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18.10.19 / Königsberg – Ein neuer Morgen / Zweiter Teil eines Berichts von Jörn Pekrul

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-19 vom 18. Oktober 2019

Königsberg – Ein neuer Morgen
Zweiter Teil eines Berichts von Jörn Pekrul

Jörn Pekrul hat einen wunderbaren und reichbebilderten Bericht über seine Reise nach Königsberg in der Ausgabe 2/2019 des „Preussen Kuriers, Heimatnachrichten für Ost- und Westpreußen in Bayern“ veröffentlicht, den die Preußische Allgemeine Zeitung dankenswerterweise in einem Mehrteiler abdrucken darf. Hier nun der zweite Teil.

Für die Königsberger beginnt der Alltag, auch weit im Norden. In der Nähe zur Ringchaussee wurde 2019 eine Wohnanlage für den Mittelstand fertig gestellt. Ein Neubau fällt auf, der direkt an der Cranzer Allee steht. Jeder, der mit dem Auto in die Stadt einfährt, wird von einer hauswandgroßen Ansicht des Denkmals von Immanuel Kant und des alten Domes begrüßt. Eine sympathische und gelungene Idee, die angenehm berührt. 

Auf der Cranzer Allee in Richtung Innenstadt schwillt der Verkehr langsam an. Der öffentliche Nahverkehr verzeichnet schon seit Längerem Verbesserungen, und auch die neue Hochbrücke über den Pregel hat viel zur Entlastung der Innenstadt beigetragen. Dennoch bleibt es der Individualverkehr, der die Mobilität in Königsberg bestimmt. Am Roßgärter Tor blicken seit 2018 zwei höchst unterschiedliche Männer einander an: Zuerst General Gerhard von Scharnhorst – unzählig seiner Verdienste rühmen seinen Namen bis heute. Hervorgehoben sei die Teilnahme im Korps L‘Estoq an der Schlacht von Preußisch-Eylau im Jahre 1807, in der Russen und Preußen gemeinsam gegen die französischen Truppen Napoleons antraten. Pour le Mérite, dann eine Laufbahn in der Reorganisation des Heeres, und das Ende zu früh: In den Befreiungskriegen 1813 starb er an einer Schussverletzung in der Schlacht von Großgörschen. Sein Name lebt weiter, und auch die Erinnerung an das Eiserne Kreuz, zu dessen Stiftung er den König gedrängt hatte. 

Von seinem Medaillon blickt er auf den großen Straßenkreisel an der Wrangelstraße/ Hinterroßgarten. Dort steht seit Neuestem eine Säule, auf deren Spitze Alexander Newski in heldenhafter Pose nach Westen zieht. Er wurde um 1220 geboren und starb bereits 1263 – ein kurzes, aber intensives Leben. 1240 schlug er die Schweden in einer Schlacht an der Newa, und am 5. April 1242 drängte er den nach Russland expandierenden Deutschen Orden in einer Entscheidungsschlacht auf dem Eis des zugefrorenen Peipussees zurück. Alexander Newski gilt als russischer Nationalheld und wurde 1547 von der russisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen. Unter Peter dem Großen wurden seine sterblichen Überreste nach Sankt Petersburg umgebettet, wo er bis heute als Schutzheiliger der Stadt gilt. 

Mit seinem Denkmal in Königsberg wird eine Verbindung hergestellt, die meine Königsberger Sicht berührt. Beide Städte haben – Jahrhunderte später – im Zweiten Weltkrieg ein unsägliches Leid erfahren müssen. Zwei Männer im Königsberger Roßgarten. Aus unterschiedlichen Epochen; ihr Wirken konnte die Tragödien im 20. Jahrhundert nicht aufhalten. Eine Mahnung, wie schwer und gleichzeitig wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen. Das Buch von Freya Klier „Wir letzten Kinder Ostpreußens“ stellt diese Schicksalsverbindung von St. Petersburg und Königsberg auf eindrucksvolle Weise dar.

Königsberg wartet im Jahre 2019 mit beeindruckenden Neubauten auf. Am Oberteich herrschen noch die Wohnbebauungen im Maraunenhofer Villenstil vor oder neuzeitliche Gebäude gleichen Typs, wobei man staunt, wie sehr man sich in der Architektur an den deutschen Vorbildern orientiert. Das Schloss-teichufer dagegen scheint „großstädtisch“ werden zu wollen. Im Frühjahr 2019 begann zum Beispiel eine Lückenbebauung neben der Stadthalle. Ihr Solitärcharakter von 1912 ist damit per Du.

Nicht vergangen ist das kulturelle Leben in diesem Gebäude. Wo früher klassische Konzerte die Zuhörer lockten, befindet sich heute ein Museum und Räume für Kongresse. Und da begegnen wir der internationalen Gesellschaft der „Freunde Kants und Königsbergs e.V.“ aus Berlin. Ihr Besuch zu Kants Geburtstag im April liegt noch vor der Eröffnung der Reisesaison, und ihr Zweck –die Pflege und die Weitergabe des Kant’schen Erbes in seiner Heimatstadt (aber nicht nur dort) –erfährt auch in Königsberg viel Zustimmung. In deutsch-russischen Symposien, Konferenzen und kulturellen Veranstaltungen begegnen sich viele unterschiedliche Menschen, die im Geiste Kants Ideen entwickeln und Inspiration erfahren. Die Stadthalle bietet dafür einen idealen Rahmen. Schon vor langer Zeit wurde im Publikumsraum eine Zwischendecke eingezogen, die im oberen Bereich einen attraktiven Raum für Konferenzen schafft. Hier spricht, bildlich gesprochen, Kant für die Zukunft.

Wie im Kontrast dazu steht eine Dauerausstellung, die 2018 in einem anderen Teil dieses Hauses eröffnet wurde. Eine russische Heldendarstellung über die Eroberung Königsbergs – emotional aufgeladen durch beängstigend wirklichkeitsnahe Dioramen. Die realistische Aufmachung verstimmt nicht: In den Trümmern des Blutgerichts ist es ein alter Mann, der offenbar zum Volkssturm eingezogen wurde und recht hilflos an seiner Armbinde nestelt – kein Fanatismus ist auszumachen. Unwirklich der Spruch einer Sparkasse über den Notgroschen – vermutlich unverständlich für das russische Publikum; für den deutschen Besucher eine zusätzliche Betrachtung. Hier ist der Krieg noch ganz nahe. Man sehnt sich einmal mehr nach Kant und seinen Ideen zum ewigen Frieden und der Vernunft.