09.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.02.19 / Voll krass / Jugendsprache ist ideenreich. Aber warum sprechen wir gern albern?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-19 vom 08. Februar 2019

Voll krass
Jugendsprache ist ideenreich. Aber warum sprechen wir gern albern?
Alexander Glück/tws

Seit 2008 wird das Jugendwort des Jahres gekürt. Das brachte dann solche Ausdrücke wie „Gammelfleischparty“ für Ü30-Feiern, „hartzen“ für he­rumgammeln oder „Smombie“ für Smartphone-Zombies, also Leuten, die ständig an ihrem Mobilfunkgerät herumfummeln, auf die vorderen Plätze.

Das Thema Jugendsprache wäre eigentlich ein alter Hut. Jeder kennt die Entwicklungsschritte des eigenen Lebenslaufs, mancher erinnert sich zurück an die Fachbegriffe auf Schulhöfen und innerhalb des jugendlichen Freundeskreises. Zum Wandel des Sprachgebrauchs kommen kata­strophale Rechtschreibkenntnisse der heutigen Jugendlichen.

Der Begriff Jugendsprache be­zeichnet ja zunächst Sprechweisen und sprachliche Merkmale, die von Jugendlichen verwendet wurden. Das kann vieles sein, es gab und gibt Jugendsprache aus gebildetem, proletarischem, subversivem wie auch angepasstem Umfeld. Daher gibt es nicht „die“ Jugendsprache, wenngleich der Begriff die Gesamtheit des ju­gendnahen Sprachgebrauchs zu umklammern scheint. 

Gegenüber früher ist die heutige Jugendsprache wahrscheinlich deutlich vielfältiger und wird von mehr Benutzern getragen, sie ist daher näher an einem Standard, als dies früher der Fall gewesen ist. In der Sprachwissenschaft gilt sie als komplexe Varietät der Standardsprache oder als Sprechstil jugendlicher Gruppen.

Zu ihren Unveränderlichkeiten gehören Übertreibungen und In­tensivierungen, Humor, Ironie und Spiel, Expressivität und Emotionalität, was den Wunsch einschließt, durch be­sonders originelle Schöpfungen seinem Geltungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Sucht man nach Beispielen, stellt man schnell fest, dass diejenigen Wörter oder Sprachmuster, die es zur Allgemeingebräuchlichkeit bringen, durchgehend originell und witzig sind. 

Gegenüber früheren Zeiten ist an der heutigen Jugendsprache feststellbar, dass sie sich mit einst schärfer abgegrenzten Gruppensprachen (Drogenmilieu, Soldaten oder Szenesprache) zunehmend vermischt, mindestens aber viele Elemente austauscht. Jugendsprache beinhaltet vielerlei Äußerungsformen, die sich in der je­weiligen Gruppe herausbilden und somit unter verschiedenen Bedingungen auch unterschiedliche Formen annehmen.

Zur Abgrenzung gegenüber den Erwachsenen und zur Festigung des eigenen Zugehörigkeitsgefühls kommen laut Wikipedia weitere Funktionen hinzu: „die Identitätsfindung in der Auseinandersetzung mit Rollen- und Statuszuschreibungen durch die gesellschaftliche Norm, die konspirative Funktion, die emotional-expressive Funktion, aber auch die Benennungsfunktion von Realien, die im Rahmen jugendlicher Lebenswelten existieren“.

Ein wesentliches Merkmal der Jugendsprache ist die Kurzlebigkeit ihrer Ausdrücke, die einander oft in bunter Folge ersetzen. Was davon nicht wegen Übertreibung oder Nutzlosigkeit auf der Sprachmülldeponie gelandet ist, fand Eingang in die Umgangssprache, während sich die Ju­gendsprache immer wieder radikal veränderte, verjüngte und radikalisierte.

Besonders kreativ, aber nicht verständlich sind die zahlreichen Abkürzungen, die aus der Smartphone-Kommunikation kommen. Tatsächlich findet die neue Ju­gendsprache zu einem ganz überwiegenden Teil in der Kommunikation über Smartphones statt. Man kann diese Sprache mit Wohlwollen und kritischer Zu­rückhaltung betrachten, sie enthält Gutes und Wertloses. Bleibt nur zu hoffen, dass die Benutzer dieser Sprachen dann einmal Wörterbücher schreiben, um die einstige deutsche Hochsprache dann überhaupt noch verstehen zu können.

Das Jugendwort des Jahres 2019 ist übrigens „Ehrenmann“ beziehungsweise „-frau“. Es bezeichnet einen besonders freundlichen Menschen. Endlich mal etwas, dass auch ein „Gruftie“ versteht.