28.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.12.17 / Chance zur Agrarreform / Durch den Brexit werden die Karten neu gemischt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Chance zur Agrarreform
Durch den Brexit werden die Karten neu gemischt
Norman Hanert

Großbritanniens Ausstieg aus der EU und das damit verbundene Ausbleiben der britischen Beitragszahlungen könnten der Anstoß für eine Reform der umstrittenen EU-Agrarförderung sein. Die Direktzahlungen, Zuschüsse, Subventionen für die europäische Landwirtschaft stellen mit gut 40 Prozent den größten Ausgabenposten im Brüsseler Haushalt dar. 

Erst vor wenigen Wochen hatte der Europäische Rechnungshof die Agrarförderung als zu kompliziert und teils auch als zu ineffektiv kritisiert. Die Rechnungsprüfer bemängelten, die Verfahren würden in einigen Fällen zudem auch zu lange dauern. Aus Sicht der EU-Rechnungsprüfer sollte die EU-Kommission für eine Vereinfachung der entsprechenden Dokumente sorgen und auch die Zahl der Anforderungen herunterschrauben. Dies würde letztlich zu besseren Ergebnissen der EU-Agrarpolitik führen. 

Die EU-Kommission scheint inzwischen auf Kritik wie diese eingehen zu wollen. Ein internes Papier, das offenbar dem österreichischen „Volksblatt“ vorgelegen hat, nennt als Reformpunkte eine Deckelung der Direktzahlungen, eine EU-weite Angleichung der Hektarprämien und eine Stärkung der Subsidiarität. So sollen anscheinend die einzelnen Mitgliedsstaaten wieder mehr Gestaltungsspielräume bei der Abwicklung der Umweltprogramme für den ländlichen Raum erhalten. Die Deckelung der Direktzahlungen wird in dem Papier aus Brüssel damit begründet, dass derzeit 20 Prozent der Höfe 80 Prozent der Direktzahlungen beziehen.

Großbritannien will den Brexit dazu nutzen, seine nationale Agrarförderung komplett neu zu ordnen. Andrea Leadsom, vom  Juli 2016 bis Juni 2017 Ministerin für Umwelt, Ernährung und ländlichen Raum im Kabinett May I und seitdem Lord President of the Council im Kabinett May II, kündigte an, sie wolle vor allem „bürokratische Hürden“ abbauen und auch EU-Vorschriften zum sogenannten Greening wieder zurücknehmen. Die EU hat für den Zeitraum von 2014 bis 2020 rund 100 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums eingeplant. Dabei fließen zum Beispiel Gelder als Niederlassungsbeihilfen für junge Landwirte oder zur Modernisierung von Landwirtschaftsbetrieben. 

Kalkuliert wurde die EU-Agrarförderung noch auf der Basis der bisherigen Zusammensetzung der EU. Durch den Brexit werden zwar künftig keine Agrarhilfen mehr Richtung Großbritannien fließen, aber das Vereinigte Königreich ist ein Nettozahler, sodass der finanzielle Verlust für die EU größer ist als der Gewinn. Der Wegfall der britischen Mitgliedszahlungen reißt ein Finanzloch von rund zehn Milliarden Euro in den EU-Haushalt. Eine Studie, die für das EU-Parlament angefertigt wurde, beziffert die künftigen Zusatzbelastungen für Deutschland auf möglicherweise 3,8 Milliarden Euro jährlich.