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04.08.17 / Griff nach der Hagia Sophia / Erstmals wieder muslimische Gebete in der einst christlichen Kirche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-17 vom 04. August 2017

Griff nach der Hagia Sophia
Erstmals wieder muslimische Gebete in der einst christlichen Kirche
Bodo Bost

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seine am Vorabend des Verfassungsreferendums gemachte Ankündigung, in der historischen Basilika Konstantins wieder muslimische Gebete abhalten zu lassen, wahrgemacht. Zum Ende des diesjährigen Ramadans ging erstmals seit mehr als 80 Jahren ein Imam daran, den Koran in der Hagia Sophia zu lesen, Gläubige waren zu der Veranstaltung nicht zugelassen, nur der türkische Religionsminister war zugegen, als der Gebetsruf erklang und das türkische Staatsfernsehen das Ganze live übertrug.

Die einstmals größte Kirche der Christenheit ist die von Kaiser Justinian erbaute Hagia Sophia, die Kaiserkirche des byzantinischen Reiches und seiner Hauptstadt Konstantinopel. Nach dem Fall Konstantinopels an die Türken 1453 war sie zu einer Moschee umfunktioniert worden. Allerdings wurde diese mit der Ausrufung der türkischen Republik unter Staatsgründer Atatürk 1935 in ein Museum umgewandelt, einige islamische religiöse Symbole wurden jedoch nicht entfernt. Seit dem Machtantritt Erdogans im Jahre 2002 gab es jedoch immer häufiger Versuche, aus dem Museum wieder eine Moschee zu machen. So wurden seit 2012 bereits jedes Jahr zum 29. Mai, dem Tag der Eroberung der Stadt, Namazi (Gedenk)-Gebete vor der Hagia Sophia abgehalten. Dieses Gebet ist ein Ausdruck des Willens der islamischen Organisationen, die Kirche wieder als Moschee zu verwenden.  

Zum Sprachrohr der Bemühungen zur Umwandlung der Hagia Sophia ist der ehemalige türkische Vizepräsident Bülent Arinc geworden. Er hat es jetzt verstanden, die Nachbandiyya Bruderschaft, zu der auch Erdogan gehört, für diese Zwecke einzuspannen. In der Vergangenheit hatte es Erdogan abgelehnt, die Hagia Sophia in eine Moschee zurückzuverwandeln. Sein Argument war immer, dass die benachbarte, von Sultan Ahmet gebaute Blaue Moschee, selbst  zu einer Touristenmoschee verkommen sei, wo es kaum noch muslimische Gebete gäbe und deshalb eine weitere GroßmoscheE im Stadtzentrum nicht notwendig sei.

Heftige Kritik an der Abhaltung eines Gebetes in der Hagia Sophia kam vor allem von der griechischen Regierung, die auf die Erklärung der UNESCO verwies, welche die Hagia Sophia zum Weltkultur­erbe erklärt hatte. So gesehen sei das muslimische Gebet in der Hagia Sophia nicht nur ein Angriff auf die Gefühle der Christen, sondern auch eine Beleidigung der internationalen Gemeinschaft, die von der UNESCO repräsentiert werde.

Zur gleichen Zeit, als in der Hagia Sophia die Koranrezitation stattfand, wurden im Südosten der Türkei, im so genannten Tur Abdin (Berg der Gottesknechte), der letzten Region der Türkei, wo die Christen bis vor wenigen Jahren noch eine Mehrheit gebildet hatten, mehr als 50 Kirchen und Klöster inklusive ihrer Grabanlagen an die türkische Religionsbehörde Diyanet übergeben. „Die momentanen Verstaatlichungen von jahrtausendealtem urchristlichem Kulturerbe sind absolut beispiellos“, erklärte die christdemokratische EU-Abgeordnete Renate Sommer in Brüssel, die auch für ihre Partei den Fortschrittsbericht zum Beitritt der Türkei zur EU verfasst hat. „Ganz offensichtlich arbeitet die türkische Regierung daran, die Minderheit der Aramäer im Land nicht nur – wie schon seit Jahren – zu drangsalieren, sondern regelrecht auszulöschen“, so Sommer. Vor diesem Hintergrund sei es ein Hohn, dass die Türkei weiterhin offiziell darauf bestehe, Mitglied der EU zu werden.