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18.09.20 / Türkei / Erdogan hat den Bogen überspannt / Die heuchlerische Kritik des Präsidenten an der Israelpolitik Abu Dhabis stößt selbst im Orient bitter auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38 vom 18. September 2020

Türkei
Erdogan hat den Bogen überspannt
Die heuchlerische Kritik des Präsidenten an der Israelpolitik Abu Dhabis stößt selbst im Orient bitter auf
Bodo Bost

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat von den osmanischen Sultanen die Fähigkeit geerbt, diplomatische Wende- und Drahtseilakte hintereinander hinzulegen, ohne rot zu werden. Jahrhundertelang perfektionierte das Osmanische Reich die politische Kunst, zeitgleich auf den Seiten widerstreitender Mächte zu stehen. So stellten sich die Sultane oft mit Frankreich und England gegen Deutschland, und manchmal waren die Sultane gleichzeitig mit Deutschland gegen Frankreich und England. 

So hatten beispielweise die jungtürkischen Führer des Osmanischen Reiches noch bis kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges ein Bündnis mit Frankreich und England unterhalten, bevor sie dann nach drei Monaten Krieg aus taktischen Gründen auf die Seite des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns wechselten, wobei sie im Mai 1918 im Kaukasus auch die Waffen gegen den Verbündeten Deutschland erhoben. 

Dieselbe Politik wird nun von Erdogan verfolgt, der bei den Arabern den Eindruck erwecken will, auf der palästinensischen Seite zu stehen, während er die vielschichtigen Beziehungen zu Israel aufrechterhält. In ähnlicher Weise ist die Türkei NATO-Mitglied, während sie Raketen von Russland kauft und das NATO-Mitglied Griechenland mit Krieg bedroht. Die Türkei möchte Mitglied der EU werden, erkennt aber das EU-Mitglied Zypern als Staat nicht an. Erstaunlicherweise inszeniert sich Erdogan gleichzeitig als enger Freund des US-Präsidenten Donald Trump und des russischen Präsidenten Wladimir Putin, je nach Bedarf.

Dieses widersprüchliche und unehrliche Verhalten der Türkei, das sich Europa und die NATO seit vielen Jahren gefallen lassen, ist nun allerdings in der arabischen und islamischen Welt anlässlich der Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) entlarvt worden und bitter aufgestoßen. 

Erdogan drohte den Emiraten am 14. August, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen und den türkischen Botschafter aus Abu Dhabi zurückzurufen, während sein eigener Staat normale Beziehungen zu Israel pflegt, wo er auch eine Botschaft unterhält. Viele Araber erinnerten Erdogan daran, dass die Türkei das erste mehrheitlich muslimische Land war, das Israel anerkannt hat. Sie erinnern ihn auch an seinen offiziellen Besuch in Israel im Jahr 2005 und an die jahrzehntelange militärische, strategische und diplomatische Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Israel.

Doppelmoral und Doppelzüngigkeit

„Erdogan ist der offizielle Sponsor der terroristischen Gruppen in der Region. Er benutzt diese Gruppen, um die arabischen Länder, darunter Syrien, Irak, Libyen und Ägypten, zu destabilisieren … Es scheint, dass Erdogan an einer Schizophrenie leidet, die selbst seine Anhänger überrascht und verwirrt“, schrieb zum Beispiel der ägyptische Journalist Adel al-Sanhoury am 21. August. 

Der jordanische Schriftsteller Noura al-Moteari fragte: „Hat Erdogan eine Geisteskrankheit und eine doppelte Persönlichkeit, oder weiß er sicher, dass seine Anhänger aus dem unterdrückten türkischen Volk und der Muslimbruderschaft ihm in blinder Loyalität folgen und nicht über das Ende ihrer Nasenspitze hinaussehen? Wie droht Erdogan, seinen Botschafter wegen des historischen Friedensabkommens mit Israel aus Abu Dhabi abzuziehen, während die israelische Botschaft in der Türkei aktiv ist?“ 

Der saudische politische Aktivist Monther al-Sheikh Mubarak schrieb: „Ich bin sicher, Erdogan braucht einen Psy­chiater. Es wurde berichtet, dass die Türkei Israel dienen wird, indem sie Israelis in die VAE transportiert, zu einer Zeit, in der Erdogan sich gegen eine Normalisierung (mit Israel) ausspricht. Es gibt keine Heilung für Dummheit.“

Die saudische Zeitung „Okaz“ schrieb in einem Leitartikel: „Erdogans Regime lässt keine Gelegenheit aus, in der Palästinenserfrage zu handeln und alle zu täuschen. Erdogans Heuchelei versucht die arabische und islamische öffentliche Meinung einzulullen, sein Regime spielt mit den Gefühlen der Muslime.“

Die heftigen Reaktionen vieler Araber auf Erdogans Drohung sind ein Zeichen dafür, dass sie verstehen, dass er ein hinterhältiger Opportunist ist, der die arabische und muslimische Karte ausspielt, um ein islamisches Kalifat unter seiner Herrschaft wiederzubeleben. Nach der breiteren arabischen Reaktion auf die Drohung zu urteilen, wird der türkische Möchtegern-Kalif in den arabischen Ländern, die einstmals zum Osmanischen Reich gehört haben, nicht als Führer, sondern eher als verrückter Demagoge und Förderer des Terrorismus wahrgenommen.