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01.12.17 / Wie saures Bier / Zinskrise: Lebensversicherer wollen Verträge verkaufen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Wie saures Bier
Zinskrise: Lebensversicherer wollen Verträge verkaufen
Peter Entinger

Bei 30 der insgesamt 84 Un­ternehmen der Lebensversicherungsbranche reichten die Erträge aus Kapitalanlagen im vergangenen Jahr nicht aus, um die Garantiezinsen und die vorgeschriebene Reserve zu decken. Das belegt eine aktuelle Studie des Lebensversicherungsaufkäufers Policen Direkt.

„Unsere Analyse zeigt, dass die Belastung der Lebensversicherer stark zunimmt“, sagt Hennig Kühl von Policen Direkt gegenüber der „Wirtschaftswoche“. „Die Zeiten, in denen es um die Höhe von Überschüssen geht, sind Vergangenheit. Heute zählt für Versicherte vor allem die Sicherheit der Garantien.“ 

Und es kommt noch schlimmer: Kunden von Lebensversicherungen müssen sich nach Experteneinschätzung auf weiter sinkende Verzinsungen für Versicherungspolicen einstellen. „Aufgrund des weiterhin anspruchsvollen Zinsumfeldes gehen wir auch für 2018 von fallenden Überschussbeteiligungen aus“, sagte Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata der „Welt am Sonntag“.

Die laufende Verzinsung bei den klassischen Lebensversicherungen setzt sich aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung der Versicherer zusammen. Der vom Bundesfinanzministerium festgesetzte Garantiezins war zuletzt zum 1. Januar dieses Jahres von 1,25 auf 0,9 Prozent abgesenkt worden. Üblicherweise wird der Garantiezins alle zwei Jahre verändert. Die Versicherer machen die dauerhafte Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank für ihre Situation verantwortlich und suchen nach Auswegen. 

Sechs Millionen Lebens- und Rentenversicherungsverträge will alleine die Ergo loswerden. Auch der Konkurrent Generali denkt über den Verkauf seiner Verträge nach. Schon vor den beiden Branchenriesen haben bereits mehrere kleinere Versicherungen ihre Bestände verkauft. Die Unternehmen verkaufen die Policen häufig an sogenannte Abwicklungsunternehmen.

Nach einem Bericht des Südwestrundfunks stecken dahinter oft ausländische Investoren. Verbraucherschützer äußern sich skeptisch. Sie glauben, dass die Versicherten dadurch weniger Geld herausbekommen, als ihnen versprochen wurde, da es schlicht unmöglich sei, eine Prognose darüber abzugeben, wie liquide die Käufer in zwei oder drei Jahrzehnten seien. Die Bundesfinanzaufsicht BaFin überprüfe lediglich, ob die garantierten Leistungen dauerhaft eingehalten werden. Ob die Unternehmen etwaige Überschusszahlungen ebenfalls leisten können, spiele für die Überprüfung dagegen keine Rolle, heißt es in dem SWR-Bericht. Laut der Kölner Ratingagentur Assekurata schmolz der Ertragspuffer der Lebensversicherer im vergangenen Jahr weiter zusammen. 

Allerdings ist die Lage komplexer, als es zunächst scheint. Wie Policen Direkt ermittelt hat, betragen die Erträge bei der Allianz fast 128 Prozent der Verpflichtungen. Die Generali-Lebensversicherung liegt mit knapp 88 Prozent unter der 100-Prozent-Marke. Die Ergo-Tochter Victoria kommt auf 92 Prozent, die Ergo Leben selbst liegt mit 108 Prozent im positiven Bereich. Die Ratingagentur Assekurata erklärt, dass aufgrund hoher Rücklagen die Kapitalanlagen der Lebensversicherer im Marktschnitt ausreichen, um die Anforderungen an die Garantien fast 3,5-mal zu finanzieren. Der Trend sei allerdings schwierig und abnehmend. Viel Geld lasse sich nicht mehr verdienen.