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15.12.17 / Absurdistan im Herbst / Eine Reise durch das »politisch korrekte« Deutschland – Persönliche Eindrücke und Bewertungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

Absurdistan im Herbst
Eine Reise durch das »politisch korrekte« Deutschland – Persönliche Eindrücke und Bewertungen
Thilo Gehrke

Kassel, Documenta 14

„Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“ – diese goldene Inschrift prangt in der Kasseler Einkaufsmeile, graviert in vier Sprachen in einen riesigen Beton-Obelisken als Symbol für Menschen im Exil des US-nigerianischen Künstlers Olu Oguibe. Seine Landsfrau Otobong Nkanga zeigt an verschiedenen Ausstellungsorten Installationen und „Performances“ mit schwarzen Seifenstücken, die in den Straßen Kassels von Verkäufern in Bauchläden angeboten werden. Der Künstler Daniel Knorr lässt die Türme des Fridericianums, eines monumentalen klassizistischen Museumsbaus, rauchen, um an die Bücherverbrennungen 1933 und an die Krematorien der Konzentrationslager zu erinnern. Er sagt: „Deutschland hat immer nur eingeatmet, nun muss es ausatmen. Man ist beim Stichwort Ausatmen auch schnell bei dem Thema Flüchtlinge. Die deutsche Gesellschaft zieht sich wieder zurück, sie stützt sich dazu auf Quoten, betreibt Zahlenspiele. Nur sollte sich das Land lieber öffnen statt Grenzen zwischen Menschen zu definieren. Die Ausstellung stellt sich die kritische Frage nach dem westlichen Denken und der kulturellen Kolonialisierung durch den Westen.“

Die Kunstfreunde, die aus der ganzen Welt zur größten Kunstausstellung der Welt nach Kassel pilgern, merken schnell, wie politisch die heutige Documenta ist. Nicht wenige sind wegen der fehlenden Beschreibung zu den Ausstellungsobjekten verstört. Flüchtlinge, Holocaust, Deutsche Schuld, Kapitalismus und Menschenrechte sind die alles beherrschenden Themen.

Ich stehe neben einer Besuchergruppe. Eine Dame um die 60 besticht durch ihr kontrolliertes Erscheinungsbild. Perlenkette, Rüschenbluse mit Trompetenärmeln im karierten Hosenanzug mit graublauer Haubenfrisur lassen vermuten, dass emotionale Regungen in der Öffentlichkeit eher die Ausnahme bei ihr sind. Wir kommen ins Gespräch. Gudrun S. aus Hamburg dozierte 30 Jahre an der Kunsthochschule und ist enttäuscht. Die Studienrätin wütet „Die Show gleicht einer neomarxistischen Indoktrinierung mit politisch korrekter Gehirnwäsche. Das Grundprinzip der Kunstvermittlung ist immer die Einbeziehung des Betrachters. Dieser Mangel an Transparenz und Information geht zu Lasten der Ausstellenden, die dem kritischen Betrachter dann gerne mal fehlende Sachkenntnis unterstellen. Da die Kuratoren sich offensichtlich für die eigentlichen Deuter und Schaffenden halten, werden die Künstler dabei zu Materialgebern für verkopfte Theorien degradiert, zu denen sie selbst keinen Zugang haben.“ Kunst hat eben manchmal ein Sender-Empfänger-Problem. 

Bei einigen wenigen Objekten gab es dann aber doch eine Information. Dort stand im Kontext Asyl und Grenzen: „Deutschland hat eine lange Tradition von Rassismus und Ausgrenzung.“ Der Kasseler AfD-Stadtverordnete Thomas Materner bezeichnete den Obelisken von Olu Oguibe als „ideologisch polarisierende, entstellte Kunst“. Wenn die Stadt nun das Kunstwerk kaufe, werde die AfD dort „bei jedem von Flüchtlingen begangenen Anschlag“ zu Demonstrationen aufrufen.

34 Millionen Euro kostet die Documenta, zusätzliche acht Millionen aus Steuergeldern soll die Zahlungsfähigkeit bis Jahresende sicherstellen und die Ausstellung vor der Insolvenz bewahren. Der zweite Standort Athen soll schuld sein. Doch wo Geld versickert ist, ist noch unklar.





Erfurt, Wahlkampfabschluss der AfD

„Fakt bleibt, man muss Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechtsaußen und gefährlich sind!“, ruft SPD-Vize Ralf Stegner über Twitter auf. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD): „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland kontert auf einer Wahlkampfveranstaltung: „Das sagt eine Deutsch-Türkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Es folgt ein politisch-medial inszenierter Aufschrei. Ist es fremdenfeindlich oder gar faschistisch, sich als Deutscher für die Wahrung der eigenen Kultur einzusetzen?

Was das mit dem Bürger macht, lässt sich auch in Erfurt sehen: Etwa 500 patriotische „Wutbürger“ haben sich vor dem Erfurter Hauptbahnhof versammelt. AfD-Star Björn Höcke spricht ihnen aus der Seele. Es geht um Rechtstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Abschiebung krimineller Ausländer und Asylmissbrauch. Er betont: „Deutschland und Demokratie sind nicht verhandelbar!“ Mit Phantasie und Kreativität entstandene Transparente der Zuhörer spiegeln ihr politisch inkorrektes Weltbild wieder. Die Kundgebung ist umringt von Polizeibeamten, ein Straßenzug weiter ist eine Gegendemo mit deutlich weniger Teilnehmern im Gange. Eine kleine Gruppe Gegendemonstranten hat es bis zum Busbahnhof hinter der Bühne geschafft. Ein junges Mädchen mit roten Rastazöpfen und viel Metall im Gesicht im „Fuck Nazis“-T-Shirt rennt plötzlich mit einer Weinflasche in der Hand hysterisch schreiend auf eine Gruppe Zuhörer zu. „Halts Maul Deutschland“, „Faschisten“ und „Nazis raus“ beschimpft sie die verdutzten Bürger lautstark, ehe die Polizei sie abführt. Wen meint die Frau, denn hier sind weder Faschisten noch Nazis. 





München, Oktoberfest

Ein Beispiel gelungener visueller Integration junger männlicher Asylsucher lässt sich auf der Teresienwiese vermuten. Eskortiert von deutschen Seniorinnen bewegt sich eine Gruppe Eriträer in Bayerntracht auf die Eingangskontrolle zu. Aus Angst vor islamischen Terroranschlägen wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Das Sicherheitspersonal besteht, wie auch in vielen Asylbewerberunterkünften, überwiegend aus jungen Männern mit Immigrationshintergrund, nicht wenige tragen lange Bärte und sprechen kaum Deutsch. Bettler und Diebesbanden aus Osteuropa haben zur Oktoberfestsaison Hochkonjunktur und stehen für eine besonders bunte und kulturelle Vielfalt.





München, Jüdisches Zentrum

Der Sankt-Jakobs-Platz ist als Jüdisches Zentrum Münchens ein Ort der Begegnung. So steht es auf der Homepage der Jüdischen Gemeinde. Sonnenschein und die Bänke am Springbrunnen laden zum Verweilen ein, Kinder spielen auf dem Spielplatz und eine muslimische Familie picknickt. Die Synagoge, ein riesiger Betonquader, umrahmt von Gemeindehaus und Jüdischem Museum, ist geöffnet. Gern will ich die Gelegenheit für einen Besuch nutzen. Am Eingang spricht mich ein junger Mann auf Englisch an, er sieht aus wie einer der Sicherheitsleute vom Oktoberfest. Als ich ihm freundlich empfehle, Deutsch zu sprechen, da wir ja in München sind, wird sein Ton verbindlicher. Der Zugang zur Synagoge sei nicht möglich, nur für Mitglieder der Gemeinde. Als ich dem Tempelwächter erklären will, dass Gotteshäuser in Deutschland traditionell öffentlich sind, wird das Gespräch von ihm beendet. Möglicherweise habe ich seine „Ehre“ verletzt.

Wenig später, am Springbrunnen, sprechen mich zwei junge Polizeibeamte an. Auf Veranlassung des Tempelwächters müssten sie nun meine Personalien kontrollieren. Beide sind um die 20 Jahre alt und mit Maschinenpistolen und Panzerwesten ausgestattet. Dies sei nun einmal ein sensibler Ort, meint der eine Beamte, während der andere mit meinem Pass und seinem Funkgerät beschäftigt ist. Aufgrund von „Charlie Hebdo“, sagt er. Auf meinen Einwand, dass die Attentäter von „Charlie Hebdo“ in Paris Muslime waren und es um Mohammed-Abbildungen in einem Satiremagazin ging, entgegnet der Beamte schnell, dass dieser Platz mit dem Jüdischen Zentrum wegen des neuen Antisemitismus und der deutschen Vergangenheit besonders sensibel sei. Mein Einwand, dass der aufkeimende Antisemitismus in Deutschland etwas mit muslimischen Immigranten zu tun haben könnte und das Dritte Reich seit 72 Jahren Geschichte ist, folgt die Frage, ob ich in der Vergangenheit schon einmal etwas mit der Polizei zu tun hatte. Nun kommt der erste Beamte mit meinem Pass zurück und beide wünschen mir noch einen schönen Tag.





Frankfurt, Buchmesse

„Das Grundverständnis unserer Demokratie ist es, gegen Ausgrenzung zu sein und nicht schlecht zu reden über Dritte“, betonte der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) am Stand des rechtsintellektuellen Verlags Antaios. Es waren warme Worte eines Politikers, die sich in den folgenden Tagen als Heuchelei erwiesen. Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels als Veranstalter der Buchmesse, Alexander Skipis, wurde zur Präsenz rechter Verlage konkreter: „Wir sehen uns in der Pflicht, uns aktiv mit der Präsenz dieser Verlage auseinanderzusetzen und für unsere Werte einzutreten. Meinungsfreiheit heißt auch, Haltung zu zeigen. Engagieren Sie sich!“ Während der Börsenverein der Buchmesse gegen „Rassismus“ mobil macht, bekamen Immigranten im Jahr 2015 freien Eintritt gewährt und Extra-Leseecken eingeräumt.

Buchmesse-Direktor Juergen Boos sagt: „Ich will die rechten Verlage nicht hier haben, aber wir müssen sie zulassen. Wir müssen es aushalten, wenn da jemand ist, dem wir nicht zuhören wollen.“ Der Kommmunikationsstratege, der nicht zuhören will, ruft auf, „Gesicht gegen Rechts“ zu zeigen. Dazu, wie die Buchmesse im kommenden Jahr mit Auftritten neurechter Verlage umgehen will, möchte Boos sich jetzt noch nicht äußern.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung wurde daher im Vorwege von der Messeleitung gegenüber des Antaios-Buchmessen-Stands platziert. „Rechtsextremismus und Antisemitismus, auch in Form von Israelfeindlichkeit, und Rassismus sind ein in Deutschland weit verbreitetes Problem“, steht auf der Homepage der Stiftung, die nach einem 1990 in Eberswalde umgekommenen Afrikaner benannt ist. Antisemitismus und Rechtsextremismus gehören für die vom Bund üppig geförderte Stiftung untrennbar zusammen und können naturgemäß nicht primär mit muslimischen Immigranten in Verbindung gebracht werden.

„Eine Diskussion auf Augenhöhe mit den Neuen Rechten würde bedeuten, dass wir unsere demokratischen Überzeugungen zur Debatte stellen. Menschenrechte sind nicht verhandelbar“, belehrt mich eine Mitarbeiterin der Stiftung im schwarzen Kostüm und Prinz-Eisenherz-Frisur garstig. Sie hatte mich zuvor im Gespräch mit den Antaios-Leuten nebenan gesehen. Nicht mit Rechten reden ist nicht nur Konsens auf der Buchmesse, sondern auch bei der gegenwärtigen Regierungsbildung. Dabei sind auf der Buchmesse rechte Verlage durchaus ein beherrschendes Thema. Es finden eine Menge Veranstaltungen über Rechte statt – aber eben ohne sie. Das wiederum beschert dem rechten Lager nicht nur Zulauf, sondern auch stete mediale Aufmerksamkeit. Am ersten Tag wird Verleger Götz Kubitschek von Kamerateams aus ganz Europa belagert.

Die Stände von Antaios und anderen der Neuen Rechten nahestehenden Verlagen wurden nachts verwüstet, mit Parolen beschmiert und die Mitarbeiter von mutmaßlich linken Schlägern bedroht. Vom Sicherheitspersonal will niemand etwas bemerkt haben, auch hier haben nicht wenige der Mitarbeiter einen Zuwanderungshintergrund. Kubitschek warf dem Börsenverein vor, die Stände nicht genügend vor linken Aktivisten geschützt zu haben.

Wie das von den Veranstaltern der Messe geforderte Engagieren, Nicht-Zuhören-Wollen, Haltung und Gesicht zeigen, praktiziert wurde, ließ sich anschaulich bei einer Buchpräsentation des Antaios-Verlags beobachten: Es ist kein Platz mehr frei vor dem Podium, etwa 300 Gäste sind gekommen. Während der Buchbesprechung „Mit Linken Leben“ begannen bereits die Pöbeleien linker Störer. Transparente mit „Ihr seid Nazis“ wurden von vermeintlich braven Zuhörern entrollt. Der zunächst verbale Protest von etwa 50 Linken schlug nach dem Auftritt des AfD-Politikers Björn Höcke bei der Ankunft der Identitären Martin Sellner und Mario Müller, zwei politischen Aktionskünstlern aus Österreich, von Seiten der Demonstranten in Gewalt um. Ein tätowierter Schläger plötzlich geht auf Kubitschek los, die Polizei führt ihn ab. Die Beamten trennen die gewaltbereiten Linken von den Veranstaltern und ihren friedlichen Gästen, eine Fortsetzung der Lesungen ist aufgrund des Lärms nicht möglich. „Nazis raus“ und „Deutschland verrecke“ skandieren die selbsternannten Meinungsschützer, die Identitären anworten mit „Jeder hasst die Antifa“.

Die Polizei „räumt“ erst nach 40 Minuten Dauertumult, die Störer ziehen verdächtig schnell und sanft ab. „Wir haben gewonnen, die sind gegangen und wir sind geblieben!“, triumphiert Martin Sellner. Die Gäste freuen sich nun über die Ruhe und die Fortsetzung der Lesung. Doch da betritt Buchmesse-Direktor Jürgen Boos die Bühne. Er will das Ende der Veranstaltung verkünden, da die Zeit um sei, aber sein Megafon geht nicht. Kubitschek greift nach dem Megafon, die Gäste erkennen die Situation, unter lautstarken Protestrufen „Heuchler“ zieht sich Boos mit seinen Polizisten zurück. Der Verleger gibt eine Abschlusserklärung ab und beendet die Veranstaltung. Ein Schelm, der an eine Absprache zwischen Buchmessenleitung, Demonstranten und Sicherheitskräften denkt.

„Die Vorkommnisse auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse machen deutlich, wie widersprüchlich es in unserem Land zugeht: wie unter dem Begriff der Toleranz Intoleranz gelebt, wie zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt wird“, heißt es in der Charta 17. Zu den Erstunterzeichnern der von der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen initiierten Petition gehören unter anderem Jörg Fried­rich („Der Brand“), der Publizist Michael Klonovsky, die DDR-Bürgerrechtlerin und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, die Publizistin Cora Stephan, der frühere „Spiegel“- und „Welt“-Journalist Matthias Matussek, der Autor Ulrich Schacht, der Journalist und Publizist Heimo Schwilk sowie der Bestsellerautor Uwe Tellkamp („Der Turm“). Alles Leute, die bislang nicht als besonders „rechts“ aufgefallen sind.

Übrigens, kein linker Verlag wurde bedroht oder dessen Stand zerstört. Bei den muslimischen Verlagen, die für die Scharia und religiös verbrämten Faschismus eintreten, fand sich kein einziger „Menschenrechtler“ ein, um, wie die Buchmessen-Veranstalter vor dem Antaios-Stand, stumm mit Schildern zu demonstrieren. Darauf stand „Freiheit und Vielfalt“ und „Gegen Rassismus“.