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16.02.18 / Öl als strategische Waffe / USA drängen mit Schieferöl auf den Weltmarkt – Russland konzentriert sich zunehmend auf China

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-18 vom 16. Februar 2018

Öl als strategische Waffe
USA drängen mit Schieferöl auf den Weltmarkt – Russland konzentriert sich zunehmend auf China
Manuela Rosenthal-Kappi

2018 droht für Russland ein hartes Jahr zu werden. Die USA haben mit ihrer Schiefergasförderung den Ölproduzenten Saudi-Arabien bereits eingeholt und könnten die weltweite Nr. 1 Russland bald von ihrem Sockel stoßen. Moskau setzt verstärkt auf den Energiehunger Chinas.

Ende November haben der russische Energieminister Alexander Nowak und sein saudi-arabischer Amtskollege Khalid al-Falih die im vergangenen Jahr vereinbarte Kürzung der Ölförderung bis Ende 2018 verlängert. Die selbst auferlegte Drosselung hat zur gewünschten Verknappung der weltweiten Lagervorräte geführt und mit über 60 US-Dollar je Barrel der Nordseesorte Brent kostet Öl so viel wie seit drei Jahren nicht mehr. Die Nachfrage ist derzeit stärker als die Produktion. 2016 war der Ölpreis zeitweise von 110  auf unter 30 Dollar je Barrel eingebrochen, was die Konkurrenten Russland und OPEC schließlich dazu gebracht hatte, sich auf eine Drosselung der Fördermenge zu verständigen. 

Das Prinzip von Angebot und Nachfrage ginge auch längerfristig auf, käme da nicht der Konkurrent USA ins Spiel. Im November knackten die USA die Marke von zehn Millionen Barrel Förderung pro Tag. Schon jetzt haben sie mit Saudi-Arabien gleichgezogen. Russland, mit knapp elf Millionen Barrel täglich die Nr. 1, gelangt in Reichweite. Die Produktion in den USA dürfte weiter steigen. Wegen der gestiegenen Preise auf dem Weltmarkt und der Verknappung wird nun auch das Schieferöl aus den USA konkurrenzfähig. Die US-amerikanische Handelsorganisation Energy Information Administration (EIA) hält einen länger anhaltenden Boom der Schiefergasförderung für wahrscheinlich, während die OPEC davon ausgeht, dass die Schieferrevolution bereits 2020 vorbei sein wird. 

Ein stabiler Ölpreis ermöglicht es Russland, sich allmählich aus der Rezession zu befreien. Schlüsselfaktor ist dabei die geringer werdende Abhängigkeit vom Öl. 2017 konnte der Rohstoffgigant bereits die Hälfte seines Sozialprodukts, das um 2,5 Prozent gestiegen ist, aus Öl-unabhängigen Sektoren generieren. Im vergangenen Jahr stieg Russland beispielsweise zum weltweit größten Weizenexporteur auf. 

Russland konzentriert sich seit den wegen des Ukraine-Konflikts verhängten Sanktionen seines bislang wichtigsten Absatzmarkts EU auf Ölexporte nach China. Die Roh­öl-Exporte ins Reich der Mitte konnten innerhalb weniger Jahre verfünffacht werden, und Moskau geht offenbar davon aus, dass der Energiehunger der Chinesen weiter wachsen wird. Ende 2017 gingen bereits 1,3 Millionen Barrel am Tag nach China. Mit der neuen Ostsibirien-Pazifik-Pipeline trotzt Moskau den EU-Sanktionen. Mit einer zweiten Röhre zu der bereits bestehenden Pipeline konnte die Lieferkapazität verdoppelt werden. 

Das bleibt nicht ohne Folgen für Europa. Um den steigenden Export nach China gewährleisten zu können, werden schon jetzt die Lieferungen in den Westen gedrosselt. Dank der zusätzlichen Absatzmöglichkeiten in Fernost kann Russland zudem höhere Preise für sein Öl verlangen. Auch was die Qualität anbetrifft, scheint der Westen ins Hintertreffen zu geraten. Aktuell beklagen europäische Abnehmer, dass die Qualität des russischen Öls schlechter geworden sei. Sie stellten einen erhöhten Schwefelgehalt beim Öl der Marke Urals fest. Die Agentur Reuters berichtete, dass Russland gleichzeitig Öl von besserer Qualität an China liefere, und sieht einen Zusammenhang mit den OPEC-Vereinbarungen, deretwegen Russland seine schwefelarmen Vorkommen in Sibirien nicht fördern könne. 

Liefert Russland dauerhaft qualitativ schlechteres Öl zu gestiegenen Preisen in die EU, werden die USA ihr Ziel leichter erreichen können, Russland als Hauptlieferanten der Europäer mit ihrem verhältnismäßig teuren Schieferöl abzulösen. Doch auch US-Börsianer sehen den Ölpreis weiter unter Druck, denn selbst, wenn die USA Russland den Rang als Nr. 1. der Ölproduzenten ablaufen, wächst die Gefahr eines Überangebots, je mehr Öl auf den Markt strömt. Die Preise könnten schnell wieder sinken. 

Wie bei vielen ölproduzierenden Ländern bestimmt in Russland der Ölpreis das Budget. Konnte das Land auch Einnahmen aus Öl-unabhängigen Sektoren gewinnen, so reichen diese nicht aus, um die Wirtschaft auszubauen. Innovationen sind jedoch dringend nötig in den Bereichen Luftfahrt, Autobau, Landwirtschaft und, IT-Sektor, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu werden. Hier gibt es immer noch immensen Nachholbedarf. Das strategische Ziel der Regierung Putin für die kommenden Jahre lautet daher, sich auf die vorhandenen Ressourcen und das wissenschaftlich-technische Potenzial zu stützen. 

Ein niedriger Ölpreis hat negative Auswirkungen auf die Erschließung neuer Vorkommen. Nicht nur Russland, sondern auch Norwegen hatte ab 2014 neue Erschließungsprojekte auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Niedrige Investitionen könnten wiederum zu einer Verknappung des Ölangebots in den kommenden fünf bis zehn Jahren führen. 

Noch hat Russland als größter Ölproduzent die Nase vorn, doch  die künftige Entwicklung hängt nicht zuletzt von der Nachfrage in Fernost ab.