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22.03.19 / Großbritannien soll Diego Garcia abtreten / Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat das Atoll der Republik Mauritius zugesprochen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Großbritannien soll Diego Garcia abtreten
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat das Atoll der Republik Mauritius zugesprochen
Florian Stumfall

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat befunden, das Vereinigte Königreich müsse Diego Garcia, das gemessen an der Landfläche größte Atoll des Chagos-Archipels, des letzten verbliebenen Teils des Britischen Territoriums im Indischen Ozean, an die Republik Mauritius abtreten. Damit ist ein jahrzehntelanger Streit juristisch beigelegt. 

Seit 1814 steht die Inselgruppe unter britischer Hoheit. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege musste Frankreich Diego Garcia zusammen mit der Insel Mauritius an Großbritannien abtreten. London setzte Mauritius als Verwaltungssitz für beide Atolle fest. So blieb es, bis im Jahr 1965 die Selbstständigkeit von Mauritius bevorstand. Damals verlegten die Briten die Verwaltung nach Diego Garcia. Kurz darauf wurden die Inseln an die USA verpachtet. Der aktuelle Vertrag läuft bis 2036.

Nun hat sich alles geändert. Diego Garcia, inmitten des Indischen Ozeans gelegen, hat zwischen Afrika, der Golfregion, Indien und dem südwestlichen Pazifik eine bestimmende geostrategische Bedeutung. Die USA deportierten die gesamte Bevölkerung und verschleppten sie nach Mauritius und den Seychellen. Gleichzeitig wurde eine kolossale militärische Infrastruktur aufgebaut.

Großbritannien hatte zusätzlich die Gewässer um das Archipel zu seiner „exklusiven Meeresregion“ erklärt, in der das internationale Recht auf freie Seefahrt nicht gilt. Diese Zone umfasst – gegenüber den 27 Quadratkilometern der Inselgruppe – 500000 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Das Vereinigte Königreich hat weniger als halb so viel Fläche. Nutznießer dieser eigenwilligen Regelung sind in erster Linie die Vereinigten Staaten von Amerika.

Heute sind auf Diego Garcia die verschiedensten US-Einheiten stationiert. Das geht von der Pacific Air Force Detachment ONE, 36 Mission Support Group (MSG) über das U.S. Fleet and Industrial Supply Center (FISC), Diego Garcia Detachment bis zur Ground-based Electro Optical Deep Space Surveillance (GEODSS), Air Force Space Command Detachment TWO, 21 Operations Group. Insgesamt handelt es sich um 13 Einheiten mit bald 5000 Soldaten. Die Engländer unterhalten dort als Hausherrn ebenfalls ein Kontingent, allerdings nicht mehr als symbolische 50 Mann.

Wie bei den rund 1000 US-Militärbasen – jedenfalls den wichtigeren – rund um den Globus üblich, stehen dort nicht nur GI in Sold und Brot, sondern ebenso eine Reihe von Vertretern der CIA, die  Nachrichten sammeln oder Foltergefängnisse betreiben. Zumindest für das frühere Vorhandensein einer solchen Einrichtung auf Diego Garcia gibt es glaubhafte Zeugenaussagen. Das Gefängnis wurde zu Beginn des Afgha­ni­stan­krie­ges eingerichtet und im Einvernehmen mit Großbritannien von der CIA betrieben.

Vor diesem Hintergrund kommt das Urteil aus Den Haag natürlich äußerst ungelegen. Gemäß dem Ideal der Rechtsstaatlichkeit, um dessentwillen sowohl Großbritannien als auch die USA schon viele Kriege geführt haben, müsste nun Diego Garcia an Mauritius fallen, und die USA stünden vor der Herausforderung, in überschaubarer Frist Mannschaften und Material von den Inseln abzuziehen und nach einem Ersatz mit vergleichbaren strategischen Vorzügen Ausschau zu halten.

Daher kann es nicht verwundern, dass London umgehend nach dem Spruch von Den Haag ankündigte, das Urteil „sorgfältig zu prüfen“, was so viel heißt wie, sich nicht darum zu kümmern. Mit Konsequenzen hat London nicht zu rechnen, denn der Internationale Gerichtshof hat keine Möglichkeit, sein Urteil zu exekutieren, jedenfalls nicht gegen­über einem Prozessbeteiligten wie London im Verein mit Washington. So kommt nach dem Urteil immer noch die Frage nach der Stärke des betroffenen Staates, und reicht diese aus, bleibt alles, wie es ist. Das Schicksal der Inseln im Indischen Ozean ist also bis auf Weiteres absehbar: Sie bleiben Militärbasen, welches Urteil Den Haag auch immer fällen mag. 

London lieferte auch gleich die Begründung dafür, dass man das Urteil weiter nicht beachten werde: Der Stützpunkt sei notwendig, um „die Menschen in Großbritannien und auf der ganzen Welt von terroristischen Bedrohungen, organisierter Kriminalität und Piraterie zu schützen“.

Ähnlich verhält es sich mit dem Schicksal der deportierten Einwohner. Diese sogenannten Chagossianer klagten im Jahre 2010 in Den Haag unter anderem, weil die versprochenen Entschädigungen für die Deportation der Bevölkerung nie geleistet worden waren. Schließlich verabschiedete die UN-Vollversammlung mehrheitlich eine Resolution, die den Internationalen Gerichtshof zu einem beratenden Urteil aufforderte, um zu klären, ob der Status quo von Diego Garcia und die anhaltende Verhinderung einer Wiederansiedlung rechtlich in Ordnung sind. 

Ein Blick auf die Länder, die gegen diese Resolution stimmten, legt den Verdacht nahe, dass die Gegenstimmen eher auf politisch-strategische denn auf rechtliche Erwägungen zurückzuführen sind. Die Gegenstimmen kamen von den USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Frankreich. Deutschland und die Mehrheit der übrigen EU-Länder enthielten sich der Stimme.