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19.04.19 / Sprung ins kalte Osterwasser / Wachsbossieren und Eierrollen – Mit jahrhundertealten Bräuchen feiern die Sorben das Osterfest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-19 vom 19. April 2019

Sprung ins kalte Osterwasser
Wachsbossieren und Eierrollen – Mit jahrhundertealten Bräuchen feiern die Sorben das Osterfest
Silvia Friedrich

Wer in die Lausitz kommt, trifft allerorten auf zweisprachige Orts- und Straßenschilder. Hier lebt seit über 1000 Jahren das Volk der Sorben, eine nationale Minderheit ohne eigenen Staat, in Nachbarschaft mit den Deutschen. Und sie leben hier mit eigenen Bräuchen. Zu Ostern lässt sich das erleben, wenn das Osterreiten oder der Sprung junger Damen ins Osterwasser anstehen.

Die angestammte Heimat der heute rund 60000 Sorben ist die Oberlausitz im östlichen Teil des Freistaates Sachsen und die Nie­derlausitz im Südosten Brandenburgs. Davon leben 20000 Nie­dersorben in der brandenburgischen Niederlausitz und 40000 Obersorben in der sächsischen Oberlausitz zwischen Kamenz, Bautzen, Weißwasser und Hoyerswerda. 

„Veneti“ nannten römische Geschichtsschreiber die ihnen unbekannten slawischen Stämme, die seit der Völkerwanderung in Mittel- und Ostdeutschland, aber auch im Alpenraum siedelten. So entwickelte sich der Begriff Wenden. Neben der Bezeichnung Sorben wird vor allem in Brandenburg auch der ältere Begriff „Wenden“ verwendet. 

Obwohl der Anteil der Sorben an der Gesamtbevölkerung in Brandenburg unter einem Prozent liegt, ist die reiche Folklore und Mythologie des Volkes überall bekannt und beliebt. Manch heidnischer Brauch wurde im christlichen Festkreis des Jahres mit neuen Inhalten gefüllt. 

Zu Ostern, dem größten christlichen Fest, ist das Verschenken von Eiern als Symbol für den Ursprung allen Lebens, weit verbreitet. Die dem Ei innewohnende Lebenskraft soll auf den Be­schenkten übergehen. Seit vielen Generationen werden in den Dörfern der Mittellausitz am Karfreitag in den Familien Ostereier verziert, um sie am Ostersonntag zum Beispiel an Patenkinder zu verschenken. 

Sorbische Ostereier sind weit über das Land hinaus bekannte Kunstwerke. Wichtig ist dabei, typische sorbische Elemente und Symbole zu verwenden. Das Dreieck spiegelt die göttliche Trinität wider, und Kreise oder Punkte versinnbildlichen den Schutz des Menschen und der Tiere vor Dämonen. Striche stellen Sonnenstrahlen dar, die für Wärme, Licht und das Erwachen der Natur stehen. Alle Symbole werden in geometrischen, stilisierten oder naturalistischen Ornamenten angeordnet. 

Vier Techniken des Eierverzierens sind in der Lausitz überliefert. Bei der Wachsbatik-Technik wird mit einer geschlissenen, geschnittenen Form einer Gänsefeder oder mit dem Glaskopf einer Stecknadel flüssiges Wachs auf das Ei aufgetragen. Danach kommt das Ei in eine Farblösung. Dieser Vorgang kann bis zu sechsmal wiederholt werden. Am Ende wird das Wachs erhitzt und mit einem weichen Tuch entfernt.

Unter „Wachsbossieren“ versteht man die Technik, bei der dem Wachs Farbe beigefügt wird, um danach auf die Eier aufgetragen zu werden. Des Weiteren gibt es die Kratztechnik, wobei kräftig gefärbte Eier mit scharfem Gegenstand bearbeitet werden und die Ätztechnik. Hierbei werden mittels Stahlfeder und Ätzflüssigkeit Ornamente auf das gefärbte Ei aufgetragen. Nach dem Abwischen der Säure erscheint dann die weiße Schale als Muster. Auf den vielen Ostereiermärkten in der Lausitz kann man den Volkskünstlern dabei zusehen, wie diese prachtvollen Eier unter mühevoller Feinarbeit entstehen.

Der berühmteste sorbische Osterbrauch ist das Osterreiten, der bis in die vorchristliche Zeit zurückreicht. Feldumritte sollten die junge Saat vor Missernten schützen. Heute wird der Brauch in allen katholischen sorbischen Gemeinden gelebt. Feierliche Reiterprozessionen ziehen von und nach Bautzen, Ralbitz, Wittichenau, Crostwitz, Panschwitz-Kuckau, Radibor, Storcha, Nebelschütz und Ostro, um die Auferstehung des Herrn zu verkünden.

In den Tagen vor Ostern werden die Pferde auf den Höfen gestriegelt, die Mähnen geschmückt und mit Blumen verziert. Mit auf Hochglanz polierten Pferdegeschirren und Schleifen am Pferdeschweif machen sich die festlich mit Zylinder, schwarzer Schleife und Gehrock gekleideten Osterreiter auf den Weg. Doch nicht, bevor die Hausfrau ihren Mann mit Weihwasser ausgesegnet hat mit den Worten „Gottes Segen und eine gute Heimkehr – Bože žohnowanje a dobry nawrót“. Nach dreimaligem Ritt um den Friedhof und die Kirche begeben sich die Reiter singend und betend in die Nachbargemeinden.

Nicht unerwähnt bleiben darf das „Waleien oder Walkowanje“. Die Kinder gingen mit ihren geschenkten Eiern früher zum Ostereierrollen, da die Menschen glaubten, dass das Gedeihen der Saaten gefördert werde, indem Eier über Wiesen und Flure gerollt werden. Man ließ die Eier nacheinander hinabrollen. Wer ein anderes Ei traf, durfte es behalten. Heute ist der Brauch wieder sehr beliebt.

So manch ein älterer Mitbürger wird sich vielleicht auch an das Osterwasser erinnern, da dieser Brauch zum Beispiel auch in Ostpreußen bekannt war. Im Morgengrauen des Ostersonntags gingen junge, unverheiratete Mädchen in Tracht zu einem fließenden Ge­wässer, das aus östlicher Richtung hin zum Sonnenaufgang floss, um Osterwasser daraus zu schöpfen. Es sollte Schönheit und Kraft verleihen und Krankheiten besiegen. Wichtig war, dabei nicht zu sprechen, da das Wasser sonst seine Zauberkraft verlor. Junge Burschen taten alles, um die Mädchen dabei zu erschrecken, so dass sie nur noch mit Plapperwasser nach Hause kamen.

In einigen Dörfern der katholischen sorbischen Lausitz sind am Karfreitag und Karsamstag Kinder zwischen vier und 14 Jahren mit Holzklappern unterwegs. Sie gehen früh, mittags und abends durchs Dorf und beten an jedem Wegkreuz. Da die Kirchenglocken schweigen, ist nur ihr kräftiges Geklapper zu hören, womit sie die Menschen zum Angelus-Beten auffordern. 

In der Schleifer Region trafen sich dereinst junge Mädchen in der Osternacht, um die Dorfstraße entlangzuziehen und Choräle zu singen. Wieder belebt wurde dieser Brauch 1993 von den Schleifer Singefrauen in Rohne, oder Rowno, wie es auf Sorbisch heißt, bei Weißwasser. Sie ziehen in Halbtrauertracht von Haus zu Haus und singen kirchliche Lieder.





Die vom »sumpfigen Land«

Die Vorfahren der Sorben waren slawische Stämme, die nordöstlich der Karpaten lebten und vor etwa 1500 Jahren das Gebiet zwischen Ostsee und Erzgebirge besiedelten. Die heutigen Obersorben sind direkte Nachfahren des einst in die spätere Oberlausitz eingewanderten sorbischen Stammes der Milzener. Die Nie­dersorben sind Nachkommen des Slawenstammes der Lusizi in der heutigen Niederlausitz. Ihr Name wurde später zur Bezeichnung der ganzen Region: Lausitz, was im sorbischen „sumpfiges Land“ bedeutet. 

Die Sorben (obersorbisch: Serbja, niedersorbisch: Sorby) sind heute Bürger der Bundesrepublik. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sprechen alle auch die deutsche Sprache. In der Ober- und Niederlausitz konnten die Menschen ihre kulturellen Ei­genarten bewahren und weiterentwickeln. Nur durch die Politik der Nationalsozialisten gab es eine Unterbrechung durch zu­nehmende Unterdrückung der Sorben als einer „fremdvölkischen“ Minderheit. 

Die Gleichberechtigung der Sorben wurde 1949 in der DDR-Verfassung verankert. Seit der Vereinigung im Jahre 1990 erfährt das sorbisch-wendische Volk besonderen gesetzlichen Schutz. In Sachsen und Brandenburg gibt es Schulen mit zweisprachigem Unterricht, in denen außerdem Sorbisch als Fremdsprache gelehrt wird. Auch sorbische Kindergärten gehören inzwischen zum Alltag der Heranwachsenden.

Gäbe es einen sorbischen Staat, wäre der nicht größer als eine deutsche Kleinstadt. Eine Art „Hauptstadt“ gibt es dennoch, nämlich Bautzen, auf Sorbisch: Budyšin. Hier findet man das „Haus der Sorben“, in dem die Stiftung für das sorbische Volk ihren Sitz hat und die Domowina  – Bund Lausitzer Sorben e.V., der als Dachverband sorbischer Vereine die Interessen des sorbischen Volkes in der Öffentlichkeit vertritt.S.F.