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30.03.18 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Gefährlich / Wie schmal manch »breites Bündnis« gerät, wie man Demos totkriegt, und warum die »Erklärung 2018« Schrecken auslöst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-18 vom 30. März 2018

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Gefährlich / Wie schmal manch »breites Bündnis« gerät, wie man Demos totkriegt, und warum die »Erklärung 2018« Schrecken auslöst

Da hatten wir uns aber mehr erhofft. Praktisch alles, was groß und mächtig ist in Rheinland-Pfalz, hatte zur Demo ins pfälzische Kandel geladen, um gegen die seit Januar dort allwöchentlich stattfindende Bürgerdemo „Kandel ist überall“ (die PAZ berichtete) aufzutrumpfen, vorneweg Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Unter dem Motto „Wir sind Kandel“ sollte ein „breites Bürgerbündnis für ein buntes Kandel“ die „rechten“ Demonstranten von „Kandel ist überall“ beiseiteschieben. 

Dreyer hatte gleich ihr halbes Kabinett mit in die Kleinstadt gebracht, daneben standen die Landesvorsitzenden von FDP und Grünen mit ihr auf dem Podium sowie der CDU-Fraktionschef im Mainzer Landtag, der pfälzische Kirchenpräsident, der Generalvikar des Bistums Speyer und der Landesvorsitzende des DGB. Auch Naturfreunde und die „Antifaschistische Aktion“ hatten sich zur Demo gesellt. Mit Bussen wurden die Demo-bereiten Kundgebungsteilnehmer aus allen Teilen des Vier-Millionen-Einwohner-Landes ins Städtchen gebracht.

Doch wie viele kamen da zusammen? Gerade einmal 1200 Leutchen. „Kandel ist überall“ hatte schon die dreifache Menge auf der Straße und war auch diesmal mit geschätzten 1000 Teilnehmern in der Stadt, mit fast genauso vielen also. 

Und wie viele auf der Dreyer-Demo waren wohl als Funktionärs-Chargen oder hinbeorderte Hauptamtliche der mit viel Steuergeld begabten etablierten Parteien und Massenorganisationen angereist – und nicht als einfache Bürger? Wer das über den Daumen peilt und abzieht, vor dem verdichtet sich das magere Bild der „bunten“ Landesdemo zu einem geradezu trostlosen. 

Malu Dreyer sei verziehen, dass sie trotzdem von einem „breiten Bürgerbündnis“ phantasierte, das sich da zusammengefunden habe gegen die „Rechten“. Den Text hatte ihr Redenschreiber sicherlich vor dem Ereignis verfasst, als man noch mit deutlich mehr Resonanz rechnete.

So kann das nicht weitergehen. Man macht sich ja lächerlich! Künftig muss sichergestellt werden, dass deutlich mehr Leute auf den Kundgebungen der Etablierten zusammenlaufen. Aber wie?

Die DDR nahm das „gesellschaftliche Engagement“ ihrer Bürger genau unter die Lupe. Da wurden ganze Belegschaften einfach hinbefohlen zur Kampfdemonstration für die gute Sache. 

Wäre das nicht eine Lösung? Tja, dafür müssten einige arbeitsrechtliche Hürden weggeräumt werden. Aber das ließe sich ja machen. Es bliebe dennoch die Gefahr bestehen, dass rechte Hetzer die historische Parallele zur SED-Diktatur nicht nur erkennen, sondern – wie Hetzer das eben machen – auch öffentlich benennen. Könnte peinlich werden.

Gut, wenn das nicht geht, müssen wir eben dafür sorgen, dass die sich überall ausbreitenden Kundgebungen der oppositionellen Kräfte, die man in der DDR trefflich als feindlich-negative Elemente entlarvt hätte, ein Ende haben.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz, der auch Landeschef der SPD ist, hat da eine wirklich gerissene Idee. Man werde „genau hinschauen“ bei den ärgerlichen „Kandel ist überall“-Demos, droht er im Sender SWR: Wenn AfD-Abgeordnete da mit rechtsradikalen Gruppierungen wie der NPD „gemeinsam marschieren und Fahnen zeigen“, dann sei das für ihn „grenzüberschreitend“, so Lewentz.

Er weiß natürlich, dass kein AfDler und auch kein sonstiger Demonstrant genau wissen kann, wer da noch alles neben ihm mitläuft. Von der Studentenrevolte über die Anti-Atom- und Friedensbewegung bis zu allen jüngsten Kundgebungen hätte keine eher linke Demo der vergangenen 50 Jahre länger als zwei Minuten gedauert, wenn die Demonstranten beim Auftauchen der ersten echten Extremisten sofort auseinandergelaufen wären, um nicht mit denen „gemeinsam (zu) marschieren“. Mit dieser Auflage könnte man das Demonstrationsrecht also im Handumdrehen kastrieren.

Lewentz’ Drohung ist aber sogar noch etwas gewiefter, als wir es auf den ersten Blick erkennen können. NPD, NPD? Da war doch was! Genau: Sie erinnern sich ans erste NPD-Verbotsverfahren? Das ist vor 15 Jahren vor Gericht gescheitert, im Visier stand damals besonders der nordrhein-westfälische Landesverband. Während des Verfahrens stellte sich heraus, dass sowohl der NPD-Landesvorsitzende als auch dessen Stellvertreter als auch der Leiter des regionalen Kampfblattes der Partei als „V-Leute“, sprich: Agenten des Verfassungsschutzes, unterwegs waren.

Die Richter räumten daher zwar ein, dass das vorgelegte Propagandamaterial die Verfassungsfeindlichkeit der NPD klar bestätige. Leider aber könne man nicht feststellen, ob dieses Material von echten Nazis oder von den staatlich bestallten Agenten in der NPD fabriziert worden sei. Daher sei ein Verbot nicht möglich.

Wir haben keine Hinweise, dass das Engagement solcher Staats-Nazis bei der NPD seitdem nachgelassen hätte. Der Innenminister Lewentz unterstellte Landesverfassungsschutz müsste demnach bloß ein paar seiner Zuträger bei der NPD zur Demo schicken, damit sie sich an einen AfD-Abgeordneten heranwanzen und dann spontan „Fahnen zeigen“ – schon wäre der Sack zu und der Minister könnte die Daumenschrauben anziehen: Seht her, die AfD ist eben doch eine Nazipartei, die Seite an Seite mit der NPD ...

Allerdings wäre das Problem mit der wachsenden Opposition im Land damit allein nicht gelöst. Was sich in immer mehr regelmäßigen Demos an der Bürgerbasis der Republik ausbreitet, hat zum Schrecken der etablierten Kräfte mittlerweile auch die intellektuellen Köpfe des Landes erreicht. 

Anfang dieser Woche hatten bereits mehr als 1200 Autoren, Publizisten, Künstler, Wissenschaftler und Akademiker die „Erklärung 2018“ unterzeichnet, die kurz und knapp lautet: „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“

Initiiert hat die Erklärung unsere regelmäßige PAZ-Kolumnistin Vera Lengsfeld, zu den Erstunterzeichnern zählen bekannte Persönlichkeiten wie Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin, Matthias Mattusek oder Uwe Tellkamp, einer der herausragendsten zeitgenössischen Schriftsteller deutscher Zunge. Auch PAZ-Autorin Eva Herman hat ihren Namen unter die Erklärung gesetzt.

In der linksintellektuellen Champagner-Etage wackeln seitdem die Tische. Man ist fassungslos, und man ist beleidigt. Seit vielen Jahren jammern linke „Vordenker“ uns die Ohren voll, dass die deutschen Intellektuellen kaum noch gehört würden, ganz anders als in den hohen Zeiten von Böll oder Grass, und dass sie schon lange keine große Debatte mehr losgetreten hätten.

Ausgerechnet diesem Pfuhl aus Konservativen, Libertären und anderen irritierenden Freidenkern gelingt es mit nur zwei Sätzen, die es freilich in sich haben, alles durcheinander zu wirbeln. Und schon ist sie da, die „große Debatte“ – nur eben die falsche! 

„Wie gefährlich ist die Erklärung 2018?“ bibbert „NDR Kultur“ und fasst das allgemeine linke Entsetzen damit gut zusammen. Ja, wie gefährlich ist sie denn? Jedenfalls stopft sie die bequeme Behauptung, dass nur die „Abgehängten“ und Radikalen mit dem Kurs der derzeitigen Politik mehr als unzufrieden sind, in die Tonne. Stattdessen zeigt sich hier eine Opposition von erheblicher Qualität und Masse, die sich nicht scheut, den Schulterschluss mit den als „Wutbürger“ verhöhnten Straßendemonstranten offen zu vollziehen.

Wer gedacht hatte, mit seichten Buntheits-Appellen und giftigen Anti-Rechts-Verurteilungen jegliche Kritik ausräuchern zu können, steckt jetzt ziemlich fest. Da können wir den allgemeinen Ärger doch gut verstehen.