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28.06.19 / Weder das eine noch das andere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-19 vom 28. Juni 2019

Weder das eine noch das andere

Losgelöst von jeglichen ethischen und moralischen Erwägungen hat es sich in der Geschichte rein machtpolitisch als opportun erwiesen, einen besiegten Gegner entweder zu schonen oder ganz zu vernichten. Preußens Ministerpräsident Otto von Bismarck hat das nach dem Deutschen Krieg geradezu lehrbuchhaft praktiziert. In der Regel wurden die Verliererstaaten entweder annektiert oder kamen in den Genuss eines Verständigungsfriedens. Das hatte zur Folge, dass bei der nächsten Chance zur Revanche im Deutsch-Französischen Krieg die Verlierer von 1866 keine Revanche übten, weil es sie entweder nicht mehr gab, oder aber sie kein hinlängliches Interesse an einer Vergeltung hatten.

Zu den großen Verständigungsfrieden gehören die beiden Pariser Frieden nach den Koalitionskriegen, die in ihrer Dimension mit dem Ersten Weltkrieg vergleichbar sind. Obwohl die französische Niederlage eindeutig war einschließlich Einnahme der Hauptstadt Paris, einigte man sich im Prinzip auf die Rückkehr zu Frankreichs sogenannten alten Grenzen von vor den Kriegen und ein Mitwirken Frankreichs an der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress. Die Milde der Behandlung Frankreichs lag auch daran, dass die Sieger den Regimewechsel vom „Usurpator“ und „Kind der Revolution“ Napoleon Bonaparte zu dem als legitim angesehenen Bourbonenkönig Ludwig XVIII. nicht gefährden wollten. Zudem war es auch konsequent und ehrlich, hatten doch die Siegermächte der Befreiungskriege wie die des Ersten Weltkrieges betont, weniger die Bevölkerung des Gegners als dessen politisches System bekämpfen zu wollen. 

Einen vergleichbaren Regimewechsel im Sinne der Sieger am Ende des Völkerringens hatte es 1918/19 in Deutschland gegeben, diesmal von den Hohenzollern zur parlamentarischen Demokratie nach westlichem Vorbild. Hierauf nahmen die Westmächte aber anders als gut ein Jahrhundert zuvor die Sieger über das napoleonische Frankreich überhaupt keine Rück­sicht. Sicherlich haben diese schlechten Erfahrungen der Deutschen mit den Westmächten nach dem Ersten Weltkrieg – in Kombination mit der Erfüllungspolitik prowestlicher Weimarer Politiker – der Sache des Westens in der Weimarer Republik ähnlich massiv geschadet wie nach dem Zweiten Weltkrieg die schlechten Erfahrungen der Deutschen mit der Sowjetunion – in Kombination mit der Nähe von KPD und DKP zur UdSSR – der Sache des Kommunismus in der Bundesrepublik. 

Wenn das Versailler Diktat auch zu ungerecht und hart war, um von den Deutschen freiwillig akzeptiert zu werden, so war es doch andererseits zu milde, um den Deutschen langfristig oktroyiert werden zu können. Die Deutschen wurden keiner Besatzungsherrschaft unterworfen, sie wurden keiner Gehirnwäsche unterzogen, und ihren kleindeutschen Nationalstaat von 1871 durften sie behalten. Die Ressourcen und das Potenzial zur Großmacht blieben erhalten, wie der Zweite Weltkrieg gezeigt hat.

Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges zogen daraus durchaus logische Konsequenzen und machten keine halben Sachen. Nicht umsonst wurde von Deutschland die bedingungslose Kapitulation gefordert. Das Land wurde besetzt, das Reichsgebiet in Besatzungszonen aufgeteilt und die Bevölkerung einer Reeducation unterzogen.M.R.