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03.05.19 / Nur der Vatikan, Weißrussland und der Kosovo fehlen / Dem Europarat gehören 47 europäische Staaten mit zusammen 820 Millionen Bürgern an – Vor 70 Jahren wurde er gegründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-19 vom 03. Mai 2019

Nur der Vatikan, Weißrussland und der Kosovo fehlen
Dem Europarat gehören 47 europäische Staaten mit zusammen 820 Millionen Bürgern an – Vor 70 Jahren wurde er gegründet
Wolfgang Kaufmann

Vor 70 Jahren entstand mit dem Europarat die älteste politische Organisation der Staaten Europas. Ihre Gründung erfolgte maßgeblich auf Initiative des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA, der auch in den Jahrzehnten danach Einfluss auf den Prozess der europäischen Einigung auszuüben versuchte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unternahmen die USA vielfältige Anstrengungen, um das Wiedererstarken Deutschlands zu verhindern und zugleich auch ihre Vorstellungen von einem großen gemeinsamen Markt beziehungsweise Wirtschaftsraum in die Praxis umzusetzen. Dabei konnte sich Washington auf den britischen Premierminister von 1940 bis 1945 sowie von 1951 bis 1955 Winston Churchill stützen, der bereits am 19. September 1946 in seiner programmatischen Rede an die akademische Jugend im Münsterhof von Zürich gefordert hatte: „Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten.“

Genau das war auch das Ziel des American Committee for a United Europe (ACUE, Amerikanisches Komitee für ein vereintes Europa), das sich am 23. April 1948 im Faculty Club der New York University konstituierte. Als einer der Initiatoren fungierte der japanisch-österreichische „Paneuropäer“ und Gründer der Europäischen Parlamentarier-Union, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi. Die Hauptakteure kamen allerdings aus der US-Milliardärsfamilie Rockefeller und dem Auslandsgeheimdienst Central Intelligence Agency (CIA). Letzterer sorgte dafür, dass der spätere CIA-Direktor Allen Welsh Dulles als stellvertretender Geschäftsführer des ACUE eingesetzt wurde. Und an der Spitze des Komitees stand William Donovan, bis 1945 Chef des Office of Strategic Services (OSS, Amt für strategische Dienste), der Vorläuferorganisation der 1947 gegründeten CIA.

Das ACUE war die treibende Kraft hinter der European Conference on Federation (ECF, Europäische Föderationskonferenz), die erstmals am 7. Mai 1948 unter dem Vorsitz von Churchill in Den Haag tagte und an der diverse Parlamentsmitglieder der 16 Empfängerländer von Marshallplan-Hilfen teilnahmen. Ebenso finanzierte das Komitee die European Movement International (EMI, Europäische Bewegung International) und die Union of European Federalists (UEF, Union Europäischer Föderalisten). Dadurch konnte die CIA Einfluss auf weitere Befürworter der Vereinigten Staaten von Europa nehmen. Hierzu zählten unter anderem der französische Außenminister Robert Schuman und der frühere belgische Premier Paul-Henri Spaak. Für den Geldfluss an diese beiden und diverse weitere „Herzens-Europäer“ sorgte der aus Polen stammende Mehrfach-Agent Józef Retinger. Die verdeckte Operation, die am Beginn des Prozesses der europäischen Einigung stand, flog erst am 19. September 2000 auf, als die britische Zeitung „The Telegraph“ geheime US-Regierungsdokumente veröffentlichte, die von Joshua Paul von der Georgetown University in Washington aufgespürt worden waren. 

Aufgrund der fleißigen Lobbyarbeit der ECF und der beiden anderen CIA-gesteuerten Organisationen konnte am 5. Mai 1949 der Council of Europe (CoE, Europarat) ins Leben gerufen werden. Als Gründungsmitglieder fungierten die zehn Staaten Belgien, Dänemark, Großbritannien. Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Frankreich, aus dem der erste Generalsekretär, Jacques Camille Paris, stammte. Bevollmächtigte der zehn Staaten unterzeichneten am 5. Mai 949 den sogenannten Londoner Zehnmächtepakt, der momentan als die Satzung des Europarats angesehen wird. Dort heißt es, man wolle den „ausdrück­lichen Wünschen“ der Völker der zehn Signatarstaaten nachkommen und „einen engeren Zusammenschluss“ unter den Mitgliedern des Rates „verwirklichen.“ 

Nachdem nun eine erste formelle zwischenstaatliche Organisation entstanden war, die als Keimzelle für eine weitere europäischen Einigung dienen konnte, setzte das CIA-gesteuerte ACUE seine Bemühungen fort, diesen Prozess im Sinne der USA zu lenken. Gemäß einem von Donovan unterzeichneten Memorandum vom 26. Juli 1950 waren nun Kampagnen zwecks Etablierung eines gemeinsamen europäischen Parlaments zu starten. Ein weiteres Ziel des ACUE war die Schaffung einer europäischen Währungsunion, wie weitere Aktennotizen vom 11. Juni 1965 verraten, denen zufolge das Projekt ver- deckt vorangetrieben werden solle, bis seine Umsetzung „praktisch unvermeidlich würde“.

Wann genau diese heimliche US-Einflussnahme endete, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall wuchs die Zahl der Mitgliedsstaaten des Europarates in den letzten sieben Jahrzehnten von zehn auf 47. Rund 820 Millionen Menschen leben mittlerweile in Mitgliedsstaaten des Europarats. Fast alle europäischen Länder gehören nun dazu mit den drei Ausnahmen Vatikanstaat, Weißrussland und Kosovo.

Obwohl die Europäische Union vom Europarat Sternenkranz und Sternenbanner sowie die Europahymne übernommen und von 1977 bis 1999 das Europäische Parlament den Plenarsaal der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Europapalast in Straßburg mit genutzt hat, bestehen keine institutionellen Verbindungen zwischen den beiden europäischen Organisationen. Deshalb bestehen trotz Namensähnlichkeit auch keine Gemeinsamkeiten mit EU-Institutionen wie dem Europäischen Rat, also dem Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU, und dem Rat der Europäischen Union, der quasi als EU-Ministerrat und supranationales legislatives Organ fungiert. Der Europarat bietet lediglich ein Forum für die Diskussion von Fragen von allgemeinem Interesse für Europa. Dazu gehören nicht zuletzt die Einhaltung der Menschenrechte, die Sicherung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien, die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit sowie neuerdings auch die Terrorismusbekämpfung. In inzwischen mehr als 170 Fällen mündeten die Gespräche in den Abschluss von zwischenstaatlichen, völkerrechtlich verbindlichen Abkommen wie beispielsweise der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950, deren Unterzeichnung mittlerweile zur unumgänglichen Bedingung für den Beitritt zum Europarat geworden ist. Die Überwachung der Einhaltung dieses multinationalen Vertragswerkes obliegt dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der deshalb zu den wichtigsten Organen des Europarates zählt.

Heute gilt der Europarat als dringend reformbedürftig. Insbesondere wird eine Konzentration auf die Kernthemen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat gefordert. Außerdem hat sich der Europarat in letzter Zeit als zahnloser Tiger erwiesen, als es beispielsweise um die Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen und Wahlfälschungen in einigen Mitgliedsstaaten ging. Verantwortlich hierfür war nicht zuletzt die Bestechlichkeit mancher Funktionsträger.