28.03.2024

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Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 21-17 vom 26. Mai 2017

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Stoff für ein Erdbeben
Die Steuer- und Abgabenbelastung der Deutschen ist ein Skandal

Steuerzahler werden mit den weltweit zweithöchsten Sätzen geschröpft, Sparer enteignet. Wo bleibt die Entrüstung der Bürger?

Die Frage nach möglichen Steuerentlastungen hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit einer denkwürdigen Einlassung gekontert: Die Menschen sollten wissen, „dass Geld nicht alles ist“. Aus diesen Worten spricht eine Herablassung gegenüber den Bürgern und Steuerzahlern, die (zumal in einem Wahljahr) nur jemand öffentlich preiszugeben wagt, der sich sehr, sehr sicher fühlt in seiner Macht.

Schäuble meint, es sich leisten zu können. Die Schulz-Euphorie ist jäh verebbt, die AfD dümpelt dahin und die Deutschen scharen sich laut Umfragen wieder um Kanzlerin Merkel. Der Sieg der Union in vier Monaten scheint so gut wie ausgemacht zu sein.

Die bemerkenswert stümperhaft vorgetragenen Steuervorstellungen der SPD tun ein Übriges: Dort geht es in der Tendenz sogar um noch höhere Belastungen der Bürger, obwohl Deutschland schon heute weltweiter Spitzenreiter bei der Steuer- und Abgabenbelastung ist, der nur noch vom kleinen Belgien übertrumpft wird.

Doch wie es derzeit aussieht, bleibt dieser Skandal bei den Bundestagswahlen im September ungestraft. Dabei bildet die Statistik selbst nur einen Teil der tatsächlichen Summen ab, die der Staat den Deutschen abknöpft. Er geht ihnen auch direkt an die Ersparnisse. Die DZ Bank schätzt, dass den Bürgern der Bundesrepublik seit 2010 satte 436 Milliarden Euro an Zinseinnahmen entgangen sind, wenn man die Zinssätze der Jahre 1998 bis 2008 zum Vergleich nimmt.

Die Ersparnisse lagern großenteils in Renten- oder Lebensversicherungen, deren Träger das Geld laut Gesetz hauptsächlich in Staatsanleihen anlegen müssen. Es ist also der Staat, der seinen Bürgern per Euro-Nullzinspolitik die Zinsen vorenthält und sie auf diese Weise mittels Geldentwertung Schritt für Schritt enteignet.

Wo das viele Geld bleibt? Offensichtlich versandet ein Gutteil in einem ineffizienten, aufgeblähten Apparat. Es sind vor allem die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, welche die Deutschen überdurchschnittlich stark schröpfen. Sie kosten deutlich mehr als in den skandinavischen Ländern, die mit viel weniger Geld ein vorbildliches Sozialsystem finanziert bekommen.

Dann kostet die Asylflut vermutlich schon mehr als die Verteidigung. Und schließlich geht die Bundesrepublik immer weiter steigende Garantien für reformunwillige, klamme Euro-Südstaaten ein. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat erst dieser Tage wieder gefordert, noch mehr deutsche Milliarden ins bankrotte Griechenland zu pumpen.

All das sollte bei den Wahlbürgern eigentlich ein politisches Erdbeben auslösen. Schäubles offene Arroganz deutet jedoch darauf hin, dass dies niemand in Berlin befürchtet.          Hans Heckel


Der Zauber ist verflogen
Die Niederlage der SPD selbst in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen hat ihr Mobilisierungsdefizit offenbart

Aus dem Schulz-Effekt ist längst der Schulz-Defekt geworden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott bekanntermaßen nicht zu sorgen. Die SPD hat drei Landtagswahlen in Folge verloren. Damit hatte innerhalb der Partei niemand gerechnet, seit Martin Schulz’ Ernennung zum Kanzlerkandidaten und seine einstimmige Wahl zum Vorsitzenden der darbenden Partei ungeahnte Umfragehöhen beschert hatte.

Doch der kurzfristige Zauber ist schon wieder verflogen. Nun bemühen sich die Genossen darum, die Serie an Wahlpleiten als regionale Besonderheiten darzustellen. Im Saarland sei die CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer einfach zu beliebt gewesen. In Schleswig-Holstein habe sich der eigene Mann, Torsten Albig, durch ein unbedachtes Interview selbst aus dem Rennen genommen. Und in Nordrhein-Westfalen sei die Bilanz der rot-grünen Landesregierung nicht gut genug gewesen. Hannelore Kraft habe zu lange an schwachen Ministern wie Ralf Jäger festgehalten. Mit Schulz habe das alles gar nichts zu tun.

Problematisch bei dieser Sichtweise ist, dass Schulz gerade in seinem Heimatbundesland quasi omnipräsent war. Nun, da die „kleine Bundestagswahl“ an Rhein und Ruhr „krachend“ verloren wurde, stürzt man sich in hektische Programmarbeit. Doch auch dieser Schuss ging nach hinten los. Einen Tag nach der verlorenen Wahl versandte die Partei den Entwurf ihres Wahlprogramms an die Mitglieder. Dies war offenbar den Fristen für den Bundesparteitag geschuldet. Strategisch clever war es dennoch nicht, eine Gelegenheit, mediale Aufmerksamkeit zu ergattern, wurde verpasst. Als wäre das nicht schlimm genug, überboten sich die Genossen an amateurhaftem Verhalten. Das Wahlprogramm war noch nicht bei jedem Mitglied angekommen, da versandte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil ein eigenes Papier zur Steuerpolitik, wonach der Solidaritätszuschlag in die Einkommenssteuer integriert werden soll. Der Parteichef und Kanzlerkandidat Schulz sah sich genötigt, die Debattenkultur der Partei zu loben und das Wahlprogramm als „wichtigen Baustein“ zu bezeichnen.

Eine stringente Linie sieht allerdings anders aus. „Die SPD aber bleibt im Bund eine 20-Prozent-plus-Partei“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Sie habe seit der Wahl 2005 kontinuierlich an Zustimmung verloren; sie sei wegen ihrer strukturellen Schwäche in einer Zweier-Koalition im Bund nur noch als Juniorpartner der CDU regierungsfähig. Die SPD hat nach Schulz’ Ansicht dennoch eine große Chance, die Wähler zu überzeugen. „Es steht nicht 0:3. Der Anpfiff für das Bundesligaspiel, das am 24. September abgepfiffen wird, hat heute begonnen. Und da steht es 0:0“, sagte er im ZDF. Aber wie ernst meint er es wirklich?

Gerade im größten Bundesland herrscht Ratlosigkeit. Hannelore Kraft steht vorerst nicht mehr zur Verfügung, ihre verschlissene Ministerriege gilt als wenig präsentabel für einen Neuanfang. Führende Genossen sprechen von einem gewaltigen Mobilisierungsdefizit für die SPD in NRW im Hinblick auf die Bundestagswahl.

Programmtisch steht die SPD ebenfalls vor einem Scherbenhaufen. Das von Schulz angestoßene Thema der sozialen Ge- rechtigkeit zieht nicht. Die Wähler haben nicht vergessen, dass es die SPD war, welche die großen Arbeitsmarktreformen durchgesetzt hat. Im Ruhrgebiet, der alten „Herzkammer“ der Sozialdemokratie, sind ihr die Wähler in Scharen weggelaufen. Das ist kein gutes Zeichen für die Sozialdemokratie.     Peter Entinger


Jan Heitmann:
Erfahrung

Parlamentarische Erfahrung, das ist etwas, was man nach Meinung des Präsidenten des Deutschen Bundestages auch nur dort erwerben kann. Das, was viele tausend politisch engagierte Bürger in Kommunal- und Regionalparlamenten leisten, zählt für Norbert Lammert (CDU) offensichtlich nicht. Das geht aus dem Antwortschreiben an einen Leser dieser Zeitung hervor. Der hatte kritisiert, dass der Alterspräsident des Bundestages künftig nach der Dauer der  Parlamentszugehörigkeit und nicht mehr nach dem Lebensalter bestimmt werden soll. Damit wollen die anderen Parteien bekanntlich verhin- dern, dass womöglich der niedersächsische AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg die konstituierende Sitzung des nächsten Bundestages eröffnet (siehe PAZ 14/2017). Um diesem von vornherein jede Qualifikation dafür abzusprechen, ließ Lammert dem Leser durch eine Mitarbeiterin mitteilen: „Unabhängig davon, wer in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich der an Jahren älteste Abgeordnete sein wird, verfügt der von Ihnen namentlich erwähnte Herr von Gottberg bislang nicht über eine mehrjährige parlamentarische Erfahrung.“

Vom formalen Standpunkt her mag das sogar zutreffend sein, gelten die Vertretungsorgane von kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften juristisch doch nicht als Parlamente. Faktisch ist es jedoch falsch. Wer wie von Gottberg jahrzehntelang ein Mandat in einem Ortsrat, einem Samtgemeinderat und in einem Kreistag ausgeübt und zudem zweieinhalb Jahrzehnte als Bürgermeister gewirkt hat, dürfte hinsichtlich parlamentarischer Gepflogenheiten, Geschäftsordnung und Sitzungsleitung mehr drauf haben als ein noch so dienstalter Bundestags-Hinterbänkler.


S. 2 Aktuell

Deutsche Abwehr hat schlechte Karten
Der ehemalige Chef des österreichischen Verfassungsschutzes beklagt einen sicherheitspolitischen Blindflug

Deutschland, Europa – und damit auch die EU – befinden sich in einer äußerst kritischen sicherheitspolitischen Lage, so das Fazit von Gert R. Polli, Gründer des Österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), in seinem soeben erschienenen Buch „Deutsch­land zwischen den Fronten – Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird“. Aus der Sicht des neutralen österreichischen Beobachters weist er auf gefährliche Fehlentwicklungen hin, die Deutschland wehrlos gemacht haben. Seine zentrale These lautet: Deutschland ist auch heute noch de facto ein besetztes Land. Das Interview führte Bernd Kallina.

PAZ: Dass der Ex-Chef des österreichischen Verfassungsschutzes ein Buch über sein Metier schreibt, erscheint vielen als ungewöhnlich. Noch dazu, wenn seine professionelle Analyse über gravierende Mängel im Sicherheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland informiert. Was trieb Sie an?

Gert R. Polli: Wir leben in einer Zeit extremer sicherheitspolitischer Veränderungen. Das betrifft auch die Nachrichtendienste selbst. Die Öffentlichkeit ist seit den Snowden-Veröffentlichungen mit einer Serie von Pannen der Geheimdienste konfrontiert, die in der bisherigen Geschichte einmalig zu sein scheint. Es ist der Eindruck entstanden, dass die Nachrichtendienste außer Kontrolle geraten sind. Das gilt vor allem für die US-amerikanischen Dienste, die sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend verselbstständigt und sich der politischen Kontrolle entzogen haben. Der Fokus des Buches liegt auf Deutschland als europäischem Schlüsselland. Es wird aufgezeigt, wie umfassend die US-amerikanischen und auch die britischen Nachrichtendienste Deutschland nach wie vor politisch und wirtschaftlich kontrollieren. Das Buch vermittelt die Botschaft, dass es höchst an der Zeit ist, diese Fesseln abzustreifen.

PAZ: Sie sehen in der Fortwirkung der besatzungsgeschichtlichen Ursprünge des deutschen Sicherheitsapparates einen wesentlichen Grund für seine heutige Schwäche. Worin besteht sie im Kern?

Polli: Auch wenn es politisch nicht opportun ist, dies aufzuzeigen, so entspricht es doch der Realität: Die Schwächen des Sicherheitsapparates sind bereits auf strategisch-politischer Ebene erkennbar. Es ist die bedingungslose, ja geradezu naive transatlantische Ausrichtung deutscher Sicherheitspolitik. Naiv deshalb, weil Generationen von deutschen Politikern die Augen davor verschlossen hatten, dass diese Sicherheitspartnerschaft vor allem mit den USA hemmungslos für Spionage- und Kontrollzwecke deutscher Politik und deutscher Schlüsselunternehmen ausgenutzt wurde. Die deutsche Sicherheitsstruktur wurde von den Alliierten maßgeblich vorgegeben und beeinflusst. So sind die deutschen Sicherheitsbehörden mit einer Vielzahl von Barrieren konfrontiert, die ihre Ursache entweder im föderalen Aufbau der Sicherheitsarchitektur haben oder im strukturellen Unvermögen, den Informationsaustausch zu gewährleisten. Die Anschläge in Berlin im Dezember 2016 waren so etwas wie ein Weckruf für die Sicherheitsbehörden, dass sich auf operativer Ebene etwas Grundlegendes in der Zusammenarbeit, nicht nur der Sicherheitsbehörden, ändern muss.

PAZ: Sie veranschlagen eine Schadenshöhe von 50 Milliarden Euro durch Wirtschaftsspionage gegen Deutschland. Deren Hauptakteure seien aber nicht nur die „alten Feinde“ im Osten, sondern unsere Bündnispartner, allen voran die USA. Da weist die Bemerkung Angela Merkels „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht!“ wohl in die falsche Richtung.

Polli: Der tatsächliche Schaden, der durch Spionage der deutschen Politik und Industrie entsteht, lässt sich nur annähernd schätzen. Die Erkenntnisse aus den von Snowden veröffentlichten Unterlagen lassen die Schlussfolgerung zu, dass Deutschland nicht erst seit gestern Dreh- und Angelpunkt US-amerikanischer und britischer Wirtschafts- und Industriespionage in Europa ist. Es sind aber auch China und Russland, die dieses Segment der Spionage sehr erfolgreich verfolgen. Die US-amerikanischen und britischen Dienste haben in Deutschland die volle Deckung nicht nur der Politik, sondern auch der Sicherheitsbehörden. Bis dato wurde die US-amerikanische Behauptung, gegen Deutschland keine Wirtschaftsspionage zu betreiben, von den mit der Spionageabwehr betrauten deutschen Behörden nicht widerlegt. Die Kooperation ist sogar so eng und seitens der NSA technisch so fortgeschritten, dass die kooperierenden deutschen Behörden gar nicht die Möglichkeit haben, Wirtschaftsspionage als solche zu erkennen. Nur so ist es erklärbar, dass über mehr als ein Jahrzehnt hinweg US-amerikanische Suchbegriffe in das System des BND eingespeist wurden, die sich im Nachhinein als gegen deutsche Interessen gerichtet erwiesen.

PAZ: Ihre Thesen sind erschütternd: Sie sagen, unsere Abwehrdienste hätten sich sogar am Ausverkauf der europäischen Wirtschaftsstandorte maßgeblich beteiligt. Das klingt fast schon nach Beihilfe zum Landesverrat – oder wie würden Sie es sonst benennen?

Polli: So weit würde ich nicht gehen. Die im Buch beschriebene Systematik der alliierten Spionage basiert überwiegend auf vertraglichen Regelungen, die im Kern zwar noch auf die Besatzungszeit zurückzuführen sind, jedoch in modifizierter Form nach wie vor Gültigkeit haben. So gelten die alliierten Sonderrechte nach wie vor, vor allem zum Schutz der in Deutschland stationieren alliierten Streitkräfte. Zu diesen Sonderrechten zählt auch die Überwachung der Telekommunikation. Nicht umsonst ist die Europazentrale der CIA- und NSA-Aktivitäten Frankfurt am Main, die mit dem Internetknoten DE-CIX als die Welthauptstadt des Datenverkehrs bezeichnet werden kann. Die deutsche Abwehr hat schlechte Karten, zumal der Bündnisfall (Artikel 5) des NATO-Vertrages unmittelbar nach 09/11 ausgerufen wurde und nach wie vor Gültigkeit hat. Dies zementiert die alliierten Sonderrechte in Deutschland einmal mehr. Der tägliche Umgang mit den Alliierten in Deutschland gestaltet sich als Spagat: Einerseits sind die deutschen Abwehrbehörden auf die Kooperation mit den US-amerikanischen Partnern im Bereich der Terrorismusbekämpfung angewiesen, andererseits würde eine zu aggressive Spionageabwehr durch die wohlwollende Politik erschwert beziehungsweise verunmöglicht werden. Es ist höchste Zeit, dass hier ein Umdenken stattfindet.

PAZ: Sie schreiben, trotz der von Edward Snowden offen gelegten Dokumente, welche die Dimension von bündnisinterner Spionage deutlich belegen, hätten die Regierungen der betroffenen Länder sich zu keiner wirksamen Kursänderung durchgerungen. Sie seien schlicht zur Tagesordnung übergegangen. Sind Sie sicher?

Polli: In der öffentlichen Wahrnehmung gilt das jedenfalls für Deutschland. Die Schlussfolgerungen aus den Snowden-Dokumenten sind für Deutschland politisch so desaströs und wirtschaftlich so niederschmetternd, dass dieses Thema im Wahlkampfjahr tunlichst nicht an die Oberfläche gespült werden soll. Die Bundesregierung verfolgt die Auffassung, dass mit dem Anfang 2017 in Kraft getretenem BND-Gesetz die NSA-Affäre beendet wäre. Auch die Leitmedien scheinen sich dieser Auffassung anzuschließen. Die Berichterstattung über die NSA-Affäre und ihre Konsequenzen sind aus der Berichterstattung und aus der öffentlichen Wahrnehmung geradezu verschwunden. Auf der Arbeitsebene der Sicherheitsbehörden schaut das ganz anders aus.

PAZ: Was meinen Sie damit?

Polli: Die NSA-Affäre war wie ein Schock für die deutschen Dienste und Sicherheitsbehörden. Für die US-Dienste wiederum waren die Veröffentlichungen geheimer Dokumente im Umfeld des NSA-Untersuchungsausschusses ein Warnsignal. Selbst die routinemäßige Zusammenarbeit zwischen US-amerikanischen und deutschen Behörden wurde zwischenzeitlich eingefroren. Derzeit ist man bemüht, die bisher sehr einseitige Zusammenarbeit im Sinne des deutschen Interesses besser auszubalancieren. Um nochmals auf Ihre Frage zurückzukommen: Die Politik spielt die Angelegenheit aus wahltaktischen Überlegungen herunter, während die Arbeitsebene eine neue Basis für diese Zusammenarbeit sucht. Die intensive technische Verflechtung der Dienste kann nicht von heute auf morgen neu aufgesetzt werden. Es steht sicherheitsmäßig und politisch zu viel auf dem Spiel, als dass mit einem jähen Kurswechsel zu rechnen ist. Die einseitigen Abhängigkeiten werden weiter bestehen. Das Versäumnis der Politik, dieser einseitigen Abhängigkeit nicht schon vor Jahren etwas entgegenzusetzen, genau das ist der Vorwurf, der die deutsche Politik heute am härtesten trifft.

PAZ: Der islamische Terror überfordert die europäischen Sicherheitskräfte bei der Abwehr seiner asymmetrischen Angriffe. Kritiker halten Merkel vor, durch die Zulassung der illegalen Masseneinwanderung zur Verschärfung des Problems beigetragen zu haben. Und Sie?

Polli: Die Masseneinwanderung 2015 war ja nicht illegal, sondern legal. Genau das ist ja das Problem. Wir haben es mit einem sicherheitspolitischen Blindflug zu tun. Aus heutiger Sicht ist jedem klar, dass die deutsche Kanzlerin das damit entstandene Problem unterschätzt hat. Das gilt für die Kosten der Integration genauso wie für die damit zusammenhängende weitere Polarisierung der deutschen Gesellschaft. Ein behauptetes Sicherheitsrisiko gilt nur eingeschränkt für den Import des Terrorismus im Schlepptau der Migration. Der bisherige islamische Terrorismus in Europa ist eine tragische Fehlentwicklung falsch verstandener Integrationspolitik. Trotzdem, dass die jüngsten Terroranschläge in Europa und Deutschland immer wieder eine Verbindung zu den Krisenregionen in Afrika und dem Nahen Osten aufweisen, ist ein Faktum. Es ist aber nicht richtig, islamischen Terrorismus in Europa an der Flüchtlingskrise aufzuhängen. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, dass wir in Europa zwei zentrale Sicherheitsprobleme haben: Integration in Verbindung mit islamischem Terrorismus und das anhaltende Flüchtlingsthema.

PAZ: Sie stellen die Wirksamkeit der sogenannten Antiterrorpakete in Frage, da sie in Wahlkampfzeiten mehr auf die Beruhigung der Bevölkerung hin zielten als zur realitätsnahen Bekämpfung der Wurzeln unserer Sicherheitsprobleme beitrügen. Welche Maßnahmen wären eigentlich notwendig?

Polli: Es ist schon die richtige Richtung, in der sich die Sicherheitslandschaft entwickelt. Die Gesellschaft und der Staat haben die Pflicht, die Bürger zu schützen. Dazu zählt aber auch eine behutsame, nach außen hin gerichtete Strategie, die ich in Europa nicht erkenne. Man kann nicht einerseits in Richtung eines Polizeistaates voranschreiten und gleichzeitig im Ausland durch den Einsatz der Streitkräfte und der Geheimdienste neue Gefahren für die Sicherheit im Inneren aufbauen. Auch wenn man es als bedauerlich einstufen kann, so führt der Terrorismus in seinen nach innen gerichteten Auswirkungen geradewegs in den Überwachungsstaat. Die europaweit implementierten legistischen Maßnahmen zur Erweiterung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden scheinen alternativlos zu sein. Was ich mir wünsche ist, dass diese Maßnahmen mit einer zeitlichen Befristung ausgestattet werden. Paradoxerweise werden solche Sicherheitspakete die nächsten Anschläge auch nicht verhindern. Das hält aber offenbar niemanden davon ab, das militärische Engagement „out of area“ unter der Flagge der Terrorismusbekämpfung weiter voranzutreiben.

PAZ: Ihre sicherheitspolitische Bilanz ist wenig erfreulich. Sehen Sie einen Ansatzpunkt, der Sie positiv stimmt?

Polli: Nein, nicht kurzfristig. Der europäische Integrationsgedanke befindet sich im freien Fall, die gemeinsame Währung steht vor einem Überlebenskampf, die US-amerikanischen Dienste werden Europa und Deutschland noch sehr lange kontrollieren, während die nächste Flüchtlingswelle aus Afrika sich bereits abzeichnet. Was diese Krise von den Krisen davor aber unterscheidet: Wir gehen sehenden Auges darauf zu.


MELDUNGEN

IS rüstet medial auf

Den Haag – Die Terrororganisation IS baut nach Erkenntnissen der europäischen Polizeibehörde Europol ein eigenes soziales Netzwerk auf. Damit reagiere der IS auf den wachsenden Druck von Geheimdiensten, Polizei und Technologiekonzernen, die eine Verbreitung von IS-Propaganda über das Internet zu verhindern suchten, erklärte Europol-Chef Rob Wainwright. Bisher hat der IS seine Nachrichten vor allem über allgemein zugängliche Netze und die als sein Sprachrohr fungierende Nachrichtenagentur Amak verbreitet. Die neue IS-Plattform war bei einer Aktion von Europol gegen extremistische Inhalte ent­deckt worden. Wainwright ließ offen, ob es technisch schwieriger ist, die IS-Plattform vom Netz zu nehmen, als die Kommunikation der Terroristen über herkömmliche Kanäle im Internet zu unterbinden.    J.H.

 

GKV: Versicherte geschröpft

Berlin – Im vergangenen Jahr betrug die Höhe der Zuzahlungen, die Versicherte an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu leisten hatten, 3,956 Milliarden Euro. Das entsprach rechnerisch einer Summe von rund 55 Euro pro Versichertem im Jahr oder rund 4,50 Euro pro Monat. Die weitaus meisten Zuzahlungen (rund 2,2 Milliarden Euro) fielen im Bereich der Arznei-, Verbands- und Heilmittel an, gefolgt von Heil- und Hilfsmitteln (790 Millionen Euro) sowie Krankenhausbehandlungen (705 Millionen Euro). Bei bestimmten Hilfsmitteln, oder wenn Leistungen gewählt wurden, die über das notwendige Maß hinausgehen, wurden Eigenbeteiligungen verlangt. Eine solche „Mehrkostenregelung“ gilt auch für Zahnfüllungen. Gesetzlich versicherte Erwachsene müssen zudem die Ausgaben für Sehhilfen selbst tragen. Und für Zahnersatz leisten die Kassen lediglich einen Zuschuss von in der Regel 50 Prozent.        J.H.

 

Jugend immer EU-skeptischer

Hannover – Für die überwiegende Mehrheit der jungen Europäer ist die Europäische Union heutzutage vor allem eine Gemeinschaft zur Durchsetzung ökonomischer Ziele. In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Yougov im Auftrag der TUI-Stiftung unter 6000 16- bis 26-Jährigen in sieben europäischen Staaten gaben 76 Prozent der Befragten an, die Union sei für sie in ihrem Kern ein Wirtschaftsbündnis. Nur 30 Prozent der Befragten in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Polen und Griechenland sahen in der EU auch ein Bündnis mit gemeinsamen kulturellen Werten. Zudem fördert die Studie eine erhebliche Demokratieskepsis unter jungen Menschen zu Tage. Nur 52 Prozent be­­trachten demnach die Demokratie als die beste Staatsform. In Frankreich und Polen sind es lediglich 42 Prozent, in Italien 45 Prozent, in Deutschland immerhin noch 62 Prozent. Mehr als 38 Prozent wünschen sich, dass die EU Macht an die nationalen Regierungen zurückgibt. In Deutschland dagegen sind nur 22 Prozent dafür. Für einen Austritt ihrer Länder aus der EU sprechen sich trotzdem aber nur 21 Prozent aus. In Griechenland sind es 31 Prozent, in Polen 22, und in Frankreich 19 Prozent. In Deutschland und Spanien liegt der Anteil bei zwölf Prozent. J.H.


S. 3 Deutschland

»Nazi-Schlampe« keine Beleidigung
Landgericht Hamburg gibt dem NDR im Streit mit der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel recht

Am 17. Mai hat das Landgericht Hamburg in erster Instanz einen Antrag der AfD-Politikerin Alice Weidel gegen den NDR auf Unterlassen der Bezeichnung „Nazi-Schlampe“ zurückgewiesen; Begründung: Die Bezeichnung sei eine verfassungsrechtlich gedeckte Satire; der Bezug zum Begriff „Nazi-“ bestehe darin, dass die AfD „in weiten Teilen der Öffentlichkeit“ dem rechten Spektrum zugeordnet werde. Das erstaunliche Urteil negiert das bisher allgemein anerkannte Rechtsinstitut der unzulässigen Schmähkritik und leistet einen bedauerlichen weiteren Beitrag zur Sprachverrohung. Alle Hoffnung auf ein faires und richtiges Urteil liegt nun bei dem Gericht der zweiten Instanz.

Der Tatbestand des Streites steht fest; seine Beendigung steht noch aus. Worum geht es? Die auf dem Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in Köln kürzlich zu einer der beiden Spitzenkandidaten ihrer Partei für die kommende Bundestagswahl gekürte Alice Weidel hatte dort die Feststellung getroffen: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Die vergleichsweise harmlose, jedenfalls diskutierbare Aussage von Alice Weidel ließ einen Moderator des Norddeutschen Rundfunks (NDR) ausrasten. In der NDR-Sendung „Extra 3“ vom 27. April beschimpfte und denunzierte Christian Ehring Alice Weidel als „Nazi-Schlampe“, im Kontext: „Jawohl. Schluss mit der politischen Korrektheit, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das unkorrekt genug? Ich hoffe!“ Ein Unterlassungsbegehren von Alice Weidel lehnte der NDR ab. Die Anstalt leistete dem Moderator Beistand mit der absurden Begründung: „Zu keinem Zeitpunkt wollten er oder die Redaktion von ,Extra drei‘ Alice Weidel persönlich beleidigen. Aber ihrer öffentlich geäußerten Polemik darf aus Sicht des NDR ihrerseits zugespitzt entgegengetreten werden.“ Das Fazit aus dieser bemerkenswerten Einlassung der öffentlich-rechtlichen Anstalt NDR lautet also: 1. Kritik an der „Political Correctness“ (PC) ist „Polemik“. 2. Die Bezeichnung einer Politikerin einer nicht verbotenen politischen Partei als „Nazi-Schlampe“ ist keine persönliche Beleidigung.

Alice Weidel spricht sich in ihrem Redebeitrag dafür aus, die „Political Correctness“ zu entsorgen. Um was geht es bei der – aus den USA stammenden – „Political Correctness“? Der „Duden“ definiert diese Erscheinung als die „von einer bestimmten Öffentlichkeit als richtig angesehene Gesinnung“. Die Gesinnungspolizei der selbsternannten Gralshüter der „Political Correctness“ führt sichtbar zunächst zu einer Sprachpolizei. Das Wort „Flüchtlinge“ beispielweise sei nicht „kultursensibel“ genug und soll deshalb im Sinne der „Political Correctness“ durch das Wort „Schutzsuchende“ oder „Geflüchtete“ ersetzt werden – eine Forderung, die mir, obwohl selber ein Flüchtlingskind, nicht in den Sinn gekommen wäre. Schlimmer ist, wenn die „Political Correctness“ zu Schönfärberei oder sogar zu zeitweiligem Verschweigen führt, wofür die Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht 2015/16 ein bekanntes Beispiel bildet. Andere Beispiele für grassierende „Political Correctness“ gibt es leider in Hülle und Fülle.

Erfreulicherweise wächst die Kritik an der Herrschaft der Sprach- und Denkpolizei der „Political Correctness“. Im „Spiegel“ war zur Sprache der Genderwelle zu lesen: „Geschlechtergerechtes Blähdeutsch breitet sich in Amtsstuben, Sportclubs und Klassenzimmern aus. An Unis lehrt Herr ,Dozentin‘. Verfällt die Republik dem grammatischen Irrsinn?“ Einwände gegen überzogene „Political Correctness“ werden parteiübergreifend formuliert. Sigmar Gabriel beklagt „zu viel Political Correctness“. Ursula von der Leyen vertritt die Auffassung „die Political Correctness ist überzogen worden“. Winfried Kretschmann wird mit dem Diktum zitiert, „man dürfe es mit der politischen Korrektheit nicht übertreiben“. Ein Experte in Sachen Personalführung, Professor Manfred Becker, langjähriger Personalmanager bei Opel, antwortet auf die Frage, ob Vielfalt und Diskriminierung im Beruf nicht mehr thematisiert werden sollten: „Doch, schon. Aber wir dürfen den Bogen nicht überspannen. Es darf nicht dazu führen, dass sich Menschen Sprachverbote auferlegen; dass sie sagen, was sie nicht denken und denken, was sie nicht sagen und schließlich tun, was sie nicht wollen. Und das alles, um nicht anzuecken.“ Schließlich noch einmal eine Stimme aus dem „Spiegel“: Christiane Hoffmann vom Hauptstadtbüro schrieb zur Kölner Silvesternacht den interessanten Satz: „Köln ist der Anfang vom Ende der Political Correctness“.

Alle diese Zitate zeigen, dass über Sinn oder Unsinn der „Political Correctness“ von verschiedenen Seiten diskutiert wird. Der Moderator des NDR diskutierte nicht, sondern er diffamierte. Die Nazikeule allein reichte ihm dafür nicht, es musste noch „Schlampe“ zum „Nazi“ hinzugefügt werden. Angesichts des eindeutig und unbestreitbar beleidigenden Inhaltes dieser Wortkombination ist es schlicht lächerlich, wenn der NDR behauptet, der Moderator oder die Redaktion von „Extra 3“ hätten „zu keinem Zeitpunkt Alice Weidner persönlich beleidigen wollen“: Sie haben es erkennbar getan. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich dabei nicht um einen Gegenschlag in einer Diskussion zwischen zwei Kontrahenten gehandelt hat; Alice Weidner hatte weder den Moderator noch die Sendung des NDR mit auch nur einem einzigen Wort erwähnt. Abwegig ist schließlich auch die Behauptung des NDR, dass „ohne politische Korrektheit die Beschimpfung von Menschen wieder salonfähig werden könnte“. Ehre und Ansehen eines Menschen, kurz: sein Persönlichkeitsrecht, hängen nicht am Gebilde der „Political Correctness“, und der billige Mantel risikoloser Satire sollte nicht dazu benutzt werden, die Würde eines Menschen zu verletzen.

Vielleicht erfordert die Diktatur der „Political Correctness“ es, zu versichern, dass der Autor dieses Beitrages mit der Partei der Alice Weidel nichts „am Hut“ hat: Er ist weder Mitglied der AfD noch deren Wähler noch auch nur deren Sympathisant. Aber ich werde mich, solange ich lebe, für das im Grundgesetz verbriefte Grundrecht der freien, nicht beleidigenden Meinungsäußerung und für die Achtung der Würde des Menschen einsetzen – eine Aufgabe, die eigentlich auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten obliegt.   Ingo von Münch


Er will sich nicht festlegen
Wohin führt Christian Lindner die FDP nach deren Renaissance?

Dass die FDP wieder wahrgenommen wird, zeigen die hektischen Reaktionen der politischen Konkurrenz. Oskar Lafontaine, Altmeister der Partei der „Linken“ keulte in einem Sozialen Netzwerk, die Liberalen seien weder neu noch modern, sondern nach wie vor das Sprachrohr der Banken und Besserverdienenden. Und Marcus Pretzell, Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, bezichtigte den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner des Ideendiebstahls: „Er macht plötzlich auf nationalliberal und hat bei uns abgeschrieben.“

Zwar hatte das Superwahljahr für die Freidemokraten mit unter fünf Prozent im Saarland nicht gut begonnen, aber es war frühzeitig absehbar, dass die darauffolgenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen für die Partei besser ausgehen würden. Schließlich schickte sie mit Wolfgang Kubicki und Lindner ihre bekanntesten Personen als Spitzenkandidaten ins Rennen. Dass die Ergebnisse so fulminant ausfielen, hätten sich allerdings kühnste Optimisten nicht erträumen lassen. Im Norden legte die FDP drei Prozentpunkte zu, an Rhein und Ruhr gar vier. Bundesweit stehen die Liberalen erstmals seit Jahren wieder bei acht Prozent, der Wiedereinzug in den Bundestag im September ist in greifbare Nähe gerückt.

„Wenn es nach uns ginge, könnten übermorgen schon Bundestagswahlen sein“, zitiert die Tageszeitung „Die Welt“ aus der Parteizentrale. Plötzlich hat die FDP nicht nur realistische Chancen auf einen Parlamentseinzug, sondern auch Machtoptionen. Lindner hat seiner Partei in der Nach-Westerwelle-Ära einen neuen Kurs verordnet. Raus aus der babylonischen Gefangenschaft der CDU, rein in die Unabhängigkeit. In Rheinland-Pfalz koaliert die FDP mit den Sozialdemokraten, in Schleswig-Holstein ist das mittlerweile ausgeschlossen. In NRW hat Lindner früh klar gemacht, dass er für die SPD nicht zur Verfügung steht. Nach der Wahl sagte er allerdings auch: „Eine schwarz-gelbe Mehrheit heißt aber nicht, dass es eine schwarz-gelbe Regierung gibt.“

Lindner, der lange als Luftikus aus der alten FDP-Boygroup galt, versucht alles, um das alte Vorurteil abzuschwächen, seiner Partei gehe es lediglich um Regierungsbeteiligungen. „Eine kraftvolle Opposition ist manchmal besser als ein zahmer Junior-Partner“, sagt er. In den Bundestagswahlkampf zieht er ohne Koalitionsaussage. Und er spricht von Dingen, die für die FDP früher undenkbar waren. So seien Eurobonds und eine europäische Schuldenunion mit der FDP ebenso wenig zu machen wie offene Grenzen und unkontrollierte Asylsucherströme. Und als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Bundeswehr unter den Generalverdacht des Rechtsextremismus stellte, schrieb Lindner bei Facebook, er habe bei seinen Wehrübungen stets anständige Bürger in Uniform erlebt, aber keine Extremisten. „Das ist meine FDP“, jubelte sogar der Parteirechte und Lindner-Gegner Frank Schäffler über den neuen Kurs seiner Partei. Armin Laschet, Wahlsieger in NRW und nun auf Lindners Gunst angewiesen, bezeichnete den FDP-Chef unlängst als „modernen Populisten“. Ob dies Kritik oder Bewunderung war, ließ er allerdings offen. Lindner selbst reagierte nicht auf diesen Spruch. Er will sich derzeit einfach nicht festlegen.

                Peter Entinger


Saar-»Linke« vor Spaltung?
Lafontaine-Lager bei Liste für die Bundestagswahl übergangen

Bei der Aufstellung der saarländischen Bundestagsliste seiner Partei „Die Linke“ hat Oskar Lafontaine ein weiteres Mal eine bittere Niederlage erlitten. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze bekam in der Kla-renthaler Sporthalle bei der Abstimmung um Listenplatz eins der Landesliste 317 Stimmen, Dennis Bard, ein Mitarbeiter in der von Lafontaine geführten Fraktion der „Linken“ im saarländischen Landtag, 179 und die stellvertretende Landesvorsitzende und Ex-Landtagsabgeordnete Heike Kugler 56.

Lutze, der seit 2009 für den saarländischen Landesverband der „Linken“ im Bundestag sitzt, hatte bereits bei den Vorstellungsansprachen den meisten Applaus erhalten. Als Ziel für die Bundestagswahl im Saarland formulierte er ein Ergebnis „deutlich im zweistelligen Bereich“. Vor vier Jahren hatte die „Linke“ im Saarland gerade noch zehn Prozent erhalten. Lafontaine hatte sich damals aus dem Wahlkampf im Saarland komplett herausgehalten, weil er Lutze, der nicht aus dem Saarland stammt und kein Günstling von ihm ist, nicht unterstützen wollte. Nach Auszählung der Stimmen schüttelte Lafontaine dem Sieger kurz die Hand, verließ die Halle und brauste davon. Lafontaine und Lutze sind, vorsichtig ausgedrückt, keine Freunde.

Thomas Lutze stammt aus der ehemaligen DDR. Nach dem Abitur in Leipzig 1991 kam er zum Studium an die Universität des Saarlandes. Lutze war bereits als PDS-Mitglied im Saarland aktiv, als Lafontaine noch SPD-Chef war. Nachdem Lafontaine 1999 die SPD verlassen und nach einigen Jahren Bedenkzeit 2005 an der Gründung „Linken“ mitgewirkt hatte, wurde Lutze dessen Wahlkreismitarbeiter in Saarlouis. Dank der damals sehr hohen Popularität Lafontaines im Saarland gelang dem umgeschulten Bürokaufmann bei der Bundestagswahl 2009 überraschend der Sprung in den Bundestag.

Für die darauffolgende Bundestagswahl 2013 hatte Lafontaine die frühere Weltklasse-Tennisspielerin Claudia Kohde-Kilsch als Spitzenkandidatin seiner Partei für den Bundestag installieren wollen. Eine Mehrheit der Mitglieder hatte dieses jedoch abgelehnt und Lutze gewählt. Auch diesmal hatte Lafontaine krampfhaft Gegenkandidaten gegen Lutze gesucht, aber mit dem erst 30-jährigen Dennis Bard, der sein Brot ebenfalls bei der Landratsfraktion der „Linken“ verdient, nur ein chancenloses politisches Leichtgewicht gefunden.

Nachdem Lafontaine die Kandidatennominierung bereits verlassen hatte, konnte sich das Lutze-Lager auch bei der Wahl des zweiten Listenplatzes wieder durchsetzen. Kopfschüttelnd verfolgten die Lafontaine-Leute, wie für diesen Platz, der aussichtslos ist, Lutzes Mitarbeiterin Andrea Neumann, Vorsitzende des Kreisverbandes Neunkirchen, ins Rennen ging und sich gegen die Unternehmerin und Friedensaktivistin Marilyn Heib, die 2011 von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ zu einer der 100 Frauen der Zukunft gekürt worden war, durchsetzte.

Nach dieser doppelten Watsche für Lafontaine sprachen die Lutze-Gegner bei den „Linken“ von der Gefahr der „Parteispaltung“. Volker Schneider, von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter der „Linken“ und heute angestellter Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der „Linken“, sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich befürchte, dass das die Spaltung der Partei Linke-Saar zur Folge haben wird.“    Bodo Bost


MELDUNGEN

298 Polizisten für 92 Afghanen

Berlin – Insgesamt 92 Afghanen sind bei vier Rückführungsflügen aus Deutschland in ihr Heimatland abgeschoben worden. Die Abschiebungen fanden im Dezember 2016 sowie im Januar, Februar und März 2017 von Frankfurt/Main beziehungsweise München aus statt. In den Charterflugzeugen saßen 34, 25, 18 beziehungsweise 15 abgelehnte Asylbewer, die von insgesamt 298 Bundespolizisten nach Kabul begleitet wurden. Bei jedem Flug waren zudem ein Arzt und mehrere Dolmetscher an Bord. Allein die Kosten für die Flugzeuge beliefen sich für alle vier Flüge auf 1,3 Millionen Euro, die von der EU-Grenzschutzagentur Frontex getragen wurden. Abgeschobene Afghanen können in der Heimat auf Kosten des deutschen Steuerzahlers vielfältige Reintegrationshilfen bekommen.      J.H.

 

Suizide bei Bundespolizisten

Berlin – In den Jahren 2010 bis 2015 haben sich insgesamt 43 Beschäftigte der Bundespolizei das Leben genommen. Bei Mitarbeitern des Zolls waren es zwischen 2007 und 2015 insgesamt 27 Selbstmordfälle. Der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linkspartei zufolge gibt es keine besonderen Hinweise auf dienstliche Gründe für die Suizide und auch keine gesicherten Erkenntnisse über die näheren Umstände und mögliche Motive. Allerdings leiden die Bundespolizisten unter einer hohen Arbeitsbelastung, da viele Stellen unbesetzt sind. Im Bereich Ermittlungsdienste der Bundespolizeiinspektionen und in den Bundespolizeiinspektionen Kriminalitätsbekämpfung beispielsweise seien 187 Dienstposten vakant, teilte die Bundesregierung der Fraktion in einer weiteren Antwort mit.       J.H.


S. 4 Privatisierung der Kriegführung

Gute Geschäfte mit dem Tod
Die USA gehörten zu den ersten, die auf moderne Söldnerunternehmen zurückgriffen

Die USA greifen nicht erst seit dem Ende des Kalten Krieges auf private Sicherheits- und Militärunternehmen (PMC, Private Military Company, Private Military Contractors) zurück. Der sogenannte Krieg gegen den Terror sowie die US-Interventionen im Nahen Osten und Afghanistan haben dieser Art privater Militärindustrie jedoch einen weiteren Wachstumsschub verliehen.

Heute ist die globale Supermacht so sehr mit dieser Industrie verwoben, dass militärische Operationen in Übersee von den US-Streitkräften alleine nicht mehr durchgeführt werden können. Eine aktuelle Studie der Forschungseinrichtung „Center for A New American Security“ nannte Zahlen: Danach verfügt das US-Militär über 1,4 Millionen Soldaten und rund 770000 Zivilangestellte. Hinzu kommen etwas über 800000 Reservisten, die zeitweilig Dienst tun. Ähnlich hoch schätzen die Autoren der Studie die Zahl der Angestellten von Vertragsfirmen, nämlich auf rund 750000.

Viele dieser Firmen sind direkt in den Krisengebieten aktiv. Laut Angaben des US-amerikanischen Bundesrechnungshofes hatte das US-Zentralkommando Mitte 2016 exakt 2465 Angestellte von Vertragsfirmen im Irak im Einsatz. Zusammen mit Afghanistan und den anderen Einsatzgebieten des Central Command waren das 42694. In diesen Zahlen fehlen Angestellte von Vertragsfirmen, die für das Außenministerium, die US-Behörde für Entwicklungshilfe oder die Geheimdienste arbeiten. Einsätze von Spezialkräften oder konventionellem Militär in Afrika sind ohne privatwirtschaftliche Unterstützung nicht durchführbar.

Ähnliches gilt für die US-Geheimdienste. Nach Recherchen des Journalisten Tim Shorrock geben sie etwa 70 Prozent ihres Budgets für Vertragsfirmen aus. Und deren Zahl ist überschaubar – nur fünf große Unternehmen beschäftigen fast 80 Prozent aller Vertragsmitarbeiter, die für US-amerikanische Nachrichtendienste arbeiten.

Ein weiteres profitables Feld ist die Ausbildung verbündeter Streitkräfte und Polizeiorganisationen. Reporter der Onlinezeitschriften „The Intercept“ und „100 Re­por­ters“ werteten 6176 diplomatische Mitteilungen aus, die von WikiLeaks zwischen 2010 und 2011 veröffentlicht wurden. Das bot einen Blick in eine unübersichtliche, größtenteils geheime Welt von militärischen und paramilitärischen Trainingsprogrammen, die sich über alle Kontinente mit Ausnahme der Antarktis ausgebreitet hat. Um die 150 US-Einrichtungen des Militärs, zivile Behörden und Dienststellen, militärische Ausbildungseinrichtungen, Unternehmen und Stiftungen bilden Soldaten und Polizisten von Verbündeten aus. Jedes Jahr durchlaufen rund 200000 Men­­schen diese Programme. Nicht immer mit Erfolg, wie etwa 2014, als die mit viel Geld aufgebaute irakische Armee vor den Kämpfern des Islamischen Staates im Irak und in Syrien (ISIS) davonlief. Oder als sich 2015 herausstellte, dass 500 Millionen US-Dollar in eine von Jordanien aus aktive Streitmacht geflossen war. Die sollte den ISIS in Syrien bekämpfen, bestand am Ende aber nur aus 15 einsatzbereiten Kämpfern.

Allerdings scheint keine US-Behörde einen Überblick darüber zu haben, wie viel Geld insgesamt wofür ausgegeben wird. So stellte sich schon 2013 heraus, dass das US-Außenministerium keine kohärente Strategie bei der Auftragsvergabe oder den Zielen derartiger Programme verfolgt. Auch das Verteidigungsministerium musste einräumen, keine Übersicht über die Gesamtheit der von den Teilstreitkräften und nachgeordneten Kommandos durchgeführten Schulungsprogramme zu haben.

Die Beschäftigung privatwirtschaftlicher Dienstleister wird oft mit deren Flexibilität und Kosteneffektivität gerechtfertigt. Tatsächlich haben sie der Kostenexplosion der US-Militärausgaben nicht entgegengewirkt. Sie kommen die USA nicht nur wegen der fehlenden Gesamtkontrolle teurer zu stehen, sondern auch, weil diese Vertragskräfte besser bezahlt und teurer versichert werden als Soldaten. Zudem lockt die bessere Bezahlung gerade Spezialisten an, die vorher als Elitesoldaten oder Nachrichtenspezialisten gedient haben.            Friedrich List


Renaissance der Söldner
Bedeutung der Wehrpflicht sinkt seit dem Ende des Kalten Krieges

Söldner sind ein Teil der Militärgeschichte. Das Heer, mit dem Hannibal die Alpen überquerte, bestand aus Söldnern. Söldnerheere kämpften im Mittelalter und im Dreißigjährigen Krieg oder in den Kriegen zwischen den italienischen Stadtstaaten der Renaissance. Die „Condottieri“ oder Kontraktoren, auch „Freie Kompanien“ genannt, waren oft multinationale Unternehmen, die den privaten Sicherheitsfirmen von heute ähneln. Sie wurden angeheuert, wenn der Souverän in den Krieg zog und nach Friedensschluss ausbezahlt. Stehende Berufsarmeen oder Wehrpflichtarmeen unter einer nationalen Regierung, wie wir sie kennen, sind relativ neuen Datums. Sie kennzeichnen den modernen Staat und sein Gewaltmonopol.

Allerdings nimmt die Bedeutung von privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern neuerdings wieder zu. Gerade die Supermacht USA greift in steigendem Maße auf sie zurück. In den 90er Jahren wurden viele Aufgaben, die nicht direkt mit Kampfaufgaben zu tun hatten, privatisiert. Dann folgten auch hochspezialisierte Aufgaben wie die Zieldarstellung durch modifizierte Kampfjets oder Militärgerät fremder Herkunft, die Auswertung geheimdienstlicher Informationen, das Verhören und Bewachen von Kriegsgefangenen sowie die Unterstützung von Sondereinsatzkräften im Einsatz.

Zu den Profiteuren zählte das 1997 von Erik Prince gegründete Sicherheitsunternehmen Blackwater, eine private Sicherheitsfirma, die ab 1997 öffentliche Aufträge über 1,6 Milliarden US-Dollar und eine unbekannte Zahl geheimer Aufträge bekam. Kunden waren das Militär und das Außenministerium der USA sowie die CIA. Black­water machte Schlagzeilen, als Angestellte 2007 in Bagdad 17 Menschen erschossen. 2010 gab das Pentagon 366 Milliarden US-Dollar für private militärische Dienstleister aus. Im letzten Irakkrieg stellten sie die Hälfte der US-Streitmacht, in Afghanistan waren es sogar 70 Prozent. Das Beispiel macht Schule: Zum Schutz seiner Staatsbürger in Zentralasien oder Afrika setzt auch China auf eigene Militärfirmen. F.L. (siehe Kommentar Seite 8)


Gut vernetzter Blackwater-Gründer

Erik Prince gehört zu den Kriegsunternehmern, die sich in der neuen, krisengeprägten Weltordnung dieses Jahrhunderts etablieren konnten. Obwohl er das Licht der Öffentlichkeit scheut, war er immer wieder Gegenstand von Kontroversen und musste Untersuchungen seiner geschäftlichen Aktivitäten durch US-Behörden hinnehmen.

Prince entstammt einer Unternehmerfamilie. Sein Vater hat mit einem Zulieferungsunternehmen für die Autoindustrie den Grundstock des Familienvermögens gelegt. Erik Prince diente von 1992 bis 1997 bei den U.S. Navy SEALs. Danach gründete er Blackwater, verkaufte die Firma aber 2010 an befreundete Investoren.

Danach ließ er sich erst in Abu Dhabi nieder, dann in Hongkong. Er gründete mit chinesischer Unterstützung Frontier Services Group (FSG), eigentlich ein ziviles Logistik- und Sicherheitsunternehmen für Lufttransport, Ausbildung und Bewachungsleistungen. Für Prince war FSG ein Dach, um militärische Leistungen anzubieten. Nach Recherchen des Online-Magazins „The Intercept“ überwachte er für Abu Dhabi den Aufbau einer bataillonsstarken Einheit aus südamerikanischen Söldnern. Eines seiner fehlgeschlagenen Projekte in Afrika war die Lieferung einiger bewaffneter Agrarflugzeuge in den Südsudan, das vom FSG-Management gestoppt wurde.

Zurzeit errichtet FSG im Auftrag der chinesischen Regierung Ausbildungszentren für kommerzielle paramilitärische Kräfte in Zentralasien. 2016 begannen US-Behörden, seine Aktivitäten zu untersuchen, weil US-Bürger ohne staatliche Genehmigung keine militärähnlichen Leistungen fremden Staaten anbieten oder für sie erbringen dürfen. Allerdings ist Prince gut mit dem rechtskonservativen Establishment vernetzt. Er hat Donald Trumps Wahlkampfteam beraten und dessen Wahlkampf finanziell unterstützt. Seine Schwester Betty DeVoss ist Bildungsministerin in der Trump-Regierung.         F.L.


Zeitzeugen

Donald Rumsfeld – Der Verteidigungsminister in den Regierungen von Gerald Ford und Georg W. Bush verantwortete die Irak-Invasion von 2003. Er trieb die Privatisierung ehemals militärischer Funktionen energisch voran, um Kosten zu sparen und weil ihm die Pentagon-Bürokratie zu unflexibel war. Der Republikaner besetzte hohe Posten mit Managern aus der Rüstungsindustrie und nutzte Managementverfahren aus der Privatwirtschaft.

Jason DeYonkers – Der Schulkamerad von Erik Prince half dem Gründer der Militärfirma Blackwater dabei, das Unternehmen aufzubauen und verwaltete dessen Finanzen. Er übernahm das inzwischen als Xe Services firmierende Unternehmen 2010, als Prince ausstieg. Dieses verschmolz 2014 mit anderen Firmen zu Constellis Holdings. Außerdem leitet DeYonkers den Finanzdienstleister Forté Management.

Duke Cunningham – Der Vietnamkriegsveteran wurde 2004 für die Republikaner in den Kongress gewählt, musste aber bereits 2005 wieder zurücktreten, weil er von Rüstungsfirmen Geld und geldwerte Dienstleistungen angenommen hatte. Er bekannte sich wegen Betrug, Steuerhinterziehung, Bestechung und Fälschung für schuldig und wurde zu acht Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt.

Kathryn Bolkovac – Die ehemalige Polizeiermittlerin arbeitete in den 90er Jahren in Bosnien für DynCorp, einen der größten US-Militärdienstleister. Sie deckte in der Firma ein Netzwerk aus Frauenhändlern und Bordellen auf, das verschleppte Frauen an Blauhelme und UN-Personal vermietete. Ihre Vorgesetzten versuchten, den Skandal zu vertuschen. Der Whistleblowerin wurde sogar Gewalt angedroht. Allerdings konnte sie DynCorp erfolgreich verklagen.

Michael T. Flynn – Der Ex-General diente kurzzeitig als Nationaler Sicherheitsberater in der Trump-Regierung. Seine Beratungsfirma Flynn Intel Group übernahm Aufträge zum Schutz von Diplomaten, zur Versorgung von US-Stützpunkten und zur Cybersicherheit für Militäreinrichtungen. Das inzwischen liquidierte Unternehmen hat während des Wahlkampfes Lobbyarbeit für die türkische Regierung betrieben.


S. 5 Preussen/Berlin

Der Bürger wird lästig
Berlin und Brandenburg: Volksabstimmungen treiben die Politik vor sich her

Formen direkter Demokratie wie Volksbegehren machen den Landesregierungen in Berlin und Potsdam immer öfter einen Strich durch die Rechnung. Die Politik reagiert mit Sturheit oder Hilflosigkeit.

Wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) inzwischen offiziell bestätigt hat, wird parallel zur Bundestagswahl am 24. September in Berlin ein Volksentscheid stattfinden. Zur Abstimmung steht der Weiterbetrieb des Berliner Flughafens Tegel.

Ein entsprechendes Volksbegehren, das stark von der Berliner FDP unterstützt wurde, war erfolgreich. Ziel der Initiatoren ist es, den alten West-Berliner Flughafen auch dann offenzuhalten, wenn der neue Großflughafen BER fertig sein sollte. Bislang soll Tegel dann schließen. Begründung der Initiative: Wegen der stark gestiegenen Passagierzahlen werde Tegel auch nach der BER-Eröffnung weiter gebraucht.

Der Berliner Senat und die rot-rote Koalition in Brandenburg vertreten dagegen weiter die Position, dass Tegel nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens geschlossen werden muss. Tatsächlich hat das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss für den BER nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die alten Airports Tegel und Tempelhof verschwinden.

Die Initiatoren führen dagegen ein juristisches Gutachten an, das den Weiterbetrieb von Tegel für möglich hält, wenn der Bund, Berlin und Brandenburg zustimmen. Wie Bürgermeister Müller einräumte, könnte die rot-rot-grüne Berliner Rathaus-Koalition über ein erfolgreiches Votum bei dem Volksbegehren am 24. September „natürlich nicht einfach hinweggehen“.

Tatsächlich räumen viele Beobachter dem Volksbegehren recht gute Chancen ein. In einer im Februar veröffentlichten Forsa-Umfrage haben sich 73 Prozent der befragten Berliner dafür ausgesprochen, Tegel als zweiten Flughafen weiter zu nutzen.

Noch eindeutiger sehen Umfragewerte zu einem Thema aus, dass den rot-rot-grünen Senat in Berlin ebenfalls in eine Zwick­mühle treiben kann. Eine andere Forsa-Umfrage förderte Anfang des Jahres eine sehr hohe Zustimmung für mehr Vi­deokameras an Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen zutage. Demnach sprachen sich 80 Prozent der Berliner für den Einsatz von Videotechnik aus.

Inzwischen versucht ein Bürgerbündnis, ein Volksbegehren anzuschieben, um eine Überwachung für die 50 gefährlichsten Plätze Berlins per Videotechnik durchzusetzen. Zu den Gründern des Bürgerbündnisses zählen Neuköllns Ex-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) und der ehemalige Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Noch bis zu den parlamentarischen Sommerferien soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, danach ist der Start eines Volksbegehrens geplant.

Wie schon in der Frage einer Offenhaltung Tegels droht dem Berliner Senat damit abermals, dass sich über Formen direkter Demokratie ganz offensichtlich eine Gegenposition in der Bevölkerung herausbildet. Speziell die Videoüberwachung hat zudem auch noch ein enormes Spaltungspotenzial für die rot-rot-grüne Koalition. Der erst vor wenigen Monaten unterzeichnete Koalitionsvertrag sieht eine Überwachung öffentlicher Plätze durch Kameras ausdrück­lich nicht vor. Grüne und Linkspartei lehnen den Einsatz der Technik bislang vehement ab.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier, hat dagegen erklärt, er könne sich vorstellen, „dass ein großer Teil der SPD-Mitglieder in Berlin eine solche Initiative mit ihrer Unterschrift unterstützen würde“.

Zudem steigt auch der öffentliche Druck. Eine Reihe spektakulärer Fahndungserfolge durch Videokameras auf den Berliner U-Bahnhöfen treibt die Gegner der Sicherheitstechnik zunehmend in Argumentationsnot. Jungsozialisten und Parteilinke in der Berliner SPD verharren dessen ungeachtet auf Ablehnungskurs. Wie sich diese Positionierung bei den Bundestagswahlen auswirkt, bleibt abzuwarten.

Gleiches gilt für die Kreisreform, dem wohl wichtigsten Projekt der rot-roten Koalition in Brandenburg. Im Dezember 2016 sprachen sich bei einer von infratest dimap durchgeführten Umfrage mehr als 70 Prozent der befragten Brandenburger gegen das Vorhaben aus. Die regierende SPD muss dabei besonders alarmieren, dass die Ablehnung nicht nur unter Anhängern von CDU und AfD besonders groß ist, sondern selbst unter den eigenen Wählern.

Inzwischen wird auch in Sachen Kreisreform ein Volksbegehren in Brandenburg immer wahrscheinlicher. Vor Kurzem hat der Innenausschuss des Potsdamer Landtags mit den Stimmen von SPD und Linkspartei eine Volksinitiative gegen die Kreisreform abgelehnt. Die Initiative hatte gegen die Pläne zur Kreisreform in kurzer Zeit 130000 Stimmen gesammelt. Benötigt wurden lediglich 20000 Stimmen. Norman Hanert


Das tierisch wilde Berlin
von Theo Maass

Berlin wird zunehmend Heimat für wilde Tiere. Manche sind beliebt, andere weniger. Die bis zu 4000 Wildschweine genießen kaum Zuspruch. Fühlen sie sich bedroht, greifen sie sogar den Menschen und dessen „liebsten Freund“, den Hund, an. Parks und Gärten sind vor dem Borstenvieh nicht sicher, und wenn die Tiere abgezogen sind, müssen die zerstörten Anlagen regelrecht neu angelegt werden. Natürliche Feinde haben sie in der Stadt keine – gelegentlich wird eines von einem Auto angefahren.

Auch die kleinen Steinmarder sind den Autofahrern ein Graus. Sie lassen sich gern in den Motorräumen der Autos nieder und zerfressen die elektrischen Kabel. Rund 1000 von ihnen soll es in Berlin geben. Auch die rund 2000 wilden Kaninchen haben nicht nur Freunde. Sie graben umfangreiche Höhlensysteme, die sogar die Statik von Straßen und Häusern gefährden können. Die 1000 Waschbären sind zwar lästig, weil sie sich gern in Dachböden einnisten, aber sonst eher ungefährlich. Sogar 100 Biber sind an den Berliner Gewässern sesshaft geworden.

Großer Popularität erfreuen sich die Füchse. Ihnen schreibt man eine beachtliche Intelligenz zu. Tatsächlich passen sich diese Tiere – anders als die massiven Wildschweine – dem Autoverkehr auf der Straße an: Relativ wenige von ihnen finden ihr Ende am Kotflügel. Die Großstadtfüchse haben zudem „gelernt“, dass die Menschen hier – anders als auf dem Lande – keine Gefahr darstellen. Die Fluchtdistanz der Tiere zum Menschen ist in Berlin auf nur noch einen Meter gesunken.

Früher waren Füchse Überträger der Tollwut, aber seit 20 Jahren sind keine Fälle mehr aufgetreten. Etwa gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Fuchs in Berlin heimisch. Auf seinem Speisezettel stehen auch Mäuse und Ratten. Die Bezeichnung Nutztier wäre dennoch verfehlt.

Füchse haben in Berlin nur einen echten Feind: den Hund. Aber fast niemals gelingt  es einem der Haustiere, einen Fuchs zu stellen. Selbst kleinste Öffnungen reichen dem flinken Tier zum Entkommen aus. Auch der schmale Spalt der Gartenpforte zum Erdboden ermöglicht ihm, dem Hund zu entwischen.

Nur die Welpen der Füchse sind in Gefahr, wenn ein Hund sie ausmachen kann. Darum verwendet der Fuchs große Sorgfalt beim Bau seiner Behausung. Die Fuchs-Höhlen sind dermaßen eng, dass der Normalhund dort nicht eindringen kann. Nur speziell zur Jagd auf solche Tiere gezüchtete Dackel können das leisten. Der Fuchs ist in Berlin so populär, dass der Bezirk Reinickendorf das Tier sogar im Wappen führt. Doch Füchse werden maximal sieben Jahre alt – Hunde leben länger.


Krönender Abschluss
Dank großzügiger Spende – Berliner Schloss erhält historische Kuppel

Zu den seltenen positiven Nachrichten aus Berlin gehört die Bauentwicklung des Berliner Schlosses. So konnte die Stiftung Humboldt-Forum jetzt verkünden, dass das Schloss noch im Zuge der laufenden Bauarbeiten dank großzügiger Einzelspenden eine fast vollständig historisch rekonstruierte Kuppel samt Laterne und vergoldetem Kreuz bekommt. Lediglich die großen Skulpturen auf der Balu­strade des Kuppelunterbaus sind noch nicht durch Spenden voll finanziert. Berlin erhält in der Sichtachse vom Brandenburger Tor und der Allee Unter den Linden einen ihrer einstmals prägenden Blickpunkte wieder zurück.

Es war lange Zeit unsicher, ob die Schlosskuppel 2019 zur Eröffnung des Humboldt Forums wieder in ihrer vollen Pracht zurück­kehren würde. Denn das vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages 2011 freigegebene Baubudget einschließlich 80 Millionen Spenden schloss zunächst nur eine vereinfachte Fassade an der Kuppel ohne Laterne ein. Für die vollständige historische Rekonstruktion der Fassade der Kuppel wie der Innenportale werden noch einmal zusätzlich 25 Millionen Euro notwendig. Deshalb gilt es immer noch, die Spenden für die Rekonstruktion der Außenfassaden und des Schlüterhofs in voller versprochener Höhe einzuwerben. Wenn der erfreuliche Spendenfluss wie in den Vorjahren anhält, dann ist dies nach Einschätzung des Vorstands der Stiftung, Johannes Wien, wie auch des Geschäftsführers des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, auch möglich. Derzeit sind bereits über 62 Millionen an Barspenden zusammengekommen.

Der Bau der Kuppel zur Mitte des 19. Jahrhunderts ging wesentlich auf den preußischen König Fried­rich Wilhelm IV. zurück. Schon als Kronprinz forcierte er die Pläne zum Bau einer Kuppel auf dem Westportal, unter der die neue Schlosskapelle mit einem  36 Meter hohen Innenraum entstehen sollte. An den ersten Plänen war noch Karl Friedrich Schinkel beteiligt. Die Ausarbeitung der Kuppelarchitektur erfolgte dann durch seinen Schüler Friedrich August Stüler.                H. Tews


Pulverfass in der Lausitz
Cottbus schlägt Alarm: Asylflut provoziert wachsende Spannungen

Cottbus leidet unter Spannungen zwischen syrischen Asylbewerbern und Einheimischen. Zu einem Brennpunkt hat sich der Vorplatz der Stadthalle entwickelt. Dort eskalieren regelmäßig in den Abendstunden Pöbeleien zwischen Syrern und einheimischen Trinkern, Kriminellen aus dem Drogenmilieu und sozial auffälligen deutschen Jugendlichen.

Die Gewalt beschränkt sich nicht auf die Innenstadt. Im Dezember wurde eine 82-Jährige Rentnerin in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Als Tatverdächtiger gilt ein junger Syrer, der nach Angaben der Ermittler 2015 nach Deutschland gekommen ist.

Laut Polizei wurde Anfang Mai ein 13-Jähriger von zwei syrischen Mitschülern  mit Worten wie „Scheiß Deutscher“ beschimpft und anschließend „von hinten angefallen, gewürgt und mit Füßen getreten“. Die Stadtverantwortlichen denken inzwischen über ein Bündel von Maßnahmen nach, um die Ausbreitung von Gewalt und Verwahrlosung in der Cottbuser Innenstadt zu stoppen.

Unter anderem soll die Polizei deutlich mehr Präsenz zeigen.  Diskutiert werden ebenso die Einführung eines Alkoholverbots und die Einschränkung des freien WLAN-Empfangs auf dem Platz vor der Stadthalle. Polizei, Stadtverwaltung und Gewerbetreibende haben als Reaktion auf die zunehmende Gewalt vor Kurzem eine Arbeitsgruppe „Innenstadt“ gegründet.

Holger Kelch, der Oberbürgermeister von Cottbus, warnte unlängst in der Stadtverordnetenversammlung: „Wir spüren in der Stadt, dass sich etwas zusammenbraut.“ Bereits im März hatte Kelch mit einem ungewöhnlichen Schritt für Aufmerksamkeit gesorgt. Der CDU-Politiker beantragte beim Brandenburger Innenministerium für Cottbus eine Zuzugssperre für Asylsucher. Bislang verzichtet Brandenburg auf eine Wohnsitzauflage für Personen, die das Asylverfahren durchlaufen haben. Als Folge können sich Immigranten nach Abschluss ihres Asylverfahrens in Brandenburg nach Belieben an jedem Ort niederlassen.

Als Resultat dieser Politik sieht sich Cottbus mit einem erheblichen Zuzug von Asylanten konfrontiert. Allein seit Anfang 2016 sind rund 850 ausländische Jugendliche in die Stadt gekommen. Inzwischen macht sich in Cottbus auch schon Zuzug bemerkbar, der im Rahmen des Familiennachzuges stattfindet. Über eine Antwort des Innenministeriums auf den beantragten Zuzugsstopp für Cottbus liegen bislang keine Meldungen vor.         Norman Hanert


S. 6 Ausland

Rot-schwarzer Showdown an der Donau
Nach Einigung auf vorgezogene Neuwahlen droht Christian Kern mit Bruch der Großen Koalition

Nach monatelangen Querelen und dem Wechsel des Außenministers Sebastian Kurz als geschäftsführender Bundesparteiobmann an die Spitze der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) scheinen die Tage der österreichischen Bundesregierung gezählt. Die Parteien der Großen Koalition und die im Nationalrat vertretenen Oppositionsparteien haben sich auf vorgezogene Neuwahlen am 15. Oktober geeinigt.

Der Bundesparteivorstand der ÖVP hatte Sebastian Kurz am 14. Mai einstimmig zum 17. ÖVP-Chef seit 1945 designiert und somit auch Kurz’ sieben Bedingungen akzeptiert, die dieser vor seiner Wahl für die Übernahme des Amtes gestellt hatte. So erhält der Parteiobmann ein personelles Durchgriffsrecht, erstellt alleinverantwortlich die Bundesliste und hat bei den Landeslisten ein Vetorecht. Des Weitereren bestellt der Obmann den Generalsekretär und das Regierungsteam und benötigt dafür keinen Beschluss des Vorstandes mehr. Auch hat der Parteichef freie Hand für die Verhandlung von Koalitionen.

Schließlich gab der ÖVP-Vorstand grünes Licht dafür, dass Kurz mit der „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ kandidieren kann. Neben Parteimitgliedern soll in dieser „Wahlbewegung“ auch für Vertreter anderer Organisationen und Parteilose Platz sein.

Damit ist Sebastian Kurz mit 30 Lebensjahren nicht nur der bisher deutlich jüngste ÖVP-Chef, sondern genießt eine in dieser Funktion in Österreich noch nie dagewesene Machtfülle. Kurz ist überdies auch Präsident der Politischen Akademie der ÖVP sowie derzeit Amtierender Vorsitzender der OSZE. In nur wenigen Jahren konnte der Multifunktionär loyale junge Parteimitglieder in allen wichtigen Schaltzentralen der ÖVP platzieren, und so kann er auf eines der mächtigsten Netzwerke in der Partei bauen.

Sebastian Kurz hatte als junger Hoffnungsträger der Volkspartei das Amt von Reinhold Mitterlehner nur vier Tage nach dessen Rücktritt übernommen. Der 62-Jährige hatte aus Protest gegen die Arbeit der Regierung – einschließlich der eigenen Partei – und die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks (ORF) über seine Person die Funktionen als Parteichef und Vizekanzler zur Verfügung gestellt.

Weniger Akzeptanz fand Kurz bei seinem sozialdemokratischen Koalitionspartner. Deshalb hatte sich zwei Tage nach dem Wechsel an der ÖVP-Spitze zwischen dem designierten ÖVP-Chef und Bundeskanzler Kern ein Machtkampf um den Posten des Vizekanzlers abgezeichnet. Kerns SPÖ hatte Justizminister Wolfgang Brandstetter als Vizekanzler abgelehnt und Kurz selbst in dieser Funktion gefordert: „Man erwartet vom Bundesobmann der ÖVP, dass er auch ,Verantwortung für das Land‘ übernimmt.“ Der Bundeskanzler drohte andernfalls für ein Regieren mit wechselnden Mehrheiten und damit mit Entscheidungen gegen den Willen des Koalitionspartners.

Vor dem Ministerrat äußerte Kurz sein Unverständnis darüber, dass die SPÖ auf ihn als Vizekanzler bestand. Er habe mit Brandstetter einen „sehr soliden und guten Vorschlag“ gemacht, erklärte er. Brandstetter sei kein einziges Mal in einen Streit verwickelt gewesen und darüber hinaus ein konstruktiver Sacharbeiter, so Kurz. Er habe bewusst dieses Zeichen in Richtung SPÖ gesendet.

Wenige Stunden nach Kerns Kampfansage kannte dieser nun keine personellen Präferenzen mehr. Selbstverständlich werde er akzeptieren, dass die ÖVP Justizminister Brandstetter als Vizekanzler vorschlage, ebenso die Ernennung von Harald Mahrer zum Wirtschaftsminister, so der Bun-deskanzler nach vollzogenem Schwenk im Nationalrat.

Nun verlangt Kern, dass die Gesetzesarbeit bis zur Neuwahl ausschließlich vom Parlament erledigt wird. Dann sei es auch nachrangig, wer den Posten des Vizekanzlers übernehme, erklärte Kern im Nationalrat. „Ich bin der Meinung, dass wir jetzt diese Phase, die aus Posten, Pokern und Parteipolitik bestanden hat, raschest zu überwinden haben“, ergänzte der Kanzler. Nachdem die ÖVP die Koalition vor laufenden Kameras aufgekündigt habe, gehe es nun um einen geordneten Übergang bis zur Wahl, so Kern.

Vorerst bleibt Sebastian Kurz Außenminister. Das kann sich aber schnell ändern, wenn er aus irgendeinem Grund zurücktritt oder Bundeskanzler Christian Kern doch noch die Koalition aufkündigt und mit einer SPÖ-Minderheitsregierung zu regieren versucht.       Michael Link


Schwache Opposition in Frankreich
Warum Präsident Macron weder die Republikaner noch den FN zu fürchten braucht

Seit vorletzten Sonntag ist François Hollandes ehemaliger Berater und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron offiziell achter Präsident der Fünften Republik. Wie es die Tradition will, ernannte der frischgebackene Präsident tags darauf den Ministerpräsidenten. Seine Wahl fiel auf den Republikaner (LR) Edouard Philippe, bisher Bürgermeister von Le Havre und zum progressiven, kulturmarxistischen Flügel seiner Partei zählend. Als Regierungschef wird Philippe von nun an die innenpolitischen Grundsatzentscheidungen zu verantworten haben und sowohl die längst überfälligen Wirtschaftsreformen als auch Macrons äußerst umstrittenen Gesellschaftsreformen einleiten.

Mit der Ernennung eines Republikaners zum Regierungschef vollenden Ex-Präsident Hollande und sein Nachfolger Macron ihren Plan zur Zerstörung jeglicher parlamentarischer Opposition. Die LR können nicht mehr gegen Macron und seine Partei „La République en Marche!“ in den Wahlkampf ziehen, weil sie damit auch gegen Vertreter ihrer eigenen Partei kämpften. Diese Situation verdanken die Republikaner einerseits dem politisch korrekten, aber naiven Aufruf der Führungsriege, in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen für Macron zu stimmen, andererseits einem hausinternen Putsch des kulturmarxistischen, linken Parteiflügels.

Seit der Niederlage ihres Kandidaten Alain Juppé bei den Vorwahlen sinnt die „linke Rechte“ darüber, wie sie ihre kulturmarxistische Agenda entgegen dem Wählerwillen vorantreiben kann. Zuerst kam der (missglückte) Putsch gegen François Fillon, den zwar opportunistischen, aber nicht dezidiert progressiven Kandidaten der eigenen Partei. Dann kamen erste Annäherungsversuche an Macron. Seit Fillons Niederlage in der ersten Runde erklären immer mehr führende Republikaner offen ihren Wunsch, mit Macron zusammenzuarbeiten. Während Republikaner, die diese Linie ablehnen, mit dem Parteiausschluss bedroht werden, braucht der neue Premierminister Edouard Philippe, der durch seine Zusammenarbeit mit Macron die Interessen der eigenen Partei nach Innen und Außen verrät, eine solche Sanktion nicht zu fürchten. Darauf wies der Generalsekretär der LR, Bernard Accoyer, der dem linken Parteiflügel zuzurechnen ist, explizit hin.

Alain Juppé gratulierte Philippe sogar ausdrücklich zu seiner Wahl und riet den LR, die Haltung zu Macron von den Ergebnissen der Abgeordnetenwahlen und den Vorschlägen des Präsidenten abhängig zu machen. „Wenn die LR nicht die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erreichen, werden die Wähler es nicht verstehen, wenn wir eine Blockadepolitik verfolgen.“

20 republikanische Abgeordnete des linken Flügels veröffentlichten zeitgleich einen Aufruf in der Presse, „Maßnahmen zu der politischen Umgestaltung zu ergreifen, die sich vor unseren Augen vollzieht … Unsere politische Familie der Mitte-Rechtsparteien muss die ausgestreckte Hand des Präsidenten annehmen.“ Angesichts dieser Entwicklung ist es ungewiss, ob die Republikaner als Partei überhaupt die anstehenden Abgeordnetenwahlen überleben, oder ob sich die Ereignisse überschlagen werden und es noch vor den Wahlen zu einer Neuorganisation der Rechten kommt. Sicher ist in jedem Fall, dass Macron keine nennenswerte Oppositon im Parlament fürchten muss – entweder werden die Kandidaten seiner Bewegung „La République en Marche!“ siegreich aus der Wahl hervorgehen – was die gegenwärtigen Umfragen andeuten – oder aber er wird sich auf die Unterstützung des kulturmarxistischen Lagers der Republikaner verlassen können. Es wird auf jeden Fall keine Mehrheit geben, die seine gesellschaftspolitischen Projekte bremsen oder wenigstens abschwächen könnte.

Auf den Front National (FN) als Oppositionspartei kann man im Parlament nicht zählen, denn durch das K.O.-Wahlsystem in zwei Runden und die „Volksfront“ aller anderen Parteien gegen ihn wird dem FN von vornherein die ihm gebührende parlamentarische Repräsentation verweigert. Selbst wenn es der Le-Pen-Partei bei den nächsten Wahlen gelingen sollte, mehr als ihre bisherigen zwei Abgeordneten ins Parlament zu entsenden, werden sie dort keine Mehrheit stellen, die der Exekutive gefährlich werden könnte. Darüber hinaus steckt der FN seit der Wahlniederlage und der Ankündigung von Marine Le Pens sehr beliebten Nichte Marion Maréchal Le Pen, sich aus der Politik zurückzuziehen, in einer schweren Richtungskrise. Die laizistisch-souveränistische Linie des stellvertretenden FN-Vorsitzenden Florian Philippot wird von den „Identitären“ immer offener infrage gestellt. Philippot ließ bereits verlauten, dass er die Partei verlassen werde, sollte der Austritt aus der Währungsunion nicht mehr zu den Grundforderungen der Partei zählen. Mit der Gründung der parteiinternen Bewegung „Les Patriots“ ging er einen ersten Schritt in Richtung Parteispaltung.            Eva-Maria Michels


Notfalls vor Gericht
Tschechische Justiz diskriminiert NS-Opfer

Wie sehr die Benesch-Dekrete ungeachtet ihres Wortlautes bis heute als Vorwand dienen, um den tschechischen Staat in Besitz von Privateigentum zu bringen, zeigt ein Rechtsstreit um das Schloss Opotschen im Gebiet Königgrätz [Hradec Králové]. Dessen Besitzer, vier Brüder der Familie Colloredo-Mannsfeld, hatten sich nach der Errichtung des Protektorates Böhmen und Mähren geweigert, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, und wurden daraufhin 1942 als sogenannte Reichsfeinde enteignet. Hierbei dürfte wohl auch ihre teilweise jüdische Abstammung eine Rolle gespielt haben. Nach dem Krieg eignete sich die Tschechoslowakei das Schloss an, da es sich zu der Zeit im Besitz des Deutschen Reiches befunden habe. Erst nach der Samtenen Revolution erhielt die Familie Colloredo-Mannsfeld ihre Besitzungen zurück.

Allerdings weckte das berühmte Barockschloss mit seinem Renaissancekern und der reichen, auf einen Wert von an die 50 Millionen Euro geschätzten Kunstsammlung bald neue staatliche Begehrlichkeiten, und so machte die Tschechische Republik ihre Übertragung dieses einen Teils aus dem umfassenden Colloredoschen Erbe wieder rückgängig. Hieraus entstand ein komplexer Rechtsstreit vor verschiedenen Gerichten, der nun schon ein Vierteljahrhundert andauert. Die tschechischen Gerichte aller Instanzen entschieden dabei immer wieder entgegen den wörtlichen Bestimmungen der Benesch-Dekrete als auch anderer tschechischer Gesetze, dass der Besitz einzubehalten sei.

Im Hauptverfahren um das Schloss reichte die Erbin Kristina Colloredo-Mannsfeld jetzt Berufung beim Prager Verfassungsgericht ein. Dort hat nun die tschechische Justiz eine letzte Gelegenheit, ihre bisherige Praxis der offenkundigen Rechtsbeugung zu beenden. Der nächste Schritt wäre nämlich eine Anfechtung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), bei der die staatliche Aneignung aufgehoben werden dürfte. Das Straßburger Gericht sprach im Dezember dem ebenso enteigneten Erben des Opotschener Schlossmobiliars, Jerome Colloredo-Mannsfeld, diesen Besitz zu und erklärte dabei, die tschechischen Gerichte hätten der gesamten Familie zu keinem Zeitpunkt ein faires Verfahren ermöglicht.          Thomas W. Wyrwoll


MELDUNGEN

Einwanderung nach Belarus

Minsk – Nach Angaben der weißrussischen Regierung und des Parlaments sind seit Beginn des Ukraine-Konflikts 160000 bis 170000 Ukrainer nach Weißrussland gekommen. Ukrainische Immigranten haben im Vergleich mit Personen aus anderen Staaten insofern einen gesonderten Status, da sie für 90 Tage visumfrei nach Belarus einreisen dürfen. Zudem können sie nach der Einreise eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragen. Für viele weitere Ausländer ist Weißrussland sowohl Ziel- als auch Transitland für die Weiterreise in die Staaten der EU. Deren wichtigste Herkunftsländer sind Afghanistan, Georgien, Syrien und der Jemen. J.H.

 

Sorgen wegen Nordkorea

Berlin – Die Entwicklung des Nuklearprogramms in Nordkorea stellt nach Ansicht der Bundesregierung „eine wachsende Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität in der Region und darüber hinaus“ dar. Das geht aus ihrem „Bericht zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale 2016“ hervor. Mit zwei Nukleartests und fast 30 Raketenstarts habe Nordkorea wiederholt gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der Internationalen Atomenergie-Organisation verstoßen. Positiv erwähnt die Bundesregierung dagegen den Iran. Das Land habe sein Nuklearprogramm gemäß der „Wiener Vereinbarung“ zurückgefahren. Im Gegenzug seien nuklearbezogene Sanktionen des Westens abgebaut worden. Auf die Lage unter anderem in Syrien bezogen heißt es, der Einsatz von chemischen Waffen und Streumunition sei „erschreckende Realität“.      J.H.


S. 7 Wirtschaft

EU kassiert Griechenlandprognose
Für dieses Jahr rechnet die Kommission statt mit 2,7 nur noch mit zwei Prozent Wirtschaftswachstum

Die Kommission der Europäischen  Union wird ihre erste positive Wachstumsprognose für Griechenland für dieses und das nächste Jahr wegen einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung deutlich zurückschrauben. Statt von 2,7 Prozent gehe man für 2017 nur noch von etwa zwei Prozent aus, hieß es aus Brüssel.

Im Februar dieses Jahres war die EU-Kommission nach einem Jahrzehnt der Stagnation und Regression erstmals von einem Wachstum der griechischen Wirtschaft ausgegangen. Man rechnete für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 2,7 Prozent und für das kommende Jahr gar von 3,1 Prozent. Als dann jedoch die enttäuschenden Zahlen für das vierte Quartal 2016 bekannt wurden, war der demonstrierte Zweckopti­mismus nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Dass die Konjunktur in dem krisengeplagten Euro-Staat schwächer ist als angenommen, zeichnete sich bereits seit Wochen ab. Auch die Unsicherheiten bezüglich eines möglichen dritten Hilfspaketes, das seit einigen Monaten in der Diskussion ist, aber von der Bundesregierung angesichts der bevorstehenden Bun­destagswahl (noch) strikt abgelehnt wird, haben dafür gesorgt, dass das Vertrauen der Investoren und der Konsumenten in die griechische Volkswirtschaft nicht das offiziell erwartete Ausmaß erreicht hat.

Im vergangenen Jahr war die griechische Wirtschaftsleistung noch um 0,3 Prozent zurückgegangen. Trotzdem meinen die europäischen Kreditgeber in diesem Jahr Erfolge der von Athen verlangten Reformen und eine Stabilisierung der Staatsfinanzen konstatieren zu können. Immerhin fiel der Primärüberschuss des Haushalts, bei dem die Kosten für den Schuldendienst außen vor bleiben, mit 4,2 Prozent höher aus als prognostiziert.

Griechenland und seine Gläubiger von der EU hatten im Juli 2015 ein Hilfspaket von 86 Milliarden Euro über drei Jahre vereinbart, obwohl der Internationale Währungsfonds (IWF) sich bis zum heutigen Tage geweigert hat, sich finanziell zu beteiligen. Der IWF begründet das damit, dass die von der EU vorgegebenen Ziele unrealistisch und die Schulden Athens untragbar seien. Der IWF verlangt deshalb einen weiteren Schuldenschnitt, was die Bundesregierung aus Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen jedoch ablehnt. Seit Monaten kommen die Gespräche nicht voran. Deshalb kann auch die Überprüfung der bisher erbrachten Reformmaßnahmen Athens nicht abgeschlossen werden. Diese ist jedoch Voraussetzung für die Freigabe weiterer Hilfsgelder. Im Juli muss Athen Schulden von mehr als sieben Milliarden Euro zurückzahlen. Die Wirtschaft in Griechenland kommt nach jahrelangem Rück­gang einfach nicht in Fahrt.

Im Rest der Eurozone legt die Wirtschaft dagegen stärker zu als erwartet. Für die gesamte Eurozone prognostiziert die EU-Kommission im laufenden Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent, das sind 0,2 Punkte mehr als noch vor drei Monaten vorhergesagt.

Die Volkswirtschaften Europas profitierten von einer Vielzahl an Faktoren, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. So seien die Ölpreise nach wie vor relativ niedrig, wobei die Weltwirtschaft stetig wachse. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und die Nullzinsen seien dabei unterstützende Faktoren. Hauptmotor des Wachstums sei die Binnennachfrage. Griechenland sitzt auf einem Schuldenberg von über 315 Milliarden Euro, das sind 179 Prozent seines Bruttosozialprodukts, und der Berg wächst stetig. Seit 2010 wird der wirtschaftliche Kollaps Griechenlands nur durch massive Geldflüsse von den anderen Euro-Ländern verhindert.

Die griechische Regierung unter Alexis Tsipras musste im Gegenzug massive Reformen versprechen. Das griechische Parlament muss einem Großteil der Reformen am Arbeitsmarkt und im Energiesektor sowie Pensionskürzungen und Steuererhöhungen noch zustimmen.

Eigentlich muss das Parlament diese Reformen noch vor der Auszahlung der nächsten Tranche verabschieden, aber bislang fielen Tsipras, wie zum Bespiel mit Sonderzahlungen an Rentner im letzten Winter, immer wieder Tricks ein, wie er die praktische Umsetzung der Reformen zumindest teilweise unterlaufen konnte.            Bodo Bost


Deutschland hinkt hinterher
Beim Breitbandausbau nur 28. von 32 untersuchten OECD-Staaten

Beim Breitbandausbau bleibt Deutschland Schlusslicht. Die zukunftsfähige Glasfaser ist in den wenigsten Regionen des Landes wirklich angekommen. Das Fraunhofer-Institut geht nun hart mit der Bundesregierung ins Gericht. Deren Breitbandziele seien mutlos.

Nach der Fraunhofer-Studie, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt wurde, liegt Deutschland bei der Versorgung mit Glasfaseranschlüssen im OECD-Vergleich auf Platz 28 von 32. Unambitionierte Ziele, eine fehlende gesamtstaatliche Strategie, unkoordinierte Förderprogramme und fehlender Mut, konsequent auf Glasfasertechnologien zu setzen, konstatieren die Forscher. „Der aktuelle Stand der Glasfaserversorgung ist nicht gut, aber das eigentliche Drama ist, dass der Aufholprozess durch politische Weichenstellungen unzureichend unterstützt wird“, sagte Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Bei der Übertragungsgeschwindigkeit liegt Deutschland mit 12,9 Megabits pro Sekunde nur im Mittelfeld der EU – zwar noch vor Spanien (12,1 Mbps) aber hinter Rumänien (13,2 Mbps).

Für viele hat die Verantwortung hierfür die Telekom, die nach wie vor stark auf Kupfer setzt. So ist  die bislang häufigste Zugangsart ins Internet die Digitale Teilnehmeranschlussleitung (DSL), bei der die Daten über Telefonkupferleitungen übertragen werden, die oft noch aus Vorkriegszeiten stammen. Die Telekom, der die allermeisten der alten Leitungen gehören, verfolgt die Strategie, die herkömmlichen Kupferkabelnetze kostenschonend für höhere Geschwindigkeiten nachzurüsten. Dieses Verfahren wird Vectoring genannt. Viele Experten sprechen von einer veralteten Technologie, andere sagen, das Verfahren habe eine Brückenfunktion auf dem Weg in eine moderne Telekommunikationsgesellschaft.

Die Telekom wirbt um Verständnis für ihren Mittelweg und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, Deutschland über Vectoring langfristig konkurrenzfähig zu machen. Den Forschern des Fraunhofer-Instituts dauert dies zu lange. Sie weisen auf die Bedeutung der schnellen Anschlüsse hin. Eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur sei nicht nur unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt: „Schnelles Internet ist auch Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und heute längst ein Grundbedürfnis.“

Die Debatte hat teilweise auch ihre humoristischen Facetten. In Deutschland fällt die Bearbeitung dieses Themas in den Zuständigkeitsbereich von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). In dessen oberbayrischer Heimatgemeinde Peißenberg können die Internetnutzer nur den Tarif „Magenta Zuhause S“ der Telekom nutzen, der im Volksmund Schneckentarif genannt wird. Die Autoren der Studie fordern nun ein Umdenken. „Schnelles Internet ist für Firmen und Bürger ein entscheidender Standortfaktor“, erklärte Bernd Beckert, Koordinator der Studie. Viele Bundesländer bemühten sich zwar um einen nachhaltigen Glasfaserausbau. aber die fehlende Verständigung zwischen allen Akteuren im Breitbandausbau sei ein Problem. „Es fehlt an einem politischen Konzept und einer konkreten Strategie“, sagt auch Brigitte Mohn. Dass Deutschland bei einer Zukunftstechnologie den Status einer Bananenrepublik habe, sei beängstigend.           Peter Entinger


Risiko Förderbegrenzung
Rubelkurs macht Gewinne durch höheren Ölpreis zunichte

Eine Verlängerung der Fördergrenze für Erdöl bis zum Frühjahr 2018, wie sie das wichtigste Opec-Mitglied Saudi-Arabien sowie Russland anstreben, um einen weiteren Verfall des Ölpreises zu verhindern, dürfte nur von kurzfristigem Erfolg gekrönt sein. Die jetzige Kürzung hatte zwar zunächst für einen um 15 Prozent höheren Ölpreis gesorgt, aber wegen des Überangebots stürzte er danach wieder auf den vorigen Stand ab.

Russland fordert seit Längerem eine Drosselung der Förderquote, profitiert aber nur bedingt davon. Laut russischen Prognosen wird der Ölpreis bis Ende 2017 für die Sorte Brent bei 65 Dollar pro Barrel liegen. Alexander Pögl vom Wiener Forschungszentrum JBC glaubt hingegen, dass der Ölpreis in diesem Jahr trotz des neuerlichen Beschlusses sich zwischen 50 und 55 Dollar einpendeln wird.

Dass die russische Wirtschaft unter diesen Bedingungen profitieren wird, bezweifeln selbst russische Experten. Das hat gleich mehrere Gründe: Zum einen sind nicht alle Länder mit einer Förderdrosselung einverstanden. Opec-Mitglied Venezuela etwa, das unter großen Wirtschaftsproblemen  leidet, deckt 95 Prozent seiner Deviseneinnahmen durch Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Kasachstan will die Vereinbarung verlassen, und Libyen, Nigeria und Angola haben sie erst gar nicht unterschrieben, sondern beschleunigen stattdessen ihre Ölförderung. Das Opec-Mitglied Irak will neue Ölfelder erschließen wie auch Brasilien und die Länder Westafrikas, die keine Opec-Mitglieder sind.

Zum anderen ist der Wert des Rubel Teil des Problems. Auf dem Weltmarkt wird Öl in US-Dollar abgerechnet, in Russland auf Rubel-Basis. Für die Ölkonzerne wirkt sich somit der Rubelkurs unmittelbar auf ihre Bilanzen aus. Profitierten sie bisher vom schwachen Rubel, ist der Kurs gegen-über dem Dollar mit der Erhöhung des Ölpreises gestiegen. Das macht ihn für Anleger, die in den vergangenen Jahren bei ihren Investitionen die Anlagestrategie des „Carry Trade“ bevorzugten, uninteressant. Die Strategie dabei ist, Kredite in einer Währung mit niedrigem Zinsniveau aufzunehmen, um davon Zinspapiere zu kaufen, mit der Anlagen in einer anderen Währung mit höheren Zinsen getätigt werden. Die Differenz zwischen Soll- und Habenzins hat Investoren im vergangenen Jahr Gewinne von bis zu 35 Prozent eingebracht, wenn sie in Rubel investiert hatten. Russland war deshalb bei internationalen Anlegern sehr beliebt. Im Augenblick ist der Rubelkurs in Bezug auf den Ölpreis etwas überbewertet, der positive Effekt des höheren Ölpreises verpufft auf diese Weise.

Experten gehen von einem schwächeren Rubelkurs zum Jahresende aus, denn ein starker Rubel birgt ein hohes Risiko. Wenn der Ölpreis auf 40 bis 45 Dollar pro Barrel sinkt, kann die russische Wirtschaft noch standhalten, sinkt er auf 30 bis 35 Dollar, wird es kritisch. Eine weitere Erschwernis für Russland wäre eine Erweiterung der US-Sanktionen gegen das ganze Land.

Für die beiden großen Förderländer Saudi-Arabien und Russland birgt die Fracking-Konkurrenz aus den USA ein weiteres Risiko. Würde der Ölpreis weiter steigen, wäre es für die USA noch lukrativer, mit ihrem teuer produzierten Fracking-Öl den Weltmarkt zu fluten.

                Manuela Rosenthal-Kappi


MELDUNGEN

Koalition fördert Mieterstrom

Berlin – Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben einen Gesetzentwurf zur Förderung des sogenannten Mieterstroms eingebracht. Damit wollen sie auch Mietern die Stromnutzung vom eigenen Dach ermöglichen. Die Fraktionen erhoffen sich davon Impulse für einen weiteren Zubau von Solaranlagen und wollen so Mieter und Vermieter „konkret an der Energiewende beteiligen“. Vermieter sollen demnach einen Zuschuss bekommen, wenn sie Solarstrom ohne Nutzung des Netzes direkt an Mieter in dem betreffenden Wohngebäude liefern. Mieter sollen aber weiterhin frei wählen können, von wem sie Strom beziehen.     J.H.

 

Lage der Werften stabil

Berlin – Das Bundeswirtschaftsministerium bewertet die Lage der deutschen Werftindustrie als stabil. Es will die deutschen Werften weiter mit Innovationsbeihilfen fördern, ohne dass die Unternehmen diese Gelder zurückzahlen müssen. Das Programm „Innovativer Schiffbau“ unterstütze den Industriezweig bei Investitionen in innovative Technologien und Produkte, die die Basis für eine langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit seien, heißt es.                J.H.


S. 8 Forum

Wie einst vor 1789
von Manuel Ruoff

Die Renaissance der Söldner (siehe S. 4) ist ein natürlicher Prozess. Bis ins 18. Jahrhundert war der Kabinettskrieg die normale Kriegsform. Der Herrscher, sprich der Staat („Der Staat bin ich“), führte Krieg, und den Untertanen war das relativ egal, hatte das egal zu sein („Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht“).

Doch dann kam die Französische Revolution. Sie gebar mit der Französischen Republik einen Staat neuen Typs, der sich umgeben von Monarchien seiner Existenz erwehren musste. Er rief seine Bürger zu den Waffen – mit Erfolg. Frankreichs Gegner, allen voran Preußen, folgten dem französischen Vorbild – ebenfalls mit Erfolg.

Es folgte das „goldene Zeitalter“ der Wehrpflicht mit großen Kriegen zwischen den Großmächten, in denen Massenheere aufeinandertrafen und die Bürger intensiv Anteil nahmen. Damit ist im Grunde seit dem Ende des Kalten Krieges Schluss.

Jetzt führen die Industriestaaten wieder Kriege ohne existenzielle Bedeutung für sich selbst und ohne größere Anteilnahme seitens ihrer Bevölkerung.


Spiel mit dem Feuer
von Bodo Bost

Der sehr populäre christliche Gouverneur der indonesischen Hauptstadt Jakarta muss nach einer Blasphemieverurteilung für zwei Jahre ins Gefängnis. Auch in Indonesien, dem größten muslimischen Staat der Erde, der einst als tolerantes Vorbild angesehen wurde, gewinnt der radikale Islam immer mehr Anhänger.

Basuki Tjahaja Purnama ist ein ethnischer Chinese, der sich als Kämpfer gegen Korruption und energischer Reformer hervorgetan hat. Dann allerdings äußerte er öffentlich, dem Koran zufolge könnten auch muslimische Bürger für einen christlichen Gouverneur stimmen. Er wollte nicht den Koran beleidigen, sondern nur seine Gegner dafür kritisieren, dass sie einen Vers aus der Schrift zu seinen Ungunsten interpretiert hatten. Radikale Gegner wiesen diese Aussage zurück und behaupteten, Muslime dürften nur für einen Muslim stimmen. Für seine Aussage wurde Basuki nun von einem zivilen Gericht verurteilt, obwohl es für seine Schuld weder im Koran noch von der Logik her – mindestens ein Drittel aller Muslime lebt in mehrheitlich nichtmuslimischen Ländern, wo sie gar keine muslimische Abgeordneten wählen können – einen Beleg gibt.

Das Anheizen religiöser Empfindlichkeiten ist ein Spiel mit dem Feuer in einem Land wie Indonesien, das in den 1960er Jahren einen ethnisch bedingten Bürgerkrieg durchlebt hat. Es bleibt zu hoffen, dass Staatspräsident Joko Widodo das Urteil gegen seinen einstigen Weggefährten kassiert und die radikalen Moslems in die Schranken weist. Ohne religiöse Toleranz und ohne die neun Millionen Chinesen im Land ist das bislang erfolgreiche indonesische Wirtschaftsmodell trotz Ölreichtums nicht überlebensfähig. All dies steht auf dem Spiel, sollte der islamische Mob die Oberhand gewinnen.


Schwierige Verständigung
von Friedrich-Wilhelm Schlomann

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un hat den Vereinigten Staaten „unter bestimmten Voraussetzungen“ Gespräche angeboten. Zu diesen „bestimmten Voraussetzungen“ gehören sicherlich die Anerkennung der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) als Atommacht sowie eine Garantie ihrer weiteren Existenz durch die USA. Einerseits äußert sich Trump neuerdings auffallend positiv über Kim Jong-un, andererseits würde er mit einer Verständigungspolitik in Washington auf breiten Widerstand stoßen.

Verständigungsbereit ist hingegen auch Trumps in diesem Monat gewählter neuer Amtskollege Moon Jae-in von der linksliberalen Demokratischen Partei Koreas (siehe PAZ Nr. 20). 41 Prozent hatten diesem für die relative Mehrheit und damit für das Präsidentenamt gereicht, da die beiden konservativen Parteien sich nicht auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten hatten einigen können. Die erste Reise des 64-jährigen südkoreanischen Präsidenten nordkoreanischer Herkunft soll nach Pjöngjang führen. Sein Ziel ist es, in der Tradition der „Sonnenscheinpolitik“ seines Vorgängers von 1998 bis 2003, Kim Dae-jung, durch massive Hilfsleistungen an die nordkoreanische Bevölkerung Kim Jong-un von seiner Atomaufrüstung abzubringen. Wahrscheinlich wird er einige humanitäre Erleichterungen erzielen. Nach den unmissverständlichen Feststellungen Pjöngjangs, sein nukleares Programm könne „weder verändert noch gerüttelt werden“ und sei „kostbar wie das eigene Leben“, sollte Moon sich keinen Illusionen hingeben, zumal die DVRK den Besitz von Atomwaffen als einziger Staat der Welt sogar in ihrer Verfassung verankert hat.

Auch mit Wa­shington sind Spannungen und Probleme programmiert, da die USA traditionell einem sehr harten Kurs gegen Nordkorea das Wort reden. Moons Versuche, das Vertragswerk mit den USA bezüglich deren Raketenabwehrsystem THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) zu revidieren, kommen zu spät. Das System ist bereits in Südkorea aufgebaut. Entgegen allen Vereinbarungen fordert Trump dafür nun auch noch eine Milliarde US-Dollar, was das Vertrauensverhältnis zwischen Seoul und Washington zusätzlich belastet.

Moons Differenzen mit den USA wird die chinesische Führung auf verschiedenen Wegen zu verstärken suchen. Peking fühlt sich durch das US-Raketenabwehrsystem bedroht. Nordkorea werden die Chinesen nicht fallen lassen. Zu frisch sind die Erinnerungen an den Koreakrieg und zu groß ist die Sorge, dass nach einem Regimewechsel in Nordkorea die US-Amerikaner an ihren Grenzen stehen. Angesichts dieser Gemengelage muss es Kennern des Fernen Osten sehr schwer fallen, an einen Erfolg der neuen Politik Seouls zu glauben. Friedrich-Wilhelm Schlomann


Frei gedacht
Deutschland vor historischer Umerziehung
von Eva Herman

Es soll tatsächlich Leute im Land geben, die Meinungsfreiheit und Demokratie immer noch als existierende Grundpfeiler unserer Gesellschaft wähnen. Sie scheinen für die zahllosen Methoden, mit denen die Bürger zunehmend eingeschränkt werden, blind zu sein. Diese erreichen dieser Tage einen neuen Höhepunkt: Zensur im Internet, Zensur am Arbeitsplatz, wachsende Zensur auf allen Lebensebenen. So ist vergangenen Freitag im Deutschen Bundestag das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ beraten worden, von dem einige Optimisten noch hoffen, es möge der Gesellschaft erspart bleiben. Doch es sieht nicht so aus.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beruht auf einem Vorschlag von Bundesjustizminister Heiko Maas. Darin werden neue Regeln für Plattformen im Netz gesetzt. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter sollen demnach verpflichtet werden, bestimmte Inhalte binnen Tagesfrist auszufiltern. Genannt werden in diesem Zusammenhang Begriffe wie Hate Speech (Hassreden) und Fake News (Falsch­meldungen). Der bekannte Anwalt und TV-Moderator Joachim Steinhöfel bezeichnet das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz als „Zensurgesetz“. In einem zum Thema veröffentlichten Artikel schreibt Steinhöfel: „Das Gesetz ist eine 30-seitige, verfassungs- und europarechtswidrige juristische Totgeburt. Es verstößt gegen Art. 3, 5 und 12 GG (Gleichheitsgebot, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit). Hinzu kommt, dass das Gesetz überflüssig ist.“

Die öffentliche Kritik an dem Gesetz überschlägt sich, und zwar sowohl aus systemkritischer als auch aus politisch korrekter Sicht. Gegner sehen die Mei­nungs­freiheit und die Anonymität im Internet in Gefahr und fürchten Zensur auf der ganzen Linie. Denn die sozialen Netzwerke und ähnliche Plattformen, sogar On­line-Versandhäuser, sollen laut der Initiative künftig neben offensichtlich strafbaren Hass- und Hetzkommentaren oder Falsch­meldungen unter anderem auch „verfassungsfeindliche Verunglimpfungen“ „landesverräterische Fälschungen“ oder Beiträge „terroristischer Vereinigungen“ binnen 24 Stunden löschen müssen. Ansonsten drohen exorbitante Bußgelder: Bis zu 50 Millionen Euro für Unternehmen beziehungsweise fünf Millionen bei Individuen, sollten sie den Pflichten nicht nachkommen. Die vorgesehene Pflicht, Kommentare zu sperren oder zu entfernen, bezieht sich dem Regierungsentwurf nach „auf sämtliche auf der Plattform befindlichen Kopien“ der strafbaren Inhalte.

Was da alles von heute auf morgen auf die Bürger zukommt, kann man sich an seinen zehn Fingern abzählen, vor allem, wenn es sich um „verfassungsfeindliche Verunglimpfungen“ oder „landesverräterische Fälschungen“ handelt. Denn wer wird die Frage klären, wo die freie Meinungsäußerung unzufriedener Bürger beginnt und wo sie aufhört beziehungsweise an welcher Stelle sie zu einer Straftat wird? Vor allem: Die Anbieter müssten demnach belastende Beiträge neben den zugehörigen Nutzerdaten intern auf Vorrat speichern und mit neuen Inhalten abgleichen, um zu verhindern, dass diese wieder eingestellt werden. Das Ziel wird sein, dass man lieber gar nichts mehr einstellt, bevor man sich derartigen Gefahren aussetzt: Das Volk wird mundtot gemacht.

Kritik an dem Maasschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz kommt auch aus der Politik. So sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer der Deutschen Presse-Agentur, angesichts dieser Kritik müssten bei der Koalition „die Alarmglocken klingeln“. Wenn sich eine solch breite Mehrheit gegen das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz formiere, sollte man dessen Nutzen doch einmal in Zweifel ziehen. So hätte „eine vorherige Anhörung von Experten den Irrläufer vielleicht frühzeitig stoppen können“. Es sei „in einem Rechtsstaat unzulässig, Straftaten in sozialen Medien an Richtern und Staatsanwälten vorbei durch Anbieter löschen zu lassen“. Eine solche Privatisierung des Gewaltmonopols des Staates dürfe nicht stattfinden, so Beer. Branchenverbände und Bürgerrechtler warnen ebenso vor einer privaten „Inhaltepolizei“ mit hohen Missbrauchsrisiken und „Wahlkampf-Hektik“. Bereits am Tag vor der Beratung im Parlament hatte die „Allianz für Meinungsfreiheit“ die Fraktionschefs von Union und SPD vor einem „gesetzgeberischen Schnellschuss“ gegen „Hate Speech“ gewarnt. So würden die Ursachen strafbarer Hetze außer Acht gelassen. Zugleich werde der offene Meinungsaustausch im Netz gefährdet.

Spannend: Heiko Maas will dieses Kontrollgesetz offenbar auf Biegen und Brechen durchsetzen, und zwar noch vor der Sommerpause, also auch noch vor der Bundestagswahl. Und zwar in jener Fassung, die er sich vorstellt. Im Eiltempo brachte sein Ministerium den Entwurf auf den Weg. Ihn scheinen offenbar auch keine Expertenmeinungen zu interessieren. So schrieb die „Frankfurter Allgemeine“ („FAZ“) am 15. dieses Monats:

„Engagierte Mitglieder der Zivilgesellschaft bittet der Staat zuweilen um Einschätzungen. Technisches Wissen und die Fähigkeit, Folgen von Technologieeinsatz zu verstehen und einzuordnen, sind schließlich wichtige Komponenten im politischen Feld. … Aktuell wird um ein geplantes Gesetz gestritten, das als Netzwerkdurchsetzungsgesetz firmiert. … Der Berufsverband wird um Stellungnahme gebeten, der Referentenentwurf zum Gesetz gesendet. Wie es sich gehört, sagt man zu und macht sich an die Arbeit. Es wird diskutiert und kritisiert, um daran mitzuwirken, aus einem ministeriellen Referentenentwurf eine Gesetzesvorlage zu gestalten, die das hohe Haus informiert verabschieden kann … Der Berufsverband, von dem hier die Rede ist, heißt ,Gesellschaft für Informatik‘. Dort treffen sich Tausende Informatiker aller Couleur: Praktiker, Akademiker, Forscher, Programmierer, Lehrer, manchmal Studenten, um sich auszutauschen, ihre Interessen zu vertreten und ihre Expertise auch der Politik zur Verfügung zu stellen. Der Verband gehört zu keiner Partei, er steht keinen Konzernen nah und hat eine akademische Tradition mit interdisziplinären Einschlägen: im Grunde der perfekte Politikberater.“

Doch, wie es aussieht, überging Heiko Maas diese Expertenkommission völlig, die Forscher haben umsonst gearbeitet. Die entsprechende Debatte im Parlament wurde nämlich nicht von der eingeholten Expertise beeinflusst, es wurden keine Argumente aus den Experten-Stellungnahmen erwogen und diskutiert. Die schriftlichen Stellungnahmen wurden laut „FAZ“ nicht einmal abgewartet: „Kurz vor Abgabefrist wurde der Referentenentwurf bereits in einer aktualisierten, also veränderten Fassung bei der EU-Kommission notiert.“

Ach, ja, noch etwas: Auch auf anderen Ebenen werden nun ganz bestimmte Methoden zur Umerziehung der Bürger installiert: So startet ein Zusammenschluss mehrerer öffentlich-rechtlicher Sender der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz (BR, ORF, ARTE, und SRF) ein „transmediales Projekt zum Thema Verschwörungstheorien“. Hier soll untersucht werden, welchen Mechanismen sogenannte Verschwörungstheorien folgen, wer von ihnen profitiert und wie man „damit am besten umgehen“ sollte. Das Projekt trägt den interessanten Namen Die Weltherrschaft, als wäre die One-World-Order nicht gerade eine Idee des bestehenden Systems. Es sind historisch interessante Zeiten, in die Deutschland jetzt hineinrutscht.


S. 9 Kultur

Donna Camilla und der CSU-Peppone
Zum 200. Mal »Um Himmels Willen« – Der ARD-Serienerfolg läuft und läuft mit Beistand von ganz oben

In der ARD wird die 200. Folge der 16. Staffel von „Um Himmels Willen“ ausgestrahlt. Und ein Ende der Umtriebe im Kloster Kaltenthal ist nicht in Sicht.

Zuverlässig empört kommt sie in schwarzer Kutte angerauscht, die Schwester Hanna vom Kloster Kaltenthal, und rüttelt an Türen und Verboten. Genauso zuverlässig versucht Bürgermeister Wöller, die resolute Ordensfrau auszubremsen – vergeblich natürlich. Seit 15 Jahren öffnet das Kloster immer wieder dienstags seine Pforten, Ende Mai nun zum 200. Mal („Um Himmels Willen,“ 30. Mai, 20.15 Uhr, Das Erste).

Die Mischung aus freundlichen Konflikten (die Oberin führt einen Prozess gegen die Bavaria-Bank) und harmlosem Gekabbel (Schwester Hanna wünscht sich zum Geburtstag vom Bürgermeister eine Generalüberholung ihres Autos) ist auch in der Jubiläumsfolge geschmeidig zusammengerührt. Leise Bewegung kommt alle paar Jahre wieder nur in die Darstellerriege.

Von 2002, dem Beginn der Serie, bis 2006 gab Jutta Speidel als Schwester Lotte den Widerpart zum sturen Bürgermeister, bevor sie sich laut Drehbuch in den Samariterdienst nach Afrika verabschiedete. Seitdem fegt die Berlinerin Janina Hartwig durchs fiktive Kaltenthal, das in Wahrheit im bayerischen Landshut liegt. Dort werden die Touristen mittlerweile auf den Spuren des Bürgermeisters Wöller durch das Städtchen geführt. Für 70 Euro ist man dabei.

Als Mutter Oberin des Magdalenen-Ordens fungierte Rosel Zech, die 2011 überraschend verstarb, gefolgt von Gaby Dohm, die nach drei Jahren ihren Rückzug antrat. Nun regiert also Nina Hoger im Klosterbüro, das im Literaturhaus in München nachgestellt wird. Als gestrenge Schwester Theodora in karger Nonnentracht ist sie ein Abbild ihrer Mutter, der Schauspielerin  Hannelore Hoger.

Mit rund sechs Millionen Zuschauern ist „Um Himmels Willen“ die erfolgreichste Serie der ARD. Das Geheimnis des Siegeszugs? „Ein Grund ist sicher, dass wir schlicht und einfach gute Unterhaltung bieten“, sagt Fritz Wepper. „Bürgermeister Wöller wirkt wie ein Ventil, über das die Zuschauer Dampf ablassen können“, sagt der TV-Star über seine Rolle. Hinzu komme, dass sich über die Jahre eine gewisse Vertrautheit zwischen den Zuschauern und der Serie eingestellt habe. Man kann also sagen: Kal­tenthal bietet Sicherheit in unsicheren Zeiten. Die Probleme der Klosterfrauen sind übersichtlich und enden mit einem Happy End, die kapitalistischen Umtriebe des Bürgermeisters werden regelmäßig zugunsten der guten Absichten ausgebremst, und am Ende des Tages endet alles zu aller Zufriedenheit.

Die wechselnden Drehbuchautoren lassen es menscheln und gelegentlich auch krachen: Wöller darf demnächst Tango tanzen, um eine zögerliche Geldgeberin in Schwung zu bringen. Auch die ehemalige Tänzerin Hanna Jacobi rafft schon mal die Röcke und leitet einen Steptanzkurs, worauf eine mittanzende Rathaus-Mitarbeiterin so­fort neuen Mut ge­winnt. In Kaltenthal geht es eben zu wie im Märchen, nur nicht so grausam. Zu Beginn der 16. Staffel etwa geht die zarte Schwester Agnes (Emanuela von Frankenberg) zum Kräutersammeln in den Wald, wo ihr tatsächlich der böse Wolf begegnet, der in Kaltenthal aber ein guter Wolf ist und dem unter einem Baum eingeschlafenen Fräulein prompt das Gesicht abschleckt. Hanebüchen? Die Drehbuchautoren haben freies Spiel und nutzen es, um aus der gleichbleibenden Konstellation immer neue Funken zu schlagen. Mal will der listige Wöller aus dem Kloster eine Brauerei machen, neuerdings ein Spielcasino. Mal ist die Mutter Oberin die Verfechterin des Wahren, Guten und Christlichen, mal einem kleinen kapitalistischen Geldsegen durchaus nicht abgeneigt.

Zuverlässig wie der Grundton der Serie ist auch das kreative Spannungsverhältnis zwischen Hanna und Wöller, die nicht nur Cineasten an die Filme von Don Camillo und Peppone aus den 50er Jahren erinnern. „Es gibt sogar wissenschaftliche Arbeiten, die zu ergründen versuchen, warum die Serie die Menschen derart fesselt,“ sagt Janina Hartwig. „Ich glaube, es ist vor allem der Humor, diese Kabbeleien zwischen Wöller und Schwester Hanna.“ Kann schon sein: Sie mögen und sie hassen sich und können voneinander nicht lassen. Dazu passt der Schlussgag, in dem sich Wöller und Hanna stets einen kleinen Schlagabtausch liefern. „Was gedenken Sie zu tun, um das wieder gut zu machen?“, fragt etwa Wöller, nachdem Hanna seine unternehmerischen Vorhaben mal wieder durchkreuzt hat.  „Beten, Herr Wöller, beten“, antwortet die Ordensfrau und verzieht keine Miene. Eingefrorenes Schlussbild, Abspann, Fortsetzung folgt.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie auch morgen? An Hartwig und Wepper soll es nicht liegen. Im Gegenteil. Gerade für den 75-jährigen Wepper, in „Der Kommissar“ und später in „Derrick“ bereits festes Inventar des deutschen Fernsehens, ist die Rolle des Schlitzohrs ein wahrer Segen. Was er zu seinem 65. Geburtstag sagte, gilt auch zehn Jahre später: „In dieser entspannten Form macht mir der Beruf immer mehr Spaß.“            Anne Martin


Eiserne Lerche
Vor 200 Jahren wurde der Freiheitsdichter Georg Herwegh geboren

Eines der bekanntesten Ar­beiterlieder stammt von ei­nem weitgehend vergessenen Dichter des Vormärz. 1863 dichtete Georg Herwegh sein „Bundeslied“ für Ferdinand Lassalles Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, aus dem später die SPD hervorgehen sollte: „Mann der Arbeit, aufgewacht! / Und erkenne deine Macht! / Alle Räder stehen still. / Wenn dein starker Arm es will.“ Der Wagner-Kapellmeister Hans von Bülow komponierte dazu eine eingängige Melodie, zu der das lange Zeit verbotene Kampflied noch heute von vielen Genossen gesungen wird, ohne dass einer etwas vom Urheber der Reime weiß.

Der aber war in seinen besten Zeiten ein Literaturstar. Gleich mit seinem ersten Gedichtband, den „Gedichten eines Lebendigen“ von 1841, schuf Herwegh einen Bestseller, der sich 15000 Mal verkaufte – im Untergrund. Denn in der Metternich-Zeit war seine Revoluzzer-Lyrik von der Zensur verboten. Doch gerade das Verbot erwies sich als verkaufsfördernd. In der politisch aufgeheizten Stimmung vor der Märzrevolution von 1848 riss sich die freiheitsliebende deutsche Jugend gerade deswegen um polemische Strophen wie diese: „Reißt die Kreuze aus der Erden! / Alle sollen Schwerter werden“, oder: „Wir haben lang genug geliebt / Und wollen endlich hassen“.

Als Herwegh das dichtete, lebte er im Schweizer Exil als Redakteur und Übersetzer. Der am 31. Mai 1817 als Sohn eines Gastwirts in Stuttgart geborene Dichter sah sich an das Schicksal seines Landsmanns und Idols Fried­rich Schiller erinnert, der auch seiner schwäbischen Heimat entfliehen musste. Bei Herwegh war es der anstehende Militärdienst, wegen dem er sich zum Abschied aus der Heimat gezwungen sah.

Es ist schon ein Clou seiner Biografie, dass ausgerechnet der Militärverweigerer während der Märzrevolution, umgebunden mit schwarz-rot-goldener Schärpe, ein 700 Mann starkes Freikorps anführte, das im Schwarzwald von württembergischen Truppen zerschlagen wurde. Herwegh, der in Paris der Sprecher der revolutionsbewegten „Deutschen Democratischen Gesellschaft“ war und der sogar von Karl Marx vor diesem Abenteuer gewarnt wurde, entkam abermals in die Schweiz.

Es war das zweite Mal, dass der dichtende Utopist als Realpolitiker gescheitert war. 1842 wollte er bei einer Audienz beim Preußenkönig Fried­rich Wilhelm IV. eine weitere Lockerung der Zensurgesetze erwirken. Er erreichte genau das Gegenteil. Immerhin konnte er einen amourösen Erfolg verbuchen: Er verliebte sich in die Tochter ei­nes Berliner Modehausbesitzer, die er später heiratete. Und in Berlin gab es sogar eine Herwegh-Gesellschaft mit Theodor Fontane als Mitglied.

Heinrich Heine, der unter der Popularität des am 7. April 1875 in großer Armut bei Baden-Baden ge­storbenen Freiheitsidealisten ein wenig litt, spottete über Herweghs politisches Engagement: „Herwegh, du eiserne Lerche, / Weil du so himmelhoch dich schwingst, / Hast du die Erde aus dem Gesichte / Verloren.“            Harald Tews


Hormonbefreit
»Baywatch« ist zurück – Und zwar im Kino

Knackige, sonnengebräunte  Körper, weibliche Rundungen und viel männliches Brusthaar sorgten in den 90er Jahren mit für den Erfolg der „Baywatch“-Serie. Nach der inzwischen auch in Hollywood eingesetzten Feminisierung, die streng darauf achtet, dass die Frau im Film nicht nur als Objekt der Begierde wahrgenommen wird, hätte solch ein Chauvi-Werk keine Chance mehr.

Umso bemerkenswerter ist es, dass am 1. Juni in den Lichtspielhäusern ein Kino-Remake von „Baywatch“ anläuft. Der Körperkult von früher, als Sexsymbol Pamela Anderson bei den Männern noch die Hormone in Wallung brachte, ist diesmal durch Selbstironie leicht abgeschwächt.

Dass sich die Kino-Neuauflage selbst nicht so ernst nimmt, macht sie ansehnlicher als erwartet. Dabei vermisst man auch nicht Serien-Kultstar David Hasselhoff, der nur gegen Filmende einen Gastauftritt hat. Muskelberg und Ex-Wrestler Dwayne Johnson ersetzt den obersten Rettungsschwimmer von Malibu auf ganz humorige Weise. Dass die Strandszenerie vom sonnigen Kalifornien an die eher trübe Ostküste verlegt wurde, stört dabei ebenso wenig wie ein paar unter die Gürtellinie abzielende Witze oder das Actionfeuerwerk am Ende. Die Fans der Originalserie werden schon ihren Gefallen daran finden, und nur darauf kommt es an, um aus diesem Goldesel den letzten Cent zu pressen.                H. Tews


MELDUNGEN

Natur-Ansichten auf der IGA

Berlin − Das Humboldt-Forum lädt bis zum Spätsommer zur Lesereihe „Ansichten zur Natur“ auf der Internationalen Gartenausstellung (IGA) in Berlin ein. In zehn Lesungen stellen die Autoren Wladimir Kaminer und Helmut Höge sowie die Schauspieler Stina Ekblad, Imogen Kogge, Ulrich Matthes, Barbara Schnitzler, Frank Seppeler und Simone von Zglinicki richtungsweisende Positionen zur Natur vom Mittelalter bis zur Gegenwart vor. Auftakt der Lesereihe ist am 27. Mai um 12 Uhr.         tws

 

Liszt-Biennale in Thüringen

Erfurt − Am 31. Mai startet im Weimarer Deutschen Nationaltheater die Liszt-Biennale mit einem Konzert der Staatskapelle Weimar. Unter dem Motto „Rollenspiele“ finden bis zum 5. Juni 28 weitere Konzerte in thüringischen Städten statt, in de­nen Franz Liszt gewirkt hatte. Ein Höhepunkt ist am 3. Juni die szenische Aufführung der Oper „Tannhäuser“ des Liszt-Schwiegersohns Richard Wagner an authentischer Stätte, nämlich auf der Wartburg. Karten und Infos unter www.thueringen-entdecken.de tws

 

Luther-Rarität bei Anna Amalia

Weimar − In der Anna-Amalia-Bibliothek wird noch bis zum 28. Mai die Weimarer Lutherbibel von 1534 ausgestellt. Die zum Unesco-Weltdokumentenerbe zählende erste Gesamtübersetzung des Alten und Neuen Testaments ist normalerweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.   tws

 

Muss Kollwitz ins Exil?

Seit über 30 Jahren befindet sich das Berliner Käthe-Kollwitz-Museum in einer schmucken Stadtvilla in der Fasanenstraße unweit vom Ku’damm. Weil am 8. Juli der 150. Geburtstag der Königsberger Künstlerin ansteht, ist das Haus gegenwärtig be­sonders gut besucht. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr breitet sich dort Unruhe aus. Es gibt kulturpolitische Pläne, welche die Existenz des Hauses bedrohen. Der Vermieter Bernd Schultz, der dank einer niedrigen Miete zum Überleben des Museums beitrug, möchte auf Initiative der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in dem Haus ein privates Exil-Mu­seum einrichten. Die Kollwitz-Sammlung müsste raus und praktisch selbst ein Exil suchen. Kaum waren die Pläne im Gespräch, gab es einen Rückzieher vom linken Kultursenator Klaus Lederer: „Es ist nicht der beste Start für ein Museum, ein anderes dafür von seinem Standort zu vertreiben.“

Also alles nur eine Schnapsidee? Nicht ganz. Es ist die übliche Methode, um etwas in Gang zu bringen: Erst werden Gerüchte gestreut, dann dementiert, dann umgesetzt. Nun mischte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters ein, die meinte, dass angesichts der aktuellen „Flüchtlings“- Lage ein Exil-Museum durchaus Sinn mache. Fragt sich nur, ob es Sinn macht, dem bereits bestehenden Deutschen Exilarchiv in Frankfurt am Main damit Konkurrenz zu schaffen.                tws


S. 10 Geschichte & Preussen

Der erste Tausend-Bomber-Angriff trifft Köln
Mit der Operation Millennium wollte Harris vor 75 Jahren verdeutlichen, wozu er fähig war, wenn man ihn nur machen ließ

In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 führte die Royal Air Force (RAF) die Operation Millennium durch, den ersten Tausend-Bomber-Angriff (thousand-bomber raid) auf eine deutsche Großstadt. Das Angriffsziel bei dieser Premiere war Köln, weitere Metropolen Deutschlands folgten.

Air Marshal Arthur Travers Harris war ein extrem ehrgeiziger Mann und wollte Deutsche töten – viele Deutsche, vor allem Zivilisten. Das betrachtete er als die absolute Hauptaufgabe der britischen Bomberflotte (RAF Bomber Command), als deren Oberbefehlshaber er seit dem 22. Februar 1942 fungierte. Und darauf lief die „Area Bombing Directive“ des Luftfahrtministeriums (Air Ministry) hinaus, die den allgemeinen Übergang zur großflächigen Bombardierung nichtmilitärischer Objekte vorsah. Diese Weisung resultierte aus der miserablen Treffergenauigkeit der Maschinen des Bomber Command, die Attacken auf Punktziele weitgehend obsolet machte. Statt dessen sollten nun die dicht bebauten Innenstädte des Gegners mit Unmengen von Brand- sowie Spreng­­bomben belegt und durch die so verursachten Großfeuer dem Erdboden gleich gemacht werden.

Das erste Bombardement solcher Art unter der Ägide von Harris erfolgte in der Nacht zum 29. März 1942 mit dem Palmsonntags-Angriff auf Lübeck, bei dem das Zentrum der alten Hansestadt in Schutt und Asche gelegt und tatsächlich auch ein Großbrand ausgelöst wurde (siehe PAZ Nr. 12). Allerdings fielen die nächsten Attacken gegen Städte im Ruhrgebiet sehr viel weniger erfolgreich – sprich tödlich und verheerend – aus, weswegen nun die gravierende Umstrukturierung oder gar Auflösung des Bomber Command zur Diskussion stand. Daraufhin beschloss Harris, einen Luftangriff mit der bisher nie dagewesenen Anzahl von 1000 Bombern durchzuführen, um zu demonstrieren, was er alles erreichen könnte, wenn man ihm nur genügend Menschen und Material zur Verfügung stellt.

Zunächst musste er erst einmal die 1000 Maschinen zusammenbekommen. Das Bomber Command verfügte im Frühjahr 1942 nur über knapp 700 Flugzeuge, darunter viele des älteren, zweimotorigen Typs „Wellington“ des Herstellers Vickers-Armstrongs. Deshalb wollte Harris noch 250 Bomber des RAF Coastal Command einsetzen, die ansonsten Jagd auf deutsche U-Boote machten. Das jedoch lehnte die Admiralität ab, da sie der Atlantikschlacht größere Bedeutung beimaß als Angriffen auf die Wohnstätten und die Moral der gegnerischen Zivilbevölkerung. Hierauf requirierte der Air Marshal – übrigens bald Träger des wenig schmeichelhaften Beinamens „The Butcher“ (Der Schlächter), weil er die ihm unterstellten Besatzungen genauso wenig schonte wie Frauen, Kinder und Greise auf Seiten des Feindes – kurzerhand die Bomber der Trainingsgruppen der Royal Air Force, die von Flugschülern und deren Ausbildern gesteuert wurden. Insgesamt brachte Harris auf diese Weise 1047 Maschinen zusammen, zu denen noch 113 Störflugzeuge kamen. Deren Aufgabe bestand darin, jene Flugplätze zu attackieren, von denen aus die deutschen Abfangjäger starteten. Ansonsten hoffte der Chef des Bomber Command, dass die schiere Anzahl der Angreifer die gegnerische Abwehr überfordern würde. Und tatsächlich sollte sich das Konzept des „Bomberstroms“ als erfolgreich erweisen. Den vielen hintereinander gestaffelten Flugzeugverbänden, die konzentriert in eine einzige Verteidigungszone eindrangen, konnte die Luftwaffe nur relativ wenig entgegensetzen.

Die Operation Millenium begann am 30. Mai um 22.30 Uhr, als die Bomber von insgesamt 53 Basen in England abhoben. Ihr Ziel war Köln, das bereits 108 Luftangriffe erlebt hatte und eigentlich gar nicht ganz oben auf Harris’ Liste stand – diesen Platz belegte Hamburg. Aber dort herrschte anhaltend schlechtes Wetter.

Am Sonntag, dem 31. Mai 1942, um 0.47 Uhr überflogen die ersten zwei viermotorigen Short-Stirling-Bomber den Neumarkt im Herzen der Domstadt und setzten die Markierungszeichen für die restlichen 896 Maschinen, die es bis Köln geschafft hatten. Diese warfen dann innerhalb von nur 88 Minuten Tausende Spreng- und Brandbomben mit einem Gesamtgewicht von 1455 Tonnen ab.

Im Verlauf der Angriffsoperation verlor das Bomber Command 43 Maschinen – weniger als von Harris befürchtet. Andererseits vermochten es seine Leute nicht, den angestrebten Großbrand zu erzeugen. Das lag zum einen an der relativ offenen Bauweise von Köln und zum anderen am professionellen Agieren der städtischen Feuerwehr. Der gelang es, die 2500 entstandenen Einzelbrände unter Kontrolle zu bekommen. Nichtsdestotrotz blieb die Bilanz verheerend. Rund 9500 beschädigte und 3300 komplett zerstörte Gebäude, darunter neun Krankenhäuser, 17 Kirchen und 16 Schulen. Außerdem beschädigten die Briten Zehntausende Wohnungen, wodurch 45132 Kölner schlagartig auf der Straße saßen. Weitere 469 Menschen starben bei dem Angriff und 5027 erlitten Verletzungen. Dass sich das Bombardement bewusst gegen die Zivilbevölkerung gerichtet hatte, zeigt die geringe Zahl der getöteten Militärpersonen, nämlich 58, sowie die Tatsache, dass nur ein einziges Objekt der Wehrmacht niederbrannte.

Damit handelte es sich bei der Operation Millenium zweifelsfrei um einen Verstoß gegen den Artikel 25 der Haager Landkriegsordnung. Das hinderte Harris jedoch nicht daran, weitere 1000-Bomber-Angriffe anzuordnen, um den vom britischen Kabinett abgesegneten Plan des Physikers Frederick Lindemann alias Lord Cherwell umzusetzen, 30 Prozent aller Wohngebäude in 58 größeren deutschen Städten zu zerstören.

Ziele der Neuauflagen der Operation Millenium waren Essen, Duisburg und Oberhausen sowie Bremen. Hier kamen in den Nächten zum 2. beziehungsweise 26. Juni 1942 wiederum knapp 1000 Bomber zum Einsatz, was indes bloß sehr mäßige Erfolge zeitigte. Dennoch stellte nun niemand mehr die Existenzberechtigung von Harris’ Bomberflotte in Frage. Zwar wurden die Großangriffe zunächst erst einmal wieder eingestellt, aber nur solange es an genügend schweren viermotorigen Maschinen fehlte.

Köln selbst erlebte bis Kriegsende noch 153 weitere Bombardements, darunter am 2. März 1945 eines durch 858 Flugzeuge der RAF. Wenige Tage später besetzten US-Truppen den linksrheinischen Teil der inzwischen in weiten Bereichen zerstörten Domstadt. Wolfgang Kaufmann


Als die Räder laufen lernten
Die unglaubliche Karriere der Erfindung des Freiherrn Karl von Drais

Er trug Zylinder, einen dunklen Gehrock und safrangelbe Beinkleider. Die Hände umfassten fest den Lenker eines seltsamen Gefährts. Das zeitgenössische Gemälde zeigt den Freiherrn Karl von Drais bei der Präsentation einer Weltneuheit. Am 12. Juni vor 200 Jahre startete er zur ersten Fahrt auf seinem Laufrad vor Publikum. Tausende säumten den Weg von seinem Wohnort Mannheim zum Schwetzinger Relais und zurück. Die 14 Kilometer lange Strecke schaffte Drais in einer Stunde, eine bemerkenswerte Geschwindigkeit, denn das Laufrad stieß er mit den Füßen vom Boden ab. Der Sattel war in der Höhe verstellbar, Pedale gab es noch nicht.

Selten hatte eine Erfindung auf Anhieb so viel Erfolg wie die nach Drais benannte „Draisine“. Junge Adelige und reiche Bürgersöhne sausten auf dem Ding, das im Wesentlichen aus zwei Eisenrädern, verbunden durch eine lange hölzerne Stange mit beweglichem Lenker bestand, durch die Residenzstadt Mannheim, vorzugsweise auf den Bürgersteigen. Fahrradrüpel gab es damals schon, und bald war das Radeln zum Schutz der verängstigten Fußgänger nur noch auf dem Hauptweg im Mannheimer Schlosspark erlaubt. Drais verbesserte unterdessen die Reichweite seines Vehikels. 1818 strampelte er von Karlsruhe in das 450 Kilometer entfernte Paris.

Die Geschichte des Fahrrads begann euphorisch und endete tragisch für seinen genialen Erfinder. Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn wurde am 29. April 1785 in Karlsruhe als Sohn eines Hofrichters geboren. Er studierte Baukunst, Landwirtschaft und Physik. Nach dem Studium nahm er eine Anstellung als Forstmeister in den badischen Wäldern an, die ihn aber nicht ausfüllte. Seine Leidenschaft war das Tüfteln. Zu seinen Erfindungen gehörten die erste Schreibmaschine mit 25 Tasten, eine Stenomaschine, ein Holzsparofen und eine Tabakpfeife mit Kühlung. Großherzog Carl ernannte ihn zum Professor für Mechanik. Das Gehalt des Forstmeisters wurde ihm weiterbezahlt, damit er in Ruhe forschen konnte.

1813 vernichteten Unwetter und Frost die Getreideernte. Viele Kutsch- und Reitpferde starben an Futtermangel. Drais ersann ein Fortbewegungsmittel, das den Menschen ohne die Kraft der Vierbeiner mobil machen sollte. Das von ihm entwickelte Holzgestell mit zwei hintereinander angebrachten Rädern hatte einen Nachlauf. Erst einmal in Schwung gekommen und auf abschüssigen Strecken, konnten die Radläufer ihre Wadenmuskeln schonen. Die Idee, sagte Drais, sei ihm beim Schlittschuhlaufen gekommen.

1818 erhielt der Freiherr für seine auch „Veloziped“ genannte Erfindung das Großherzogliche Privileg. Jedes Laufrad musste auf dem Lenker Drais’ Lizenz tragen. Patente in Preußen und Frankreich folgten. Eine Laufmaschine konnte man bei Drais direkt ordern oder eben eine Lizenz erwerben und einen Wagner mit dem Nachbau beauftragen. Weil der Nachbau technisch kein Problem war, fuhren bald jede Menge Plagiate durchs Land. So wurde Drais um Teile seiner Einkünfte gebracht. Das nahezu weltweite Interesse an der „running machine“ flaute schnell wieder ab. In England, den USA und im indischen Kalkutta wurde das Fahren auf den Bürgersteigen verboten. Auf den holprigen Straßen der damaligen Zeit war ein Ausflug per Rad zu strapaziös.

Privat geriet Drais auf eine abschüssige Bahn. Der überzeugte Demokrat legte nach der Niederschlagung der Badischen Revolution von 1848 seinen Adelstitel nieder, eine Provokation gegen­über der Obrigkeit, und tat per Zeitungsanzeige kund, dass er nach französischem Vorbild nur noch „Bürger Drais“ genannt werden wolle. 1819 wurde vor dem Oberhofgericht Mannheim der Mord an dem konservativen Schriftsteller August von Kotzebue verhandelt. Vorsitzender der Strafkammer war Drais’ Vater. Der Mörder Kotzebues, der Burschenschafter und Theologiestudent Karl Ludwig Sand, erhielt die Todesstrafe. Karl Drais, als Sohn des Richters, wurde von den Anhängern des 1820 Hingerichteten bedroht und floh nach Brasilien, wo er einige Jahre als Geometer arbeitete. Nach seiner Rückkehr ins Badische entging er nur knapp einem Mordanschlag. Bei Hofe in Ungnade gefallen, wurde ihm seine Pension gestrichen und als Reparationskosten der Revolution einbehalten. Drais starb verarmt 1851 in Karlsruhe.

Die Früchte seiner Erfindung ernteten andere mit einer ständigen Weiterentwicklung des Urmodells. Bei der Pariser Weltausstellung 1867 präsentierten Pierre Michaux und sein Sohn Ernest das Velocipede. Es hatte Pedale und Kurbeln und wurde von einem Tretlager angetrieben. Der schottische Stellmacher Thomas McCall stattete das Velociped mit einer Kurbel am Hinterrad aus. Ohne mitlaufen zu müssen, machte das Radfahren natürlich viel mehr Spaß. Der Höhepunkt der Innovationen war 1870 das High Wheel Bycicle des James Starley. Das Hochrad hatte ein besonders großes Vorderrad, an dem die Pedale anmontiert waren, und ein im Verhältnis winzig kleines Hinterrad. Es erreichte eine höhere Geschwindigkeit als die Niedrigräder. Gefährliche Stürze waren mit dem Hochrad an der Tagesordnung.

Noch höher, viel höher, schafften es die Pioniere des Flugzeugbaus, die Brüder Wilbur und Orville Wright, mit Hilfe des Fahrrads. 1890 eröffneten sie in Dayton im Bundesstaat Ohio eine Fahrradwerkstatt. Techniken des Fahrradbaus und die Erfahrungen mit Balance und Aerodynamik übertrugen sie auf die Konstruktion eines Flugapparats. 1903 hoben sie in den Dünen von Kitty Hawk im Bundesstaat North Carolina mit ihrem Doppeldecker-Gleitflugzeug wenige Meter über dem Boden ab.

Dass Fahrrad fahren die Durchblutung fördert und die Muskeln stärkt, weiß jeder. Weniger bekannt ist, dass emsiges Treten auch das Gehirn zu epochaler Leistung beflügeln kann. „Mir ist es eingefallen, während ich Fahrrad fuhr“, soll der Nobelpreisträger Albert Einstein versichert haben. Mit „Es“ meinte er seine Relativitätstheorie.       Klaus J. Groth


S. 11 Geschichte & Preussen

Warum der Fall Barschel bislang ungelöst blieb
Die Niederlage der SPD bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl vom 7. Mai eröffnet eine unverhoffte Chance

Am 7. Mai hat in Schleswig-Holstein die Küstenkoalition aus SPD, Grünen und Dänischer Minderheit Schiffbruch erlitten. Die SPD muss nun fürchten, dass ihr die Kontrolle über ein Verfahren entgleitet, das sie 30 Jahre lang unter der Decke gehalten hat.

Unter dem Aktenzeichen 705 Js 33247/87 eröffnete einst der damalige Chef der Lübecker Staatsanwaltschaft, Oswald Kleiner, das „Todesermittlungsverfahren zum Nachteil von Dr. Dr. Uwe Barschel“ – unmittelbar, nachdem der Leichnam des jungen Politikers in einem Genfer Hotel aufgefunden worden war. Noch am Todestag, dem 11. Okto­ber 1987, schickte Kleiner einen seiner tüchtigen jungen Staatsanwälte in die Schweiz, beantragte den Abschluss eines Rechtshilfeabkommens, was die „Justizgewalt von Republik und Kanton Genf“ umstandslos bewilligte – mit der vernünftigen Begründung: „In der Erwägung, dass im internationalen Privatrecht allgemein zugelassen wird, dass die internationale Zuständigkeit an mehreren Orten gegeben ist“, wird die Kooperation mit den deutschen Ermittlern besiegelt. Die Aufklärung des spektakulären Kriminalfalls sollte unter solch günstigen Voraussetzungen eigentlich rasch voranschreiten.

Und tatsächlich erzielte eine schlagkräftige Sonderkommission unter Chefermittler Kleiner erstaunliche Anfangserfolge. Sie spürte den Informanten der „Spiegel“-Titelgeschichte „Barschels schmutzige Tricks“ auf und kam dahinter, dass dieser Informant namens Reiner Pfeiffer konspirative Kontakte zur SPD unterhielt, während er den Wahlhelfer der CDU-Regierung unter Ministerpräsident Barschel mimte.

Aber objektive Ermittlung durfte nicht sein. Eine vom „Spiegel“ aufgeheizte Medienmeute duldete auch nicht den Ansatz einer Kritik an ihrem mit der Aura des Opfers verklärten Hoffnungsträger, SPD-Chef Björn Engholm. Oswald Kleiner wurde derart unter Feuer genommen, dass er die persönlichen Anfeindungen und Intrigen aus dem politisch-medialen Komplex mit dem Verlust seiner Gesundheit bezahlte. In monatelangen Klinik­aufenthalten musste er wegen schwerer Depressionen behandelt werden. Als er entlassen wurde, blieb ihm nur noch der vorzeitige Ruhestand. Ministerpräsident war inzwischen Engholm, und die Justiz fortan gehalten, zum Todesfall Barschel eine SPD-genehme Version zu vertreten.

Mit der absurden Begründung, die Achtung vor der Schweizer Souveränität gestatte keine deutschen Ermittlungen, unterließ Kleiners Nachfolger jegliche Aktivitäten zur Aufklärung des Todesgeschehens. In allen Sendern und Gazetten wurde penetrant die Leier vom Selbstmord in Genf gedreht. So blieb es viele Jahre lang, bis einem neuen Genfer Generalstaatsanwalt der Geduldsfaden riss. „Wann machen die Deutschen endlich ihre Arbeit?“, raunzte Bernard Bertossa in einem großen Illustrierten-Interview die verlogene Kollegenschaft an, die sich die Belehrung gefallen lassen musste, dass es massive Hinweise auf einen Mord an Barschel gäbe und ein Mordmotiv nur aus dem Lebensumfeld des Opfers gefunden und nur dort und nicht am Ort eines möglicherweise zufälligen Todes ermittelt werden könnte.

Die Schelte saß. Aber es waren noch ein paar andere Ereignisse, die den trägen Deutschen endlich Beine machen sollten: – Ein neuerlicher Untersuchungsausschuss des Kieler Parlaments hatte ans Licht gebracht, dass Engholm keineswegs das Unschuldslamm gewesen war, sondern im Gegenteil an Intrigen beteiligt war, die Barschel zum Politschurken stempeln sollten.

– Das Buch eines desertierten israelischen Mossad-Agenten, in der „Bild“-Zeitung vorabgedruckt, schilderte en détail, wie und auch warum der ehemalige Ministerpräsident vom Leben zum Tode befördert worden war.

– Der Schweizer Gerichts-Chemiker Hans Brandenberger, wohl weltweit der angesehenste seiner Zunft, legte ein wissenschaftliches Gutachten vor, das über Analysen von Mageninhalt, Blut und Urin schlüssig belegt, mittels welcher Gifte der zunächst bewusstlos Gemachte, zu Suizid also gar nicht mehr Fähige, umgebracht wurde.

Auch wenn die Medien bestrebt waren, die offenkundigen Wahrheiten dem Publikum nur gefiltert und verzerrt zu vermitteln, blieb die totale Untätigkeit der Justiz in der doch größten Politaffäre der Bundesrepublik nun keine Option mehr, sollte nicht jede Glaubwürdigkeit verspielt werden. Ein neuer Chef der Lübecker Staatsanwaltschaft durfte also 1994 das Verfahren wegen Mordverdachts unter dem alten Aktenzeichen nach sieben Jahren Froststarre aufnehmen – wenigstens sollte die Öffentlichkeit das annehmen.

Bekannt gemacht wurde die Entsendung eines Lübecker Staatsanwalts mit einer Gruppe von Kriminalisten des Kieler Landeskriminalamtes in die Schweiz. Die intern „EG-Genf“ genannte Truppe machte sich in der Tat mit Verve an die Arbeit – dokumentiert in ihrem „Bericht zum Verfahrensstand in dem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts des Mordes an Dr. Dr. Uwe Barschel“, datiert „Lübeck, 14. März 1997“. Der Bericht ist ein glänzendes Zeugnis polizeilich wie staatsanwaltlich bester deutscher Wertarbeit.

Festgehalten ist, wie es den Kriminologen gelang, den längst erkalteten Tatort im Genfer Hotel Beau Rivage zum Reden zu bringen. Mehrere Spuren der Gewaltanwendung gegen den damaligen Gast in Zimmer 317 wurden sichergestellt, Zeugen aufgespürt, ein von Barschel beim Nachtportier erteilter Weckauftrag gerichtsfest bewiesen. Alle Hinweise und Indizien weisen auf Mord. Und eine Kette von Indizien gilt in der Kriminologie als Beweis.

Der einzige Mangel, der diesem Schlüssel zur Lösung der unbewältigten Affäre anhaftet, ist, dass er bis heute nicht benutzt werden kann. Der Bericht blieb unter Verschluss. Die Öffentlichkeit sollte nicht erfahren, was drinsteht. Alleiniger Empfänger war nämlich der Generalstaatsanwalt – und der ist mitnichten ein Angehöriger unabhängiger Justiz, sondern politischer Beamter, vom Justizminister kann er jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Über die Figur mit dem schönen Titel kann die Exekutive jederzeit, auch unbemerkt, in die Judikative eingreifen. Das heißt, es gibt in Deutschland die für einen Rechtsstaat doch eigentlich unverzichtbare Gewaltenteilung nur in der illusionären Vorstellung der Bevölkerung, nicht aber im richtigen Leben. Wann immer ein Kriminalfall von politischer Relevanz ansteht, ist damit zu rechnen, dass die Politik über den Generalstaatsanwalt den illegitimen Durchgriff in die Zuständigkeit der Justiz vornimmt und staatsanwaltliche Ermittlungen abwürgt. Warum hätte sie dieser Versuchung ausgerechnet im brisantesten aller politischen Kriminalfälle widerstehen sollen?

Der Ausgang der jüngsten Landtagswahl zwischen den Meeren könnte indessen zum Beginn einer Neubewertung im Umgang mit dem dunkelsten Kapitel der unbewältigten Vergangenheit des Landes werden. Es war sicher kein Zufall, dass in allen Konstellationen ihrer Regierungsbeteiligung die Sozialdemokraten sich seit dem ersten Kabinett Engholm stets um die Auswahl des Generalstaatsanwalts gekümmert haben. So konnten die Genossen sicherstellen, dass Nachteiliges über ihre Verwicklungen in die Machenschaften rund um die schicksalhafte Wahl des Jahres 1987 nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Selbst wenn Kommissar Zufall gelegentlich ein Stück Wahrheit zutage förderte – wie die klammheimliche Geldübergabe durch einen Engholm-Vertrauten an den vermeintlichen Barschel-Bediensteten Pfeiffer –, selbst in solch kritischen Phasen also konnte dank freundlicher Medienunterstützung der Schein gewahrt werden, man hätte sich nach Kräften um die Aufklärung der Affäre bemüht. Dieser parteipolitische Trumpf ist nun verspielt. Die anderen Parteien könnten das zu nutzen wissen.

Nach allem, was man von ihm weiß, ist es dem unverbrauchten Politiker Daniel Günther aber durchaus zuzutrauen, dass er Barschel Gerechtigkeit widerfahren lassen möchte, der bei seinem Tod gerade einmal so alt war wie er selber jetzt am Anfang seiner Arbeit als Ministerpräsident. Günther mag es schlicht als Gebot des Anstands betrachten, die Ehre eines Menschen wiederherzustellen, der vor drei Jahrzehnten in einem unsäglich schmutzigen Wahlkampf – und dann auch noch über den gewaltsamen Tod hinaus und bis in unsere Tage – zu Unrecht beschuldigt und diffamiert wurde und wird.

Niemand kann die neue Regierung in Kiel daran hindern, die Akten mit dem Zeichen 705 Js 33247/87 wieder zu öffnen, die auf politische Weisung hin nach ein paar Jahren der zur Täuschung der Bevölkerung geführten Ermittlungen 1998 geschlossen worden sind. In diesen Akten sind Fakten in Fülle zusammengetragen, die das Fazit des Einstellungsbeschlusses zur Farce machen, wonach eine Aufklärung des Kriminalfalles Barschel nicht mehr möglich sei. Das Gegenteil trifft zu.  Wolfram Baentsch

Der Verfasser dieses Artikels ist Autor des 2006 in München erschienenen Buches „Der Doppelmord an Uwe Barschel. Die Fakten und Hintergründe“.


S. 12 Mensch & Zeit

»Zweimal einatmen genügt«
Biogasanlagen bergen für Mensch und Umwelt tödliche Gefahren

Der Monat März endete mal wieder mit einem Todesfall: Im mittelfränkischen Weißenburg geriet ein 61-jähriger Landwirt am Montag, den 27., in den Fördermechanismus seiner Biogasanlage. Die rotierenden Metall-Elemente, die Gülle, Mist, Mais und andere Substanzen in den Fermenter schieben, verletzten ihn tödlich. Begonnen hatte der Monat mit dem Rohrbruch einer Biogasanlage in Wuthenow bei Neuruppin. Zwei Millionen Liter Gärreste verseuchten die Umgebung. In letzter Sekunde und mit einem Großeinsatz der Feuerwehr konnte verhindert werden, dass die Jauche über einen Graben in den Neuruppiner See floss. Weniger Glück hatten in Niedersachsen der Violenbach und die Else. 70000 Liter Gülle aus einer defekten Biogasanlage vergifteten im Mai beide Gewässer. Fassungslose Naturschützer erklärten, dass ihr 50-jähriger Einsatz für die Renaturierung beider Flüsse mit einem Schlag zunichte gemacht sei. Selbst die robusten Aale lägen tot im Wasser. 

Die Folgen eines Biogas-Unfalles im baden-württembergischen Engstingen beschäftigen unterdessen Versicherungen, Staatsanwälte und die Landesregierung. Dort waren am Morgen des 11. Januar etwa 1,5 Millionen Liter Gärsubstrat aus einem Lagerbehälter ausgelaufen. Die Trinkwasserversorgung gleich dreier Kreise schien in Gefahr. Die zusätzliche Ammoniumbelastung konnte durch „Puffermaßnahmen im Kanalsystem“ aufgefangen werden, gab das Ministerium für Umwelt, Klima und Energie auf die Anfrage eines Landtagsabgeordneten der FDP hin bekannt.

Die Beispiele zeigen: Ein biss-chen herumschnüffeln reicht, und  schon stinkt die Mär vom sicheren und sauberen Energieträger Biogas zum Himmel. Die Anlagen können brennen oder explodieren. Sie bringen Mensch und Umwelt mit giftigen Gasen und Flüssigkeiten in Gefahr. In der Betriebshalle einer Anlage im niedersächsischen Rhadereistedt tötete eine hochgiftige Schwefelwasserstoffwolke vier Menschen. Sie entwich, als ein Tankfahrzeug mit gehäckselten Schweinedärmen geleert wurde. „Wer das zweimal einatmet, hat keine Überlebenschance“, erklärte ein Sprecher des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes. 

9000 Biogasanlagen gibt es in Deutschland. Allein in Bayern wurden binnen zehn Jahren 700 Unfälle registriert. Außer in den lokalen Medien wird kaum darüber berichtet. In der Öffentlichkeit stehen die meist grünen, rundzeltartigen Fermenter für Naturschutz und nachhaltigen Fortschritt. Schließlich bildet die Produktion von Strom und Wärme aus Biogas eine der drei Säulen der Energiewende. Gegen-über Windkraftwerken und Solaranlagen bietet die Vergärung organischer Materie unter Luftabschloss sogar einen Riesenvorteil. Strom wird bedarfsgerecht also unabhängig von Sonneneinstrahlung und Windaufkommen erzeugt.

Der Preis dafür ist allerdings enorm: Um der Umwelt durch Biogas zu schaden, braucht es noch nicht einmal Unfälle. Die bloße Existenz der Anlagen reicht aus. Biogas ist die flächenintensivste Form der Energiegewinnung. Um die Fermenter zu füllen, wird vor allem Mais angebaut. Er liefert den höchsten Gasertrag. Für eine erfolgreiche Ernte in hiesigen Breiten braucht es allerdings große Mengen an Dünger und Pestiziden. Da die Felder über Monate hinweg brach liegen – Mais verträgt keinen Frost – kommt es zu Staubverwehungen. Der belastete Ackerboden landet beispielsweise auf Weideland und auf erhaltenswerten Brachflächen.

Von denen gibt es allerdings ohnehin immer weniger: Die Maisanbaufläche hat sich laut Angaben der Naturschützer vom World Wide Fund For Nature (WWF) in den letzten Jahren verzehnfacht. Kritiker sprechen von der „Vermaisung“ der Landschaft.                Frank Horns


Der Moment der Woche

Ein einsamer Anteilseigner hat an diesem Mittwoch schon einmal in der Frankfurter Jahrhunderthalle Platz genommen. Demnächst werden 700 Mitaktionäre kommen. Dann wird die Hauptversammlung der „Deutsche Börse AG“ beginnen. Sobald Vorstands-chef Carsten Kengeter (rechts) ans Mikro tritt, wird es fast genauso still im Saal zugehen, wie zu dem Zeitpunkt, als nur ein einziger Besucher drinnen saß: Grimmiges Schweigen, statt Applaus wird ihm entgegenschlagen. Kengeter hat die Fusion mit der London Stock Exchange, der englischen Börse, verpfuscht. Sie scheiterte am Brexit und an handwerklichen Fehlern. Vom Ausverkauf des Finanzplatzes Frankfurt war die Rede, bis die EU-Kommission die Fusion schließlich verbot. 

Bleiben darf Kengeter fürs Erste trotzdem. Das Rekordergebnis des letzten Geschäftsjahres und eine ordentliche Dividende stimmten den Herrn in der weißen Jacke und seine Mitaktionäre dann doch noch milde.     FH


Warum sich Görings Großnichte sterilisieren ließ
Ein moralischer Zwangsgedanke beherrscht die Deutschen – Der Schuldwahn bringt das Land in Gefahr und ist völlig unsinnig

Wird sich der Bundespräsident demnächst für das „fremdenfeindliche Niedermetzeln“ der römischen Legionen des Varus vor 2000 Jahren entschuldigen? Das klingt verrückt. Genauso irrsinnig ist aber Deutschlands genereller Umgang mit seiner Vergangenheit – eine psychologische Analyse.

„Vergesst Auschwitz!“, betitelte der jüdische Publizist Henryk M. Broder 2012 sein damals neuestes Buch, in dem er auf höchst polemische Weise mit der deutschen Erinnerungskultur abrechnete. Darin heißt es: „Die Deutschen leiden an Hitler wie andere an Schuppenflechte. Aus dem Versuch, sich gegen die eigene Geschichte zu immunisieren, ist eine Autoimmunerkrankung geworden.“

Dieser kluge, provozierende Gedanke lässt sich sogar noch erweitern. Deutschland laboriert nicht nur an den Folgen mangelnder Abwehrkräfte gegen den Bazillus der historischen Korrektheit, sondern auch an einer parallelen mentalen Störung: dem Schuldwahn. Psychologen kennen den Begriff. So wird die krankhafte Überzeugung genannt, schwere moralische Schuld auf sich geladen zu haben, eine schwere, unverzeihliche Sünde, die letztlich niemals abgetragen werden kann.

Der „moralische Zwangsgedanke“ (Lexikon der Psychologie) ist natürlich zuvörderst eine Reaktion auf die Verbrechen der Nationalsozialisten, aber im Prinzip erfahren auch alle anderen tatsächlichen oder vermeintlichen Untaten von Deutschen ihre pathologische Würdigung: die „Auslösung“ des Ersten Weltkrieges, der „Völkermord“ in den Kolonien des wilhelminischen Kaiserreichs, die „brutale“ deutsche Ostexpansion im Hochmittelalter und so weiter und so fort. 

Dabei steht der Schuldkomplex  auch im Falle echter dunkler Flecken in der deutschen Geschichte  für eine Fehlbeurteilung der Realität, weil es – unabhängig davon, wie kurz oder lange die moralischen und sonstigen Verfehlungen zurückliegen – keine kollektive Schuld geben kann. Schuld ist, außer im religiösen Kontext, immer etwas Individuelles. Kollektive Sühnemaßnahmen sind deswegen von der Weltgemeinschaft auch geächtet, beispielsweise durch die Artikel 33 und 87 der Genfer Konvention vom 12. August 1949. Das schert den Schuldwahn-Kranken freilich wenig. Der Zwangsgedanke führt zur Zwangshandlung. Das zeigte sich besonders auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015. Die ausländische Presse kommentierte es mal positiv, mal negativ. Die „Washington Post“ befand, dass die allgegenwärtigen Schuldgefühle der Deutschen zu einer vorbildlichen Willkommenskultur geführt haben, während der britische „The Guardian“ meinte, der bundesdeutsche Schuldkomplex werde ganz Europa in Gefahr bringen – eine zutreffende Prognose, wie wir inzwischen wissen.

Erstaunlicherweise ist die Monstrosität der nationalsozialistischen Verbrechen nur vordergründig Auslöser der heftigen und teilweise pathologische Schuldgefühle. Es ist tatsächlich das heutige gesellschaftliche Klima. Wie Psychiater der Universitäten Bochum und Zürich herausfanden, können Wahnvorstellungen zwar grundsätzlich bei jedermann auftreten, jedoch bestimmt die kulturelle Identität des Betroffenen die inhaltliche Ausrichtung: So zählt religiöser Wahn in vollkommen säkularen Staaten zu den extrem seltenen Phänomenen. Dies bedeutet, dass es in einem Deutschland ohne von oben verordneten „Antifaschismus“ kaum irrationale Schuldgefühle wegen des Dritten Reichs geben würde.

Das gilt auch für die Kinder, Enkel und anderen Nachfahren führender Nationalsozialisten, die unter den obwaltenden Umständen einen teilweise selbstzerstörerischen Schuldwahn entwickelt haben, obwohl sie in keiner Weise für die Taten ihrer jeweiligen Verwandten verantwortlich zeichnen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür bieten die fünf Abkömmlinge von NS-Größen, welche der israelische Filmemacher Chanoch Ze’evi für seinen dokumentarischen Streifen „Meine Familie, die Nazis und ich“ interviewte. Im Verlaufe dieser Befragungen äußerte Bettina Göring, eine 1957 geborene Großnichte des Reichsmarschalls und Oberbefehlshabers der Luftwaffe: „Ich ließ meine Eierstöcke im Alter von 30 Jahren abschnüren, da ich befürchtete, ich könnte noch so ein Monster hervorbringen. Ich habe mich für den Holocaust verantwortlich gefühlt.“

Ähnlich gnadenlos der eigenen Person gegenüber agieren viele andere Nachgeborene von NS-Tätern, womit sie kurioserweise aber der Irrlehre der Nationalsozialisten huldigen, dass zentrale Eigenschaften von Menschen durch das „Blut“ weitergegeben werden. Und diese Selbstzerfleischung soll offenbar sogar noch Schule machen. So fühlte sich das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) finanzierte Magazin „Chrismon“ vor einiger Zeit bemüßigt, folgenden Artikel zu publizieren: „Was machte Großvater in der Nazizeit? Eine Anleitung zur Recherche.“

Aber wodurch konnte ein derartiger nationaler Schuldkomplex entstehen? Etwas, das so tief im Unterbewusstsein vieler Deutscher wurzelt, dass sie – wie es der britische Bestsellerautor Frederick Forsyth ausdrückte – weiterhin gleich Ackergäulen schuften, „um für die Faulenzer unter ihren Olivenbäumen zu bezahlen“? Die Antwort ergibt sich aus dem Blick auf die Aktivitäten der Psychological Warfare beziehungsweise Information Control Division des Obersten Hauptquartiers der Alliierten. Die dort versammelten US-amerikanischen Experten für psychologische Kriegführung unter dem Kommando von Brigadegeneral Robert McClure initiierten 1945 den Prozess der „Re-education“ der Deutschen. In dessen Verlauf sollte ausdrücklich auch ein Gefühl der Kollektivschuld erzeugt werden. Dabei bedienten sie sich unter anderem diverser Emigranten, die einen abgrundtiefen Hass gegen alles Deutsche empfanden. Im Falle des Soziologen Theodor Ludwig Wiesengrund alias Adorno führte er zu widerlichen Auslassungen: „Mögen die Horst-Güntherchens in ihrem Blut sich wälzen und die Inges den polnischen Bordellen überwiesen werden … Alles ist eingetreten, was man sich jahrelang gewünscht hat: Das Land vermüllt, Millionen von Hansjürgens und Utes tot.“

Die unablässige Gehirnwäsche durch die Sieger des Zweiten Weltkriegs und deren Helfershelfer vom Schlage Adornos sorgte für ein sogenanntes „induziertes Irresein“, den von außen in die Köpfe der Deutschen eingepflanzten Schuldwahn. Therapieren ließe er sich sogar auch:  Psychiater würden eine  kognitive Therapie empfehlen. Der Erkrankte wird angehalten, sich von all den irrationalen Denkweisen zu verabschieden, die zur Entstehung der unbegründeten Schuldgefühle geführt haben. Dazu zählt natürlich die Auffassung, dass historische Schuld kollektiviert und zugleich auch noch von Generation zu Generation weitergereicht werden kann – um quasi das Perpetuum Mobile der nationalen Selbsterniedrigung endlos am Laufen zu halten.

Ob sich jemand findet, der den Patienten Deutschland einer solchen Heilbehandlung unterzieht, bleibt freilich abzuwarten. Erfolgt diese nicht, wird der Schuldwahn auf jeden Fall weiter zu irrationalen Handlungen wie der Grenzöffnung von Anfang September 2015 führen – mit vielleicht noch fataleren Konsequenzen für unsere Gesellschaft.

                Wolfgang Kaufmann


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Auf Stimmenfang in Königsberg
Zwei Demonstrationen zum 1. Mai: Unzufriedenheit mit der Wirtschaftslage und Löhnen

Seit Jahren gilt die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) als Vertretung ewig Gestriger. Anlässlich des Feiertags zum 1. Mai mobilisierte sie vor allem junge Menschen.

Das Wetter zeigte sich am 1. Mai in Königberg sonnig und belebend. Bei kühlem Wind herrschte Frühlingsstimmung auf den Straßen, was den Organisatoren der Mai-Demonstrationen in die Hände spielte. Am Morgen fand auf dem Platz in der Nähe des Hotels „Kaliningrad“ die erste, von den Gewerkschaften organisierte Demonstration unter der Losung „Für eine würdige Arbeit, eine würdige Bezahlung, ein würdiges Leben!“ statt. Arbeiter, Vertreter politischer Parteien und Vereine nahmen daran teil. Unter die Teilnehmer hatten sich auch Vertreter der Gebiets- und der Stadtregierung sowie deren Beamte gemischt. Der Demonstrationszug zog mit Lufballons und Fahnen unter Musikbegleitung vom Hotel „Kaliningrad“ bis zum Platz des Denkmals „Mütterchen Russland“, wo eine Kundgebung angesagt war.

Zur Eröffnung der Veranstaltung erinnerte der Chef des Landesverbandes der Gewerkschaften, Viktor Sachartschitz, daran, dass vor Kurzem Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Regierung eine dreiseitige Vereinbarung über die Erhöhung des Mindestlohns um zehn Prozent unterzeichnet hatten. Die Erhöhung soll in zwei Etappen geschehen: Am 1. Juli 2017 auf 10500 Rubel (164 Euro) pro Monat und am 1. Januar 2018 auf 11000 Rubel (172 Euro) pro Monat.

Kurz nach der ersten Demonstration startete ebenfalls vom Hotel „Kaliningrad“ aus ein zweiter Demonstrationszug, der von der Gebietsorganisation der Kommunistischen Partei organisiert worden war. An der Veranstaltung nahmen neben der KPRF die Partei „Gerechtes Russland“, die Union der sowjetischen Offiziere, die Bewegung „Hoffnung Russlands“ wie auch Umweltschützer aus dem Dorf Wittenberg [Niwenskoje], Kreis Preußisch Eylau, teil.

Während ihres Marschs vom Hotel „Kaliningrad“ zum Denkmal „Mütterchen Russland“ spielte eine Blaskapelle auf. Entlang der Strecke skandierte der Konvoi: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ und „Ehre dem Arbeiter!“. Das Treffen begann mit dem Auftritt des Gebietsleiters der KPRF, Igor Rewin. Er sprach über den Mindestlohn und die Forderung der Kommunisten, ein Referendum über die Rücküberführung des  Hauses der Räte in Staatseigentum durchzuführen. Natürlich vergaß er auch nicht zu erwähnen, dass im September Gouverneurswahlen stattfinden, bei denen die Anwesenden die Möglichkeit hätten, ihr Leben zum Besseren zu verändern, indem sie ihre Stimme dem Kandidaten der KPRF geben, sprich ihm selbst. Danach ergriff die junge Kommunistin Darja Anutschina das Wort. Sie lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass im heutigen Russland nur hohe Beamte und Direktoren gute Gehälter erhielten, während sich andere mit Krümeln zufrieden geben müssten.

Bemerkenswert ist, dass sich unter den Teilnehmern der Demonstrationen auffallend viele junge Menschen befanden. Offensichtlich ist die Partei bemüht, so viele junge Leute wie möglich anzuziehen, um ihr versaubtes Image als Partei der ewig Gestrigen loszuwerden.

Der Vorsitzender des Gartenvereins des Königsberger Gebiets, Wadim Safronow, sagte, dass die Sowjetregierung jedem die Möglichkeit gegeben habe, seine „600“ zu bekommen (gemeint ist die Größe eines Datschengrundstücks von 600 Quadratmetern), die gegenwärtige Regierung jedoch alles tue, um den Menschen alles Land wegzunehmen und damit die Kleingartenbewegung zu zerstören.

Tatjana Tumankina, Abgeordnete der KP im Stadtrat, sprach über die Probleme der städtischen Wirtschaftsentwicklung und punktueller Bebauung. Um dem erfolgreich entgegenzuwirken, sei es notwendig, die Bemühungen der Kommunisten mit denen von Interessenverbänden zu vereinen.

Bei der Kundgebung wurden auch Umweltfragen berührt. Der Vertreter der Initiativgruppe Igor Slawskij sprach über den Kampf der Dorfbewohner von Wittenberg gegen den Bau einer Kalimine und einer Erzaufbereitungsanlage in der Nähe von Wohngebieten.

Dass die Bündelung unterschiedlicher Interessen möglich ist, zeigte sich bereits bei den beiden Mai-Demonstration. Im Anschluss an die Kundgebung gab es ein spontanes Konzert, bei dem patriotische Lieder erklangen.

                Jurij Tschernyschew


Ein Stück Kulturerbe
Schau in Löbau zeigt ein Möbelstück des Architekten Hans Scharoun und Archivmaterial

Eine Ausstellung in der Stiftung Haus Schminke in Löbau, Landkreis Görlitz zeichnet unter dem Titel „Schrankwanderung“ den ungewöhnlichen Weg eines historischen Schranks nach: Es handelt sich um einen Schrank des Architekten Hans Scharoun, der am Wiederaufbau Ostpreußens nach dem Ersten Weltkrieg beteiligt war. Die Ausstellung zeichnet eine Reise des Möbelstücks nach, die noch lange nicht beendet sein soll.

Nur ein Jahr, von 1924 bis 1925, konnten sich Scharoun und seine Frau in Insterburg an ihrem neuen Schrank erfreuen, dann trennten sich die Wege. Erst zehn Jahre später sahen sie ihn wieder: Ab 1935 stand das Möbelstück im Bremerhavener Haus seines Schwagers Hans Hoffmeyer, auch ein Werk Scharouns. Die Bomben von 1944 und die Besatzung ab 1945 folgten – erst 1955 gab es ein erneutes Wiedersehen der Hoffmeyers, Scharouns und des Schranks. Der letzte Besitzerwechsel war 1988.

Anfang 2017 übergab der Apo-theker Gerd Welge den Schrank in die Obhut des Fördervereins Kamswyker Kreis und ebnete den Weg von Bremerhaven nach Löbau, einem Zwischenstopp vor dem heimatlichen Insterburg. Zwar steht das Ursprungshaus des Schranks nicht mehr – dafür soll die „Bunte Reihe“, Scharouns erstes eigenes Bauwerk überhaupt, dem Schrank im „Offenen Zimmer“ die rechte Bühne nach ihrer Restaurierung sein.

Der Berliner Architekt Dmitri Suchin, Vorsitzender des Förderver-eins Kamswyker Kreis e.V. und Mitglied vieler anderer Fachorganisationen sowie der Kreisgemeinschaft Insterburg, eröffnete die Ausstellung. Neben Bildern aus den Beständen des Vereins und des Bildarchivs Ostpreußen wurden die des Scharoun-Archivs gezeigt. Der gemeinnützige Verein beschäftigt sich mit dem Erhalt des ostpreußischen Kulturerbes, vom Berliner Vereinssitz und von der Insterburger Stadtrandsiedlung Kamswykus aus. Seit Februar 2017 ist die in der Russischen Föderation einzige erhaltene Scharoun-Arbeit ein „Denkmal von bundesweiter Bedeutung“. Bereits 2014 war die Siedlung vom Europäischen Denkmalschutzverband „Europa Nostra“ zu einer der „meistgefährdeten Stätten des europäischen Kulturerbes“ erklärt worden. Ein Arbeitsplan des Kamswyker Kreises, von „Europa Nostra“ und des Instituts der Europäischen Investitionsbank wurde 2015 gutgeheißen.            EB

Haus Schminke, Kirschallee 1, 02708 Löbau, Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag 12 bis 17 Uhr, Telefon (03585) 862-133.


Nun in Ragnit
Kraupischken-Ausstellung auf Wanderschaft

Zum ersten Mal in der Geschichte von Ragnit [Neman] wurde die Austellung „Spaziergang durch das alte Kraupischken“ in dem dortigen Kreiskulturhaus gezeigt. Vergrößerte Kopien alter Postkarten aus der Sammlung von Jurij Userzow, die im Museum von Kraupischken behutsam aufbewahrt werden, wurden dabei zu Ausstellungsstücken.

Das älteste Exponat geht auf das Jahr 1899 zurück. Für die Besucher ist es interessant, ein Dorf aus der Vorkriegszeit anzuschauen. Vieles ist mittlerweile zerstört, doch einige Gebäude sind stehen geblieben und heute noch zu erkennen. In einem von ihnen befand sich zum Beispiel eine Wartungsstelle von Mercedes-Benz.

Die Vertreter der Stadtverwaltung, des Schulamtes sowie die Repräsentanten der gesellschaftlichen Organisationen kamen zusammen, um der Eröffnung der Ausstellung beizuwohnen. Sie fiel mit mindestens zwei Jubiläen zusammen: 70 Jahre Schule in Kraupischken [Uljanowo] und 35 Jahre Heimatmuseum.

In diesem Jahr sind es 665 Jahre, seit Kraupischken zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde. Deshalb kann man diese Ausstellung auch eine Jubiläumsausstellung nennen. Die Ausstellung wird zwei Monate lang zu sehen sein. Bevor sie nach Ragnit gekam, besuchten sie bereits über  5000 Besucher im Museum Friedländer Tor in Königsberg (siehe PAZ Nr. 3). Nach Ragnit geht die Ausstellung nach Tilsit [Sowjetsk]. Das dortige Heimatmuseum bereitet dafür schon einen Ausstellungssaal vor.

Elena Politiko


MELDUNGEN

Schnellstraßen bald fertig

Allenstein – Zum Ende des Jahres sollen alle Modernisierungsarbeiten an den Straßen im südlichen Ostpreußen beendet sein. Im Juli wird der Abschnitt der Schnellstraße S7 zwischen Neidenburg und Wetzhausen für den Verkehr freigegeben. Das gilt auch in der Umgebung von Osterode für die Schnellstraße S51 zwischen Allenstein und Hohenstein. Alle Trassen werden „Expressstraßen“, das bedeutet, dass sie zwei Spuren in jeder Richtung haben, und es gilt die Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde.           PAZ

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. 7: Elbing [Elblag] – Jazowa, Baustelle; Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle; Osterode – Hohenstein [Olsztynek], Baustelle; Bergheim [Gorki] – Schwenteinen [Swietajny], Baustelle; Zalusken [Załuski] – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 7j: Zalusken – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 15: Rheinsgut [Rynskie] – Mörlen [Morliny], Baustelle. Straße Nr. 16: Osterode – Alt Jablonken [Stare Jabłonki], Baustelle. Straße Nr. 16c: Kaplitainen [Kaplityny] – Reushhagen [Ruszajny], Baustelle; Allenstein – Fittigsdorf [Wójtowo], Baustelle. Straße Nr. 51: Bartenstein [Bartoszyce], Baustelle; Allenstein – Pagelshof [Ameryka], Baustelle.           E.G.


S. 14 Östlich von Oder und Neisse

»Verheißung oder Marias Weg«
Eine fast 100-jährige Ostpreußin versucht, mithilfe ihrer Tochter ein Familiengeheimnis zu lüften

Die Autorin erzählt in dieser generationen- und epochenübergreifenden fiktiven Geschichte, wie sich in unserem Jahrtausend eine Mitte 50-Jährige auf die Suche nach dem Halbbruder ihrer aus Ostpreußen stammenden Mutter begibt. Der zweite Zeit­strang zeigt, wie die unmenschlichen Regeln der wilhemininischen Ständegesellschaft eine schwangere Bedienstete zwingen, ihr Glück in der Neuen Welt zu suchen.

Wir schreiben das Jahr 2017.

Elisabeth von Eschenthal saß aufrecht in ihrem hohen Lehnstuhl und schaute in Gedanken versunken aus dem Fenster auf die winterliche Landschaft. Auf dem Beistelltisch stand eine Tasse mit zart duftendem grünen Tee. Sie spürte immer öfter ihr Alter von fast 100 Jahren und fühlte, wie ihr die Zeit davonlief. Wenn sie das alte Familiengeheimnis noch vor ihrem Tod klären wollte, musste sie sich endlich Johanna anvertrauen. Sie schloss die Augen und sprach ein stilles Gebet, immer noch dankbar für das Wunder, dass ihr damals nach all den Jahren des vergeblichen Hoffens mit Mitte 40 noch ein Kind geschenkt worden war.

Johanna starrte mit brennenden Augen auf den Bildschirm ihres Rechners. Ihre Mutter Elisabeth schaffte es immer wieder, sie zu überraschen. Aber wie sie jetzt herausfinden sollte, ob ihr Großvater Gabriel wirklich schon vor der Geburt ihrer Mutter ein illegitimes Kind gehabt hatte, da war auch sie trotz all ihrer Findigkeit ratlos. Ihre Mutter konnte sich nur daran erinnern, dass später auf Familienfeiern noch über das Verschwinden von einer Maria und von gestohlenem Schmuck mit dem Familienwappen getuschelt wurde. Das klang nicht nach einem hoffnungsvollen Ansatzpunkt. Zwei Weltkriege hatten ihren Tribut unter den männlichen Nachkommen gefordert, und ihre Mutter musste im Januar 1945 über die Ostsee aus Ostpreußen fliehen. Sie und ihre Mutter waren die letzten Familienmitglieder. Oder gab es irgendwo doch noch einen weiteren Familienzweig? Wen oder was sollte man da nach all den Jahrzehnten noch finden? Seufzend tippte Johanna Suchbegriffe in die Tastatur ein und hoffte auf ein Wunder.

1913

Mir war schwindelig, mit letzter Kraft beugte ich mich über den Eimer und würgte. Es war nichts mehr in mir, aber die Übelkeit umfing mich wie ein undurchdringlicher Nebel. Mein Zustand war nicht mehr länger zu verheimlichen, ich musste mit Mutter sprechen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, ordnete mein Haar und strich die Schürze glatt. Es lag noch ein langer Arbeitstag im Herrenhaus der Familie von Eschenthal vor mir.

Abends saßen wir bei Kerzenschein in unserem kleinen Häuschen.

„Mutter“, stockend blieb mir der weitere Satz im Halse stecken.

Sie blickte mich ernst an und nahm meine Hand. „Maria, Du bist schwanger, nicht wahr?“

Ich nickte.

Sorgenvoll verzog sie das Gesicht und fragte stockend: „Wie – wie ist es passiert? Hat man Dir Gewalt angetan – oder …“. Sie schaute mich fragend an.

„Nein. Es war – eine Dummheit …“ Mein Herz sagte etwas anderes, es klopfte immer noch, wenn ich daran dachte. Ich spürte wie Gabriel mich umfing, mich zärtlich streichelte.

Meine Mutter holte mich wieder in die Realität zurück. „Wer ist der Vater?“

„Gabriel.“

„Gabriel? Du hast nichts Besseres zu tun, als Dich mit dem jungen Herrn einzulassen? Bist Du von allen guten Geistern verlassen? Du musst verschwinden, bevor jemand etwas merkt. Sonst jagt man uns beide davon.“

Ich fühlte ein unbestimmtes Nagen in mir. Es erschien mir so ungerecht. Warum musste ich weg? Warum sollte meine Mutter nach all den Jahren treuer Dienste als Köchin jetzt schlechter angesehen sein? Das kleine Häuschen im Park des Herrenhauses war unser Zuhause, auch mein Vater war bis zu seinem frühen Tod als Kutscher für die Familie tätig gewesen. Warum also?

„Maria, du bist erst 16. Du weißt doch, wie unsere Welt funktioniert: Die dort ,oben‘ und wir hier ,unten‘. Und keiner wird akzeptieren, dass das Dienstmädchen ein Kind vom Sohn des Hauses bekommt, selbst wenn es nicht der Erstgeborene, sondern nur das schwarze Schaf der Familie ist. Du verhältst dich ab jetzt unauffällig. Und hältst dich von ihm fern!“

In den nächsten Tagen ging es mir langsam besser. Allerdings fing ich jetzt auf Anweisung meiner Mutter an, regelmäßig zu husten. Ihre Idee war nämlich, mich dann „zur Genesung“ wegzuschicken. Sie hatte etwas Erspartes und wenn das Kind dann da war, würden wir weitersehen.

Ich hatte mich vom Dienst weggeschlichen und saß in einer versteckten Nische im Garten und ließ mir die späte Frühlingssonne ins Gesicht scheinen. Ein Schatten huschte neben mich.

„Gabriel“, ich sprang auf, „ich muss weiterarbeiten.“

Er griff nach meiner Hand. „Maria, es pfeifen schon die Spatzen von den Dächern“, er legte mir die andere Hand auf den Bauch. „Du musst hier weg, und ich habe einen Plan.“

Es war Nacht geworden, und ich lag schlaflos im Bett. Was Gabriel mir erzählt hatte, klang beängstigend, aber auch sehr aufregend. Er hatte sich im Infanterieregiment in Insterburg, wo er seinen Wehrdienst ableistete, mit einem etwas älteren Soldaten namens Josef Zimmermann angefreundet, der immer davon sprach, dass er nach dem Ende seiner Verpflichtungszeit mit seiner Frau auswandern wolle. Dann starb sie im Winter plötzlich an Influenza, und er geriet in Schwierigkeiten, weil er in seiner Trauer zu viel getrunken hatte und in Schlägereien verwickelt wurde. Gabriel hatte ihn durch Beziehungen vor einer unehrenhaften Entlassung bewahrt und ihm das Ticket für die Schiffspassage bezahlt – und ihn im Gegenzug dazu verpflichtet, mich mit den Papieren seiner verstorbenen Frau mitzunehmen. Allerdings durfte ich mit niemanden darüber reden und nie zurückkehren. Das erwartete seine Familie von mir, damit meine Mutter weiter dort arbeiten und leben konnte.

Natürlich war meine Mutter eingeweiht. Offiziell würde ich zur Luftveränderung an die Küste geschickt werden und dort nach einiger Zeit an meiner „Krankheit“ sterben. Wir würden uns nie wieder sehen. Sie drückte mir unsere Familienbibel in die Hand. „Gott soll dich behüten auf all deinen Wegen“, sagte sie, und wir nahmen traurig Abschied voneinander.

Der Abend der Abreise war gekommen. Ich wartete im Dunkeln auf einem Feldweg mit meinen wenigen Habseligkeiten auf Gabriel. Er sollte mich unerkannt in die Garnisonstadt mitnehmen, wo ich auf Josef treffen würde. Das Auto war schon von Weitem zu hören, und ich war schon sehr aufgeregt. Es war die erste Autofahrt meines Lebens. Ich saß neben Gabriel und mein Herz klopfte. Kurz vor der Stadt hielt er an einer einsamen Stelle an. Gabriel stieg aus und griff nach meiner Hand. „Lass uns hier Abschied nehmen.“ Er legte den Arm um mich. „Weißt Du, Maria, ich fühle mich feige, weil ich nicht zu dir stehen kann. Aber ich habe nur meinen schmalen Sold und bin von meiner Familie abhängig.“ Er zog mich an sich und wollte mich küssen.

Ich rückte ein Stück von ihm ab. „Gabriel, ich finde es trotzdem ungerecht, wir haben doch nichts Böses getan. Wenn ich die Tochter eines Gutsbesitzers wäre, könntest du offiziell um meine Hand anhalten.“

„Wir leben in einer Gesellschaft, in der es nun einmal nicht anders geht, da sind mir die Hände gebunden. Aber es wird sich ändern, es liegt Krieg in der Luft und unser aller Leben wird bald nicht mehr so sein, wie es ist. Bitte nutze die Chance auf ein neues Leben in einer Welt, in der es jeder zu etwas bringen kann, wenn er nur fleißig genug dafür arbeitet.“ Er nahm meine Hand und lächelte mich an. „Und ein fleißiges Mädchen bist du ja.“

„Dann komm doch einfach mit!“ Ja, warum eigentlich nicht, fragte ich mich.

„Maria, mein Platz ist hier. Josef wird dir ein guter Begleiter sein. Und er ist ein anständiger Mann, er wird dich nicht anrühren, aber vor anderen Männern beschützen. Er drückte mir ein Säckchen in die Hand. „Hier, für Notfälle. Pass gut darauf auf und sorge gut für das Kind.“ Ich öffnete es und sah einige Goldmünzen, Manschettenknöpfe und einen Wappenring. Staunend blickte ich auf den kleinen Schatz. Seine Morgengabe an mich für eine ungewisse Zukunft.

Der Dampfer fährt seit Tagen unbeirrt durch den Wellengang. Es schaukelt und riecht streng im Zwischendeck. Mir ist wieder übel, aber schon bald werden wir am Ziel sein. Josef ist ein zurück­haltender Mann, der mich zuvorkommend behandelt. Auf dem Papier bin ich jetzt Frieda Zimmermann, aber in meinem Herzen werde ich immer Maria bleiben. Ich habe während der Überfahrt meine Geschichte aufgeschrieben und hinter den Einband meiner kleinen Bibel gesteckt. Irgendwann werde ich meinem Kind erzählen, woher es kommt und wer sein Vater ist. Josef ist politisch sehr interessiert und erzählt mir in den endlosen Stunden der Überfahrt von der Enge der Klassengesellschaft in Deutschland und dass Menschen wie er oder ich dort immer in Abhängigkeiten leben werden, sei es vom Großgrund- oder Fabrikbesitzer, und dass es keinen Ausweg daraus gibt. Deshalb hat er sich auf den Weg gemacht, denn in Amerika gibt es zwar auch Arm und Reich, aber jeder kann sein Schick­sal selbst in die Hand nehmen. Nichts anderes habe ich vor.

Ich stehe an Deck und starre in die nebelige Nacht. Bald werde ich es sehen, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Freiheitsstatue wird uns den Weg weisen. Im Futter meines Rocks fühle ich den eingenähten Beutel, unsere kleine Sicherheit für schlechte Zeiten. Das Kind strampelt in meinem Bauch, beruhigend streichele ich mit der Hand darüber. Es wird im Winter geboren werden, bis dahin habe ich noch ein wenig Zeit, für uns etwas zu suchen. Ob ich mein Kind in einem Stall, einem Haus oder Schloss zur Welt bringen werde – es wird als freier Mensch aufwachsen und seinen Weg gehen. Langsam wird es heller. Auf einmal steht Josef neben mir und nimmt meine Hand. Immer mehr Menschen drängen an Deck. Der morgendliche Dunst hebt sich und am Horizont wird eine Linie sichtbar. „Land in Sicht“ klingt es aus unzähligen hoffnungsvollen Kehlen, während der Dampfer sein Schiffshorn erklingen lässt.

Zurück ins Jahr 2017.

Es war wieder einmal sehr spät geworden bei ihrer Recherche. Johanna traute ihren Augen kaum, als sie das Bild in der Internet-Auktion aufrief. Die Fotos zeigten beide Seiten einer Postkarte vom Herrenhaus Eschenthal und einen altmodischen goldenen Manschettenknopf mit dem Wappen derer von Eschenthal, angeboten bei Ebay in Amerika. Sie klickte auf die Postkarte zum Vergrößern. Die Rückseite war gerade noch lesbar. Sie war adressiert an eine Maria Zimmermann in Farmington, Minnesota. Sie las in alter deutscher Schrift: „Liebe Maria, schau einmal, es gibt jetzt eine Postkarte vom Herrenhaus, ich sende sie Dir als Gruß aus der Heimat, damit Du uns nicht vergisst. Gabriel ist jetzt mit der Tochter eines Bankdirektors aus Insterburg verlobt. Ich hoffe, es geht Dir und Deinem kleinen Weihnachtskind Johannes gut. Ich vermisse Dich und sende Dir meine herzlichen Grüße Deine Dich liebende Mutter.“ Johanna musste schlucken. Es gab also tatsächlich ein Kind. Was war aus Maria und ihm geworden? Die Auktion war noch nicht abgelaufen, sie konnte den Verkäufer einfach kontaktieren. Sie formulierte eine höfliche Nachfrage nach der Herkunft der Gegenstände und drückte auf „Senden“. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Aufgeregt öffnete Johanna die E-Mail und las: „Sehr geehrte Frau von Eschenthal, ich löse gerade den Haushalt meiner verstorbenen Mutter auf und kann Ihnen leider nichts weiter zu den Sachen sagen. Meine Mutter hat in den 70er und 80er Jahren ältere Leute betreut, die haben ihr oft Erinnerungstücke geschenkt, wenn sonst niemand mehr da war. Die hat meine Mutter dann aufbewahrt und so hat sich hier einiges angesammelt …“ Die Spur führte also ins Leere, Johanna war enttäuscht. Aber Maria war dann ja etwa 80 Jahre alt geworden, es musste ja Spuren ihres Lebens – und vielleicht auch von ihrem Sohn Johannes – geben. Schnell gab sie ein hohes Gebot ein, um die Sachen auf jeden Fall zu bekommen, ihre Mutter würde sich sicher sehr darüber freuen. Und dann würde sie weiterrecherchieren – und auf ein Wunder hoffen.

                Britta Heitmann


Reisen wie anno dazumal
Polen feiert 175 Jahre Eisenbahn (in Schlesien)

Am 22. Mai 1842 wurde die erste Eisenbahnstrecke Schlesiens zwischen Breslau und der südöstlich gelegenen Kreisstadt Ohlau eingeweiht. Dies nur vier Jahre, nachdem Berlin einen Bahnanschluss bekommen hatte. Andere preußische Großstädte folgten erst Jahre später.

Nicht viele bekennen sich im heute zur Republik Polen gehörenden Schlesien zu diesem ruhmreichen Teil der Geschichte, muss man so doch ihr deutsches Erbe anerkennen – eigentlich. Im öffentlich-rechtlichen Radio in Breslau warb Maciej Madry vom Industrie- und Eisenbahnmuseum in Königszelt [Jaworzyna Slaska] für eine Sonderfahrt am 21. Mai: „Es ist eine Sonderfahrt zum 175. Jubiläum der ersten Bahnstrecke Polens“. Man höre und staune!

Anders geht die Sache Madrys Chef Piotr Gerber an. Bevor er die Leitung des Eisenbahnmuseums übernahm – der Institution, die er mitbegründete – war er Wissenschaftler an der Breslauer Technischen Hochschule gewesen und hatte sich mit dem postindustriellen Erbe Schlesiens befasst. Mit seinen Kollegen gründete er eine Stiftung zur Bewahrung technischer Kulturdenkmäler. Gerber nutzt das Jubiläum, um grundsätzlich über Industriedenkmäler in Schlesien zu sprechen. „Damals gehörte das Land zu Preußen, aber für Polen ist es heute die älteste Bahnverbindung. Der Hauptbahnhof zu Breslau ist bereits saniert, aber einige hundert Meter weiter steht der älteste Bahnhof. Von dort ist 1842 der erste Zug nach Ohlau gefahren. Und dieser Bahnhof befindet sich in einem desolaten Zustand. Genauso ist es um den Bahnhof Breslau-Odertor

[Nadodrze] oder den Freiburger Bahnhof [Dworzec Świebodzki] und deren Infrastruktur bestellt. Die Pflege historischer Denkmäler ist unsere Pflicht, denn nur so bewahren wir das Andenken an uns selbst. Wir leben heute viel besser dank der Industrialisierung und vor allem dank der Menschen, die diese Technik schufen. Ihre Namen kennen wir oft nicht mehr, aber indem wir ihre Werke retten, bewahren wir das Andenken an sie und ihr Schaffen“, so Gerber gegenüber dem in Görlitz erscheinenden Monatsmagazin „Schlesien Heute“.

In seinem Eisenbahnmuseum in Königszelt schaffte es Piotr Gerber, dass alte Technik wieder lebt. „Wir arbeiten anhand historischer Vorlagen und gemäß von Denkmalschutzbestimmungen. So haben wir unter anderem die sich bis heute in Betrieb befindlichen Linke-Hoffmann-Waggons instandgesetzt. Auch die polnische Dampflok TKt48, die nach Linke-Hoffmann-Plänen für eine nie gebaute Reichsbahn-Baureihe 83 produziert wurde, haben wir restauriert. Wer heute in unser Museum kommt, kann die Reiseatmosphäre vergangener Tage genießen, den Reisekomfort der III. und II. Klasse, den Duft einer Dampflok, die Vorbereitung der Dampflok vor der Fahrt“, schwärmt Gerber.

Doch mit einem Museum begnügt sich Gerber bei Weitem nicht. Sein Ziel ist die Schaffung eines gesamtschlesischen Technik-Museumsnetzes. „Auch in Polen werden Industriedenkmäler immer beliebter. Beim Reisen auf den Spuren der Technik kann man erfahren, wie die Industrie die Welt veränderte. Schlesien wäre nicht das, was es ist, ohne die Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert“, so Gerber.

Das Jubiläum 175 Jahre Eisenbahngeschichte „in Polen“ – oder eben in Schlesien – wird auch im Breslauer Hauptbahnhof gefeiert. Am 20. Mai wurde um 10 Uhr die erste Eisenbahnfahrt von Breslau nach Ohlau nachvollzogen. Von 12 bis 15.30 Uhr wird im „Sezessionssaal“ des Breslauer Bahnhofs ein Seminar zur Eisenbahngeschichte in Schlesien durchgeführt und eine Modellbahnausstellung präsentiert. Am 21. Mai fuhr ein Museumszug aus Königszelt nach Ohlau.       Chris W. Wagner


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 102. GEBURTSTAG

Fortak, Ottilie, geb. Latza, aus Ittau, Kreis Neidenburg, und aus  Erben, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

ZUM 100. GEBURTSTAG

Felsner, Edeltraut, geb. Marquardt, aus Treuburg, am 29. Mai

König, Johanna, geb. Hausendorf, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 28. Mai

Ortmann, Ulrich, früher Freese, aus Lyck, am 26. Mai

ZUM 97. GEBURTSTAG

Groß, Irma, geb. Kramer, aus Milken, Kreis Lötzen, am 28. Mai

Kundt, Gretel, geb. Kuckuck, aus Freudenfeld, Kreis Wehlau, am 26. Mai

Wulff, Anna-Frieda, geb. Duchna, aus Neidenburg, am 29. Mai

ZUM 96. GEBURTSTAG

Dienhardt, Erika, geb. Kopiszenski, aus Bobern, Kreis Lyck, am 30. Mai

Lange, Frida, geb. Jakubzik, aus Arlen, Kreis Lötzen, am 27. Mai

Lucks, Hildegard, geb. Meyer, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

Marks, Helmut, aus Treuburg, am 30. Mai

Nützel, Ilse, geb. Matthée, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 30. Mai

Ossa, Lieselotte, geb. Romanowski, aus Reichenwalde, Kreis Lyck, am 28. Mai

Patzer, Hedwig, geb. Schramma, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 30.  Mai

ZUM 95. GEBURTSTAG

Gojny, Elly, geb. Wischnewski, aus Neuhof, Kreis Neidenburg, am 31. Mai

Liebenau, Eva, geb. Schmidt, aus Lyck, am 27. Mai

Maertens, Elisabeth, geb. Gräfin von Schwerin, aus Wildenhoff, Kreis Preußisch Eylau, am 29. Mai

Reichardt, Ruth, geb. Berger, aus Sareiken, Kreis Lyck, am 27. Mai

Spalding, Herta, geb. May, aus Wehlau, am 1. Juni

ZUM 94. GEBURTSTAG

Bolsch, Otto, aus Steinkendorf, Kreis Lyck, am 29. Mai

Braun, Else, geb. Rehfeld, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 30. Mai

Filipzik, Herta, geb. Weitschat, aus Datzken, Kreis Ebenrode, am 30. Mai

Gussek-Halbohm, geb. Gussek, aus Fronicken, Kreis Treuburg, am 30. Mai

Harborth, Gertrud, geb. Kröhnert, aus Schackwiese, Kreis Elchniederung, am 31. Mai

Hoff, Inge, geb. Baumgärtner, aus Pkauen, Kreis Wehlau, am 29. Mai

Laskowski, Walter, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 28. Mai

Scheffler, Liselotte, geb. Tersch, aus Wehlau, am 26. Mai

Thiede, Horst, aus Sonnau, Kreis Lyck, am 27. Mai

Wirschun, Käthe, geb. Seller, aus Mulden, Kreis Lyck, am 30. Mai

ZUM 93. GEBURTSTAG

Borowski, Edith, geb. Pauliks, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 30. Mai

Franke, Sigrid, geb. Becker, aus Lyck, am 28. Mai

Fromme, Erika, geb. Marquard, aus Wacholderau, Kreis Ortelsburg, am 31. Mai

Geppert, Gerda, geb. Gallert, aus Gundau, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Hartmann, Edeltraud, geb. Lietke, aus Irglacken, Kreis Wehlau, am 29. Mai

Parzianka, Irmgard, aus Steinwalde, Kreis Lötzen, am 31. Mai

Stimmel, Renate, geb. Burghardt, aus Lindenfließ, Kreis Lyck, am 29. Mai

Viell, Erika, geb. Sabrowski, aus Hornheim, Kreis Neidenburg, am 26. Mai

ZUM 92. GEBURTSTAG

Breidenbach, Erna, geb. Skorzenski, aus Lissau, Kreis Lyck, am 31. Mai

Grywatsch, Horst, aus Hartwichs, Kreis Preußisch Holland, am 29. Mai

Gutheil, Erna, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 26. Mai

Händel, Gertrud, geb. Ruschniczyk, aus Kleschen, Kreis Treuburg, am 26. Mai

Köring, Elisabeth, geb. Romoth, aus Treuburg, am 27. Mai

Makoschey, Helmut, aus Deumenrode, Kreis Lyck, am 26. Mai

Mattern, Elsbeth, geb. Kutz, aus Frauenfließ, Kreis Lyck, am 30. Mai

Meinken, Bernhard, aus Zohpen, Kreis Wehlau, am 30. Mai

Stabbert, Erna, geb. Jebramzik, aus Glinken, Kreis Lyck, am 28. Mai

Tanbach, Willi, aus Liebenberg, Kreis Ortelsburg, am 26. Mai

Till, Eva, geb. Hartmann, aus Wehlau, am 29. Mai

Wegner, Helena, geb. Stolzenwald, aus Neuendorf, Kreis Wehlau, am 29. Mai

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bednarek, Gertrud, geb. Groß, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 26. Mai

Irrittje, Fritz, aus Stolzenau, Kreis Ebenrode, am 30. Mai

Klein, Ursula, aus Richau, Kreis Wehlau, am 31. Mai

Losch, Erika, aus Puppen, Kreis Ortelsburg, am 27. Mai

Milz, Sieglinde, aus Rauschen, Kreis Samland, am 31. Mai

Norkus, Alfred, aus Ginkelsmittel, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Ottenberg, Elfriede, geb. Mursal, aus Ortelsburg, am 26. Mai

Pucknat, Waldemar, aus Wartenhöfen, Kreis Elchniederung, am 1. Juni

Rückmann, Ruth, geb. Lottermoser, aus Finkenschlucht, Kreis Ebenrode, am 31. Mai

Schulz, Eva, geb. Schröter, aus Neidenburg, am 1. Juni

Schulz, Kurt, aus Wehlau, am 31. Mai

Sehnwitz, Dora, geb. Priebe, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 28. Mai

ZUM 90. GEBURTSTAG

Becker, Horst, aus Treuburg, am 26. Mai

Bluhm, Siegfried, aus Bobern, Kreis Lyck, am 29. Mai

Bruse, Erika, geb. Bredow, aus Klemenswalde, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Gentek, Anneliese, geb. Jakob, aus Neumalken, Kreis Lyck, am 27. Mai

Kantop, Elly, geb. Dyga, aus Rossen, Kreis Heiligenbeil, am 26. Mai

Käsler, Artur, aus Guttenfeld, Kreis Preußisch Eylau, am 1. Juni

Knappke, Prof. Dr. Dipl.-Ing. Martin, aus Lyck, Memeler Weg 5, am 29. Mai

Kremp, Helmut, aus Stehlau, Kreis Ebenrode, am 30. Mai

Pommer, Irmgard, geb. Pfau, aus Andersgrund, Kreis Ebenrode, am 28. Mai

Priebe, Gerda, geb. Sych, aus Seesken, Kreis Treuburg, am 27. Mai

Riedel, Gerda, geb. Beyer, aus Schwentainen, Kreis Treuburg, am 29. Mai

Rustemeyer, Gerd, aus Schirrau, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Sassenbach, Hilde, geb. Jablonski, aus Treuburg, am 1. Juni

Strunz, Siegfried, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

ZUM 85. GEBURTSTAG

Augustin, Siegfried, aus Martinshöhe, Kreis Lyck, am 30. Mai

Bierstedt, Gerda, geb. Rohde, aus Holländerei, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Drescher, Heinz, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 29. Mai

Frost, Ewald, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 1. Juni

Hillebrandt, Edith, geb. Napiwotski, aus Moterau, Kreis Wehlau, am 27. Mai

Ignaciuk, Alfreda, aus Wiesengrund, Kreis Lyck, am 27. Mai

Ignee, Gretel, geb. Preuk, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 28. Mai

Kliß, Ingrid, geb. Malinka, aus Schwarzberge, Kreis Lyck, am 31. Mai

Korth, Käthe, geb. Frommer, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 29. Mai

Marten, Ursula, geb. Passargus, aus Noiken, Kreis Elchniederung, am 28. Mai

Mundry, Helga, geb. Wichmann, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Nowak, Erwin, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 30. Mai

Pflanz, Renate, geb. Golenia, aus Treuburg, am 1. Juni

Robak, Lieselotte, aus Reimannswalde, Kreis Treuburg, am 30. Mai

Schieling, Lydia, geb. Kruska, aus Kobbelhals, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

Schiffer, Elly, geb. Hellwig, aus Sköpen, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Schild, Siegfried, aus Neidenburg, am 27. Mai

Waliczek, Irmgard, geb. Telczian, aus Siegersfeld, Kreis Lyck, am 26. Mai

Wisniewska, Irena, aus Wiesengrund, Kreis Lyck, am 27. Mai

ZUM 80. GEBURTSTAG

Bleyer, Heinrich, aus Adelshof, Kreis Elchniederung, am 31. Mai

Fischer, Christel-Edith, geb. Erdt, aus Milussen, Kreis Lyck, am 26. Mai

Dzierzon, Waltraud, geb. Plessa, aus Mensguth, Kreis Ortelsburg, am 1. Juni

Eggert, Herta, geb. Schlemminger, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 27. Mai

Eifler, Hans, aus Aschpalten, Kreis Elchniederung, am 26. Mai

Ewald, Claus, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 27. Mai

Grünberg, Vera, aus Leipzig, am 28. Mai

Hoppe, Gertraud Irene, geb. Plogsties, aus Aschpalten, Kreis Elchniederung, am 28. Mai

Jotzo, Werner, aus Funken, Kreis Lötzen, am 27. Mai

Katzinski, Erika, aus Treuburg, am 27. Mai

Klingsporn, Renate, geb. Rock, aus Halldorf, Kreis Treuburg, am 29. Mai

Kloess, Werner, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 28. Mai

Köhler, Dorothea, geb. Hoelge, aus Lyck, am 29. Mai

Münnich, Helga, geb. Böhm, aus Lank, Kreis Heiligenbeil, am 28. Mai

Plackties, Klaus, aus Schneider-ende, Kreis Elchniederung, am 30. Mai

Preuschat, Günter, aus Willenberg, Kreis Ortelsburg, am 27. Mai

Pucknus, Lothar, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 1. Juni

Rimkus, Karl, aus Antonswiese, Kreis Elchniederung, am 30. Mai

Scheler, Irmgard, geb. Lasarzewski, aus Regeln, Kreis Lyck, am 31. Mai

Siegmund, Karl-Heinz, aus Lyck, am 28. Mai

Stelljes, Elisabeth, geb. Krause, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 1. Juni

Stepuhn, Horst, aus Königsberg und Liekeim, Kreis Bartenstein, am 31. Mai

Tobe, Klaus, aus Tölteninken, Kreis Wehlau, am 1. Juni

Wegner, Christel, geb. Bolz, aus Tawellenbruch, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Weidemann, Helga, geb. Lehmann, aus Knäblacken, Kreis Wehlau, am 28. Mai

Wengoborski, Karl-Heinz, aus Rodental, Kreis Lötzen, am 29. Mai

Wulf, Elsbeth, geb. Meyer, aus Struben, Kreis Neidenburg, am 27. Mai

ZUM 75. GEBURTSTAG

Idzun-Ditz, Erna, geb. Idzun, aus Hochmühlen, Kreis Ebenrode, am 27. Mai

Marquardt, Angelika, geb. Bludau, aus Grunau, Kreis Heiligenbeil, am 25. Mai

Romeike, Manfred, aus Wittken, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Schlenter, Christel, geb. Matties, aus Warsche, Kreis Elchniederung, am 30. Mai

Schulz, Helga, geb. Kalkenings, aus Herdenau, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Coch, Martin und Frau Marianne, geb. Wüst, aus Abbau, Kreis Heiligenbeil, am 31. Mai

Diamantene Hochzeit

Acksel, Georg und Frau Irmgard, geb. Kowalzik, aus Nußberg, Kreis Lyck, am 31. Mai

Eiserne Hochzeit

Tiska, Rüdiger, aus Zollernhöhe, Kreis Sensburg, und Frau Lucie, geb. Reh, aus Blumstein, Kreis Eylau, am 30. Mai


Ausdrucksstark
Porträts von Königsbergern

Der russische Fotokünstler Juri Pawlow aus Königsberg (Kaliningrad) porträtierte zwischen 2012 und 2015 insgesamt 270 Menschen aus der Stadt und der Umgebung. Ein vielseitiger Eindruck der heutigen Bewohner und ihrer Lebenswirklichkeit entstand. Im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg werden die besten seiner Aufnahmen in einer Ausstellung  noch bis 18. Juni zu sehen sein. 

Angeregt durch Arbeiten des US-amerikanischen Fotografen Richard Avedon (1923–2004) möchte Pawlow die natürliche Charakteristik der Menschen in ausdrucksstarken Momentaufnahmen widerspiegeln. Auf seinen sommerlichen Reisen war er unter anderem in Königsberg selbst, in Tilsit (Sowjetsk) und Insterburg (Tschernjachowsk) unterwegs. Menschen unterschiedlichen Alters und sozialer Stellung sind auf seinen Bildern in Alltagssituationen, an Feiertagen oder auf besonderen Festen zu sehen. Um die Fotosituationen zu vereinheitlichen arbeitete Pawlow, der 1958 in Odessa geboren wurde und seit 1990 Mitglied im Verband der Russischen Fotokünstler ist, vor einem neutralen weißen Hintergrund. 

Weitere Informationen: Ostpreußisches Landesmuseum,  Heiligengeiststraße 38, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 759950, Internet:  www.ostpreussisches-landesmuseum.de. Das Museum ist täglich außer montags zwischen 12 und 17 Uhr geöffnet.


S. 16 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

BARTENSTEIN

Kreisvertreter: Christian v. der Groeben, Ringstraße 45, 97950 Großrinderfeld, Telefon (09349) 929252, Fax (09349) 929253, E-Mail: csgroeben@gmx.de.

Das Kirchspieltreffen Birkenmühle/Mehlkehmen in 29303 Offen/Bergen (Hotel Michaelishof, Hauptstraße 24) findet vom 27. bis 28. Mai statt (im Heimatbrief hatte sich ein Druckfehler eingeschlichen). Anmeldung und Auskunft: Margarete Malchow, Telefon (0381) 717910.

 

KÖNIGSBERG LAND

Kreisvertreterin: Gisela Broschei, Bleichgrabenstraße 91, 41063 Mönchengladbach, Telefon (02161) 895677, Fax (02161) 87724. Geschäftsstelle: Im Preußen-Museum, Simeonsplatz 12, 32427 Minden, Telefon (0571) 46297, Mi. Sa. u. So. 18-20 Uhr.

Gemäß Satzung und Wahlordnung für die Wahl der Mitglieder zum Kreisausschuss der Heimatkreisgemeinschaft veröffentlichen wir die vorläufige Kandidatenliste für die am Sonntag, dem 30. September, 12 Uhr, in 32423 Minden im Hotel Landgart, Lindenstraße 52, stattfindende Wahl.

Gleichzeitig suchen wir dringend Landsleute, die sich in den Dienst der heimatlichen Arbeit stellen wollen. Deshalb bitten wir die Angehörigen und deren Nachkommen des ehemaligen Landkreises, die Interesse an der Mitarbeit in unserem Kreisausschuss haben, bei der Geschäftsstelle des Kreisausschusses unter Telefon (0571) 46297 Bewerbungsunterlagen für ihre Kandidatur anzufordern. Der letzte Einsendetermin für die Bewerbung ist der 30. August (Datum des Poststempels). Danach wird die endgültige Liste in der Preußischen Allgemeinen Zeitung/Ostpreußenblatt veröffentlicht.

Die vorläufige Liste der Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge (Die Kandidatur weiterer Bewerber wird, sobald wie möglich, bekannt gegeben):

Dorothea Blankenagel, geboren am 6. Mai 1929, Heimatort: Neuhausen, Mitglied des Kreisausschusses seit 1974, wohnhaft Heerstraße 59, 47053 Duisburg.

Gisela Broschei, geboren am 5. März 1931, Heimatort: Groß Ottenhagen, wohnhaft Bleichgrabenstraße 91, 41063 Mönchengladbach, Kreisvertreterin seit 2003.

Barbara Dörr-Bressem (Eltern aus Löwenhagen), geboren am 21. Dezember 1946, Mitglied des Kreisausschusses seit 2009, wohnhaft Am Johannisbach 28, 33739 Bielefeld.

Axel Doepner, geb. 26. März 1935, Heimatort: Schleuduhnen, Mitglied des Kreisausschusses seit 2009, seit Januar 2013 Schatzmeister, wohnhaft Am Ostbahnhof 14, 40878 Ratingen.

Wolfgang Knitter, geboren am 26. August 1937, Heimatort: Schaakswitte, Mitglied des Kreisausschusses seit 2003, wohnhaft Matthias-Grünewald-Straße 32a, 31515 Wunstorf

Carl Mückenberger, geb. am 24. Juli 1931, Heimatort: Stangau, Mitglied des Kreisausschusses seit 1988, seit 2003 stellvertretender Kreisvertreter und Geschäftsführer, wohnhaft Neißestraße 13, 32425 Minden.

Manfred Schirmacher, geboren am 28. März 1937, Heimatort: Postnicken, seit vielen Jahren Mitglied des Kreisausschusses, wohnhaft Tulpenweg 2, 59192 Bergkamen-Overberge.

Willi Skulimma, geboren am 26. November 1934, Heimatort: Waldau, Mitglied des Kreisausschusses seit 1999, wohnhaft Aakerfährstraße 59, 47058 Duisburg.

Wolfgang Knitter, Vorsitzender des Wahlausschusses,

Gisela Broschei,

 Kreisvertreterin

 

LYCK

Kreisvertreterin: Bärbel Wiesensee, Diesberg 6a, 41372 Niederkrüchten, Telefon (02163) 898313. Stellvertr. Kreisvertreter: Dieter Czudnochowski, Lärchenweg 23, 37079 Göttingen, Telefon (0551) 61665. Karteiwart: Siegmar Czerwinski, Telefon (02225) 5180, Quittenstraße 2, 53340 Meckenheim.

Das 15. Ortstreffen von Morgengrund, Mostolten, Siegersfeld, Stettenbach und Baitenberg fand in diesem Jahr vom 9. bis 11. Mai nach einer einjährigen Pause, wieder in Bad Pyrmont statt.

Der Einladung der Ortsvertreterin von Morgengrund Anorthe Nilson, geborene Czudnochowski, folgten 20 heimatverbundene Teilnehmer. Das familiäre Treffen fand in der romantischen Hotel-Pension Villa Königin Luise in der Schloßstrasse statt.

Nach der Begrüßung und der Vorstellung einiger neuer Teilnehmer verlas Dieter-J. Czudnochowski ein Grußwort der Kreisvertreterin Bärbel Wiesensee, umrahmt mit dem Gedicht „Ostpreußische Gastfreundschaft“. Ein gemeinsam gesungenes Lied, von Günter Donder auf der Mundharmonika begleitet, stimmte alle auf die kommenden Stunden des regen Gedankenaustausches ein.

Eine Foto-Präsentation vergangener Treffen lockerte mit fröhlichen Bemerkungen den Abend auf. Am folgenden Tag erfreute uns Günter Donder mit einem Auszug aus seinen selbst verfassten Veröffentlichungen mit dem Beitrag der Geschichte „Die Freundschaftsglocke“. Um das Geschichtsbewusstsein etwas aufzufrischen referierte dann Gerd Bandilla über das „Kirchspiel Baitenberg“.

Das schöne Wetter lud zu einem individuell gestalteten Kurparkbesuch ein. Nach dem Fototermin folgten alle der Einladung der Ortsvertreterin zum gemeinsamen Kaffeetrinken ins Bärchen-Café. Der Abend stand unter dem Motto „Frühere Ostpreußen-Reisen“. Gerd Bandilla, der seit 1971 schon 107 Ostpreußenreisen vorweisen kann, gab zu zwei Reisen persönliche Erklärungen ab.  Ausgewählt wurden die Reisen 2007 mit einer Hagener Delegation  und 2011, die letzte von ihm organisierte Fahrt. In einer kleinen fröhlichen Runde klang der erlebnisreiche Tag aus.

Der nächste Tag begann mit einem Ständchen für Elisabeth Hüsgen, die ihren 82. Geburtstag feierte. Den Vormittag bereicherte Günter Donder mit weiteren selbst erlebten Geschichten aus seinem Buch „Kurze Geschichten, die das Leben schrieb“. Desweiteren gab er einen kleinen Einblick in sein künstlerisches Malerleben durch einige mitgebrachte Porträt-Gemälde. Zum Ende der Veranstaltung dankte er im Namen aller Anwesenden der Organisatorin Anorthe Nilson für den gelungenen Ablauf und überreichte ihr ein persönliches Buchgeschenk. Die versammelten Teilnehmer beendeten diese harmonischen Tage mit dem Singen des Ostpreußenliedes. Mit großer Zustimmung ist ein weiteres Treffen für das Frühjahr 2018 geplant.

 

MOHRUNGEN

Kreisvertreterin:  Ingrid Tkacz, Knicktwiete 2, 25436 Tornesch, Telefon/Fax (04122) 55079. Stellv. Kreisvertreterin; Luise-Marlene Wölk, Schwalbenweg 12, 38820 Halberstadt, Telefon (03941) 623305. Stellv. Kreisvertreterin Monika Buddych, Op de Dümmer 32, 45772 Marl/Westf., Telefon (02365) 691690. Schatzmeister: Frank Panke, Eschen-weg 2, 92334 Berching, Telefon (08462) 2452. Geschäftsstelle Horst Sommerfeld, Lübecker Straße 4, 50858 Köln, Telefon (02234) 498365.

Sonntag, 2. Juli: Heimattreffen der Prökelwitzer und Schlobitter in Bücken. Beginn ist um 10 Uhr mit dem Gottesdienst im Dom zu Bücken. Anschließend: Landhaus Hünecke, 27333 Warpe.

Sonnabend, 16. September, 31542 Bad Nenndorf: Zwischen 10.30 und 13 Uhr tagt der Kreistag im Hotel Esplanade.

Sonnabend, 16., bis Sonntag,

17. September, 31542 Bad Nenndorf: Heimatkreistreffen im Grandhotel Esplanade/L`Orangerie, Bahnhofstraße 8. Der Programmablauf wird noch bekanntgegeben. Über eine zahlreiche Teilnahme würden wir uns sehr freuen.

Termine in der Heimat:

Montag, 5. Juni: Zehnjähriges Bestehen der Gedenkstätte „Lapidarium“ in Liebstadt

Dienstag, 6. Juni: Zehnjähriges Bestehen der Mohrunger Stuben, Mohrungen

Freitag, 25. August: Herders-Geburtstags-Feier in Mohrungen

Sonnabend, 26. August: 25-jähriges Bestehen des Vereins der Deutschen Bevölkerung „Herder“ in Mohrungen. Um 11 Uhr findet die Jubiläumsfeier in der „Aula“ der Herderschule in Mohrungen statt.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Alle Tilsiter sind herzlich zum diesjährigen mitteldeutschen Regionaltreffen in Leipzig eingeladen. Es findet am Samstag, dem 17. Juni, in der Gaststätte „Seilbahn“, Max-Liebermann-Straße 91 in 04157 Leipzig statt. Einlass ist ab 9 Uhr. Um 10 Uhr wird die Veranstaltung mit dem Glockengeläut des Königsberger Doms und dem „Ostpreußenlied“ feierlich eröffnet. Die Besucher erwartet ein anspruchsvolles Programm. Mit einem interessanten Vortrag unter dem Titel „Angekommen in der neuen Heimat“ wird Professor Heinz Radszuweit aus Cottbus seinen Lebensweg vom ostpreußischen Dorfjungen bis in die Höhen der medizinischen Wissenschaft schildern. Das Programm wird umrahmt von musikalischen Darbietungen des Chors „Heimatmelodie“ aus Dresden, des Kinder-Ensembles „Sonnenschein“ aus Leipzig und des Blasorchesters der Freiwilligen Feuerwehr Seehausen. Die Gaststätte „Seilbahn“ sorgt für die gastronomische Betreuung während der gesamten Veranstaltung und bietet auch auf Wunsch zwei preisgünstige Mittagessen an. Das Heimattreffen wird gegen 18 Uhr seinen Abschluss finden. Auskünfte sind bei Eberhard Grashoff, Telefon (0341) 9010730. erhältlich.

Liebe Tilsiterinnen und Tilsiter! Lasst uns die Gelegenheit nutzen, in Leipzig zusammenzukommen. Die Tische für die Tilsiter sind ausgeschildert. Wir werden ausreichend Gelegenheit haben, über Erinnerungen aus der Heimat zu plachandern und werden uns wieder einmal in heimatlicher Umgebung wohlfühlen. Bis zum Wiedersehen in Leipzig grüßt der Vorstand der Stadtgemeinschaft Tilsit


S. 17-18 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BAYERN

Vors.: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Ansbach – 27. Mai, 15 Uhr, Orangerie: „Das Freilandmuseum in Hohenstein“, Bildpräsentation von Ralph Loos (Gunzenhausen).

Hof – 3. bis 10. Juni: Ostpreußenreise. Es sind noch Plätze frei.

Landshut – Dienstag, 6. Juni,

14 Uhr: Treffen beim Minigolf-Platz, Mitterwöhr.

 

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, 70192 Stuttgart, Telefon  (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. (0711) 6336980.

Landesgruppe – Mittwoch, 14. Juni, 19 Uhr, Parkhotel Pforzheim, Deimlingstraße 36, Pforzheim: 141. Preußischen Tafelrunde der Landesgruppe und der Kreisgruppe Pforzheim/Enzkreis im BdV. Nach einem gemeinsamen ostpreußischen Abendessen referiert der Pfarrer im Ruhestand Klaus Plorin über „Martin Luther, Herzog Albrecht und die Reformation in Ostpreußen“. Aus dem Vor-tragsinhalt: Nach Beratungen mit dem Reformator Martin Luther legte der letzte Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach aus der fränkischen Linie der Hohenzollern am 8. April 1525 in einem großen Festakt in Krakau den weißen Ordensmantel ab und ließ sich von seinem Onkel, König Sigismund von Polen, als weltlicher und erblicher Herzog in Preußen anerkennen, lehnsabhängig vom polnischen König. Der Orden in Preußen war damit untergegangen. Die Geschichte des Herzogtums Preußen bis hin zum Königreich Preußen und dessen Einbindung in das Erste Deutsche Reich konnte beginnen. Martin Luther gab den einzig richtigen Kommentar zu dieser Wandlung: „Siehe dieses Wunder! In vollem Lauf, mit vollen Segeln eilt jetzt das Evangelium nach Preußen“. Pfarrer Plorin berichtet, wie durch Luthers Einwirken und Albrechts Entscheidungen Ostpreußen die erste evangelisch-lutherische Landeskirche und der erste evangelisch-lutherische Staat in Europa wurde, und was wir dem damaligen und weiteren Geschehen dort bis heute noch immer verdanken.

Für das Abendessen sind 20 Euro zu überweisen an: LM Ostpreußen, Landesgruppe, IBAN: DE39 6425 1060 0000 1332 21, BIC: SOLADES1FDS. Anmeldungen bei Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon (0711) 854093 oder E-mail: uta.luettich@web.de.

Stuttgart – Dienstag, 6. Juni, 14.30 Uhr, Kleiner Saal, Haus der Heimat, Schloßstraße 92: Frauengruppe und Kreisgruppe treffen sich zu einem interessanten Nachmittag mit Berichten über Pfingsten damals in der Heimat und heute mit Gedichten und Liedern. Gäste sind herzlich eingeladen.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Angerburg, Darkehmen, Goldap – Donnerstag, 1. Juni, 14 Uhr, Restaurant „Oase“, Borussiastraße 62, 12102 Berlin: Berichte aus Ostpreußen. Anfragen: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Königsberg – Freitag, 9. Juni, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg- Straße 10, 10709 Berlin-Halensee: gemeinsames Treffen, Anfragen bei Elfi Fortange Telefon (030) 4944404.

Rastenburg – Sonntag, 11. Juni, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin, Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Frauengruppe - 12. Juni, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Frauengruppe, Referat über Ostpreußen, Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354

Bartenstein – Anfragen für gemeinsames Treffen bei Elfi Fortange, Telefon  (030) 4944404.

 

BREMEN

Vorsitzender: Helmut Gutzeit, Telefon (0421) 25 09 29, Fax (0421) 25 01 88, Hodenberger Straße 39 b, 28355 Bremen. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Bremen – Freitag 2. Juni, 12 Uhr. Hotel Robben, Grollander Krug (Telefon 0421/514620), Emslandstraße 30, Bremen-Grolland: Die Frauengruppe lädt alle Mitglieder und Freunde der Landsmannschaft herzlich zum Spargelessen (Preis: 19,90 Euro pro Person) ein. Anfahrt über die BSAG-Linien 1 und 8, Haltestelle: „Norderländerstraße“. Anmeldungen bitte bei Frau Richter, Telefon 405515. – Dienstag, 6. Juni, 19 Uhr, Borgfelder Landhaus, Warfer Landstraße 73 (Haltestelle „Truper Deich“ der BSAG-Linie 4): Dr. Christoph Hinkelmann vom Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg hält einen Vortrag zum Thema „Jagdparadies Rominten – Mythos und Wirklichkeit“.

– Nach Schwerin–

Nachdem alle, die im Vorjahr die Drei-Tagesfahrt nach Greifswald und zum Treffen in Neubrandenburg mitmachten, über das Programm mit Chören und Kulturgruppen junger Teilnehmer aus dem polnischen, russischen und litauischen Teil Ostpreußens sowie dem Treffen aller 40 Heimatkreise begeistert waren, wurde beschlossen, auch das diesjährige Treffen der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern als Ziel einer Gruppenreise anzubieten. Geplant war zunächst eine Zwei-Tagesfahrt, doch war es nicht möglich, ein Hotel nur für eine Übernachtung zu buchen. Da nur rund 210 Kilometer pro Strecke zu fahren sind, ist nun eine Tagesfahrt mit früher Abfahrt in Bremen geplant.

Gestartet wird um 7.30 Uhr ab ZOB Bremen (Cinemaxx). Ankunft ist um etwa 10.15 Uhr in Schwerin. Die Rückfahrt ist um 17.15 Uhr, sodass wir um zirka 20 Uhr wieder in Bremen sein werden. Der Preis beträgt pro Person 39,50 Euro zuzüglich 7 Euro Eintritt zum Treffen. Die Mindestteilnehmerzahl beträgt 20 Personen; sollten 25 oder mehr Personen teilnehmen, ermäßigt sich der Fahrpreis auf 32,50 Euro pro Person. Die Teilnahme am Ostpreußentreffen ist nicht zwingend, stattdessen kann der Tag auch individuell in Schwerin verbracht werden.

Anmeldungen sind bitte baldmöglichst, spätestens bis 1. August, an Sausner Reisen, 28816 Stuhr, Telefon (0421) 801801, zu übermitteln.

Bremerhaven – Am Kulturnachmittag der Landsmannschaft der Ost-  und Westpreußen sowie des Heimatkreises Elbing, Gruppe Bremerhaven, am 28. April im Ernst-Barlach-Haus am Holzhafen trafen sich 23 Mitglieder der Landsmannschaft, um den Film „Romantisches Masuren“ über den südlichen Teil Ostpreußens zu sehen. Die lebhaften Gespräche an den Tischen im Anschluss bewiesen, dass der Film gut ankam und viele Erinnerungen auslöste.

Der turnusgemäße Heimatnachmittag am 26. Mai findet nicht statt, dafür aber am gleichen Tag ein „Grillfest“ in Regie des Ernst-Barlach-Hauses, zu dem alle Organisationen eingeladen wurden, die dort ihre Veranstaltungen durchführen. Von den Ostpreußen haben sich etliche bereits angemeldet – schließlich will man sich ja auf jeden Fall einmal im Monat treffen.

Statt des Heimatnachmittags im Juni wird voraussichtlich ein Ausflug zum Fischereihafen mit einem Kaffeetrinken auf dem Marktplatz am 30. Juni stattfinden. Im Juli und im August ist Sommerpause. Die Ostpreußen treffen sich dann erst wieder am 22. September im Barlachhaus zur Erntedankfeier. B. Sandmann,

                 Zweiter Vorsitzender

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPEN

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat um 12 Uhr im Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Ein kulturelles Programm mit Bildvorträgen, Gedichten und gemeinsamem Singen erwartet Sie. Gäste sind herzlich willkommen. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg, Telefon (040) 587585, Fax: (040) 52678519, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

STADTTEILGRUPPE

Bergedorf – Freitag, 26. Mai, 15 Uhr, Haus des Begleiters, Harders Kamp 1: Treffen der Frauengruppe. Es gibt Kaffee und Raderkuchen, außerdem eine Lesung aus Robert Budzinskia „Die wichtigsten Ortschaften des Landes Ostpreußen“.

 

HESSEN

Vorsitzender: Ulrich Bonk, Stellvertretender Vorsitzender: Gerhard Schröder, Engelmühlenweg 3, 64367 Mühltal, Telefon (06151) 148788

Kassel – Donnerstag, 1. Juni, 14.30 Uhr, AWO-Altenzentrum, Am Wehrturm 3: Lichtbildvortrag von Gerhard Kaletha (Düsseldorf): „Anton Möller – der Danziger Maler“.

Rüsselsheim – Sonnabend,

10. Juni, 15 Uhr, Aula der Immanuel-Kant-Schule, Evreuxring 25: Großer Volkstumsnachmittag mit ostdeutschen Musik- und Tanzgruppen zum Tag der Vertriebenen beim 57. Hessentag.

Wetzlar – Montag, 12. Juni,

19 Uhr, Restaurant „Grillstuben“, Stoppelberger Hohl 128: „Bernstein – Gold des Nordens – und die Bernsteinstraße“. So lautet das Thema beim Treffen der Kreisgruppe Wetzlar. Darüber spricht Roland Virnich. Der Eintritt ist frei. Kontakt: Kuno Kutz, Telefon (06441) 770559.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Helmstedt – Donnerstag, 8. Juni, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Treffen der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Auskünfte erteilt Frau Anders, Telefon (05351) 9111.

Oldenburg – Mittwoch, 14. Juni, 15 Uhr, Stadthotel, Hauptstraße 28: „Die Marienburg in Westpreußen und ihre neue Madonna an der Schlosskirche“ – Vortrag mit Bildern von Professor Helmut Freiwald, Mitglieder und Freunde der Kreisgruppe sind herzlich willkommen. 

Osnabrück – Dienstag, 30. Mai 16.30 Uhr, Hotel „Ibis“, Blumenhaller Weg 152: Kegeln.

Rinteln – Donnerstag, 8. Juni 2017, 15.00 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Vortrag von Dr. Hans-Walter Butschke aus Lemgo „Friedrich Schiller: Dramen und Balladen - ein Überblick“. Landsleute und ihre Nachkommen sowie alle interessierten Gäste aus Nah und Fern sind beim Monatstreffen der Gruppe zusammen mit ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten herzlich willkommen. Auskünfte zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 53 86 oder über rebuschat@web.de.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bielefeld – Donnerstag, 1. Juni, 15 Uhr, 2. Stock, Geschäftsstelle, Wilhelmstraße 1b: Gesprächskreis der Königsberger und Freunde der ostpreußischen Hauptstadt.

Düsseldorf – 29. Mai, GHH: Vorbereitungstreffen „Studienreise ins Baltikum“. – Mittwoch, 31. Mai, 19 Uhr, GHH: Vortrag von Dr. Bärbel Beutner: „Ich komme aus einer großen Landschaft“ – Der ostpreußische Dichter Ernst Wiechert (1887–1950). – Mittwoch, 7. Juni, 15 Uhr, Raum 311, GHH: Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt. Donnerstag, 8. Juni,

9 Uhr: Tagesfahrt nach Köln, Abfahrt am Busbahnhof Worringer Straße. 10.15 Uhr 1,5 stündige Stadtrundfahrt, vorbei an den Zeugen des römischen und mittelalterklichen Kölns. Gezeigt und erklärt werden die Sehenswürdigkeiten aus allen Epochen. Mittagessen in einem Kölner Brauhausrestaurant, 14 Uhr Besuch des Käthe-Kollwitz-Museums, Kaffeepause um Café Reichhard. Zeit zur freien Verfügung. 18.30 Uhr: Rückfahrt vom Bushaltepunkt „Komödienstraße“ zurück nach Düsseldorf, geplante Ankunft gegen 20 Uhr. Die Kosten für Busfahrt in einem modernen Reisebus, Stadtrundfahrt mit Stadtführer, Eintritt und Führung im Käthe-Kollwitz-Museum und Mittagessen betragen 70 Euro pro Peron (bei 20 Teilnehmern, ab 25 Teilnehmern erfolgt anteilige Fahrtkostenerstattung). – Freitag, 9. Juni, 19 Uhr, Eichendorffsaal, GHH: Lesung und Gespräch mit Carolin Emcke „Gegen den Hass“, nochmals Montag, 12. Juni, 19 Uhr. – Sonnabend, 10. Juni, 18 Uhr, GHH: Lesung und Gespräch mit Iris Wolff „So tun, also ob es regnet“. – Dienstag, 13. Juni, 18.30 Uhr, GHH: Ausstellungseröffnung „Gegen den Wahnsinn“ – der syrische Karikaturist Silo. – Dienstag, 13. Juni, 19.30 Uhr, GHH: Vortrag und Lesung mit Felix Ackermann „Zweierlei Untergang: Das Ende der kleinsten ostpreußischen Stadt Schirwindt und der Holocaust in Litauen. – Dienstag, 13. Juni, 19.30 Uhr, GHH_ Lesung mit Andreas Platthaus „Das geht ins Auge“ – Geschichte der Karikatur.

Mittwoch, 14. Juni, 15 Uhr, Bibliothek, 2. Etage, GHH: Leseinspirationen aus der Bibliothek „Bücher im Gespräch“.

– Jahreshauptversammlung –

Sonnabend, 27. Mai, 14 Uhr, Konferenzraum, GHH: Jahreshauptversammlung LMO, Kreisgruppe Düsseldorf.

Wuppertal – Sonnabend, 3. Juni, ab 14 Uhr, „Alte Färberei“, Stennert 8, Wuppertal-Oberbarmen: 7. Ostpreußisches Maifest. Bei Kaffee, Tee und belegten Brötchen wird ein buntes Unterhaltungsprogramm geboten. Es treten die Tanzgruppe von Ursula Knocks, die Pianistin M. Kogan, der Geigensolist J. Schewalenko und das Mundharmonika-Duo Waltraut Bombe und Ulla Busch auf. Auch Sketch- und Wortbeiträge bereichern das Programm. Zum Tanz und zur Unterhaltung spielt in bewährter Weise Christoph Marr. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle,  Telefon privat (0345) 2080680.

Magdeburg – Dienstag, 6. Juni, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 9. Juni, 16 Uhr, Sportgaststätte TuS Fortschritt, Zielitzer Straße: Singkreis. – Sonntag, 11. Juni, 14 Uhr, Sportgaststätte Post, Spielhagenstraße: „Pfingsten lässt grüßen. Bräuche in der Heimat“.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner, Julius-Wichmann-Weg 19, 23769 Burg auf Fehmarn, Telefon (04371) 8888939, E-Mail: birgit@kreil.info

Landesgruppe – Sonntag, 25. Juni, 10 Uhr, Haus der Heimat , Kiel: Vertreterversammlung der Landesgruppe. Die Tagesordnungpunkte des Treffens:

1. Begrüßung, Eröffnung der Veranstaltung und Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Einladung durch den Landesvorsitzenden Edmund Ferner,

2. Wahl der Mandatsprüfungskommission,

3. Totenehrung durch Herrn Gawehns,

4. Grußworte,

5. Genehmigung des Protokolls der Vertreterversammlung vom 26. Juni 2016,

6. Rechenschaftsbericht des Landeskulturreferenten,

7. Ehrungen,

8. Wir singen Volkslieder,

9. Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2016, Peter Gerigk,

10. Bericht der Kassenprüfer,

11. Entlastung des Vorstandes und der Kassenführung,

12. Genehmigung des Haushaltsplans 2017, Peter Gerigk (mit Aussprache),

13. Bericht der Frauenbeauftragten über ihre Arbeit, Frau Harder, 14. Wahlen: a) Erster Vorsitzender, b) Zweiter Vorsitzender, c) Schatzmeister und Erster Stellvertreter/in d) Schriftführer, e) 2 Beisitzer,

15. Wir singen Volkslieder,

16. Bericht über die letzte Tagung der OLV im November 2016, Herr Gerigk,

17. Einstündige Mittagspause (zirka 13 Uhr),

18. Referate: „Was bedeutet der Wirtschaftsboykott gegen Russland für über 6000 Firmen aus Deutschland?“, „Welche wirtschaftlichen Beziehungen verbinden uns mit Polen?“, „Welche Migrationskosten kommen auf uns zu?“, Dr. Heese, mit Aussprache,

19. Wir singen Volkslieder,

20. Verschiedenes, unter anderem berichtet Gisela Harder über das Treffen der Deutschen Minderheit in Ostpreußen,

21. Kaffeetrinken,

22. Die Vertreterversammlung schließt mit dem Singen des Ostpreußenliedes.

Uetersen – Freitag, 9. Juni, 15 bis 17 Uhr, Haus Ueters End, Kirchstraße 7: Bericht des Landesvorsitzenden Edmund Ferner mit DIAs über seine neuerliche Reise durch das „Reich der Mitte“, durch China.


Mit Gänsehaut
Das Jahrestreffen in der Stadthalle Neuss 

Wenn ein paar Hundert Ostpreußen zusammenkommen, um gemeinsam zu feiern, passiert jede Menge. Klar, dass eine Ausgabe der PAZ nicht ausreicht, um alle Gänsehautmomente, gewichtigen Auftritte und liebenswerten Randereignisse zu würdigen, Hier noch ein kleiner Nachtrag des Jahrestreffens der Landsmannschaft in der Stadthalle Neuss am 13 Mai.

GETRAGEN: Für Gänsehaut sorgte der feierliche Einmarsch der Fahnenträger zu den Klängen von Preußens Gloria. Die Wappen aller Heimatkreise wurden gemessenen Schrittes quer durch den Saal getragen und auf der Bühne zu einem Schaubild platziert. Die kleine Fahnenträgerin von der Tanzgruppe Saga – mit dem Wappen von Heilsberg –  hatte sichtlich Spaß an der Aktion. Gefördert wurde der Auftritt von Saga beim Jahrestreffen durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

GESAGT: Eine Grundsatzrede hatte Stephan Grigat angekündigt. Der Sprecher der Landsmannschaft hielt, was er versprach. Deutliche Worte fand er nicht nur für die unsäglichen Vergleiche zwischen den Vertriebenen von einst und den Asylsuchern von heute. Die wachsende Kriminalität, eine staatsgefährdende Zuwanderungspolitik und Tendenzen, die Meinungsfreiheit einzuschränken, wurden ebenfalls kritisch kommentiert. Der kräftige Applaus am Ende  der Klartext-Ansprache zeigte, dass er vielen Ostpreußen aus der Seele gesprochen hatte. 

GESTOHLEN: Am Sonna-bendmorgen wurde der Kranz feierlich am „Platz der Deutschen Einheit“ niedergelegt, Stunden später, war er fort. Gestohlen. Der Dieb hatte allerdings nicht mit der Aufmerksamkeit der Neusser Polizei gerechnet. Nachdem ein junger Lkw-Fahrer bei einer Verkehrskontrolle keinen Führerschein dabei hatte, begleiteten ihn Polizisten nach Hause. Dort entdeckten sie den geraubten Trauerschmuck. Nun droht ihm eine Strafanzeige.

GESPIELT: Gerne gab LO-Mitarbeiterin Christiane Rinser am Stand der Landsmannschaft Auskunft über das neue Ostpreußen-Spiel. Sie ist der kreative Kopf hinter der spannenden Kombination aus Wissens-Quiz, Würfel-Vergnügen und Staregie-Spiel. Häufigster Besucher-Kommentar zum Spiel: „Wie schön, dass es so etwas jetzt gibt.“  Bilder (4): Horns


Ein Brückenbauer
Manfred Schukat erhielt das Bundesverdienstkreuz

Der „Vorpommern Kurier“, Anklams regionale Tageszeitung, schreibt es voller Sympathie: „Manfred Schukat und sein Engagement im und für den Vertriebenenverband werden heute in Schwerin besonders gewürdigt. Im Rahmen eines Festaktes in der Staatskanzlei erhält er das Bundesverdienstkreuz am Bande.“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) zeichnete den gebürtigen Gumbinner und Landesgruppen-Vorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen für so viele anerkennenswerte Taten aus, dass sie wahrscheinlich für zwei Bundesverdienstkreuze gereicht hätten. In der Laudatio ging der Ministerpräsident unter anderem auf die zahllosen Hilfs-transporte nach Ostpreußen ein. „Herr Schukat ist ein Brückenbauer, der sich große Verdienste um die Aussöhnung mit unseren östlichen Nachbarn erworben hat“, so Sellering.

Groß sind auch die Verdienste im Lande selbst: In Mecklenburg-Vorpommern gehörte Schukat (73) nach der Wende zu den aller-ersten, die Ostpreußen und anderen Vertriebene um sich sammelten. 1991 organisierte er im Stadttheater von Anklam ein erstes Treffen mit über 500 Teilnehmern. Mehr als 180 ähnliche Großveranstaltungen für Ostpreußen, Pommern, Schlesier und Sudetendeutsche folgten. Als 1992 die Landesgruppe der Ostpreußen in Mecklenburg-Vorpommern gegründet wurde, war Manfred Schukat von Anfang an im Vorstand tätig und ist seit 2002 Landesvorsitzender. Auf seine Initiative gehen die 20 Landestreffen der Ostpreußen zurück, die seit 1996 jährlich wechselnd in Schwerin, Neubrandenburg und Rostock stattfinden und mit 1500 bis 2500 Teilnehmern stets gut besucht sind.

Seine Heimat Ostpreußen hat Schukat seit 1988 mehr als 100 Mal besucht. Der ehemalige evangelische Prediger betreibt seit 24 Jahren einen privaten Reisedienst. In dieser Zeit hat er mehr als 240 Busfahrten mit über 20000 Mitreisenden organisiert. Im Mai und August jedes Jahres geht es nach Königsberg und Gumbinnen – meist mit zwei Bussen. Außerdem brachte er auf eigene Kosten zahlreiche Hilfs-transporte zu den in der Heimat verbliebenen Landsleuten. Dass Schukat bis 1989 zu den tapferen Regimekritikern zählte, die es wagten dem allmächtigen DDR-Regime die Stirn zu bieten, ist zwar schon mehrere Jahrzehnte her, gehört aber natürlich ebenfalls erwähnt, wenn es darum geht, einen bemerkenswerten Ostpreußen zu würdigen.               PAZ


S. 19 Heimatarbeit

»Ein schicklicher Ort«
Das Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf feiert 60-jähriges Jubiläum

Nein, schön sieht das dunkelgraue, kastenförmige Gebäude in der Düsseldorfer Bismarckstraße nicht aus. Immerhin: Breite Fensterfronten erlauben den Blick nach draußen, beziehungsweise hinein. Das eine ist im Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH) so wichtig wie das andere. Erklärtes Ziel der Stiftung, die das Gebäude besitzt und betreibt, ist es, die Kultur der historischen deutschen Ostgebiete und der deutschen Siedlungsgebiete in Ost- und Südosteuropa darzustellen und weiterzuentwickeln. Die zahlreichen wöchentlichen Veranstaltungen, die im GHH Vergangenes lebendig halten und Aktuelles mit Altherge-brachtem verknüpfen, sind in jeder Ausgabe der PAZ-Heimatseiten unter NRW nachzulesen.

Vor Kurzem beging die vom Land Nordrhein-Westfalen getragene Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus – Deutsch-osteuropäisches Forum“ ihr 60-jähriges Bestehen. Grund genug für Kuratorium und Vorstand der Stiftung sowie Partner und langjährige Begleiter, in einer Festveranstaltung einige Meilensteine aus der ereignisreichen Vergangenheit hervorzuheben und in die Zukunft zu blicken.

Zu den Gästen der Jubiläumsveranstaltung zählte Christina Kampmann, NRW-Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport. In ihrer Festrede würdigte sie besonders die Anstrengungen des Gerhart-Hauptmann-Hauses, junge Menschen für die Erinnerungskultur, für die Geschichte von Flucht und Vertreibung, zu sensibilisieren. Hans-Günther Parplies, Ehrenvorsitzender des BdV-Landesverbands, betonte in seiner Ansprache: „Es ist für die Vertriebenen und ihre Nachkommen ebenso wie für die Gesamtheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen wichtig, das Gespräch über Zukunftsfragen gemeinsam zu führen. Das Gerhart-Hauptmann-Haus ist – um es mit Kant zu sagen - der ‚schickliche Ort‘ dafür.“ Bodo Löttgen, der Generalsekretär der NRW-CDU fügte hinzu: „Gelungen ist all dies ist mit einem kleinen, aber immer hoch engagierten Kreis von Mitarbeitern, mit klugen, weitsichtigen Direktoren, mit unzähligen ehrenamtlichen Helfern und natürlich dank der Unterstützung der Landsmannschaften und des BdV.“

Helmut Harbich, Vorsitzender des Stiftungs-Vorstandes, erinnerte an die Gründer, Ideengeber und Förderer, die am 29. April 1957 die  Stiftung ins Leben riefen. Einer Zeit, in der über zwei Millionen Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten in Nordrhein-Westfalen lebten. Die Stiftung wurde damals durch einen Beschluss der  Landesregierung unter Ministerpräsident Fritz Steinhoff (SPD) begründet. Sie trug zunächst den Namen „Stiftung Haus des Deutschen Ostens“ und heißt seit 1992 „Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteuropäisches Forum“.

Zu den damaligen Aufgaben zählten die Behandlung der Vertriebenenprobleme, die Stärkung des Heimatbewusstseins der Vertriebenen sowie die Pflege der Kenntnis des deutschen Ostens und die Erhaltung seiner kulturellen Werte. Zugleich mit der Grundsteinlegung des heutigen Gerhart-Hauptmann-Hauses im Jahre 1960 gab es auch eine Urkunde mit dem Leitspruch: „Keine Stätte der Absonderung, sondern eine Stätte der Begegnung. Keine Stätte der Erinnerung, sondern eine Stätte der Zukunft“. Dieses Motto ist auch heute noch aktuell.

Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit wurde das Gebäude 1963 durch den damaligen Ministerpräsidenten Franz Meyers (CDU) eröffnet. Zu den Persönlichkeiten, die die Geschicke des Hauses an der Bismarckstraße maßgebend mitgeprägt haben, gehört der ehemalige Staatsminister Konrad Grundmann (1925–2009), der als Vorsitzender der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus tätig war. Mehr als zwei Jahrzehnte amtierte der aus dem Sudetenland stammende Oskar Böse (1924–2016) als Direktor der Stiftung. Ein markantes Erinnerungsstück der „Ära Böse“ stellt das auf seine Anregung hin 1985 angebrachte Glockenspiel am Stiftungsgebäude. Es spielt zweimal täglich bekannte Melodien ostdeutscher Herkunft und macht die Stiftung somit weithin „hörbar“. Für seine unermüdlichen Bestrebungen erhielt er 1990 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Ein weiterer, früherer Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses, Walter Engel, wohnte der Jubiläumsveranstaltung bei. Der 1942 im rumänischen Banat geborene Literaturwissenschaftler war von 1988 bis 2006 als Stiftungsdirektor tätig. Der Banater Schwabe hat die grenzüberschreitenden Aktivitäten des Hauses nach Ostmittel- und Osteuropa ausgebaut und es immer wieder geschafft, in den Programmen literarische Glanzlichter zu setzen. Auf seine Initiative geht das  überregional bekannte „Literaturforum Neues Europa“ zurück.

2006 folgte Professor Winfrid Halder als neuer Direktor der Stiftung. Der habilitierte Historiker wurde als Kind oberschlesischer Eltern 1962 in Dinslaken geboren. Seit mehr als einem Jahrzehnt leitet er die Geschicke des Hauses und ist als Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität tätig. Er setzt sich dafür ein, dass die Stiftung auch weiterhin zum völkerverbindenden Dialog im neuen Europa beiträgt und das historische und kulturelle Erbe pflegt.

In der Broschüre zum Jubiläum schreibt Halder mit Blick auf  Gegenwart und Zukunft: „Heute sehen wir uns damit konfrontiert, dass die Idee der europäischen Einigung unter dem Dach der Europäischen Union stärker in Frage gestellt werden als dies lange Zeit zuvor der Fall gewesen ist. Daher gibt es keinen Grund, die Aufgabe der 60 Jahre alten Stiftung als erledigt anzusehen. Sie sollte ihre Arbeit fortsetzen, zeitgemäß in der Form, überzeugt von der Bedeutung der Inhalte.“               Dieter Göllner


M wie  musche, N wie niep

2300 Wörter und Redensarten, damit nicht ganz vergessen wird, wie man in Ostpreußen schabbern konnte“, heißt das Büchlein, das der aus Gumbinnen stammende Pfarrer Felix Arndt (1908–1999) in fleißiger Kleinarbeit zusammenstellte. Die PAZ bringt in loser Folge Auszüge. An dieser Stelle geht es mit Folge 37 weiter:

M

Murr haben = Kraft haben

Musche = Kuh

muscheln (weiches „sch“) = vertuschen

Muschkebad = Streuzucker

muschlich = unklar in er Farbe

Mutzkopf = halb freundlicher kleiner Schlag auf den Kopf

Muskopp (langes „U“) = Schwachkopf

N

Nachschrabsel = Rest, Nachkömmling in einer Familie

nachzageln = hinterhertrödeln

Nahber = Nachbar

Nasenwärmer = Zigarette

neelen = langsam sein in dem, was man zu tun hat

Nieselpriem = nicht ernst zu nehmender Angeber

nicksch = störrisch

niep = genau

nippen, einnippen = ein bisschen einschlafen

noabern = den Nachbarn kurz besuchen

nöhlen = eine Arbeit sehr langsam tun, verdießlich zögern

Nöhlpeter = verdrießlicher Mann

Nuddel = Kurbel

nuddeln = dauernd etwas drehen oder hin und her bewegen

nuschlig = angeschmutzt, von unbestimmter Farbe

nuscht = nichts

nuscht als wie = nur


S. 20 Leserforum

Leserforum

Plötzlich werden alle Deutschen zu Verbrechern erklärt

Zu: Wie schäbig! (Nr. 18)

Frau von der Leyen schafft Konflikte in der Bundeswehr, deren Folgen sie anscheinend nicht bedacht hat. Ein Offizier hat sich mit dem Ziel, einen Anschlag auf bedeutende Personen des öffentlichen Lebens zu verüben und dies so aussehen zu lassen, als seien es Immigranten gewesen, als „Nazi“ gezeigt. Auch scheint eine ganze Gruppe dieser Ideologie gefolgt zu sein. Ursache für dieses Verhalten scheint mir die Unkenntnis über die Zeit des „Dritten Reiches“ zu sein. Daraus zieht die Verteidigungsministerin offenbar den Schluss, die Bundeswehr sei eine Armee von Gestrigen, deren Idole aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen, und sie verbietet alle Dokumente aus der fraglichen Zeit.

Die „wenigen Ausnahmen“ des aktiven Widerstandes schließt sie dabei aus. Damit reiht sie allerdings Menschen in die Gruppe der „Verdorbenen“ ein, von denen wir doch ein anderes Bild haben, zum Beispiel den Altkanzler Helmut Schmidt oder auch den Vater ihres Vorgängers de Maizière. Dass auch eine Bundeswehr über die Geschichte des deutschen Militärs Informationen dokumentieren will, lässt sie dabei völlig außer Betracht. Folgt man ihren Argumenten, so muss wohl auch schleunigst die Fahnenreihe der Geschichte Deutschlands aus dem Marineehrenmal in Laboe korrigiert werden, denn eine Hakenkreuzfahne darf es dann nie gegeben haben.

Sind wir nicht längst weit genug von der Zeit des Dritten Reiches entfernt, dass wir Deutschen endlich ehrlich mit unserer Geschichte umgehen dürfen – oder sollen? Nach Frau von der Leyen müssen wir mit allen Mitteln uns weiterhin selbst beschmutzen, indem wir der jungen Generation und dem Ausland vermitteln, dass alle Deutschen in der Zeit von 1933 bis 1945 Verbrecher waren.

Gerade deshalb halte ich es für erforderlich, offen und ehrlich mit unserer Geschichte umzugehen. Niemand glaubt, wenn er sich ernsthaft mit Geschichte befasst, dass alle Menschen einer Zeitepoche geschlossen hinter einer Ideologie stehen. Zur Aufklärung gehören deshalb historische Dokumente und entsprechende, reale Informationen über diese Zeit.

Vielleicht nimmt die Ministerin die Chance wahr, die sich durch ihr Missgeschick ergeben hat, und sorgt dafür, dass, mit dem inzwischen entstandenen Abstand, die Geschichte realistisch gelehrt und nicht nur von den Emotionen mit „Asche auf unser Haupt“ gesteuert wird. Ansonsten scheint mir ihre Zeit wohl langsam abgelaufen zu sein.       

Gerhard Hahl, Altenholz

 

 

Staatsfeind Nr. 1

Zu: Wie schäbig! (Nr. 18)

Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu. Die Gesinnungs-Polizei hat in Gestalt der Ministerin für Verteidigung in Deutschland Einzug gehalten. Was immer man darunter versteht, wer völkisches Gedankengut in sich trägt, wer fremdenfeindliche, rechtsextremistische und rassistische Ansichten vertritt, wird heute ruck, zuck zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt. Wer dann noch die Uniform eines Soldaten trägt und abweichende Meinungen schriftlich bezeugt, wird zum Terroristen gestempelt.

Der Meldeweg hat versagt, so die Ministerin und das muss verbessert werden. Wer etwas hört oder sieht, soll es dem Disziplinarvorgesetzten melden. Und dieser hat die Pflicht, ob er will oder nicht, ob es relevant ist oder nicht, weiterzumelden. Tut er es nicht, macht er sich selbst strafbar. Demnächst werden sie wohl noch eine Sonderbehörde (Horch und Guck) schaffen, die dann analysiert und auswertet. Dieses schafft auf keinen Fall Vertrauen zur politischen Führung. Im Ge­genteil: Man sät Misstrauen zwischen alten Dienstgraden in der Truppe. Das große Schweigen bricht aus, ganz nach dem Muster in der Türkei beziehungsweise der Terrakotta-Armee in China.

Politische Bildung und Belehrungen bis zum Erbrechen sollen nun für Abhilfe sorgen. Für die eigentliche Aufgabe der militärischen Ausbildung bleibt kaum noch Zeit. Und das ganze Theater nur, um von den eigenen Fehlern der Einwanderungspolitik abzulenken. Davon gibt es inzwischen genug. Da kann man nur auf Besserung hoffen.

Wilhelm Jäkel, Damme

 

 

Politischer Amoklauf gegen die Bundeswehr

Zu: Wie schäbig! (Nr. 18)

Der Amoklauf der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gegen jegliche Traditionspflege der Wehrmacht innerhalb der Bundeswehr und die weitgehende Zustimmung der Presse sowie der etablierten Parteien zeigt, wie verklemmt man der rein militärischen Leistung unserer Soldaten – der Großväter, Väter und Brüder – gegenübersteht.

Da muss man schon beim ehemaligen Kriegsgegner nachfragen, um zu einer gerechten Beurteilung zu gelangen. Der britische Historiker Norman Davies schreibt in seiner Darstellung des Zweiten Weltkriegs „Europe at War – 1939–1945“: Da die deutschen Streitkräfte „letztendlich besiegt wurden und im Namen eines geächteten Regimes kämpften, wird über das Ausmaß und die Brillanz ihrer militärischen Leistungen oft hinweggegangen. Weder westliche noch russische Kommentatoren sind bereit, zuzugeben, dass die deutsche Wehrmacht all ihren Gegnern Mann für Mann oder Division für Division überlegen war. Besiegt wurde Deutschland am Ende durch die überwältigende zahlenmäßige Überlegenheit der Alliierten ... und durch schiere Erschöpfung. Trotzdem waren, rein militärisch betrachtet, die Fähigkeiten der Wehrmacht in der Schlussphase eines Krieges, der so gut wie keine Erfolgsaussichten mehr hatte, offen gesagt, bemerkenswert.“

Und nur darum geht es, diese militärische Leistung zu würdigen! Sie ist umso notwendiger, wenn es auch um die Achtung derer geht, die ihre Pflicht taten und dafür starben. Und geradezu schäbig ist es, ihr Andenken zu verachten. Jede andere Armee in dieser Welt gedenkt ihrer Vorgänger gerade wegen deren Leistung. Das täte auch der Bundeswehr gut, wenn sie denn mehr sein soll und mehr sein will als eine bewaffnete Ausbildungs- und Aufbautruppe.

Prof. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann, Militärpfarrer (i.N.) a.D., Bohmte

 

 

Christliche Feigheit

Zu: Zurück in die illiterate Dunkelheit (Nr. 18)

Als Christ finde ich mich nicht in Artikel 4 des Grundgesetzes wieder. Er gilt in erster Linie für Muslime (es gibt übrigens keine Mohammedaner). Was würde wohl geschehen, wenn ich jeden Tag um 10.30 Uhr meinem Arbeitgeber mitteile, dass ich jetzt in die Kirche gehe, um zu beten? Wobei ich ja auch immer häufiger damit rechnen muss, dass ich vor verschlossenen Türen stehe. Oder ich bitte meinen Arbeitgeber, mir einen Gebetsraum zur Verfügung zu stellen.

Gilt das Neutralitätsgesetz auch für Christen? Wenn die Lehrerin kein kleines Kreuz tragen darf, warum gesteht man den Muslimen Verschleierungen jeglicher Art und sonstige „Verkleidungen“ zu? Warum gesteht man weiblichen Muslimen zu, sich „verkleidet“ in ein Schwimmbad zu begeben und damit zu baden? Dies ist nicht nur gefährlich, sondern auch unhygenisch.

Mit dem Kniefall gen Mekka sind wir schon ein merkwürdiges Volk. Den Islam findet eine große Anzahl einfach super, obwohl viele keine Ahnung haben, was sich dahinter verbirgt. Wir lassen uns als „Scheißchristen“ bezeichnen, wobei es nicht wichtig ist, dass man ein „eingetragener“ Christ ist. Ich kenne viele Menschen, die das nicht sind, aber die die besseren Christen sind.

Die christlichen Kirchen versäumen es, „klare Kante“ zu zeigen, und vielleicht dürfen sie es auch nicht. Sie verteidigen den Glauben nicht, weder gegenüber den Moslems noch gegenüber dem Staat. Das ist Feigheit. Und das liegt sicherlich auch daran, dass es keine wirklich Trennung zwischen Staat und Kirche gibt. Nicht nur die Zwangsabgabe „Kirchensteuer“ belegt das, sondern auch, dass der Staat sich vorbehält, bei der Besetzung einer Bischofposition zumindest mitzuwirken. Die christlichen Kirchen in Deutschland sollten sich zügig auf das „Produkt“ konzentrieren, was sie eigentlich „verkaufen“ wollen.

Heinz-Peter Kröske, Hameln


S. 21 Lebensstil

Lange Sitzung
Im brandenburgischen Storkow ist zu sehen, wie Menschen früher ihre Geschäfte verrichtet haben – Man hat »Drauf geschissen«

Auf Burg Storkow in Ostbrandenburg wird bis Februar 2018 eine Sonderausstellung zur Geschichte der Toilette von der Antike bis zur Gegenwart gezeigt. Der freche Titel „Drauf geschissen!“ er­heischt Aufmerksamkeit für ein Thema, das tendenziell mit Peinlichkeit belegt ist, aber viele Facetten hat und jeden angeht.

Die vollständig restaurierte Burg Storkow aus dem 12. Jahrhundert liegt mitten in der Kleinstadt Storkow (Landkreis Oder-Spree) in wald- und seenreicher Gegend nur eine Autostunde südöstlich von Berlin. Burg und Stadt sind auch über die Kreis- und Landesgrenzen hinaus ein attraktives Ausflugsziel. Das Zentrum von Storkow nordwestlich des Storkower Sees ist als „Denkmalbereich der historischen Innenstadt“ geschützt. Pünktlich zur 800-Jahrfeier am 26. Februar 2009 erfolgte die Eröffnung der seit dem Jahr 2000 wiederaufgebauten Burganlage.

1978 hatte ein Großbrand das Hauptgebäude der Burg aus der Renaissancezeit zerstört. Zusätzlich waren erhebliche Beschädigungen am gesamten Komplex durch den morastigen Untergrund der Niederungsburg eingetreten. Danach verfiel die Anlage. Nun steht Burg Storkow dank zahlreicher 15 Meter langer Stahlpfähle wieder auf einem soliden Fundament. Im großen Saal (Palas) des Neuen Schlosses finden Konferenzen, Konzerte, Ta­gungen und Feste statt, in den wärmeren Monaten werden Konzerte und Theaterstücke im Burghof aufgeführt. Auch ein Fachwerkhaus als neuer Sitz des Touristenzentrums sowie der Stadtbibliothek wurde wieder hergerichtet. Im Brauhaus des Alten Schlosses erzählt die Dauerausstellung „Mensch und Natur – eine Zeitreise“ die Entstehungs- und Besiedlungsgeschichte der märkischen Landschaft.

Für die neue Sonderausstellung wählten die Verantwortlichen des städtischen Kulturzentrums mit Bedacht ein Thema, das Zugkraft verspricht, wie die Kuratorin Franziska Kreis mitteilte. Einzigartig ist die Idee der Toilettenschau allerdings nicht. Im vergangenen Jahr widmete das Freilichtmuseum Detmold des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe ebenfalls dem „Blick über den Schüsselrand“ eine Sonderausstellung. Was sich viele Storkower heute schon nicht mehr vorstellen können: Bis in die 1980er Jahre gab es hier noch keine Kanalisation, daher auch kein fließendes Wasser. Die Bewohner mussten mit Plumpsklos Vorlieb nehmen. Das allein war eigentlich schon Anlass genug, die verschiedenen Erscheinungsformen des Klos einmal genauer zu betrachten.

Bis zum 12. Februar 2018 werden auf der Galerie rund 200 Exponate gezeigt, vom Nachtstuhl bis zur aufwendig bemalten Porzellanschüssel. Großenteils sind es Leihgaben aus der Sammlung der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsens GmbH. Privatleute und Heimatstuben der Region steuerten Nachttöpfe, Bettpfannen und Toilettenstühle bei. Zu den wertvollsten Stück gehört die Nachbildung eines bemalten Keramik-Kinderhochstuhls mit Töpfchen aus der römischen Antike. Die Ausstellung macht aber auch auf einen ernsten Sachverhalt aufmerksam.

Bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema wurden sich die Verantwortlichen der Problematik bewusst, dass es für über 40 Prozent der Weltbevölkerung keinen Zugang zu sauberen Toiletten gibt. Der gemeinnützige Berliner Verein Germantoilet lieferte Informationen zur nachhaltigen Sanitärversorgung und Hygieneaufklärung in der Entwicklungszusammenarbeit.

Dargestellt wird nicht nur die Entwicklung des Klos in der Stadt Storkow, auch die Lösung des Abort-Bedarfs auf Burg Storkow seit dem Mittelalter wird erhellt: Für das historische Renaissanceschloss auf Burg Storkow sind fünf Toiletten baulich nachgewiesen. Zwei weitere werden im 1775 verlorengegangenen zweiten Obergeschoss vermutet. Es handelte sich hierbei um Aborterker. Von außen sind die damaligen Öffnungen im Mauerwerk noch heute erkennbar. Die Notdurft fiel einfach auf die Burgwiese beziehungsweise in den Burggraben. Nach dem „Geschäft“ reinigte man sich mit Moos und Laub, im Winter mit Stroh oder Heu. Für die adeligen Herrschaften lagen Stoffstreifen bereit.

In einer chinesischen Textquelle aus dem 6. Jahrhundert wird bereits die Verwendung von Toilettenpapier er­wähnt. Ein Engländer meldete 1775 die Erfindung des geruchsvermeidenden Spülklosetts zum Patent an. Die wichtigste Neuerung be­stand in einem zweifach ge­krümmten Ab­flussrohr. Die Exkremente fallen in das Siphon, das nach dem Prinzip kommunizierender Röhren stets gleich hoch mit Wasser gefüllt ist.

Das erste WC in Deutschland ließ Queen Victoria 1860 auf Schloss Ehrenburg in Coburg installieren. Doch noch um 1900 benutzten die meisten Menschen in ganz Europa fast ausschließlich den bewährten Nachttopf und den Donnerbalken hinter dem Haus. Allein der vermögende Adel leistete sich aufwendig hergestellte Kommoden oder Nachtschränke mit verborgenen Leib- oder Kackstühlen. Dank mobiler Kloschüsseln war das Hin- und Herschieben dieser Möbel unnötig. Erst bei genauer Betrachtung geben sie ihre Funktion preis.

Auf dem Museumsgelände sind öffentliche und private Klohäuschen, Donnerbalken und andere nach draußen verlagerte Orte für die Verrichtung des Geschäfts aufgestellt. Mit Bildern und Texten werden die unterschiedlichen Gewohnheiten bei der Benutzung des stillen oder auch weniger stillen Örtchens erklärt – das Sitzen oder Hocken, die Einführung öffentlicher Pissoirs. In der griechisch-römischen Antike wurde in den öffentlichen Latrinen ganz zwanglos mit dem Sitznachbarn geklönt. Schmuddelige Sprüche an Toilettenwänden stehen in der Tradition der derben Sprüche auf Nachttöpfen, die früher auf dem Lande gern als Brautgeschenke überreicht wurden. Am oberen Ende der Skala jeglicher Klo-Ansprüche stehen diverse Spezialanfertigungen der heutigen Zeit. Zu sehen ist ein 7500 Euro teures Luxus-WC aus dem Angebot einer japanischen Firma, ausgestattet mit vielen Extras wie Heizung, Waschanlage und Trockner sowie einer speziellen Spülung ohne Spritzer.

Über Spar-Spülungen und Hygienemaßnahmen möchte die Kuratorin mit Besuchern bei ihren Führungen durch die Ausstellung zu sprechen kommen. Dass wir unsere Toiletten immer noch mit Trinkwasser spülen, sei ein Unding, erklärt sie. Die Ausstellung machte nach ihrer Premiere in Rochlitz bereits Station im Wasserkraftmuseum Ziegenrück und auf der Burg Mildenstein in Leisnig.               D. Jestrzemski


Auf zum Pro-Bieren
Regensburg veranstaltet Festival mit »handgemachten« Biersorten

Vor einem Jahr hat man 500 Jahre Reinheitsgebot für das Bier groß gewürdigt.  Jetzt setzt sich die Diskussion um diese Bestimmung, die nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe als Grundlagen für das Bier vorschreibt, fort. Erst kürzlich wurde der „Verband deutscher Kreativbrauer“ gegründet, dem es um ein den aktuellen Umständen entsprechendes Reinheitsgebot und um größere Freiheit und Kreativität beim Brauen geht. Auch die Deklarationspflicht, also Angaben zur Herkunft der verwendeten Stoffe, ist für die Kreativbrauer wichtig. Mit hervorgerufen wurde diese Entwicklung durch die aus den USA kommende sogenannte Craft-Bier-Szene. Ei­nen Eindruck über den Stand dieser Be­wegung in Deutschland kann man sich noch bis zum 26. Mai beim inzwischen 3. Craft Bier Festival in der Regensburger Altstadt am Neupfarrplatz machen.

„Craft Bier“ bedeutet nichts anderes als handwerklich gebrautes Bier. Hintergrund ist die Brauereistruktur in den USA, wo lange Zeit drei Großbrauereien die Bierherstellung dominierten, dann aber per Gesetz auch das Brauen zu Hause erlaubt wurde. Das führte zum Experimentieren, zum Hervorholen alter Rezepturen und Techniken, zur Produktion neuer, kreativer Biere – oft auch mit Rohstoffen außerhalb des deutschen Reinheitsgebotes: Ge­würze wie Koriander, Honig oder Pflanzen wie Wacholder. Auch in europäischen Ländern sind diese Stoffe beim Bier üblich.

Den Begriff „Craft-Bier“ würde Thomas Raab, dessen Agentur „lautlicht“ die Veranstaltung federführend organisiert, eher mit Charakter- beziehungsweise Qualitätsbiere interpretieren. Bereits heute gibt es innerhalb des Reinheitsgebotes unzählig viele Bierstile, die zum Teil aber nur noch selten hergestellt werden (Dinkel-, Hafer-, Urkorn-, Roggenbier).

Aber auch der nur in der Nordoberpfalz verbreitete „Zoigl“ kann durchaus als besonderer Bierstil gesehen werden. Und innerhalb des Reinheitsgebotes sind zudem Spielarten bei der Verwendung verschiedener Hopfensorten, der Einbringung des Hopfens, diverse Hefen oder auch durch die Lagerung des Bieres (in einem Whiskyfass) möglich. Auch bei den Getreidesorten gibt es viele Variationen. Der Präsident des Bayerischen Brauerbundes, der Kehleimer Brauereichef Georg Schneider, spricht von 24 Milliarden Ge­schmack­s­richtungen, die innerhalb des jetzigen Reinheitsgebots dargestellt werden können.

Dazu gehören auch Bierstile wie IPA (India Pale Ale), Stout oder Porter, die inzwischen viele bodenständige Brauereien in eigenen Linien und Manufakturen im Angebot ha­ben. Speziell diese Biere, aber auch andere kreative Biergetränke brauen inzwischen auch viele Klein- und Hausbrauereien. Aber auch Sauerbiere wie Gose, gebraut etwa mit Salz, Koriander und Milchsäure, sind in der Angebotspalette. Ob nur für den Absatz im Ort oder weltweit übers Internet – die Ansätze sind höchst unterschiedlich. Auf also zum Pro-Bieren nach Regensburg – rund 40 Brauereien laden ein!                Markus Bauer

Internet: www.craftbierfestival.de


Süßes Früchtchen
Endlich ist es soweit: Die Erdbeerzeit beginnt

Erdbeeren sind inzwischen das ganze Jahr über verfügbar. Sie kommen aus Spanien, Marokko oder noch ferneren Regionen der Welt, wo sie zum Teil in Gewächshäusern reifen. Danach schmecken sie aber auch: einfallslos und fad. Echte Erdbeer-Gourmets freuen sich daher auf den Mai, wenn die ro­ten Früchte direkt von den heimischen Feldern und Beeten kommen. Wegen des kühlen und nassen Frühjahrs reiften sie diesmal mit etwa dreiwöchiger Verspätung. Doch jetzt ist es soweit: Die ersten Früchte aus deutscher Freilandzüchtung erobern die Obstregale.

Seit 150 Jahren werden Erdbeeren hierzulande angebaut und von Mai bis Mitte August verkauft. Je nach Sorte sind sie oft noch bis in den September hinein verfügbar. Die prallen, roten, saftigen Beeren sind neben Äpfeln das beliebteste Obst. Rund 3,4 Kilogramm Erdbeeren werden pro Kopf jährlich verspeist. Annette Neubert, Ernährungswissenschaftlerin im Nestlé Ernährungsstudio, sagt: „Ungefähr tausend verschiedene Sorten sind derzeit bekannt. Sie liefern eine Menge Vitamine und Mineralstoffe – vor allem Vitamin C.“

Am besten ist es, Erdbeeren frisch gepflückt vom Feld zu kaufen oder selbst zu pflücken. Kleinere und mittlere Beeren haben oft mehr Aroma als große. Die Früchte bleiben nur wenige Tage frisch und sind sehr empfindlich. Darum sollten sie nicht länger als ein bis zwei Tage kühl und trocken gelagert werden. Lagern die Beeren übereinander oder be­kommen Druck­stellen, werden sie schnell matschig. „Erdbeeren bleiben längere Zeit haltbar, wenn sie ungeputzt und ungewaschen eingefroren werden“, empfiehlt Neubert, „nach dem Auftauen sind sie dann noch schön fest.“

Am besten schmecken Erdbeeren erntefrisch. Pur eignen sie sich als Dessert mit Joghurt, Quark und Pudding. Sie schmecken darüber hinaus als Kuchenbelag und in Scheiben geschnitten auf einem mit Camembert belegten Brötchen oder Toast. Mit einem Schlag Sahne lassen sie sich verfeinern. Besonders raffiniert schmecken sie mit schwarzem Pfeffer und Balsamico-Essig oder mit Eisbergsalat.           H. Tews


Eine wertvolle Goldene Palme

Neben dem Goldenen Bären von Berlin gilt die Goldene Palme von Cannes als begehrteste Auszeichnungen bei Filmfestspielen. Wenn zum Ab­schluss desdiesjährigen Festivals am 28. Mai die Preise vergeben werden, halten die Gewinner tatsächlich Wertvolles in der Hand: Die aus 24-karätigem Gold und Bergkristall hergestellte „Palme d’Or“, die zum 70. Jubiläum des Festivals außerdem mit 167 Mini-Diamanten besetzt ist, hat laut dem Fi­nanzdienstleister Vexcash einen beachtli­chen Materialwert von 25000 Euro. Sie ist damit die mit Ab­stand wertvollste Trophäe und übertrifft den Goldenen Bären der Berliner, der auf einen Warenwert von rund 3500 Euro kommt, bei Weitem. Die von der schlesischen Künstlerin Renée Sintenis gestaltete 2,5 Kilogramm schwere Statue besitzt nur eine dünne Schicht aus Gold. Im Inneren besteht sie aus Bronze.

Damit ist sie immer noch kostbarer als der berühmte Film-Oscar. Der Materialwert der Auszeichnung der US-Academy Award liegt bei nur 275 Euro und setzt sich aus einer Mischung von Nickel, Kupfer, Silber sowie einer oberflächlichen dünnen Goldglasur zusammen. Natürlich übersteigt der ideelle den materiellen Wert dieser Trophäen erheblich. Ein Verkauf würde mindestens einen fünfstelligen Betrag einbringen. Allerdings müssen alle Gewinner einen Vertrag unterschreiben, der den Weiterverkauf des Oscar untersagt.     tws


S. 22 Bücher im Gespräch

Denkanstoß
Edgar Wolfrum erzählt seine Geschichte des 20. Jahrhunderts

Geschichtsschreibung ist subjektiv. Dies demonstriert Edgar Wolfrum, Jahrgang 1960, mit seiner „anderen Geschichte des 20. Jahrhunderts“. Sie beginnt damit, dass er sie erst mit 1914 beginnen lässt, als ob der Erste Weltkrieg keine Vorgeschichte gehabt hätte. So gelingt es ihm dramaturgisch, die Komplexität und Totalität der Geschichte so zu reduzieren, dass eine Erzählung, ein Narrativ, entsteht. Es ist nun Sache des Lesers, die begreifbar dargestellten Sinnzusammenhänge zu werten oder zu verwerfen, denn der Autor bekennt: „Geschichte hat kein Ziel und bleibt stets offen“. 

Das Buch beginnt mit „Die Väter und Mütter aller Dinge“ über Krieg und Frieden, Demokratie und Diktatur, die Dritte Welt sowie starke und gescheiterte Staaten. Dies ist der historische Teil, der die „Weltordnungsmodelle“ aufzeigt, die Konstellationen und „Unionen nach 1945“ beschreibt und mit der Frage endet „Quo vadis Europa?“ Kann die Europäische Union die enormen Aufgaben leisten? Die Wirtschafts- und Währungskrise, Terror, Grenzsicherung, Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Bürger?

Der zweite Teil nennt sich „In den Dramen des Lebens“. Es geht um Naturbeherrschung und Umweltkatastrophen, den Kampf der Medizin gegen Krankheiten, um Vertreibung und Mobilität, um Genozide und die Konventionen gegen Völkermorde. Wozu der Mensch fähig ist, das zeigt das Kapitel „Jahrhundert der Flüchtlinge“ mitsamt den vielen Genoziden nach Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945. Wolfrum: „Es als ein Zeitalter zu beschreiben, in dem die Menschenrechte Fortschritte machten, fällt viel schwerer.“ Praktisch alle „Verbrechen gegen die Menschheit“, auch die Vertreibung der Deutschen blieben ungestraft und damit ungesühnt.

Teil drei handelt „vom Wahren, Schönen, Guten“. Die künstlerische Avantgarde kleidete sich in „Ismen“. Diese „Ismen“ durchdrangen alle Lebensbereiche und „durch die neuen Medien wurde die Welt kleiner, die Katastrophen hingegen wurden durch Gewalt-herrschaft und Weltkriege viel größer“. Die Leitfrage des letzten Kapitels ist, ob die Menschheit angesichts aller Fortschritte immer „wissender“ geworden ist. Das Dilemma der Moderne scheint zu sein, dass alle Erziehungsprojekte und Bildungsrevolutionen zwar Qualifikationsschübe bewirkt und die Demokratisierung, Pluralisierung und Emanzipation befördert, aber auch dem „Wissen an sich“ geschadet haben.

Wolfrum stellt korrekt fest, „dass die Unterdrückung nicht gewünschten Wissens in der Informationsgesellschaft“ vorangeschritten sei. Das Wissen sei in extrem hohem Maße soziologisiert und psychologisiert worden. Mit der Verbreitung von Einheitswissen solle eine „Weltwissensgesellschaft“ geschaffen werden, mit der Gefahr eines „kulturellen Imperialismus“, denn wer kontrolliert die „Produzenten von Wissen“?

Der letzte Teil des Buches ist überschrieben mit „Die Ökonomie als Schicksal“. Es beginnt mit „Übervölkerung und Bevölkerungsrückgang“, denn ökonomisch sind „sechs Milliarden Menschen“ ein gewaltiger Konsumfaktor. Die Zahl ist auf über sieben Milliarden gestiegen, aber der „Day of Six Billion“ wurde von den Vereinten Nationen auf den 12. Oktober 1999 gelegt. Wirtschaftswachstum und Verelendung lassen „fiebrige Zeiten“ heranbrechen, wie die zahlreichen Wirtschafts- und Währungskrisen zeigten. Wolfrum: „Eine Kapitalismuskritik, wie sie die Welt seit den Zeiten von Karl Marx und Friedrich Engels nicht mehr gesehen hat“, begleite das neue Jahrhundert. „Hunger und Wohlstand“ und „Unterernährung und Diätwahn“ lägen dicht beieinander und könnten offensichtlich nicht befriedigend gelöst werden, sodass die Parole „Wohlstand für Alle“ einer „Lebenslüge“ gleiche. De-Karbonisierung und vegane Ernährung als Maßnahmen des „Klimaschutzes“ könnten widersprüchlicher nicht sein.

Das Schlusskapitel geht um „Holzpflug und Mikrochip“. Wir leben in einer Welt der zwei Geschwindigkeiten – „rasantes Tempo und gähnende Langsamkeit“. Es gehe um den Mensch-Maschine-Dualismus, der die Kluft zwischen der menschlichen Evolution und der technischen Revolution immer größer werden lasse. Dies gelte auch für die Kluft zwischen Arm und Reich, den Wissenden und den Unwissenden. Es sei also durchaus Grund für Pessimismus als auch für Optimismus. Als Denkanstoß ist das Buch sehr zu empfehlen.             Wolfgang Thüne

Edgar Wolfrum: „Welt im Zwiespalt – Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts“, Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2017, gebunden, 447 Seiten, 25 Euro


Bier und Politik
Wie der Gerstensaft beflügelte

Zwei finische Historiker eint ein außergewöhnliches Hobby: Mika Rissanen und Juha Tavanainen haben ein Faible für skurrile Geschichtsbücher. Mit ihrem Buch „Sport in der Antike“ gewannen sie den größten Sachbuchpreis Finnlands. Ein interessantes Thema behandelt die vorliegende „Geschichte Europas in vierundzwanzig Bieren“.

Was soll Bier mit Geschichte zu tun haben, mag man sich fragen, doch diese Wissenslücke füllen die Autoren mit interessanten Texten aus. Schon 4000 v. Chr. schilderten die Sumerer das Biertrinken. Aus dieser Zeit stammen auch die ältesten Anweisungen, Bier herzustellen. Die frühe Christenheit folgte jedoch dem Vorbild der Heiligen Schrift und trank Wein. Die älteste bekannte Erwähnung des Biertrinkens in Europa stammt aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Lange galt Bier als Getränk der grobschlächtigen Barbaren. Weintrinker blickten auf Biertrinker herab.

Dennoch spielte Bier bei wichtigen politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Umwälzungen eine Rolle. Weil Wasser lange als unrein und deshalb zu gefährlich galt und Bier einen hohen Nährwert hat, gelang dem Gerstensaft seinen Siegeszug. So trank Martin Luther in Erfurt gerne Bier in Kneipen. Peter der Große importierte aus England die Rezeptur für Porter-Bier, das er mit Hafenarbeitern in London genossen hatte. Katharina die Große, ebenfalls eine Bierliebhaberin, ließ deutsche Brauer nach Russland kommen. Die Problematik, Bier zu transportieren, beflügelte den Ausbau neuer Bahnstrecken im 19. Jahrhundert. Bier spielte eine Rolle bei Fridtjof Nansens Nordpolarmeer-Expedition, es wurde bei der legendären Weih-nachtsfeier 1914 von britischen und deutschen Soldaten getrunken, und es gab sogar eine Bierschlacht um England im Zweiten Weltkrieg. Selbst bei der Tour de France erfrischten sich die Sportler mit dem Gerstensaft, der ihnen die Kraft gab, die Alpen zu überwinden. Adolf Hitler übte seine Reden in Münchner Bierkellern.

Jedem Kapitel folgt eine Information über die beschriebene Biersorte. In 24 Kapiteln und Biersorten erfährt der Leser so ganz nebenbei viel Wissenswertes aus der europäischen Geschichte. Eine unerwartet unterhaltsame und empfehlenswerte Lektüre.          MRK

Mika Rissanen/Juha Tahvanainen: „Die Geschichte Europas in  vierundzwanzig Bieren“, Eichborn Verlag, Köln 2016, gebunden, 352 Seiten, 15 Euro


Wenig originell
Gedankensplitter zu Dresden

Seit dem Aufkommen der angeblich „fremden- und islamfeindlichen“ Pegida-Bewegung richten sich die Blicke der deutschen Öffentlichkeit immer wieder neugierig nach Dresden: Wie „ticken“ die Leute dort eigentlich? Insofern löst das Buch „Deutschland und die Flüchtlinge. Beobachtungen und Bekenntnisse eines Dresdner Bürgers“ erst einmal grundsätzliches Interesse aus. Allerdings verspricht der Titel doch deutlich mehr, als das 90-Seiten-Bändchen im Miniformat am Ende hält. Denn dessen Verfasser, der Wissenschaftshistoriker Gerhard Barkleit, versammelt darin lediglich Gedankensplitter zu allerlei unterschiedlichen Themen wie „Flüchtlinge, Medien, Sozialstaat, Ungleichheit, Spaßgesellschaft, Rechte und Pflichten“ sowie eben „Pegida“, welche nicht in eine irgendwie geartete konsistente Gesamtdarstellung münden und darüber hinaus auch noch wenig originell daherkommen.

Insofern taugt das Büchlein kaum dazu, die unfaire Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ über die Vorgänge in der sächsischen Landeshauptstadt zu korrigieren oder zu ergänzen. W.K.

Gerhard Barkleit: „Deutschland und die Flüchtlinge. Beobachtungen und Bekenntnisse eines Dresdner Bürgers“, OEZ Berlin-Verlag, Berlin 2017, broschiert, 90 Seiten, 6,90 Euro


»Dürfen Sie so frei herumlaufen?«
Nette und unterhaltsame Anekdoten über Helmut Kohl

Mit der Zahl der Adenauer-Anekdoten und der Schlagfertigkeit des ersten Bundeskanzlers kann Helmut Kohl nicht mithalten. Dennoch hat auch der „Kanzler der Einheit“ Unterhaltungspotenzial. Eine Reihe mitunter auch bekannter Geschichten über Helmut Kohl hat nun Christoph Spöcker für ein kleines Buch zusammengetragen. Schlecht kommt Kohl dabei nicht weg. Als Jugendlicher versuchte er sich erfolglos als Kaninchenzüchter – er wollte  Landwirt werden. Seine Vorliebe für deftiges Essen thematisierte er selbst gern, die sichtbaren Folgen des Genusses kommentierte er ebenso selbstironisch wie gelassen. Unbekannt dürfte sein, dass er selbst gern Karamellpudding zubereitete. Im Kreml schlich sich der Staatsgast Kohl einst am frühen Morgen in die Küche, um sich vor dem offiziellen Frühstück etwas zubereiten zu lassen. Bei Trinkgelagen in Kohls Mainzer Zeit musste sich Bernard Vogel, immerhin Minister, dazu hergeben, auf dem Tisch zu tanzen.

Um gegen Helmut Schmidt anzukommen, bedurfte es für Kohl nicht nur eines Anlaufs, obwohl er wesentlich höhere Sympathiewerte verbuchen konnte als der kühle Hamburger. Bei einem DDR-Aufenthalt wurde Kohl während eines von ihm gewünschten Stadion-Besuchs abgeschirmt. Spöcker schreibt, dass die Stasi froh gewesen sei, auf diese Weise seine Sicherheit garantieren zu können – die Autogrammwünsche der DDR-Bürger dürften ihr allerdings Kopfzerbrechen bereitet haben.

Bevor das Verhältnis mit Michael Gorbatschow zur Freundschaft wurde, war es stark getrübt. Der Kanzler hatte den KPdSU-Generalsekretär mit Goebbels verglichen. Im September 1989 betrieben die eigenen Leute auf dem Bremer CDU-Parteitag Kohls Sturz. Diesen konnte er unter anderem dadurch verhindern, dass er die Ungarn um eine zeitliche Verschiebung der ohnehin geplanten Grenzöffnung bat.  Auf der Welle des weltpolitischen Umbruchs dachte nun niemand mehr an Kohls Ablösung.

Im Gedächtnis ist vielen Zeitgenossen eine Szene von 1991: Kohl stürmte in Halle auf Demonstranten los, die ihn mit Eiern bewarfen. Von den eigenen Sicherheitsleuten musste er zurückgehalten werden. Er selbst erzählte gern, dass er während eines Zoobesuchs von einer Rentnerin angesprochen wurde, ob er „der Kohl“ sei. Als er bejahte, habe die Frau nachgesetzt: „Und da dürfen Sie so frei herumlaufen?“

Alles in allem ein nettes und unterhaltsames Büchlein über Helmut Kohl.             Erik Lommatzsch

Christoph Spöcker: „Helmut Kohl. Kleine Anekdoten aus dem Leben eines großen Politikers“, riva Verlag, München 2016, gebunden, 96 Seiten, 7,99 Euro


Neue Seiten des Fluchtgeschehens
Entbehrungen und unvorstellbares Leid: Gunter Nitsch schrieb seine Erinnerungen erst 50 Jahre nach dem Erlebten nieder

Arno Surminski spricht in seinem Vorwort zu Gunter Nitschs Buch von einem bemerkenswerten Zeugnis, in dem neue Seiten des Fluchtgeschehens aufgeschlagen werden. Bemerkenswert ist, dass diese Flucht erst nach dreieinhalb Jahren im Westen, in der damaligen britischen Zone Deutschlands, endete.

Der Autor hat seine Erinnerungen erst 50 Jahre nach der Flucht seiner Familie aus Ostpreußen aufgeschrieben. Es ist kein Tagebuch, niedergeschrieben aus dem unmittelbar Erlebten. Nitsch war sieben Jahre alt, als die Flucht begann. Das Buch ist ein Erlebnisbericht aus der Erinnerung, aus dem Befragen von Familienangehörigen und Zeitzeugen. Die drei Karten von Ostpreußen vor und nach 1945 unterstützen die Orientierung.

Der Aufbruch der Bauernfamilie Nitsch aus ihrem Heimatdorf Lagendorf bei Schippenbeil begann am 26. Januar 1945. Die Familie treckte mit Planwagen über völlig verstopfte Landstraßen in Richtung Schippenbeil. Weiter ging es über Preußisch Eylau nach Heiligenbeil, von dort über das gefrorene Frische Haff auf die Frische Nehrung nach Pillau. Von hier wollten die Flüchtenden Fähren nach West-Deutschland und Dänemark erreichen, doch es war zu spät. Sie lebten vom April 1945 bis März 1946 in Palmnicken und dann bis zum Sommer 1948 in Goldbach, einem kleinen Bauerndorf zwischen Tapiau und Labiau. Im Sommer 1948 ging es endlich im Lkw nach Königsberg und von dort in Güterwaggons nach langer Fahrtzeit in den Westen. Erst-Ankunft war in Berlin in einem Flüchtlingslager, einem ehemaligen Außenlager des KZ Sachsenhausen. Von dort gelangten sie in ein kleines brandenburgisches Dorf westlich von Berlin.

In der Zwischenzeit hatten sie von in Berlin wohnenden Verwandten erfahren sowie dass Gunters Vater, der in englische Gefangenschaft geraten war, in der britischen Zone lebte. Es wurde beschlossen, sich von der sowjetischen zur britischen Zone durchzuschlagen, was im Dezember 1948 gelang. In Uelzen traf man auf den Vater. Nach weiteren Lageraufenthalten fand die Familie 1950 in Köln eine endgültige Bleibe,

Allein durch diese Aufzählung der  Stationen einer jahrelangen Flucht können die Entbehrungen und die physischen und psychischen Belastungen für die betroffenen Menschen erahnt werden. Der Autor zeichnet ein realistisches und häufig schwer zu verdauendes Bild der Kämpfe ums Überleben, das Chaos auf den ständig verstopften Straßen, Entbehrungen, Verletzungen und Demütigungen. Nicht zu vergessen sind die extrem kalten Winter. Es sind traumatische Erlebnisse, die von zahlreichen aus ihrer Heimat Vertriebenen nach 1945 aufgeschrieben wurden. Vereinzelt gab es Zeichen von Menschlichkeit von Russen und von Deutschen.

Die Flüchtlinge waren von jedweden Informationen abgeschnitten. Sie hatten keine Ahnung von der politischen Zukunft ihrer Heimat Ostpreußen. Erst die Ankunft russischer Familien ließ ahnen, dass sich etwas verändert haben musste. Auch die Einteilung des besiegten Deutschland in Besatzungszonen wurde erst bei Ankunft in der sowjetisch besetzten Zone deutlich. Erstaunlich ist die Tatsache, dass das Vertrauen in die Autorität der NSi-Funktionäre erst bei Antritt der Flucht erschüttert wurde. Ebenso war offensichtlich die Behandlung der Juden im Dritten Reich kein Thema. Gleiches gilt auch für die Frage nach den Ursachen für die Verbrechen der sowjetischen Soldaten an der deutschen Zivilbevölkerung. Es ist klar, dass bei der unmittelbaren Konfrontation dies von den Opfern nicht hinterfragt wurde, aber im Nachwort des Autors gerade nach dem beträchtlichen Zeitabstand seiner Niederschrift hätte man das erwarten können. Der zeitgeschichtliche Horizont, in dem die Vertreibungen eingeordnet werden konnten, war durchaus gegeben. Gerade für die Menschen, für die der Zweite Weltkrieg und das Fluchtgeschehen Vergangenheit und Geschichte sind, muss der Inhalt dieses Buches zum Nachdenken über Ostpreußen und über das Schicksal der Deutschen, die dort gelebt haben, führen. Und das auch deshalb, da nach sieben Jahrzehnten Ostpreußen zu einem Touristenziel nicht weniger Deutscher geworden ist, ja für manche sogar eine Sehnsuchtslandschaft. Innerhalb eines Menschenlebens zwei völlig unterschiedliche Bilder von Ostpreußen.    Karlheinz Lau

Gunter Nitsch: „Eine lange Flucht aus Ostpreußen. Mit einem Vorwort von Arno Surminski“, Ellert & Richter Verlag Hamburg, Sonderausgabe 2015, gebunden, 380 Seiten, 12,95 Euro


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S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Frank Horns
Die Sache mit dem Flüchtlingsdreck / Wie ein SPD-Rabauke angerüpelt wird, warum Johannes Kahrs morgendliche Interviews unbedingt meiden sollte und welche Hörschwächen Hamburger Antifa-Jünger peinigen

Nur jämmerliche sechs Spalten für diesen Wochenrückblick! Dabei haben doch gerade dieser Tage so viele wunderbare Menschen so Wichtiges und Kluges geäußert. Also bitte einsteigen, anschnallen, festhalten und los geht’s – und zwar mit einer attraktiven Dame: Katja Suding, die rabenschwarzhaarige FDP-Cheerleaderin aus Hamburg, hatte bei Maischberger in der ARD zwar den sündigen Rock vom vorletzten Dreikönigstreffen der Liberalen daheim gelassen. Im züchtigen Hosenanzug sprach sie dafür umso offenherziger. Sie bedaure den Niedergang von Martin Schulz, denn bis dato sei mit ihm als Merkel-Kontrahenten wenigstens der Anschein eines echten Wahlkampfes erweckt worden.

So sieht’s aus. Wir Bürger können froh sein, wenn wir wenigstens der Inszenierung einer demokratischen Volksabstimmung beiwohnen dürfen. Ist doch immerhin nett, dass wir im letzten Akt, dem Urnengang, als Laiendarsteller wenigstens selbst teilnehmen dürfen.

Vorab geht’s deftig zu auf der Volksbühne. Wolfgang Kubicki, Katja Sudings väterlicher Mitliberaler, hat den SPD-Rabauken Ralf Stegner angerüpelt und ihn einen sozialdemokratischen Erdogan genannt. Vom Theaterdonner umtost, empört man sich. Der Herr Kubicki lasse es an Anstand vermissen, lautete die Retourkutsche aus dem Willy-Brandt-Haus. Zugegeben, diese Formulierung klingt etwas schwächlich. Vielleicht hat Verblüffung die roten Zungen gelähmt: Ausgerecht die Vertreter der synthetischsten aller Parteien entdecken ihre Lust an der saftig-provozierenden Formulierung? Spannend wie Knäckebrot kamen die Liberalen bislang daher. Nun machen sie – angefixt mit 12,6 Prozent-NRW-Wählerstimmen – plötzlich auf Büttenredner.

Einigermaßen pikiert wenden auch wir uns ab und den Sozialdemokraten zu. Auf den Bühnen dieser Welt sind die Verlierer nun einmal spannender als die Sieger. Martin – „Ich habe immer vor dem Hype um meine Person gewarnt“ – Schulz und seine Leute machen da keine Ausnahme. Für ein anständiges Wahlprogramm reicht es nicht, für Drama, Verzweiflung und Verwirrung schon. Oder wie soll man es anders nennen, wenn der Sozialdemokrat Johannes Kahrs im morgendlichen Interview des Deutschlandfunks das Parteiprogramm der AfD herunterbetet? Der gute Mann fordert einen starken Staat, mehr Abschiebungen und sichere Außengrenzen. Zustände wie in den französischen Vorstädten müssten vermieden werden. Irgendwie hatte das Ganze auch mit 200 Polizeihubschraubern zu tun. Die SPD hat sie angefordert, die CDU gemeinerweise verweigert.

Ernsthaft zuhören konnte der Autor dieser Zeilen von da an allerdings nicht mehr. Eine besorgte Stimme in seinem Kopf fragte, wie viel er eigentlich am gestrigen Abend getrunken habe, und ab welcher Alkoholmenge Wirklichkeitsverluste auftreten können.

Hallo, Herr Kahrs! Während sie dem Rundfunk solche Interviews geben, sitzen etliche ihrer Wähler auf dem Weg zur Arbeit hinterm Steuer und hören im Autoradio zu. Wollen sie mit denen gemeinsam wirklich all diese tiefroten Ampeln und sozialdemokratischen Stoppschilder überfahren? Mit hoher Geschwindigkeit von links kommend, dürfte übrigens die Parteigenossin Aydan Özoguz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, krachend in sie hineinrauschen. Die hatte unlängst in einen bemerkenswerten Artikel zum Thema Leitkultur für den „Tagesspiegel“ folgendes festgestellt: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“

Furchtbar aufgeregt haben sich darüber die konservativen Menschen. Der Schreiber dieser Zeilen auch, aber dann ist er noch einmal in sich gegangen. Aydan Özoguz hat einen türkischen Migrationshintergrund. Möglicherweise hat sie daran gedacht und Vergleiche gezogen. Mal ehrlich: Können wir mit ähnlichen kulturellen Höhenflügen aufwarten wie Hammelschächtungen, Ehrenmorden und dieser wunderbar konsequenten Vergangenheitsverdrängung in Sachen Armenier-Völkermord?

Woran es hierzulande übrigens auch mangelt, ist eine Kultur des Zuhörens. Dazu eine Anekdote: Neulich im Hamburger Rathaus bei einer AfD-Veranstaltung hatte sich, wie üblich, ein Trupp Antifa-Anti-Irgendwas-Jünger zwanglos unter das Publikum gemischt. Sie kamen diesmal in friedlicher Absicht und planten, mittels Diskussion bei den „Dunkeldeutschen“ ein kleines Lichtlein zu entzünden.

In der abschließenden Fragerunde erhob sich einer der ihren – junger Kerl, strubbelige schwarze Haare, flammende Augen – und hob mit bebender Stimme an: Er sei zwar gekommen, um zu reden, nun aber sei er doch entsetzt, dass hier im Hamburger Rathaus bei dieser Veranstaltung ganz offen von Flüchtlingsdreck geredet werde. Daraufhin großes Staunen im restlichen Publikum und am Rednerpult, niemandem war Ähnliches zu Ohren gekommen. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Rätsel gelöst wurde: Statt Flüchtlingsdreck war das Wort Flüchtlingstreck gefallen. Der junge Mann hatte gehört, was er hören wollte. Er sollte später unbedingt Politiker werden.


ZUR PERSON

Links-konservativer Schöngeist

Premierminister gesucht, der konservativ denkt, links handelt und gut mit den Deutschen kann. So hätte die Stellenausschreibung aussehen können, mit der Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron das zweitwichtigste Amt im Staat besetzen wollte. Mit Édouard Phi­lippe hat er jetzt augenscheinlich seine Idealbesetzung gefunden.

Der 46 Jahre alte Bürgermeister von Le Havre ist als politischer Grenzgänger prädestiniert dafür, Kräfte von links und rechts für Macrons Bewegung „La République en Marche“ für die Wahlen zur Nationalversammlungam 2. Juni, in der die vor einem Jahr gegründete Partei bislang noch nicht vertreten ist, zu mobilisieren. An der Seite des konservativen Politikers Alain Juppé wirkte Philippe an der Gründung der Mitte-Rechts-Partei UMP mit, aus der 2015 Les Républicains hervorgegangen sind. Er unterstützte anfangs deren Präsidentschaftskandidaten François Fillon, trat aber aus dessen Wahlkampfteam aus, nachdem gegen Fillon ein Strafverfahren wegen Korruption eingeleitet worden war.

Stattdessen schrieb das politisch bis dahin unbeschriebene Blatt lieber Kolumnen für die linke Tagezeitung „Libération“, womit er an seine politischen Anfänge anknüpfte, als der Co-Autor zweier Politthriller („Erotik-Trash“ nannte die „Frankfurter Allgemeine“ den zweiten Roman „Im Schatten“ von 2011) mit den Sozialisten sympathisierte. Der Schöngeist, der sein Abitur am Lycée Français in Bonn absolvierte, wo sein Vater als Direktor

tätig war, spricht hervorragend Deutsch. Das kann helfen, um Kanzlerin Merkel finanzielle Zugeständnisse für Frankreich abzuringen. H. Tews