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11.08.17 / »Zehnfach interessantes« Kulturerbe / 28 Objekte des Bergbaus in Tarnowitz sind seit Juli UNESCO-Welterbestätte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-17 vom 11. August 2017

»Zehnfach interessantes« Kulturerbe
28 Objekte des Bergbaus in Tarnowitz sind seit Juli UNESCO-Welterbestätte
Chris W. Wagner

Jedes polnische Kind kennt das Salzbergwerk von Wieliczka bei Krakau – ein UNESCO-Weltkulturerbe. Bald schon wird sich auch der Tiefe Friedrichstollen, den die Polen „Stollen der Schwarzen Forelle“ nennen, und mit ihm weitere 27 Sehenswürdigkeiten in Tarnowitz einer gleichen Bekanntheit rühmen, hoffen die Mitglieder der „Freunde des Tarnowitzer Landes“. Sie sind es, die seit 60 Jahren für den Erhalt des Tarnowitzer Kulturerbes kämpfen. Und sie waren es auch, die 2011 erstmals den Antrag beim UNESCO-Weltkulturerbekomitee stellten. „Auf einer Liste zu stehen, nicht nur gemeinsam mit der Warschauer Altstadt, sondern auch mit Objekten wie dem Taj Mahal oder den ägyptischen Pyramiden, das ist eine unglaubliche Ehre, aber auch eine große Verantwortung“, erklärte Zbigniew Pawlak, stellvertretender Vorsitzender des Vereins vor der Presse. Der Verein wollte den Tarnowitzer Bergleuten durch sein Wirken von Anfang an ein Denkmal setzen und ihre Arbeitswelt künftigen Generationen vor Augen halten. Dieses Ziel haben sie nun erreicht. Seit Jahren betreibt der Verein Bildungsarbeit, indem vor allem der Vorsitzende Marek Kandzia Geschichtsvorträge hält und Publikationen zu Tarnowitz herausgibt. Auf Initiative der Freunde des Tarnowitzer Landes wurde 1957 ein Bergbau-Volksfest ins Leben gerufen, das seit 60 Jahren eine touristische Attraktion Oberschlesiens ist. Im Jubiläumsjahr 2017 wird besonders groß gefeiert.

Wichtigster Punkt bei dem vom 8. bis 10. September dauernden Gwarek-Fest - Gwarek ist  vom deutschen Begriff Gewerke, also Anteilseignern eines Bergbauunternehmen, entlehnt - ist der Umzug in historischen Gewändern durch die Stadt. Mit von der Partie ist jedes Jahr auf diese Weise Friedrich Wilhelm von Reden, der Vater der Industrialisierung Preußens, Johann Wolfgang von Goethe, der 1790 Tarnowitz besuchte, Kaiser Wilhelm II., der gerne in Tarnowitz auf Jagd ging, der polnische König Jan III. Sobieski, der 1683 auf seinem Weg nach Wien in Tarnowitz weilte, Berggeist Skarbnik, der ähnlich wie Rübezahl, jedoch untertage, sein Unwesen treibt, König August II. von Polen oder der in Tarnowitz geborene Neurologe und Psychiater Carl Wernicke (1848-1908), der Entdecker des sensorischen Sprachzentrums im Gehirn, das für das Verständnis von Sprache zuständig ist. Während des Umzugs sitzt Wernicke zusammen mit anderen Wissenschaftlern wie Robert Koch in einer Kutsche. Auch Vertreter aller Stände der unterschiedlichen Epochen sind am Umzug beteiligt. Die Internetseite gwarki.tg.net.pl erklärt, wer wer ist und welche Verbindung die Persönlichkeiten zu Tarnowitz haben. Deutsche Geschichte mischt sich hier mit polnischer, ohne deren Akzente überproportional hervorzuheben. Die Tarnowitzer haben es geschafft, dass man die Verdienste eines Friedrich Wilhelm von Reden in Oberschlesien heute würdigt.

Der preußische Bergbauhauptmann veranlasste in Tarnowitz den Bau der nach dem preußischen König benannten Friedrichsgrube und der ihr zugehörigen Friedrichshütte, die 1784 und 1786 ihren Betrieb aufnahmen. Er ließ bereits 1788 eine der ersten Dampfmaschinen zur Entwässerung eines Bergwerks einsetzen. Einzigartig ist zudem das Verfahren, mit dem ein Teil der Entwässerungsanlagen für die Wasserversorgung der Stadt genutzt wurde. Die Dampfmaschine war für den Weimarer Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe Anlass, Tarnowitz 1790 zu besuchen. Goethe schrieb damals in die Heimat von einem „zehnfach interessanten Land“ Schlesien. Im Auftrage seines Herzogs sollte der Dichterfürst die Bergwerke von Ilmenau wiederbeleben. Die größte technische Herausforderung war dabei eben die Entwässerung der alten Silber- und Manganstollen. Von Reden führte den Gast höchstpersönlich durch die Anlage. Persönliche Führungen tätigt auch der Chef der Freunde des Tarnowitzer Landes, Marek Kandzia.

Gut vier Fünftel des neuen Welterbes befinden sich unter Tage, etwa ein Fünftel der insgesamt fast 1700 Hektar oberirdisch. Silberstollen und Entwässerungskanäle stehen ebenso unter Denkmalschutz wie Fördertürme oder die Mundlöcher der Kanäle. Einige der Objekte befinden sich schon im benachbarten Beuthen und Broslawitz. Neben dem wichtigsten Relikt, dem rund 17 Kilometer langen und 1834 als Entwässerungsstollen für die Friedrichsgrube angelegten Tiefen Friedrichstollen, gehören auch der Gotthilfstollen von 1807 und die im Stile des Klassizismus errichteten Portale der Mundlöcher beider Stollen, also die Orte ihres Austritts an die Erdoberfläche, zum Gesamtensemble. Ebenso der Tarnowitzer Stadtpark, der 1903 als frühes Beispiel für die Rekultivierung postindustrieller Gebiete angelegt wurde. Einen besonderen Einblick in die Geschichte des Bergbaus in der Region bietet der südlich der Halde der Friedrichsgrube gelegene Silberberg, wo bereits im Mittelalter silber- und bleireiche Erze gefördert wurden. Am 9. Juli wurde während der 41. UNESCO-Welterbekomitee-Sitzung in Krakau Tarnowitz als einziger polnischer Bewerber als nunmehr 15. polnisches Weltkulturerbe anerkannt.