28.04.2024

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30.11.18 / Kurzweiliges eines Berliner Kolumnisten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-18 vom 30. November 2018

Kurzweiliges eines Berliner Kolumnisten
Dagmar Jestrzemski

Der „Zeit“-Kolumnist Harald Martenstein ist seit vielen Jahren bekannt für seine launigen und pointierten Texte zu aktuellen wie zufällig aufgelesenen Themen. Martenstein ist genderkritisch und auch sonst verhältnismäßig unangepasst, was früher einmal entschlossene Meinungsgegner zu Widerspruch provozierte. Die scheinen aber mittlerweile anderweitig beschäftigt zu sein. 

An seiner Popularität arbeitet der mehrfach preisgekrönte Autor und Journalist außer mit Buchver-öffentlichungen auch mit Hörfunkbeiträgen und YouTube-Videos. Sein neues Kolumnenbuch trägt den Titel „Jeder lügt so gut er kann. Alternativen für Wahrheitssucher“, angelehnt an einen Schlager von Udo Jürgens. Damit setzt der Verlag auf den „Fake-News“-Effekt, tatsächlich aber ist der Titel angesichts des bunten Inhalts austauschbar. Diesmal schreibt Martenstein (Jahrgang 1953) über „1968“, Sprachverbote, verletzte Eitelkeiten prominenter älterer Männer, einfache Antworten, arme Rentner und die noch lange nicht ausgediente Phrase „Fluchtursachen bekämpfen“. 

Wieder hat er diverse Berliner Anekdoten im Angebot, denn er lebt in Berlin. Mehrfach schöpft der „Meister der kurzen Form“ aus seinem reichen Erfahrungsschatz als Journalist und Privatmensch. Ein nachdenklicher Beitrag ist sein Bericht vom Besuch einer Zirkusvorstellung in Mecklenburg-Vorpommern. Es stimmt ihn traurig, dass die achtköpfige Zirkusfamilie mit ihren Kleintieren von Dorf zu Dorf zieht, aber wegen absurd hoher Bürokratiekosten und Platzmieten ihren Lebensunterhalt kaum noch bestreiten kann. 

Dass ihn so viele Leser mögen, hat wohl auch damit zu tun, dass er in seine Kurztexte tiefsinnige Überlegungen einstreut und sich dabei unbekümmert an die eigene Nase fasst, sozusagen mit gutem Beispiel vorangeht. „Ist das Küchenpsychologie?“, fragt er. Vermutlich, aber so etwas wird eben gebraucht. 

Zuletzt verrät Petra Martenstein, die Ehefrau des populären Autors, dass ihr Mann („König Harald“) jeden seiner neuen Texte zunächst seinen Kollegen in einer „Kolumnenaudienz“ vorstellt – außer wenn es, selbstverständlich in respektloser Weise, über die SPD gehe. Vielleicht befürchtet er, dass ein solcher Text bei einer um Ausgewogenheit bemühten Zeitungsredaktion durchfallen könnte. 

Eine Kolumne über die SPD ist auch diesmal wieder mit dabei: „Die SPD erneuert sich“. Die Geschichte handelt auch von feministischen Pornofilmen und einer überteuerten Berliner Ein-Zimmer-Mietwohnung, für die sich aus Mangel an Alternativen 198 Personen interessieren. Beides hat irgendwie mit der Berliner SPD zu tun, nachzulesen in Martensteins kurzweiligem Kompendium satirischer, ernst gemeinter sowie zwischen Satire und Ernst changierenden Geschichten. Gute Unterhaltung ist garantiert.

Harald Martenstein: „Jeder lügt so gut er kann. Alternativen für Wahrheitssucher“, Bertelsmann Verlag, München 2018, gebunden, 208 Seiten, 18 Euro