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05.04.19 / Kein Aprilscherz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-19 vom 05. April 2019

Kein Aprilscherz
Vera Lengsfeld

Es ist Montag, der 1. April. Ein harter Tag für die Berliner. Erstens kämpfen sie mit der Zeitumstellung, die von der EU zwar bereits abgeschafft wurde, aber noch zwei Jahre bleiben soll. Also stehen sie nicht, wie gestern noch, im Tageslicht an der Bushaltestelle, sondern wieder im Dunkeln. Als wäre das nicht Unglück genug, streikt die BVG. Das sind die Berliner Verkehrsbetriebe, die sonst immer so tun, als ob sie die Berliner von A nach B befördern. 

An der Haltestelle bibbernd erinnere ich mich, dass der bekannteste BVG-Streik im  November 1932 stattfand. Damals machte die KPD unter Thälmann gemeinsame Sache mit der NSDAP gegen die „Sozialfaschisten“ von der SPD. Ein knappes Vierteljahr später war Schluss mit lustig. Nach der Machtergreifung wurde die KPD genauso verfolgt wie die Genossen von der SPD. 

Diesmal geht es nicht um große Politik,  sondern nur um höhere Fahrpreise. Die Klassenkämpfe sind vorbei, heute gibt es nur Nahkampfverkehr und Taxifahrerkrieg im um sich greifenden Chaos. Wer sich ins Auto gesetzt hat, steht im Endlosstau. Es helfen  weder bitten oder flehen noch fluchen. Und die nächsten Wahlen sind erst im Mai. Bis  dahin, so hoffen die Verantwortlichen, ist alles vergessen. Die BVG steht ohnehin nicht auf dem Wahlzettel.

Die Schüler, die am Freitag noch mit behördlicher Billigung die Schule schwänzen und die Straßen blockieren durften, haben heute ein besonders Problem. Es ist Klausurtag. „Da es sich um eine Zentralprüfung handelt, kann keine Schule von sich aus entscheiden, den Termin für die Spanisch-Klausur wegen des BVG-Streiks zu verschieben.“ Das stand zur Warnung schon vorher in der Zeitung.

Ach, hätten nur die Putzkolonnen der BVG gestreikt, wäre das kaum jemandem auf­gefallen. Der Dreck und die Schmierereien in den Fahrzeugen der BVG gehören inzwischen zu Berlin wie das Brandenburger Tor. Die Schmierereien werden sich nach dem Streik vervielfacht haben, denn die „Berliner Morgenpost“ meldete: „Auch in der Berliner Graffiti-Szene wird sich auf den Streiktag  vorbereite ... Denn am Montag stehen zahlreiche U-Bahn-Züge den ganzen Tag über in den unterirdischen Abstellanlagen und können – wie schon am 15. Februar zu beobachten war – in aller Ruhe besprüht werden.“

Auf den Straßen verdichtet sich der Verkehr zu einem unentwirrbaren Knäuel. Nur die Härtesten kommen durch. Das sind die Fahrradfahrer, die in Berlin vor allem als Kampfradler vorkommen. Wenn sie nicht mit einem Herzinfarkt aus dem Sattel fallen, was nach der Zeitumstellung häufiger vorkommen soll, gelangen sie irgendwann verschwitzt an ihr Ziel. Zum Scherzen ist ihnen dann nicht mehr zumute – trotz des 1. Aprils.