03.05.2024

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20.09.19 / Morscher Charakter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-19 vom 20. September 2019

Morscher Charakter
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Seit fast drei Monaten finden in Hongkong fast täglich Demonstrationen mit bis zu 1,7 Millionen Menschen und damit fast einem Drittel seiner Bevölkerung statt. Waren sie zunächst friedlich, kam es bald zu tätlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei bis hin zur Teilbesetzung des wichtigen Flughafens. Anlass war ein Gesetz, das die Auslieferung von Verdächtigen an das kommunistische China erlaubt. 

Dabei hatte der damalige Vertrag Londons mit Peking unter der Devise „Ein Land, zwei Systeme“ das bestehende Rechtssystem garantiert. Jetzt fordern die Hongkonger ein allgemeines Wahlrecht: Denn das heutige System zum Legislative Council garantiert Peking-getreuen „Volksvertretern“ eine Mehrheit. Wer das wichtigste Amt der Sieben-Millionen-Stadt erhält, wird von Peking entschieden und nicht an den Wahlurnen der Stadt. Die Rufe „Freiheit für Hongkong“ der Demonstranten richteten sich daher verstärkt gegen Peking. Ihre Forderung nach einem selbstständigen Stadtstaat wie Singapur werden Utopie bleiben. 

Chinas Staatspräsident Xi Jinping will am 1. Oktober, dem 70. Jahrestag der Volksrepublik, sein Reich als führende Weltmacht vorführen, wobei er dafür die Rebellion Hongkongs nicht ewig gewähren lassen kann. Er steht vor einem entscheidenden Problem: Ein Einmarsch in Hongkong durch sein Militär wäre offener Völkerrechtsbruch und würde Peking erneut als Diktatur entlarven. Bilder wie damals vom Tian’anmen-Massaker am 4. Juni 1989, bei dem 200 Zivilisten erschossen und 3000 verletzt wurden, möchte man unbedingt vermeiden. 

Gespräche mit den Demonstranten, die der damalige Premierminister der Volksrepublik, 

Li Peng, 1989 nicht scheute, lehnt Peking heute ab. Hat seine massive Propagandamaschine bisher die Hongkonger als Chaoten tituliert und von Terrorismus getönt, so wäre es gegenüber den eigenen Untertanen schwer, einen Kompromiss einzugehen, wenngleich der Ton aus Peking in den letzten August-Tagen moderater wurde. Man wird dort verstärkt versuchen, durch Geheimpolizei die Freiheitsbewegung zu unterwandern, zu zersplittern und ihre Anführer nach China zu entführen. 

Die UNO und ebenso die westeuropäischen Staaten, die sonst so gern protestieren, scheuen offenbar eine klare Haltung – sie schweigen. Ist der Westen inzwischen wirtschaftlich so abhängig vom kommunistischen Peking, dass er zu den Vorgängen nicht mehr zu sagen wagt, was er denkt? Oder denkt man über die Freiheit auf unserer Welt überhaupt noch nach? Sollten wir in unserem Wohlstand schon so charakterlich morsch sein, dass wir für das Streben nach Profit den Wert der Freiheit und wahrer Demokratie opfern?