Die Freien Demokraten haben den Einzug in die Landtage von Brandenburg und Sachsen verpasst. Dasselbe Schicksal droht ihnen auch in Thüringen. Doch Christian Lindner gibt sich trotz der großen Krise weiterhin unbeirrt. Natürlich sei der Wahlsonntag „kein Grund zum Feiern“ gewesen, sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende der FDP. Die Mitteldeutschen hätten taktisch gewählt. „Um die AfD zu verhindern, haben sie für die Regierungsparteien CDU in Sachsen und die SPD in Brandenburg gestimmt“, lautete seine Erklärung. Gleichzeitig habe die FDP nicht von der Unzufriedenheit profitieren können. Den Protest habe die AfD für sich vereinnahmt.
Der Politikwissenschaftler Jochen Franzke von der Universität Potsdam widersprach umgehend. Er bezeichnete taktische Wahlentscheidungen als „nicht ausschlaggebend“. Für die Liberalen stelle sich in Mitteldeutschland viel eher die Sinnfrage. „Offensichtlich ist das Milieu der Liberalen in diesen zugespitzten Zeiten im Osten im Augenblick zu klein, um wirklich fünf Prozent zu erreichen“, sagte er gegenüber dem Nachrichtensender NTV. „Mehr als eine Botschaft fehlt der FDP dort überhaupt eine Basis. Das zeigt sich auch daran, dass in Brandenburg die Bereitschaft zu Gründungen und Unternehmertum gering ist“, so der Wissenschaftler.
Kurz nach der Wahl in Sachsen trat der dortige Landesvorsitzende Holger Zastrow, einer der wenigen profilierten Köpfe der Liberalen in Mitteldeutschland, entnervt zurück. Doch Parteichef Lindner lehnt eine Kurskorrektur ab. „Man kann immer über zusätzliche Themen, andere Argumente, zusätzliche Verbreiterung nachdenken“, aber an Grundüberzeugungen, mit denen man aus der außerparlamentarischen Opposition zurückgekehrt sei, werde man festhalten, erklärte der Parteivorsitzende. Es bringe nichts, in Sachen Klimapolitik die Grünen zu überholen und in Fragen der Einwanderung mit der AfD zu konkurrieren. „Die Leute wählen dann ohnehin das Original“, sagte Lindner. Nachdenken müsse man eher „über die Vermittlung“ von Themen wie in der Klimapolitik, wo es um das Zusammenspiel „von Technologie und Umweltschutz“ gehe. Oder auch in der Immigrationspolitik mit der Forderung nach Weltoffenheit einerseits und Ordnung andererseits. Offenbar hält der Chefliberale seine Partei für zu intelligent, um bei Wahlen erfolgreich zu sein. „Mit unserem differenzierten und sehr fachlichen Zugang hat die FDP es schwerer als andere. Der Kreis, derjenigen, die in die FDP-Programmatik bereits voll eingedrungen sind, ist eben sehr überschaubar“, sagte der Vorsitzende.
Doch erstmals seit Jahren gibt es Widerspruch. Wolfgang Kubicki plädiert für einen Kurswechsel, um AfD-Anhänger zurückzugewinnen: „Wir müssen mehr argumentieren statt zu denunzieren und eine konstruktive Auseinandersetzung führen“, sagte er der „Passauer Neue Presse“. „Um AfD-Wähler zurückzugewinnen, reicht es schlichtweg nicht aus, sich ausschließlich von der Partei abzugrenzen“, so der FDP-Bundesvize.P.E.