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02.11.18 / Schweidnitzer Schauer-Keller / Das berühmteste Gasthaus Schlesiens bleibt auf unbestimmte Zeit geschlossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-18 vom 02. November 2018

Schweidnitzer Schauer-Keller
Das berühmteste Gasthaus Schlesiens bleibt auf unbestimmte Zeit geschlossen
Chris W. Wagner

Enttäuscht und etwas resigniert schaut Malgorzata Urlich-Kornacka auf den Schweidnitzer Keller im Breslauer Rathaus. Die Autorin und Fremdenführerin ist legendär für ihre literarischen Führungen durch die schlesische Metropole. Zu gerne würde die Germanistin und Wahlbreslauerin ihre Gäste durch dieses älteste Restaurant der Stadt führen. Doch es bleibt ihr nur, Reprints von Vorkriegsspeisekarten an die Interessierten zu verteilen. 

„Im Schweidnitzer Keller herrschte der übliche Mittagsbetrieb. In den Nischen am Eingang standen wie immer die Bäckersfrauen und verkauften Brötchen und Würste. Die wie vor Jahrhunderten in Trachten gekleideten Kellner wuselten vor sich hin und trugen über ihren Köpfen Tabletts mit Tellern, Terrinen, Gläsern und Bierkrügen“ zitiert Urlich-Kornacka aus Marek Krajewskis Breslau-Krimireihe. Denn die beliebteste Führung, die Urlich-Kornacka anbietet, bleibt die „Auf den Spuren Breslauer Schauergeschichten“ und der Schweidnitzer Keller war das Lieblingslokal des Protagonisten in Krajewskis Breslau-Büchern, die sich zu Bestsellern entwickelten und den Polen ein so detailliertes Bild der Stadt vor dem Krieg lieferten, dass diese fast als präzise Aktennotizen der damaligen Polizei missgedeutet werden könnten.

Auch wenn Malgorzata Urlich-Kornacka die Möglichkeit hätte, die Besucher in das berühmte Rathausrestaurant zu führen, in dem schon Goethe und Bismarck dinierten, möchte sie es ihren Teilnehmern nicht antun. Der Ort ist nämlich richtig unappetitlich geworden. Nomen est omen – der Keller riecht mittlerweile nach altem Schmutz, Schimmel und Fäulnis. Aus der Küchenbelüftung tropft eine fettige Pampe herunter, und es bildeten sich bereits übelriechende Stalagmiten auf dem Küchenboden. Aus Löchern in den Wänden stechen alte Kabel hervor, Reste vom Mobiliar im kitschigen Mittelalterstil samt Ka-minattrappe sorgen für Schauer, den jedoch Urlich-Kornacka in ihren Führungen nicht auf diese Art und Weise erzeugen möchte. 

Ewa 700000 Euro würde die Sanierung des Schweidnitzer Kellers kosten. Der Pächter ist zwar letztes Jahr ausgezogen, prozessiert jedoch gegen den Eigentümer – die Stadt. Das erschwert die ordentliche Ausschreibung. Derweilen wird jedoch an dem schlimmen Geruch im Lokal gearbeitet. Rund um die Uhr arbeiten darin Entfeuchter, die monatlich 2000 Euro schwere Stromkosten erzeugen. Das Objekt sei jedoch so wertvoll, dass die Stadtverwaltung es nicht noch schlimmer verkommen lassen möchte, sagte Ryszard Krawczyk vom Magistrat gegenüber Radio Breslau.

Das Lokal bleibt vorerst geschlossen, denn eine im Sommer begonnene Ausschreibung brachte keinen Erfolg. Es hat sich kein einziger Pächter gefunden. Dieser müsste neben einer Monatspacht in Höhe von 9250 Euro auch die Sanierungskosten tragen. 

Die Stadt hatte das Objekt im Dezember letzten Jahres zurück-erlangt. Ein Gericht hat entschieden, dass der vorherige Pächter das Lokal ab März 2012 „vertragslos“ nutzte und sich so über fast eine halbe Million Euro verschuldet hat. 

Es sieht nicht gut aus für die seit 1273 fast ununterbrochen bewirtschaftete Gaststätte im Herzen Breslaus, die von Herzog Heinrich IV. von Schlesien das Recht auf alleinigen Ausschank von Wein und auswärtiges Bier erhielt. Andere Gaststätten in Breslau durften nur ein qualitativ schlechteres Breslauer Bier ausschenken. Und da seit Anfang des 14. Jahrhunderts das in Schweidnitz gebraute Bier zum belieb-

testen Getränk in ganz Breslau zählte, erhielt das Lokal den Namen Schweidnitzer Keller. 

Im Schweidnitzer Keller hatten sich Burschenschaftler zum Stammtisch genauso gerne getroffen wie nach dem Krieg die arbeitende Jugend, die im Bauernkeller ein Kino und im Bürgerkeller ein Billardraum eingerichtet hatten. 

Malgorzata Urlich-Kornacka und ihren Touristen bleibt vorerst nichts anderes übrig, als vor verschlossener Tür des Schweidnitzer Kellers stehen zu bleiben und alte Postkarten vom Lokal zu bestaunen. Und wer die Atmosphäre des Vorkriegsbetriebs im berühmten Schweidnitzer Keller nachempfinden möchte, kann immer noch zur Lektüre von Marek Krajewskis Breslauer Krimireihe mit Kriminalinspektor Eberhard Mock greifen.