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22.11.19 / Nur ein blasser Schimmer / Franziska Giffey: Die Affäre um ihre Doktorarbeit nagt am Ruf akademischer Weihen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

Nur ein blasser Schimmer
Franziska Giffey: Die Affäre um ihre Doktorarbeit nagt am Ruf akademischer Weihen

Die umstrittene Dissertation (Doktorarbeit) von Bun­desfamilienministerin Franziska Giffey zum Thema „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ sei „legal, aber wertlos“. Das behauptet die „Spiegel-On­line“-Kommentatorin Miriam Olbrisch, nachdem die Freie Universität Berlin beschlossen hatte, der SPD-Politikerin den Doktortitel zu belassen. Wertlos, denn Giffey habe ja nur über ihre frühere Tätigkeit als Europa-Beauftragte in Berlin-Neukölln geschrieben. 

Dieser Vorwurf ist freilich absurd: Dann könnte man auch einen Mediziner verteufeln, wenn er die Krankheiten seiner eigenen Patienten zum Dissertationsthema macht. Andererseits wurde Giffey aber trotzdem zu Unrecht mit der Note „cum laude“ (gut) promoviert.

Durch die Abfassung einer Dissertation soll der Doktorand nachweisen, dass er in der Lage ist, eigenständig wissenschaftlich zu arbeiten. Dazu gehört natürlich auch die Beherrschung der Methodik des jeweiligen Faches. In der Politikwissenschaft heißt das nicht zuletzt, die eigenen Erkenntnisse vor dem Hintergrund des bisherigen Standes der Forschung zu präsentieren. Das erfordert sauberes Zitieren beziehungsweise eindeutige Angaben, wo auf die Vorarbeiten oder Aussagen anderer zurückgegriffen wurde. Und genau daran gebricht es der Dissertation von Giffey in ganz erheblichem Maße.

So enthält die Arbeit etwa        70 sogenannte Blindzitate, das heißt Verweise auf Literatur, welche gar nicht zu den im Text getätigten Äußerungen passen, was offenbar die Folge einer willkürlichen oder unprofessionellen Auswahl ist. Dazu kommen Literaturangaben, die lediglich aus anderen Werken abgeschrieben wurden – und zwar mitsamt aller Fehler. 

Zweck des Ganzen war dabei, umfassende Recherchen vorzutäuschen. Für eine solche Vorgehensweise prägte der Berliner Jura-Professor Gerhard Dannemann die zutreffende Bezeichnung „simulierte Wissenschaft“. Und dann wäre da noch ein umfangreiches Übersetzungsplagiat: Ursprünglich englische Textpassagen wurden ohne Quellenangabe übernommen, sodass der Eindruck entsteht, ihr Verfasser sei Giffey selbst.

Insgesamt finden sich auf 76 der 205 Textseiten der Dissertation Giffeys gravierende Verstöße gegen Zitier-Regeln oder das Gebot der Ehrlichkeit bei Literaturnachweisen, wobei die SPD-Politikerin teilweise wohl sogar die Wahrheit sagt, wenn sie beteuert, die Arbeit „nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“ zu haben. Deshalb attestierte Peter Grottian, früher Lehrstuhlinhaber für Politologie an der Freien Universität, Giffey dann auch, „vom Handwerk wissenschaftlichen Arbeitens nur einen blassen Schimmer zu haben“ und „ein oft naives, fehlerhaftes und verantwortungsloses Verhältnis zu ihrem Fach“ zu zeigen.

Die Entscheidung des Uni-Präsidiums, dies alles nur mit einer „Rüge“ zu ahnden, also einer „Strafe“, die weder im Berliner Hochschulgesetz noch der Promotionsordnung seiner Universität vorkommt, ist ein ebenso schlechter Witz wie die parallele Beibehaltung der ursprünglich vergebenen Note. Immerhin wurde ja auch von der eigens eingesetzten Untersuchungskommission der Hochschule festgestellt, dass Giffey „die Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgängig beachtet“ habe. 

Und das müsste in einem Rechtsstaat normalerweise zwingend zur Aberkennung des Doktortitels führen: So wie es unmöglich ist, nur ein bisschen schwanger zu sein, dürfte niemand als Wissenschaftler bestehen, der in seiner Dissertation unkorrekt gearbeitet hat – egal ob mit Absicht oder aus Unvermögen.  W.K.