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08.05.20 / Frühromantik / Eingedeutschter Shakespeare / „Sein oder Nichtsein“ eines Übersetzers und Gelehrten – Vor 175 Jahren starb August Wilhelm Schlegel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19 vom 08. Mai 2020

Frühromantik
Eingedeutschter Shakespeare
„Sein oder Nichtsein“ eines Übersetzers und Gelehrten – Vor 175 Jahren starb August Wilhelm Schlegel
H. Tews

Neben der Luther-Bibel gibt es wohl nur eine weitere Übersetzung, gegen die bis heute kein Kraut gewachsen ist: Die Schlegel/Tiecksche Übersetzung der Werke Shakespeares besitzt in Deutschland so etwas wie Kanoncharakter. Jeder kennt sie und hat sie vielleicht sogar gelesen. 

Mit August Wilhelm Schlegel, Ludwig und Dorothea Tieck sowie Wolf Graf von Baudissin war eigentlich ein vierköpfiges Übersetzerkollektiv am Projekt beteiligt. Initiator und mit 17 übersetzten Dramen fleißigster Mitarbeiter aber war der vor 175 Jahren gestorbene A. W. Schlegel. Der vom Aufklärer Wieland, der eine erste Prosa-Übersetzung schuf, und Goethe „entdeckte“ Shakespeare wurde durch Schlegel/Tieck quasi eingedeutscht und zum Romantiker umfunktioniert.

In der Keimzelle der deutschen Romantik, Jena im Jahre 1797, entstanden mit „Ein Sommernachtstraum“, „Romeo und Julia“ und „Julius Caesar“ die ersten Übersetzungen. Der 1767 in Hannover geborene Schlegel war auf Schillers Veranlassung an die Universität von Jena als Privatdozent geholt worden. Den dort zum Teil auch in einer Hausgemeinschaft lebenden „Jenaer Kreis“ um A. W. Schlegel, seinen Bruder, den Literaturkritiker Friedrich, deren Frauen Caroline und Dorothea, den Philosophen Fichte sowie die Dichter Tieck und Novalis bezeichnete man auch als „Romantische Schule“.

Was die englische Sprache betrifft, war Schlegel Autodidakt. Er ist nie auf die Insel gereist, hat aber für sein Shakespeare-Projekt eifrig Vokabeln gepaukt. So mancher Wortwitz ist ihm dabei durchgerutscht, und manche seiner Verse klingen hölzern: „Wir sind solcher Zeug / Wie der zu Träumen, und dies kleine Leben / Umfaßt ein Schlaf“. So prosaisch übersetzt er die Rede des Prospero im „Sturm“, wo es heißt, „We are such stuff / As dreams are made on“. Johannes Mario Simmel machte daraus den poetischen Romantitel „Der Stoff aus dem die Träume sind“.

Obgleich er mit „Ion“ auch ein von Goethe aufgeführtes Drama schrieb, war Schlegel weniger Dichter als Gelehrter. So hielt er in Wien bedeutende Vorträge zur romantischen Theorie und über „Dramatische Kunst und Literatur“, gab mit seinem Bruder Friedrich die Literaturzeitschrift „Athenäum“ heraus und lehrte in Bonn Indologie und das neue Wissenschaftsfach Vergleichende Linguistik. Daneben war er Sekretär (und vielleicht auch Liebhaber) der exilierten französischen Autorin Madame de Staël. 

Am Ende überlebt er fast alle Frühromantiker und starb am 12. Mai 1845 in Bonn im Alter von 77 Jahren.