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20.09.19 / Schlesien freut sich, wenn es kleiner wird / Will der letzte Tschenstochauer Woiwode wieder der erste sein?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-19 vom 20. September 2019

Schlesien freut sich, wenn es kleiner wird
Will der letzte Tschenstochauer Woiwode wieder der erste sein?
Edmund Pander

Die polnischen Kommunisten hatten 1975 das bis dahin in 17 Woiwodschaften unterteilte Polen auf 49 Woi­wodschaften aufgeteilt. Es ist kein Geheimnis, dass mit der bis 1999 geltenden Kleinräumigkeit viele Pöstchen geschaffen werden konnten. Die regierende PiS (Recht und Gerechtigkeit) ist seit einigen Jahren wieder in der Versuchung, mittels einer neuerlichen Reform regional zu punkten.

2016 hatte das Land diesbezüglich eine große Debatte erlebt. So war geplant die Hauptstadt Warschau aus der Woiwodschaft Masowien auszugliedern und ihr durch riesige Umlandgebiete vermehrt ländliches PiS-Wahlvolk zuzuschieben. Da seit 1999 nur noch 16 Woiwodschaften bestehen, war ebenso avisiert das östliche Hinterpommern als Woiwodschaft Köslin aus Teilen der Woi­wodschaften Westpommern mit seiner Hauptstadt Stettin und Pommern – richtig eigentlich Pommerellen – mit seiner Hauptstadt Danzig zu bilden und damit den Makel wiedergutzumachen, dass einzig Köslin den Stand von 1975 nach Zusammenbruch des Kommunismus nicht wiedererlangte. Auch hier unterstellten Kommentatoren, die PiS verfolge mit der Reform eigennützige Ziele, denn in Pommern müsse die im Osten Polens starke Regierungspartei überhaupt einmal etwas für die eigene Hausmacht tun, indem sie quasi Bonbons verteilt.

Die dritte neukonzipierte Woi­wodschaft sollte eine Woiwodschaft Tschenstochau sein – interessanterweise die einzige Wiedergeburt einer erst 1975 geschaffenen Kleinregion. Nur ist Tschenstochau mit der Schwarzen Madonna im Kloster am Hellen Berg eben der Heilige Ort des katholischen Polens schlechthin. Nachdem die Selbstständigkeit von Köslin und Warschau zunächst einmal gescheitert war, verkündete dieser Tage nun Szymon Gizynski, der letzte Woiwode der von 1975 bis 1999 existierenden Woiwodschaft Tschenstochau, dass er nach einer gewonnen Parlamentswahl seiner Partei, der PiS, die Woiwodschaft Tschenstochau wieder entstehen lassen werde. Damit wolle man eben ein altes Wahlversprechen einlösen und Jaroslaw Kaczynski teile ja auch dieses Ansinnen.

Eine Wiederentstehung dieser Region hätte zumindest einen interessanten Nebenaspekt. Während Tschenstochau im alten Polen-Litauen zur Woiwodschaft Krakau gehörte, galt nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens die Ausrichtung nach Kielce, ab 1950 dann nach Kattowitz. Einst hatte die Nähe der Stadt zu allen drei polnischen Teilungsmächten die religiöse Bedeutung begünstigt, später erwies sich die Lage als ungünstig, da man im Nirgendwo zwischen Lodsch, Kielce und Kattowitz lag. Dass die Angliederung an Kattowitz so gar nicht passte, wurmte vor allem die Oberschlesier nach 1999 sehr, denn deren Woiwodschaft hatte 1999 den eigentlich erfreulichen Namen „Schlesien“ erhalten, während die Kommunisten die Regionen stur nach ihren Hauptstädten benannt hatten. Mit einer  Ausgliederung der eigentlich kleinpolnischen Stadt Tschenstochau aus der Woiwodschaft Schlesien täte man den Oberschlesiern gewissermaßen mehrheitlich einen Gefallen, die ihre Identität territorial verdreht und aufgebläht sahen. Und welchen historisch bewussten Deutschen hat es nicht schon ebenso gewurmt, dass in den letzten Jahren zunehmend in den deutschen Medien von „Tschenstochau in Schlesien“ die Rede war?

Andere Gefühle kommen hingegen in der westlichen oberschlesischen Woiwodschaft Oppeln auf. Die 1998 aufgelöste Woi­wodschaft Tschenstochau umfass­te ja auch die oberschlesischen Landkreise Rosenberg und Lublinitz, die mit einer Unabhängig Tschenstochaus Oppeln wieder verloren gehen könnten. Die Strategie der Oppelner liegt nun darin, darauf hinzuweisen, dass Oppeln die kleinste Woiwodschaft des Landes bilde. Letztlich bekommt der ein oder andere in der in Oppeln mitregierenden deutschen Minderheit Angst um die Existenz der eigenen Region. 

Unstreitig ist, dass eine Tschenstochauer Woiwodschaft Teile der jetzigen Woiwodschaften Lodsch (Lodz) und Heiligkreuz umfassen würde. Wenn man historische Begradigungen im Auge hat, dürfte man sich hingegen im oberschlesischen Landkreis Rosenberg (Olesno) über einen Abfall der Gemeinden Praschka (Praszka) und Rudniki freuen, denn diese beiden Gemeinden sind die einzigen Orte des Oppelner Landes, die niemals zu Schlesien gehörten und heute von Oppeln aus mitregiert werden. 

Unsicher wäre der Umgang mit dem oberschlesischen Landkreis Lublinitz, dem mit Herby sogar eine Gemeinde angehört, die einst zwei Gemeinden war. Sie entstand 1922 aus dem Zusammenschluss von Polnisch Herby und Schlesisch Herby. 

Übrigens: Auch mit Neubildung einer Woiwodschaft Tschenstochau würden der Woiwodschaft Schlesien immer noch einwohnerstarke nichtschlesische Städte angehören. Denn Dombrowa (Dabrowa), Sosnowitz (Sosnowiec) oder Jaworzno würden mit Sicherheit nicht von Kattowitz gelöst werden. Das funktioniert schon verkehrstechnisch nicht, und das Industrierevier ist hier über das einstige deutsch-österreichisch-russische Dreikaisereck hinaus industriell und infrastrukturell kaum mehr entflechtbar. Schon die Nationalsozialisten hatten diesen Raum völlig unhistorisch Schlesien angegliedert.