29.04.2024

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02.08.19 / Flucht aus den Kirchen / Zahl der Austritte erreicht Rekordhoch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-19 vom 02. August 2019

Flucht aus den Kirchen
Zahl der Austritte erreicht Rekordhoch
Peter Entinger

Die Zahlen sind für die Kirchen desaströs und alarmierend. 216078 Menschen sind im Jahr 2018 aus der katholischen Kirche in Deutschland ausgetreten, das ist eine Zunahme von knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit 167504 Austritten. Die Zahl der Katholiken in Deutschland lag im vergangenen Jahr bei rund 23 Millionen Menschen. Knapp 28 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung sind damit Mitglied der katholischen Kirche. Nicht anders ist die Situation bei der Evangelischen Kirche. Die Zahl der Protestanten verringerte sich 2018 insgesamt durch Sterbefälle und Austritte um 395000 und liegt nun nur noch bei knapp über 21 Millionen. Der Sekretär der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, nannte die Zahlen „besorgniserregend“. Verantwortlich für die weiter gestiegene Zahl der Austritte sei sicher auch die im September veröffentlichte Missbrauchsstudie. Dadurch sei eine große Debatte ausgelöst worden. „Viele glauben uns nicht mehr, dass wir konsequent und entschlossen gegen Täter vorgehen“, sagte Langendörfer gegenüber Spiegel Online. „Die Zahlen zeigen insgesamt, dass wir als Kirche in einer Welt der Individualisierung, der pluralen Religiosität – in einer Welt des Umbruchs – leben“, erklärte Langendörfer weiter. „Wir müssen neue Wege finden, wie wir Menschen erreichen, sie begleiten und ihnen nah sein können.“

Auch in den Reihen der Evangelischen Kirchen mehren sich die sorgenvollen Stimmen. „Wofür der christliche Glaube steht, ist für viele Menschen nicht mehr verständlich“, schrieb die Landesbischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt: „Unsere Aufgabe ist es deshalb, intensiver das Gespräch darüber zu suchen, was ein Leben aus dem Glauben heraus attraktiv macht und welche Relevanz der Glaube für unseren Alltag, für unser Zusammenleben und für unsere Zukunft hat.“ Einen Schritt weiter ging der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh. Er sei davon überzeugt, dass „viele unsere Kirche verlassen, weil sie die Frage nach Gott nicht mehr bewegt“.

Diese Einschätzung teilt der Religionssoziologe Detlef Pollack: „Man muss unterscheiden zwischen Austritten aus der evangelischen und der katholischen Kirche. Ganz wichtig ist, dass Menschen die Kirche verlassen, weil sie mit dem Glauben nichts mehr anfangen können, weil ihnen die Kirche nichts sagt, weil ihnen Kirche gleichgültig geworden ist. Ein anderer Punkt ist, das betrifft vor allem die katholische Kirche, dass man unzufrieden ist, sich an der Kirche reibt – und da spielt natürlich der Missbrauchsskandal eine große Rolle.“

Der prominenteste Grund sei aber die Kirchensteuer. „Wenn einem etwas nicht mehr wichtig ist, möchte man auch nicht zahlen“, sagt Pollack. Die Mitgliederent­wicklung hat sich noch nicht finanziell ausgewirkt. Im Vergleich zu 2007 ist das Kirchensteuer­aufkommen der EKD von etwa 4,2 Milliarden Euro auf 5,79 Milliarden Euro gestiegen. Die katholischen Bistümer erhielten 2007 rund 4,7 Milliarden Euro Kirchensteuer, 2017 waren es 6,4 Milliarden Euro. Dies hängt aber vor allem mit der Lohnentwicklung zusammen. Immer weniger Gläubige zahlen immer mehr. Doch Experten warnen davor, dass die Gutverdiener in Rente gehen und immer weniger Steuerzahler nachrücken. „Es sind die Erwerbspersonen, die austreten. Und das sind natürlich genau die, die Kirchensteuer zahlen und die dann auch den Annex der Kirchensteuer bedienen“, fasst der Wirtschaftsexperte Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg zusammen.