04.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.01.18 / »Organisierter Missbrauch« / Gesetzgeber soll gegen die »Abmahnindustrie« vorgehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-18 vom 26. Januar 2018

»Organisierter Missbrauch«
Gesetzgeber soll gegen die »Abmahnindustrie« vorgehen
Norman Hanert

Ein Bündnis aus zehn Wirtschaftsverbänden hat mit Blick auf die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung Korrekturen der Wettbewerbsregelungen gefordert. Die Verbände, zu denen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) sowie der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) gehören, sieht beim Instrument der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung „organisierten Missbrauch“. 

Vom Gesetzgeber konzipiert wurden die Abmahnungen als Mittel, um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht ohne viel Bürokratie und ohne Einschreiten von Behörden oder Gerichten abstellen zu können. Stößt ein Unternehmen bei einem Mittbewerber auf einen Missstand, dann kann es einen Anwalt mit einer Abmahnung beauftragen, damit der Wettbewerber den Mangel abstellt. Für die abgemahnte Firma hat das zur Folge, dass sie die Kosten des Anwalts tragen muss, der mit der Abmahnung beauftragt wurde. 

Bereits letzten November hat das auf die Zertifizierung von Internet-Händlern spezialisierte Unternehmen „Trusted Shops“ eine Studie „Abmahnungen im Online-Handel 2017” vorgelegt. Befragt hatte die Firma 1530 Händler, von denen fast jeder zweite in den vorhergehenden zwölf Monaten eine Abmahnung erhalten hatte. Im Schnitt waren dabei 1300 Euro fällig, wobei die tatsächlichen Kosten, etwa durch zusätzliche Vertragsstrafen im Schnitt sogar bei 4700 Euro lagen. Fast jeder zweite befragte Händler schätzte die Praxis der Abmahnungen als akut existenzgefährdend ein. 

Laut der Abmahn-Studie wurden die Unternehmen in nur 51 Prozent der Fälle von Mittbewerbern abgemahnt. Die übrigen Fälle standen im Zusammenhang mit Wettbewerbs- oder Verbraucherschutzvereinen. 

Einige regionale Industrie- und Handelskammern (IHK) haben in den letzten Jahren von regelrechten Abmahnwellen berichtet, bei denen eine große Anzahl von Abmahnungen mit fast identischen inhaltlichen Angaben ausgesprochen wurde. So hat vergangenes Jahr zum Beispiel in Niedersachsen eine ganze Reihe von Immobilienmaklern Abmahnungen erhalten, in denen es um fehlerhafte oder unvollständige Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde im Online-Impressum der Makler ging. Immer wieder abgemahnt werden auch Unternehmen, weil etwa der Vorname des Inhabers im Impressum der Webseite abgekürzt wurde oder weil Fehler in den Widerrufsbelehrungen oder Garantieversprechen gefunden wurden. 

Bereits im Sommer letzten Jahres hatte die Allianz der zehn Wirtschaftsverbände ein gemeinsames Papier mit dem Titel „Private Rechtsdurchsetzung stärken – Abmahnmissbrauch bekämpfen“ veröffentlicht. Die Verbände beklagen darin, dass mittlerweile eine „Abmahnindustrie“ entstanden sei. Stephan Wernicke, Chefjustiziar des mitunterzeichnenden DIHK, bezeichnete Abmahnungen als ein eigentlich gutes Instrument, aber der Abmahnmissbrauch zeige, „wie sich Rechtsdurchsetzung zu einem fragwürdigen Geschäftsmodell entwickeln kann“. Den Gesetzgeber forderte er zu Korrekturen auf. Der DIHK regte in diesem Zusammenhang eine Vorabkontrolle an, bei der festgelegt wird, wer überhaupt abmahnen darf.