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04.05.18 / Meinungsfreiheit im Buchladen / »Mehr als Nazi geht nun mal nicht« – Eine Buchhändlerin gegen vereinnahmende Ideologisierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-18 vom 04. Mai 2018

Meinungsfreiheit im Buchladen
»Mehr als Nazi geht nun mal nicht« – Eine Buchhändlerin gegen vereinnahmende Ideologisierung
Erik Lommatzsch

Die streitbare Dresdner Buchhändlerin und treibende Kraft der „Charta 2017“ Susanne Dagen betreibt neben ihrer Buchhandlung das „KulturHaus“. Auftaktgäste der neuesten Veranstaltungsreihe „ZeitZeuge. Ein Leben zwischen Diktatur in Demokratie“ waren Angelika Barbe und Siegmar Faust.

„Mehr als Nazi geht nun mal nicht“: Susanne Dagen nimmt es gelassen, wenn sie via Internet wüst beschimpft wird. Das „zieht nicht mehr“. Die streitbare Dresdner Buchhändlerin ist als eine der treibenden Kräfte der „Charta 2017“ auch überregional wahrgenommen geworden. Die Initiative war eine Reaktion auf die Ereignisse während der Frankfurter Buchmesse im letzten Oktober. Anlass war die gewaltsame Zerstörung von Verlagsständen im vor­geb­lichen „Kampf gegen Rechts“. Besorgniserregend war jedoch vor allem das – vorsichtig ausgedrückt – ambivalente Verhalten der Messeveranstalter und großer Teile der Medien zu den Vorgängen. Nicht nur bei diesen Vorfällen wird denjenigen, welche Moral und „das Gute“ auf ihrer Seite wähnen, vieles großzügig nachgesehen, sogar dann, wenn Menschen verletzt werden. Das Stichwort „Linkslastigkeit“ dürfte hier eher untertrieben sein.

Buchhändlerin Dagen kämpft im besten demokratischen Sinne gegen vereinnahmende Ideologisierung an. Sie ist der Ansicht, dass die Frage nach der Meinungsfreiheit durchaus im Raum steht. Es nütze wenig, wenn diese zwar theoretisch gegeben sei, Akzeptanz, Reaktionen oder die Bereitschaft, den anderen gelten zu lassen, jedoch sehr ungleichgewichtig ausfielen. 

In unmittelbarer Nachbarschaft der als „Blaues Wunder“ bekannten Elbbrücke, im idyllischen Dresdner Stadtteil Loschwitz, betreibt Dagen neben ihrer – mehrfach ausgezeichneten – Buchhandlung das „KulturHaus“. Über das hier angebotene literarisch-musikalische Programm hinaus lädt sie in nunmehr drei abendlichen Veranstaltungsreihen in dichter Folge regelmäßig Persönlichkeiten ein, deren Zugang zu aktuellen politischen oder mit der jüngsten Vergangenheit verbundenen Fragen nicht immer dem entspricht, was der GEZ-finanzierte Fernsehschirm verlautbart.

Auftaktgäste der neuesten Veranstaltungsreihe „ZeitZeuge. Ein Leben zwischen Diktatur in Demokratie“ am Freitag vorletzter Woche waren Angelika Barbe und Siegmar Faust. Beide wirkten im SED-Staat oppositionell. Barbe war Mitbegründerin der DDR-Sozialdemokratie im Oktober 1989, Faust wurde, nach mehrjähriger Haftstrafe, 1976 von der Bundesrepublik freigekauft. Sowohl Barbe als auch Faust dürften mit gemeint gewesen sein, als der „Spiegel“ im Januar raunte, dass einige der früheren DDR-Dissidenten nun „zu den Rechten“ übergelaufen seien. 

Faust, der am eigenen Leib erfahren hat, was es heißt, in einer Diktatur eigenwillig zu sein, gibt für den größeren Teil des Abends die Impulse. Er liest eigene Texte und berichtet von seiner Gefängniszeit. Faust gab sich allerdings auch unter diesen Umständen unbeirrt. In Anspielung auf die Zeitung „Neues Deutschland“, das „Zentralorgan der SED“, verfasste er unter dem Titel „Armes Deutschland“ gedeckt von Mitgefangenen eine DDR-kritische „Gefängniszeitung“. Real handelte es sich um ein handschriftliches, äußerst eng beschriebenes Blatt. Immerhin erschienen 13 Nummern. Als eine dieser „Zeitungen“ sehr viel später in einem Buch abgedruckt wurde, waren 22 Seiten gefüllt, um sie wenigstens einigermaßen bequem lesbar zu machen.

Hunderte Tage Einzelhaft hatte Faust zu verbüßen – die DDR war nicht zimperlich mit Verfassern kritischer Wortbeiträge. Er spricht auch über seine Ernüchterung, als er im „Westen“ ankam: Von Kritik am „real existierenden Sozialismus“ wollte man wenig wissen. Angesagte Feindbilder im kulturintellektuellen Bereich seien Franz Josef Strauß, Axel Springer und Gerhard Löwenthal gewesen. Inhaltlich hier anknüpfend unterstreicht Barbe, dass die DDR-Opposition mit „1968“ den „Prager Frühling“ verbunden habe, niemals die zu dieser Zeit „alles niederbrüllenden Chaoten“ in der Bundesrepublik, deren heutige Verklärung unverständlich sei. 

Das Gespräch ist damit in der Gegenwart angekommen. Faust hält den Islam nicht für vereinbar mit einer „offenen Gesellschaft“. Für die Atmosphäre im „KulturHaus“ spricht, dass niemand vom Stuhl fällt, als er zudem betont, er sei stolz auf Pegida und die regierungskritischen Demonstrationen in Cottbus. Dort war auch Barbe unlängst als Rednerin aufgetreten. Andererseits bekennt ein Besucher in der Diskussion, „seit 15 Jahren“ „Taz“-Leser, dass er Pegida-Veranstaltungen als „beängstigend“ empfunden habe.

Der momentan rare Raum für freie Diskussionen scheint gefragt zu sein. Über Besuchermangel kann das „KulturHaus“ nicht klagen. Störungen, so Susanne Dagen, habe es bislang nicht gegeben. Ihr Schutz sei Transparenz, Öffentlichkeit und inzwischen natürlich auch die größere Bekanntheit. Gespräche wie die „ZeitZeuge“-Reihe, Aktionen wie die „Charta 2017“, die Stellungnahmen des Schriftstellers Uwe Tellkamp zur Asylpolitik (übrigens auch auf einem Dresdner Podium), die Vehemenz der nachfolgenden Reaktionen sowie die „Erklärung 2018“ sind Wegmarken – Wegmarken hin zu einem freien, unbelasteten Meinungsklima, das auch Abweichendes und Inopportunes „gut und gerne“ auszuhalten in der Lage ist.