Etwa 300000 Pilger laufen jährlich auf Haupt- und Nebenstrecken zum Grab des heiligen Jakobus im nordspanischen Santiago de Compostela. 1987 waren sie die ersten der vom Europarat zertifizierten Kulturstraßen, deren Zahl inzwischen auf 32 gewachsen ist, um Europas kulturelles Erbe hervorzuheben.
Da jede europäische Kultur-marke auch einen touristischen Werbeeffekt erzeugt, verlangte der erfolgreiche Jakobsweg geradezu nach einem Pendant. Mit ausgeschilderten Wegen zum Grab des heiligen Martin besteht dieses inzwischen gleich aus einem ganzen Netz. 2005 wurde die 2500 Kilometer lange „Via Sancti Martini“ zur eingetragenen Kulturstraße des Europarates. Als Südroute verbindet sie das ungarische Szombathely, den Geburtsort des Heiligen, mit seiner Grablege im französischen Tours über Slowenien, Kroatien, Italien und orientiert sich an Lebensstationen des umtriebigen Heiligen in Südeuropa.
Seit September 2016 gibt es mit der Mittelroute noch einen zweiten eingetragenen Strang der „Via Sancti Martini“. Dieser beginnt ebenfalls in Szombathely und verläuft über Österreich, Deutschland, Luxemburg und Belgien nach Tours. Er verbindet sowohl Kirchen und Einrichtungen unter dem Patronat des Heiligen, als auch ab Worms Orte, an denen er gewirkt hat. Dazu laden überall am Wegesrand „Orte des Teilens“ dazu ein, im Sinne des heiligen Martin in schlichter (An-)Teilnahme zu handeln. Eine Nordroute über Erfurt mit seiner Martinikirche und Utrecht mit dem Dom St. Martinus, eine der 14 Martinskathedralen, ist geplant.
Auf Initiative des Centre Culturel Européen Saint Martin de Tours gehören auch die Via Caesaraugustana von Saragossa nach Tours, die Via Treverorum von Trier nach Tours und die Via Trajectensis von Utrecht nach Tours – über Amiens, wo die berühmte Mantelteilung stattfand – zum markierten Wegenetz mit jeweils 1100 Kilometern. Damit gibt es „Martinuswege“, die durch über zwölf europäische Länder führten.
Bereits kurz nach dem Tod des Heiligen am 8. November 397 wurde sein Grab zum bedeutendsten Wallfahrtsort nach Jerusalem und Rom und später eine Hauptstation auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Er ist Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, Landespatron des Burgenlandes in Österreich, Patron der Bistümer Mainz und Rottenburg-Stuttgart, Schutzheiliger für alle möglichen Berufe und Lebenslagen sowie tausendfacher Namensgeber für Kathedralen, Kirchen und Klöster weltweit. Nicht zu vergessen: Martin ist der bei weitem häufigste Nachname in Europa und ein oft gewählter Vorname.
Kult und Brauchtum sind ungebrochen. Vielerorts finden am 11. November Martinsumzüge statt, bei denen Kinder mit Laternen hinter einem Reiter mit rotem Mantel durch die Straßen laufen. Selbst in nicht katholisch geprägten Gebieten wie Berlin hat das Tradition, so etwa ab Dom, Ufa-Fabrik oder Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.