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29.03.19 / »Ein Bollwerk gegen Aggression und Angst« / Mit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages wurde vor 70 Jahren die NATO gegründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-19 vom 29. März 2019

»Ein Bollwerk gegen Aggression und Angst«
Mit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages wurde vor 70 Jahren die NATO gegründet
Wolfgang Kaufmann

Die vor 70 Jahren gegründete NATO wurde offiziell aus der Taufe gehoben, um ein Instrument der kollektiven Selbstverteidigung zu schaffen und den Westen im Schulterschluss gegen die Sowjet­union und deren Satellitenstaaten zu einen. In Wirklichkeit jedoch sollte sie zunächst vor allem den geostrategischen Interessen der USA dienen.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wusste die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika trotz aller anderslautenden Rhetorik ganz genau, dass von der UdSSR keine ernsthafte Gefahr für Westeuropa ausging. Weder erlaubte die sowjetische Wirtschaftskraft weitere Annexionen noch war die Rote Armee so schlagkräftig, wie sie sich präsentierte. Außerdem besaßen die USA die Atombombe, über die Moskau erst vier lange Jahre später verfügte. Die Mächtigen im Kreml um Diktator Josef Stalin „wollen den Kampf um Deutschland und Europa gewinnen, aber nicht durch militärische Aktionen“, schrieb der Chefplaner im US State Department, George Kennan, an Außenminister George Marshall und Präsident Harry Truman, die dem in keiner Weise widersprachen. Trotzdem versuchte Washington den Eindruck zu erwecken, Westeuropa müsse unbedingt vor einer drohenden sowjetischen Invasion geschützt werden.

Damit verfolgten die USA die Absicht, möglichst viele der europäischen Staaten, die über Kolonien mit Vorkommen strategisch wichtiger Rohstoffe verfügten, politisch an sich zu binden. So wie beispielsweise Belgien mit dem Kongo, aus dem die USA das Uran für ihre ersten Kernwaffen bezogen hatten.

Daneben ging es um die fortgesetzte Einflussnahme auf dem Kontinent nach der Niederringung Deutschlands. Das geschah zum einen über Marshallplan-Hilfen für Länder wie Großbritannien, Frankreich, Portugal, Belgien oder die Niederlande zur Herstellung möglichst tiefgreifender wirtschaftlicher Abhängigkeiten und zum anderen mittels einer Allianz, die nach außen hin als Verteidigungsbündnis hingestellt wurde.

Deren Gründung ging der Abschluss des Brüsseler Paktes vom 17. März 1948 zwischen Großbritannien, Frankreich und den Beneluxstaaten voraus, die vorgeblich der Vorbeugung und Abwehr deutscher Aggressionen dienen sollte. Von einer deutschen Bedrohung konnte zu der Zeit keine Rede sein. Deutschland war entmilitarisiert und stand unter der Aufsicht des Alliierten Kontrollrates, dem auch mehrere Angehörige des Brüsseler Paktes angehörten. Aus diesem Grunde musste letztlich ein anderes Konstrukt her, um die westeuropäischen Staaten um die Supermacht USA zu scharen. Und hier bot sich das Sowjetimperium an, das zu diesem Zeitpunkt einige Aktionen unternahm, welche die propagandistische Neufokussierung auf die „kommunistische Gefahr“ in höchstem Maße erleichterten. Zu nennen sind hier der Umsturz in der Tschechoslowakei im Februar 1948, durch den das zunächst noch recht prowestliche Land komplett zum Vasallen des Kreml mutierte, sowie die Berlinblockade, die am 24. Juni 1948 begann. Aufgrund dessen baten mehrere westeuropäische Staaten die USA formell um Beistand.

Am 11. Juni verabschiedete  der US-amerikanische Kongress die sogenannte Vandenberg-Resolution. Diese von seinem Namensgeber, dem republikanischen Senator Arthur H. Vandenberg, eingebrachten Entschließung erlaubte es der US-Führung nun erstmals in der Geschichte der USA, bereits vor einem Krieg vertragliche militärische Beistandsverpflichtungen einzugehen. Daraufhin fanden ab dem 6. Juli 1948 Beratungen über die Natur des neuen, größeren Verteidigungsbündnisses unter Einbezug der USA statt. Das Ergebnis war der Nordatlantikvertrag, mit dem die NATO (North Atlantic Treaty Organization, Organisation des Nordatlantikvertrags) schließlich begründet wurde. Entsprechend seinem Selbstverständnis als Verteidigungsbündnis sieht er gemäß Artikel 5 den Bündnisfall als gegeben an, wenn ein oder mehrere NATO-Partner militärisch angegriffen werden. Die Unterzeichnung des Papiers, durch welche die Gründung der NATO vollzogen wurde, erfolgte am 4. April 1949 in der US-Hauptstadt Wa­shington vor zahlreichen Journalisten aus aller Welt. Der US-amerikanische Rundfunk übertrug live, als US-Präsident Harry S. Truman vor dem Griff zur Feder erklärte: „Wir hoffen, mit diesem Pakt einen Schutzschild zu errichten, ein Bollwerk gegen Aggression und Angst … Der Nordatlantik-Pakt wird sich nicht negativ, sondern positiv auf den Frieden in der Welt auswirken.“

Erstunterzeichner der Abmachung, die formell zum 24. August 1949 in Kraft trat und deren Gültigkeit zunächst auf 20 Jahre beschränkt war, waren neben dem US-Präsidenten Vertreter Kanadas, Belgiens, Dänemarks, Frankreichs, Großbritanniens, Islands, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Norwegens und Portugals. Zu diesen zwölf NATO-Ländern der ersten Stunde kamen später noch Griechenland und die Türkei 1952, die Bundesrepublik Deutschland 1955, Spanien 1982 und eine ganze Reihe ost- und südosteuropäischer Staaten von Polen bis Montenegro ab 1999 hinzu.
Die Aufnahme der Bundesrepublik war zunächst recht umstritten – insonderheit in Frankreich, wo man dem ehemaligen Feindstaat nicht die gleichen Mitgliedsrechte zugestehen wollte wie den anderen NATO-Mitgliedern. Am Ende setzten sich jedoch die USA durch, welche die Verteidigung Westdeutschlands auf ein breiteres militärisches Fundament zu stellen trachteten. In Reaktion hierauf initiierte die Sowjetunion am 14. Mai 1955 die Gründung eines Verteidigungsbündnisses des Ostblocks unter Moskauer Führung, die Warschauer Ver­trags­organisation (WVO), analog zum Nordatlantikpakt auch Warschauer Pakt genannt.

Die erste, ab dem 6. Januar 1950 geltende NATO-Doktrin „Strategisches Konzept zur Verteidigung des Nordatlantikraums“ basierte auf dem Grundgedanken, dass die UdSSR über größere Ressourcen verfüge als Westeuropa, dessen Schutz von der Existenz der US-Nuklearwaffen abhänge. Und tatsächlich war die zunächst eher wenig konkrete Gefahr eines sowjetischen Angriffs inzwischen um einiges realer geworden, weil der Kreml seit dem 29. August 1949 ebenfalls über die Atombombe verfügte. Der Bündnisfall gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages wurde allerdings erst nach dem Ende des Kalten Krieges, der Sowjetunion und des Warschauer Pakts für gegeben erklärt. Anlass hierzu boten – analog zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges – nicht etwa offene militärische Aggressionen eines Staates, sondern die Anschläge des 11. September 2001, die – analog zum Attentat von Sarajewo – viel Raum für Spekulationen über Hintermänner und dafür verantwortliche Schurkenstaaten ließen.