18.05.2024

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29.05.20 / Berliner Erklärung / Faktisch eine Annexion Deutschlands?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22 vom 29. Mai 2020

Berliner Erklärung
Faktisch eine Annexion Deutschlands?
Dirk Pelster

Es ist ein vergleichsweise wenig beachtetes Dokument, dessen Zustandekommen sich heute zum 75. Mal jährt. Anders als die Konferenz von Jalta und die Potsdamer Konferenz konnte sich die sogenannte Berliner Erklärung der Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges vom 5. Juni 1945 kaum im historischen Bewusstsein der Deutschen verankern. Dies mag vor allem dem Umstand geschuldet sein, dass ihre Unterzeichner nicht prominente Staats- oder Regierungschefs der Alliierten, sondern lediglich deren damalige militärische Oberbefehlshaber in Deutschland waren. 

Dennoch hatte das Papier weitreichende Folgen für die Nachkriegsordnung. Abgesehen von der Regelung technischer Fragen etwa bezüglich der Herausgabe von Kriegsgefangenen oder des Luftverkehrs maßten sich die Alliierten hiermit auf unbestimmte Zeit die alleinige Ausübung der obersten Hoheitsgewalt in dem von ihnen besetzten Deutschen Reich an. Sie füllten so das exekutive Vakuum, das sie mit der Verhaftung der Regierung unter Karl Dönitz im Mai 1945 selbst geschaffen hatten. 

Das Pikante an der Berliner Erklärung war, dass die Siegermächte darin feststellten, dass die Übernahme der Staatsgewalt in Deutschland nicht zugleich dessen Annexion bewirke. Hieran entzündete sich eine bis heute andauernde verfassungs- und völkerrechtliche Debatte. Auch das Bundesverfassungsgericht bezog die Berliner Erklärung in seine spätere Judikatur zum Rechtsstatus Deutschlands ein. 

Nach dessen Lesart war das Deutsche Reich nicht mit der Kapitulation der Wehrmacht 1945 untergegangen, sondern nur vorübergehend „handlungsunfähig“ geworden. Durch die Gründung der Bundesrepublik sei diese Handlungsfähigkeit auf einem Teil des Staatsgebietes wiederhergestellt worden, sodass das Deutsche Reich unter dem nun veränderten Namen weiterbestehe. Diese Rechtsauffassung wird nach wie vor nicht nur von Juristen kontrovers diskutiert. Nach der klassischen Völkerrechtslehre wurden Kriege entweder durch die Annexion des besiegten Staates oder aber durch den Abschluss eines Friedensvertrages beendet. Die Vereinbarung einer friedensvertraglichen Regelung hätte jedoch vorausgesetzt, dass diese mit der völkerrechtlich legitimierten Regierung Dönitz vereinbart worden wäre. 

Die eigenmächtige Usurpation der Hoheitsgewalt in Deutschland, dessen einseitige territoriale Neugestaltung sowie die spätere Gründung von Teilstaaten sprechen jedoch dafür, dass das Vorgehen der Besatzungsmächte – entgegen dem Wortlaut der Berliner Erklärung – faktisch als Annexion zu bewerten ist.