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20.10.17 / Bedingt abwehrbereit / Umfangreiche Studie zweifelt an Deutschlands Fähigkeit und Willen zur Verteidigung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-17 vom 20. Oktober 2017

Bedingt abwehrbereit
Umfangreiche Studie zweifelt an Deutschlands Fähigkeit und Willen zur Verteidigung
Jan Heitmann

Als der „Spiegel“ einst unter der obigen Überschrift die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellte, löste das die schwerste Staatskrise in der bundesdeutschen Geschichte aus. Fast auf den Tag genau 55 Jahre später sorgt ein Bericht mit ähnlichem Tenor für Aufmerksamkeit. Urheber ist indes kein Nachrichtenmagazin, sondern die nach eigenen Angaben politisch, national und institutionell unabhängige Denkfabrik Friends of Europe, die sich seit 1999 mit der Analyse und Diskussion der Politik in der Europäischen Union befasst. 

In ihrer 218 Seiten umfassenden Studie „Über den eigenen Schatten springen. Deutschland und die Zukunft der europäischen Verteidigung“ spricht sie Deutschland nicht nur die Fähigkeit, sondern sogar den Willen zur gemeinsamen Verteidigung ab. Deutschland sei seit 2014 durch eine Reihe von Ereignissen „aus einer seit Ende des Kalten Krieges bestehenden Komfortzone“ gerissen worden. Dennoch fehle dem Land bis heute eine „strategische Kultur“, welche die öffentliche Diskussion über militärische Angelegenheiten fördere. Der „dunkle Schatten des 20. Jahrhunderts“ lege Deutschlands Bereitschaft und Fähigkeit, „jenseits seiner Grenzen zu agieren, enge psychologische und politische Schranken“ auf. Die Diskussion über aktivere Verteidigungsmaßnahmen werde in Euphemis- men wie Friedenssicherung, Stabilisierung, Krisenmanagement, Bündnisfähigkeit und erhöhte Vorwärtspräsenz gehüllt. Der „vielleicht stärkste Euphemismus“ nenne „den Stabschef der Bundeswehr Generalinspekteur“, mokieren sich die Verfasser der Studie.

Als besorgniserregend nennt die Studie auch die Unterfinanzierung der Bundeswehr und die damit einhergehenden eklatanten Ausrüstungsmängel. So habe sich ein personell wie materiell heruntergewirtschaftetes Militär da- ran gewöhnt, „Fluggerät, Panzer, Fahrzeuge und Schiffe auszuschlachten, um wenigstens eine begrenzte Zahl am Laufen zu halten“. Die Bundeswehr sei „durch 25 Jahre des Investitionsabbaus ausgehöhlt“ worden, da mehrere Regierungen in Folge eine „endlose Friedensdividende kassiert“ hätten. Wartung, Munitionslager, Ausbildung und Übungen litten unter tiefgreifenden Sparmaßnahmen. Zudem habe die Bundeswehr seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahre 2011 Probleme bei der Rekrutierung und der „Mitarbeiterbindung von Soldaten“.

Kritisch sehen die Verfasser der Studie auch Deutschlands restriktive Haltung hinsichtlich des Exports von Rüstungsgütern. Deutsche Mischkonzerne zögen sich weitgehend aus dem Rüstungssektor zurück, weil sie „keine Lust mehr haben, das Exportrisiko zu tragen“. Da die deutsche Verweigerung von Exportlizenzen häufig auch gemeinsam mit anderen Ländern hergestelltes Gerät beträfe, wachse der Unmut bei den europäischen Partnern.

Hinsichtlich der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner kommt die Studie zu dem Schluss, dass „Europas wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Nation“ schon lange „das schwächste Glied in der Kette“ sei, wenn es „um militärische Entschlossenheit“ gehe. Für Deutschland bestehe die Herausforderung darin, „über den Schatten seiner Vergangenheit zu springen, eine echte strategische Kultur zu entwickeln, eine aussagekräftigere Außenpolitik zu betreiben und brauchbare Streit- kräfte aufzubauen, die mit entsprechender Ausbildung und Ausrüstung bei Bedarf schnell einsetzbar sind“. Deutschland müsse „nach dem systematischen Herunterwirtschaften der Bundeswehr und der Einlösung der Friedensdividende seit 1990 noch einen weiten Weg zurücklegen“. Das sei eine Herkulesaufgabe, „die zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen dürfte“.