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25.05.18 / Krimi mit merkwürdigen Klischees

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-18 vom 25. Mai 2018

Krimi mit merkwürdigen Klischees
D. Jestrzemski

Wenn ein wenig bekanntes Buch einer berühmten Autorin längere Zeit nach ihrem Tod wieder aufgelegt wird, ist Vorsicht geboten, weil nämlich die Qualität dieses Buches wahrscheinlich umstritten ist. Das trifft zu für die 2017 von Hoffmann und Campe herausgebrachte deutsche Übersetzung von Agatha Christies Kriminalroman „Passagier nach Frankfurt“. Es ist die zweite deutsche Ausgabe nach einer einmaligen Sam-meledition von 2008. Die englische Originalausgabe erschien 1970. Sechs Jahre später starb Agatha Christie im Alter von 85 Jahren. 

Wie der Titel ankündigt, hat das Buch inhaltlich einen engen Bezug zu Deutschland. Ausgangsort der Geschehnisse ist aber nicht „das nationalsozialistische Frankfurt“, wie es fälschlicherweise auf dem Umschlag steht, sondern der Frankfurter Flughafen Ende der 60er Jahre. Dafür wabert der Nationalsozialismus im Hintergrund dieser skurrilen Geschichte. Genauer gesagt handelt es sich um einen von Christie erdachten Aufguss der Ideologie des Rassenwahns, in Verbindung mit einer ominösen, internationalen Jugendverschwörung Ende der 1960er Jahre, zur Zeit also, als Christie diese Krimi-Groteske als eines ihrer letzten Werke schrieb. 

Viele Menschen waren damals wegen der anhaltenden Studen-tenunruhen besorgt, auf die im Roman des Öfteren angespielt wird. Manche befürchteten gar einen kommunistischen Umsturz in der westlichen Welt. Das brachte die fantasievolle Autorin auf die Idee, ein Szenario der Bedrohung unserer Zivilisation durch weltweite Unruhen, insbesondere durch ein Komplott junger Neofaschisten auszumalen.  

Nicht verwunderlich, dass Wagners Opern hier eine besondere Bedeutung zukommt und die Parole der besorgten britischen Geheimdienstler „Der junge Siegfried“ lautet. Darüber kommt der Romanheld Sir Stafford Nye heftig ins Grübeln. Sir Stafford ist ein tiefenentspannter britischer Diplomat mit einem etwas speziellen Humor. Mehr aus Zufall wird er vom Geheimdienst in die Aktionen zur Aufdeckung des vermuteten Komplotts hineingezogen. In seiner Ahnungslosigkeit gerät er öfter in Lebensgefahr. Mit seiner rätselhaften jungen Begleiterin, deren wahre Identität er nicht kennt, reist er in das Machtzentrum der Verschwörung, zur Schlossresidenz einer dicken Dame namens Bertha Krapp in der Gegend von Berchtesgaden. Wenn an diesem Ort ein blonder Jungsiegfried inmitten einer Anhängerschar ebensolcher, wie geklont wirkender Typen in Szene gesetzt wird, wirkt das natürlich mehr als alles andere wiederum wie ein Opernaufzug. 

Danach gab es für Christie kein Halten mehr. Berichte über aufflammende Kämpfe in großen Teilen der Welt, Aufstände der Jugend gegen alle und alles beunruhigen die englischen, französischen und deutschen Staatschefs. Dank ihrer bekannt klingenden Namen weiß man, wer gemeint ist. Drogen, Konzerne, Waffen, Marcuse, Che Guevara, Waffen-SS, Gerüchte über Hitler, der das Kriegsende überlebt haben soll, werden im Schnelldurchgang durchgehechelt.

Seinerzeit hatte Agatha Christies Verleger durchgesetzt, dass der Titel „Passenger to Frankfurt“ den Zusatz „An Extravaganza“ erhielt. In Großbritannien und in den USA wurde das Buch ein großer Erfolg, Jahrzehnte später löst es in Deutschland nur Kopfschütteln aus.

Agatha Christie: „Passagier nach Frankfurt. Roman“, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2017, gebunden, 286 Seiten, 20 Euro