Im Monat Ramadan zu fasten, solange draußen Helligkeit herrscht, gehört zu den fünf Grundpflichten eines jeden Muslims. Sie zu erfüllen, ist selbst unter den Bedingungen der Corona-Pandemie möglich – sofern der Gläubige derzeit keine Schwerstarbeit verrichten muss.
Allerdings gehört zum Ramadan auch das allnächtliche Fastenbrechen, bei dem die Muslime in großen Gruppen zusammenkommen, um gemeinsam die ausgefallenen Mahlzeiten des Tages nachzuholen. Und das dürfte in diesem Jahr zum Problem geraten, weil viele der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen über den Beginn des Ramadans am 23. April hinaus fortbestehen. Schließlich sind manche Muslime hierzulande nicht bereit, Reglementierungen ihrer Religionsausübung hinzunehmen. Das zeigen die Vorgänge rund um die vom Verfassungsschutz beobachtete Dar-as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln. Dort versammelten sich Anfang April 300 Personen zum eigentlich verbotenen Freitagsgebet.
Dahingegen werden die Corona-Verhaltensregeln dort, wo der Islam Staatsreligion ist, zumeist sehr viel bereitwilliger eingehalten – mit Ausnahme einiger Staaten wie Pakistan oder Somalia. So sind Menschenansammlungen in Moscheen sogar in Saudi-Arabien, dem Zentrum des sunnitischen Islam, strikt untersagt. Desgleichen gibt es im schiitischen Iran keine gemeinsamen Freitagsgebete mehr. Und auch der oberste Geistliche der Schiiten im Irak, Großajatollah Ali as-Sistani, verzichtet seit Anfang März auf öffentliche Predigten.
Stimmen einsichtiger Theologen
Dass diese Vorsichtsmaßnahmen durchaus im Sinne des Propheten Mohammed wären, bestätigten die Gelehrten der seit 975 bestehenden al-Azhar-Universität in Kairo, der wichtigsten sunnitischen Lehranstalt überhaupt, sowie des ägyptischen Amtes für islamische Rechtsgutachten, Dar al-Ifta al-Misriya. Darüber hinaus sagte Scheich Khaled Omran, welcher dem letztgenannten Amt vorsteht, man werde sich an den Vorgaben der Mediziner und Gesundheitsbehörden sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren. Wenn es sein müsse, dann falle das Fasten eben aus und die Gläubigen müssten „die verpassten Tage am Ende der Krise nachholen“.
Vor diesem Hintergrund mehren sich nun Stimmen, den Ramadan gleich komplett auf bessere Zeiten zu verschieben – dergestalt lautet beispielsweise der Rat des islamischen Theologen Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule in Freiburg.
Den Ramadan ganz offiziell und weltweit nicht schon ab dem 23. April, sondern später zu feiern, hätte auf jeden Fall im Interesse der inneren Sicherheit der Bundesrepublik und vieler anderer Länder gelegen, in denen die Muslime teilweise so auftreten, als stünden sie über dem Gesetz. Denn dadurch ließen sich noch größere Menschenaufläufe als in Berlin und eventuelle Ausschreitungen bei deren Auflösung verhindern.
Die zaghaften Bitten deutscher Politiker wie der Staatsministerin für Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU), die Gläubigen mögen doch dieses Jahr auf die üblichen Treffen anlässlich der Ramadan-Gebete und des allnächtlichen Fastenbrechens verzichten, dürften dahingegen wenig fruchten. Aber wie am Ende die Entscheidung der obersten islamischen Autoritäten auch ausfallen wird, ist unklar. Die stellvertretende AfD-Bundessprecherin Beatrix von Storch hat auf jeden Fall recht, wenn sie im Interview mit der „Welt“ warnt, dass Parallelgesellschaften „grundsätzlich eine Gefahr“ seien, weil sie den Zusammenhalt der Menschen innerhalb eines Landes schwächen, was in Krisenzeiten höchst fatal sein könne.
Kurzporträts
Die Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz warb bei den muslimischen Gemeinden in Deutschland um Verständnis für die Corona-Maßnahmen
Scheich Khaled Omran, der Generalsekretär des ägyptischen Fatwa-Rates, hält eine Verschiebung des Ramadan wegen der Corona-Pandemie für möglich
Der muslimische Brauch, im Monat Ramadan zu fasten, geht auf Abu l-Qasim Muhammad, den im Jahre 632 gestorbenen Religionsstifter des Islam, zurück