man darf sich davon auch nicht irritieren lassen, man muss nur wissen, dass es so etwas gibt, und lernen, damit zu leben.“

Linus Neumann – In seiner Stellungnahme zum Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme schrieb der Sprecher des Chaos Computer Clubs und IT-Sachverständige in diversen Ausschüssen des Deutschen Bundestags im April 2015: „Es bestehen konkrete Anlässe zum Zweifel daran, dass das BSI ausschließlich der Sicherheit von Computern und Netzen verpflichtet ist und nicht im Rahmen von Aufgaben der sogenannten inneren Sicherheit gezielt auf eine Schwächung von Endgeräten und Kommunikationsinfrastrukturen hinarbeitet.“

Chris Nickerson – In seiner Eigenschaft als „Digital Intrusion Specialist“, der von Unternehmen dafür bezahlt wird, dass er Sicherheitslücken in der vorhandenen Software aufspürt, will der US-Amerikaner und Gründer von Lares Consulting auch schon mehrfach in die Computersysteme von Kernkraftwerken eingedrungen sein.

Bruce Schneier – Für den Experten auf dem Gebiet der Computersicherheit steht fest, dass einige der Hackerangriffe in letzter Zeit Testläufe zur Vorbereitung der Lahmlegung von großen Teilen des Internets gewesen seien – allerdings wisse er nicht, wer hinter diesen beunruhigenden Aktivitäten stecke.


S. 5 Preussen/Berlin

Dilettanten und Belastete
Berlin: Die Personalauswahl für den neuen, rot-rot-grünen Senat sorgt für Ernüchterung

Kaum regiert Berlins neuer Senat, zeichnet sich ein mehrfacher Personalskandal ab: Staatssekretär Andrej Holm (Linke) diente einst dem DDR-Geheimdienst Stasi, ging damit nur scheinbar offen um. Der Senat ernennt ihn trotzdem. Die Opposition kritisiert zudem, dass manchem von Holms Senatskollegen schlicht die fachliche Qualifikation fehle.

„Es gab keine Gründe, die gegen eine Ernennung sprechen“, sagt Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) über Andrej Holm. Gegen Böhning selbst ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen umstrittener Beraterverträge im Asylgewerbe. Selbst Bürgermeister Michael Müller (SPD) kann in dem Zusammenhang noch ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. Der Verdacht der Untreue und Vorteilsgewährung ist jeweils noch nicht ausgeräumt.

Gründe gegen Holm als Baustaatssekretär werden indes immer mehr bekannt: Der Stadtsoziologe trat im September 1989 mit 18 Jahren eine Ausbildung bei der Stasi an. Holm gab in einem Interview 2007 zu, Überzeugungstäter gewesen zu sein. Mittlerweile bereue er seinen damaligen Schritt.

Nun steht der Verdacht im Raum, Holm habe die Tätigkeit bei einer früheren Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner Humboldt-Universität nicht richtig angegeben, sagt die Universität. Statt fünf Monate Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ hat er womöglich weitere Aufgaben als Hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit erfüllt. Holm behauptet: „Ich habe niemanden bespitzelt.“ Seine neue Dienst­herrin, Stadtentwick­lungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), und die Universität erwarten nun Auskunft von der Stasi-Unterlagenbehörde – eine politische Zeitbombe. Hinzu kommt der Vorwurf, Holm sei später in der linksextremen Szene aktiv gewesen.

Nicht nur Holm, sogar der Bürgermeister selbst handelt quasi auf Bewährung: „Wenn sich herausstellen sollte, dass Müller selbst Dreck an den Fingern hat, dann ist die rot-rot-grüne Koalition schon gescheitert, noch bevor sie überhaupt gestartet ist“, sagt Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der FDP im Abgeordnetenhaus mit Blick auf die Verdachtsmomente im Zusammenhang mit Bürgermeister Müller. Weitere Unebenheiten zeichnen sich ab: Berlins neue erste IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) sieht sich aus Politik und Wirtschaft wegen mangelnder Eignung kritisiert.

Die 55-Jährige soll nach dem Vorbild anderer Weltmetropolen digitale Herausforderungen meistern und die Digitalisierung von Behördenleistungen als zentralen Baustein der von Berlins Bürgern dringend ersehnten Verbesserung der Verwaltung stemmen. Die dazu nötigen Kenntnisse fehlten ihr jedoch, meint Burkard Dregger (CDU).

Der einstigen Unternehmensberaterin mangelt es laut Dregger an „IT-Affinität“, ihre Wahl sei ein „Versorgungsposten“. Tatsächlich verlor Smentek im Oktober eine Kampfabstimmung um den Posten als Baustadträtin. Zuvor hatte sie es als Jugendstadträtin zu trauriger Berühmtheit gebracht: Den Gründer einer Kinderfarm ließ sie nach dessen Aussage mit privaten Wachleuten beschatten, stellte Sichtblenden um sein Grundstück auf – auf Kosten des Steuerzahlers. Aus dem Streit um Fördermittel für die Einrichtung wurde eine teure Dauerposse. Der Bundesverband Deutsche Startups bedauert angesichts der Wahl Smenteks, der Senat habe die „Chance vertan“, einen echten Digitalsenator zu ernennen.

Der neue Innensenator Andreas Geisel (SPD), der sich bisher mit Stadtentwicklung, Bauen, Verkehr und Umwelt auseinandersetzte, ist im künftigen Ressort völlig fachfremd. Zu den erklärten Alleskönnern auf der Regierungsbank gehört auch Ramona Pop (Grüne). Sie soll als Wirtschaftssenatorin antreten. Die Politikwissenschaftlerin machte nach der Universität eine Parteikarriere. Bezugspunkte zur Wirtschaft gibt es darin kaum.

Als Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten wird die aus einer palästinensischen Zuwandererfamilie stammende Sawsan Chebli auftreten. Die bekennende Muslimin arbeitete vorher für Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und äußerte sich verständnisvoll über die Scharia sowie das Kopftuch als „absolute Pflicht“. Sie erhob ihren Vater, einen strenggläubigen Muslim, zum Vorbild – der sei bestens integriert, auch wenn er Analphabet sei und praktisch kein Deutsch spreche. Klaus Lederer (Linke) ist Jurist, wollte aber gern etwas anderes machen und wird nun Kultur- und Europasenator. Erfahrung auf diesem Sektor hat der langjährige rechtspolitische Sprecher seiner Partei keine.   Sverre Gutschmidt


SPD spielt mit ihrer Kernwählerschaft
von Theo Maass

Berlins Sozialdemokraten hatten die freie Wahl. Sie hätten auch eine Koalition mit CDU und FDP bilden können. Doch anders als vor vier Jahren entschied sich die SPD diesmal für eine reine Linksregierung.

Kritiker warfen Klaus Wowereit 2011 vor, die rot-grüne Option bewusst hintertrieben zu haben. Die dogmatische Forderung der Grünen nach einem Stopp für den Weiterbau der A 100 habe er kompromisslos genutzt, ihnen ein Bündnis zu verleiden. Stattdessen holte Wowereit die Christdemokraten in die Regierung, die ihr Glück kaum fassen konnten. Tatsächlich machten CDU-Chef Frank Henkel und seine Mitsenatoren der SPD in den Jahren der abgelaufenen Legislaturperiode keinerlei Schwierigkeiten.

Möglicherweise wäre das auch die nächsten Jahre geräuschlos so weitergegangen. Doch SPD-Bürgermeister Müller wollte offenbar um jeden Preis das Linksbündnis.

Er hat nicht einmal den Versuch unternommen, die maßlosen politischen Forderungen der Linkspartei und der Grünen einzuschränken. Nun bekommen die Berliner einen ideologisch motivierten Krieg gegen Autofahrer, Beschneidung der Gymnasien, eine fast ausnahmslose „Duldung“ abgelehnter Asylsucher und noch vieles mehr.

Für die SPD könnte sich diese Gemengelage bei den nächsten Wahlen als Desaster erweisen. Denn dass diese „Leistungen“ ausschließlich den beiden extremen Parteien zugerechnet werden, ist eher unwahrscheinlich. Traditionell nehmen die Wähler zuallererst die Führungspartei der Landesregierung ins Visier, wenn sie mit der Politik abrechnen wollen – und das ist nun einmal die SPD. 

Rettung könnte ironischerweise von der CDU kommen. Sollte die Hauptstadt-Union nämlich den Versuch fortsetzen, als „moderne Großstadtpartei“ noch weiter nach mitte­links zu rücken, würde sie möglicherweise von Missstimmungen über die Politik von Rot-Rot-Grün gar nicht profitieren. Die Koalitionspartner der SPD, die Linkspartei und die Grünen, können hingegen bei ihrer Klientel darauf verweisen, lauter originäre linke Forderungen durchgesetzt zu haben.

Die neueste Umfrage sieht für die SPD erst mal nicht sehr schön aus. Ausgerechnet der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh forderte seine Partei daher jüngst auf, ihrer Kernwählerschaft der „kleinen Leute“ wieder mehr Beachtung zu schenken. Mit rot-rot-grün ist die Berliner SPD in Salehs Augen da offenbar auf dem falschen Dampfer. In Thüringen (das erste rot-rot-grün regierte Land mit der SPD als Juniorpartner der Linkspartei) hat diese Regierungskonstellation nach Umfragen den drei linken Parteien nämlich bereits die Mehrheit gekostet.


Peinliche Fragen
»U-Bahn-Treter«: Wem gebührt der Fahndungserfolg?

Nur Wochen, nachdem SPD, Grüne und Linkspartei in ihrem Koalitionsvertrag Videoüberwachungen im öffentlichen Raum eine Absage erteilten, kann die Berliner Polizei einen spektakulären Erfolg melden. Ihr ist es gelungen, den mutmaßlichen „U-Bahn-Treter“ festzunehmen. Ereignet hat sich die Tat bereits am 27. Oktober auf dem U-Bahnhof Hermannstraße.

Aufnahmen, die durch eine Überwachungskamera der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) entstanden waren, zeigen, wie ein Mann einer Frau ohne erkennbaren Anlass in den Rücken tritt und zuschaut, wie sie kopfüber die Treppe hinunterstürzt. Bekanntgeworden sind die Auf­nahmen erst im Dezember − bereits vier Tage nach der Veröffentlichung konnte am 12. Dezember ein Begleiter des Hauptverdächtigen ermittelt werden.

Am 17. Dezember erfolgte schließlich die Festnahme des Tatverdächtigen. Inzwischen hat der  Fahndungserfolg eine neuerliche Debatte um Videoüberwachung befeuert. Bislang hat nur die BVG ihre U-Bahnhöfe und Fahrzeuge mit Kameras ausgerüstet. Gesprochen wird nun aber auch darüber, ob der Fahndungserfolg nicht auch eher dem öffentlichen Druck geschuldet sei. Aufgebaut hat diesen Druck vor allem privates Engagement. Nicht Polizei oder Justiz hatten das Video als Erste veröffentlicht, sondern eine Zeitung. Dieser sind die Aufnahmen von einer bislang unbekannten Quelle offenbar zugespielt worden. Zudem haben mehrere Privatpersonen wie der Personenschützer Michael Kuhr Belohnungen für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. „Die Tat ist sechs Wochen her und nichts ist passiert“, nannte Kuhr als Grund. Berlins neuer Innensenator Andreas Geisel (SPD) kritisierte Kuhrs Vorgehen scharf: „Eine Belohnung auszuloben, ist keine Privatangelegenheit, sondern alleinige Aufgabe des Rechtsstaats.“

Tatsächlich liegt der ehemalige Bausenator falsch: Privatpersonen haben durchaus das Recht, zur Ergreifung von Straftätern eine Belohnung auszusetzen. Es sind vielmehr die Ermittlungsbehörden, die strikte Vorgaben bei der Auslobung von Belohnungen beachten müssen. Möglicherweise zu hoch gesteckt sind auch die Hürden, wenn es um die  Veröffentlichungen von Fotos oder Videos geht. Vorgesehen ist dies bislang nur, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt und andere Ermittlungsansätze ausgeschöpft sind.

                Norman Hanert


Ziel fast erreicht
Garnisonkirche: Jauch gab 1,5 Millionen Euro

Die Spendensammlung für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche kommt gut voran. Einige Zeit war über eine bereits im Sommer getätigte Spende über 1,5 Millionen Euro gerätselt worden. Nun machte der bekannte Fernsehmoderator Günther Jauch öffentlich, dass er den Betrag gestiftet habe. Er ist nicht der einzige Gönner. Rolf Elgeti, früherer Chef des Immobilienkonzerns TAG, stiftete 250000 Euro. Der Architekt Georg von Willisen steuerte 150000 Euro bei.

Damit rückt das Minimalziel des Wiederaufbauvereins, zunächst wenigstes den Turm der Kirche wiederaufzubauen, in greifbare Nähe. Jauch hatte schon vor 15 Jahren mit seiner Spende für das Fortuna-Portal einen wesentlichen Anstoß zum Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses gegeben.

Jauch erhielt nach Bekanntwerden seiner Spende zahlreiche Hassmails von mutmaßlichen Linksextremisten. Seinen Kritiker hielt Jauch entgegen: „Nennen Sie mir ein Thema, bei dem es in Potsdam keine kritischen Stimmen gibt.“ Dann findet er aber für die Gegner des Wiederaufbaus deutliche Worte: Wenn am Ende aber jene gewännen, „die zum Teil noch dafür verantwortlich sind, dass dieses wertvolle Kulturgut komplett zerstört wurde, dann machen wir diese Menschen und deren Geist zu Gewinnern der Geschichte“. Der Aufbau des Turms soll 26,1 Millionen Euro kosten. An dieser Summe fehlt jetzt noch eine Dreiviertelmillion. Die Stiftung, die den Wiederaufbau betreibt, hofft, diese Summe in Kürze zusammenbringen zu können. Baubeginn soll im Ok­tober 2017 sein.       Hans Lody


Lompscher lehnt Kolonnaden ab

Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages vor Kurzem überraschend Geld für den Wiederaufbau der historischen Kolonnaden vor dem Berliner Schloss bewilligt hat, regt sich beim Berliner Senat Widerstand. Laut Berliner „Morgenpost“ hat die neue Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) die vom Bundestag bereitgestellten 18,5 Millionen Euro an Bundesmitteln abgelehnt. Dem Bericht zufolge hat Lompscher erklärt, sie sei dagegen, jetzt vorschnell die Säulen ohne schlüssiges Gesamtkonzept für den Bereich vor dem Humboldtforum wieder aufzustellen, „nur weil der Bund Geld gibt“. Die Kolonnaden sollen zwischen Schlossneubau und Schinkelscher Bauakademie entstehen. Zeitweise geplant war an dieser Stelle ein Einheitsdenkmal. Wie es weiter heißt, lehnt die Senatorin auch die vom Bund finanzierte Versetzung des Neptunbrunnens vom Platz vor dem Roten Rathaus an seine alte Stelle auf dem Schlossplatz ab.         N.H.


S. 6 Ausland

»Das konservativste Kabinett der USA«
Bei der Regierungsbildung zieht der desgnierte Präsident Donald Trump »sein Ding konsequent durch«

Für das politische und mediale Establishment ist das Kabinett des künftigen US-Präsidenten Donald Trump „grauenvoll“. Außer Frage steht, dass sich die konservative Strömung der Republikaner durchgesetzt hat.

Erst in einigen Monaten wird der US-Milliardär Donald Trump ins Weiße Haus einziehen. Er und sein Team haben noch gar nicht losgelegt, da steht das erste Fazit schon überall geschrieben: „Es ist das konservativste Kabinett in der Geschichte der Vereinigten Staaten“. Die Aussage hat nicht etwa ein linksliberaler Kommentator der „New York Times“ getroffen, sondern Ronald Reagans ehemaliger Bildungsminister Bill Bennett. Der dürfte dies zweifels­ohne als Kompliment gemeint haben, doch vor allem bundesrepublikanische Medien schlagen Alarm: „Kabinett der weißen Reichen“, schrieb der Nachrichtensender NTV auf seiner Internetseite, das „Handelsblatt“ sieht ein „Kabinett des Schreckens“ am Werk und der „Spiegel“ findet die Personalauswahl „grauenvoll“.

Es gibt aber auch moderatere Stimmen. „Das Etikett wirkt dennoch vorschnell. Die Kandidaten für die drei wichtigsten Ministerien – für Auswärtiges Rex Tillerson, für Verteidigung James Mattis und für Finanzen Steven Mnuchin – sind keine Rechtsaußen“, schreibt der „Tagesspiegel“ und beschreibt Trumps Personalauswahl als unkonventionell. Dem neuen Präsidenten gehe es darum, mit alten Regeln zu brechen, und er scheue sich auch nicht, bestehende Gesetze zu hinterfragen. So schreibt eine Vorschrift beispielsweise vor, dass ehemalige Militärs eine Karenzzeit von sieben Jahren einzuhalten haben, bevor sie ein bedeutendes politisches Amt übernehmen können. Trump ficht das nicht an. So plant er, den Ex-General James Mattis zum Verteidigungsminister zu machen, obwohl der vor gerade erst einmal drei Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist.

Auffallend ist auch, dass Trump bei seiner Auswahl ganz anders vorgeht, als seine Vorgänger. Barack Obama und auch der frühere republikanische Präsident George W. Bush trafen sich mit Kandidaten diskret und ließen selten etwas durchsickern. Der Unternehmer hingegen lässt Kandidaten wie den früheren Präsidentschafts-Anwärter Mitt Romney öffentlichkeitswirksam vorfahren und sich mit ihnen ablichten. Romney war vor vier Jahren gegen Obama angetreten und verlor. Im diesjährigen Wahlkampf hatte er sich kritisch über Trumps Kandidatur geäußert. Dennoch liebäugelte der eine Zeit lang damit, den Rivalen zum Außenminister zu machen, bis sein Beraterstab am Ende den Daumen senkte. Den Zuschlag erhielt in der vergangenen Woche Rex Tillerson, bislang noch Chef der Exxon Mobil Corporation, dem größten Öl- und Gaslieferanten der Welt. Wieder einmal geht Trump unkonventionelle Wege. Kritiker sagen, Tillerson verfüge über keine diplomatische Erfahrung. Befürworter kontern dagegen, ohne Geschick und ausgleichendes Wesen wäre er gar nicht in eine solche Position gekommen.

Politische Erfahrung bringt dagegen der frühere texanische Gouverneur Rick Perry mit, den Trump als Energieminister nominiert hat. Perry solle die Vereinigten Staaten durch Ausnutzung ihrer eigenen Naturressourcen unabhängig von Energieimporten machen, sagte Trump. Perry, der in den Jahren 2000 bis 2015 in Texas regierte, hatte wie Trump in der Vergangenheit einen menschengemachten Klimawandel angezweifelt. Als Gouverneur war er allerdings auch als Förderer der Windenergieproduktion in Erscheinung getreten.

Trump befördert solche Gegensätze geradezu. Während des Wahlkampfes hatte er sich mit der Wall Street angelegt, nun holt er Investment-Experten und Milliardäre in sein Kabinett.

Neben James Mattis stehen zwei weitere Ex-Generäle auf der Liste. Michael Flynn, soll nationaler Sicherheitsberater werden und John Kelly ist für das Heimatschutzministerium vorgesehen.

Ein unbeschriebenes Blatt ist der designierte Innenminister Ryan Zinke. Der Kongressabgeordnete ist ebenfalls ein hochrangiger ehemaliger Militär. Das Ministerium verwaltet rund ein Fünftel der öffentlichen Flächen des Landes, darunter Nationalparks. Es ist in den USA nicht für die innere Sicherheit zuständig. Das übernehmen die Ministerien für Justiz und Heimatschutz.

Auffallend ist, dass Trump im Gegensatz zu Obama darauf verzichtet hat, Posten nach Minderheiten-Proporz zu vergeben. „Latinos und Schwarzafrikaner muss man mit der Lupe suchen“, giftete die Wochenzeitung „Die Zeit“.

Mit Ben Carson hat Trump einen durch und durch Konservativen ins Kabinett geholt. Der designierte Entwicklungsminister hat sich während der Vorwahlen als massiver Gegner der sogenannten Homo-Ehe hervorgetan.

Auch Vizepräsident Mike Pence ist kein Freund des gesellschaftspolitischen Liberalismus. Mit Elaine Chao übernimmt eine asiatischstämmige Frau das Verkehrsministerium. Sie gehörte schon dem Kabinett von George W. Bush an und ist eine der wenigen Personen, die zum republikanischen Establishment gezählt werden können.

Die Milliardärin Betsy DeVos war eine der Hauptsponsoren von Trumps Präsidentschaftswahlkampf und erhielt das Bildungsministerium. Sie bezeichnet sich als „tausendprozentige Konservative“.

Für liberale Konservative wie Chris Christie war dagegen kein Platz. Der musste resigniert feststellen, „dass Trump sein Ding konsequent durchzieht“.                 

                Peter Entinger


Ostlibyens neuer starker Mann
Moskau und Paris setzen nach dem Fall der letzten IS-Bastion Syrte auf Chalifa Haftar

Anfang dieses Monats ist es der libyschen Einheitsregierung nach sechs Monaten Belagerung gelungen, die letzten IS-Terroristen aus Syrte, ihrer einstigen Hochburg in Libyen, zu vertreiben. Syrte war auch der Geburtsort des libyschen Langzeit­herrschers Muammar al-Gaddafi, der vor fünf Jahren durch eine westliche Militärintervention gestürzt worden ist, die das Land in ein Chaos gestürzt hat, das bis heute weiterbesteht. Nachdem die letzten IS-Kämpfer nach sechs Monaten wieder den Weg in die Wüste angetreten hatten, wo sie einst auch hergekommen waren, haben sich jedoch gleich wieder andere Konfliktherde gebildet, die das zwischen zwei Regierungen und Parlamenten sowie zahllosen Milizen umkämpfte Land noch lange nicht zur Ruhe kommen lassen. An dem zermürbenden Kampf um Syrte waren die US-Amerikaner nach einigen Jahren Abwesenheit wieder mit Luftschlägen beteiligt, obwohl Präsident Barack Obama vor Kurzem zugegeben hatte, dass die Intervention in Libyen der schlimmste Fehler seiner Amtszeit gewesen sei.

Der neue starke Mann im Osten Libyens, General Chalifa Haftar, hat es vorgezogen, beim Kampf um Syrte anderen das Feld zu überlassen. Er hat in derselben Zeit versucht, ganz Bengasi unter seine Kontrolle zu bringen und auch die zentralen Ölhäfen um Ras Lanuf im Zentrum des Landes, welche die Haupteinnahmequelle des Landes ausmachen. Anders als die Einheitsregierung in Tripoli setzt Haftar nicht mehr auf die Hilfe des Westens, sondern auf Moskau, einer Stadt, die der Ex-General von Gaddafi von seiner Militärausbildung her noch gut kennt. Gleich dreimal hat Haftar im letzten Halbjahr Russland besucht und sich mit Verteidigungsminister Sergej Schojgu und Sergej Lawrow getroffen. Die Reisen Haftars nach Mos­kau mündeten in einem Abkommen und einer militärischen Kooperation am Boden. Nach Meldungen des Nachrichtenportals Al-Araby Al-Jadeed ist bereits eine unbestimmte Zahl von russischen Militärexperten in Ostlibyen zur Unterstützung Haftars eingetroffen. Vermittelt hatten diese Annäherung die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. Russland hilft, die Streitkräfte Haftars zu reorganisieren, Waffensysteme zu modernisieren sowie die Luft- und Seeverteidigungssysteme effizienter zu überarbeiten.

Haftars Regierungssitz ist die Stadt Tobruk, die nur 100 Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernt im Osten Libyens liegt. Die Militärvereinbarungen zwischen Tobruk und Russland sollen rund vier Milliarden US-Dollar schwer sein. Das Geld erhofft sich Haftar aus dem seit September wieder sprudelnden Öleinnahmen von Ras Lanuf.

Haftar, der lange in den USA gelebt hat, ist für seine „law and order“-Ansichten bekannt. Nach den Ereignissen, welche die Absetzung und Hinrichtung Gaddafis zur Folge hatten, kehrte der einstige libysche Held der Tschad-Intervention 2011 aus seinem US-Exil nach Libyen zurück und stellte sich auf die Seite der säkularen Kräfte, die bei den einzigen freien Wahlen als Sieger hervorgegangen waren. Im Mai 2014 startete Haftar die Operation „Würde Libyens“, nachdem die nicht entwaffneten islamistischen Milizen gegen die gewählte Regierung geputscht hatten.

Während Haftar versucht, nach der Vertreibung des IS den gesamten Osten Libyens, die Cyrenaika, unter seine Kontrolle zu bringen, sind in der Hauptstadt Tripoli wieder neue Kämpfe zwischen rivalisierenden islamistischen Milizen ausgebrochen. Dies lässt nichts Gutes ahnen, denn Libyen gilt sozusagen als Versuchslabor für den Irak und Syrien, wo die Offensive gegen den IS gerade erst begonnen hat.

Moskau ist an einem Ausbau seines Libyen-Engagements offenbar interessiert, denn es möchte eine zu einseitige Ausrichtung auf Syrien vermeiden. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die damalige Sowjetunion versucht, in Libyen einen Marinestützpunkt zu errichten. Allerdings scheinen die russischen Streitkräfte derzeit mit den Konflikten in der Ostukraine und in Syrien ausgelastet, sodass sie sich ein weiteres Engagement gar nicht leisten können. In Libyen steht Moskau – anders als in Syrien – sogar mit einem westlichen Verbündeten Seite an Seite. Frankreich musste im Sommer nach dem Verlust eines Hubschraubers zugeben, dass es auch an Haftars Seite versucht, in Libyen für mehr Stabilität zu sorgen.    Bodo Bost


Roth gesteht
Berlins Rolle beim US-Drohnenkrieg

Der Staatsminister im Außenamt, Michael Roth, hat sich durch Druck aus dem Bundestag gezwungen gesehen, die Karten auf den Tisch zu legen. Die USA, so hieß es jetzt, hätten der Bundesregierung am 26. August 2016 mitgeteilt, dass „die globalen Kommunikationswege der USA zur Unterstützung unbemannter Luftfahrzeuge Fernmeldepräsenzpunkte auch in Deutschland einschlössen, von denen aus die Signale weitergeleitet würden. Einsätze unbemannter Luftfahrzeuge würden von verschiedenen Standorten aus geflogen, unter Nutzung diverser Fernmelderelaisschaltungen, von denen einige auch in Ramstein laufen würden.“

Durch das Eingeständnis des Staatsministers Roth leugnet die Regierung jetzt zwar nicht mehr eine bekannte Tatsache, doch bei deren Beurteilung fällt sie wieder zurück in die Haltung zwischen Peinlichkeit und Groteske. Denn die Bundesregierung zweifelt nicht an der Legalität des Drohnenkrieges, obwohl unter ihm Länder wie Somalia, der Jemen oder Pakistan leiden, mit denen die USA offiziell nicht im Krieg liegen, und obwohl auf einen Kämpfer 28 tote Zivilisten kommen.

Ihre Sicherheit in der Beurteilung der rechtlichen Seite bezieht die Bundesregierung aus dem Wort der „amerikanischen Partner“. Diese versichern, in Ramstein geschehe nichts gegen das Grundgesetz, deutsche Gesetze würden geachtet wie das Völkerrecht. Eine Menge Vertrauensvorschuss für einen Staat wie die USA, die ihre zahlreichen Kriege mit einer Lüge zu rechtfertigen versuchen, von der erfundenen Kanonade von Tonking in Vietnam bis zu den Massenvernichtungswaffen des verblichenen Saddam Hussein. Auch hier scheut die Bundesregierung nicht die Gefahr, peinlich und lächerlich dazustehen, vom ethischen Aspekt einmal ganz abgesehen.

Dabei können sich weder Kanzlerin Angela Merkel oder ihre Ministerin Ursula von der Leyen und auch nicht jener Staatsminister Roth oder irgendein anderer Würdenträger darauf berufen, sie hätten von weiteren Einzelheiten keine Kenntnis. Spätestens seit Anfang 2013, als der ehemalige Drohnenpilot Brandon Bryant als Kronzeuge die Funktion Ramsteins im Drohnenkrieg bestätigte, war die Sache klar. „Alles, was mit Drohnen zu tun hat, läuft über Ramstein“, bestätigte Bryant. Er selbst steuerte Hunderte von Einsätzen und tötete dabei mehr als 1500 Menschen – trotz der 23 Orden, die er dafür bekam, zu viel für sein Gewissen. Er ging an die Öffentlichkeit.          Florian Stumfall


MELDUNGEN

Grönländer sind unzufrieden

Nuuk – Der Außenminister Grönlands, Vittus Qujaukitsoq, hat in einem Interview mit der dänischen Tageszeitung „Politiken“ damit gedroht, die „Reichsgemeinschaft“ mit Dänemark zu beenden. Erst seit 1953 gibt es zwei grönländische Abgeordnete im dänischen Parlament. In mehreren Schritten erlangte Grönland immer größere Autonomie von Dänemark. Dennoch scheint man in Grönland unzufrieden zu sein. Qujaukitsoq sieht eine dänische „Arroganz, die für die Reichsgemeinschaft zerstörend ist.“ Es hätten sich Frustration und Ohnmacht in 75 Jahren aufgestaut.        H.L.

 

Ausnahmezustand verlängert

Paris – Die französische Regierung hat eine erneute Verlängerung des Ausnahmezustands bis Mitte Juli 2017 beschlossen. Damit werden die Behörden ihre Sonderbefugnisse zur Einschränkung von Grundrechten auch während der Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr und der Parlamentswahlen im Juni behalten. Der neue Regierungschef Bernard Cazeneuve sagte in Paris, während der Wahlperiode gebe es zahlreiche politische Spitzentreffen und damit „leider auch ein erhöhtes Anschlagsrisiko“. Staatschef François Hollande hatte den Ausnahmezustand nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 mit 130 Toten verhängt. Er wurde seitdem schon vier Mal verlängert, das letzte Mal nach dem Attentat von Nizza mit 86 Toten im Juli. Eigentlich wären die Sonderbefugnisse noch bis Ende Januar in Kraft gewesen. Das änderte sich aber mit dem Rücktritt von Premierminister Manuel Valls am vergangenen Dienstag: Das Gesetz sieht vor, dass der Ausnahmezustand zwei Wochen nach dem Rück­tritt einer Regierung automatisch ausläuft.       J.H.


S. 7 Wirtschaft

Mehr Kulanz gegenüber Rom
Nach Renzis Rücktritt ist eine Lockerung in der Fiskalpolitik zu erwarten

Ausgerechnet im wichtigen Bundestagswahljahr 2017 droht Angela Merkel, dass sie von den Folgen der bisherigen sogenannten Euro-Rettungspolitik eingeholt wird. Deutschland hat sich mit dem unbedingten Festhalten am Euro und den Haftungsübernahmen erpressbar gemacht. Als Folge können die Spielregeln für die Europäische Währungsunion künftig maßgeblich in Rom festgelegt werden.

Spätestens seit dem gescheiterten Verfassungsreferendum und dem darauffolgenden Rück­tritt des bisherigen Premiers Matteo Renzi gilt als ausgemacht, dass Italien zum nächsten Krisenherd der Eurozone wird. Tatsächlich sind alle Zutaten beisammen, die Italien zu einem Mega-Griechenland verwandeln können: Italiens Banken sitzen auf einem Berg von notleidenden Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro. Die Überschuldung des Bankensektors verhindert wiederum dringend nötige Investitionen in die seit Jahren schwächelnde Wirtschaft. Dazu hat der italienische Staat Verbindlichkeiten in Höhe 2249 Billionen Euro angehäuft, die 133 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung entsprechen. Insgesamt weist in Europa nur Griechenland eine höhere Staatsschuldenquote auf. Im weltweiten Vergleich ist Italien nach den USA und Japan sogar der drittgrößte Emittent von Staatsanleihen.

Dazu kommt eine ganz spezielle politische Situation: In keinem anderen Land ist unter der Bevölkerung der Euro so unbeliebt wie in Italien. Mit Lega Nord, Forza Italia und Beppe Grillos MoVimento 5 Stelle sind obendrein gleich mehrere große Parteien Euro- und EU-kritisch eingestellt. Laut Meinungsumfragen könnte Grillos Fünf-Sterne-Bewegung im Fall vorgezogener Neuwahlen sogar zur stärksten politischen Kraft des Landes aufsteigen. Zwar lässt Italiens Verfassung keine Referenden über internationale Verträge zu. Beobachter wie Jack Allen von Capital Economics halten es aber dennoch für möglich, dass notfalls ein Weg gefunden werden kann, ein Euro-Referendum abzuhalten.

Aus Sicht der Euro-Verteidiger in Brüssel und Berlin ist damit ein brisanter Mix angerührt. Italien ist als drittwichtigste Volkswirtschaft der Eurozone allein schon von der Dimension des Problems eine Nummer zu groß für den Euro-Rettungsschirm ESM. Mit einer Aufstockung des Rettungsfonds oder neuen Garantien ist angesichts der Bundestagswahlen in Deutschland und der Präsidentschaftswahlen in Frankreich zumindest im Jahr 2017 kaum zu rechnen. Kaum vorstellbar ist ebenso, dass Sparauflagen der EU im Gegenzug für Rettungsgelder in der italienischen Bevölkerung durchsetzbar sind. Jeder Versuch, ein Experiment wie in Griechenland zu wiederholen, würde Kräften wie der Fünf-Sterne-Bewegung weiteren Auftrieb geben. Steigen würde damit das Risiko eines „Italexit“, den die europäische Währungsunion vermutlich nicht überstehen würde.

Sollte Italien trotzdem zur Weichwährung Lira zurückkehren, drohten der übrigen Eurozone herbe Verluste. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Zuge ihres Kaufprogramms nach jüngsten Zahlen seit März 2015 allein für 188,5 Milliarden Euro italienische Staatsanleihen angekauft. Auch der Bundesbank würde ein Schlag ins Kontor drohen. Die deutschen Forderungen an andere Euro-Zentralbanken im Rahmen des Target2-Verrechnungsystems sind im vergangenen November mit über 754 Milliarden Euro auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Mit einem Ausstieg Italiens aus dem Euro-System dürften sich die Target-Forderungen der Bundesbank gegen Italien allerdings als uneinbringlich erweisen. Insgesamt beliefen sich die Target-Verbindlichkeiten der Banca d’Italia gegenüber anderen Euro-Zentralbanken im November auf über 358 Milliarden Euro.

Vor diesem finanziellen und politischen Hintergrund scheint die Rettungsstrategie der EU für Italien vorgezeichnet. Als sicher kann gelten, dass die EZB notfalls noch mehr Geld druckt, um ihre Ankäufe italienischer Staatsanleihen auszuweiten. Auf der anderen Seite kann die neue Regierung in Rom sich berechtigte Hoffnungen machen, mehr Spielraum zum Schuldenmachen eingeräumt zu bekommen.

Ausgerechnet der Rück­zug von Renzi nach seinem verlorenen Verfassungsreferendum dürfte ein solches Szenario sogar leichter gemacht haben. Renzi hat wie kein anderer Regierungschef in der Euro-Zone während seiner Amtszeit gegen die Einhaltung der europäischen Haushaltsregeln Front gemacht. Sein Tonfall hat dabei ein Entgegenkommen von Kanzlerin Merkel oder Finanzminister Wolfgang Schäuble praktisch unmöglich gemacht. Jedes Zugeständnis in Richtung Rom wäre in der deutschen Öffentlichkeit vermutlich wie ein Einknicken gegenüber italienischen Forderungen wahrgenommen worden. Inzwischen sind Spekulationen aufgekommen, dass nach dem Rücktritt Renzis Brüssel und Berlin ihr Gesicht wahren können, wenn sie der italienischen Regierung eine Lockerung in der Fiskalpolitik zugestehen.      Norman Hanert


Fast ein Prozent für Brüssel
Europaparlament berät eigene Steuer für die Euro-Zone

Im Schatten von Brexit und TTIP-Verhandlungen läuft derzeit im Parlament der Europäischen Union der Versuch, innerhalb der Euro-Zone einen neuen Transfermechanismus zu installieren. Schon im Februar könnte über einen Fahrplan zur Vertiefung der Währungsunion abgestimmt werden, der aus Sicht von Kritikern auf eine Daueralimentierung vor allem der südeuropäischen Euro-Länder hinauslaufen würde.

Anlass für solche Befürchtungen ist ein Entwurf aus der Feder der französischen Sozialistin Pervenche Berès zur Vertiefung der Währungsunion, der im Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments beraten wird. In dem Papier der Französin wird ein eigenes Budget für die Euro-Zone als ein „entscheidendes Element“ bei der Weiterentwick­lung der Währungsunion bezeichnet.

Die Idee eines eigenen Haushalts für die 19 Euro-Länder, häufig auch als Fiskalkapazität bezeichnet, ist keineswegs neu. Aus Frankreich hat es in den letzten Jahren mehrere Vorstöße in diese Richtung gegeben. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte im Jahr 2015 signalisiert, er sei bereit, langfristig deutsche Steuereinnahmen für einen eigenständigen Etat der Eurozone abzutreten. Erst im vergangenen Sommer haben Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein französischer Amtskollege Jean-Marc Ayrault erneut den Vorschlag gemacht, für die Euro-Zone einen zusätzlichen Haushalt einzurichten. In einem Papier zur Weiterentwicklung der EU nach dem Ausstieg Großbritanniens argumentierten die beiden Chefdiplomaten, dass sich mit diesem Budget Konjunktureinbrüche in den einzelnen Mitgliedstaaten besser abfangen ließen. Allerdings ist zu befürchten, dass mit dem Eurozonen-Budget nicht nur zeitweilige, sondern permanente Transfers von Steuergeldern in Gang kommen. So ist angesichts der bisherigen Erfahrung nach der Einführung des Euro zu bezweifeln, dass Zahlungen aus dem Budget tatsächlich auf Konjunktureinbrüche befristet bleiben.

Zumindest momentan wird in Brüssel und Strassburg eine Variante diskutiert, gemäß der Staaten, die Zahlungen aus der Fiskalkapazität erhalten, die Mittel nach sieben Jahren wieder zurückzahlen sollen. Sowohl im Umgang mit den Maastrichtkriterien, aber auch beim EU-Stabilitätspakt hat sich allerdings gezeigt, dass Regierungen regelmäßig eine Art von Ausnahmezustand geltend machen, der die Einhaltung von Vereinbarungen momentan nicht möglich macht.

Aufhorchen lassen auch Aussagen von EU-Parlamentariern, denen zufolge der Eurozonen-Haushalt fast ein Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung umfassen soll. Zusätzlich zu dem bestehenden EU-Haushalt würde damit ein Budget entstehen, das für die Deutschen neue Milliardenzahlungen bedeuten würde.

Im Zuge des Eurozonen-Budgets ist auch die Einführung einer EU-weiten Arbeitslosenversicherung angedacht. Aus Sicht des rumänische Abgeordneten der Europäischen Volkspartei Siegfried Muresan setzt eine derartige Versicherung die Harmonisierung der Sozialversicherungs- und Rentensysteme voraus.           N.H.


Vorsicht vor der Datenkrake
Was passiert, wenn Banken auf Profile in sozialen Netzwerken zugreifen

Das sogenannte „scoring“, also die Einschätzung der Kreditwürdigkeit von Kunden, ist nichts Neues. Bislang werden jedoch die privaten Profile in den sozialen Medien nicht angezapft. Gleichwohl interessieren sich dafür gerade junge Finanzdienstleister, die mit neuen Technologien ins Kreditgeschäft drängen. Auch große Unternehmen wie Facebook oder Apple denken darüber nach. So hält Facebook seit Mitte 2015 ein Patent über einen Algorithmus zur Auswertung von privaten Facebook-Accounts zur Bewertung der Kreditwürdigkeit. Damit würden die eigene Kreditwürdigkeit anhand der Facebook-Freunde und ihres Leumunds sowie persönlicher Details wie Wortschatz, Konsumgewohnheiten und anderes eingeschätzt werden. Apple ließ sich ein Verfahren patentieren, nach dem es die Finanzdaten von iPhone- oder iPad-Nutzern für personalisierte Werbeanzeigen nutzen will. Man bekäme dann nur Werbung für Produkte zu sehen, die man auch bezahlen kann.

Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz haben nun untersucht, wie sich Menschen unter solchen Umständen verhalten würden. Diese Studie wurde an der Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre zusammen mit Studenten des Masterstudiengangs Finance durchgeführt. An ihr nahmen 271 Personen teil, zum Teil Studenten, aber auch Menschen aus anderen beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen. Alle Teilnehmer waren internetaffin, hatten einen Facebook-Account und betrieben Online-Banking. Die Befragung hatte zwei Stufen. In der ersten Stufe wurden die Teilnehmer mit einer Situation konfrontiert, in der sie ein teures Gerät auf Kredit kaufen wollten und zur schnellen Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit der Bank Zugriff auf ihr Facebook-Profil geben sollten.

„Die meisten fanden das vernünftig“, sagt Professor Dr. Friedrich Thießen über die Ergebnisse. „Dreißig Prozent waren strikt dagegen.“ Für viele, so Thießen weiter, war es eine Frage der Fairness. „Wenn man seinen Facebook-Account öffnet, soll etwas Vorteilhaftes passieren, nichts Negatives.“ Etwa 50 Prozent würden ihren Account nicht manipulieren, 30 Prozent dagegen schon.

In der zweiten Stufe hatten die Befragten dann nicht mehr die Wahl. Stattdessen konnte ihre Bank nun routinemäßig auf Face­book zugreifen und Freunde, Fotos, Bewegungsprofile, Vorlieben und sogar Rechtschreibung in die Bewertung einbeziehen. Nun, so Thießen, sagten etwa 60 Prozent der Teilnehmer, sie würden ihren Auftritt manipulieren. Etwa ein Drittel wollte Freunde löschen und mehr auf Rechtschreibung achten. 30 Prozent würden gezielt Seiten mit Karriere- und Bildungsinhalten häufiger mit „gefällt mir“ markieren.

Allerdings gab es auch gegensätzliche Standpunkte. So lehnten es 52 Prozent ab, Freunde auf Facebook zu löschen, und 71 Prozent der Befragten waren dagegen, gezielt Personen mit gutem Leumund Freundschaftsanfragen zu stellen, um sich dadurch bei einer Kreditanalyse Pluspunkte zu sichern. Aber trotz allem würden zwischen 30 und 40 Prozent der Befragten ihr Facebook-Profil schönen, so Thießen. Friedrich List


MELDUNGEN

Chinesen kaufen Osram nicht

München – Der Widerstand von Belegschaft, Gewerkschaften und Politik hat sich ausgezahlt: Chinesische Finanzinvestoren haben ihre Bemühungen um eine Mehrheitsübernahme an dem Lichttechnikkonzern Osram aufgegeben, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Derzeit ist offen, ob die ehemalige Konzernmutter Siemens ihren Restanteil an dem Unternehmen einem chinesischen Investor anbieten wird. Die Chinesen könnten sich zunächst mit einer Minderheitsbeteiligung begnügen und dafür den Anteil von 17,5 Prozent von Siemens kaufen, den das Unternehmen noch an Osram hält. J.H.

 

Steueroasen blühen weiter

Oxford – In den vergangenen 25 Jahren sind die durchschnittlichen Firmensteuersätze in den G20-Ländern von 40 Prozent auf unter 30 Prozent gesunken. Das geht aus einem Bericht der globalen Entwick­lungsorganisation Oxfam hervor. Demnach gehören zu den wichtigsten Steueroasen auch die EU-Mitgliedstaaten Niederlande, Schweiz, Irland und Luxemburg sowie die Kanalinsel Jersey. Ganz oben auf der schwarzen Liste stehen die Bermudas und die Kaimaninseln.   J.H.


S. 8 Forum

Teure Lösung
von Manuel Ruoff

Man muss kein Anhänger der Linkspartei sein, um mit ihr dagegen zu sein, dass die Stromerzeuger für einen Pauschbetrag aus der Verantwortung für die Atommüllentsorgung entlassen werden. Denn damit wäre der einzige Spieler aus dem Rennen, der an einer bezahlbaren Lösung der Frage in absehbarer Zeit ein Interesse hat.

Dass der Staat zu Großprojekten kaum noch in der Lage ist, wissen wir spätestens seit BER und Stuttgart 21. Bei der Atommüllentsorgung kommen jedoch zwei problemverschärfende Faktoren hinzu. Da ist zum einen die Launenhaftigkeit der Politik gerade in diesem Bereich. Man denke nur an das Kernkraftwerk Kalkar, das fertiggestellt wurde, um dann nie in Betrieb zu gehen, oder das Atommüllendlager Gorleben, in das einerseits viel Geld investiert wird und das andererseits immer wieder grundsätzlich in Frage gestellt wird. Besonders problematisch ist jedoch, dass eine sowohl kostengünstige als auch endgültige Atommüllentsorgung den Interessen von Schwarz-Rot-Grün widerspräche, denn durch sie könnten Zweifel an der „Alternativlosigkeit“ der immer teurer werdenden Energiewende in Deutschland aufkommen.


Entwertung
von Thomas W. Wyrwoll

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, beklagt die inflationäre Vergabe guter Schulnoten, vor allem in den Bundesländern mit den schlechteren Schulen. Er fürchtet zu Recht um die weitere Anerkennung des sogenannten Reifezeugnisses. So ist in Berlin während der letzten zehn Jahre ein Notendurchschnitt von 1,0 beim Abitur vierzehnmal häufiger geworden. Freilich stehen auch andere Bundesländer dieser Entwicklung nur wenig nach: Das Niveau wird abgesenkt, die Noten werden angehoben. Diese Entwertung ist eine zwangsläufige Folge der deutschen Schulpolitik, der zufolge praktisch jeder das Abitur haben soll.

So steigt die Bildungsinflation: Lag die Abiturientenquote 1950 noch bei fünf Prozent, erreichten 1990 gut 30 Prozent der Abschlussjahrgänge auf verschiedenen Wegen eine Studienberechtigung. Inzwischen „studiert“ gar rund die Hälfte aller Schulabgänger.

Oder sie machen etwas, was sie dafür halten: Seit Jahren beschweren sich Hochschullehrer darüber, dass über 90 Prozent der Studenten nicht studierfähig seien. In der Folge fahren auch die Universitäten ihr Niveau immer weiter in den Keller. Statt dass man Fächer unterhalb eines echten wissenschaftlichen Ni­veaus wie Betriebswirtschaft oder Theologie aus den Universitäten auslagert, wertet man die für solche Disziplinen prädestinierten Fachhochschulen dem Namen nach zu Universitäten auf und gewährt ihnen gar das Promotionsrecht. Ein zunehmender Wust von qualitätsarmen Institutionen vergibt daher auf allen Ebenen Zeugnisse und Titel, die fast nichts mehr belegen.


Wie bei George Orwell
von Florian Stumfall

Trotz einer Hochleistungs-Presse und ebensolchen elektronischen Medien, die obendrein bei den entscheidenden Fragen der Gegenwart einer auffällig gleichförmigen Meinung sind, scheinen die Bürger Europas Opfer einer umfassenden Desinformations-Kampagne zu sein. Das ist zumindest aus den Anstrengungen zu schließen, die von verschiedenen Seiten unternommen werden, um dem Übel abzuhelfen. Überflüssig zu sagen, wer schuld daran ist: Russland, wer sonst?

Da für Europa und speziell für Deutschland das Heil aus den USA kommt, gilt es auch in dieser Sache, sich dort ein Beispiel zu nehmen. In der zweiten Hälfte des nun ausgehenden Jahres haben die zuständigen Autoritäten eine Web-Seite geschaltet, die den Bürgern Auskunft gibt bei der alles entscheidenden Frage: „Is It Propaganda Or Not?“. Dort werden fast 20 Adressen angeführt, die verdächtig sind, sie seien Teil einer „breit angelegten Kampagne, die online russische Propaganda in die amerikanische Gesellschaft einfließen lässt“. Es sei lebenswichtig, dass diese Anstrengung als das entlarvt werde, was sie sei: „eine geplante Anstrengung, US-Bürger über russische Interessen zu täuschen“.

Eine Prospektionsliste also, ein Pranger, auf dem unabhängige Journalisten stehen wie Alex Jones, das renommierte Ron Paul Institute for Peace and Pros­perity, gegründet von dem früheren Kongressabgeordneten Ron Paul, oder auch ein Publizist wie Ronald Reagans früherer stellvertretender Finanzminister und Mitbegründer seines wirtschaftspolitischen Programms (Reaganomics), Paul Craig Roberts. Sie und andere sind vom politischen Dialog ausgeschlossen, was sie sagen und schreiben ist „Propaganda“, russische Propaganda, selbstredend.

Das USA-Beispiel wird von der EU eilfertig nachgeahmt. Schon seit einem Jahr gibt es hier eine Task Force für „Strategische Kommunikation“, diese stellt ein eigenes Referat des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) dar. Aufgabe dieser Einrichtung ist es, die russische Propaganda, oder was man als solche erkannt zu haben glaubt, in der EU zu bekämpfen. Am 21. November wurde in das Europäische Parlament ein Initia-tivantrag eingebracht, der zum Ziel hat, die EU zu weiteren Maßnahmen zu ermächtigen. Eingeschlossen sind Aufforderungen an die nationalen Regierungen, auf gesetzgeberischem Wege die „Ausbreitung von Propaganda“ zu bekämpfen. Das Wahrheitsministerium des George Orwell ist Wirklichkeit geworden.


Frei gedacht
Weihnachten, Fest der Liebe?
von Eva Herman

Weihnachten 2016. Das Fest der Liebe? Hierzulande sollten wir lieber von dem Fest des Kommerzes, der Gewinnmaximierung, des Materialismus sprechen. Niemals in der Geschichte des Einzelhandels ist so viel Geld ausgegeben worden wie zu Weih­nachten 2016. Wilder Trubel in kalt erleuchteten Geschäften, lange Schlangen an bunt geschmückten Geschenk-Verpackungsstationen, Last-Christmas-Beschallung allerorten, Besorgungen in letzter Minute, hektisches Treiben draußen wie drinnen. Eigentlich ist alles wie immer, oder? Das Fest der Liebe: Alles rennet, rettet, flüchtet, um dann endlich erschöpft pustend unter den festlichen Weihnachtsbaum zu fallen.

Wer aber an die Macht des Himmels glaubt, der kann sich vielleicht vorstellen, wie man dort oben von uns hier unten denken mag. Wer erinnert sich noch der eigentlichen Bedeutung der Weihnacht. In diesem Wort schwingt so viel Geheimnisvolles und gleichzeitig unfassbar Großes für uns Menschen: Weihe-Nacht, die geweihte Nacht, Geburtsstunde der Liebe Gottes auf Erden. Vor über 2000 Jahren berührte der Fuß des Lichtsohnes den Boden dieser Welt, in der Stunde der höchsten Not. Die Menschen waren damals ver­strickt in Elend, Not, Hass und Lüge, zahlreiche Fehden erschütterten die Erdteile. Die Menschen kämpften. Sie kämpften, so wie auch wir es heute tun. Christus kam, um den Menschen den Weg der Wahrheit, heraus aus dem Dunkel, zu zeigen. Er wollte uns den schmalen Pfad des Lichtes weisen, den Weg nach oben, zu seinem Vater. Wissen wir, was das bedeutet? Der Weg führt zu ewigem Leben. Ewiges Leben? Was wissen wir schon davon? Ist denn nicht alles vorbei, wenn wir hier das Zeitliche gesegnet haben, fragt man sich.

Der Gottessohn erklärte uns die einfachen Regeln, nach denen wir als Gast in dieser Welt leben dürfen: Es sind die ewig gültigen Natur-, die Schöpfungsgesetze. Wer diese befolgt, wird dem irdischen Elend entfliehen, heißt es. Wichtigste Botschaft: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wer sie befolgt, kann nicht fehlgehen, so einfach ist das. Was wissen wir heute von dieser Botschaft noch? Und wie groß ist unser Wunsch, mehr darüber zu erfahren, mehr auch über die Weiten des Himmels und die Möglichkeiten des menschlichen Geistes, dorthin zu gelangen? Wie viel hilft uns die bisherige Darstellungsweise des offiziellen Christentums noch weiter? Ist es eventuell an der Zeit, umzudenken, mehr zu erforschen, seinen Geist weiter zu öffnen, als dies bisher aus Sicht des offiziellen Christentums, der amtlich eingesetzten Pfarrer, Bischöfe, Päpste, erlaubt ist? Müssen die Wege der Zukunft nicht auch endlich in die Erforschung des Übernatürlichen, des bislang Unsichtbaren, führen, heraus aus den fesselnden, rein auf Materialismus beruhenden Ansichten? Die Zeichen der Zeit weisen schon den Weg.

So schrieb der Erzbischof von Bamberg, Karl Braun, im Jahre 2010 das Vorwort zu einer Biografie des Paters Frumentius Renner. Daraus veröffentlichte die Erzabtei St. Ottilien folgende seiner mutigen Gedanken:

„Der Theologe Karl Rahner schrieb: ,Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.‘ Dieses bekannt und häufig zitierte Wort möchte ich im Blick auf den unvergessenen Pater Frumentius Renner so interpretieren: Der Christ der Zukunft muss übernatürlich denken, oder er wird die Prüfungen, denen sein Glaube ausgesetzt sein wird, nicht bestehen. In unserer Zeit, in der auch Christen oft fixiert sind auf das Sichtbare, Machbare sowie empirisch Belegbare und von einem übernatürlichen Heilsglauben in eine vermenschlichte Religiosität zurückfallen, in eine Religion innerhalb der Grenzen der ,reinen Vernunft‘ (Kant), in ein Christentum ohne Übernatur – in einer solchen Zeit ist die Wiedergewinnung des Transzendenten, dessen also, was über unsere fünf Sinne hinausgeht und sie übersteigt, von äußerster Dringlichkeit. Wie der Fisch im Wasser, so lebte Pater Frumentius in dem geheimnisvollen Raum des Glaubens, der ein Überzeugtsein von Dingen ist, die man nicht sieht. Was wir auch als gläubige Menschen oft leichthin und unreflektiert sagen, dass es nämlich außer unserer sichtbaren Welt auch eine unsichtbare Welt gibt, war ihm ständig und lebendig bewusst. Der Heimgegangene schaute im Glauben durch die sichtbaren Dinge, durch alles Vordergründige hindurch auf die Tiefen des Mysteriums Gottes. So öffneten sich ihm Einblicke in die Welt des Unsichtbaren und in das wunderbare Handeln Gottes gerade auch da, wo es kaum jemand ahnt. Er traute Gott und seinen Heiligen viel mehr zu als wir das gewöhnlich tun – auch das beinahe Unglaubliche, von dem viele in ihrer Befangenheit durch Rationalismus und Glaubensmangel meinen, dass es ein Märchen aus früheren Zeiten sei.“

Fühlt es sich nicht endlich richtig an, diese Reise in das geistige Abenteuer zu wagen? Nicht in zerklüftete Felsenteile der Esoterik oder in trübe Gewässer des Okkultismus soll es gehen, sondern in die reale Welt der Naturgesetze, die seit Urzeiten diese Erde zusammenhalten.

Wir Menschen haben doch den Weg ins Hohe und Edle lange schon verloren, unser Weg, wie wir ihn bisher gingen, ist nachweislich also falsch. Schauen wir uns ruhig einmal um auf der Erde, sehen wir uns unsere eigenen Werke an: Krisen, Krieg und Katastrophen umgeben uns. Wo einst, zu Beginn des menschlichen Seins, Licht war, herrscht jetzt Dunkel. Längst haben wir uns an die grausamen Schlagzeilen gewöhnt. Wie der Frosch, der im Wassertopf langsam zum Kochen gebracht wird, bemerken wir kaum noch die tägliche Steigerung des Unfassbaren. Steigerung, aber wohin führt diese? Nicht nur die großen Umwälzungen der Welt sind es, die unser Leben verändern und bedrücken, auch im ganz persönlichen Umfeld brechen die Systeme zusammen: Zusammenhalt, Wärme, Verantwortung, Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe, sie verkümmern, werden ersetzt durch Kälte, Rücksichtslosigkeit, Egoismus. Wir frieren.

Nun spüren wir zunehmend Furcht, können sie manchmal kaum noch in Worte fassen, vor allem jetzt, an Weihnachten. Ein unauslöschliches Sehnen nach Frieden und Freiheit, nach dem wahren Glück, zersprengt uns fast die Seelen, jeden Tag ein kleines Stückchen mehr. Und wir ahnen, dass die Stunde nicht mehr fern sein kann, in der alte Prophezeiungen lebendig werden. Wo ist der Retter? Wo ist der Erlöser? Wer hilft uns heraus aus diesem Chaos?

Wir können den neuen Weg wählen. Gehen wir ihn beherzt, den Blick nun nach oben, ins Helle, Lichte gewandt. Noch ist es ein zaghaftes Erwachen, ein leises Ahnen, das Aufdämmern des neuen Morgens, das uns gerade in den Weih-nachtstagen wieder ergreift. Doch hier und da wird der Schleier schon durchrissen und wir erkennen für Augenblicke einen hellen Strahl. Lichte Hände berühren die Saiten der Seelen und bringen sie zum Klingen. Zerbrochene Herzen heilen, wunde Geister erstarken. Altes Wissen erwacht, Verheißungen raunen Dir zu: Erinnere Dich, mach Dich bereit, die Stunde des Lichtes auf Erden ist nicht mehr weit. Halt durch, damit Du den Retter, den König aller Könige, rechtzeitig erkennst. Mein Buchtipp zu diesem Weg: „Menschheit im Umbruch, Perspektive durch Intuition“ von Milorad Krstic. Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten!


S. 9 Kultur

Licht ins Chaos
Kunstgenuss im Hochsicherheitsbereich – Köln rüstet sich mit Lichtinstallation für das kommende Silvester

Die Silvesternacht 2015 dürfte als einer der schwärzesten Tage in Köln nach dem Krieg in Erinnerung bleiben. Sexuelle Übergriffe auf Frauen und chaotische Verhältnisse rund um Dom und Hauptbahnhof machten weltweit Schlagzeilen. Die Verantwortli­chen wollen jetzt mit allen Mitteln verhindern, dass sich dieses Chaos in der kommenden Silvesternacht wiederholt.

Dazu haben Vertreter von Stadt und Polizei ein Konzept erarbeitet, das jetzt offiziell vorgestellt wurde. Demnach wird die Polizei ihre Einsatzkräfte auf rund 1500 Polizisten aufstocken. Zehnmal so viele wie im vergangenen Jahr. Schon im Juni, so erklärte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Ma­thies, habe er die „größtmögliche Verfügbarkeit“ zum Jahresende angeordnet. Er versicherte, dass die Beamten „konsequent einschreiten, wenn jemand sich rück­sichtslos oder aggressiv verhält“.

Die Feuerwehr wird mit mehr als 400 Rettungskräften präsent sein. Die Stadt Köln will zusätzlich etwa 550 Mitarbeiter des Ordnungsamtes und privater Sicherheitsfirmen auf Streife schicken. Und speziell für Frauen soll es, wie schon zu Karnevalszeiten, Ansprechpartner geben, die auf den Straßen unterwegs sind. Auch eine Telefonhotline wird eingerichtet. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist zuversichtlich: „Jeder, der Hilfe benötigt, wird Hilfe bekommen. Dafür werden wir sorgen“.

Damit nicht genug Sicherheit. Eine Schutzzone um den Dom soll eingerichtet werden. In diesem Bereich sind Böller und Feuerwerk verboten. Durch Absperrgitter soll nur noch ein kontrollierter Zugang an und in die Kathedrale möglich sein.

Gesperrt für Fußgänger wird auch die Hohenzollernbrücke, die den Hauptbahnhof mit der rechten Rheinseite in Deutz verbindet. Von dieser Brücke – ein beliebter Aussichtspunkt für das Silvester-Feuerwerk – zog im vergangenen Jahr eine große Menschenmenge direkt in den Hauptbahnhof und maximierte das dort bereits vorherrschende Chaos.

Am Hauptbahnhof und um den Dom wird es in diesem Jahr mehr Videoüberwachung geben. Technik für über eine Million Euro wurde angeschafft. Auch die Bundespolizei, zuständig für die Sicherheit im Hauptbahnhof, setzt stärker auf Videotechnik. Zum Jahreswechsel sollen Beamte mit Bodycams (Körperkameras) zum Einsatz kommen. Wolfgang Wurm von der Bundespolizei: „Wir werden in unserem Aufgabenbereich auf jeden Fall die Kontrolle behalten und die Bürger schützen.“

Seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember hängen zudem in vielen Zügen, die Köln anfahren, Zuversicht und Optimismus verbreitende Plakate: „Kommt gut ins Neue Jahr! Fröhlich und sicher Silvester feiern in Köln.“ Wohl denn.

Fröhlich und sicher in Köln feiern? Hört sich gut an. Zweifel daran sind angebracht. Denn fast 3000 uniformierte und zivile Sicherheitskräfte, Absperrgitter, Videoüberwachung, Sperrzonen, Verbote und und und – das klingt eher nach Festung oder Gefängnis als nach Feiern. Eher nach Friedhofsruhe als nach Fröhlichkeit.

Die Verantwortlichen der Stadt Köln hatten dann auch Sorge um das Ansehen Kölns als „weltoffene“ Kunst- und Kulturstadt. Ein künstlerisches Angebot musste her. Für die Buchung markanter Konzerte war es bereits zu spät. Das ungewöhnliche Angebot des Berliner Lichtkünstlers Philipp Geist kam wie gerufen.

Sein Projekt „Time Drift Cologne“ bringt Licht in den dunklen Abend und die Nacht zu Silvester. 15 Großprojektoren sollen nach Einbruch der Dunkelheit ab 17 Uhr sogenannte „Schlüsselworte“ sowie Zeichen, Formen und Farben auf die Freiflächen vor und neben dem Dom einblenden.

Bis zum 28. Dezember können alle Interessierten ihre Ideen beisteuern. Begriffe, Worte, Slogans erbittet der Künstler an: deinwortfuerkoeln@videogeist.de.

Einige der bisher genannten Begriffe: Maternus, Miteinander, Heimatgefühl, Toleranz, Nippes (ein Kölner Stadtteil), Hoffnung, Zuversicht und so weiter.

Gleichzeitig zu den Projektionen werden Videos auf den Fassaden des angrenzenden Römisch-Germanischen Museums und des Domforums gezeigt. Die Domumgebung ist somit hell erleuchtet, was Delikte im Schutz der Dunkelheit erschweren soll.

Die musikalische Untermalung besorgt der Elektronik-Musiker Martin Gretschmann. Auch die Domglocken und einige Kölner Chöre kommen zum Einsatz.

Die Vision des Künstlers heißt „Licht-Traum-Raum“. Geist: „Die beste Antwort auf Schrecken wie im letzten Jahr ist, mit einem positiven Kunstereignis andere Bilder zu entwickeln.“ Ähnlich sieht es Oberbürgermeisterin Reker. Sie nannte die geplante Lichtinstallation einen „besonderen Kunstgenuss“.

Das Lichtspektakel soll rund 225000 Euro kosten und das ramponierte Image der Stadt Köln re­parieren. Die Oberbürgermeisterin ist überzeugt, „dass es uns gelingen wird, Köln wieder zu dem zu machen, was es ist: Köln ist mehr als der Silvesterabend im vergangenen Jahr.“ Hoffentlich nicht mehr Chaos. Sonst wäre der geplante „Traum“ ein Albtraum.

                Siegfried Schmidtke


Sittenlose Malergesellen
Ausstellung in Schweinfurt entdeckt die »Décadence« in der Kunst

Den antiken Helden Perseus verwandelt der ostpreußische Maler Lovis Corinth in einen komischen mittelalterlichen Rittersmann. Auf einem Gemälde Franz von Stucks entpuppen sich ehrenwerte Damen und Herren der wilhelminischen Gesellschaft als volltrunkene Anhänger des Weingottes Bacchus. Und Max Klingers Radierung zeigt ein Skelett, das offenbar auf den Schienen liegt, um einen Zug entgleisen zu lassen.

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts revoltierten bildende Künstler „gegen die Erwartungen des Staates, der Kirchen und des Bürgertums, in ihren Werken nur Schönes, Idealisiertes und Erbauliches darzustellen“, wie Wolf Eiermann erklärt. Er ist Kurator der Schau „Lockruf der Décadence. Deutsche Malerei und Bohème 1840–1920“ im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. Sie zeigt 135 Gemälde und Zeichnungen der genannten Jahre von 64 mehrheitlich deutschen Künstlern.

Eiermann betritt Neuland, in­dem er den sonst nur in der Literaturwissenschaft gebräuchlichen französischen Begriff „Décadence“ auf das Schaffen bildender Künstler anwendet. Sie gehörten zumeist der Bohème an, waren also Vertreter eines unkonventionellen Künstlermilieus. Deren „Dekadenz“, verstanden als das Untergraben scheinbar un­umstößlicher geistiger, moralischer und kultureller Werte, beurteilt Eiermann als „Befreiungsschlag gegen das Ideal des pädagogisch Wertvollen“. Bei einigen Bildern wird einem allerdings nicht klar, was an ihnen dekadent sein soll. Dazu gehören jene die Freikörperkultur feiernden Ge­mälde Ludwig von Hofmanns.

Völlig undekadent wirkt auch Anselm Feuerbachs Kompositionsstudie „Das Gastmahl des Plato“ (1865). Rechts stellt der Maler eine betuliche Philosophenrunde um Sokrates dar. Von links stürmt der angeheiterte Alkibiades mitsamt ausgelassenem Gefolge ins Bild. „Dekadent“ wird das erst, wenn man weiß, dass die dargestellten Figuren während des Gastmahls über homoerotische Liebe philosophierten. Sexuelle Aktivitäten unter Männern galten zur Entstehungszeit des Bildes als Unzucht. Ebenso Beziehungen unter Frauen. Und die deutet wohl dezent Franz von Stucks Gemälde „Zwei Tänzerinnen“ (1896) an. In farbenfroh transparenten Gewändern umkreisen sie sich in einer Art „Balztanz“. Aber vielleicht ist dieser Eindruck ja nur vom Ausstellungsthema nahegelegte ge­dankliche Dekadenz des Be­trachters.

Paradebeispiel dekadenter Bildkunst ist Corinths „Bacchantenpaar“ (1908). Ein eigentümlich ausstaffierter Mann hat sich vor uns aufgebaut und grölt. In der Rechten hält er einen Weinkelch. Sein Haupt ist mit Weintrauben geschmückt. Um den Eindruck noch zu verstärken, sinnenfroher Anhänger der griechisch-römischen Antike zu sein, hat er sich ein Manteltuch umgeworfen. Links präsentiert sich uns ausgesprochen freizügig seine fröhlich lachende Gespielin. Bei den enthemmten Herrschaften handelt es sich um Herrn und Frau Lovis Corinth. Eiermann erläutert: „Bacchantische Orgien wurden als Befreiung vom Diktat des Sittlichen gemalt.“ Veit-Mario Thiede

Bis 8. Januar im Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, Schweinfurt. Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Eintritt:

7 Euro, Telefon (09721) 514820 In­ternet: www.museumgeorgschaefer.de. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet im Museum 29,90 Euro, im Buchhandel 39,90 Euro.


Das Moralekel
Jane-Austen-Verfilmung »Love & Friendship«

Die Romane Jane Austens entfalten 200 Jahre nach ihrer Entstehung eine geheime Anziehungskraft für das Kino. Anders ist nicht zu erklären, dass seit Mitte der 1990er Jahre ein Werk nach dem anderen verfilmt wird. 1995 glänzten Hugh Grant und Kate Winslet in „Sinn und Sinnlichkeit“, ein Jahr später überzeugte Gwyneth Paltrow als Ehekupplerin „Emma“, 2005 kam Keira Knigthley in „Stolz und Vorurteil“ groß heraus, ehe dieses Jahr mit „Stolz und Vorurteil und Zombies“ aus Austens Liebesstoff ein Horrorfilm wurde.

Nachdem auch die restlichen drei großen Austen-Romane „Persuasion“ (Überzeugung), „Mansfield Park“ und „Northanger Ab­bey“ filmisch „abgefeiert“ sind, kommt am 29. Dezember mit „Love & Friendship“ (Liebe und Freundschaft) die Verfilmung des frühen unvollendeten Briefromans „Lady Susan“ der britischen Autorin in die Kinos. Diesmal kann man von einer gelungenen Resteverwertung sprechen. Kate Beckinsale, die schon als Emma in einer gleichnamigen TV-Produktion Austen-Erfahrung ge­macht hat, schwimmt dabei ein gegen den Strom der Er­wartung an. Sind fast alle Austen-Heroinen sympathische Glückssucherinnen, so ist sie hier als verwitwete Lady Susan so etwas wie ein verworfenes Moral­ekel. Um ihre Tochter und sich selbst zu verheiraten, schmiedet die Lady einen intriganten Plan, der am Ende in einer amüsanten Pointe mündet.

Der US-Regisseur Whit Stillman lockert seinen statischen Kostümfilm – die Figuren stehen bei den Dialogen wie angewurzelt herum – mit solch humorvollen Einfällen wie Einblendungen von Briefzeilen auf, dass am Ende ein höchst ansehnliches Ergebnis dabei herauskommt. Der Film macht Lust auf weitere Austen-Verfilmungen, auf die man 2017, wenn im Juli Austens 200. Todestag gedacht wird, sicher nicht lange wird warten müssen.          Harald Tews


Treffsicherer Spätzünder

Ein Star des Literaturbetriebs ist Heimito von Doderer nie gewesen. Das lag auch daran, dass sein literarisches Licht nur kurz aufflackerte. Der 1896 geborene österreichische Autor war ein Spätzünder, der sich mit den Romanen „Die Strudlhofstiege“, „Die Dämonen“ und „Die Merowinger“ einen Platz in der Literatur der Nachkriegszeit geschaffen hat. Da war er schon weit über 50 Jahre. Ähnlich wie seine Landsleute Joseph Roth oder Robert Musil gelang ihm ein bis heute von vielen Lesern bewunderter Abgesang von barocker Sprachgewalt auf das Habsburgerreich.

Ähnlich exaltiert wie seine umfangreichen Werke war auch das Leben des Autors, der vor 50 Jahren am 23. Dezember in Wien gestorben ist. Er gefiel sich als konservativer Lebemann mit sa­domasochistischen Neigungen und inszenierte sich als Bogenschütze nur mit Lendenschurz bekleidet. Seine Teilnahme als Offizier in zwei Weltkriegen und seine Mitgliedschaft in der NSDAP schadeten ihm später nicht. Er stand zu seinen Schwächen und Irrtümern. Nachzulesen ist das jetzt in den neuen Biografien von Klaus Nüchtern („Kontinent Doderer. Eine Durchquerung“, C.H. Beck Verlag, 352 Seiten, 28 Euro) und Eva Menasse, („Heimito von Doderer“, Deutscher Kunstverlag, 88 Seiten, 22 Euro). Bei C.H. Beck ist für 190 Euro das erzählerische Werk in neun Bänden erschienen.           H. Tews


Vier Nullen gegen die Bank

Sind ihm die Ideen ausgegangen? Weshalb sonst hatte Wolfgang Petersen die schwache Er­leuchtung, einen Filmstoff aufzuwärmen, den er vor 40 Jahren schon einmal ins Kino gebracht hat? Am ersten Weihnachtstag startet seine Komödie „Vier gegen die Bank“ in den Kinos, bei der es sich um eine Neuauflage jenes gleichnamigen Films von 1976 handelt, in dem Walter Kohut, Harald Leipnitz, Herbert Bötticher und Günther Neutze unter Petersens Regie einen höchst vergnüglichen Ban­kencoup landeten.

Im neuen Film hat Petersen neben Jan Josef Liefers die Crème de la Crème des aktuellen deutschen Komödiantenstadls um sich versammelt: Til Schweiger, Matthias Schweighöfer und Michael „Bul­ly“ Herbig. Das Verlierer-Quartett schlägt tapfer gegen eine Bank zu­rück, die es um seine Ersparnisse gebracht hat und das den Raub mit Hilfe von Laptops und Smartphones dem fiesen Bankdirektor (Thomas Heinze) in die Schuhe schiebt. Vor 40 Jahren, als es solche modernen Hilfsmittel noch nicht gab, muss alles schwieriger gewesen sein, dafür aber auch lustiger.

Der neue Film ist schick ge­macht und durchaus zum Schmunzeln, aber letztlich doch von boulevardesker Kurzlebigkeit. Im Vergleich zu Petersens Arbeiten wie „Das Boot“, „Die unendliche Ge­schichte“ oder Hollywood-Block­bustern wie „Air Force One“ und „Troja“ ist dieser Film eine Petitesse im Werk Petersens. Nach zuletzt fruchtlosen Jahren als Produzent und Regisseur in den USA blieb er mit seinem ersten deutschen Film nach über 30 Jahren weit unter seinen Möglichkeiten.             H. Tews


S. 10 Geschichte & Preussen

Glücksfall oder Katastrophe?
Vor 25 Jahren wurde im weißrussischen Belowesch das Ende der Sowjetunion besiegelt

Vor 25 Jahren besiegelten im weißrussischen Belowesch die Vertreter Russlands, der Ukraine und Weißrusslands das Ende der Sowjet-union. Diser Tage gedenkt man in Ost und West der Ereignisse von damals, die das Weltgefüge nachhaltig verändert haben.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Zerfall der Sowjetunion wiederholt als geopolitische Katastrophe bezeichnet. Westliche Politiker werfen ihm vor, am Aufbau einer Sowjetunion mit modernerem Antlitz zu arbeiten. Vieles in seiner aktuellen Politik befeuert solche Interpretationen: Die Geschichte der Oktoberrevolution in Schulbüchern wurde umgeschrieben, Lenin und Stalin werden heroisiert. In Putins dritter Amtszeit ist die Pressefreiheit eingeschränkt, Oppositionelle werden zielstrebig bekämpft. Russland rüstet kräftig auf. Für seine Maßnahmen, die der Wiedererstarkung des Landes als Weltmacht dienen, wird Putin vom russischen Volk verehrt. US-amerikanische Magazine bezeichnen Putin derzeit als mächtigsten Mann der Welt.

Die Mehrzahl der Russen wertet die Ereignisse von 1991 und die Rolle Gorbatschows anders als der Westen: Durch Glasnost und Perestrojka seien sowjetische Werte und berufliche Karrieren zerstört worden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion ging dann auch noch ihre Selbstachtung verloren. Anlässlich des 25. Jahrestages des Abkommens von Belowesch wurden viele Interviews geführt, allen voran mit dem letzten Staatsoberhaupt der UdSSR und Vater der Perestrojka, Michail Gorbatschow, aber auch mit anderen Politikern, welche die Ereignisse hautnah miterlebt haben. Es ging um die Frage, ob das Ende der Sowjetunion als historischer Glücksfall im Sinne einer demokratischen Befreiung zu werten sei oder ob es eine geopolitische Katastrophe ausgelöst habe. 

Am 8. Dezember 1991 hatten sich der damalige russische Präsident Boris Jelzin, sein ukrainischer Amtskollege Leonid Kraw-tschuk und der Vorsitzende des Obersten Rats der Republik Weißrussland, Stanislaw Schuschkewitsch, hinter dem Rücken des bereits entmachteten Gorbatschow – der sich verzweifelt um den Zusammenhalt der Union bemühte – getroffen, um ein Abkommen zu unterzeichnen, in dem die Auflösung der Sowjetunion und die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beschlossen wurden. Ihre Absicht war es, den ohnehin unaufhaltbaren Zerfall der Sowjetunion durch die Gründung des neuen Staatenbündnisses zu kompensieren.

Immer mehr Sowjetstaaten hatten ihre Unabhängigkeit erklärt. Waren es 1990 zuerst die baltischen Staaten, gab es nach dem Augustputsch des Jahres 1991, mit dem eine Gruppe von Funktionären der Kommunistischen Partei versucht hatte, die Macht an sich zu reißen und Staatspräsident Gorbatschow abzusetzen, kein Halten mehr. Eine Republik nach der anderen erklärte ihre Unabhängigkeit. Da der Putsch dank Boris Jelzins entschlossenem Handeln abgewendet werden konnte, war der Zerfall der UdSSR nun nicht mehr aufzuhalten. Den Todesstoß erhielt das Staatenbündnis weniger durch die Unterzeichnung des Abkommens von Belowesch, als durch die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine. In einem am 1. Dezember 1991 durchgeführten Referendum hatten die Ukrainer zu 90 Prozent für die Unabhängigkeit gestimmt. Mit dem Austritt der Ukraine, welche mit Russland, Weißrussland und Transkaukasien 1922 zu den Gründern der Sowjetunion gehörte, hatte das Bündnis sein wichtigstes Bindeglied neben Russland verloren. Zum 31. Dezember 1991 endete die Existenz der Sowjetunion offiziell.

Gorbatschow, 25 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion nach seiner Wertung befragt, spricht auch heute noch von einem Komplott, von Betrug und Verrat. Während er im Westen als derjenige gefeiert wird, der den Kalten Krieg beendet und seinem Volk die Freiheit gebracht hat, wird er zu Hause für das Auseinanderbrechen der UdSSR verantwortlich gemacht. Doch das lässt er nicht auf sich sitzen: „Ich übernehme keine Verantwortung für den Zerfall der Sowjetunion. Mein Gewissen ist rein. Ich habe die Sowjetunion bis zum Ende verteidigt. Sie zu reformieren und zu erneuern war möglich und nötig“, sagte er in einem Interview. Gorbatschow hält es für sein Verdienst, keinen Bürgerkrieg riskiert zu haben. „Mein Sieg besteht darin, dass ich die Macht abgegeben habe.“

Askar Akajew, von 1990 bis 2005 Präsident Kirgisiens, hält die Belowescher Vereinbarung nicht für eine geopolitische Katastrophe. Der Vertrag habe nur einen Punkt hinter die Geschichte der UdSSR gesetzt, die ohnehin nicht mehr zu retten gewesen sei. Im Gegenteil: Hätte es die Unterschriften nicht gegeben, wäre das Land nicht zivilisiert und fast ohne Blutvergießen zerfallen, sondern es wäre zu einem Bürgerkrieg wie in Jugoslawien gekommen.

Igor Bunin, Experte des Gorba-tschow-Fonds von 1991 bis 1993, hält das Belowescher Abkommen für eine notwendige Voraussetzung für Wirtschaftsreformen, die mit Gorbatschow nicht zu machen gewesen seien. Das Abkommen habe überdies dazu gedient, den Präsidenten der bisherigen Sowjetrepubliken Vollmachten zu erteilen und die wichtigste Frage zu klären, wer die Macht über die Atomwaffen behalte. Es wurde entschieden, die Kontrolle vollständig an Russland zu übergeben, das diese bis heute hat.

Ruslan Chasbulatow, Vorsitzender des Obersten Sowjets von 1991 bis 1993, interpretiert den Zerfall der Sowjetunion als globale Ka-tastrophe, da er das bipolare Gleichgewicht in der Weltpolitik zerstört habe. Solange es die Sowjetunion gegeben habe, seien es die beiden miteinander konkurrierenden Systeme der USA und der UdSSR gewesen, welche die Terrororganisationen in Schach gehalten hätten. Teile seien von den USA kontrolliert worden, andere von der UdSSR. Dann aber habe sich alles auf die einzige verbliebene Weltmacht USA konzentriert, die ihre Rolle als Weltpolizist nicht habe erfüllen können, sondern selbst Schwäche gezeigt hätten. Die Folgen des fehlenden Gleichgewichts könnten wir heute weltweit beobachten. Damit spielt er auf die Entstehung des Islamischen Staates an.

Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage, der Spannungen zwischen Russland und den USA, die in Syrien einen Stellvertreterkrieg führen, ist Chasbulatows Theorie nicht ganz von der Hand zu weisen. Putins Erfolge allen Sanktionen zum Trotz deuten darauf hin, dass es ihm gelingen wird, die „Katastrophe“ von 1991 zu korrigieren, indem er die unipolare Weltordnung in eine bipolare verwandelt und ein Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellt.

                Manuela Rosenthal-Kappi


Zufallshit für die Ewigkeit
Dieses Jahr jährte sich der Todestag des Textdichters von »O du fröhliche«, Johannes Daniel Falk, zum 190. Mal

Dem Perückenmachersohn Johann Daniel Falk aus Danzig, der wegen Armut der Eltern schon mit zehn Jahren die Schule verlassen und als Schneiderlehrling mitverdienen musste, sollte es beschieden sein, mit einem einzigen Lied in der Christenheit aller Konfessionen bis heute unvergessen zu bleiben: „O du fröhliche“

Falk wurde am 28. Oktober 1768 geboren. Sein Vater duldete nicht, dass der hochbegabte und strebsame Junge sich weiterbildete. Aber jeden ersparten Pfennig verwandte er für Bücher, die er heimlich unter einer Straßenlaterne nachts las – zu Hause war es ihm verboten. Durch vermögende Geschäftsleute und Gönner, die seine Begabung erkannten, kam er dennoch später auf ein Gymnasium, studierte dann evangelische Theologie, ausgestattet mit einem Stipendium des Danziger Rates. Er zog nach Weimar, wo sich eine tiefe Lebenswende anbahnte, als die Franzosen und Spanier im Oktober 1806 die Stadt besetzten und die Bevölkerung ausplünderten. Falk sammelte Lebensmittel, Verbandszeug und Arzneien in großem Umfang, um den schlimmen Notständen zu begegnen, sodass er hohes Ansehen bei Freund und Feind erwarb und dank seiner vorzüglichen französischen Sprachkenntnisse zum Vermittler zwischen seinen Landsleuten und den Besatzungstruppen wurde. Auch Wolfgang von Goethe bezeugte ihm seine Verehrung.

Im Jahre 1813 verlor Falk vier seiner fünf Kinder durch eine heimtückische Krankheit. Ähnlich wie der große Wohltäter Friedrich von Bodelschwingh, dem in zwei Wochen vier Kinder verstarben, erfuhr er durch dieses harte Los eine zweite Wende in seinem Leben: Er wurde barmherzig. Nach einem völligen gesundheitlichen Zusammenbruch sammelte er in seinem Haus verirrte und verwahrloste Kinder, gründete einen Hilfsverein, den auch Goethe unterstützte, erwarb ein leerstehendes Anwesen und bot 100 Kindern Herberge und Heimat. Seine Dichtkunst stellte er ganz in den Dienst der Kinder. Es wurde viel gesungen nach seinen Texten. Als zu Weihnachten 1819 ein fahrender Musikant auftauchte, der mit seiner Drehorgel eine sizilianische Volksweise vorspielte, gefiel sie Falk so gut, dass er ganz spontan dazu den Text schrieb, der ihn unvergessen machen sollte: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, Christenheit! ...“ Falks Lied entstand also ebenso zufällig-augenblickshaft wie Mohrs und Grubers Lied „Stille Nacht“ (siehe PAZ Nr. 51/52, 2002). Ohne sein Wissen und Wollen fand „O du fröhliche“ bald Eingang in viele andere Waisenhäuser, Kindergottesdienste und Kirchen. 57-jährig starb Johann Daniel Falk am 14. Februar 1826 in Weimar.             

                PAZ


Scheil-Vortrag zum Nachlesen

Inzwischen ist die Antifa im angeblich demokratischsten Staat, der je auf deutschem Boden existierte, in der Lage, Bürger daran zu hindern, sich einen Vortrag des „Geschichtsrevisionisten“ Stefan Scheil anzuhören (siehe PAZ Nr. 48). Wenigstens haben die Bundesbürger und die anderen der deutschen Sprache Mächtigen (noch) die Möglichkeit, Scheils Reden nachzulesen.

Die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft Ostpreußen hat in ihrer kleinen Broschürenreihe mit Vortragsmanuskripten, in der auch schon Texte von Hartmut Fröschle und Gerd Schulze-Rhonhof über die Deutschen in Polen in der Zwischenkriegszeit sowie die Bedeutung von Danzig und Ostpreußen für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erschienen sind, nun Scheils Vortrag zum Thema „Deutschland, Polen und England. Das Jahr 1939 – Polens Ambitionen und der Weg zum Krieg“ zum Nachlesen auf den Markt gebracht.

Scheil nähert sich dem Verhältnis zwischen Polen, England und Deutschland im Jahre 1939 sowie dem Weg in den Zweiten Weltkrieg in seinem Vortrag „im Wesentlichen in drei Schritten“, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen:

„Erstens mit einem einleitenden Hinweis auf die Methoden und Grenzen geschichtswissenschaftlicher Erkenntnis, auch in Bezug auf ein Ereignis wie den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, das im Allgemeinen als vollständig beschrieben gilt.

Dann werde ich zweitens auf die Debatten eingehen, die es im Fach Geschichte tatsächlich immer wieder zu diesem Punkt gegeben hat, die sich aber nie zu einer umfassenden Forschungsdebatte ausgewachsen haben, in der alle Aspekte ergebnisoffen berücksichtigt worden wären. Es war in den letzten Jahren der Schwerpunkt meiner Arbeit zum Thema, eine Synthese dieser Debatte vorzulegen.

Schließlich werde ich in einem dritten Schritt mit Blick auf das Jahr 1939 anhand der Beziehungen zwischen den drei genannten Staaten erläutern, warum die gängigen Deutungen des deutschen Angriffs auf Polen meines Erachtens unzureichend sind.“

Ergänzt wird der Vortrag von einem Vorwort des Vorstands der Landsmannschaft Ostpreußen in Nordrhein-Westfalen, einer kleinen Biografie des Autors, Hinweisen auf weitere Veröffentlichungen aus seiner Feder sowie Illustrationen zeitgenössischer Quellen.

Die zwei Euro teure 32-seitige Broschüre kann bei der Landsmannschaft Ostpreußen – Landesgruppe NRW e.V., c/o Brigitte Gomolka, Buchenring 21, 59929 Brilon, Telefon (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Buero@Ostpreussen-NRW.de, bestellt werden. M.R.


S. 11 Geschichte & Preussen

»Dem deutschen Volke«
Vor 100 Jahren erhielt der Reichstagsgiebel seine Inschrift – Norbert Lammert lud aus diesem Anlass zu einem Kolloquium ein

Mitten im Ersten Weltkrieg, vom 20. bis 24. Dezember 1916, wurde die vom Reichstagsarchitekten Paul Wallot für einen Sinnspruch vorgesehene Stelle auf dem Querbalken über dem Westportal des Reichstagsgebäudes mit den Worten gefüllt: „Dem deutschen Volke“ 100 Jahre später lud der derzeitige Hausherr, Bundestagspräsident Norbert Lammert, aus diesem Anlass zu einem Kolloqium ein unter der Überschrift „Dem Deutschen Volke. Dem Deutschen Volke?“

Die künstlerische Ausführung der Widmung des Reichstages wurde dem seinerzeit bekannten  Jugendstilkünstler Peter Behrens übertragen, dessen Werk von Türklinken bis zu ganzen Industrieanlagen reichte. Die einzelnen Buchstaben sind 60 Zentimeter hoch. Sie wurden in der jüdischen Bronzegießerei Loevy gegossen, und zwar aus französischen Kanonen, die in den Befreiungskriegen erbeutet worden waren. Das Unternehmen Loevy, eines der Großen in seiner Branche, wurde 1939 „arisiert“. Der letzte Firmeninhaber, Ernst Loevy, wurde in einem NS-Vernichtungslager ermordet.

Anlässlich des 100. Jubiläums der Inschrift, die wie durch ein Wunder alle Wirren von Krieg und Nachkriegszeit fast schadlos überstand, lud Bundestagspräsident Norbert Lammert zu einem vom Vorsitzenden der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, Ulrich Schöler, moderierten Kolloquium  ein, in dem darüber diskutiert werden sollte, was denn heute „deutsch“ bedeute. Lammert erinnerte daran, dass der Reichstag 1894 ohne jeden Schriftzug eingeweiht worden ist, weil es über die passende Formulierung zu keiner Einigung kam. Jahrelang wurden ergebnislos Vorschläge diskutiert wie „Dem deutschen Volke“, „Dem Deutschen Reich“, „Der Deutschen Einigkeit“ oder „Der Deutschen Nation“.

Der frühere DDR-Bürgerrechtler, Philosoph und evangelische Theologe Richard Schröder blick­te auf die unterschiedlichen Willensbekundungen bei den Demonstrationen in der DDR im Herbst 1989 zurück, bei denen sich „Wir sind das Volk“ rasch in „Wir sind ein Volk“. Schröder verwandelte. Er betonte, dass dieses „ein Volk“ anfangs gar nicht auf die deutsche Nation gemünzt gewesen sei, sondern dass die Demonstranten gegen­über Stasi und Volkspolizei hätten deutlich machen wollen, dass sie alle zusammen – auf welcher Seite auch immer – doch ein Volk seien. Demokratie, so Schröder dezidiert, zeige sich heute nun einmal in der repräsentativen Demokratie. Ein „Volkswille“, wie auch immer begründet, sei doch zunächst einmal nicht mehr als ein „Konstrukt“.

Nach Ansicht des in Berlin lehrenden niederländischen Sozialwissenschaftlers und Migrationsforschers Ruud Koopmans wird das Thema Nationalstaat heute nicht zuletzt als Reaktion auf die für viele Menschen bedrohliche Globalisierung wieder intensiv dis­kutiert, und dann entweder in fast schon kosmopolitischer Weise oder in engem nationalstaatlichen Rahmen. Für jede Gesellschaft, somit auch für die deutsche, gelte, dass sie für ihr Volk übersichtlich und begreifbar bleiben müsse. Das sei angesichts von immer mehr Flüchtlingen und Immigranten gewiss nicht leicht und verlange auch von diesen eine „Anpassungsleistung“, um akzeptiert zu werden und um sich hier eine neue Existenz aufbauen zu können.

Ihm stimmte die an der Universität Münster lehrende syrischstämmige Lehrerin, Islamwissenschaftlerin und Publizistin Lamya Kaddor ausdrücklich zu. Es sei keineswegs zu viel verlangt, von den nach Deutschland kommenden Menschen, sofern sie auf Dauer bleiben wollen, eine gewisse Identifizierung mit der neuen Umgebung zu erwarten.

Angesichts des schwer zu fassenden Themas und der Kürze der Zeit konnte man froh sein, dass die Diskutanten, zu denen auch der Rechtswissenschaftler und Richter am Bundesverfassungsgericht Dieter Grimm sowie der Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität Berlin Christoph Möllers gehörten, ihre Positionen vortragen konnten. Eine völlige Übereinstimmung konnte, wie wohl kaum anders zu erwarten, nicht erreicht werden.

Mit Blick auf die Reichstagsinschrift erinnerte Lammert in seinem Schlusswort daran, dass um die Jahrtausendwende im Parlamentsgebäude ein weiterer, allerdings dann etwas anderer Akzent zum Thema Volk und Bevölkerung gesetzt worden ist. Im Jahr 2000 hat der Konzeptionskünstler Hans Haacke im nördlichen Lichthof des Reichstags in einen gewaltigen Kasten den ebenfalls im Schriftstil von „Dem Deutschen Volke“ gefassten Schriftzug „Der Bevölkerung“ gesetzt. Der Kasten ist mit Erde gefüllt, welche die damaligen Bundestagsabgeordneten, die sich an der Aktion beteiligen wollten, aus ihren Wahlkreisen herbeigeschafft hatten. Damals war die Aktion heftig umstritten. Lammert selbst hatte  von einer „skurrilen Bundesgartenschau“ gesprochen, andere Abgeordnete argwöhnten „NS-Bodenrituale“. Als es im Plenum zur Abstimmung kam, wurde der Antrag gegen Haackes Kunstwerk mit der denkbar knappen Mehrheit von 260 gegen 258 Stimmen abgelehnt. Heute ist der Schriftzug von Pflanzen und Büschen eingerahmt und wirkt eher wie eine grüne Insel inmitten der gewaltigen Mauern.           Dirk Klose


Mit Schafen mehrte er nicht nur seinen Wohlstand
Vor 150 Jahren verstarb mit Magnus von Brünneck ein Befreiungskrieger, Unternehmer, Politiker und Vertrauensmann des Staates

Zu den Halbvergessenen der Geschichte, deren Namen und Leistungen heute weithin im Dunkel der Zeit zu versinken scheinen, gehört Oberburggraf Magnus von Brünneck, den der Oberpräsident der vereinigten Provinzen West- und Ostpreußen, Theodor von Schön, einmal scherzhaft in Anerkennung der Verdienste um die Landwirtschaft den „Oberschafmeister“ Preußens nannte.

Der am 28. Januar 1786 in Brandenburg an der Havel geborene zweite Sohn des späteren Generalfeldmarschalls und Amtshauptmanns von Liebenwalde und Zehdenick Wilhelm Magnus von Brünneck und dessen Ehefrau Charlotte geborene von Pannewitz wurde in seiner Erziehung nach dem frühen Tod der Mutter im Jahre 1796 stark von seinem Vater geprägt. So besuchte Brünneck in Königsberg neben dem Privatunterricht in der elterlichen Wohnung die damalige Militärschule, nahm an Vorlesungen von Pädagogen, Philosophen und Historikern an der Universität teil. Nicht ohne Einfluss blieben auch der freundschaftliche Verkehr Immanuel Kants im väterlichen Hause und die Vorlesungen, die sich der im hohen Alter stehende Vater in der Gouverneurswohnung halten ließ.

Brünneck trat im März 1802 in die preußische Armee als Junker im Blücherschen Husarenregiment ein, wurde Regimentsadjutant und persönlicher Adjutant Gebhard Leberecht von Blüchers, für den er zeitlebens eine hohe Verehrung bewahrte. Im Sommer 1810 erhielt Brünneck den nachgesuchten Abschied und bereitete sich in dieser Zeit auf den landwirtschaftlichen Beruf vor, nahm zu zahlreichen Fachleuten Kontakt auf, denn mit der Kündigung der Pacht der väterlichen Güter Willkühnen und Bellschwitz sollte er deren Bewirtschaftung übernehmen.

Diese Pläne wurden jedoch unterbrochen, denn 1813 wurde er als Kommandeur einer Kavallerieabteilung einberufen. Im Juni 1817 erhielt er dann den Abschied als Oberst und übernahm unter überaus schwierigen Bedingungen und ungünstigen Zeitverhältnissen die Bellschwitzer Güter. Die Schuldenlast war erdrückend, die Erträge reichten nicht aus, die notwendigen Ausgaben und Hypothekenzinsen zu decken. Die Ersparnisse aus der Militärzeit und geliehene Gelder bildeten das erforderliche Betriebskapital, mit dem er innerhalb kurzer Zeit aus bescheidenen Anfängen ein ansehnliches Unternehmen aufbaute.

Obwohl man ihn in der Umgebung verspottete und ihm seinen baldigen Bankrott weissagte, ging Brünneck unbeirrbar seinen Weg. Er stellte den gesamten Betrieb von der Dreifelderwirtschaft auf Fruchtwechselwirtschaft und bei den geringen Gewinnen aus dem Getreideanbau auf die Zucht veredelter Schafe um.

Angeregt durch ein Werk des Staatsrats und Professors Albrecht Thaer, des bedeutenden Lehrmeisters der deutschen Landwirtschaft, wurde Brünneck in dem neuen Produktionszweig bald ein geachteter Fachmann, ein landwirtschaftlicher Unternehmer moderner Prägung. Als ein Orkan im Februar 1818 und eine Feuerbrunst im März 1821, der die gesamte Schäferei in Jacobau zum Opfer fiel, sein Werk fast vernichteten, waren Freunde da, die Hilfe leisteten. Inzwischen war man aber auch behördlicherseits aufmerksam geworden und nun bestrebt, mit Unterstützung seine Erfolge in ihrer Bedeutung für die gesamte Provinz anzuerkennen.

Der ehemalige Oberst, dem man am wenigsten irgendwelche Schaf- und Wollkenntnisse zugetraut hatte, war bald der beste Schafzüchter Ost- und Westpreußens, dessen Zuchttiere bis in die baltischen Gebiete guten Absatz fanden. Die Einnahmen aus der Schäferei wuchsen von Jahr zu Jahr, die Bellschwitzer Wolle erzielte auf den Märkten in Berlin, Danzig und Königsberg erste Preise, begründete den neuen Wohlstand der Familie.

Die aus der Schafzucht erzielten Gewinne dienten dem Schuldenabtrag und wurden im Übrigen im landwirtschaftlichen Betrieb verwandt. Moderne technische Mittel fanden auf Bellschwitz ebenso Eingang wie der vom Gutsherrn stark befürwortete Wechsel des Wirtschaftssystems infolge der Bauernregulierung, bei der Brünneck den liberalen Gedanken gegen alle Hemmnisse von Seiten der Kommission und der Behörden für seinen Besitz durchsetzte.

Als im Jahre 1823 Schön die Frage an ihn richtete: „Auf welchem Wege ist das landwirtschaftliche Gewerbe in unserer Provinz zu heben und wodurch sind die Besitzer am sichersten zu unterstützen?“, lautete die Antwort: „Durch Schafe!“ Und so betrieb Brünneck als Vertrauensmann des preußischen Staates mit Unterstützung des mit ihm verwandten Oberpräsidenten den Ankauf von mehr als 9000 Zuchtschafen für die Landwirtschaft, die bald zur Verbesserung der nahezu trostlosen Situation der Provinz beitrugen. Mehrere Ankaufreisen nach Mitteldeutschland, nach Schlesien und Polen führte Brünneck in diesem speziellen Auftrage durch.

Schön urteilte nach Beendigung des Ankaufgeschäftes im Jahre 1824: „Sie haben wieder wie ein braver Mann gehandelt, wie ich im Voraus überzeugt war.“ Die Anzahl der Schafe in der Provinz Preußen betrug 1816 noch 782341 Tiere, 1831 bereits 1549068 und 1858 sogar 2839827. Dass die Landwirtschaft in Ost- und Westpreußen aufgrund der völligen Missernte 1837/38 nicht zugrunde gerichtet wurde, dass die Landschaftszinsen in diesem Jahr allgemeiner Notlage dennoch pünktlich eingingen, waren diesem verdienstvollen Mann und seiner Arbeit zuzuschreiben.

„Merkwürdig ist es, dass in diesem schlechtesten Jahre, welches ich in Preußen erlebt habe, die Landschaftszinsen in diesem Weihnachtstermin seit dem Jahre 1806 so gut eingegangen sind. Wenn man nun fragt: ,Wie geht das zu?‘, so antworten die Leute: ,Das machen die Schafe.‘ Sie Oberlandes-Schafmeister, freuen Sie sich!“ schrieb Schön aus Königsberg am 25. Februar 1838 an Brünneck.

Zu der Zeit, als Brünneck weite, große Erfolge als Landwirt erntete, öffnete sich ihm die dritte Ebene seines reichen Lebens – die erfolgreiche landwirtschaftliche Tätigkeit führte den in seiner Heimat nicht nur innerlich stark verhafteten Gutsbesitzer zur Politik. Es ist wohl ein Mitverdienst des Bellschwitzer Gutsherrn, wenn das politische Leben in Ost- und Westpreußen bei allen Meinungsverschiedenheiten eine ruhige, stetige, aber ziel- und planvolle Entwicklung nahm.

Der Ausbau des heimatlichen Straßen- und Wegenetzes – die Forderung an die Regierung, binnen fünf Jahren 100 Meilen Chausseen zu bauen – ging auf Brünneck zurück, ebenso die Verstärkung und Sicherung der Grenzen, die Reformen in der Kirchen- und Schulgesetzgebung und der Bahnbau Berlin–Königsberg über Küstrin. König Friedrich Wilhelm III. übertrug ihm vom Sterbebett aus am 13. Mai 1840 die ständische Würde des Oberburggrafen des Königreiches Preußen, eine hohe Anerkennung für das unablässige Wirken und den steten Einsatz für seine Heimat.

Brünneck blieb trotz aller Aufgaben und Ehrungen aber stets der mit der Zeit gehende Landwirt und streng kalkulierende Unternehmer. Als einer der ersten Gutsherren wandte er auf seinen Gütern Methoden an, die einen neuen Aufschwung des Betriebes einleiteten und für die Provinz Maßstäbe setzten. Brünneck förderte in Bellschwitz Kirche und Schule, sorgte für neue, bessere Wohnmöglichkeiten.

Als er am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1866 verstarb, verlor Preußen nicht nur einen angesehenen freigesinnten Politiker aus der Zeit der Reformideen, sondern auch einen Wegbereiter im Wandel der Agrarwirtschaft, einen wagemutigen, zielstrebigen und erfolgreichen Planer.  PAZ


S. 12 Leserforum

Leserforum

Bei Krankenversicherungen sind Bürger die Verlierer, Immigranten die Gewinner

Zu: Die auf der Strecke bleiben (Nr. 48) und: „Untypische Beitragserhöhungen“ (Nr. 48)

Die heimlichen Herrscher sind nicht nur die US-amerikanischen Unternehmensberater. Unter anderem gehören auch viele ausländische Investoren dazu. Das ist doch aber nicht Neuland. In Deutschland laufen wir nicht nur Gefahr vor einer „Fremdbestimmung“, sondern wir befinden uns bereits mitten drin. Der Bürger ist natürlich der Leidtragende.

Es ist ja solange nicht her, dass uns Kanzlerin Angela Merkel erklärt hat, dass den deutschen Bürgern durch den „Flüchtlingsstrom“ keine Nachteile entstehen. Flüchtlinge aus dem Irak oder Syrien kosten das Gesundheitswesen viel Geld. Auch Flüchtlinge sind und werden krank (oder sind schon krank eingereist). Woher kommt das Geld?

Der Staat bedient sich über die Beiträge zur Krankenversicherung. Dafür müssen die Berufstätigen bis zu zwölf Stunden täglich arbeiten, und selbstverständlich muss auch der Rentner, der 30, 40 und mehr Jahre gearbeitet hat, dazu beitragen, während der größte Teil der Flüchtlinge nicht arbeitet und auch nie arbeiten wird.

Außerdem haben wir ja auch noch die Moslems zu schultern, die schon lange vor 2015 hier eingereist sind. Auch von diesen Menschen arbeitet ja nur ein geringer Teil. Also müssen die Beiträge zur Krankenversicherung erhöht werden. Der Bürger ist wieder der Leidtragende.

Warum jammern die privaten Krankenversicherungen und ihre Mitglieder? Keiner wird gezwungen, eine solche Versicherung abzuschließen. Wer eine private Krankenversicherung abschließt, geht ein Risiko ein. Die Niedrigzinspolitik ist die eine Seite für die geplante Beitragserhöhung.

Als weitere Ursache die steigenden Leistungsausgaben zu benennen, ist schon bemerkenswert. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass viele Leistungen und Behandlungen überflüssig sind und man sie als „kann man machen, muss man aber nicht“ bezeichnen muss. Hier kann ich keinen Leidtragenden entdecken.

Für Obdachlose ist dann natürlich kein Geld mehr vorhanden. Obdachlose gibt es nicht erst seit 2015. Obdachlose gibt es in unserem Staat nicht. Sie werden „totgeschwiegen“. Vielleicht sollten die Obdachlosen auswandern und als Moslems zurückkehren. Es ginge ihnen erheblich besser.

Heinz-Peter Kröske, Hameln

 

 

In Westpreußen

Zu: Nato in Elbing (Nr. 48)

Sie schreiben, dass die Führung einer Division zur Sicherung der Ost-Flanke des Nato-Bündnisses von Ostpreußen aus erfolgt, nämlich aus Elbing. Aber hier irren Sie sich wie immer manche Zeitgenossen, die Elbing, Marienburg, Marienwerder oder Stuhm wie auch den größeren Teil der Frischen Nehrung fälschlich als ostpreußisches Gebiet betrachten. Als Westpreuße, der das benachbarte Ostpreußen schätzt, bitte ich Sie, einen Blick auf die Geschichte der Preußenheimat im Osten Deutschlands zu werfen. Jeder Patriot liebt seine Heimat und freut sich, wenn diese mit den richtigen Namen benannt wird.

Dietmar Neumann, Neu Wulmstorf

 

 

Von der Rekonstruktion der historischen Stadtmitte kann Berlin nur profitieren

Zu: Bund und Berlin streiten um Mitte (Nr. 47)

Es ist unverständlich, welche Dissonanzen es zwischen Bund und Berlin zur zukünftigen Gestaltung der historischen Mitte Berlins gibt. Ausgelöst durch das entstehende Humboldtforum ist die derzeitige städtebauliche Situation des eigentlichen Kerns des alten Berlins richtigerweise in den Blickpunkt gerückt, und es besteht die Gefahr des Abgleitens zu einem merkwürdigen Streitobjekt zwischen dem Bund und der Stadt Berlin.

Eigentlich ist zu begrüßen, dass der Bund geldliche Mittel für die Errichtung der Bauakademie, der Schlossarkaden und für die Verlegung des Neptunbrunnens an seinen ehemaligen Standort zur Verfügung stellt, dies als Beitrag der anzustrebenden identitätsbildenden Rückgewinnung dieses wichtigen Stadtraumes. Die unterschiedlichen Ansichten der Kon­trahenten bei der Frage der Gestaltung des Umfeldes für das Humboldtforum verwundern. Hier sieht Berlin als Sachwalter des öffentlichen Raumes eine völlige Versteinerung des Umfeldes vor, obwohl wesentliche Relikte des ehemaligen Umfeldes wie die Rossebändiger, derzeit im Schöneberger Kleistpark, noch vorhanden sind.

Auch wird interessant sein, wie Berlin sich mit der unbefriedigenden Fläche des Rathaus-Forums, dem historischen Marienviertel, positionieren wird. Ein wohl verbesserter Erhalt der bisherigen Grünfläche zwischen dem Fernsehturm und der Ostseite des Schlosses kann dem Geist des Ortes kaum gerecht werden, weil eigentlich nur eine Rekonstruktion nach dem historischen Grundriss diesem genügen kann. Die heutigen Touristenströme bewegen sich schon jetzt vermehrt in Berlin-Mitte. Man kann sich schon gut vorstellen, wie dieser Bereich mit einer identitätsstiftenden Bebauung und einem entsprechenden Gastronomieangebot eine gute Anlaufstelle für Besucher und Einheimische werden kann.

Berlin sollte sich, wenn es nur um die Rückgewinnung von Stadt/Stadtgestalt zentraler verlorengegangener Bereiche geht, bei jeglichen Planungen an positiven Beispielen wie Braunschweig (Schlosspark), Potsdam (Alter Markt mit Schloss), Dresden (Neuer Markt mit Frauenkirche) und auch dem heutigen Königsberg mit seinen Planungen der Rückgewinnung alten Stadtraums orientieren, damit die Berliner Mitte ihre verlorengegangene Bedeutung wieder zurückerhalten kann.

Vom zukünftigen Senatsbaudirektor wünscht man sich mehr historisches Bewusstsein als bisher bei den anstehenden Entscheidungen für die städtebauliche Zukunft des zentralen Bereiches der Hauptstadt.

Joachim Moeller, Berlin

 

 

Guter Virenschutz

Zu: Offenes Einfallstor für Jedermann (Nr. 49)

Im Jahr 2000 hatte ich in einer Woche drei Virenattacken, die den einzigen Zweck hatten, durch Belegung sämtlichen Speicherplatzes meinen PC lahmzulegen. Deren Sinn, außer einer Schädigung, vermag ich nicht zu erkennen. Weil ich auf einen funktionsfähigen PC angewiesen war, war das für mich spontan der Anlass, zwischen Arbeits- und Internet-PC zu trennen. Danach blieben solche Attacken aus. Vergeblich war die Anschaffung eines weiteren PCs dennoch nicht, hatte ich damit doch einen von außen nicht einseh- und nicht angreifbaren Arbeitsbereich.

Ob für ein auf einen allgemeinen Zugriff basierten und damit offenen Kommunikationssystem wie bei der Telekom eine solche Trennung möglich ist, vermag ich nicht zu beurteilen – ich vermute, eher nicht. Gänzlich unverständlich ist mir hingegen die schon mehrfach geäußerte Befürchtung, dass Versorgungsbetriebe und Krankenhäuser von einem völligen Ausfall oder auch nur von einer Erpressung bedroht sein können – Berichten zufolge geschah das bereits. Das kann doch nur bedeuten, dass die Unternehmen eine solche Trennung nicht vorgenommen haben.

Aber warum sollte man nicht beispielsweise ein Kraftwerk mit einem völlig autonomen System steuern können? Natürlich verursachte das einen erhöhten Arbeitsaufwand, weil unabdingbare Übernahmen aus dem Netz in den Arbeitsrechner dann manuell vorgenommen werden müssen (notfalls ausdrucken und einscannen). Soll aber etwa eine Personalersparnis geeignet sein, einen völligen Stromausfall mit unabsehbaren Folgen kompensieren zu können?

Eine solche Sorglosigkeit erscheint mir zumindest erstaunlich, man kann sie auch als sträflichen Leichtsinn werten; hier ist etwas nicht ausgewogen. Auch für den privaten Bereich ist ein zweites Notebook für die damit gewonnene Sicherheit nicht zu teuer. Dazu braucht man nur zu berücksichtigen, dass einem auch strafrechtsrelevante Inhalte untergejubelt werden können. Dann obliegt es obendrein dem Nutzer, sich gefälligst selbst gegen diese wehren zu müssen.

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski, Mülheim


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Hochhäuser am Schlossteich?
Bauzäune bei der ehemaligen Königsberger Stadthalle – Bürger prostestieren gegen Zersetzung der Stadt

Immer öfter kommt es in Königsberg zu Protesten gegen Bebauungspläne der Stadt. Auslöser der aktuellen Bürgerbewegung ist die Freigabe zweier Grundstücke  am Königsberger Schlossteich zur Bebauung mit Hochhäusern.

Die Protestbewegung gegen Neubauten im historischen Teil der Stadt Königsberg ist in eine neue Phase getreten. Eine Bürgerinitiative namens „Recht auf die Stadt“ gegen die Bebauung des Schlossteichufers hat sich mit einer Unterschriftensammlung direkt an den amtierenden Gouverneur Anton Alichanow gewendet: „Man nimmt den Bürgern Königsbergs die letzten verbliebenen Plätze, Orte zum Spazierengehen, den öffentlichen, für alle zur Erholung zugänglichen Raum. Entscheidungen werden nur zugunsten der Bauherren getroffen, was die Frage möglicher Korruptionssysteme aufwirft. Es verschwindet der für die Kultur und Geschichte der Stadt bedeutende Raum, einschließlich der Seen, der zentrale Teil der Stadt wird zerstört und der ihn umgebende historische Wallring, der darüber hinaus einen ökologischen Gürtel der Stadt bildet“, heißt es in dem Schreiben.

Ende Oktober wurde in Königsberg auf Initiative der Gebietsregierung eine öffentliche Anhörung über eine Funktionsänderung des Geländes rund um den Schloss-teich durchgeführt. Es ging um den Bau von Kultur- und Freizeiteinrichtungen, das heißt, die Liegenschaften sollten für die Bebauung freigegeben werden. Schon am 3. November hatte die Stadtverwaltung die Genehmigung zur Bebauung eines dieser Grundstücke erteilt. Wie sich herausstellte, kann die Stadtregierung auch die Schutzzonen um historische Denkmäler, Grünanlagen und Parks in bebaubare Grundstücke umwandeln. Am Ufer des Schlossteichs tauchte ein weiß-blauer Bauzaun auf, der ein großes Grundstück zwischen dem staatlichen Fernsehsender und dem Gebietsmuseum für Geschichte und Kunst abtrennt.

Als die Stadtregierung die stürmische Reaktion der Öffentlichkeit wahrnahm, führte sie eine Art „Komödie“ auf, in der jedem Beamten seine Rolle zugeteilt war. Der Hauptarchitekt der Stadt, Wjatscheslaw Genne behauptete, dass mit ihm niemand über die äußere Ansicht des Gebäudes verhandelt habe und er deshalb „beunruhigt“ sei. Gleichzeitig erklärte Bürgermeister Alexander Jaroschuk, dass an dieser Stelle „eines der schönsten Gebäude Königsbergs“ wiedererrichtet werde. Gemeint war das Gebäude des ehemaligen Hotels „Bellevue“, das sich ungefähr an dieser Stelle befunden hatte. Als Jaroschuk jedoch die Baustelle besuchte, stellte sich heraus, dass der Bürgermeister überhaupt nicht Bescheid darüber wusste, was dort gebaut werden soll. Das legen zumindest die Fragen nahe, die er den Vertretern der Baufirma stellte. So fragte er, ob die Fassade moderne Elemente enthalten wird, wie hoch das Haus wird und so weiter. Wie sich herausstellte, wird es ein Hochhaus mit neun oder zehn Etagen werden, in dem etwa 250 neue Luxuswohnungen entstehen. Und das, obwohl es auf dem städtischen Immobilienmarkt bereits ein Überangebot bei schleppender Nachfrage gibt. Darüber hinaus sind die Bilder, die der Bauherr vorgelegt hat, nur Skizzen. Wie das Gebäude am Ende aussehen wird ist schwer vorherzusagen.

Dennoch gab sich der Bürgermeister überaus optimistisch. In dem Bemühen, den Neubau in ein gutes Licht zu rücken, erzählte Jaroschuk, dass der Bauherr außer der Errichtung von Gebäuden sich auch um die Umgebung des Gebietsmuseums kümmern werde: Er werde neue Zäune um das Gebäude der Rundfunkanstalt ziehen, eine Bootsstation bauen und die Fassade einer der Schulen erneuern und noch vieles mehr. Für den Bauherrn war diese Nachricht eine echte Überraschung, da diese Verpflichtungen wohl nur in der Fantasie des Bürgermeisters existieren, aber nirgends vertraglich festgehalten wurden.

Die Einrichtung des Bauplatzes für die Häuser am Schlossteich fiel mit einer grundlegenden Neuverteilung der Zuständigkeiten im Baubereich zusammen. Unlängst hat die Gebietsregierung einen Gesetzentwurf präsentiert, demzufolge die Städte des Königsberger Gebiets fast vollständig die Kontrolle über den Bau von Anlagen auf ihrem Gebiet verlieren, das heißt, die Genehmigungen werden künftig Beamte der Gebietsregierung vergeben. Im Ergebnis berührt das Gelände um den Schlossteich die Interessen der Gebietsregierung, der Stadt, verschiedener Baufirmen und Planungsbüros, die dem einen oder anderen Zweig der Regierung angegliedert sind.

Ungeachtet der blumigen Versprechungen Jaroschuks, dass das Ufer des Schlossteichs an die Vorkriegszeit erinnern werde, nehmen die an Geschichte und Architektur ihrer Stadt interessierten Bürger das Projekt negativ auf. Sie befürchten, dass die Bauherren und die städtische Verwaltung nur mit den Sympathien für Historisches der Königsberger spielen, um dann doch ihre eigenen Ge-schäftspläne zu verwirklichen.

                Jurij Tschernyschew


Vom Thorner Frieden zu Martin Luther
Forschertreffen anlässlich des 550. Jahrestags des historischen Vertrags in Hohenstein

Mitte November fand im Rathaus von Hohenstein die wissenschaftliche Konferenz anlässlich des 550. Jahrestags des Zweiten Thorner Friedens unter dem Titel „Alltag in den alten preußischen Ländern. Die Nachbarschaft“ statt. An der Konferenz nahmen Dutzende Interessierte teil. Die Ergebnisse der Konferenz sollen veröffentlicht werden.

Die Konferenz wurde organisiert durch das Zentrum Wissenschaftlicher Forschungen, die Wissenschaftliche Gesellschaft Wojciech Ketrzynski in Allenstein und das Museum für Volksarchitektur – Ethnographischer Park in Hohenstein – , eine kulturelle Institution der Woiwodschaftsregierung des südlichen Ostpreußen.

Das Programm umfasste neun Vorträge der Forscher vom Zentrum Wissenschaftlicher Forschungen in Allenstein, der Universität Ermland-Masuren in Allenstein, des Museums für Volkskultur in Angerburg und der Wissenschaftlichen Gesellschaft.Woiciech Ketrzynski in Allenstein, die das Thema von verschiedenen Seiten präsentierten.

Die Veranstaltung wurde durch den Professor Stanisław Achremczyk von Zentrum Wissenschaftlicher Forschungen in Allenstein mit einem Vortrag unter dem Titel „Preußische Nachbarschaft – Königliches Preußen – Ermland – Deutschordensstaat und Herzogtum Preußen“ eröffnet.

Robert Klimek stellte die Grenzmarkierungen des bischöflichen Ermland in der heutigen Landschaft vor und der Vortrag von Danuta Bogdan hatte den Titel „Über eine gute Nachbarschaft im neuzeitlichen Wormditt“. Jerzy Kiełbik griff das Thema „Die Familie und die Familienbeziehungen in Rößel“ auf und der Professor Janusz Hochleitner befasste sich mit ausgewählten Themen aus dem ländlichen Alltag im Ermland des 12. bis 19. Jahrhunderts. Der Priester Marek Jodkowski beleuchtete das Zusammenleben zwischen Katholiken und Protestanten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Braunsberg und Jerzy Łapo berichtete über masurische Nachbarschaftsrechtsfälle des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Die letzten beiden Vorträge betrafen bereits die Zeitgeschichte. Die Themen waren: „Andere Nachbarn – neue und alte Bewohner des ehemaligen Preußens nach 1945“ von Jan Chłosta und „Block-Komitees zum Schutz der korrekten Beziehungen zwischen den Nachbarn“ des habilitierten Doktors Ryszard Tomkiewicz. Am Ende der Konferenz gabe es eine Dis-kussion über ein paar frühere Leitfäden.

Dies ist nicht das letzte Ereignis dieser Art. Am 30. September 2017 wird des 500. Jubiläums des Thesenanschlags Martin Luthers gedacht, dessen Thesen den Anfangspunkt der Reformation in Europa markieren. Um ein so wichtiges Ereignis für die europäische Zivilisation zu feiern, bereiten das Zentrum Wissenschaftliche Forschungen und die Wissenschaftliche Gesellschaft Wojciech Ketrzynski in Allenstein für den 21. und 22. September 2017 eine zweitägige wissenschaftliche Konferenz zum Thema „Reformation in Preußen“ vor, sowohl in Bezug auf das Herzogtum Preußen als auch das Königliche Preußen.

Laut den Veranstaltern sollen diese Konferenz interdisziplinär sein und die Vorträge eine breite Palette von Themen umfassen, also nicht nur die theologischen Fragen erörtern, sondern auch die Auswirkungen der Reformation auf die Entwicklung der Kultur im Bereich der nationalen Sprachen, Wissenschaft, Kunst, Musik beleuchten. Deshalb laden die Veranstalter zur Konferenz nicht nur Historiker und Theologen ein, sondern auch Philologen, Kunsthistoriker, Bibliothekare, Philosophen, Kulturtheoretiker und Musikwissenschaftler.

                Leszek Chaburski


MELDUNGEN

Ehrung für Saga-Gründerin

Bartenstein – Anfang Dezember fand die Bartensteiner Volontariat-Gala 2016 statt. Während dieser Veranstaltung erhielt Danuta Niewegłowska eine Sonderauszeichnung des Bartensteiner Bürgermeisters. Niewegłowska ist aktives Mitglied des deutschen Vereins in Bartenstein. 1996 hat sie die Volkstanzgruppe „Saga“ ins Leben gerufen und leitet sie ehrenamtlich bis heute. Zum Repertoire der Tanzgruppe gehören ostpreußische Volkstänze. Bei der Gruppe fing damals auch ihre Tochter Dorota mit zehn Jahren an, die heute Choreografin von Saga ist. Danuta Niewegłowska ist auch handwerklich begabt. Sie leitet viele Handarbeitswerkstätten für Kinder und Erwachsene des deutschen Vereins in Bartenstein sowie für andere deutsche Vereine. Sie engagiert sich für das Leben der deutschen Volksgruppe nicht nur in ihrer Heimatstadt, sondern auch auf der Regional-ebene. So leitet sie unter anderem die Sommerwerkstatt für Kinder der Deutschen Minderheit. Danuta Niewegłowska wurde 2014 bereits mit dem Silbernen Ehrenzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen ausgezeichnet.

                Edyta Gładkowska

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. S7: Liebemühl [Miłomłyn], Baustelle. Straße Nr. 7: Elbing [Elblag] – Jazowa, Baustelle; Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle; Osterode [Ostróda] – Hohenstein [Olsztynek], Baustelle; Zalusken [Załuski] –Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 7j: Zalusken [Załuski] – Neidenburg [Nidzica], Baustelle. Straße Nr. 15: Rheinsgut [Rynskie] – Mörlen [Morliny], Baustelle. Straße Nr. 16: Osterode [Ostróda] – Alt Jablonken [Stare Jabłonki], Baustelle. Straße Nr. 16c: Allenstein [Olsztyn] – Fittigsdorf [Wójtowo], Baustelle. Straße Nr. 51: Allenstein [Olsztyn] – Pagelshof [Ameryka], Baustelle. Straße Nr. 58: Hohenstein [Olsztynek], Baustelle. Straße Nr. 65: Goldap [Gołdap] – Treuburg [Olecko], Brückenbau.        E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es ist so, und es wird auch immer so bleiben: Weihnachten ist ein Fest, das unweigerlich Erinnerungen heraufbeschwört. Für die Ältesten unter uns an heiter-besinnliche Feiertage in der Geborgenheit einer behüteten Kindheit – für die dann nachfolgende Generation an einen stillen Heiligabend in irgendeiner Bleibe auf dem Weg in das Ungewisse, in denen das Gefühl der Zusammengehörigkeit im engen Miteinander der Flüchtenden der einzige Trostspender war. Noch heute sind für diejenigen, die damals Kinder waren, die Erinnerungen an die letzte Kriegsweihnacht oder das erste Christfest in der Fremde abrufbar, aber nicht immer werden sie erzählt, sie bleiben im Verborgenen, weil sich die nun Betagten scheuen, ihre Erlebnisse weiterzugeben, aus welchen Gründen auch immer.

Aber es gibt auch Familien, in denen diese Erinnerungen bewusst wach gehalten werden, wie uns Frau Martina Fornoff aus Griesheim beweist. Sie übersandte uns eine Geschichte, die ihre Mutter Adelheid Walther als Kind auf der Flucht am Heiligabend erlebte. Seit einigen Jahren wird sie von der 76-Jährigen zu Weihnachten erzählt, und jedes Mal bricht sie in Tränen aus. Ihre Tochter möchte nun, dass diese Erinnerungen weiter gegeben werden, und hat dafür unsere Ostpreußische Familie gewählt, denn sie dürfte auch in anderen älteren Leserinnen und Lesern Erinnerungen wecken und jüngeren einen Einblick in die Empfindungen der damaligen Fluchtkinder vermitteln. „Erinnerungen sind wichtig, und sie bewegen uns gerade in der Weihnachtszeit sehr“, schreibt Frau Fornoff, und so wollen wir gerne ihrem Wunsch folgen und den Erinnerungen von Adelheid Walther den Platz in unserer heutigen „Weihnachtsfamilie“ einräumen. Unter dem Titel „So still war die Nacht“ lässt Frau Fornoff ihre Mutter erzählen:

„Diesen Tag werde ich nie vergessen. Ich war damals erst viereinhalb Jahre alt, doch weiß ich noch genau, wie hungrig und durchgefroren wir am späten Nachmittag des Heiligabends 1944 in Allenstein ankamen. Zusammen mit anderen Flüchtlingen fanden wir Unterkunft in der Halle einer ehemaligen Zuckerfabrik. Sie stand leer, die Türe war nur angelehnt. Offensichtlich hatte man die Produktionsanlagen erst kurz zuvor abgebaut und weggebracht. Die Halle war düster und kalt, dazu roch es muffig. Erschöpft blickten wir einander an und waren heilfroh, nun wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben. Draußen herrschte strenger Frost, und der Wind pfiff um das Gebäude. Schon seit Tagen schneite es immer wieder, so dass der Fußmarsch immer mühseliger wurde.

In Wolldecken gehüllt setzten wir uns auf den eisigen Fabrikboden, rückten enger aneinander und versuchten uns gegenseitig zu wärmen. Einen Ofen gab es nicht, nur eine rostige Petroleumlampe spendete uns schummriges Licht. Mutter hauchte uns Kindern abwechselnd wärmend die Hände und rieb sie. Es tröstete ein wenig, aber es half jedoch nicht gegen die Kälte.

Seit uns im Juli die Nachricht vom Tod meines Vaters erreicht hatte, forderte uns das Leben immer wieder aufs Neue heraus. Vater war an meinem vierten Geburtstag an der Ostfront gefallen. In den folgenden Wochen rückte die russische Front unaufhaltsam näher, und bald fiel die Rote Armee in Ostpreußen ein. Meine Mutter hatte große Angst, verdrängte jedoch jegliche Gedanken an eine Flucht, das damalige Regime hatte sie sowieso verboten. Außerdem hing sie viel zu sehr an Hof und Heimat, als all das einfach aufzugeben und schutzlos zu verlassen. Ganz nach preußischer Manier war sie fest entschlossen, durchzuhalten, bis der Krieg endlich vorüber war. Doch es kam ganz anders.

An einem Nachmittag Ende Oktober erschien der Bürgermeister mit dem dringenden Marschbefehl: ,Bis morgen früh 10 Uhr müsst ihr alle weg sein. Die russische Front rückt immer näher!‘ Meine Mutter begriff, dass jeder Widerstand gegen die Flucht höchste Gefahr für uns alle bedeuten konnte. Daher vergrub sie, ohne zu zögern, wichtige Dinge wie Dokumente, etwas Geld und ein paar wenige Wertgegenstände in einer Milchkanne in unserem Garten. Sie hoffte ja, dass wir bald wieder auf unseren Hof hier in Siewken, Kreis Angerburg, zurückkehren konnten. Dann packte sie ein paar Habseligkeiten auf einen Leiterwagen und schob obenauf noch eine lange Holzleiter. Über diese hängte sie Decken und Teppiche, damit nicht ersichtlich war, was sich darunter befand. Neben all diesen Sachen bekamen meine kleine Schwester und ich unseren Platz. Mutter schärfte uns ein, keinen Mucks von uns zu geben, vor allem, wenn wir fremde Stimmen hören sollten.

So begann mit zwei davor gespannten Pferden und einer hinten an den Wagen gebundenen Kuh noch in der Nacht die Flucht in das Ungewisse. Immer wieder gerieten wir zwischen die Fronten und verloren die Orientierung, das war gefährlich und kostete wertvolle Zeit. Dann nahm man uns die Kuh weg, um sie zu schlachten. Schließlich wurden auch die Pferde beschlagnahmt, und wir mussten den Wagen zurücklassen – samt unseren Sachen! Wir nahmen mit, was wir tragen konnten. Schon bald hatten wir nichts mehr, das wir gegen irgendetwas zum Essen eintauschen konnten. Der Hunger war unser ständiger Begleiter durch die Flucht in Eis und Schnee, die immer beschwerlicher wurde. Mutter, die oft selber an ihre körperlichen Grenzen kam, musste meine entkräftete Schwester immer wieder tragen. So kamen wir nur langsam voran.

Plötzlich schlug die Türe laut auf und ein schmächtiger, alter Mann, die Fellmütze tief in die Stirn gezogen, betrat die Halle. Die Nacht war hereingebrochen, und draußen schneite es noch immer. Der Alte zog die schwere Türe kräftig ins Schloss und stampfte sich den Schnee von den Schuhen. Er trug einen Kopfkissenbezug wie einen Sack über der Schulter und sah mitfühlend in unsere stummen, blassen Gesichter. Wortlos nahm er den prallen Beutel herunter, langte hinein und zog ein Stück Brot nach dem anderen hervor und verteilte es an uns Flüchtlinge, die auf dem Boden saßen oder inmitten ihrer wenigen Habseligkeiten lagen. Aber es kam kaum eine freudige Regung über diese unerwartete Hilfe auf, froh zu sein schien niemand mehr. Kaum jemand wagte es, laut zu sprechen. Diese Stille wirkte so bedrückend.

Schließlich stand der alte Mann auch vor mir und hielt mir ein Stückchen Brot hin. Ich nahm es und betrachtete es erst einmal: geröstetes Brot, so bemerkte ich. Da dachte ich voller Sehnsucht an zu Hause, an unsere behagliche Stube und an die Plätzchen, die es bestimmt am Heiligabend gegeben hätte. Doch anstatt der selbstgebackenen Plätzchen gab es diesmal eine Scheibe geröstetes Brot. Angesichts der vergangenen Wochen, die beherrscht waren von Angst und Hunger, war dies ein großartiges Geschenk. Ich blickte in die freundlichen Augen des Alten und wusste, dass dieser Mann ein gutes Herz hatte. Er ging ohne ein Wort zu sagen, so wie er gekommen war, und ich fühlte mich wieder so verloren an diesem trostlosen Ort. Unendliche Traurigkeit überkam mich, und ich musste weinen. Nichts war mehr, wie es war.“

So hat Adelheid Walther aus Siewken ihre Fluchtweihnacht in Erinnerung, so hat ihre Tochter sie aufgeschrieben, und so wird die Mutter sie auch an diesem Heiligabend erzählen wie in jedem Jahr. Und wird dabei wieder weinen, und das ist gut so. Sicher wird sie sich oft gefragt haben, wer dieser alte Mann war, der sie, ohne ein Wort zu sprechen, mit Röstbrot beschert hatte. Noch herrschte Ruhe in Allenstein, aber vier Wochen später rollte schon der erste russische Panzer über den Remontemarkt. Konnte der alte Mann noch fliehen oder wollte er, wie so viele ältere Menschen, einem ungewissen Schicksal entgegen sehend, lieber in der Heimat bleiben? Für die damals vierjährige Adelheid blieb er ein Leben lang unvergessen, auch für ihre Tochter, die mit dieser Geschichte dem unbekannten Helfer ihrer Mutter einen späten Dank sagen will.

Auch mich hat die Erinnerung eingeholt. Nicht an die letzte Kriegsweihnacht, sondern an das erste Christfest nach der Flucht. Im Mai waren wir mit letzter Kraft über die Elbe gekommen, hatten in einem Ort in der Lüneburger Heide Zuflucht gefunden. Dank einer hilfreichen Dame aus der Verwaltung, die auf eigene Verantwortung die Aufenthaltsgenehmigung für uns besorgt hatte, nachdem der von den englischen Besatzern kommissarisch eingesetzte Bürgermeister uns weiter auf die Straße schicken wollte. Wir hatten alles verloren, die letzten Koffer waren an der Elbe geblieben. Es war ein traumhaft schöner Sommer 1945, wir brauchten keine wärmende Kleidung, die wir erst dann vermissten, als die ersten kalten Nächte kamen. Am meisten meine gallenkranke Mutter, die vor allem dringend ein Nacht­hemd benötigte, das sie nicht besaß. Das war ihr einziger Wunsch zum Weihnachtsfest, den ich ihr leider auch nicht erfüllen konnte trotz aller Bemühungen, denn einen Bezugschein für Nachthemden gab es nicht, wie mir die nette Dame aus der Verwaltung erklärte. Und dann sagte sie leise: Kommen Sie morgen wieder! Was sie mir am nächsten Tag übergab war ein knöchellanges Nacht­hemd aus feinstem Leinen mit handgeklöppelten Spitzen, sanft nach Lavendel duftend und sichtbar ungetragen. Es stammte aus dem Wäscheschatz ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter. Dieses kostbare Nachthemd lag am Heiligabend unter Tannenzweigen in unserer Behelfsunterkunft, der Rote-Kreuz-Stube, und meine Mutter konnte es kaum glauben, dass es für sie war. Sie wollte nun am liebsten liegen bleiben, musste es dann leider auch und verstarb zwei Jahre später in ihrem Weih­nachtsnachthemd. Ja, so war das damals, und es ist gut, dass man es nie vergessen hat.

Dass dieses Weihnachtsfest allen unseren treuen wie neuen Leserinnen und Lesern schöne Stunden bescheren möge, wünscht

Eure Ruth Geede


EU-Ratspräsident Tusk erschien als Überraschungsgast
Breslau beging das Ende des Status der Europäischen Kulturhauptstadt mit einem Festakt im Kongresszentrum

Alles Schöne hat einmal ein Ende, so auch Breslaus Status als Europäische Kulturhauptstadt (EKH). Vergangenen Sonnabend fand im Kongresszentrum neben der Breslauer Jahrhunderthalle die Abschlussfeier statt. „Ich bin überzeugt, dass Breslau eine imposante Europäische Kulturhauptstadt ist. Wir geben diesen Titel nie auf! Die EKH ist nicht zu Ende, sondern erst am Anfang ihres Weges“, sagte Stadtpräsident Rafał Dutkiewicz. Doch seine Rede begann mit den Worten: „Unsere Herzen schlagen in Aleppo. Wir beten für den Frieden, für Offenheit, für eine bessere Welt.“

Der Abschlussabend war ohnehin durch und durch politisch. Völlig unverhofft erschien Donald Tusk, der Präsident des Europarates, in Breslau. Es sei seine erste öffentliche Rede in Polen seit langer Zeit, betonte er. Er spielte in seiner Rede auf die neuesten Ereignisse in Warschau an – die durch die Regierungspartei Prawo i Sprawiedliwosc (PiS, Recht und Gerechtigkeit) angeordnete Entfernung der Medien aus dem Sejmgebäude und die darauffolgenden Proteste dagegen auf Warschauer Straßen. Tusk appellierte, den Kampf für die europäischen, demokratischen Standards nicht aufzugeben. Er wolle „Polen in Europa, aber auch das Europa in Polen unterstützen … Die Europäische Kultur ist nicht nur politisch und geographisch, sondern vor allem durch Werte festgelegt. Die Essenz dieses Kulturterritoriums ist die Freiheit, so wie wir Europäer sie verstehen … Eine Demokratie, in der man den Menschen den Zugang zu Information entzieht oder ein einziges Lebensmodell aufzwingt, wird genauso unerträglich wie eine Diktatur“, mahnte Tusk.

Allerdings versuchten zahlreiche europäische, vor allem aber deutsche Künstler, ein solches für sie einziggültiges Lebensmodell in Breslau darzubieten – nämlich das eines „europäischen Multikulturalismus“. So wurden Werke alter Meister im Nationalmuseum aus ihrer Perspektive neu interpretiert. Und zwar nach dem Motto: „Alte Werke darf man nicht nur kunsthistorisch als etwas, das vor langer Zeit entstanden ist, antizipieren, sondern muss sie aus heutiger, politischer Situation neu erzählen. Im vom Goethe-Institut eingerichteten „Pop Up Pavillon“ trichterte man den Besuchern ein, dass Identität fließend sei und man sollte sich doch bitte, wenn überhaupt, auf eine europäische und keineswegs nationale Identitätssuche begeben.

Immigrationen war übrigens das Thema eines gemeinsamen Projektes der EKH und der Kunsthalle Dresden, das sie für die Internationale Kunstbiennale in Venedig schufen. „Als Ausgangspunkt für das Projekt dienten uns die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg“, so Michal Bienek, Koordinator für visuelle Künste. Durch das Hinzuziehen der Stadt Lemberg zum Projekt habe man die historische Linie in Breslau zeichnen wollen, so Bienek.

Die Identitätssuche scheint die Breslauer sehr zu bewegen, denn viele der Kulturhauptstadtprojekte, welche die Bürger im Rahmen der EKH durchführten, haben sich mit der Geschichte der Stadt befasst. So begaben sich beispielsweise die Bewohner von Rathen [Ratyn] bei Breslau auf die Suche nach Geschichten derer, die 1945 aus Schlesien vertrieben wurden, und hielten die Erinnerungen in einer Publikation fest. Auch Breslauer, die in der ulica Hallera (Kürassierstraße) leben, forschten nach alten Geschichten. „Jeder, der heute in Breslau lebt, kam einst von irgendwo hierher. Die Einwohner suchen danach, was vor ihnen da war, sie suchen auch ihren Platz in diesem Kulturraum“, so Anna Pasternak, die für Kleinprojekte im Rahmen der EKH Verantwortung trägt.

An den rund 2000 Veranstaltungen der EKH nahmen 5,2 Millionen Menschen teil. Mehr als 100000 Publikationen im In- und Ausland warben für Breslau. 100-mal präsentierte sich die EKH im Ausland, darunter in der Bundesrepublik Deutschland, Japan und Südkorea, Kasachstan, der Ukraine oder Spanien. Es wurden etwa 100 Millionen Złoty (rund 23 Millionen Euro) ausgegeben.              

                Chris W. Wagner


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 102. GEBURTSTAG

Hillgruber, Erika, geb. Lorenz, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Müller, Rudolf, aus Schellendorf, Kreis Ebenrode, am 28. Dezember

ZUM 101. GEBURTSTAG

Dießelberg, Christel, geb. Brodowski, aus Lyck, am 28. Dezember

ZUM 100. GEBURTSTAG

Landwehr, Marta, geb. Hartmann, aus Steinhalde, Kreis Ebenrode, am 27. Dezember

Lojewski, Johanna, aus Lübeckfelde, Kreis Lyck, am 27. Dezember

Polleit, Anna, geb. Behrendt, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 28. Dezember

ZUM 98. GEBURTSTAG

Mirbach, Christel, aus Lyck, am 25. Dezember

ZUM 97. GEBURTSTAG

Bosies, Luise, geb. Gailus, aus Inse, Kreis Elchniederung, am 29. Dezember

Mertins, Charlotte, geb. Herrmann, aus Kuglacken, Kreis Wehlau, am 26. Dezember

Wirths, Christa, geb. Schirwinsky, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 25. Dezember

ZUM 96. GEBURTSTAG

Fedrau, Christel, geb. Sokoll, aus Rhein, Kreis Lötzen, am 26. Dezember

Ossa, Erna, aus Neidenburg, am 27. Dezember

Röhle, Else, geb. Steppat, aus Paterswalde, Kreis Wehlau, am 25. Dezember

Schimkus, Helmut, aus Erlen, Kreis Elchniederung, am 24. Dezember

ZUM 95. GEBURTSTAG

Marczinski, Arno, aus Rundfließ, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Marks, Gertrud, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 28. Dezember

Melzer, Michael, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 28. Dezember

Möhlmann, Frieda, geb. Radau, aus Großheidekrug, Kreis Samland, am 23. Dezember

Thomzigk, Gerda-Rita, geb. Lissek, aus Ortelsburg, am 29. Dezember

ZUM 94. GEBURTSTAG

Ebert, Maria, geb. Sewzyk, aus Luckau, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Habermann, Irmgard, geb. Cymek, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 29. Dezember

Schawaller, Ella, aus Rehbusch, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Werwath, Wolfgang, aus Ebenrode, am 29. Dezember

ZUM 93. GEBURTSTAG

David, Hildegard, geb. Wegener, aus Hohensprindt, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Ernestsons, Gertrud, geb. Zablowski, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Kohlwage, Alma, aus Lilienfelde, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Lukascyk, Erich, aus Sielacken, Kreis Wehlau, am 24. Dezember

Rama, Walter, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, am 29. Dezember

Rieck, Christel, geb. Findeisen, aus Treuburg, am 27. Dezember

Schlicker, Kurt, aus Peterswalde, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

ZUM 92. GEBURTSTAG

Albers, Christel, geb. Cyrkel, aus Saberau-Abbau, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Bartschies, Heinz, aus Lyck, Steinstraße, am 24. Dezember

Froese, Grete, geb. Laser, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 26. Dezember

Gardeick, Heinz, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Gerdes, Richard, aus Gartenau, Kreis Neidenburg, am 26. Dezember

Glashoff, Charlotte, geb. Samsel, aus Schönwiese, Kreis Neidenburg, am 24. Dezember

Ziermann, Ingelore, geb. Möhr, aus Pillau, Kreis Samland, am 26. Dezember

ZUM 91. GEBURTSTAG

Blödner, Emma, geb. Korzen, aus Groß Dankheim, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Droßmann, Edith, geb. Nebel, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 26. Dezember

Freith, Martha, geb. Brodowski, aus Sentken, Kreis Lyck, am 26. Dezember

Grajewski, Elise, aus Treuburg, Kreis Treuburg, am 23. Dezember

Groß, Herbert, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 27. Dezember

Gugat, Hildegard, geb. Deckmann, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 28. Dezember

Husing, Anna, geb. Holz, aus Ostseebad Cranz, Kreis Samland, am 23. Dezember

Jedamzik, Elfriede, geb. Mast, aus Wilhelmshof, Kreis Ortelsburg, am 27. Dezember

Opielka, Grete, geb. Winkler, aus Rummau, Kreis Ortelsburg, am 25. Dezember

Pollnow, Gerda, geb. Willuda, aus Freiort, Kreis Lötzen, am 25. Dezember

Rhauda, Christel, geb. Schneider, aus Rudau, Kreis Samland, am 26. Dezember

Sadtkowski, Horst, aus Osterode, am 24. Dezember

Wittmer, Ilse, geb. Reimann, aus Palmnicken, Kreis Samland, am 29. Dezember

ZUM 90. GEBURTSTAG

Bailly, Irmgard, geb. Merkner, aus Waltersdorf, Kreis Heiligenbeil, am 25. Dezember

Bornemann, Magdalena, geb. Ehlert, aus Preußwalde, Kreis Tilsit-Ragnit, am 5. Dezember

Chilla, Christoph, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 23. Dezember

Gortat, Herta, geb. Mosdzinski, aus Hornheim, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Grabka, Ruth, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 23. Dezember

Gutzeit, Hedwig, geb. Makowka, aus Seenwalde, Kreis Ortelsburg, am 24. Dezember

Horzonek, Elli, aus Mulden, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Johannesmann, Dorothea, geb. Sander, aus Prostken, Kreis Lyck, am 23. Dezember

Manzig, Berta, geb. Borschk, aus Gardienen, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Poetsch, Frieda, geb. Knizia, aus Hamerudau, Kreis Ortelburg, am 24. Dezember

Schröder, Luzie, aus Kranz, Kreis Allenstein, am 26. Dezember

Tooren, Waltraud, geb. Massat, aus Norwieden, Kreis Ebenrode, am 23. Dezember

Vollmer, Klara, geb. Schwarz, am 24. Dezember

Weichert, Lothar, aus Lyck, am 29. Dezember

ZUM 85. GEBURTSTAG

Friedriszik, Gerhard, aus Borken, Kreis Treuburg, am 27. Dezember

Gennat, Arno, aus Gutsfelde, Kreis Elchniederung, am 25. Dezember

Gritschke, Christa, geb. Huwe, aus Grünau, Kreis Lötzen, am 23. Dezember

Höfner, Herta, geb. Jeworrek, aus Saiden, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Hopfe, Gisela, geb. Sbresny, aus Lötzen, am 25. Dezember

Lojewski, Manfred, aus Millau, Kreis Lyck, am 27. Dezember

Neumann, Christa, aus Grünhayn, Kreis Wehlau, am 23. Dezember

Palleit, Bruno, aus Herdenau, Kreis Elchniederung, am 25. Dezember

Rusch, Herta, geb. Ebner, aus Grünau, Kreis Tilsit-Ragnit, am 25. Dezember

Schmidt, Christel, geb. Zwingelberg, aus Wildenort, Kreis Ortelsburg, am 24. Dezember

Schroeder, Helga, geb. Dau, aus Noiken, Kreis Elchniederung, am 28. Dezember

Schuster, Lotti, geb. Martschat, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Sentkowski, Ernst, aus Lyck, am 23. Dezember

Sosiak, Brigitte, geb. Hube, aus Herdenau, Kreis Elchniederung, am 25. Dezember

Strelau, Elli, aus Großganden, Kreis Gumbinnen, am 23. Dezember

Tabel, Hildegard, geb. Poganski, aus Klein Sakrau, Kreis Neidenburg, am 27. Dezember

Teubler, Richard, aus Löffkeshof, Kreis Tilsit-Ragnit, am 14. Dezember

Wedrich, Christa, aus Birkenmühle, Kreis Ebenrode, am 23. Dezember

Weißenberg, Günther, aus Moterau, Kreis Wehlau, am 27. Dezember

Zielke, Alfred, aus Tenkitten, Kreis Samland, am 23. Dezember

ZUM 80. GEBURTSTAG

Baumgart, Horst, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 26. Dezember

Daumann, Helmut, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 28. Dezember

Gallitz, Dieter, aus Göritten, Kreis Ebenrode, am 26. Dezember

Hofmann, Erika, aus Memel, am 29. Dezember

Howe, Georg, aus Lank, Kreis Heiligenbeil, am 24. Dezember

Kloskowski, Manfred, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 26. Dezember

Kossak-Wrobel, Christa, geb. Wrobel, aus Sargensee, Kreis Treuburg, am 25. Dezember

Matheuszik, Helmut, aus Ebenfelde, Kreis Lyck, am 24. Dezember

Ottenberg, Dr. Rudolf, aus Sinnhöfen, Kreis Ebenrode, am 27. Dezember

Pareigat, Gerhard, aus Argendorf, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Plotzki, Richard, aus Erben, Kreis Ortelsburg, am 28. Dezember

Ruchelka, Eva, geb. Kunz, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 27. Dezember

Ruppelt, Christel, geb. Motullo, aus Bärengrund, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Schmidt, Christel, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 23. Dezember

Schnierda, Günter, aus Lyck, am 24. Dezember

Schwensfeier, Reinhold, aus Eichenau, Kreis Neidenburg, am 26. Dezember

Stasch, Horst, aus Lindenort, Kreis Ortelsburg, am 23. Dezember

Stolletz, Horst, aus Hornheim, Kreis Neidenburg, am 23. Dezember

Thienert, Werner, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 23. Dezember

von Frantzius, Eckhard, aus Eichen, Kreis Wehlau, am 27. Dezember

Wahl, Christel, geb. Link, aus Kallehnen, Kreis Wehlau, am 24. Dezember

Walscheck, Christel, geb. Demant, Waltershöhe, Kreis Lyck, am 29. Dezember

Weiss, Friedmar, aus Steintal, Kreis Lötzen, am 23. Dezember

Wippich, Günter, aus Stradaunen, Kreis Lyck, am 26. Dezember

ZUM 75. GEBURTSTAG

Bergerhoff, Ursula, geb. Suhrau, aus Schwanensee, Kreis Elchniederung, am 29. Dezember

Broszio, Erhard, aus Treuburg, am 27. Dezember

Buch, Brigitta, geb. Kahl, aus Groß Trakehnen, Kreis Ebenrode, am 29. Dezember

Hoffmann, Gerhard, aus Barnen, Kreis Treuburg, am 24. Dezember

Karl, Lieselotte, geb. Schmidt, aus Kerpen, Kreis Mohrungen, am 28. Dezember

Napierski, Jörg-Walter, aus Ulleschen, Kreis Neidenburg, am 28. Dezember

Patzak, Marita, geb. Alzuhn, aus Antonswiese, Kreis Elchniederung, am 29. Dezember

Weitschat, Lothar, aus Datzken, Kreis Ebenrode, am 28. Dezember

Diamantene Hochzeit

Sokollek, Günter, aus Skomanten, Kreis Lyck, und Zittlau, Grete, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 25. Dezember


S. 16-17 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ANGERBURG

Kreisvertreter: Kurt-Werner Sadowski. Kreisgemeinschaft Angerburg e.V., Landkreis Rotenburg (Wümme), Postfach 1440, 27344 Rotenburg (Wümme), Landkreis: Telefon (04261) 9833100, Fax (04261) 9833101.

Gemeinsam mit Ihnen wollen wir das Jahr 2017 bei unserer traditionellen heimatpolitischen Tagung am 18. und 19. Februar in 27356 Rotenburg (Wümme) einleiten. Zu dieser Auftaktveranstaltung in der Theodor-Heuss-Schule (Gerberstraße 16, neben dem Ratsgymnasium) laden der Landkreis Rotenburg als Patenschaftsträger und die Kreisgemeinschaft Angerburg, alle geschichtlich und kulturell Interessierte aus nah und fern herzlich ein. Für die Tagung konnten wir erneut herausragende Referenten gewinnen.

Am Sonnabend, 18. Februar, ist die Mensa der Schule ab 14 Uhr geöffnet und es wird Kaffee, Tee und Kuchen angeboten. Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer um 15 Uhr wird Professor Udo Arnold die Tagung mit seinem Vortrag „Vom Ordensland zum Herzogtum Preußen als erstes protestantisches Fürstentum“ eröffnen. Danach wird Oberstudiendirektor a.D. Hans-Jürgen Kämpfert referieren. Sein Thema: „Nicolaus Copernicus aus Thorn an der Weichsel. – Leben und Werk als Domherr in Frauenburg, als Arzt, Diplomat und weitbekannter Astronom.“ Im Anschluss an die Vorträge besteht jeweils Gelegenheit für Fragen an die Referenten beziehungsweise für eigene Einschätzungen. Mit einem gemeinsamen Abendessen (Elchbraten) gegen 19 Uhr und anregenden Gesprächen mit interessanten Gästen lassen wir den Tag ausklingen.

Am folgenden Sonntag, 19. Februar, setzen wir die Tagung um 9.30 Uhr in der Schule fort. Oberstudiendirektor a.D. Dr. Walter Jarecki wird über die „Reformation in Norddeutschland“ referieren. Im Jahr des Reformationsgedenkens werden den Tagungsteilnehmern auch neue Sichtweisen im Gedächtnis bleiben. Gegen 12 Uhr wird die Tagung mit dem Gesang des Ostpreußenliedes „Land der dunklen Wälder“ beendet.

Verbindliche Anmeldungen, auch für das Elchbratenessen zum Preis von 26 Euro pro Person einschließlich Dessert und Mitteilung von Übernachtungswünschen, werden bis zum 10. Februar (Posteingang) an Brigitte Junker, Sachsenweg 15, 22455 Hamburg, erbeten. Ein Tagungsbeitrag wird nicht erhoben. Eine schriftliche Anmeldebestätigung wird nicht erteilt.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Begleiter mit Heimweh, Fernweh oder einfach nur Entdeckerlust sucht Dieter Wenskat für seine beiden zehntägigen Flugreisen nach Ostpreußen. Danzig, Königsberg, Elchniederung und die Kurische Nehrung stehen unter anderem auf dem Programm. Die erste Reise findet vom 3. bis zum 12. Juni statt, die zweite vom 9. bis 18. September. Hier das Programm beider Reisen:

1. Tag: Am Vormittag Linienflug mit LOT Polish Airlines wahlweise ab Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg oder München mit Umstieg in Warschau und gemeinsamem Weiterflug nach Danzig, Ankunft am frühen Nachmittag. In Danzig werden Sie von Ihrer polnischen Reiseleitung empfangen, anschließend Transfer zum Hotel „Novotel Centrum Gdansk“, das auf einer Mottlau-Insel unmittelbar an der Danziger Altstadt liegt. Am Nachmittag erwartet Sie Ihre Reiseleitung zu einem geführten Rundgang. Die mehr als 1000-jährige Hansestadt hat viel zu bieten. Die prächtig restaurierte Altstadt beeindruckt mit erhabenen Patrizierhäusern, hübschen kleinen Gassen mit Boutiquen und Cafés, alles wird überragt von der mächtigen Marienkirche, einem der größten Backstein-Sakralbauten Europas. Anschließend bleibt noch genügend Zeit für eigene Unternehmungen. Die Danziger Altstadt hat auch ein quirliges Nachtleben mit kleinen Bars, urigen Kneipen und trendigen Musikclubs zu bieten. Abendessen und Übernachtung in Danzig.

2. Tag: Heute holt Sie Ihre russische Reiseleitung am Hotel in Danzig ab. Busfahrt nach Norden über den polnisch-russischen Grenzübergang und weiter bis nach Königsberg. Nach dem Zimmerbezug im zentral zwischen Ober- und Schlossteich gelegenen Hotel „Dohna“ unternehmen Sie eine Stadtrundfahrt. Dabei besuchen Sie die erhaltenen Sehenswürdigkeiten wie den wiedererrichteten Königsberger Dom, die Luisenkirche oder den früheren Hansa-Platz mit dem ehemaligen Nordbahnhof und die erhaltenen Stadttore und Befestigungsanlagen. Darüber hinaus erleben Sie eine aufstrebende russische Großstadt im Umbruch und voller Kontraste. Ein weiterer Höhepunkt der Reise ist der Besuch des Königsberger Doms mit einem Anspiel der Orgel zu einem kleinen Konzert. Abendessen und Übernachtung in Königsberg.

3. Tag: Nach dem Frühstück unternehmen Sie vom neuen Fischdorf am Pregel aus eine zirka dreistündige Schiffsfahrt durch den Hafen und auf dem Königsberger Seekanal entlang Richtung Ostsee bis nach Pillau. Die Hafenstadt hatte eine besondere Bedeutung für viele Ostpreußen im Winter 1945, als tausende Menschen von hier aus ihre Heimat für immer verlassen mussten. Heute gibt es in Pillau neben den historischen Bauten, Befestigungsanlagen und dem bekannten Leuchtturm eine große Kriegsgräbergedenkstätte. Auf der Rück-fahrt nach Königsberg durch das Samland besuchen Sie noch Palmnicken – hier wird im Tagebau der für Ostpreußen typische Bernstein gewonnen.  Abendessen und Übernachtung in Königsberg.

4. Tag: Weiterreise nach Osten vorbei an Labiau. Im früheren Dorf Waldwinkel besuchen Sie ein liebevoll eingerichtetes und mit vielen Exponaten aus deutscher Zeit ausgestattetes Museum in der früheren deutschen Schule. Sie fühlen sich in die Kindheit in Ostpreußen zurückversetzt. Anschließend erleben Sie das Naturparadies Ostpreußen pur. Sie unternehmen einen Ausflug in das Große Moosbruch am Rande des Elchwaldes und besuchen bei Lauknen das Moosbruchhaus, ein mit deutschen Mitteln unterstütztes Naturschutz- und Begegnungszentrum. Hier ist auch der Tisch zum gemeinsamen Mittagessen gedeckt. Am Nachmittag erreichen Sie Tilsit. Bei der Stadtführung durch Deutschlands einst östlichste große Stadt besuchen Sie den Park Jakobsruh mit dem wiedererstellten Denkmal der Königin Luise. Beim anschließenden Spaziergang durch die Hohe Straße lässt sich die einstige Schönheit der Stadt an der Memel erahnen. Abendessen und Übernachtung in Tilsit.

5. Tag: Rundfahrt mit Besichtigungsstopps durch die Elchniederung. Am Vormittag geht es in die Gebiete nördlich der Gilge mit Besuch von Sköpen, Kuckerneese, Herdenau, Karkeln, Inse und einem Stopp am Jagdschloss Pait. Am Nachmittag geht es durch den südlichen Teil der Elchniederung mit Besuch von Heinrichswalde, Gerhardsweide, Seckenburg, Groß Friedrichsdorf und Kreuzingen. Übernachtung in Tilsit.

6. Tag: Ihr heutiger Ausflug führt in den Südosten des nördlichen Ostpreußens. Nach einem kleinen Stopp in Gumbinnen besuchen Sie Trakehnen mit der einst weltberühmten Gestütsanlage. Leider gibt es dort heute keine Pferde mehr. Anschließend erreichen Sie die einzigartige Rominter Heide: Eine Urwaldlandschaft mit kleinen Bächen und Biberbauten. Am Rande dieses Waldmassivs betreibt die russische Familie Sajac im ehemaligen Forsthaus Warnen ein kleines Gästehaus, hier werden Sie zur Mittagseinkehr erwartet. Übernachtung in Tilsit.

7. Tag: Heute verlassen Sie Ihr Hotel in Tilsit und passieren auf der Luisenbrücke die Grenze nach Litauen. Weiterfahrt in das Memelland mit Besichtigung der Kirche in Heydekrug. Anschließend Fahrt in das Memeldelta, wo in Kintai schon der Tisch zu einem leckeren Picknick gedeckt ist. Danach erwartet Sie am Anleger Ihr Kapitän zu einer Schiffsfahrt über die Minge, durch das Memeldelta und weiter über das Kurische Haff. Am Nachmittag erreichen Sie Nidden von der Wasserseite aus und erleben das beeindruckende Panorama der Wanderdünen auf der Kurischen Nehrung. Abendessen und Übernachtung in Nidden.

8. Tag: Nach dem Frühstück steht eine Ortsbesichtigung in Nidden zu Fuß auf dem Programm. Das ehemalige Fischerdorf am Kurischen Haff ist heute der wohl bekannteste Ferienort Litauens. Die einzigartige Natur zog in der Vergangenheit viele Künstler an. Einer der prominentesten Besucher war Thomas Mann, der sich hier ein Ferienhaus errichten ließ. Am Nachmittag bleibt Zeit zur freien Verfügung. Abendessen und Übernachtung in Nidden.

9. Tag: Weiterreise nach Süden über die Kurische Nehrung, Sie passieren die litauisch-russische Grenze. Im russischen Teil der Kurischen Nehrung besuchen Sie die berühmte Vogelwarte von Professor Thienemann, einst die erste ornithologische Beobachtungsstation der Welt. Unterwegs unternehmen Sie einen Spaziergang auf die Epha-Düne, eine der größten noch frei wandernden Sandflächen der Kurischen Nehrung. Am Abend erreichen Sie das frühere Seebad Cranz zur Übernachtung.

10. Tag: Nach dem Frühstück treten Sie die Rückreise zum Flughafen nach Danzig an. Von hier aus am Nachmittag gemeinsamer Flug mit LOT Polish Airlines nach Warschau und von Warschau aus Weiterflug in die jeweiligen Abreiseorte, Rückankunft je nach Flughafen gegen 22. Uhr. Programmänderungen bleiben vorbehalten, dies gilt insbesondere auch für Veränderungen der Flugzeiten durch die Airline.

Anmeldung bei Dieter Wenskat, Horstheider Weg 17, 25365 Sparrieshoop, Telefon (04121) 85501.

 

INSTERBURG − Stadt und Land

Vorsitzender Stadt & Land: Reiner Buslaps, Am Berg 4, 35510 Butzbach-Kirch-Göns, Tel.: (06033) 66228, E-Mail: R.Buslaps@t-online.de. Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt & Land e. V.,  Geschäftsstelle, Am Marktplatz 10, 47829 Krefeld, Postfach 111208, 47813 Krefeld, Tel.: (02151) 48991, E-Mail: info@insterburger.de, Internet: www.insterburger.de, Bürozeiten: Montag – Freitag von 8 bis 12 Uhr.

Heimatgruppe Kiel – Jeder zweite Donnerstag im Monat, Café Rebecca, Matthias-Claudius-Kirche, Kiel-Suchsdorf: Gemeinsames Treffen. Informationen: Hellmut Jucknat, Telefon (0431) 311972.

 

NEIDENBURG

Kreisvertreter: Jürgen Szepanek, Nachtigallenweg 43, 46459 Rees-Haldern, Tel. / Fax (02850) 1017.

Am 3. Dezember verstarb im Alter von 85 Jahren Benno Kaden aus Großwalde, langjähriges Mitglied des Neidenburger Kreistages, sowie auch zweiter Stellvertrender Kreisvertreter von 2006 bis 2010. Nach der Flucht aus Ostpreußen absolvierte Benno Kaden eine kaufmännische Lehre in Niedersachsen. Später wurde er Bergmann, nach dem Besuch der Bergschule Steiger und brachte es auf dem zweiten Bildungsweg bis zum Diplom-Ingenieur. 1964 übertrug man ihm die Betriebsleitung eines großen Straßenbauunternehmens, bis er 1970 Prokurist des größten deutschen Eisenhüttenschlacken- und Recyclingunternehmens wurde, das ihn später sogar zum Sprecher der Geschäftsführung berief. Trotz hoher beruflicher Beanspruchung fand er noch Zeit für sein Hobby Fußball, erst als Spieler, danach als Schiedsrichter. Eine weitere gern ausgeübte Freizeitgestaltung war die eines Jagdpächters mit der Hege und Pflege des Wildes. Ein vielseitiger sympathischer Landsmann ist von uns gegangen. Wir bedanken uns für seine Heimatarbeit und werden uns gerne an Benno Kaden erinnern.

Der diesjährige Weihnachtsheimatbrief ist fertig gestellt und zum Versand gebracht worden, Wer ihn noch nicht erhält, aber beziehen möchte, wende sich an unseren Schriftleiter Jürgen Kowalek, Bromberger Straße 26, 28816 Stuhr. Es wird dann umgehend ein Exemplar zugesandt. Eine größere Anzahl der Pfingstheimatbriefe konnte leider nicht zugestellt werden, weil sich die Anschriften der Landsleute geändert haben. Alle Bezieher werden deshalb dringend gebeten Adressen- und sonstige Personenstandsänderungen dem Mitgliederdatenverwalter Hans-Ulrich Pokraka, An der Friedenseiche 44, 59597 Erwitte, mitzuteilen. Sie vermeiden dadurch Zustellungsverzögerungen und kostenaufwendige Nachforschungen und Nachsendungen.

 

ORTELSBURG

Kreisvertreter: Dieter Chilla, Bussardweg 11, 48565 Steinfurt, Telefon (02552) 3895, E-Mail: kontakt@kreisgemeinschaft-ortelsburg.de. Geschäftsführer: Hans Napierski,  Heinrichstraße 52, 45701 Herten, Telefon (0209) 357931, Internet: www.kreis-ortelsburg.de

Die Auswertung und Auszählung der abgegebenen Stimmen zur Kreistagswahl wurde am 14. November durch den gewählten Wahlausschuss bestehend aus dem Vorsitzenden Edelfried Baginski und den Beisitzern Brigitte Napierski und Dieter Packheiser in der Heimatstube in Herne durchgeführt. Es wurden insgesamt 448 Stimmzettel abgegeben; davon waren 439 gültig und 9 ungültig. Auf die 25 Kandidaten entfielen insgesamt 1803. Folgende Bewerberinnen und Bewerber wurden in den neuen Kreistag gewählt, der sich im März 2017 zu seiner konstituierenden Sitzung treffen wird:

Landbezirk 1: Jürgen Mosdziel

Landbezirk 2: Helmut Walter Erlebach

Landbezirk 3; Bernard Patorra

Landbezirk 4: Ingo Gosdek

Landbezirk 5: Reinhard Philipp

Landbezirk 6: Gregor Gonsowski

Landbezirk 7: Christel Sender

Landbezirk 8: Herbert John

Landbezirk 9: Marianne Bahr

Landbezirk 10: Irmgard Denda

Landbezirk 11: Karola Kalinski

Landbezirk 12: Hans-Alfred Plötner

Landbezirk 13: Dieter Bahr

Landbezirk 14: Claudia Karpa

Wahlbezirk 15: Arndt Bialo-

brzeski, Horst Bronischewski,

Alfred Denda, Dieter Packheiser

Wahlbezirk 16: Marc Patrik

Plessa, Ruth Welner

Wahlbezirk 17: Dieter Chilla,

Helga Frankiewicz

Herbstausgabe ist da!

 

PREUSSISCH EYLAU

Kreisvertreterin: Evelyn v. Borries, Tucherweg 80, 40724 Hilden, Telefon (02103) 64759, E-Mail: evborries@gmx.net. Kartei, Buchversand und Preußisch Eylauer-Heimatmuseum im Kreishaus Verden/Aller Lindhooper Straße 67, 27283 Verden E-Mail: preussisch-eylau@landkreis-verden.de, Unser Büro ist nur noch unregelmäßig besetzt. Bitte wenden Sie sich direkt an die Kreisvertreterin Evelyn v. Borries.

Liebe Kreis-Preußisch-Eylauer! Die November-Ausgabe des Kreisblatts kann sich sehen lassen. Sie spricht in Wort und Bild so viele Themen an, dass für jeden etwas dabei ist. Gerd Birth, dem langjährigen Schriftleiter des Kreisblatts, gebührt Dank, dass er es im Hinblick auf den immer kleiner werdenden Kreis der Mitarbeiter im Vorstand noch einmal übernommen hat, ein Heft zu erstellen. Als interessante Beispiele – neben vielen anderen Themen – seien nur folgende genannt: Das Internierungslager in der Preußisch Eylauer Infanterie-Kaserne von 1945 bis 1947, zwei Berichte über das Gut Waldkeim und die Aufzählung öffentlicher Bekanntmachungen aus dem Kreisblatt zur Kriegswirtschaft im Jahr 1916. Wer das neue Heft nicht erhalten hat, kann um Zusendung bitten bei der Kreisgemeinschaft Preußisch Eylau (Anschrift siehe oben).          Martin Lehmann

Das Preußisch Eylauer Kreistreffen findet nicht wie gewohnt am dritten September-Wochenende statt, sondern am 30. September und 1. Oktober. Bitte jetzt schon vormerken! Einzelheiten im Preußisch Eylauer Kreisblatt und später an dieser Stelle.

 

TILSIT-RAGNIT

Kreisvertreter: Dieter Neukamm, Am Rosenbaum 48, 51570 Windeck, Telefon (02243) 2999, Fax (02243) 844199. Geschäftsstelle: Winfried Knocks, Varenhorst-straße 17, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2309, E-Mail: WinfriedKnocks@aol.com

Während eines Besuches von Dieter Neukamm im Juli in Ostpreußen lud Jurij Userzow – Direktor der Schule in Breitenstein und des dort befindlichen Ostpreußenmuseums – zur 70jährigen Jubiläumsfeier des Bestehens der Schule und der 35-Jahr-Feier des in der Schule befindlichen ostpreußischen Museums ein. So starteten Neukamm und Schatzmeister Helmut Subroweit am Morgen des 15. November zu einer achttägigen Reise nach Ostpreußen. In drei Teilen erzählt Subroweit an dieser Stelle von der Tour. Hier die dritte Folge über die letzten drei Tage nach der Jubiläumsfeier.

Sonntag, 20. November

Der Sonntag stand zunächst im Zeichen eines eher „touristischen Programmes“. Über die neu erbaute Straße entlang der Baustelle des Atomkraftwerkes ging es nach Lasdehnen an der Szeszuppe, dem Ort meiner väterlichen Abstammung. Der Geburtsort meines Vaters, Neu-Skardupönen/Grenzwald, war wegen der unmittelbaren Grenznähe zu Litauen nur mit einer Sondergenehmigung zu erreichen. Das gleiche gilt für das ehemalige Remonteamt Neuhof-Ragnit, dem Heimatort seiner Mutter. Die jetzt orthodoxe Kirche in Lasdehnen befindet sich in einem sehr guten Zustand. Der kurz besuchte orthodoxe Gottesdienst war zunächst fremd, jedoch beeindruckend.

Über das völlig zerstörte Schlossberg/Pillkallen mit seinem riesigen sowjetischen Mahnmal ging es weiter nach Gumbinnen mit der Salzburger Kirche .Gumbinnen macht bekanntermaßen einen sehr ansprechenden Eindruck. Das rege Treiben in der sonntäglichen Stadt konnte gut bei einer Tasse Kaffee im Hotel „Kaiserhof“, direkt an der Pissa gelegen, beobachtet werden.

Abends hatte Alla im Haus Schillen nochmals zu einem feierlichen und vorzüglichen Abendessen geladen. Hieran nahmen Jurij mit seiner Frau, der Sportlehrer und Moderator der Jubiläumsfeier, Eduard mit Jelena Pawlowna Politiko sowie die Direktorin der Schule in Schillen, Natalia Schur teil. Sofern noch nicht bekannt, wurden die beiden Deutschen in russische Gepflogenheiten des Miteinanders bei gesellschaftlichen Treffen eingeführt (Wie wird Wodka korrekt eingeschenkt und getrunken?).

Montag, 21. November

Nachdem uns die Schuldirektorin Natalia Schur am Vorabend zum Besuch der Schule in Schillen eingeladen hatte, besuchten wir diese zusammen mit Alla, die als Dolmetscherin fungierte. In der Schule werden Kinder bis Klasse 7 unterrichtet. Sie ist mit modernen Schulmedien, wie PCs und Beamer ausgestattet. Durch eine Lehrerin wird hier ebenfalls Deutschunterricht erteilt. Die Schülerzahl pro Klasse ist niedrig. Augenfällig sind das disziplinierte Verhalten und die Ruhe im Unterrichtsverlauf. Dieter Neukamm als pensionierter Lehrer ließ es sich nicht nehmen, den Deutschunterricht zeitweise zu übernehmen, und seine Begeisterung  war nicht zu übersehen. Auch die jungen Schülerinnen hatten offensichtlich Freude und Spaß daran, wie ihr dynamischer Besuchslehrer den Unterschied zwischen „Beeren und Bären“ erklärte.

Die Direktorin ist sehr an Kontakten und Austausch mit Deutschland interessiert. Sie wünscht sich Unterrrichtsmaterialien für den Deutschunterricht, besonders deutsche Texte für Anfängerkurse. Der Besuch endete mit der Überreichung eines Abschiedsgeschenks, von Schülern gehäkelte Tierfiguren sowie eine Fotokollage der Schule in Schillen. Auch diese herzliche Begegnung werden wir in guter Erinnerung behalten in der Hoffnung, dass sich die Kontakte zur Schule vertiefen und ausbauen lassen.

Am Nachmittag statteten wir Tilsit einen Besuch ab. Leider sind Museen auch in Russland montags geschlossen, so dass ein Besuch im Stadtgeschichtlichen Museum bei der uns bekannten Direktorin Angelika Spiljowa nicht zustande kam. Die selbstverständlichen Ziele, das Königin-Luise-Denkmal im Park Jakobsruh, der heimgekehrte Elch im Zentrum, die Luisen-Brücke, das Grenzland-Theater und der Gedenkstein zur Stadtgründung wurden besucht.

Für mich als ehemaligem Verwaltungsbeamten war es eine Verlockung, eine russische Behörde mit ihren Büroräumen von innen zu sehen. Ein freundlicher russischer „Kollege“ verhalf uns mit schönem Deutsch zu einer Tasse Kaffee in der Verwaltungskantine.

Dienstag, 22. November

Herzlicher Abschied von Alla, Alina und dem Haus Schillen. Alla stattete uns für die Fahrt nach Deuschland mit frisch gebrühtem Kaffee für unsere Thermoskannen aus. Mit dem Motto „wir kommen wieder“ ging es um 7.30 Uhr auf die Rückfahrt. Die Grenzabfertigung am neuen Grenzübergang Mamonovo II (Heiligenbeil) verlief problemlos und zügig. Über Elbing, dann dieses Mal über die alte Reichsstraße 1 bis Deutsch Krone (Walcz), weiter über Stettin und Berlin wurde gegen 23 Uhr der Ausgangsort Soest ohne Zwischenübernachtung erreicht, worauf die Reisenden besonders stolz waren.

Persönliches Fazit

Dies war meine vierte Reise in das nördliche Ostpreußen, die Heimat meiner Eltern. Sie war die eindrucksvollste und intensivste Begegnung mit dem Land und seinen Menschen.

Es ist sicherlich nicht mehr das Land mit seiner kultivierten Schönheit und Liebenswürdigkeit, wie ich es aus den Erzählungen der Eltern und der Literatur verinnerlicht hatte. Besonders jetzt im Herbst/Winter wirkt es doch eher grau und trist. Die noch vorhandene deutsche Bausubstanz ist in den Dörfern weiterhin dem Verfall preisgegeben. Doch gibt es auch erfreuliche Lichtblicke und Perspektiven einzelner Projekte, besonders in den Städten.

Allerdings wurde ich entschädigt durch die großartige Gastfreundschaft, die Herzlichkeit und die intensiven Begegnungen mit den jetzt dort lebenden russischen Menschen. Ich freue mich, einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung in diesen politisch schwierigen Zeiten geleistet zu haben. Diese Begegnungen sollten uns Auftrag und Ansporn sein, die Verbindungen zu vertiefen und auszubauen, zum gegenseitigen Verstehen zwischen Deutschen und Russen und für ein freundschaftliches Miteinander der Menschen beider Länder.


S. 18-19 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BUND JUNGES OSTPREUSSEN

Vorsitzender: Marius Jungk, Gst.: Buchtstr. 4, 22087 Hamburg, Tel.: (040) 4140080, E-Post: kontakt@junge-ostpreussen.de, www.junge-ostpreu­ssen.de.

Donnerstag, 29. Dezember, bis Dienstag, 3. Januar: Silvesterfahrt nach Ostpreußen: Informationen: www.junge-ostpreussen.de/47-0-Aktivitaeten.html

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Metzingen – Heinz Scheffler, Vorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen, Westpreußen und Pommern in Metzingen, freute sich bei seiner Begrüßung über die volle Belegung der vorgesehenen Plätze. Der Saal im Restaurant Bohn war in eine feierliche „Gute Stube“ verwandelt. Besinnlich leuchteten im Kerzenlicht die mitgebrachten Krippen, Holzpyramiden und Figuren und verkündeten die Weihnachtszeit.

Besonders dankte er den Musiklehrern Claudia und Peter Sannwald für ihre Treue, wieder einmal mit ihrer perfekten musikalischen Unterhaltung auf dem Akkordeon durch das Programm der Weih-nachtsfeier zu führen. So wie es daheim üblich war, wurde bei Mohn- und Streuselkuchen ebenso gemütlich „plachandert“ wie auch Weihnachtslieder angestimmt.

Zwischendurch trug Horst Sauf die lustige Weihnachtsgeschichte „Wenn die Tiere reden“ vor. Als Rosemarie Mehlhorn zu ihrem Vortrag im ostpreußischen Dialekt ansetzte, wurde es ganz still, alle lauschten der vertrauten Sprache und plötzlich war irgendwie die Heimat zugegen. Ein Genuss war ihre Geschichte „Elf, Zwelf oder Ölf, Zwölf?“, wo die in Masuren, dem Ermland und im nördlichen Teil von Ostpreußen gesprochenen Mundarten zu hören waren. Heiterkeit entstand bei den Ausführungen über die Masuren. Masuren war damals südliches Ostpreußen, heute ist es das nördliche Polen. Die Masuren waren so etwas wie die ostpreußischen „Ostfriesen“, und sie waren sehr geschätzt. Sie lebten inmitten ihrer vielen Seen ländlich, geduldig und bescheiden. Masuren hat keine berühmten Persönlichkeiten hervorgebracht, was hier vielmehr gefunden wurde, war das unscheinbare Gold der menschlichen Gesellschaft: Holzarbeiter und Bauern, Fischer, Deputatarbeiter, kleine Handwerker und Besenbinder. Sie besaßen „eine Seele, zu deren Eigenarten blitzhafte Schl  äue gehörte und schwerfällige Tücke, tapsige Zärtlichkeit und eine rührende Geduld.

In der Erzählung von Rosemarie Mehlhorn kam der Vater aus dem „Ermland“, wo wiederum eine ganz andere Mundart gesprochen wurde. Das rührte daher, dass die Ermländer früher zugewanderte Rheinländer und somit die einzigen Katholiken im gesamten ostpreußischen Raum waren.  Und die Eltern lebten in der Erzählung im nördlichen Teil von Ostpreußen, der heute zur russischen Exklave Kaliningrad gehört. Hier sprach man den typischen ostpreußischen Dialekt, gemächlich und breitmündig. Das Ei wurde „Ay“, also fast ein wenig wienerisch ausgesprochen. Wer kennt ihn nicht den typischen Satz, mit dem der Ostpreußische Dialekt immer charakterisiert wird: „Komm Marjellche, hast dich beklackert mit das jelbe vom Ay …“

Der Vorsitzende Heinz Scheffler dankte für die 70jährige Treue zur alten Heimat und beendete mit einem lustigen Weihnachtsgedicht die Zusammenkunft.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Landesgruppe – Die Weih-nachtsausgabe des „Preußen-Kuriers“ steht ab sofort im Internet zum Lesen oder herunterladen bereit. „Die Heimatnachrichten für Ost- und Westpreussen in Bayern“, so der Untertitel, sind auf www.low-bayern.de zu finden. Dort im Menu auf Mediathek gehen und Publikationen anklicken. „Preußen Kurier 3/2016“ ist die aktuelle Ausgabe des Magazins.

Weiden – Zur Vorweihnachtsfeier fanden sich die Landsleute und Gäste im weihnachtlich geschmückten Café Mitte ein. Der Erste Vorsitzende, Norbert Uschald, freute sich über den zahlreichen Besuch. Nach den Heimatliedern „Land der dunklen Wälder“ und „Westpreußen mein lieb Heimatland“ gratulierte die Kassiererin Ingrid Uschald den Geburtstagskindern des Monats Dezember und Januar.

Mit dem Lied „Macht hoch die Tür“ wurde die adventliche Feier eingeleitet. Der Vorsitzende erinnerte an den Sinn des Advents. Andreas Uschald entzündete die Kerzen am Adventskranz und trug besinnliche Gedanken vor.

Danach gedachten die Anwesenden aller verstorbenen Landsleute, besonders derer, die bei der Flucht und Vertreibung ums Leben kamen. Norbert Uschald sorgte zusammen mit seiner Gattin Anita für eine stimmungsvolle musikalische Umrahmung.

Dabei kamen Flöte und Melodika zum Einsatz. Danach berichtete Uschald  von Traditionen zur Weihnachtszeit in Ostpreußen  und Frau Ilse Stark trug weih-nachtliche Gedichte und Geschichten vor. Während des Liedes „Lasst uns froh und munter sein“ verteilte Ingrid Uschald Weihnachtstüten mit leckeren Sachen an alle Mitglieder und Gäste. Mit dem Volkslied „Kein schöner Land“ und guten Wünschen für Weihnachten und das neue Jahr verabschiedete man sich.

Das nächste Treffen findet  am 5. Februar 2017 um 14.30 wieder im Café Mitte statt.     Norbert Uschald,

                Erster Vorsitzender  

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag, 14 Uhr bis 16 Uhr. Sonst: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Bartenstein – Anfragen zu gemeinsamen Treffen bei Elfi Fortange, Telefon (030) 4944404.

Rastenburg – Sonntag, 8. Januar, 15. Uhr, Restaurant Stammhaus Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin: Gemeinsames Treffen. Anfragen: Martina Sontag, Telefon (033232) 188826

Frauengruppe – Mittwoch, 11. Januar, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116-117, 10963 Berlin: Themen zum Jahreswechsel. Anfragen: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Für die Landsmannschaft Ostpreußen und Westpreußen in Bremen schauen wir auf das abgelaufene Jahr mit gemischten Empfindungen zurück. Unser Buchprojekt: „Die Geschichte der Kleinstadt Schirwindt im Kreis Schloßberg/Pillkallen“, ist auf einem guten Weg und wird von der Autorin Tatjana Gräfin Dönhoff in der ersten Jahreshälfte abgeschlossen. Herzlichen Dank nochmals an alle, die uns hierfür eine finanzielle Zuwendung überwiesen haben.

Die Mitgliederzahl unserer Gruppe ist annähernd gleich geblieben; neue Mitglieder, die sich zu uns bekannt haben, konnten die Verluste infolge von Austritten und Todesfällen fast vollständig ausgleichen. Ein Interesse an Ostpreußen und Westpreußen ist bei vielen Menschen erfreulicherweise immer noch vorhanden. Das merkten wir auch beim Weihnachtsmarkt im Einkaufs-zentrum „Berliner Freiheit“, wo das Angebot vor allem auch an Landkarten und antiquarischen Büchern sehr gut angenommen wurde.

Denken wir allerdings zurück an die sehr harmonische und gelungene Fahrt zum Treffen der Ostpreußen in Neubrandenburg, so sind diese schönen Erinnerungen überschattet durch die Nachricht vom tragischen Unglück unseres Fahrers und Busunternehmers Jürgen Wiebking, der wenige Tage nach unserer Rückkehr auf seinem Betriebshof tödlich verunglückte. Unser Mitgefühl gilt seiner Lebensgefährtin Julita Venderbosch, die unsere Fahrten seit Jahren bestens vorbereitet und immer freundlich und warmherzig begleitet hat. Wir werden Jürgen Wiebking immer in guter Erinnerung behalten.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Landesgruppe – Freitag, 30. Dezember, 14 Uhr, Haus der Heimat, Teilfeld 8, (unweit der S-Bahnstation Stadthausbrücke, U-Bahnstation Rödingsmarkt oder Haltestelle der Buslinien 6 und 37): Mit Liedern und Vorträgen zum Brauchtum in der Heimat beenden die ost- und mitteldeutschen Landsmannschaften das Jahr in geselliger Runde.

 

HESSEN

Vorsitzender: Ulrich Bonk, Stellvertretender Vorsitzender: Gerhard Schröder, Engelmühlenweg 3, 64367 Mühltal, Telefon (06151) 148788

Darmstadt/Dieburg – Weih-nachten feierte die LOW Darmstadt/Dieburg im festlich geschmückten Saal des Luise-Büchner-Hauses in Darmstadt Kranichstein am 10. Dezember. Alle Teilnehmer waren, wie immer, zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Viele Gästen – insbesondere Insterburger – konnten wir begrüßen. Christiane Mertz hatte, wie jedes Jahr, Marzipankonfekt spendiert, das den Beginn der Feier einläutete. Gerhard Schröder wies in seiner Begrüßung auf das Deutschlandtreffen der Ostpreußen am 13. Mai 2017 in Neuss/Rhein hin. Genaue Informationen werden in der Veranstaltungseinladung I/2017 bekannt gegeben.

Der Schuljahrsgangschor 1940 Oberroden unseres stellvertretenden Vorsitzenden Christian Keller erfreute uns dann mit seinen Liedern. Leider musste uns der Chor bald wieder verlassen, da noch ein zweiter Auftrittstermin anstand. Das bedauerten alle sehr. Unser Dank wurde mit einer kleinen Aufmerksamkeit honoriert.

Hannelore Neumann las die besinnliche Geschichte von Weih-nachten 1945 und Rainer Buslaps erklärte die Geographie Ostpreußens. Carola Schulte verlas genau wie ihr Mann selbstverfasste Gedichte. Mit ihrer Tochter Kerstin beschenkte uns Hanna Schink mit einem Fläschchen „Selbstgebranntem“ und Minimuffins. Heiteres in ostpreußischer Mundart wurde durch Gerlinde Groß vorgetragen.

Durch die großzügige Spende von Anni Oest konnten wir den Pianisten Udo Kirchrath engagieren der unser gemeinsames Singen begleitete. Die liebevoll gestalteten Textblätter von Gisela Keller waren hierbei hilfreich. Nach der Ehrung der Vorstandsmitglieder und unserer „Küchenfeen“, auch mit Blumengrüßen von Renate Buslaps, wurde eine gelungene Veranstaltung mit dem Ostpreußenlied beendet, die gerne noch länger fortgeführt worden wäre.

Wir wünschen allen Mitgliedern und Freunden, dass das Licht der Weihnacht ihnen leuchten möge in ein gesegnetes, friedvolles Neues Jahr.

Dillenburg – Bei der letzten Monatsversammlung sprach Pfarrer im Ruhestand Dietmar Balschun zur Einstimmung in die Advents- und Weihnachtszeit über den in Ostpreußen geborenen Maler und Graphiker Günter Skrodzki und zeigte einige Bilder von ihm, die sich auf die Weihnachtszeit bezogen. Skrodzki wurde 1935 im Kreis Angerapp geboren. Schon als 4-Jähriger begann er zu malen. Als 10-Jähriger erlebte er mit seiner Familie Flucht und Vertreibung und landete danach in Schleswig-Holstein. Nach seiner Ausbildung als Gebrauchsgraphiker eröffnete er eine Galerie, die er jetzt in Husum betreibt. Er unternahm zur Fortbildung mehrere Auslandsreisen, unter anderem nach New York und nach Israel. 1986 hatte er seine erste Ausstellung. Skrodzki zählt zu den Expressionisten, ähnlich wie Schmitt-Rottluff und Nolde, den Begründern der „Brücke“.

Schon früh beschäftigte er sich mit der Bibel. Seit dem Jahr 2007 hat Skrodzki 240 Holzschnitte zu biblischen Szenen geschaffen. Bei einem der gezeigten Bild handelt es sich um eine Darstellung des Weihnachtsgeschehens. Maria hält das in Windeln gewickelte Kind auf dem Schoss, Josef steht dahinter; im Hintergrund sieht man Ochs und Esel, im Vordergrund zwei Hirten, die auf das Kind zeigen. Maria und das Kind, von dem auch Strahlen ausgehen, haben einen angedeuteten Heiligenschein, in Weiss, die Klarheit des Herrn andeutend. Das Braun der Hirtenmäntel deutet auf die Erdverbundenheit hin.

Skrodzkis Bilder sind sehr streng gehalten. Sie sollen nicht gefallen, sondern zum eigenen Nachdenken anregen. Das wurde im Laufe des Nachmittags gründlich getan, auch bei den anderen zehn gezeigten Bildern. Zum Abschluss sangen alle gemeinsam das von dem Königsberger Pfarrer Weissel gedichtete Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit“ und dann noch wie immer das Ostpreußenlied.

                Ingrid Nowakiewitsch

Wetzlar – Montag, 9. Januar, 19 Uhr, Restaurant „Grillstuben“, Stoppelberger Hohl 128: Jahreshauptversammlung. Ab 19.45 lautet das Thema eines Vortrages von Margarete Weise „Familiengeschichte in bewegten Zeiten“. Der Eintritt ist frei. Kontakt: Kuno Kutz, Telefon (06441) 770559.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Osnabrück – Dienstag, 10. Januar,  16.30 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bonn – Dienstag, 3. Januar, 18 Uhr, Haus am Rhein, Elsa-Brandström-Straße 74: Beim ersten monatlichen Treffen im neuen Jahr berichtet der langjährige Erste Vorsitzende Manfred Ruhnau über seine Eindrücke beim 11. Treffen der Kreisgemeinschaft Braunsberg in Braunsberg.

– Zum Vormerken –

Dienstag, 24. Januar, 14 Uhr, Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49: Treffen des Frauenkreises

Dienstag, 7, Februar, 18 Uhr, Haus am Rhein: Siedlungsgeschichte Preußisch-Litauens (Nordosrtpreußen) am Beispiel des Kirchspiels Tollmingkehmen. Referent ist Wolfgang Rothe.

Sonnabend, 18. Februar, 19.30 Uhr, Hotel Maritim, Bonn: zehnter Ostdeutscher Winterball (mit Buffet)

Neuss – Jeder zweite Mittwoch im Monat, 15 bis 18 Uhr, Ostdeutsche Heimatstube, Oberstraße 17: Treffen der Frauengruppe. – Ostdeutsche Heimatstube in Neuss, Oberstraße 17: Die Heimatstube ist in der Regel am ersten und letzten Donnerstag im Monat von 15. bis 18 Uhr geöffnet,

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorffsaal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland unter der Leitung von Radostina Hristova.

– Zum Vormerken –

Sonnabend, 11. Februar, 14.30 Uhr, Eichendorf-Saal, GHH: Karnevalfeier für alle Landsmannschaften.

Sonnabend, 11. März, 15 Uhr: Das große Frühjahrstreffen der Memelländer.

Gütersloh – Der Ostpreußische Singkreis trifft sich in unregelmäßigen Abständen montags von 15 bis 17 Uhr in der Elly-Heuss-Knapp-Realschule, Moltkestraße 13. Neue „Drosseln“ sind immer willkommen. Kontakt: Renate Thamm, Telefon (05241) 40422.

Lüdenscheid – Die beiden Kreisgruppen der Ostpreußen und Pommern gedenken ihres langjährigen Vorsitzenden Dieter Mayer, der am 15. November im Alter von 81 Jahren verstorben ist.

Er wurde am 8. Mai 1935 in Groß Gröben im Kreis Osterode geboren. Im Jahr 1981 wurde Dieter Mayer zum Vorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen in Lüdenscheid gewählt. Dieses Amt führte er zusammen mit seiner Lebenspartnerin Waltraud Lange bis zu ihrem plötzlichen Tod 2011 aus. Seit 2006 war er auch Vorsitzender der Landsmannschaft Pommern in Lüdenscheid, Dieter Mayer pflegte das Heimatgut durch das Vorlesen von Gedichten ostpreußischer Dichter und anderen Beiträgen aus der Heimat beim monatlichen Treffen im Haus der Vereine. Lieder begleitete er immer auf seinem Akkordeon. Er führte sein Amt gewissenhaft und mit ganzer Kraft aus. Sein Leben und sein Wirken widmete er ganz den Landsmannschaften.

Aufgrund seiner vielen Tätigkeiten, die Dieter Mayer nicht nur in der Lüdenscheider Landsmannschaft ausübte sondern auch überregional, hat er viele Ehrungen und Auszeichnungen erhalten, unter anderem 1993 das Verdienstabzeichen, 1995 das Ehrenzeichen vom Land Nordrhein-Westfalen, die Goldene Ehrennadel vom BdV und 2015 die Ehrennadel der Stadt Lüdenscheid am Tag der Heimat.

Ein großes Anliegen war ihm immer das jährliche Stadtfest in dem großen Ostpreußen-Haus, das er genau vor 40 Jahren selbst entworfen hat und das dann von dem Landsmann Paul Artschwager und Mitarbeitern aus Holz gebaut wurde.

Sein größter Wunsch war das 40. Stadtfest durchzuführen, Dieser Wunsch ist ihm noch in Erfüllung gegangen. Er wird uns sehr fehlen.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner, Julius-Wichmann-Weg 19, 23769 Burg auf Fehmarn, Telefon (04371) 8888939, E-Mail: birgit@kreil.info

Flensburg – Freitag, 13. Januar, 12 Uhr, AWO-Stadtteilcafe Flensburg: gemeinsames Grünkohlessen.

– Zum Vormerken –

Die wichtigsten Termine bis zum Oktober 2017

Freitag, 20. Januar, 15 Uhr AWO-Stadtteilcafe: Erst Kaffeetafel, dann der Vortrag „Das Nordertor in den Jahrhunderten“, Referent ist Dr. Broder Schwensen, Flensburger Stadtgeschichte.

Freitag, 10. Februar, 15 Uhr, AWO-Stadtteilcafe: Erst Kaffeetafel, dann der Vortrag „Als Sanitätsoffizier im Kriegsgebiet Afghanistan“ Von Hauptmann a. D. Gerhard Homrich. Anschließend Jahreshauptversammlung 2017.

März, 19. Uhr, Restaurant Borgerforeningen, Flensburg: Preußische Tafelrunde. Anmeldungen bei Wolfgang Kanstorf, Telefon (0461) 64847. Der Tag wird noch rechtzeitig bekannt gegeben!

Mittwoch, 15. März, 15 Uhr TSB-Heim: Kaffeetafel der Vereinigten Landsmannschaften Flensburg mit anschließender Jahreshauptversammlung. Die Einladung folgt per Verteiler und  Post.

Mittwoch, 29. März, 15 Uhr, AWO-Stadtteilcafe: Kaffeetafel.

Mittwoch 12. April, 15 Uhr AWO-Stadtteilcafe: Nach der Kaffeetafel, der Vortrag „Die Plaggenhacke“. Christian Winkel berichtet vom Jahr 1762, als Hunderte von siedlungswilligen Kolonisten aus dem Süden Deutschlands in das Herzogtum Schleswig strömten.

Freitag, 19. Mai, ab 10 Uhr: Ausflug per Bus mit der Vereinigten Landsmannschaft Flensburg nach Dithmarschen, Programm folgt. 

Mittwoch, 21. Juni, 11.30 Uhr, Delfter-Stuben, Flensburg-Mürwik: Spargelessen.

Donnerstag, 13. Juli, 16.30 Uhr, Osthafenbereich: Besichtigung der Classic-Yacht-Werft, anschließend gemeinsames Abendessen. Zu erreichen ist der Treffpunkt per Bus mit der Linie 5, Ausstieg „Industriehafen“, anschließend Fußweg an der Firma Jacob-Zement vorbei, weiter zum Hafen zirka 300 Meter bis zum Ziel.

Sonnabend 19. August, 14 Uhr, Schiffsanleger an der Schiffbrücke bei MS Alexandra oder MS Viking: Schiffstour und Kaffeetafel auf der Flensburger Förde.

Donnerstag 14. September, 15 Uhr, TSB-Gaststätte: Tag der Heimat mit einer Kaffeetafel und einem Vortrag von Edmund Ferner, dem Landesvorsitzenden der Landsmannschaften in Schleswig-Holstein.

Sonntag 1. Oktober, 10 Uhr, Kirche St. Michael: Erntedankfest mit Pastor Sander. Anschließend gemeinsames Mittagessen und Besuch der Grabstelle von Herrn Pollack.

Mittwoch 18. Oktober, 15 Uhr, AWO-Stadtteilcafe: Kaffeetafel, später Gespräche.

Anmeldungen bitte stets eine Woche zuvor bei Hannelore und Winfried Brandes, Telefon (0461) 74816. Sie können jederzeit Freunde mitbringen. Wir bitten um zahlreiches Erscheinen.


Vetriebene kaum erwähnt
»25 Jahre gute Nachbarschaft« – Eine Feierstunde im nordrhein-westfälischen Landtag 

In einer Feierstunde unter dem Leitspruch „25 Jahre gute Nachbarschaft“ wurde am 28. Oktober im Plenarsaal des Düsseldorfer Landtags an die Unterzeichung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages am 17. Juni 1991 in Bonn erinnert. Mitglieder des NRW-Europaministeriums, des Generalkonsulats der Republik Polen in Köln, des Polnischen Institutes Düsseldorf sowie der Parlamentariergruppe NRW-Polen hatten sich eingefunden.

Die Bedeutung des Vertragswerkes würdigte zu Beginn der Veranstaltung Landtagsvizepräsident Eckhard Uhlenberg (CDU) als „Meilenstein in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen“. Er unterstrich die engen Verbindungen zwischen Deutschland und Polen, die sich seit 1991 auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene entwickelt hätten. Die entstandene Partnerschaft gelte es jedoch zukunftsfest und lebendig zu erhalten. Aktuellen Herausforderungen in Europa könnten sich die europäischen Staaten am besten gemeinsam stellen.

Der polnische Generalkonsul Jan Sobczak verwies auf den deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990, der zusammen mit dem Nachbarschaftsvertrag eine neue Epoche im deutsch-polnischen Verhältnis eingeleitet habe. Marc Jan Eumann (SPD), NRW-Staatssekretär für Europa und Medien, ging auf die Feier zum Tag der Deutschen Einheit 2016 in Kattowtz ein. Auf Einladung des deutschen Generalkonsulats hatten ihn Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen und der polnischen Partnerregion, der Woiwodschaft Schlesien, gemeinsam begangen – ein ereignis mit großer Symbolkraft.

In der abschließenden Diskussionsrunde berichtete NRW-Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute (SPD) zunächst über die Tätigkeiten der deutsch-polnischen Regierungskommission. Werner Jostmeier (CDU) und Josef Neumann (SPD) zeigten daraufhin die Aufgaben der Parlamentariergruppe NRW-Polen auf, während Elfi Scho-Antwerpes, stellvertretende Erste Bürgermeisterin in Köln, beispielhaft für die Partnerschaften zwischen Kommunen in NRW und Polen gemeinsame Aktivitäten ihrer Stadt mit Kattowitz vorstellte. Im weiteren Verlauf lenkte die Moderatorin die Aufmerksamkeit auf das Polenbild der Deutschen, dessen Wandel Werner Jostmeier skizzierte. In diesem Zusammenhang stellte der Vertriebenen- und Aussiedlerbeauftrage der CDU-Landtagsfraktion fest: „Jeder Fünfte in Nordrhein-Westfalen führt seine familiären Wurzeln auf Schlesien, Pommern oder Ostpreußen zurück. […] Nordrhein-Westfalen, vor 70 Jahren gegründet, wäre ohne die polnische Bevölkerung, die Zuwanderung, und ohne die Flüchtlinge und Vertriebenen und deren Arbeit so nicht denkbar.“

Dank Jostmeier fiel das Wort „Ostpreußen“ in der gesamten Feierstunde wenigstens ein einziges Mal. Den Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zur deutsch-polnischen Verständigung und die vielseitigen Verbindungen der ostdeutschen Landsmannschaften zu den heute in den Heimatgebieten jenseits von Oder und Neiße lebenden Menschen erwähnten die übrigen Redner in keinem Nebensatz. Dabei betreibt nicht nur die Landsmannschaft Ostpreußen mit ihrem Kommunalpolitischen Kongress seit eineinhalb Jahrzehnten eine „Graswurzelaußenpolitik“, wie sie der in Westpreußen geborene Josef Neumann in seinen Ausführungen beschrieb.

Zwar fehlte es an diesem Abend wahrlich nicht an historischen Einordnungen und Darstellungen. Weder wurde jedoch auf die Vertreibung der Deutschen, mit 15 Millionen Betroffenen immerhin die größte ethnische Säuberung der Geschichte, oder gar ihre Vorgeschichte in der Zwischenkriegszeit an geeigneter Stelle hingewiesen, noch wurde die aktuelle Situation der deutschen Minderheit in der Republik Polen explizit angesprochen. Angesichts der Vielzahl der beteiligten Gruppen und Institutionen hätte sich durchaus die Möglichkeit geboten, zumindest den Bund der Vertriebenen (BdV), zu berücksichtigen. Noch im April 2016 hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) beispielsweise den Oberschlesiern versichert, sie könnten sich auf ihr Patenland Nordrhein-Westfalen verlassen. Diese Chance wurde leider vertan.

                Alexander Gesk


S. 20 Heimatarbeit

»Denn Weihnachten kann nicht ausfallen«
An vier Heiligabende in schwerer Zeit hat sich die PAZ-Leserin Marianne Hildebrandt für uns erinnert

Es sollte unser letztes Weih-nachtsfest bei den Großeltern in Insterburg sein. Zu diesem Zeitpunkt konnte sich das niemand vorstellen, die Front war noch weit weg, deutsche Soldaten starben vor Stalingrad.

Unser Vater erlitt bei seinem Einsatz in Russland am 31. Oktober eine so schwere Verwundung, dass tagelang um sein Leben gerungen wurde. Unsere Mutti war voll banger Sorge, dieser Krieg hatte sie nun eingeholt, gnadenlos. Kein Wispern und Tuscheln, keine kleinen Geheimnisse, keine verschlossenen Türen – kann Weihnachten in einem solchen Falle einfach ausfallen?

Wir Kinder – sechseinhalb und fünfeinhalb Jahre alt – wussten in den Gesichtern der Erwachsenen zu lesen – und wir spürten schon in so jungen Jahren, dass es so etwas wie Schicksal gibt. Dieses „etwas“ konnten wir nicht fassen und hatten nur den einen Wunsch, unsere Mutti wieder lachen zu sehen. Kann Weihnachten ausfallen?

Ulli und ich gehen am frühen Nachmittag zum Gottesdienst in unsere Lutherkirche. Eine festliche Stimmung empfängt uns. Wir sitzen ganz still und lassen uns mitnehmen in den Stall von Bethlehem.

Kurz ist der Weg nach Hause, wir stapfen über den Alten Markt, überqueren vorsichtig die Hindenburgstraße und sind dann schon bald in der Bergstraße. Zu unserer großen Überraschung brennt dort ein Tannenbäumchen – und am Boden unter den Tannenzweigen ist für jeden von uns ein Bunter Teller gerichtet.

Das war unser Weihnachten im Jahr 1943, denn Weihnachten kann nicht ausfallen.

Erwartungsfroh stehen die Kinder am Esszimmerfenster. Eine märchenhafte Winterlandschaft breitet sich vor ihnen aus, alles versinkt in tiefem Schnee – weit können die Kinder sehen, weit über die Felder. Hin und wieder stiemt der Schnee, wirbelt auf. Dann kneifen die Kinder die Augen zusammen. Der Weihnachtsmann kann nur von dort kommen, sie lauschen, ob sie die Glöckchen von seinem Schlitten nicht endlich hören.

Und doch verpassen sie ihn auch dieses Mal wieder. Es poltert vorne im Haus. Schon brennen die Kerzen am Tannenbäumchen. Die Kinderaugen strahlen. Jetzt muss man sich noch einmal kurz zusammennehmen und das erwartete Gedicht aufsagen. Ein Knicks. Auch der kleine Junge schafft sein Gedicht und den Diener.

Das kleine Mädchen entdeckt die Puppenstube und ein kleines Märchenbuch der Gebrüder Grimm, der kleine Junge die Ritterburg – und bunte Teller für alle. Die Kinder sind selig. Die geliebte Oma ist aus Insterburg gekommen und ihr Papa aus Danzig. Dorthin muss er wieder zurück, weil seine Kriegsverletzungen noch in einem Lazarett behandelt werden. Noch nie haben sie mit ihrem Papa Weihnachten gefeiert. Mit seiner warmen Stimme singt er all die schönen Weihnachtslieder.

Der große Kachelofen verbreitet angenehme Wärme. Ein stimmungsvolles Bild. Kinderaugen sehen nicht die Sorgen in den Gesichtern der Erwachsenen, sie achten nicht auf ihre Gespräche. Sie spielen voller Hingabe. Dass Opa nicht mitkommen konnte, hat man ihnen erklärt. Sie bedauern es zwar, geben sich aber damit zufrieden.

Weihnachten – zum letzten Mal in diesem Haus und mit dem vielen Schnee, zum letzten Mal mit der geliebten Oma. Aber das ist ein anderes Thema. 

Wie mit einer Riesenwelle, einem Tsunami gleich, sind wir fortgespült worden. Wir konnten nur das nackte Leben retten. Wir sind in der nördlichsten Stadt Deutschlands gelandet und haben immerhin schon ein Zimmer nur für uns – kein Lager mehr, keine kalten Züge, keine Turnhallen, keine zugigen Bahnhöfe.

Flensburg, Jürgenstraße, Hafendamm.

Wir besitzen inzwischen zwei ausrangierte Lazarettbetten, eine Kommode, einen kleinen Tisch und zwei Holzkoffer, die uns schon seit Danzig begleiten und dabei unverzichtbare Dienste leisten. Und seit Juli haben wir auch ein kleines Schwesterchen. Wenn wir nur endlich mit ihm spielen könnten. Wir können es kaum erwarten.

Es ist Heiligabend, und wir Kinder warten auf die Bescherung. Mutti dämpft unsere Erwartungen, sie meint, dass der Weihnachtsmann vielleicht noch gar nicht weiß, dass er uns jetzt in Flensburg finden kann. Wir sind traurig.

Da kommt Papa mit einem kleinen Bäumchen, das Platz auf der Kommode findet. Es duftet so schön nach Wald, nach Tannennadeln. Und Besuch hat Papa mitgebracht, einen fremden Mann, einen Kameraden. Auf Muttis fragenden und nicht gerade glücklichen Blick erklärt Papa: „Dieser arme Kerl hat niemand, er weiß nicht, wo seine Frau und seine Kinder sind, er weiß nicht, ob sie noch leben. Wir wollen ihn heute in der Christnacht nicht alleine lassen.“

Und wortlos, selbstverständlich teilt Mutti den Kanten Brot in fünf Teile – unser Ofen, den wir Gustav nennen, bullert und verbreitet Wärme.

Der große Saal im Deutschen Haus in Flensburg füllt sich rasch. Man sucht die Nähe der Landsleute. Breites Ostpreußisch ist zu hören. An langen Tischen sitzen die Familien, plachandern und schabbern bis der Weih-nachtsmann erscheint und ein kleines 3-jähriges Mädchen die Bühne betritt.

Auf die brummige Frage, ob sie denn auch immer artig gewesen sei und auch ein Gedicht aufsagen könne, beginnt die Kleine mit glockenhellem Stimmchen „Denkt euch – ich habe das Christkind geseh’n! / Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee, / mit rot gefrorenem Näschen …“

Das Gedicht ist zu Ende. Andächtig schaut die Kleine den Weihnachtsmann an. Im Saal ist es immer noch still, die Augen der Menschen schimmern, denn die Gedanken sind zu Hause in den dick verschneiten Wäldern – „die Kerzen fangen zu brennen an, das Himmelstor ist aufgetan ...“

Das kleine Mädchen, unser Schwesterchen, hat Weihnachten in diesen großen Saal geholt.


S. 21 Weihnachten

Wohlfahrts Imperium
Im Winterwunderland – In Rothenburg ob der Tauber hat das Weihnachtsmuseum nicht nur zu den Festtagen geöffnet

Rothenburg ob der Tauber ist eine der bekanntesten, mit am besten erhaltenen und meistbesuchten Kleinstädte Deutschlands. Der mittelfränkische Ort an der Ro­mantischen Straße von Würzburg nach Füssen vermarktet sich auch als Weihnachtsstadt – ob das ganzjährig geöffnete „Weihnachtsdorf Käthe Wohlfahrt“ in der Herrngasse 1 Anlass dafür war, ist ungewiss. Aber möglich ist es.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten Künstler und Bildungsbürger das malerisch auf einer Anhöhe über dem Fluss (ob der Tauber) gelegene Städtchen, das zum Inbegriff für die Idylle einer „altdeutschen“ Stadt wurde. Beeindruckend ist der Blick über das Dächerpanorama der Altstadt von der sie umgebenden, begehbaren Stadtmauer mit 42 Toren und Wehrtürmen. Um 1400 zählte Rothenburg mit mehr als 6000 Einwohnern zu den zehn größten Städten des Heiligen Römischen Reiches. Heute ist von der früheren Bedeutung der ehemaligen freien Reichsstadt nichts mehr zu merken. Von den 11000 Einwohnern wohnen etwa 2500 in der Altstadt. Ihnen begegnen auf Schritt und Tritt Besuchergruppen von Nah und Fern – meist aber aus dem Fernen Osten.

Tatsächlich entfällt regelmäßig ein relativ hoher Anteil der jährlichen Besucherzahl von etwa

1,5 Millionen auf den Dezember. In der Weihnachtszeit bieten die Gassen, Plätze und Schaufenster im Schmuck der Lichtergirlanden märchenhaft schöne Motive für Fotos. Der „Reiterlesmarkt“ auf dem Marktplatz von Rothenburg vor der imposanten Kulisse des romantisch ausgeleuchteten, im Stil der Gotik und Renaissance erbauten Rathauses ist einer der ältesten und schönsten in Deutschland.

Wenn die Kirchenglocken von St. Jakob die Ad­ventszeit eingeläutet haben, wird der beliebte Budenzauber durch den Prolog des „Reiterle“ eröffnet, einen freundlichen Gesellen hoch zu Ross, der mit seiner Herkunft aus den Tiefen der germanischen Mythologie allerdings nichts mehr gemein hat.

Auch im „Weihnachtsdorf“ der Firma Käthe Wohlfahrt verzeichnet man in der Adventszeit den größten Kundenandrang, wenngleich Kunden und Besucher hier, im weltweit größten Weihnachtsschmuckgeschäft, zu jeder Jahreszeit weihnachtliche Stimmung genießen können. Viele der ausländischen Besucher stammen aus den USA und Japan, wo die Weihnachtswelt der Firma Käthe Wohlfahrt großen Anklang findet und Niederlassungen unterhält. Insgesamt gründete das Unternehmen bisher 20 Weihnachtsläden im In- und Ausland, die größtenteils vom Stammhaus in Rothenburg verwaltet und gesteuert werden. Nirgends aber findet man ein so großes Angebot an Weihnachtsdekoration wie im Hauptgeschäft, dem seit 2001 das weltweit einzige Weihnachtsmuseum angeschlossen ist. Man kann das Weihnachtsdorf kaum verfehlen, da ein knallroter Oldtimer-Bus vor dem Eingang steht.

In den zusammengelegten Räumlichkeiten von vier Bürgerhäusern aus der Renaissancezeit wird auf 1000 Quadratmetern traditioneller deutscher Weihnachtsschmuck in schier unübersehbarer Fülle präsentiert. Den Rahmen bildet ein liebevoll arrangiertes Ambiente, das die Anmutung eines glitzernden Weihnachtsmärchens vermittelt. Vieles ist in Bewegung, dreht sich oder wackelt, dazu bimmeln die Spieldosen ihre Melodien. Gleich am Eingang wird man von einem riesigen Nussknacker begrüßt. Drinnen kann man sich in den Gängen mit übervollen Wandvitrinen, überdimensionalen Weihnachts­pyramiden und vielen Präsentiertischen sogar verirren. Neben Weihnachtskugeln in allen Größen und Farben, Baststernen und figürlichem Baumschmuck ist die erzgebirgische Volkskunst Markenkern des familiengeführten Unternehmens: bunte, gedrechselte Holzfiguren, ge­schnitzte Schwibbögen, Krippen, Weihnachtspyramiden, Spieluhren, En­gel, Räuchermännchen und Nussknacker in zahllosen Variationen. Auf einer etwas tiefer liegenden Ebene sind die Auslagen vor den Fassaden kleinformatiger Fachwerk­häuser mit schneebedeckten Dä­­chern arrangiert. Man be­gibt sich also wirklich auf einen Rundgang durch ein „Weihnachtsdorf“.

Manch ein Neukunde entdeckt im Weihnachtsdorf seine Passion für die dekorativen Kreationen aus der firmeneigenen De­signwerkstatt. Am meisten aber staunen die Kinder. Mögen auch manche der zufällig hineingeschneiten Besucher die Art der Präsentation als recht kitschig empfinden, so hat der Firmengründer doch vor mehr als 50 Jahren zu Recht auf das Ge­schäftsmodell der weihnachtlichen Volkskunst gesetzt, die immer noch dem Stilempfinden vieler Menschen in aller Welt entspricht. Nur in der 2011 eröffneten Einkaufswelt von Käthe Wohlfahrt am Berliner Ku’damm gibt es neben Saisonware ebenso viel Ausgefallenes und Trendiges wie Traditionelles im Angebot. Für das Unternehmen bedeutete die Berliner Gründung ein Wagnis, da zuvor alle Fachgeschäfte in kleineren Städten gegründet wurden, die ein bedeutendes Tourismusgeschäft haben.

Alles begann mit einer Spieldose aus dem Erzgebirge. Der Firmengründer Wilhelm Wohlfahrt hatte sie 1953 aus seiner vogtländischen Heimat mit nach Stuttgart genommen. Anfang der 1960er Jahre fand eine befreundete amerikanische Offiziersfamilie daran Gefallen. Wilhelm Wohlfahrt machte sich auf die Suche nach einer ähnlichen Musikdose aus dem Erzgebirge, fand endlich mehrere davon bei einem Großhändler und verschenkte eine an seine amerikanischen Freunde. Die übrigen fanden reißenden Absatz bei anderen Amerikanern. Er deckte sich mit einem größeren Sortiment ein und war damit fortan auf den Wochenendbasaren der amerikanischen Offiziersfrauen präsent. 1964 gründete Wilhelm Wohlfahrt in Herrenberg bei Stuttgart seine Firma, die er auf den Namen seiner Frau an­meldete. 1977 zog „Käthe Wohlfahrts Christkindlmarkt“ nach Rothenburg um.

Seit 1981 besteht der Weih­nachtsladen am jetzigen Standort und ist ein wichtiger Arbeitgeber vor Ort. Aus dem eigenen Logistikzentrum in Rothenburg liefert Käthe Wohlfahrt Glaskugeln und Engel in viele Länder der Welt. In der Adventszeit betreibt die Firma Stände auf 50 bis 60 Weihnachtsmärkten in den USA, Europa und Japan. Und so dürfte auch in Zukunft ein Besuch des Ladengeschäftes zum festen Programm vieler organisierter Reisen amerikanischer und japanischer Touristen gehören. D. Jestrzemski


Göttliche Blendung
Die »Heilige Nacht« in einer Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus

Nüchterne Worte des Evangelisten Matthäus schildern ein für die Christenheit grundlegendes Ereignis: „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusam­mengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes.“

Mit der Menschwerdung Christi beginnt also die Erlösung der Menschheit von der Erbsünde. Die knappen Weihnachtserzählungen der Bibel erfuhren durch Heiligenlegenden und Visionsbeschreibungen Ergänzungen und Ausschmückungen, die Künstlern Anregungen zu prachtvollen Werken lieferten. Erlesene Beispiele zeigt die Ausstellung „Heilige Nacht“ im Frankfurter Liebieghaus. Sie umfasst rund 100 mittelalterliche Bilder und Plastiken sowie zwei vielfigurige Krippen aus dem 19. Jahrhundert.

Die Schau verfolgt die Geschehnisse von der Verkündigung an Maria bis zur Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten. Zahlreiche Werke widmen sich der Geburt Christi. Frühe Darstellungen wie das erlesene, um 1150 aus Walrosszahn geschnitzte Relief der „Geburt Christ“ rücken die liegende Gottesgebärerin Maria in den Vordergrund. Hinter ihr liegt das Kind in der Krippe. Die heilige Birgitta lieferte den Künstlern Stoff für die weitere bildnerische Ausschmückung der Geburtsszene. Sie hatte 1372 eine Vision von der Niederkunft Mariens: „In ei­nem Nu hatte sie ihren Sohn ge­boren, von welchem ein so großer Glanz ausging, dass die Sonne damit keinen Vergleich aushielt.“ Maria betete den Knaben an und sprach: „Willkommen, mein Gott, mein Herr und mein Sohn.“

Fortan stellten viele Künstler die kniend ihren nackten, leuchtenden Sohn anbetende Maria dar. Ein herausragendes Beispiel ist die von Hans Baldung Grien gemalte „Geburt Christi“ (um 1525–1530). Der strahlende Glanz des Jesuskindes blendet Josef und einen Engel – nicht aber die heilige Jungfrau. Andächtig blickt sie auf ihren göttlichen Sohn.

Nach den Hirten fanden sich die durch den Stern geleiteten Weisen aus dem Morgenland beim Kind ein. Matthäus berichtet: „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“

Früh wurden die Weisen zu Königen umgedeutet. Das farbenprächtige, mit vielen Figuren und zahlreichen erzählerischen De­tails ausgestattete Gemälde eines unbekannten Meisters schildert „Begegnung, Zug und Anbetung der Heiligen Drei Könige“ (Wien, um 1490). Im Vordergrund hebt sich würdevolles Zeremoniell vom Getümmel des Hintergrundes ab. Das Jesuskind thront auf Marias Schoß und nimmt die Huldigung der prächtig ausstaffierten Könige entgegen.          Veit-Mario Thiede

Bis 29. Januar im Liebieghaus, Schaumainkai 71, Frankfurt am Main. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Telefon (069) 605098232, Eintritt 10 Euro. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet im Museum 34,90 Euro, im Buchhandel 45 Euro. Internet: www.liebieghaus.de


Liebes Christkind
Viele Kinder bekommen jedes Jahr Post aus Engelskirchen

Seit über 30 Jahren eröffnet die Deutsche Post jeweils sechs Wochen vor Weih­nachten ein „Christkind-Postamt“ in Engelskirchen im Bergischen Land. Engagierte Menschen verschicken dann rund 140000 Briefe an Kinder aus aller Welt.

Als 1985 Briefe an „das Christkind bei den Engeln“ bei der (damals noch) Bun­despost eingingen, überlegten Postmitarbeiter, wie man die Briefe be­handeln solle – ohne die Absender zu enttäuschen. Die Idee: ein Weih­nachts­postamt in der oberbergischen Ge­meinde En­gelskirchen. Schon der Na­me des Ortes bot sich dafür an. Von dort sollte den Briefabsendern, meist Kindern, ge­antwortet werden. Das Christkind-Postamt war entstanden.

Es sprach sich wohl herum, dass Briefe an das Christkind in Engelskirchen nicht im Nirgendwo verschwanden, sondern eine Antwort des Christkindes erhielten – sogar mit schönen Briefmarken und Sonderstempeln versehen. Dadurch wurde Engelskirchen, wo der Vater eines anderen „En­gels“ – des Sozialisten Fried­rich Engels – eine Textilfabrik besaß, zur beliebtesten Christkind-Adresse in Deutschland. Die Deutsche Post unterhält derzeit sieben Weihnachtspostämter, die das Christkind, den Nikolaus oder den Weihnachtsmann als Absender angeben. Christkind und Nikolaus sind christlich begründet mit realem Hintergrund. Der Weihnachtsmann dagegen ist eine Kunstfigur, die kommerziell genutzt wird – besonders von einer amerikanischen Getränke-Firma seit den 1930er Jahren.

Für Engelskirchen beschert die alljährliche Eröffnung der Weih­nachtspostfiliale einen beachtlichen Medienrummel. Post-Sprecherin Britta Toellner kann wahrheitsgemäß verkünden: „Das Christkind ist echt.“ Eine junge Frau schlüpft dann für sechs Wochen in die Rolle des Christkindes und kann jeweils am 3. Ad­ventswochenende nachmittags im Postamt persönlich besucht werden. Den Einwand, dass doch das Christkind männlich war, weiß die Post-Sprecherin zu begegnen: „Die meisten Besucher, vor allem die Kinder, erwarten engelhafte Figuren. Da spielt das Geschlecht keine Rolle.“

Im vergangenen Jahr mussten das Christkind und seine Helfer mehr als 135000 Briefe beantworten. Und nicht nur aus Deutschland, sondern aus aller Welt. In mehr als 50 Länder geht mittlerweile die Post aus Engelskirchen, bis hin nach China, Japan, Brasilien oder Togo. In diesem Jahr werden ähnlich viele Briefe wie 2015 erwartet. Das Helferteam setzt sich aus 13 Frauen aus Engelskirchen und Umgebung zusammen. Sie engagieren sich freiwillig, erhalten lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung. Die Post stellt Briefpapier, Um­schläge, die Briefmarken und einen Sonderstempel zur Verfügung. Gibt es keinen Poststreik, sollte die Antwort des Christkinds rechtzeitig vor Heilig Abend eintreffen.                 Siegfried Schmidtke


S. 22 Neue Bücher

Alter, was ist das?
Studie über 100-Jährige

Ein Kind, das heute geboren wird, habe eine 50-prozentige Chance, 100 Jahre alt zu werden, sagt Professor Konrad Beyreuther, Direktor des „Netzwerks Alternsforschung (NAR)“ der Universität Heidelberg. Es handelt sich dabei um einen Forschungsverbund zum Thema Alternsforschung im Rhein-Neckar-Raum mit Schwerpunkt auf biologischer, medizinischer, psychologischer, soziologischer und ökonomischer Forschung.

Die Steigerung der Lebenserwartung sei Ausdruck der großen Veränderungen in den vergangenen 160 Jahren, so Beyreuther. Eine komplexe Interaktion von steigendem Wohlstand, gesunder Ernährung, verbesserter Hygiene und medizinischer Versorgung habe dies ermöglicht. So steige die Zahl der 100-Jährigen in Deutschland stetig an.

Zu den Untersuchungen ist im Hirzel-Verlag die Publikation der Baden-Württemberg Stiftung „100! Was die Wissenschaft vom Altern weiß“ erschienen. Die Stiftung ebnet seit vielen Jahren den Weg für Spitzenforschung und Bildungsmaßnahmen. In den einzelnen Forschungsberichten gehen die Wissenschaftler dabei konkreten Fragen nach wie „Gibt es eine Verjüngungskur für Stammzellen?“, „Wie hängt der Alterungsprozess mit Alzheimer-Demenz zusammen?“, „Wird es eines Tages die Pille gegen das Altern geben?“, „Wie sorgen Roboter für Mobilität bis ins hohe Alter?“, „Wie kann die Gesellschaft von den Ressourcen des Alters profitieren?“, und „So alt wie man sich fühlt – ist das Altern nichts als eine kulturelle Konstruktion?“.

Mit erstaunlichen Ergebnissen in den einzelnen Berichten. So behaupten Hans-Werner Wahl, Leiter der Abteilung für Psychologische Altersforschung am psychologischen Institut der Universität Heidelberg, und Jelena Sophie Siebert, Doktorandin am selben Institut, im Fazit ihrer beider Abhandlung „Wer bestimmt, wie alt wir sind?“, dass menschliches Altern nicht einfach geschehe, sondern von uns interpretiert werde, und diese Interpretationen hätten gewaltige Folgen. „Man ist so alt, wie man sich fühlt“, diese häufig genutzte Binsenweisheit bekommt auf diese Weise ein ganz anderes Gewicht.

Beyreuther äußert den Wunsch an die Leser, sich möglichst viele der Beiträge vorzunehmen. Sollte ein Beitrag nicht gleich verständlich sein, dann sollte man einen anderen wählen und nicht gleich aufgeben. Vielleicht sind die medizinischen Artikel für Laien zunächst etwas schwer „verdaulich“. Dennoch lassen die Beiträge insgesamt ein umfassendes Bild entstehen über ein Thema, das uns alle angeht. So wünscht sich die Baden-Württemberg Stiftung, dass sie mit diesem Band möglichst viele Menschen, alte und junge, erreicht.

Hoch interessant, spannend und berührend sind vor allem die Beiträge der 100-Jährigen, die für dieses Buch interviewt wurden. Keineswegs haben diese Menschen ein Leben in Leichtigkeit leben können. Sehr schwere Erlebnisse in ihrer Jugend durch Krieg, Vertreibung, Verlust geliebter Personen prägten gerade das Leben ihrer Generation. Und dennoch sind diese bemerkenswerten Menschen 100 Jahre alt geworden. Man kann es beim Lesen kaum glauben, wenn man die Geburtsdaten sieht. Was hat ihr Leben geprägt, besonders gemacht? Welchen Lebensmaximen sind sie gefolgt? Allein diese Interviews sind tiefberührend für jeden, der sie liest.

                Silvia Friedrich

Baden-Württemberg Stiftung: „100! Was die Wissenschaft vom Altern weiß“, S. Hirzel Verlag 2016, gebunden, 19,90 Euro


»Völlig zahnlos«
Torsten Heinrich erörtert, warum Integration nicht gelingt

Es ist ein mutiges, aber insbesondere fleißiges Buch, das schonungslos, aber offen der Politik den Spiegel vorhält und deren Schwächen wie Folgewirkungen zeigt, die genau vorherzusagen zwar unmöglich ist, deren Auswirkungen aber sehr wohl abschätzbar sind. 450 Fußnoten dienen als Grundlage einer Diskussion, der sich die Politik bisher entzogen und sie zu entkräften versucht hat mit der nichtssagenden Floskel „Wir schaffen das!“.

Torsten Heinrich ist Historiker, der um möglichst große Objektivität bemüht ist, Fakten aneinanderreiht und dann „laut“ darüber nachdenkt, welche Entwick-lungsmöglichkeiten positiver wie auch negativer Art daraus resultieren könnten. Solch einen dialogischen Diskurs hätte die politische Führung mit dem „Volk“ führen müssen, anstatt dieses in „Gutmenschen“ und „Pack“ zu spalten und darauf zu hoffen, dass der „Mob“ in der absoluten Minderheit bleibe, von der „Willkommenskultur“ erdrückt und an den „rechten“ politischen Rand gedrückt werden könne. Diese Taktik schien erfolgreich zu sein, erwies sich aber bald ob der ernüchternden Realität als nicht dauerhaft wirkungsvoll, doch die Kanzlerin hatte nicht die Courage, ihre Fehleinschätzung zuzugeben und mit ihrem Volk, dessen „Wohl“ zu fördern sie eidlich verpflichtet ist, in einen offenen Diskurs zu treten.

Das Buch ist in sich folgerichtig aufgebaut und beginnt mit der Verwirrung der Begriffe durch die Politik, um emotional Zustimmung zu erheischen und sprachlich ihre zahlreichen Gesetzes- und Rechtsbrüche zu verniedlichen. Dabei halfen in seltener Einmütigkeit alle „Leitmedien“, mit Bild und Wort. Man sprach unisono undifferenziert von „Flüchtlingen“, egal ob es sich wirklich um Asylanten nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 handelte oder um Zuwanderer, die sich Schleppern andienten und der Armut entflohen auf der Suche nach einem „besseren Leben“.

Während Kanzlerin Merkel den „europäischen Geist“ beschwor, zwang die EU diese zu mehr Kooperation bezüglich der illegalen Einwanderung, die zeitweise außer Kontrolle geraten war. Nur ein ganz verschwindend geringer Teil der Immigranten aus dem Nahen Osten wie Nordafrika haben Anrecht auf Asyl.

Nun, die Masseneinwanderung unter Verletzung der Dublin-Regelungen wie Bruch des Schengen-Abkommens ist geschehen. Die Konfrontationen zwischen Immigranten und Polizei in Calais am Eurotunnel nach England oder an den Grenzen zu Mazedonien und Ungarn sind in Erinnerung. Auch die Tatsache, dass es sich dabei überwiegend um wehrfähige Männer handelte, um ‚economic migrants’. Sie sind keine Verfolgten, sondern Wirtschaftsimmigranten ohne Asylanspruch. Sie verhindern in ihrer Masse die wirkliche Aufnahme und Integration der echten Flüchtlinge. Während man den „besorgten Bürgern“ zunächst jede Berechtigung absprach, ihnen jede „Angst vor Flüchtlingen“ auszureden versuchte und diese als „Auffrischung der Bevölkerung“ und „Fachkräfte für übermorgen“ anpries, änderte sich nach den „Silvesterereignissen“ die Stimmung gewaltig und nachhaltig.

Auf Seite 105 stellt Heinrich die Frage „Wird die Integration gelingen?“ und geht ihr systematisch nach. Diese könne aber nur gelingen, wenn sie in eine Assimilation übergehe und sich Deutsche wie Immigranten als „allgemeine Schicksalsgemeinschaft“ sähen. Die Antwort? „Es fehlt die attraktive Kultur“! Die deutsche Kultur kenne keinen „Nationalstolz“ mehr, kultiviere nur noch „Selbsthass“ und „Schuldkomplexe“, und im Bundestag säßen Parteien, die „Nie wieder Deutschland“ skandierten. Es fehle eine „Leitkultur“, wir sollten „multikulturell“ sein und uns den „Zuwanderern“ anpassen. Das „christliche Abendland“ sei dem Ansturm des Islam mit seinem „Missionierungsdrang“ nicht gewachsen.

Dennoch erörtert der Autor die Frage, „wie die Integration gelingen könnte“, intensiv. Er befürwortet das „Setzen von Grenzen“ und erinnert an Karl Poppers Ausspruch, dass wir „im Rahmen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen“ müssten, „die Unduldsamen nicht zu dulden“. Doch „der deutsche Staat erscheint als völlig zahnlos“, wie sich an der erfolglosen Praxis der Abschiebung zeige.

Wer erfahren will, was alles für uns unsichtbar „im Nebel des Unbekannten verborgen“ ist, weil es nicht über die Polizei oder die Medien das Licht des Tages erblicken darf, der muss das Buch lesen. Pflichtlektüre sollte es für alle Volksvertreter gleichermaßen sein, die dem „Wohl des deutschen Volkes“ zu dienen, sich diesem „Wohl“ per Eid verpflichtet haben.         Wolfgang Thüne

Torsten Heinrich: „Nein, wir schaffen das nicht! – Warum die aktuelle Flüchtlingskrise zu einer Staatskrise wird“, Juwelen-Verlag, Tönisvorst 2016, broschiert, 218 Seiten, 9,90 Euro


Ein beneidenswertes Los
Eva Eberwein schildert die gärtnerische Leidenschaft Hermann Hesses

„Irgendwo heimisch zu sein, sein Stückchen Land zu lieben und zu bebauen ..., das schien mir ein schönes, zu beneidendes Los“, schrieb Hermann Hesse 1931 in „Verantwortlich für ein Stückchen Erde“. Dass einer der meistgelesenen deutschen Autoren eine Vorliebe für Natur und Garten hatte, dürfte wenigen bekannt sein.

Der Dichter und Literaturnobelpreisträger ließ 1907 in Gaienhofen am Bodensee ein Haus nach seinen Plänen bauen. Den Garten legte Hesse nach seinen Vorstellungen zur Selbstversorgung der Familie an. Allerdings wohnte er mit seiner Familie nur fünf Jahre lang dort. Der Garten, der ihm als Inspirationsquelle für sein literarisches Schaffen dienen sollte, begann dem Naturbegeisterten schon bald zur Last zu werden. Es zog ihn hinaus in die Welt, um neue Impulse zu bekommen. Aus seiner Unzufriedenheit erwuchsen familiäre Dissonanzen, die ihn dazu brachten, nach Ceylon und Indonesien zu reisen, um seiner sein literarisches Werk zu befruchten. Nach seiner Rückkehr verkaufte er 1912 sein Haus in Gaienhofen und zog mit seiner Familie in ein altes Stadthaus in Bern.

Das Haus in Gaienhofen blieb der Öffentlichkeit viele Jahrzehnte lang verschlossen. 2003 sollte es verkauft und das Gartengelände überbaut werden. Kurzentschlossen kaufte die gebürtige Gaienhofenerin Eva Eberwein das Grundstück, gab ihren Beruf als Unternehmensberaterin und Leiterin eines Forschungslabors einer Pharmafirma auf und widmete sich der Wiederherstellung des Gartens, der heute Anziehungspunkt für Literatur- und Gartenfreunde aus aller Welt ist. Eberwein schuf in jahrelange Kleinarbeit einen Ort, an dem der Geist Hesses auch heute noch zu spüren ist.

In ihrem Buch „Der Garten von Hermann Hesse“ erzählt sie die Geschichte des Anwesens. Eine Zeittafel in den Umschlagseiten und die zahlreichen Fotos Ferdinand Graf von Luckners sowie alte Aufnahmen mit Beschriftungen des Dichters Hesse geben dem Leser eine Vorstellung von der Schönheit des Künstlergartens. Optisch gefällig gestaltete Zitate des Dichters werden den Kapiteln vorangestellt. Sie beleuchten Hesses Motivation und Gedankenwelt, die ihn zur Gestaltung seines eigenen Gartens bewogen haben.

Insgesamt ist es ein rundum ansprechendes Buch geworden, das der Leser gerne zur Hand nehmen wird.            M. Rosenthal-Kappi

Eva Eberwein/Ferdinand Graf von Luckner (Fotografien): „Der Garten von Hermann Hesse. Von der Wiederentdeckung einer verlorenen Welt“, DVA, München 2016, gebunden, 29,99 Euro


Internationale Drahtzieher der Asylflut
Friederike Beck legt nahe, dass EU, Uno und Denkfabriken den Massenimport von Menschen planten

Die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015 war der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die 2008 ihren Anfang nahm. Seitdem nämlich kamen Jahr für Jahr mehr illegale Einwanderer nach Europa. Allerdings zeichnete hierfür keineswegs nur die ignorante Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich. Das geht zweifelsfrei aus dem eben erschienenen Buch der Enthüllungsautorin Friederike Beck hervor, welches den Titel „Die geheime Migrationsagenda“ trägt.

Über eine solche kursieren mittlerweile viele Gerüchte – manche davon stimmen auch, andere hingegen nicht. Insofern ist es gut, dass Beck ordentlich recherchiert hat und eindeutige Belege bietet. Diese weisen auf drei Hauptverantwortliche für die „Flüchtlings“-Wellen der letzten Zeit hin: die Europäische Union, die Uno und einige milliardenschwere private „Stifter“.

So entstand bereits 2005 das aufschlussreiche EU-Strategiepapier „Gesamtansatz für Migration und Mobilität“. Darin wurde „eine allgemeine Konzentration auf verstärkte Neuansiedlungsanstrengungen“ gefordert. Die EU strebte also schon zehn Jahre vor der „Flüchtlingskrise“ den massenhaften Import von Menschen aus nichteuropäischen Ländern an – und zwar vorzugsweise nordafrikanischen. Letzteres resultierte aus dem Bemühen um eine „Mittelmeerunion“, von der sich vor allem die Wirtschaft Vorteile versprach. Darüber hinaus sollte die „Neuansiedlung“ von Migranten den Bevölkerungsrückgang in Europa kompensieren und so das Schwinden des geopolitischen Gewichts der Union verhindern. Nach Veröffentlichungen der EU-Kommission aus dem Jahre 2008 ging man dabei von 56 Millionen „Arbeitsmigranten“ bis 2050 aus.

Außerdem legt Beck hieb- und stichfeste Beweise dafür vor, dass die Befürworter der Massenmigration die selbige als Werkzeug benutzen wollen, um noch bestehende nationale Unterschiede innerhalb der EU zu eliminieren. Eine Schlüsselfigur ist hier Ulrike Guérot vom European Democracy Lab, welche den Bundespräsidenten bei Staatsbesuchen begleitet und von der „Europäischen Republik“ träumt. Ihr Rezept zu deren Schaffung lautet schlicht und einfach: „Weg mit den Grenzen. Her mit den Flüchtlingen, egal wie viele, egal woher sie stammen.“

Im zweiten Teil des Buches kommen dann die Aktivitäten der Uno in punkto Migration zur Sprache. Weil die so umfangreich sind, konzentriert sich Beck auf das Treiben des UN-Sondergesandten für Internationale Migration, Peter Sutherland, der zugleich Chef des „Global Forum on Migration and Development“ ist und früher als Aufsichtsratsvorsitzender der Royal Bank of Scotland sowie der Investmentbank Goldman Sachs fungierte. Dieser Mann verlangte im Herbst 2015 mehrmals in aller Öffentlichkeit, Deutschland müsse in den nächsten 30 Jahren 45 Millionen Einwanderer aufnehmen. Und genau dasselbe sagt er wahrscheinlich auch bei seinen regelmäßigen Treffen mit Angela Merkel.

Ansonsten wären da noch die diversen Stiftungen, „Denkfabriken“ und Nichtregierungsorganisationen, welche allesamt vom Geld einiger weniger US-Milliardäre leben und die die Massenmigration ankurbeln oder zumindest in der Theorie als nutzbringend verklären. Beck erläutert dies am Beispiel des „metastasenartigen Netzwerkes“ des George Soros. Hierzu gehören aufgrund ihrer Mitgliedschaft im „European Council on Refugees and Exiles“, der wiederum von Soros’ Stiftungszusammenschluss EPIM gefördert wird, auch Pro Asyl, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz und die Diakonie.

Offen bleibt dabei allerdings die Frage nach der Motivation. Becks Annahme, der gebürtige Ungar Soros wolle mithilfe der illegalen Massenmigration einen europäischen Superstaat ohne Grenzen schaffen, erscheint jedenfalls nicht sehr logisch – was hätte er denn davon? Viel wahrscheinlicher dürfte wohl sein, dass der Spekulant und Obama-Unterstützer Soros Europa und somit dem Euro zu schaden versucht, um dem maroden US-Dollar aufzuhelfen. Und das schreibt Beck dann auch selbst zum Schluss ihres insgesamt sehr informativen und deshalb empfehlenswerten Buches.

                Wolfgang Kaufmann

Friederike Beck: „Die geheime Migrationsagenda. Wie elitäre Netzwerke mithilfe von EU, UNO, superreichen Stiftungen und NGOs Europa zerstören wollen“, Kopp-Verlag, Rottenburg 2016, 303 Seiten, gebunden, 19,95 Euro


S. 23 Anzeige Rautenberg Buchhandlung

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S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Vorsicht, Unruhestifter! / Wieso bedrängte Herrscher zur »Geschlossenheit« mahnen, weshalb es wieder soweit ist, und warum die Wahrheit solche Gefahren birgt

Manchmal geraten Herrschende in Bedrängnis, weil die Bürger des Landes unzufrieden mit ihnen sind. Beispielsweise, weil sich ihre Politik als falsch oder sogar brandgefährlich herausgestellt hat. Schön ist das nicht für die Führer, doch sie sind ja keine hilflosen Trottel. Deshalb hat die hohe Politik über die Jahrhunderte allerlei Tricks ausgeheckt, wie sie den Unmut fintenreich abwürgen kann.

Besonders beliebt als Mittel gegen Opposition ist der „Aufruf zur Geschlossenheit“. Damit werden die Unzufriedenen automatisch zu „Spaltern der Gesellschaft“ erklärt, die „polarisieren“. Begleitend ermahne man das Volk zur „Mäßigung“ und zur „Besonnenheit“, weil dann alle, die Protest äußern, elegant als „Unruhestifter“ abgekanzelt werden können.

In den vergangenen Tagen war auffallend viel die Rede von „Geschlossenheit“ oder von „Besonnenheit“, was nichts anderes bedeuten kann als: Die Mächtigen und ihre Herolde in den Medien sind nervös. Sehr nervös sogar, denn einige schießen beim Einschlagen auf die Kritiker derart übers Ziel jeder Mäßigung hinaus, dass sie sich der Lächerlichkeit preisgeben.

Grünen-Chef Cem Özdemir hat nach dem Berliner Anschlag ge­twittert: „Die, die diese Anschläge machen, das sind die Hassprediger“ und „Davon brauchen wir nicht noch mehr“. Gemünzt war die Attacke nicht etwa auf den Massenmörder vom Breitscheidplatz, sondern auf den NRW-Landeschef der AfD, Marcus Pretzell. Der hatte die Unverfrorenheit besessen, den mit der unkontrollierten Massenzuwanderung ins Land gedrungenen Terror mit der unkontrollierten Massenzuwanderung in Zusammenhang zu bringen und obendrein daran erinnert, wer die Hauptverantwortung trägt. Die Person nannte er „Terror-Kanzlerin“.

Das fand Özdemir unverzeihlich. Bei so einem Anschlag rücke man nämlich zusammen (Geschlossenheit!), das gebiete der Anstand (Mäßigung!). Wer dagegen weder mit ihm noch mit der Kanzlerin zusammenrücken will, der steht für Özdemir auf einer Stufe mit dem Massenmörder von Berlin. Alle Achtung! Pretzell hatte „nur“ die Kritik an Merkels (seiner Meinung nach) unverantwortlicher Zuwanderungspolitik polemisch zugespitzt. Özdemir dagegen hält sich mit solchen Kinkerlitzchen gar nicht mehr auf und erklärt Pretzell den moralischen Vernichtungskrieg. Ganz nebenbei: Es hat schon etwas, wenn man Vertreter der nach Umfragen stärksten Oppositionspartei mit Mördern in einen Topf wirft und gleichzeitig „Anstand“ und gesellschaftliches „Zusammenrücken“ predigt. Manche Bürger könnten darin einen gewissen Widerspruch entdecken.

Mag sein, aber die Richtung stimmt trotzdem: So sekundiert der Kommentator des „Spiegel“: „Wer die Lage jetzt, wie die Zyniker von der AfD, ausnutzen will, um Menschen gegen Menschen aufzuhetzen, betreibt das Geschäft der Terroristen.“ Äußerst geschickt: „Menschen gegen Menschen“ − das kann keiner mögen. Wenn daher Protest und Kritik drohen, dann schrumpfen wir die Dame, die wir eben noch zur „mächtigsten Frau der Welt“ erhoben haben, kurzerhand zum Einfach-nur-„Menschen“, und alle ihre Kritiker sehen schäbig aus.

Beim Beobachter der „Zeit“ setzt nach dem Schock über so ein Attentat sofort die, wie er schreibt, Sorge davor ein, „dass solch ein Anschlag einmal mehr die Gesellschaft entzweien wird“. Angefacht werde die Entzweiung durch „kurzsichtige Reaktionen“ wie die des Erzschurken Donald Trump: Der habe doch tatsächlich eine Verbindung zwischen dem Berliner Anschlag und dem islamistischen Terrorismus hergestellt, schimpft die „Zeit“. „Der ,Islamische Staat‘ und andere islamistische Terroristen würden fortwährend Christen als Teil ihres globalen Dschihads abschlachten, polterte Trump“, echauffiert sich die führende deutsche Wochenzeitung. Damit betreibe der künftige US-Präsident „den offenen Aufruf zur Polarisierung“.

Wie jetzt? Sie kommen nicht mehr mit? Pretzell hat doch recht, selbst in Paris waren über Deutschland eingesickerte „Flüchtlinge“ unter den Mördern, und der Axtmörder von Würzburg war ebenfalls mit diesem Etikett versehen worden. Trump seinerseits hat nur ausgesprochen, was allgemein bekannt ist − zum akuten Anlass vielleicht etwas vorschnell, da der (oder die?) Täter von Berlin noch nicht bekannt war(en). Aber dass der IS gezielt Christen abschlachtet, ist die vielfach belegte Wahrheit.

Genau das ist es ja: Gerade weil es sich um die Wahrheit handelt, muss es mit allen Mitteln bis zum Äußersten bekämpft werden. Die „Politische Korrektheit“ hat erst gesiegt, wenn, um mit Dushan Wegner zu sprechen (siehe Zitat rechts), es eben niemand mehr wagt, auf die Frage „Was ergibt zwei plus zwei“ einfach „vier“ zu antworten. Wenn er stattdessen ängstlich beflissen den Anweisungen der hohen Politik horcht oder in „Zeit“ und „Spiegel“ blättert, bis er sich zu einer Antwort durchringt, welche die Regeln von „Besonnenheit“ und „Geschlossenheit“ respektiert.

Überdies erschüttern Pretzell und Co. die festgelegten Rollen im politischen Spektrum. Das Recht zur Anklage haben ausschließlich die, die irgendwie „links“ stehen, während rechts diejenigen sitzen, die man beliebig scharf und ohne Maß anklagen darf. Wer an dieser Rollenverteilung rüttelt, begeht eine Todsünde, weil er die herrschende Moral-Hierarchie infrage stellt und damit die Machtverhältnisse.

Die etwas Älteren erinnern sich gut daran, wie die frühen Grünen jeden Nato-Unterstützer und Anti-Pazifisten zum „Kriegstreiber“ erklären durften. Also zu einer Unperson, die es absichtlich darauf anlegt, Deutschland, Europa, ja die ganze Welt zu vernichten. Denn mit Krieg war damals, vor mehr als 30 Jahren, der Weltkrieg zwischen Nato und Warschauer Pakt gemeint, der „atomare Holocaust“. Die Friedensbewegten machten die Verteidigungs-Befürworter damit zu Verantwortlichen von Untaten, die noch nicht einmal geschehen waren, die es nur in der Theorie gab. Der Ausspruch „Soldaten sind Mörder“ steht in dieser Tradition seit mehr als 20 Jahren unter höchstrichterlichem Schutz als „freie Meinungsäußerung“.

Wer heute dagegen auf die sehr konkreten Folgen und Gefahren einer eindeutig links inspirierten Zuwanderungspolitik hinweist, der wird hinuntergeprügelt auf das moralische Niveau von Massenmördern.

Aber, wie eingangs erwähnt: Wir müssen das im Zusammenhang sehen. Nächstes Jahr sind wichtige Wahlen, und das Letzte, was die Etablierten jetzt gebrauchen können, ist, dass die Deutschen wieder genauer auf die Zuwanderungspolitik und deren Folgen blicken. Also muss scharf und schärfer geschossen werden.

Der Kommentator des (sonst überwiegend respektablen) „Cicero“ raunt gar, es gebe „Menschen, denen gefällt, was gestern in Berlin geschah“. Und er meint damit „auch jene Politiker, ... jene Publizisten, die fieberhaft solche Taten erwarten, um aus ihnen Kapital zu schlagen“.

Was soll man sagen? Publizisten „freuen“ sich auf Ereignisse, weil sie sonst keinen Stoff hätten, den sie behandeln könnten? Oppositionspolitiker „freuen“ sich über Desaster, weil sie sonst nichts zu kritisieren hätten?

Der „gute“ Publizist ist demnach derjenige, der alle absehbaren Probleme solange leugnet, bis sie zur Explosion gereift sind. Denn nur für ihn ist die allgemeine Katastrophe auch eine persönliche, weil sie ihn als Heuchler oder Blindfisch überführt. Und „verantwortungsvoll“ nennen wir nur solche Politiker, die uns frohgemut und voll der besten ideologischen Absichten in die nächste Katastrophe lenken, während die Warner alles Hetzer sind, die sich auf den Eintritt ihrer düsteren Prophezeiungen „freuen“.

Nun wird vielleicht erklärlich, warum die Qualität so vieler Medien derart abgenommen hat. Und mit ihnen das Niveau der politischen Führung.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

»Euro kann jederzeit platzen«

Berlin – Laut Berlins früherem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) kann der Euro „jederzeit platzen“. Wie er dem „Focus“ sagte, würge die Währung in vielen Ländern den Export ab; Frankreich müsse seine Währung eigentlich um 20, Italien um 30 bis 40 Prozent abwerten. Dies könnten sie wegen des Euro aber nicht. Deutschland würde durch das Ende des Euro zwar viel (verliehenes) Geld verlieren. Der Export ginge jedoch weiter, wie historische Erfahrungen mit abrupten D-Mark-Aufwertungen gezeigt hätten.              H.H.

 

Bulgaren streiten wegen Roma

Sofia – In Bulgarien hat der Fall des Berliner „U-Bahn-Treters“ eine aufgeregte Debatte ausgelöst, seit bekannt wurde, dass der Tatverdächtige bulgarischer Staatsbürger ist. Viele Bulgaren weisen darauf hin, das Svetoslav S. Zigeuner und damit „eigentlich“ kein Bulgare sei. Andere sehen in dieser Differenzierung eine Diskriminierung der Roma.       H.H.

 

Daddys Darling

Am 20. Januar zieht Donald Trump als Präsident ins Weiße Haus ein, nicht aber seine Frau Melania. Damit er nicht die Schule wechseln muss, wohnt sie ihrem zehnjährigen Sohn Barron zuliebe weiterhin im New Yorker Trump Tower.

Doch ganz ohne First Lady müssen die USA nicht auskommen. Die Tochter aus Trumps erster Ehe, Ivanka Trump, soll die Rolle ihrer Stiefmutter Melania übernehmen. Das 35-jährige, 1,80 Meter große Ex-Model stand seinem Daddy bereits im Wahlkampf als Rednerin zur Seite und verteidigte ihn, als er mit Sexismus-Vorwürfen konfrontiert wurde.

Damit könnte sie bald zur mächtigsten „First Daughter“ aller Zeiten werden. Sie und ihr Ehemann, der Immobilen-Investor Jared Kushner, für den sie zum jüdischen Glauben übertrat, halten bereits Ausschau nach einer Wohnung in Washington. Im Ostflügel des Weißen Hauses soll statt eines „Büros der First Lady“ ein „Büro der First Family“ eingerichtet werden, von wo aus auch die Trump-Söhne Donald und

Eric ihren Vater beraten sollen.

Ivanka aber wird die Gastgeberin bei Staatsempfängen sein und könnte dafür sogar in ein Büro im Westflügel einziehen. Dort liegt auch das Oval Office des Präsidenten. Die ehrgeizige Geschäftsfrau, der eine eigene Modemarke gehört und die bereits Vizepräsidentin des väterlichen Immobilienkonzerns ist, säße dann ganz dicht am Herzen der Weltmacht.

Die dreifache Mutter, die pikanterweise mit Chelsea Clinton befreundet ist, der Tochter der Trump-Kontrahentin Hillary im Wahlkampf, könnte sich so warmlaufen als zukünftige US-Präsidentin. Den politischen Ehrgeiz dafür hat sie allemal. Sie ist, wie in der TV-Reality-Show „The Apprentice“ (Der Azubi), als sie an der Seite ihres Papas mitwirkte, Daddys Vorzeige-Lehrling.          H. Tews


MEINUNGEN

Der Autor Adorján F. Kovács fordert im Internetmagazin „Freie Welt“ (20. Dezember), aus der Bluttat in der deutschen Hauptstadt endlich harte Konsequenzen im Denken und in der Politik zu ziehen:

„Die Sicherheit in Deutschlands öffentlichem Raum ist dahin. Wer sich daran nicht gewöhnen will, muss endlich umdenken, und das radikal. Das bedeutet die Einschränkung der Freiheit für eine Religion, die primär gar keine ist. Man kann nicht ständig Äpfel mit Birnen vergleichen. Und es bedeutet Remigrationsmaßnahmen großen Ausmaßes.“

 

 

Dushan Wegner nimmt das Attentat von Berlin im Portal „Achse des Guten“ (20. Dezember) zum Anlass für eine endgültige Absage an die „Politische Korrektheit“:

„Liebe Gesinnungspolizisten und Sprachkontrolleure, ich habe keine Angst mehr vor Ihnen. Wenn ich sie je hatte, heute ist sie fort. Sie können mich beschimpfen. Ich weiß, ich weiß: Wer zwei und zwei zusammenrechnet und bei vier ankommt, der ist für Sie ein ,Populist‘, ein ,Hetzer‘, von mir aus ein ,Außerirdischer‘ – wen kümmert’s, was Sie sagen? Ihre Worte bedeuten nichts mehr. Alle Ihre Prognosen waren falsch. Sie wissen nicht, was Sie reden.“

 

 

Der im kommenden Herbst ausscheidende CDU-Politiker Wolfgang Bosbach beklagt in der „Bild“-Zeitung (19. Dezember), dass bei der Bewertung von Aussagen kaum auf die Fakten geachtet werde:

„Wenn unser Bundespräsident zur Flüchtlingspolitik ebenso schlicht wie zutreffend anmerkt: ,Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich!‘ − dann gelten diese Sätze als klug und wegweisend. Wenn aber die CSU sagt, dass wir bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Integrationskraft unseres Landes nicht überfordern dürfen, dann ist das faktisch dasselbe, gilt aber als Rechtspopulismus!“

 

 

Der Merkel-Kritiker Klaus-Peter Willsch (CDU) bemängelt das Vorgehen seiner Parteiführung bei der Auswahl eines Kandidaten für das Amt des  Bundespräsidenten im „Focus“ (10. Dezember) scharf:

„Ich halte das Einschwenken auf Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidentenkandidat für ein kollektives Führungsversagen. Das habe ich auch in der Fraktionssitzung so gesagt. Es kann nicht sein, dass CDU und CSU als stärkste Kraft in der Bundesversammlung es nicht schaffen, einen eigenen Kandidaten aufzubieten. Wir müssen doch zeigen, dass wir Leute haben.“

 

 

Der linke „Antifaschismus“ werde immer hysterischer, bemerkt Jan Fleischhauer auf „Spiegel online“ (19. Dezember) und warnt:

„Wenn es so weitergeht, sind wir nicht mehr weit davon entfernt, dass sich Unternehmen dafür rechtfertigen müssen, wer ihre Produkte konsumiert. Der Unternehmensberater Hasso Mansfeld hat dieser Tage eine interessante Frage aufgeworfen: Darf ich noch Nutella essen, wenn ich weiß, dass dem Nazi aus meinem Ort Haselnuss­creme doppelt so gut schmeckt, weil sie so schön braun ist?“