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19.10.18 / Durch Erfolge die eigenen Grundlagen in Frage gestellt / Die bayerische Welt, deren Wahrer die CSU lange war, hat sie selbst verändert – Grüne profitieren vom kurzen Gedächtnis der Wähler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-18 vom 19. Oktober 2018

Durch Erfolge die eigenen Grundlagen in Frage gestellt
Die bayerische Welt, deren Wahrer die CSU lange war, hat sie selbst verändert – Grüne profitieren vom kurzen Gedächtnis der Wähler
Florian Stumfall

Das Maximilianeum zu München, das den bayerischen Landtag beherbergt, steht auf dem rechten Isar-Hochufer. Dieses wurde am Wahlabend von einem politischen Erdbeben ergriffen, wie es das in Bayern seit dem Jahr 1948 nicht mehr gegeben hat. Was der darauffolgende Tsunami alles wegspülen wird, weiß man noch nicht, es erscheint daher angebracht, Ursachenforschung für ein Ereignis zu betreiben, das in seinem Kern mit der Gleichung beschrieben ist: CSU runter, Grüne rauf. Die Agonie der SPD, der starke Auftritt der Freien Wähler, der Erfolg der AfD – das alles sind mehr oder minder nur Folgeerscheinungen des Duells dieser ungleichen Gegner.

Über Jahrzehnte hat die CSU Bayern allein regiert, und selbst ihre Gegner müssen eingestehen, dass dies zum Wohl des Landes geschah. Bayern ist das einzige Bundesland, das es geschafft hat, vom Empfänger von Finanz-Ausgleichszahlungen dauerhaft und stabil zum Geberland zu werden. Bei vielen Daten steht der Freistaat an der Spitze der Länder, bei der Beschäftigung, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Inneren Sicherheit. 80 Prozent der Einwohner Bayerns bestätigen der CSU eine gute Regierungsarbeit. Woher aber dann dieses desaströse Ergebnis?

Es ist seit Langem offensichtlich, dass wir es in der Politik vielfach mit Luxus-Problemen zu tun haben. Das ist das Mäkeln im hohen Grad der Sättigung, und wenn die Regierung noch eine Leistung drauflegt, so ertönt bei der Opposition ein stereotypes „Zu wenig! Zu spät!“ Kein Wunder, dass dies auch in viele Wähler-Gehirne einsickert. Auch bürgerliche Wähler billigen seit langer Zeit den Grünen zu, das Thema „Umwelt“ erst auf die Tagesordnung gebracht zu haben. Dabei wurde in Bayern das erste Umweltministerium europaweit schon zehn Jahre vor Gründung der grünen Partei geschaffen. Niemand weiß das mehr. Umwelt wird den Grünen zugeschrieben, das Prinzip „Zu spät, zu wenig“, verbunden mit einem schlechten Gedächtnis der Öffentlichkeit, von dem jede Propaganda profitiert, ist schwer zu bekämpfen.

Außerdem ziehen die Grünen Nutzen aus dem Privileg, dass sie sich nicht an die Logik halten müssen. Da ist die Rede von den Erneuerbaren Energien, und alle jubeln. Aber wehe dem, der versucht, ein Wasserkraftwerk zu errichten – auf ihn stürzt die geballte Wut wie eine Lawine ein. Bei jedem neuen Telefonmasten wird vom Elektrosmog geredet, nicht aber bei riesigen Windrädern, die ganze Landstriche verschandeln. Oder die Einwanderung. Die Grünen wollen alle Welt ins Land lassen und jammern dann über Wohnungsnot. Wer soll da mit vernünftigen Argumenten gehört werden?

Doch all dies ist Politik. Die tieferen Ursachen  für das Wahlergebnis in Bayern liegen indes auf einem anderen Feld. Der so viele Jahre anhaltende Erfolg der CSU war begründet in einer weitgehenden Gleichsetzung der Partei mit dem Land, dem bayerischen Lebensgefühl, das aus dem Bewusstsein der Besonderheit der 1500 Jahre währenden bayerischen Geschichte gespeist wurde, dem Festhalten an den Bräuchen und Regeln, dem Bekenntnis zu den Eigenheiten und der Bereitschaft, diese gegen alle Fährnisse zu verteidigen. Die CSU galt als der Wahrer, der einzige Wahrer dieser Welt.

Nun hat aber ihre Politik eine Entwicklung gebracht, in deren Verlauf sich die soziologische Melange des Landes mehr und mehr änderte. Jene Welt, deren Wahrer die CSU gewesen ist, befindet sich auf dem Rückzug. Daher ist es nur folgerichtig, dass auch ihr Wahrer nicht mehr in dem Maße gebraucht wird. Die CSU hat mit ihren Erfolgen einen wichtigen Teil ihrer eigenen Grundlagen in Frage gestellt.