19.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.04.20 / Idylle in Ostpreussen / Als Lehrerin in Gertlauken / Marianne Peyinghaus erfuhr mit dem Fahrrad das Land zwischen Tilsit und Königsberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16 vom 17. April 2020

Idylle in Ostpreussen
Als Lehrerin in Gertlauken
Marianne Peyinghaus erfuhr mit dem Fahrrad das Land zwischen Tilsit und Königsberg
Lydia Wenzel

Mit gerade einmal 20 Jahren kommt Marianne Günther Ende 1941 im 1000 Kilometer von ihrer Heimat Köln entfernten Gertlauken an, einem idyllischen ostpreußischen Dorf zwischen Tilsit und Königsberg. Die junge Lehrerin, die noch mitten in ihrer Ausbildung steckt, soll hier die Dorfschule übernehmen. Eine enorme Aufgabe, zumal der einzige bisherige Lehrer dort an die Front beordert wurde. Anstatt sich aber von der völlig fremden Umgebung oder den Tücken des Unterrichtens unter den Entbehrungen des Krieges entmutigen zu lassen, nimmt sie die Schule mit 115 Schülerinnen und Schülern in die Hand und macht das Beste aus der Situation. 

Schon bald hat die unternehmungslustige junge Lehrerin Land und Leute mehr als liebgewonnen und erkundet ihre Umgebung bei jedem Wetter mit dem Fahrrad. So fährt sie regelmäßig zu einer Freundin nach Weidlacken, besucht Insterburg, Gumbinnen und das Haff. Ihre scharfsinnigen Beobachtungen ihres neuen Alltags und ihrer Ausflüge schildert sie ihrer Familie im fernen Köln mit viel Witz und Charme und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen in meist wöchentlichen Briefen. 

Die Sammlung dieser Briefe – nunmehr Marianne Peyinghaus‘ – ist nun als „Stille Jahre in Gertlauken“ neu erschienen, um einige Tagebucheinträge Mariannes während ihrer späteren Flucht aus Ostpreußen zurück nach Köln und ein Nachwort des Herausgebers ergänzt. Die lebhaften und unverblümten Schilderungen lesen sich streckenweise wie ein Roman und geben dabei wertvolle Einblicke in Leben und Kultur der Menschen in Ostpreußen, das Alltagsleben während des Krieges und die Gedankenwelt einer jungen Frau, die sich in beides erst hineinfindet. 

Dabei spielt immer öfter auch die Sorge um ihre Familie wegen der häufiger werdenden Bombennächte in ihrer Heimatstadt und ihren Bruder an der Front eine Rolle, genauso wie Versicherungen, dass es ihr gut gehe und sie bei der Dorfgemeinschaft, die sie liebevoll aufnimmt, „immer gleich mitessen“ müsse. Dieser stete Wechsel aus unbeschwerten Momenten, die sie immer wieder findet, und der Sorge angesichts der näher rückenden Front und des Krieges macht diese Sammlung besonders interessant und verdeutlicht, wie wichtig es ist, auch in scheinbar ausweglosen Situationen nicht den Sinn für Humor und den Mut zu verlieren. 

„Meine lieben Eltern, es war ein schöner, unendlich friedlicher Tag, dass man den ganzen schrecklichen Krieg mit all seinem Elend vergessen konnte. Dass solche Gegensätze bestehen können – im selben Land, zur gleichen Zeit.“ 

Marianne Peyinghaus: „Stille Jahre in Gertlauken. Erinnerungen an Ostpreußen“, Rautenberg,  Würzburg 2019, 244 Seiten, 16,95 Euro